Technische Universität Berlin Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik Fachgebiet Regelungssysteme Leitung: Prof. Dr.-Ing. Jörg Raisch Praktikum Grundlagen der Regelungstechnik Sommersemester 2012 Versuchsbeschreibung zum Versuch 1: Drehzahlregelung eines Gleichstrommotors (Version vom 24.April 2012) Teil 1a (vorzubereiten bis zum 25.April 2012) und Teil 1b (vorzubereiten bis zum 09.Mai 2012) Betreuung: Christian Schmuck, Stefanie Teinz Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 2 2 Versuchsaufbau 2 3 Versuchsteil 1a 3 3.1 Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3.1.1 Leistungsverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3.1.2 Gleichstrommotor 4 3.1.3 Massenscheibe 4 4 3.2 Stromregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3.3 Vorbereitungsaufgaben 1a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3.4 Versuchsdurchführung und Auswertung 1a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Versuchsteil 1b 4.1 4.2 A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Drehzahlregelung mit Kaskadenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4.1.1 Aufbau und Wirkprinzip einer Kaskadenregelung . . . . . . . . . . . . . 8 4.1.2 Entwurf einer Kaskadenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4.1.3 Kaskadenregelung für die Motordrehzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Anti-Windup-Schaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4.2.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4.2.2 Entwurf einer Anti-Windup-Schaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.3 Vorbereitungsaufgaben 1b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.4 Versuchsdurchführung und Auswertung 1b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Nützliche Scilab-Befehle 13 1 Einführung In diesem Versuch wird für eine reale elektrische Antriebsstrecke mit permanenterregtem Gleichstrommotor eine kontinuierliche Kaskadenregelung entworfen und anschlieÿend erprobt. Dabei sollen das Wurzelorts- und das Frequenzkennlinienverfahren angewendet werden. Auÿerdem wird der sogenannte Windup-Eekt behandelt. Ziel der Versuchsreihe ist der Entwurf einer Regelstruktur, die die Drehzahl des Motors bei sprungförmig veränderlichem Lastmoment auf einen konstanten Sollwert führt. Abbildung 1 zeigt den schematischen Aufbau eines drehzahlgeregelten Antriebs, wie er in der Praxis häug verwendet wird. Die Struktur wird Kaskadenregelung genannt. Regeleinrichtung Antriebstrecke Störmoment Solldrehzahl Drehzahlregler Sollstrom Stromregler Stellglied (Stromrichter/Verstärker) Motor Getriebe Last Ankerstrom Drehzahl Abbildung 1: Prinzipieller Aufbau eines drehzahlgeregelten Antriebs Der Entwurf des Kaskadenregelkreises wird auf zwei Versuchstermine aufgeteilt. Im Teil 1a wird zunächste eine Regelung für den Ankerstrom erarbeitet. Ziel dieses ersten Teils ist das Verständnis für den Versuchsstand und das zugehörige Modell sowie die Anwendung des Wurzelorts- und Frequenzkennlinienverfahrens für die Auslegung des Stromregelkreises. Die Ergebnisse dienen als Basis für den Versuchsteil 1b, in dem der unterlagerte Stromregelkreis um eine Drehzahlregelung ergänzt wird. Hier soll das Prinzip der Kaskadenregelung wiederholt und verstanden werden. Schlieÿlich werden beide Regler durch eine Anti-Windup-Schaltung weiter verbessert. 