Christiane Hille „Nicht nur Schiller“ Kulturjournal Mittelthüringen Juni 2008 www.tectum.de Nicht nur Schiller Absichten Seit 1969 wünschte man, dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach ein Literaturmuseum in Weimar gegenüberzustellen. Darin sollte Schillers Werk und Person aus marxistisch-leninistischer Sicht die gebührende Würdigung erfahren. Ein Neubau war geplant; bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, es sei der EINZIGE Museumsneubau der DDR gewesen. Angesichts der Tatsache, dass die DDR ein Land war, welches seine Bewohner mit einer „historisch neuen Weltordnung“ auf Gedeih und Verderb zu agitieren versuchte, eine eher unwahrscheinliche Vorstellung. Gibt man die Begriffe „Museumsneubau“ und „DDR“ bei Google ein, finden sich zahlreiche Links: „in Rostock wird 1969 der erste Museumsneubau der DDR, die Rostocker Kunsthalle, eröffnet“ oder „Robert-Schuhmann-Museum 1956 als erster Museumsneubau der DDR eröffnet“, „Spengler-Museum Sangerhausen 1952 als erster Museumsneubau...“usw. Auf alle Fälle wurde nach den Überlegungen von 1969 endlich im Jahr 1982 ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich – ganz DDR-Planungskultur – mehrere Entwurfskollektive beteiligen durften. Mit dem Ergebnis, dass man nicht den Entwurf EINES Architektenkollektivs baute, sondern aus mehreren Entwürfen Ideen entnommen und von einem weiteren Planungskollektiv gemeinschaftlich zur Umsetzung gebracht wurden. Interessant: Ein totalitärer, autoritärer Staat bringt eine fast „demokratische“ Entwurfsentwicklung hervor. Kein Autor für das Gebäude eines Autors. Es kommen einem die Worte der Architekturhistorikerin Simone Hain in den Sinn „Man hat die DDR einen Staat der Schriftsteller genannt, aber ein Land ohne Architekten“. Lebenspraktische Postmoderne Die architektonische Postmoderne war nicht konform mit dem System DDR. Stellt sie doch das Vorherrschen eines einheitlichen Prinzips oder totalitärer Denkansätze in Frage. Das 1988 vollendete Schillermuseum trägt dennoch postmoderne Züge, wenn auch gebändigt durch das „lebenspraktisch Diesseitige“, welches das Bauen in einer Mangelwirtschaft kennzeichnet. Ungers’sche Quadrate stehen neben klassizistischen Fassadenspiegeln, die aufgelöste Ecke der Moderne neben altdeutscher Schieferdeckung und Steildach. Innen wurde versucht, mit edlen Materialien wie Stuckmarmor Festlichkeit herzustellen. Der ganze Planungs- und Bauprozess löste damals eine nicht unwesentliche Diskussion über Architektur aus. Man sagt, dass fast die ganze Stadt Weimar am Haus mitentworfen hätte. Gemeint als Versuchsbau im Deckenhubverfahren (Stahlbetondecken werden am Boden betoniert und später mit dem Kran auf die Stützen „gehoben“) musste die Bautechnologie aufgrund von Stahlmangel in der Realisierung leicht abgewandelt werden. 1 Christiane Hille „Nicht nur Schiller“ Kulturjournal Mittelthüringen Juni 2008 www.tectum.de Prima Klima Heute präsentiert sich das inzwischen sanierte Schillermuseum bereit für die aktuellen Aufgaben als Ausstellungshaus der Klassik Stiftung Weimar. Am 15.05.08 wurde die erste Wechselausstellung mit Zeichnungen von Victor Hugo festlich darin eröffnet. Zuvor waren Klima-, Elektro- und Sicherheitstechnik auf den Stand der Technik gebracht worden, um für Exponate externer Leihgeber optimale Bedingungen bieten zu können. Die Sanierungsarbeiten wurden unter Federführung des Architekturbüros Aschenbach durchgeführt. Klaus Aschenbach war neben Jürgen Beyer, Walter Köckeritz, Frank Michalski, Jürgen Seifert und Martin Wenzlow, um nur einige zu nennen, bereits an der ursprünglichen Konzeption des Hauses beteiligt. Glück-Wünsche Der Architekt wünscht sich die Realisierung des geplanten zweiten Bauabschnittes: den Ersatz der Freitreppe durch eine die Mansarde als zusätzlich nutzbare Ausstellungsfläche erschließende Treppenskulptur inmitten eines spektakulären „schiefen Turms“. Der Museumsbesucher wünscht sich weitere so interessante Ausstellungen wie die über Victor Hugo. Dem Museum wünscht man mehr Öffnung nach außen. Der ursprünglichen Idee, mit den Glasecken einen Außenbezug herzustellen, indem der Besucher zwischen dem Blick auf die Exponate einen Blick auf die Welt erhascht, wird aufgrund von Sonnenschutzelementen ein Riegel vorgeschoben. Auch das Werbebanner an der Fassade, welches das Auffinden der Ausstellung erleichtern soll, versucht nur, das zu vollziehen, was die Architektur an Geste weggelassen hat. Für das Schillermuseum gilt: Man muss es suchen, um es zu finden. Man wünscht dem Eingangshof, er möge häufiger zu einem so besuchten, öffentlichen Ort werden wie bei Victor Hugo. Christiane Hille 2