7 Verordnung und Wirksamkeit von Antispasmodika

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Verordnung und Wirksamkeit von Antispasmodika (Parasympatolytika)
Bei der Behandlung der Reflexinkontinenz im Rahmen der neurogenen
Blasenfunktionsstörung ist es ein anerkanntes Therapiekonzept die Detrusoraktivität
medikamentös vollständig zu unterdrücken und die Patienten anzulernen, ihre Harnblase
intermittierend mit Selbstkatheterismus zu entleeren. Dieses Konzept wird durch viele
prospektiv-randomisierte klinische Studien unterstützt. Die Drang- und Reflexinkontinenz
wird durch Antispasmodika positiv durch die Erhöhung der Detrusorelastizität, der
Detrusoraktivität und der Kontraktilität beeinflusst. Dieses ist eindeutig durch urodynamische
Untersuchungen belegt.
Es werden vor allem Anticholinergika vom Typ der tertiären und quartären Amine eingesetzt.
Die Deutsche Kontinenzgesellschaft e. v. (GIH) bezeichnet diese modernen Spasmolytika als
hochwirksame Medikamente. Bestrebung der KGV, SVdGKV und dem BMG, alle
urologischen Spasmolytika als Medikamente mit umstrittener Wirkung einzustufen, um sie
aus dem Arznei- und Hilfsmittelbudget herauszunehmen, werden daher von der GIH sowie
der Deutschen Gesellschaft für Urologie abgelehnt. Deren Forderung ist, dass auch in der
Zukunft die Antispasmodika auf Kosten der GKV verordnungsfähig bleiben.
Moderne Parasympatolytika in der Behandlung der hyperaktiven Blase
Das weit verbreitete Symptom des Dranges bzw. der Dranginkontinenz kann das Leben der
Betroffenen stark beeinflussen. Es handelt sich um ein deutlich altersabhängiges
Krankheitsbild. In der Altersgruppe der Menschen mit 75 Jahren liegt die Prävalenz der
gesamten Bevölkerung bei 30—40 %. Ein großes Problem stellt die hohe Zahl der
unbehandelten Patientinnen dar, die meist aus Schamgefühlen heraus nur zu 30% mit Ihrem
Arzt über die Beschwerden sprechen.
Drang und Dranginkontinenz die auf eine Überaktivität des Detrusor vesicae zurückzuführen
sind, werden heute vor allem mit der Stoffgruppe der Anticholinergika behandelt. Diese
erreichen eine Dämpfung der hyperaktiven Blasenmuskulatur und erhöhen die
Blasenkapazität. Ihr Wirkort ist der Muskarinrezeptor.
Im menschlichen Organismus werden 5 verschiedene muskarinerge Rezeptoren
unterschieden.
Vor allem Muskarinrezeptoren Typ 2 und 3 werden auf Detrusorzellen nachgewiesen. M2Rezeptoren hemmen die ß3-adrenerg vermittelte Detrusorrelaxation, sie führen daher indirekt
zu einer Detrusorkontraktion. Bei Patientinnen mit overactiv bladder werden vermehrt M2Rezeptoren gefunden. Bei Patientinnen mit neurogenen Blasen können die instabilen
Kontraktionen durch M2-Rezeptoren vermittelt sein.
Für die Kontraktion und somit die Blasenentleerung sind aber vor allem M3-Rezeptoren, die
20% der Rezeptoren auf den Detrusorzellen stellen. Die Rolle der M2-Rezeptoren ist noch
nicht letztlich geklärt, sie scheinen aber die Wirkung der M3-induzierten Kontraktion zu
verstärken.
Mit dem Ziel, die Verträglichkeit dieser Substanzen zu steigern, werden selektive
Anticholinergika eingesetzt.
Das Wissen über die Verteilung der Rezeptorsubtypen an verschiedenen Organen erklärt das
Auftreten von Nebenwirkungen. Ob die Gabe eines überwiegend M3- Rezeptoren
hemmenden Anticholinergikums eine höhere Effektivität bewirken kann, ist derzeit noch
nicht hinreichend belegt.
Hinsichtlich der rezeptorvermittelten Nebenwirkungen kann durch Selektivität des
Anticholinergikums das Nebenwirkungsprofil begünstigt sein.
Die Erfahrung zeigt, dass bei Unverträglichkeit eines Anticholinergikums, sei es selektiv oder
unselektiv, ein Präparatewechsel den eventuellen positiven Effekt am Detrusor weiterhin
gewährleisten kann, bei geringeren Nebenwirkungen.
Anticholinergika können auch transdermal appliziert oder intravesikal instilliert werden.
Retardpräparate und Präparate, die leberunabhängig verstoffwechselt werden sind ebenfalls
erhältlich.
Nebenwirkungen der Anticholinergica sind nach Absetzen der Therapie rasch reversibel.
Häufig auftretende Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Obstipation,
Akkomodationsstörungen sowie Tachykardie. Bei Glaukompatientinnen sollte die
Behandlung nur nach Rücksprache mit dem betreuenden Augenarzt eingeleitet werden. Die
Patientin sollten vor Behandlungsbeginn eingehend über diese möglichen Symptome
informiert werden.
Die Verdachtsdiagnose der Blasenhyperaktivität wird bestätigt durch die Verbesserung der
Situation unter Therapie. Ein Auslassversuch nach ansprechender Therapie kann nach sechs
Monaten versucht werden. Bei Wiederauftreten der Symptome ist dann eine längerfristige
Therapie indiziert.
nach: Armin Fischer: Praktische Urogynäkologie – spannungsfrei; Verlag Haag & Herchen,
Frankfurt 2006; ISBN 3-89846-371-0
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