Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Angelika Eikel Die Förderung von Kompetenzen zur Partizipation und die Entwicklung demokratischer Einstellungen wird im Zusammenhang der Demokratiepädagogik als eine zentrale Aufgabe von Erziehung und Bildung betrachtet. Das Thema Demokratie lernen hat im vergangenen Jahrzehnt einen beachtlichen Auftrieb erfahren. Verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen, Ereignisse und Umfrageergebnisse sozialwissenschaftlicher Studien trugen und tragen noch heute dazu bei, die Bedeutung und Notwendigkeit einer Demokratiepädagogik (auch) in Deutschland zu manifestieren. Während Ende der 1990er Jahre die Politikverdrossenheit der Jugend in Deutschland konstatiert wurde, zeigt sich in Anbetracht aktueller Studien heute ein Großteil der Deutschen als »Kritische Demokraten«. Die Kritik richtet sich dabei besonders auf das konkrete Funktionieren der Demokratie, auf die Problemlösefähigkeit der Politik und die demokratische Praxis in Deutschland, wobei ein beachtlicher Anteil der Menschen mit der im Grundgesetz festgelegten spezifischen Ausgestaltung der Demokratie in Deutschland Unzufriedenheit äußert (vgl. Niedermayer/ Stöss 2008, ferner Friedrich-Ebert-Stiftung 2008). Gleichzeitig diagnostizieren Soziologinnen und Soziologen den bestehenden Staatsapparat in Anbetracht der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte als zunehmend steuerungsunfähig und beschreiben eine wachsende Einflussnahme und aktive Mitgestaltung kleinerer sozialer Kollektive wie zivilgesellschaftliche Vereinigungen (vgl. Stehr 2001). Betrachtet man die rasant gestiegenen Gründungszahlen bürgerschaftlicher Initiativen, Vereine und Stiftungsgründungen in den letzten Jahren in Deutschland ebenso wie die Zunahme an bürgerschaftlichem Engagement auf Seiten von Einzelnen, können diese Daten als Bekräftigung für einen Trend hin zur Entwicklung einer stärkeren Bürgergesellschaft gedeutet werden. Soll bürgerschaftliche Partizipation dabei ihr emanzipatorisches Potenzial entfalten und erhalten und nicht nur eine Ausführung übertragener oder staatlich ausgelagerter sozialer Aufgaben beschreiben, verbinden sich mit ihr eine Reihe an Bedingungen und Anforderungen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle kommt dabei dem Bereich der Erziehung und Bildung zu: denn soll bürgerschaftliche Partizipation zur selbstbestimmten und gemeinsamen Mitgestaltung der Lebenswelt in einer zunehmend komplexen, pluralen und dynamischen Gesellschaft beitragen, so muss sie gelernt werden. Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 1 Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang zudem, dass sich inzwischen auch rechtsextreme Gruppierungen bürgerschaftlicher Aktionsformen bedienen, wird deutlich, dass Partizipation, sofern sie zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Demokratie beitragen und nicht antidemokratischen Tendenzen dienen soll, mit demokratischen Einstellungen verbunden sein muss. Demokratie und Partizipation lernen als Aufgabe der Schule Wenn es ein Anliegen von Gesellschaft und Politik ist, allen Kindern und Jugendlichen den Erwerb von demokratischen Kompetenzen zur Partizipation an der Gesellschaft, in der sie leben, zu ermöglichen, so verlangt dies die Schaffung und Bereitstellung entsprechender Erfahrungs- und Lerngelegenheiten, damit diese entwickelt und ausprägt werden können. Im Hinblick auf die Frage, wo demokratische Partizipation gelernt werden sollte, liegt der Schluss nahe, dass dies eine Aufgabe der allgemein bildenden Schule in einer Demokratie ist, nicht zuletzt, da sie die einzige Institution darstellt, die alle Kinder und Jugendlichen in wichtigen Entwicklungsphasen über Jahre hinweg versammelt – und das im Zusammenhang des aktuellen Ausbaus von Ganztagsschulen in noch erhöhtem zeitlichen Umfang. Gleichzeitig tragen Partizipation und die Entwicklung einer demokratischen Schulkultur nicht nur zur Zufriedenheit der in der Schule Lernenden und