Spielsucht und Auswirkungen auf die strafrechtliche Schuld

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Glücksspiel und Strafrecht
Kriminalität – Strafbarkeit – Schuld
Univ.-Prof. Dr. Klaus Schwaighofer, Innsbruck
24. 1. 2014
Übersicht
I. Kriminalität im Zusammenhang mit Spielen und
Spielsucht
Welche Kriminalitätsformen?
• Primäre Kriminalität (insb §168, § 168a, Betrügereien)
• Beschaffungskriminalität (Taten zur Finanzierung der
Spielsucht)
II. Strafbarkeit und Bestrafung (Allgemeines)
III. Spielsucht und Schuld
I. Kriminalität im Zusammenhang mit
Spielen und Spielsucht
1. Deliktstypen, die direkt an Glücksspiel anknüpfen
(gerichtlich strafbaren Handlungen)
Verwaltungsübertretungen: insb § 52 Abs 1 GSpG:
Es begeht eine Verwaltungsübertretung (Geldstrafe von bis zu 40 000 Euro im
Fall des Z 1, in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro): …
Abgrenzung Verwaltungsübertretung - § 168 StGB
(§52 Abs 2 GSpG):
VfGH 13. 6. 2013, B 422/2013,VwGH 23. 7. 2013, 2012/17/0249:
Wenn bei einer Glücksspielveranstaltung (zB verbotenen Ausspielungen
mit Spielautomaten) ein Einsatz von mehr als 10 € pro Spiel ermöglicht
wird (es kommt nicht auf den tatsächlichen Einsatz an)
„gering“: also maximal 10 Euro Einsatz pro Einzelspiel
Tatbestände des StGB, die ausdrücklich an das Spielen anknüpfen:
Glücksspiel
§ 168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder
vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet
oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert,
um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen
Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit
Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu
gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge
gespielt wird.
(2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis
zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Rechtsnatur: (abstraktes) Vermögensgefährdungsdelikt
Welche Spiele fallen unter § 168 StGB?
„Glücksspiele“: Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder
vorwiegend vom Zufall abhängen (ebenso § 1 GSpG).
„reine“ Glücksspiele – „gemischte“ Spiele
• Roulette, Optisches Kugelkarussell, Würfelspiele, Glücksrad, Bingo, Baccarat
• alle Kartenspiele, bei denen die Blattverteilung allein entscheidet
(Herz As-Aufschlagen, Poker)
• Wetten?
• Ketten- oder Pyramidenspiele laut OGH
• Hausverlosungen, weil der Gewinner durch Los ermittelt wird
(aber idR keine Absicht auf Vermögensvorteil)
Keine Glücksspiele sind Geschicklichkeitsspiele:
zB Schach, Billard, Bridge, Tarock
 Sportwetten sind nach hM keine Glücksspiele (relevant sind:
Erfahrung, Spielstärke, Rennbahn, sonstige Rahmenbedingungen)
 virtuelle Wetten (am Computer) sind Glücksspiele
 wohl auch Ereigniswetten (Wette auf den ersten Einwurf)
Gemischte Spiele: Einfluss von Spielerfähigkeiten und Zufall
Glücksspiel liegt vor, wenn der Zufall überwiegt
• Kartenspiel „Färbeln“, das türkische Kilic = Glücksspiele
• Schnapsen gilt als Geschicklichkeitsspiel (zweifelhaft)
• Durch Änderung von Modalitäten (etwa auch der Spielgeschwindigkeit) kann
ein Geschicklichkeitsspiel zum Glücksspiel werden (Hütchenspiel)
„Gewinn und Verlust“:
Betrifft nicht nur das Spielergebnis, sondern wirtschaftliche Konsequenzen
(Vermögenszuwachs oder -verminderung)
Spiel „um die Ehre“ ist nie Glücksspiel iSd § 168 StGB.
Gewinn eines Freispiels ist auch kein Gewinn iSd § 168
Verordnungsermächtigung im GSpG, Spiele als verbotene Glücksspiele
zu bezeichnen (es gibt nur eine alte aufgehobene VO).
Verbotene Spiele sind den Glücksspielen in § 168 gleichgestellt.
Auch Geschicklichkeitsspiele können verboten werden!
