46. Fortbildungsveranstaltung für Hals-NasenOhrenärzte Rundtischgespräch RT 17 Therapie bei schlafbezogenen Atemstörungen – Adenotomie und Tonsillenchirurgie im Kindesalter“ Vortragstitel: „Präoperative schlafmedizinische Untersuchungen bei Kindern“ von Prof. Dr. med. Boris A. Stuck, Mannheim Autor: Prof. Dr. med. Boris A. Stuck, Universitäts-HNO-Klinik, Universitätsmedizin Mannheim, Theodor-Kutzer-Ufer 1-3, 68167 Mannheim Email: [email protected] Einleitung: Bei Kindern mit Verdacht auf eine schlafbezogene Atmungsstörung stellt sich häufig die Frage, welche schlafmedizinischen Untersuchungen notwendig sind, um die Diagnose mit ausreichender Sicherheit stellen zu können, respektive ob und welche technischen Untersuchungen erforderlich sind. Nach den Empfehlungen der American Academy of Pediatrics sollte jedes schnarchende Kind in einem Schlaflabor bezüglich einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA) untersucht werden. Dies ist jedoch in Anbetracht der Vielzahl der Patienten, der limitierten Anzahl an schlafmedizinischen Einrichtungen und aufgrund der beschränkten Ressourcen nicht praktikabel. Im Folgenden sollen daher Entscheidungshilfen und Algorithmen formuliert werden, nach denen die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt werden können. Methoden: Aktuelle Literaturübersicht und persönliche Erfahrungen des Autors. Ergebnisse: Basis jeder diagnostischen Maßnahme ist eine eingehende Anamnese, in der das Kind und die Erziehungspersonen nach Art und Ausmaß der Atmungsstörung bzw. des Schnarchens und nach typischen Symptomen einer obstruktiven Schlafapnoe gefragt werden. Häufig wird von den Erziehungspersonen ein angestrengtes Atmen, ein Röcheln oder ein verschärftes Atemgeräusch beschrieben. Mit Zunahme der Atemwegsobstruktion nehmen auch die Schnarchgeräusche zu bzw. es können sich Unregelmäßigkeiten bei der Atmung oder auch Hypopnoe oder Apnoe zeigen. Kinder präsentieren jedoch wesentlich seltener als Erwachsene das für die obstruktive Schlafapnoe typische Muster der obstruktiven Apnoen (anderenfalls liegt häufig bereits eine schwere kindliche Schlafapnoe vor). Weitere Symptome die erfragt werden sollten, sind Zeichen der zunehmenden Atemarbeit wie juguläre oder interkostale Einziehungen, paradoxe Atmung mit gegenläufiger Ausdehnung bzw. Einziehung von Thorax und Abdomen, ungewöhnliche Körperpositionen im Schlaf (Überstrecken des Kopfes, Schlafen im Sitzen), unruhiger Schlaf und häufiger Wechsel der Körperposition, nächtliches Schwitzen und verlängertes oder wieder auftretendes Einnässen. Bedingt durch die Störung der Schlafstruktur können Einschränkungen der www.fg-hno-aerzte.de Seite 1 46. Fortbildungsveranstaltung für Hals-NasenOhrenärzte Rundtischgespräch RT 17 Befindlichkeit bzw. der Leistungsfähigkeit während des Tages resultieren (Tagesschläfrigkeit, vermehrte Aktivität und Hyperaktivität oder aggressives Verhalten). Auch können kognitive Defizite und eine Verschlechterung der Schulleistungen resultieren. Dies zeigt sich in einigen Studien bereits für Kinder mit habituellem Schnarchen, also ohne eine manifeste obstruktive Schlafapnoe. Zur Systematisierung der Anamnese können Fragebögen zur Erfassung typischer Symptome der kindlichen Schlafapnoe verwendet werden. Die Subskala für schlafbezogene Atmungsstörungen des Pediatric Sleep Questionnaire (PSQ-SRBD Subscale) erscheint geeignet, Patienten mit kindlicher Schlafapnoe relativ zuverlässig zu erkennen. In der klinischen Untersuchung muss auf die anatomischen Prädiktoren der kindlichen