Arbeitenden bei, sondern wirken sich ebenso auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler positiv aus. Darüber hinaus verbinden sich mit der Förderung und dem Lernen von Partizipation Effekte, die ohnehin zentrale Aufgaben von Bildung sind, denn sie impliziert die Förderung von Autonomie, Reflexion und Handlungsfähigkeit in sozialen Kontexten. Demokratie als Herrschaftsform, Gesellschaftsform und Lebensform Die Aufgabe einer Demokratieerziehung in der Schule wurde lange Zeit der fachlichen politischen Bildung zugesprochen. Zudem wurde eine Schülervertretung eingerichtet, die als repräsentatives Mitbestimmungsorgan mit einer begrenzten Anzahl aktiver Schülerinnen und Schülern die demokratische Verfasstheit und Partizipation in der Schule beschrieb. Während der politischen Bildung dabei vorrangig die Aufgabe zukam, Wissen über die Demokratie zu vermitteln, sollte mit der Einrichtung repräsentativer Strukturen wie Schüler- und Elternvertretungen eine Art Demokratie in der Schule realisiert werden. Dieser lag vor allem ein Verständnis von Demokratie als Regierungsform zugrunde. Wird im Zusammenhang von Demokratiepädagogik heute von Demokratie gesprochen, so beschreibt diese mit John Dewey »mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsam und miteinander geteilten Erfahrung« (Dewey 1916/2000). Insofern wird Demokratie auch verstanden als Regierungs- bzw. Herrschaftsform, als Gesellschaftsform und als Lebensform (Himmelmann 2001). Während Demokratie als Herrschafts- oder Regierungsform vorrangig verfassungsstaatliche Strukturen, Institutionen und Verfahren und damit in gewisser Weise eine Makroebene der Demokratie fokussiert, kennzeichnen die Demokratie als Gesellschaftsform vor allem Bereiche bürgerschaftlicher Gesellschaftsorganisation, Marktdynamiken, Medien, Formen sozialen Ausgleichs und ähnliche gesellschaftliche Elemente und Prinzipien. Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 2 Demokratie als Lebensform bezieht sich demgegenüber stärker auf die Mikroebene des unmittelbaren Umgangs miteinander: Hier geht es um die Qualität des sozialen Miteinanders, um die Beziehungen und alltäglichen Prozesse zwischen Menschen, in denen Demokratie real gelebt wird, oder eben nicht. Demokratie als Lebensform zeigt sich beispielsweise im Aushandeln von Gemeinsamkeiten und Konsensen, im Umgang mit Konflikten, Differenzen und Heterogenität sowie in der Übernahme von Verantwortung gegenüber anderen. Fragt man danach, wie Demokratie als Regierungsform, Gesellschaftsform und Lebensform gelernt werden kann, so kann die Antwort mithilfe einer im europäischen Kontext des Citizenship Education eingeführten Differenzierung formuliert werden (vgl. Edelstein 2008): Neben dem Lernen über Demokratie (learning about democracy) braucht es ein Lernen für und ein Lernen durch Demokratie (learning for democracy, learning through democracy). Nach dem Ansatz John Deweys stellt dabei die dritte Form des Demokratielernens, Lernen auf der Grundlage demokratischer Erfahrung, eine entscheidende Voraussetzung dar. Demokratische Partizipation als Bildungsziel Demokratische Partizipation kann verstanden werden als das Vermögen, auf der Basis demokratischer Werte und Einstellungen an der Demokratie als Gesellschaftsform und Lebensform teilhaben und sie selbstbestimmt und in Gemeinschaft mit anderen mitgestalten zu können. Sie trägt dazu bei, auf der Basis von Wissen, aufgeklärter Urteilsbildung und Entscheidungsfindung die Demokratie als RegierungsMit sprache & Aushandlung form zu erhalten und weiterzuentwickeln. Demokratische Partizipation fördert und fordert damit die Entwicklung einer Handlungskompetenz, die neben Wissen und kognitiven Fähigkeiten besonders die motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten wie auch die habituellen Einstellungen und Wertüberzeugungen des Handelnden als Person einschließt (vgl. deHaan, Edelstein, Eikel 2007 sowie Eikel 2007a). Engagement & Mit gestaltung Mitbestimmung & Mitentscheidung Abb. 1. Handlungsformen demokratischer Partizipation Handlungsformen demokratischer Partizipation Demokratische Partizipation beschreibt ein Vermögen zum Handeln. Geht man davon aus, dass Handeln am Besten durch entsprechendes Handeln gelernt wird, wie es u.a. die Pädagogische Lernpsychologie besagt, so scheint es sinnvoll, danach zu fragen, welche Handlungsformen sich mit Partizipation verbinden und somit gefördert werden sollten. Mindestens drei Handlungsdimensionen sind hier relevant: Politische Mitbestimmung und Mitentscheidung beinhaltet im engeren Sinne die Mitbestimmung in Form von Wahlen, Abstimmungen, Delegationen und repräsentativer Interessenvertretung. Dabei impliziert sie die (politische) Entscheidungsfindung der Person, die auf Wissen und Urteilsvermögen basiert. Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 3 Aktives Engagement und Mitgestaltung richtet sich auf den Begriff der Partizipation als aktive Teilhabe an der Gestaltung der Lebenswelt. Hier geht es darum, sich auf der Basis eigener und gemeinsamer Sinn- und Wertvorstellungen an der Gestaltung der sozialen, gesellschaftlichen oder kulturellen Lebensumwelt aktiv zu beteiligen. Die dazu erforderliche Motivation zur Verantwortungsübernahme ist bedingt durch die Möglichkeit, selbstbestimmt und gemeinsam mit anderen wirksam sein zu können. Die Mitarbeit von Schülerinnen und Schülern an der Neugestaltung des Schulhofes beschreibt in diesem Sinne beispielsweise nur dann Partizipation, wenn sie dies freiwillig und unter Einbeziehung ihrer eigenen Ideen und Vorstellungen tun, nicht aber, wenn in erster Linie die Vorgaben anderer umgesetzt werden. Auch freiwilliges Engagement in bürgerschaftlichen Bereichen ist Teil dieses Partizipationsverständnis, sofern es im emanzipatorischen Sinne Gestaltungsfreiheiten beinhaltet. Wichtige Kompetenzaspekte bilden hier Motivation und Initiative, handlungsleitende Sinn- und Wertvorstellungen, operative Handlungsfähigkeiten, moralischethische Fähigkeiten sowie ein relevantes Wissen über das jeweilige Handlungsfeld, über Möglichkeiten, Grenzen, Risiken u.ä. Demokratische Mitsprache und Aushandlung fokussiert den Prozess der Kommunikation und Aushandlung von Konsensen und Gemeinsamkeiten. Diskutieren, debattieren und deliberieren beschreiben dabei bedeutsame Fähigkeiten, die es erfordern, eigene Vorstellungen und Positionen zu artikulieren, verschiedene Perspektiven und Ansichten einzubeziehen und sie im Diskurs mit anderen abzuwägen, um zu fundierten Meinungen oder sozial geteilten Vorstellungen, Orientierungen und Konsensen zu gelangen. So fällt gleichsam auch die verbale Bearbeitung von Konflikten ist Teil dieser Beteiligungsform. Zentrale Teilkompetenzen bilden hier soziale Fähigkeiten und Bereitschaften wie Kommunikationsvermögen, Konfliktfähigkeit und moralisch-ethische Fähigkeiten, die mit Werten wie Anerkennung und Fairness anderen (Meinungen, Perspektiven, Personen) gegenüber einhergehen. Erfahrungs- und Lerngelegenheiten demokratischer Partizipation in der Schule Die Schaffung von Lern- und Erfahrungsgelegenheiten zur demokratischen Partizipation in der Schule ist eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung entsprechender Kompetenzen. Dabei kann und sollte die Förderung demokratisch-partizipativer Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern in unterschiedlichen Bereichen der Schule stattfinden: in der Schulklasse, im Unterricht, im Schulleben, in der Kooperation mit außerschulischen Partnern und bei der Gestaltung und Entwicklung der Schule insgesamt wie z.B. bei der Profil-, Schulprogramm- und Qualitätsentwicklung der Schule. Eine kleine Auswahl zentraler demokratiepädagogischer und schulentwicklungsorientierter Ansätze soll hier Erwähnung finden: Der Klassenrat beschreibt eine basisdemokratische Einrichtung, in der Schülerinnen und Schüler einerseits ihr Miteinander in der Gruppe selbst regeln, gestalten und aktiv Verantwortung für ihr Zusammenleben übernehmen. Hier