ZB verboten in Wien „Hütchenspiel“; verboten in Tirol: Spielautomaten mit
verrohender Wirkung, erwerbsmäßige Veranstaltung von Geschicklichkeitsspielen, wenn um mehr als geringe Beträge gespielt wird.
Tathandlungen nach Abs 1:
• Veranstalten
• Zusammenkunft fördern
Innere Tatseite: Vorsatzdelikt
a) Vorsatz auf Glücksspiel oder verbotenes Spiel (bedingter Vorsatz genügt)
b) Absicht, aus der Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder anderen
Vermögensvorteil zuzuwenden (bei Hausverlosungen idR nicht gegeben)
Tathandlungen nach Abs 2:
• Gewerbsmäßige Beteiligung an einem Glücksspiel oder verbotenen Spiel
Gewerbsmäßigkeit: § 70 StGB (auch wenn nur um geringe Beträge)
Straffreiheit:
Strafbar ist nur das gewinnorientierte Veranstalten, Fördern und
das gewerbsmäßige Spielen.
• Sonstige „normale“ Spielbeteiligung ist nicht strafbar.
• Veranstalten und Fördern von Spielen ist nicht strafbar,
– wenn bloß zu gemeinnützigen Zwecken gespielt wird
(Ausspielungen von Vereinen, bei Sportveranstaltungen, Bällen)
oder
– wenn bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.
o Gewinnstreben schadet nicht, bei Gewinnsucht liegt aber kein
Zeitvertreib mehr vor
o „geringe Beträge“: relevant ist die Höhe des jeweiligen einzelnen
Einsatzes (ohne Rücksicht auf Wiederholungen):
max. 10 € pro Spiel
Rechtfertigung:
Spiele auf Grund gesetzlich vorgesehener Konzessionen oder behördlicher
Bewilligungen
Konkurrenz/Abgrenzung:
• Betrug: Falsch spielen, Gewinnchance nur vortäuschen
• § 168a (auch Glücksspiel) ist gegenüber § 168 subsidiär:
wenn korrekt über die Chancen des Kettenspiels informiert wird: keine Täuschung
• § 52 GSpG (Verwaltungsübertretungen) subsidiär nach Abs 2.
Ketten- oder Pyramidenspiele
§ 168a. (1) Wer ein Gewinnerwartungssystem, dessen Teilnehmern gegen Einsatz
ein Vermögensvorteil unter der Bedingung in Aussicht gestellt wird, dass diesem oder
einem damit im Zusammenhang stehenden System unter den gleichen Bedingungen
weitere Teilnehmer zugeführt werden, und bei dem die Erlangung des Vermögensvorteils ganz oder teilweise vom bedingungsgemäßen Verhalten jeweils weiterer Teilnehmer abhängt (Ketten- oder Pyramidenspiel),
1. in Gang setzt oder veranstaltet oder
2. durch Zusammenkünfte, Prospekte oder auf eine andere zur Anwerbung vieler
Teilnehmer geeignete Weise verbreitet oder
3. sonst die Verbreitung eines solchen Systems gewerbsmäßig fördert,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
zu bestrafen, es sei denn, dass das System bloß zu gemeinnützigen Zwecken veranstaltet wird oder bloß Einsätze geringen Wertes verlangt werden.
(2) Wer durch die Tat eine größere Zahl von Menschen schwer geschädigt
hat, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Rechtsnatur:
Vermögensgefährdungsdelikt, gerichtet gegen Gewinnerwartungssysteme,
die nach dem Schneeballprinzip organisiert sind
Notwendigkeit:
• Evt. kein Glücksspiel (vom Talent der Teilnehmer abhängig?)
• kein Betrug, wenn Teilnehmer nicht getäuscht werden
Aber:
• laut OGH sind Ketten- oder Pyramidenspielen Glücksspiele iSd § 168
• Betrug bei Irreführungen über die Einhaltung der Spielbedingungen,
über Risiko oder Spielstand, bei regelwidrigen Eingriffen
Tathandlungen:
Z 1: In Gang setzen, veranstalten
Z 2: Verbreitung des Spiels auf eine zur Anwerbung vieler Teilnehmer
geeignete Weise
Insbesondere durch Zusammenkünfte, Prospekte usw. die Beteiligung
vieler Mitspieler bewerben
Z 3: gewerbsmäßiges Fördern der Verbreitung
Zuführung mindestens eines weiteren Teilnehmers
(über das systembedingte Anwerben hinaus), aber gewerbsmäßig
Normaler, einfacher Systemteilnehmer ist nicht strafbar.
