Einwanderer aus fernen Landen … 15. Bundesweite Naturwachttagung 2009 in Lenzen. Nationalpark Harz Dr. H.-U. Kison • In Deutschland nahm im 20. Jahrhundert die Jahresmitteltemperatur um 0,9 °C zu (weltweit 0,6 °C , Europa 0,8 °C ). • Dadurch verschoben sich die Isothermen in Europa im Mittel um 120 km nordwärts. Nationalpark Harz Nationalpark Harz Ilsetal Nationalpark Harz Nationalpark Harz Wie soll man das durchschauen? Zersiedelung Zersiedelung Zerschneidung Zerschneidung (Zurückdrängung (Zurückdrängung von vonNatur) Natur) Veränderte Veränderte Landnutzung Landnutzung (Kulturpflanzen, (Kulturpflanzen, Anbauverfahren) Anbauverfahren) Invasive Invasive Arten Arten Einschleppungen Einschleppungen Saurer Regen Saurer Regen und undandere andere Immissionen Immissionen Naturschutz Naturschutz Biotoppflege Biotoppflege Artenschutz Artenschutz Klimawandel StickstoffStickstoffEintrag Eintrag Nationalpark Harz Ozon Ozon Wanderung von Pflanzen und Tieren • Früher • …und heute? • Aktuelle Beispiele • Fazit Nationalpark Harz Grundlegende Gesetzmäßigkeit Expansion ist ein Merkmal des Lebens. Überall und zu jeder Zeit versuchen sich Pflanzen und Tiere in neuen Lebensumständen. Die Entdeckung und Besiedlung neuer Lebensräume war und ist für sie eine Überlebensfrage. Nationalpark Harz Nationalpark Harz Mitteleuropa nach der Eiszeit Nach dem Rückzug des Eises glich MittelEuropa einem „Artenfriedhof“. Fast alle heute vorkommenden Arten sind erst zugewandert, sie sind entweder ehemalige Fremdlinge oder Klimaflüchtlinge. Ohne Einwanderung fremder Arten wäre Mitteleuropa heute eine deprimierende Wüstenei. Nationalpark Harz Bilanz der Flora Deutschlands Status Anzahl Deutschland 1) Anzahl Hochharz 2) gesamt 3062 (100%) 950 (100%) einheimisch 2375 (77,6%) 774 (81%) Nicht einheimisch 687 (22,4%)3) 176 (19%) ausgestorben 47 (1,5%) 60 (6%) 1) Nach Szyska (2004) 2) Kison & Wernecke (2004) 3) Weltweit 5-30% Nationalpark Harz Herkunft von Neophyten/Neozoen in Deutschland (nach Kowarik 2003, verändert) Planzen 189 (892) % 21 63 7 290 33 65 7 275 31 10 1 Tiere 178 (705) % 25 87 12 103 15 122 18 185 26 30 4 Nationalpark Harz 1806 -1830 -1850 -1900 1 Startpunkt + < 100 Jahre Europa komplett besiedelt Kleinblütiges Knopfkraut (Ursprung: S-Amerika) Nationalpark Harz Wanderung von Pflanzen und Tieren • Früher • …und heute? • Aktuelle Beispiele • Fazit Nationalpark Harz Nationalpark Harz Früher Ausgang von einem Punkt Nationalpark Harz Heute Viele Baumärkte, Zoohandlungen usw. Zehner-Regel (nach Williamson und Kowarik) 1000 Arten werden eingeführt davon 100 10 1 Nationalpark Harz breiten sich in der Natur aus bürgern sich ein (bilden dauerhaftes Vorkommen) wird invasiv und damit Problemfall Wanderung von Pflanzen und Tieren • Früher • …und heute? • Aktuelle Beispiele • Fazit Nationalpark Harz Mondbechermoos (Lunularia ) „Brutkörper“ Heimat: Mittelmeergebiet. 1827 erstmals in Deutschland, bis 1900 nur in Gewächshäusern. Ursache der Ausbreitung: Eutrophierung « - » Klimawandel? Nationalpark Harz „Kaktusmoos“ (Campylopus) Nationalpark Harz „Kaktusmoos“ (Campylopus) Ursache: Nährstoffanreicherung Kaum zu bekämpfen! Heimat: Südhemispäre (Südamerika, Afrika, Australien usw.) 1941 erstmals England; 1967 Deutschland: Sandtrockenrasen, gestörte Moore. In 10 Jahren mehrere hundert Quadratmeter. Verdrängt Moose, Flechten und einjährige Arten! Vernichtet die heimische Vegetation. Nationalpark Harz Nationalpark Harz Ulmensterben (Ophiostoma) Großer Ulmensplintkäfer Heimat: Der Welkepilz kommt aus Ostasien. 