Schlafapnoe geachtet werden. Hierzu gehören in erster Linie die Adipositas und die adenotonsilläre Hyperplasie sowie deren klinische Zeichen (Mundatmung, Facies adenoidea, geschlossenes Näseln, häufige Infekte der oberen Luftwege, nasale Sekretion, Tubenbelüftungsstörung, Paukenerguss etc.). Klinische Zeichen für eine syndromale Erkrankung wie die Makroglossie und Adipositas bei der Trisomie, 21 und Fehlbildungen des Unterkiefers bei z. B. Pierre-Robin-Sequenz, Crouzon- und Apert-Syndrom, GoldenharSyndrom oder Achondroplasie sollten identifiziert werden und zu weiterer Diagnostik veranlassen. Aber auch ohne Hinweis auf eine syndromale Erkrankung sollten skelettale Fehlbildungen erkannt werden (Mikrognathien, Retrognathien oder Mittelgesichtshypoplasien, hoher Gaumen mit schmaler Maxilla etc.). Eine kieferorthopädische Mitbeurteilung ist hier häufig angezeigt. Bezüglich der Indikation zur schlafmedizinischen Diagnostik ist festzuhalten, dass in klinisch eindeutigen Fällen (positive Anamnese und eindeutiger klinischer Befund) eine Therapie ohne weitere schlafmedizinische Diagnostik eingeleitet werden kann (eine Ausnahme stellt hier die Beatmungstherapie dar, s. u.). Ambulante polygraphische Untersuchungen sind im Kindesalter nur in Ausnahmefällen geeignet. Eine Indikation zu einer Polysomnographie ergibt sich bei folgenden Konstellationen: Kinder mit komplexeren kraniofacialen Fehlbildungen bzw. syndromalen Erkrankungen, Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen, Kinder mit ausgeprägter Adipositas, vor der Einleitung einer Beatmungstherapie, bei nicht richtungsweisenden klinischen Befunden (fehlende adenotonsilläre Hyperplasie) und bei persistierenden Beschwerden nach Adenotonsillektomie. Risikofälle (sehr junge Kinder, Kinder mit syndromalen Erkrankungen, kraniofazialen Fehlbildungen oder neuromuskulären Erkrankungen etc.) sollten in spezialisierten pädiatrischen schlafmedizinischen Zentren diagnostiziert und behandelt werden. Bei der Durchführung der Polysomnographie im Kindesalter ist zu beachten, dass die Definitionen respiratorischer Ereignisse und des Schweregrades nicht mit denen bei Erwachsenen übereinstimmen. Bezüglich des Managements von Kindern mit Schnarchen wurde vor kurzem unter Beteiligung des Autors durch die Arbeitsgemeinschaft „Pädiatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin ein Algorithmus entwickelt. Fazit: Bei der Diagnostik der schlafbezogenen Atmungsstörung im Kindesalter sind die Anamnese und die klinische Untersuchung von vorrangiger Bedeutung. Fragebögen können in der Differenzierung von Schnarchen und kindlicher Schlafapnoe hilfreich sein. www.fg-hno-aerzte.de Seite 2 46. Fortbildungsveranstaltung für Hals-NasenOhrenärzte Rundtischgespräch RT 17 Auf wichtige Unterschiede in der Anamnese und klinischen Untersuchung zwischen Kindern und Erwachsenen ist zu achten. Eine Polysomnographie ist nur unter definierten Bedingungen sinnvoll und notwendig. Literatur American Academy of Pediatrics. Clinical practice guideline: diagnosis and management of childhood obstructive sleep apnea syndrome. Pediatrics 2002;109:704-12 Kaditis A, Kheirandish-Gozal L, Gozal D. Algorithm for the diagnosis and treatment of pediatric OSA: A proposal of two pediatric sleep centers. Sleep Med 2012;13:217-27 Stuck BA, Maurer JT, Schredl M, Weeß HG. Praxis der Schlafmedizin, Springer, Heidelberg, 2009 Stuck BA, Windfuhr J, Genzwürker H, Schroten H, Tenenbaum T, Götte K. Die Tonsillektomie im Kindesalter. Dtsch Arztebl 2008;105:852-61 www.fg-hno-aerzte.de Seite 3