werden Umgangsweisen und Konflikte verhandelt, Diskussionen geführt und Projekte geplant. Gleichzeitig ist der Klassenrat verbunden mit anderen Klassen, mit den Gremien der Schule sowie mit jahrgangübergreifenden und die ganze Schule betreffenden Veranstaltungen und Projekten, in dem Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 4 abwechselnd unterschiedliche Mitglieder in verschiedenen Ämtern in die jeweiligen Gruppen, Veranstaltungen und Projekte gesendet werden und dort beteiligt sind. Darüber hinaus bietet der Klassenrat zugleich einen möglichen Rahmen, um – im Sinne eines social entrepreneurs – auch soziale Projekte über die Schule hinaus in der Gemeinde durchzuführen. Lernen durch Engagement und Verantwortung bietet ein Lernkonzept, bei dem Schülerinnen und Schüler durch eine Kopplung von schulischem Lernen und bürgerschaftlicher Beteiligung an konkreten lokalen oder gesellschaftlichen Aufgaben in realen Situationen außerhalb der Schule demokratische Kompetenzen erwerben. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich hier relevante Themen- und Aufgabefelder (wie z.B. Migration, demografischer Wandel und Alter, Geschichte und Zukunft der Stadtentwicklung, Kultur und Geschichte in der Region etc.) im Zusammenhang eines konkreten Beteiligungsprojekts in der Gemeinde, das mit schulischen Lern- und Reflektionseinheiten verbunden ist. In den beiden zuvor genannten demokratiepädagogischen Ansätzen klingt das Konzept der »Community Education« und zivilgesellschaftlichen Öffnung und Kooperation von Schulen bereits an: Dementsprechend tritt einerseits die Schule hinaus in ihr Umfeld, indem beispielsweise die Gemeinde bzw. der Stadtteil oder die Region verstärkt zum Lernort für Schülerinnen und Schüler wird. Andererseits öffnen die Schulen ihre Türen für Kooperationspartner dahingehend, dass diese nicht nur außerschulische Lernorte zur Verfügung stellen, sondern ebenso in die Schule kommen und dort eine feste Rolle und einen Platz einnehmen. In diesem Sinne entwickelt sich die Schule zunehmend zu einer Art lokalem Bildungszentrum – ein Prozess, der mit der Gestaltung von lokalen Bildungslandschaften in einigen Regionen Deutschlands bereits begonnen hat. Das DemokratieAudit bietet ein demokratiepädagogisches Instrument zur partizipativen Entwicklung der Schule als »Schule in der Demokratie«. Es soll im letzten Teil dieses Beitrags kurz vorgestellt werden. Die Kultur der Schule als qualitative Größe – Demokratie als Lebensform Demokratische Partizipation in der Schule zu fördern beinhaltet nicht nur Gelegenheiten zur Partizipation bereitzustellen, denn mit dem Attribut »demokratisch« verbindet sich ein Qualitätsmerkmal, das sich auch darauf bezieht, wie dies geschieht. Im Fokus stehen dabei die Interaktionen und Beziehungen der Menschen in der Schule zueinander, die die Qualität des sozialen Klimas und der Kultur des gemeinsamen Lernens, Lebens und Arbeitens in der Schule, die Demokratie als Lebensform beschreiben. Als entscheidende Bedingungen für Demokratie lernen und Elemente einer demokratisch-partizipativen Schulkultur gelten: Gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung, Selbstwirksamkeitserleben und Verantwortungsübernahme. Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 5 Damit geraten neben den Strukturen gleichsam die Prozesse der Schule in den Blick. Die im demokratiepädagogischen Sinne möglichst weit reichenden Kommunikationsprozesse sind nicht nur durch Transparenz gekennzeichnet, sondern ebenso durch die Bereitschaft zum Austausch und das Vermögen zur Verständigung zwischen Lehrerpersonen ebenso wie zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern sowie auch unter Schülern. Eine solche Verständigungskultur ist besonders bedeutsam in heterogenen Gruppen von Kindern, Jugendlichen, Lehrkräften und außerschulischen Partnern: Differenzen werden dabei offen verhandelt, Konflikte werden sozial angemessen ausgetragen und im Interesse aller zu lösen versucht. Das