1910 Holland mit Nutzholz „Holländische Ulmenkrankheit“ Erste Welle 1910 – 1940, ab 1960 2. Welle Ergebnis: Ulmen sehr dezimiert, Feldulme nicht mehr als Baum sondern fast nur noch Strauch Nationalpark Harz Tintenfischpilz „Hexeneier“ Foto: Th. Schultz Heimat: Australien, Tasmanien, Neuseeland. Mit Woll- und Militärtransporten eingeführt: 1913 Vogesen; Deutschland erstmalig 1934 (Karlsruhe). Heute in ganz Europa verbreitet. Nationalpark Harz Foto: Th. Schultz Nationalpark Harz Umweltbelastung? Foto: A. Schulz Nationalpark Harz Großer Algenfarn (Azolla) Azolla filiculoides in der Fährlake Grünewalde (29.12.2007!) Foto: A. Schulz Nationalpark Harz Azolla filiculoides Lam. Großer Algenfarn Symbiose mit der Blaualge Anabaena azollae Heimat: Subtropisches Amerika Deutschland ab 1870 (Rhein) Heute bundesweit verbreitet. Foto aus Bennert (1999) Nationalpark Harz Heimat: Kaukasus. Eingeführt: 1817 als Zierpflanze nach England. Breitet sich schnell aus (20.000 Samen/Pflanze) Nationalpark Harz Nationalpark Harz Furanocumarine verursachen Fotodermatitis (Verbrennungen ersten und zweiten Grades; Narbenbildung) Nationalpark Harz Nationalpark Harz Japanischer Staudenknöterich Ufer der Neisse Heimat: Ostasien Eingeführt als Zierpflanze im 19. Jh.; Zerstört die Vegetation von Flussufern. Nationalpark Harz Beispiel: Wespenspinne (Argiope bruennichi) bis vor 1960 1900 1990 bis heute Ursprüngliche Verbreitung: Mittelmeerraum bis zur asiatischen Pazifikküste Verbreitung der Jungspinnen durch Winddrift Nationalpark Harz Bembidion ruficolle (Laufkäfer) Profitiert vom Klimawandel (18 Grad Juli-Isotherme) Wärmeliebende Art aus Osteuropa. Früher sporadisch, heute regelmäßig. Nationalpark Harz Asiatischer Marienkäfer Heimat: Zentral- und Ostasien Eingeführt mit biologischem Pflanzenschutz (Blattläuse). Verdrängt heimische Arten! Nationalpark Harz Spanische Wegschnecke Seit 1969 in Dtl. Rasante Ausbreitung. 12 Ex./m2 KulturFläche (bis 1000!) 200-400 Eier Keine natürlichen Feinde. Indische Laufente Nationalpark Harz Wollhandkrabbe Heimat: Ostasien Deutschland: zuerst 1912 (mit Ballastwasser). Wanderungen flussaufwärts (Elbe, Rhein): 1927 Folgen: Nahrungskonkurrent; Schäden durch Grabungsaktivitäten: ~80 Mill. € in deutschen Gewässern. Nationalpark Harz Flusskrebse Einheimischer Edelkrebs Amerikanischer Flußkrebs Der amerikanische Flusskrebs wurde 1890 fischereilich eingeführt (Odergebiet). Sehr konkurrenzstark und anspruchslos. Krebspest: Mit ihm kam eine Pilzinfektion. Er selbst ist immun. Der Edelkrebs stirbt an der Krebspest, wird mehr und mehr verdrängt. Nationalpark Harz Nilgans Heimat: Afrika Erste Bruten im Freiland in Dtl. (SH) 1963 2200-2600 Brutpaare Sehr aggressiv; Konkurrent um Brutplätze (Milan, Bussard) In Ausbreitung Nationalpark Harz Brutrevier der Nilgans bei Halberstadt Nationalpark Harz Nilgans in Greifvogelhorst Nationalpark Harz Nicht einheimische Vogelarten Noch nicht etabliert Bereits etabliert (≥ 25 a BV) Halsbandsittich (seit 1967, 650-880 BP 50-61 BP Alexandersittich (seit 1967) etabliert Kanadagans (seit 1984, 1.400-1.600 BP Nationalpark Harz Jagdfasan (seit 12. Jh., 150.000-220.000 BP Neozoen unter den Vogelarten Deutschlands (2008) 341 Neozoen festgestellt: 90 Vogelarten mit Brutnachweisen (6 davon fest etabliert) 251 Vogelarten ohne Brutnachweise Heimisch: 260 Arten, davon 110 auf der Roten Liste Nationalpark Harz Nutria und Bisam (als Pelztiere) Nationalpark Harz Waschbär und Marderhund Nationalpark Harz Damwild (Jagd) Nationalpark Harz Grauhörnchen (verdrängt heimisches Eichhörnchen Wanderung von Pflanzen und Tieren • Früher • …und heute? • Aktuelle Beispiele • Fazit Nationalpark Harz Im Zeitalter der Globalisierung erfolgt auch der Austausch von Pflanzen und Tieren auf globaler Ebene. „Neophyten“ und „Neozoen“haben nach Einbringung unterschiedliches Ausbreitungspotential: von „harmlos“ bis invasiv. Oft fehlen natürliche Gegenspieler. Natürliche Lebensgemeinschaften sind „gesättigt“: Nahrungsketten, Energie- und Stoffkreisläufe sind geschlossen. Ökologische Nischen sind besetzt. Unsere Kulturlandschaft hat nur noch Reste von Natur, sie ist reich an Ersatzlebensräumen, ökologische Nischen bestehen für „Fremdlinge“: Die Lebensgemeinschaften sind „ungesättigt“. (Zehner-Regel) Nationalpark Harz Die Einwanderung in die „ungesättigte“ Kulturlandschaft führt zu: • Verdrängung heimischer Arten (Grauhörnchen, Krebse) • Veränderung von Ökosystemen (Fasan, Fasanerien – Umgestaltung der Landschaft) • Wirtschaftlicher Schaden; Beeinträchtigung von Landwirtschaft, Jagd, Fischerei usw. • Gesundheitsgefährdung (Bärenklau) • Einschleppung von Krankheiten (Krebspest) • Psychosoziale Effekte (Ängste) Nationalpark Harz Empfohlene Literatur ISBN 3-405-15776-5 Nationalpark Harz