Straffreiheit:
Wie beim Glücksspiel § 168 StGB:
Wenn bloß zu gemeinnützigen Zwecken veranstaltet wird
oder bloß Einsätze geringen Wertes verlangt werden.
Konkurrenz/Abgrenzung:
• Betrug (§§ 146 ff) ist möglich
• Glücksspiel (§ 168) hat Vorrang
Qualifikation in Abs 2
Betrug
§ 146. Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen
Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu
einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen
am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit
Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
• Täuschung: bei einem anderen Irrtum erwecken
falsche Behauptungen, falsches Dokument, auch konkludent
• Verleitung zu Handlung, Duldung oder Unterlassung
zB Wettbetrug: Wette annehmen, Wetteinsätze machen
• Vermögenschaden herbeiführen
Verlust des Einsatzes (auf Grund des Falschspiels)
• Vorsatz auf Täuschung, Schädigung, Bereicherungsvorsatz
Spielmanipulationen und Wettbetrug:
Ergebniswetten sind Wetten, keine Glücksspiele
Ereigniswetten (Elfmeter, erster Eckball, Einwurf) sind keine Wetten,
sondern Glücksspiele (und nicht selten manipuliert)
Etappen des Wettbetrugs:
a) Spiel manipulieren:
Zahlungen an Spieler, Schiedsrichter, damit sie wie gewünscht agieren
(Torhüter soll patzen, Verteidiger ein Elferfoul begehen, …)
Interessant für schlecht verdienende Spieler niedriger Spielklassen
Diese „Bestechungen und Vorteilsannahmen“ sind nicht strafbar:
Kein § 304, 307 StGB: keine Amtsträger (Vereine)
Kein § 309 StGB: Fußballspielen ist keine Rechtshandlung im geschäftlichen
Verkehr (auch nicht die schiedsrichterliche Tätigkeit)
auch kein Betrugsversuch (nicht ausführungsnah)
b) Wetteinsatz:
•
•
mitunter Spieler selbst (verboten - Sperre, Entlassung)
Meist aber ausländische Wettmafiosi, die Spieler oder Schiedsrichter für die
Manipulation vorher bezahlt haben
Betrug?
•
konkludente Täuschung des Wettanbieters:
Wetten enthält konkludente Erklärung der Manipulationsfreiheit
(Wettsituation unbeeinflusst, aufrechte Risikoverteilung)
Problem bei Online-Wetten: Wettabschluss nur durch Computer keine Täuschung einer Person, sondern Maschine daher kein Betrug, sondern §148a StGB
•
•
Verleitung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung,
die Vermögensschaden herbeiführt
Wann ist ein Schaden eingetreten?
Schaden schon durch Abschluss/Annahme der Wette?
• kaum (Wettanbieter hat vorerst mehr Geld als vorher)
• deutscher BGH bejaht einen Schaden („Quotenschaden“):
unredlicher Wettkunde hat zu wenig bezahlt für die (viel größere) Wettchance.
Schaden = Diskrepanz zwischen Wetteinsatz und Gewinnquote.
Aber: Mit Einsatz bloß Vermögensgefährdung (Ausgang ist noch offen),
daher nur Versuch:
„Ausführungsnähe“ gegeben
– sonst wären misslungene Wetten straflos
– bloß strafloser versuchter Beitrag für die Spieler
c) Erst mit der Auszahlung des Wettgewinns tritt der Schaden ein
(Vollendung des Betrugs) - Bereicherungsvorsatz ist offensichtlich
Varianten:
Betrug an den anderen, die wetten?
Sehr fraglich: Kausalität, wenn schon vor der Manipulation gewettet wurde?
Verleitung zur Nicht-Rückforderung?
Manipulationen durch die Wettbüros selbst:
Personen, die Wetteinsätze tätigen, werden getäuscht (über Risikoverteilung) und
geschädigt (vollendeter Betrug mit Zahlung des Wetteinsatzes)
Überlegung: Neuer Vorfeldtatbestand für die Manipulation von Spielen
(gegen Vorteilsgewährung)?
2. Kriminalität durch Spielsucht
a) Welche Delikte?