wesentliche Merkmal demokratischer Interaktionen beschreibt gleichsam ein respektvoller und anerkennender Umgang miteinander, wobei Anerkennung eine entscheidende Rolle nicht nur für die Entwicklung einer demokratischen Schulkultur, sondern vor allem für Entwicklung der darin agierenden Menschen spielt. Das Erleben eigener Kompetenz gepaart mit dem Gefühl sich als autonom und in einer Gruppe sozial eingebunden zu erfahren, bilden den Kern von Selbstwirksamkeitserfahrungen, die zentrale Bedingungen für Lernen und Verantwortungsübernahme darstellen. Selbstbestimmtes Entscheiden verbunden mit Unterstützung, wenn es ihrer bedarf, und einem kooperativem Lernen und Arbeiten sind bedeutende Merkmale in einer demokratischen Schule, die zugleich Voraussetzungen für die Übernahme und (vertrauensvolle Übergabe) von Verantwortung und somit von demokratischer Partizipation bilden. Diese Qualitäten betreffen im Sinne einer demokratischen Schulkultur nicht nur das Miteinander von Schülerinnen und Schülern, sondern sprechen zugleich den Umgang zwischen Lehrern und Schülern und die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern der Schule nach innen wie auch nach außen an. Sie beziehen sich auf das soziale Miteinander in den Pausen, im Schulleben, bei Kooperationen im Schulumfeld, auf das Schulmanagement wie auch auf Situationen des Lernens, Lehrens und Bewertens im Unterricht. Das DemokratieAudit als demokratisches Schulentwicklungsinstrument Allgemein werden in Audits mithilfe eines Kriterienkatalogs auf systematische Weise Fortschritte in der Qualitätsentwicklung von Organisationen festgestellt. Sie beschreiben ein Verfahren kontinuierlicher Entwicklung, das auch – allerdings auf der Basis von Freiwilligkeit – zur externen Begutachtung und Zertifizierung von Institutionen genutzt wird. Im engeren Sinne wird unter einem Audit die regelmäßige Reflexion der Qualität einer Einrichtung in Form der Selbstbewertung und Begutachtung von Fortschritten verstanden. Das DemokratieAudit bietet ein Konzept und Verfahren, das der Schule helfen soll, auf sehr partizipative Weise eine demokratiebezogene Entwicklung voranzubringen, zu reflektieren und zu steuern. Dabei geht es nicht um das Erreichen bestimmter Regel- oder Maximalstandards. Vielmehr wird anhand eines spezifischen, alle Entwicklungsbereiche der Schule umfassenden Kriterienkatalogs eine gemeinsame Selbstbewertung des Entwicklungsstandes der Schule vorgenommen, vor deren Hintergrund eigene Entwicklungsschwerpunkte und –ziele formuliert werden, über die die Schule selbst entscheidet und deren Umsetzung und Entwicklungsfortschritt nach einem bestimmten Entwicklungszeitraum (selbst oder durch eine externe Auditorengruppe) begutachtet wird. Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 6 Bereiche einer demokratischen Schulentwicklung sind: Kompetenzen (als Bildungsziele auf Seiten der Schülerinnen und Schüler. Sie sind beeinflusst durch sieben Entwicklungsbereiche der Schule:) Lerngruppe und Schulklasse Lernkultur Schulkultur Schulöffnung Personalentwicklung Schulmanagement Schulprogramm und Entwicklung. Jeder der acht Bereiche ist mit Leitsätzen und konkretisierenden Kriterien zur Schulentwicklung in einem Kriterienkatalog ausdifferenziert. Dabei enthält dieser Katalog explizit keine Qualitätsstandards, sondern umfasst Kriterien, die als Reflexionsfläche und Anlass zur Diskussion über die eigene Schulqualität und deren Weiterentwicklung fungieren. In diesem Sinne beschreibt das DemokratieAudit kein Messinstrument, sondern ein Orientierungsangebot und Verfahren zur kontinuierlichen Weiterentwicklung von Schulqualität, das in besonderem Maße auf Demokratie, Partizipation und Kommunikation setzt. Der Kriterienkatalog kann auch durch die Schule selbst ausdifferenziert oder ergänzt werden. Die besondere Stärke des DemokratieAudits liegt darin, dass es eine Anzahl unterschiedlicher Mitglieder der Schule in ein Gespräch miteinander bringt, bei dem sie sich über Stärken und Entwicklungsbedarfe von Schulen austauschen und sich auf gemeinsame Entwicklungsziele für einen bestimmten Zeitraum einigen. Damit beschreibt das Audit ein ausgesprochen partizipatives, kommunikatives und auf Kontinuität angelegtes Entwicklungsinstrument bezogen auf alle Qualitätsbereiche der Schule. (Abbildung 2 zeigt die schulischen Bereiche im Zusammenhang mit möglichen Entwicklungsmaßnahmen einer »Schule in der Demokratie«). Abb.2 (nächste Seite): Bereiche und mögliche Schulentwicklungsmaßnahmen einer »Schule in Demokratie« Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 7 Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 8 An der Selbstbewertung und Begutachtung von demokratiebezogenen Entwicklungsfortschritten der Schule nehmen Vertreterinnen und Vertreter möglichst aller Beteiligtengruppen der Schule teil: Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler, Eltern ebenso wie lokale Partner. Damit ist das Auditverfahren besonders auch für die Entwicklung von (Ganztags)Schulen im Zusammenhang von lokalen Bildungsregionen interessant und kann als ein orientierungsstiftendes Planungs- und Entwicklungsinstrument zur Entwicklung von »Schulen in der Demokratie« dienen. In diesem Sinne wurde und wird das Audit derzeit im Zusammenhang der Entwicklung einer lokalen Bildungslandschaft in Berlin-Neukölln auf partizipative Weise weiterentwickelt und eingesetzt. Literatur De Haan, Gerhard/ Edelstein, Wolfgang/ Eikel, Angelika (Hrsg.) (2007): Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik. Demokratische Handlungskompetenz fördern, demokratische Schulqualität entwickeln. Weinheim: Beltz Edelstein, Wolfgang (2008): Partizipation und Demokratielernen in der Ganztagsschule. In: Appel, Stefan/ Ludwig, Harald/ Rother, Ulrich/ Rutz, Georg (Hrsg.): Jahrbuch Ganztagsschule 2008. Lernkultur. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. Eikel, Angelika (2008): Eikel, Angelika: Schule demokratisch entwickeln. Argumente, Konzepte und Gelingensbedingungen für eine demokratiebezogene Schulentwicklung. In: Lernende Schule, Heft 43/2008, S. 10-17 Eikel, Angelika (2007b): Politische Bildung neu denken – Demokratie in der Schule lernen und leben. In: Politik unterrichten: Politische Bildung neu denken!? Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung, Jahrgang 22, Heft 2/2007, S. 33 Eikel, Angelika (2007a): Demokratische Partizipation in der Schule. In: Eikel, Angelika/ de Haan, Gerhard (Hrsg.): Demokratische Partizipation in der Schule. Ermöglichen, fördern, umsetzen. Schwalbach/Ts.: WochenschauVerlag Himmelmann, Gerhard (2001): Demokratie Lernen als Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform. Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag Niedermayer, Oskar/ Stöss, Richard (2008): Einstellungen zur Demokratie in Berlin und Brandenburg sowie in Gesamtdeutschland 2008. Download Kurzfassung unter http://www.polsoz.fuberlin.de/polwiss/forschung/systeme/empsoz/forschung/media/Demokratie_08.pdf Stehr, Nico (2001): Die Zerbrechlichkeit moderner Gesellschaften. Weilerswist: Velbrück 2000. Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 9 Autorin Angelika Eikel ist wissenschaftliche Referentin im Zusammenhang der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. (DeGeDe) und veröffentlichte nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer Arbeit in der zentralen Koordinierungsstelle des BLK-Programms »Demokratie lernen und leben« etliche Artikel und Beiträge zur Demokratiepädagogik. Zudem ist sie freiberuflich tätig im Bereich der Entwicklung, Beratung und Begleitung von innovativen Projekten und Bildungslandschaften. Kontakt: E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Redaktion Newsletter Stiftung MITARBEIT Wegweiser Bürgergesellschaft Redaktion Newsletter Bornheimer Str. 37 53111 Bonn E-Mail: [email protected] Eikel, Angelika: Demokratie und Partizipation lernen in der Schule Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2009 vom 13.03.2009 Seite 10