Betrug, Diebstahl, Veruntreuung, Unterschlagung, Raub
 direkte Beschaffungskriminalität
 indirekte Beschaffungskriminalität
b) Häufigkeit/Bedeutung?
wenig erforscht, aber anzunehmen:
hoher Anteil von Spielern, die sich auf illegale Weise Geld zur
Finanzierung des Glücksspiels beschaffen
c) Fallbeispiele:
•
•
•
•
•
•
•
Gewohnheitsspieler raubt am helllichten Tag auf einer belebten Straße einer Frau
einen hohen Geldbetrag
40-jährige unbescholtene Frau leiht sich bei Bekannten immer größere
Geldsummen aus, verspielt mehr als 1 Million Schilling
Kellner lockt verschiedenen Frauen einen 6-stelligen Schilling-Betrag heraus, um
seiner Spielsucht frönen zu können
„Überfall auf Bank geklärt: Ursache Spielsucht“
„Spielsucht: Familienvater bestiehlt seinen Arbeitgeber“
„Spielsucht: Familienvater überfiel zehn Banken“
12-Jähriger beraubt andere Kinder, um an Automaten spielen zu können
usw.
II. Strafbarkeit und Bestrafung
„strafbares Verhalten“ = tatbestandsmäßiges, rechtswidriges, schuldhaftes
menschliches Verhalten, das auch alle sonstigen Voraussetzungen der Strafbarkeit
erfüllt
•
Tatbestandsmäßigkeit:
- äußerer Tatbestand (Handlung, Erfolg, …)
- innerer Tatbestand (Vorsatz)
•
Rechtswidrigkeit: (Widerspruch zur Rechtsordnung)
Rechtfertigungsgründe?
bei Glücksspiel zB: Konzession, Bewilligung
•
Schuld: Vorwerfbarkeit der Tat
insb. biologisches Schuldelement – Zurechnungsunfähigkeit
Wenn alle Voraussetzungen gegeben:
Sanktionierung/Bestrafung?
• Welche Strafe?
• Wie hoch/wie lange? Erschwerungs- und Milderungsgründe
• Vorbeugende Maßnahme?
III. Spielsucht und Schuld
1. Glücksspielsucht - Kriterien des „pathologischen Spielens“:
zwanghaftes pathologisches Spielen, das das Krankheitsbild einer Sucht erfüllt
typische Suchtkriterien (ähnlich den stoffgebundenen Süchten):
• Lebensführung wird beherrscht, Kontrollverlust
• Steigerung der Einsätze
• erfolglose Beendigungsversuche
• unruhig, gereizt (Entzugserscheinungen)
• Belügen der Familie, Freunde
• sozialer Rückzug
• Schulden, Abgleiten in die Kriminalität, Suizid
Trotz Sorgfaltspflichten der Spielbanken!
2. Schuld von spielsüchtigen Tätern:
• Zurechnungsunfähigkeit?
• stark eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit?
Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB):
§ 4 StGB: „Strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt“.
Zurechnungsunfähigkeit schließt die Schuld aus.
§ 11 StGB: „Wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen einer
geistigen Behinderung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder
wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen
seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach
dieser Einsicht zu handeln, handelt nicht schuldhaft.“
a) Diskretions- und Dispositionsfähigkeit (psychologisches Element):
Diskretionsfähigkeit = die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen
bei suchtkranken Personen in der Regel gegeben
Dispositionsfähigkeit = die Fähigkeit, dieser Einsicht entsprechend zu handeln
Zweifelhaft: unwiderstehliches Verlangen nach Glücksspiel!
Judikatur: Es wird fast nie fehlende Dispositionsfähigkeit angenommen,
nicht einmal bei stoffgebundenen Süchten, umso weniger bei stoffungebundenen
Süchten
OGH 14 Os 129/05k: „Eine auf pathologische Spielsucht lautende Diagnose genügt für
den Ausschluss der Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit nicht.“
Literatur:
bei schwerer Drogensucht:
• Zurechnungsunfähigkeit durch Bewusstseinsstörungen in der
Entzugsphase denkbar (Zwang)
bei Glücksspielsucht:
• weitgehender Kontrollverlust während des Spiels möglich
• bei der Begehung von Straftaten ist die Dispositionsfähigkeit
- wenn auch eingeschränkt - vorhanden (gewisse Planung der Taten)
b) Biologisches Element:
Die fehlende Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit muss durch Geisteskrankheit,
geistige Behinderung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine andere
schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung verursacht sein.
Frage: Glücksspielsucht als schwere seelische Störung?
Toxischer Effekt durch Suchtmittel fällt weg, es können nur psychologische Aspekte
eine Rolle spielen.
OGH: Zurechnungsunfähigkeit durch Spielsucht nur in theoretischen Ausnahmefällen!
11 Os 117/88: verminderte Hemmfähigkeit durch Kleptomanie,
aber Schuldfähigkeit gegeben (keine Gleichwertigkeit)
Aber neue Untersuchungen zur Neurobiologie von Abhängigkeiten!
3. Konsequenzen bei Zurechnungsunfähigkeit?
Keine Bestrafung, aber denkbar:
Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher
nach § 21 Abs 1 StGB:
Voraussetzungen:
Begehung einer schwereren Straftat unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit
ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von
höherem Grad beruht, und
Gefährlichkeit (Taten mit schweren Folgen)
Nur in Ausnahmefällen denkbar:
• Zustand eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen
• so ausgeprägt, dass er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann
4. Konsequenzen bei Zurechnungsfähigkeit?
Bestrafung
Auswirkungen der suchtbedingten eingeschränkten
Zurechnungsfähigkeit?
• Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige
Rechtsbrecher (§ 22 StGB):
unanwendbar
• Sonderbestimmungen des Suchtmittelgesetzes:
bei Glücksspielsucht ebenfalls unanwendbar
Milderungsgrund?
Verhängung einer schuldangemessenen Strafe:
• Ermittlung des anzuwendenden Strafsatz (oder Strafrahmen)
• Ausmessung der Strafhöhe nach der Schwere der Schuld
(§32 StGB)
Erschwerungs- und Milderungsgründe sind gegeneinander abzuwägen
2 Milderungsgründe kommen in Betracht:
§ 34 Abs 1 Z 1: Begehung der Tat unter dem Einfluss eines abnormen
Geisteszustands
dazu gehört: „verminderte Zurechnungsfähigkeit“
OGH: kompensiert den Milderungsgrund mit dem Erschwerungsgrund
der selbst verschuldeten Herbeiführung der Sucht oder der suchtbedingten erhöhten Rückfallgefahr.
§ 34 Abs 1 Z 11: Wenn die Schuldfähigkeit so stark herabgesetzt ist,
dass sie der Zurechnungsunfähigkeit gem § 11 StGB nahe kommt
Schuldfähigkeit „im Grenzbereich zur Zurechnungsunfähigkeit
angesiedelt“
OGH lehnt Spielsucht als Milderungsgrund meist pauschal ab.
Gänzliche oder teilweise bedingte Strafnachsicht?
§ 43: Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren können bedingt
nachgesehen werden.
§ 43a: Freiheitsstrafen im Höchstmaß von drei Jahren können
teilweise bedingt nachgesehen werden.
Voraussetzungen:
• Spezialprävention: Die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in
Verbindung mit anderen Maßnahmen genügt, um den Täter von weiteren
strafbaren Handlungen abzuhalten
• Generalprävention: Es bedarf nicht der Vollstreckung der Strafe, um der
Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Festsetzung einer Probezeit
„andere Maßnahmen“?
• Weisungen (§ 51 StGB) und/oder
• Bestellung eines Bewährungshelfers
Denkbare Weisungen:
• bestimmte Orte (Casinos und Spiellokale) zu meiden
• Therapieweisung (nur mit Zustimmung)
Sinnvoll:
• Therapie freiwillig vor der Hauptverhandlung beginnen
• für Casinos sperren lassen
• Aufsuchen einer Schuldnerberatungsstelle
Nachträgliche Strafmilderung wegen eines
Therapieerfolges (§ 31a StGB):
1. Antrag auf Strafaufschub zwecks Durchführung einer Therapie
2. Antrag auf nachträgliche Strafmilderung mit Nachweis eines
Therapieerfolges
(Herabsetzung der Strafe, bedingte Strafnachsicht)
Bedingte Entlassung (§ 46 StGB):
frühestens nach Verbüßung der Hälfte der Strafe
evtl. mit Therapieweisung
DANKE
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