2 Versuchsaufbau Die Abbildung 2 zeigt ein Foto des Versuchsaufbaus mit allen wichtigen Bestandteilen. Die Strecke besteht aus einem Leistungsverstärker und einer Gleichstrommaschine. Zur Erhöhung des Trägheitsmoments ist eine Massenscheibe auf der Welle montiert. Um ein Lastmoment zu erzeugen, kann ein Filzblock über eine Feder gegen die Massenscheibe gepresst werden. Die Leistung des vom Regler kommenden Stellsignals reicht meist nicht aus, um den Motor direkt zu betreiben. Deshalb muss das Stellsignal verstärkt werden. Der dazu vorgesehene Leistungsverstärker besitzt PT1-Dynamik mit einer sehr kleinen Verzögerungszeitkonstante liefert eine maximale Ausgangsspannung von Tv und 15V. Die Ansteuerung erfolgt über eine Datenerfassungskarte. Mit einer Echtzeitanwendung kann die Eingangsspannung des Leistungsverstärkers vorgegeben werden. Ebenso werden die Messwerte angezeigt und gespeichert. Als Messgröÿen stehen der Ankerstrom iA und die Winkelgeschwindigkeit 2 ω direkt zur Verfügung. Das bei der Messung des Ankerstroms auftretende Rauschen Abbildung 2: Foto des Versuchsaufbaus muss beim Reglerentwurf bedacht werden. Die Winkelgeschwindigkeit wird über einen Tachogenerator erfasst. Die Regler sollen in Scilab/Scicos realisiert werden. Am Versuchsstand wird mit den erstellten Scicos-Diagrammen ein echtzeitfähiges Programm erstellt, welches den entworfenen Regler und die reale Regelstrecke zu einem Regelkreis verkoppelt. Die Parameter des Versuchsaufbaus sind in Tabelle 1 gegeben. Massenscheibe Gleichstrommotor Ankerwiderstand Ankerinduktivität Motorkonstante Ankerträgheitsmoment Reibungskonstante RA = 10,6 Ω LA = 0,82 mH km = 0,0527 N m A−1 JM = 1,16 · 10−6 kg m2 cµ = 0,4 · 10−6 N m s Masse Radius Ms = 68 g rs = 2,5 cm Leistungsverstärker Zeitkonstante Verstärkung Tv = 0,2 · 10−3 s V =3 Tabelle 1: Parameterwerte des Versuchsaufbaus 3 Versuchsteil 1a Der erste Versuchsteil beginnt mit der Modellbildung für die Regelstrecke. Als vorbereitender Schritt für die gewünschte Kaskadenregelung der Motordrehzahl soll danach ein einschleiger Standardregelkreis für den Ankerstrom der Gleichstrommaschine entworfen werden. 3.1 Modellbildung Zur Erstellung eines vollständigen Modells werden die drei Teilsysteme Leistungsverstärker, Gleichstrommotor und Massenscheibe einzeln betrachtet. 3.1.1 Leistungsverstärker Die am Ausgang des Reglers zur Verfügung stehende elektrische Leistung reicht nicht aus, um den Gleichstrommotor zu betreiben. Der deshalb eingesetzte Leistungsverstärker verstärkt die 3 Eingangsspannung u und liefert am Ausgang die Spannung uv an den Motor. Das PT1-Verhalten des Verstärkers wird durch die Dierentialgleichung Tv u̇v (t) + uv (t) = V u(t) beschrieben. Die Eingangsgröÿe u ist die Stellgröÿe der Gesamtversuchsstrecke und wird später durch den Stromregler vorgegeben. 3.1.2 Gleichstrommotor Für einen permanenterregten Gleichstrommotor kann das in Abbildung 3 dargestellte Ersatzschaltbild herangezogen werden. Vereinfachend wird angenommen, dass die Ankerinduktivität iA (t) RA LA uv (t) ui (t) ω(t), mM (t) Abbildung 3: Ersatzschaltbild des Gleichstrommotors LA und der resultierende Ankerwiderstand RA konstant sind. Aus der angelegten Spannung uv resultiert ein Ankerstrom iA . Dieser Strom erzeugt am Rotor des Motors das Motormoment mM (t) = km iA (t), wobei km die Maschinenkonstante des Motors ist. Wenn sich der Rotor dreht, wird eine Spannung ui induziert, die man auch elektromotorische Kraft (EMK) nennt. Sie steigt proportional mit der Winkelgeschwindigkeit ω : ui (t) = km ω(t). Durch Anwendung des Maschensatzes kann eine Dierentialgleichung für den Ankerstrom gewonnen werden. 3.1.3 Massenscheibe Das Motormoment mM beschleunigt den Rotor des Motors und die daran befestigte Massen- scheibe. Dem Motormoment entgegen wirken ein von auÿen einstellbares Lastmoment motoreigenen Reibungsmomente mR und mH , sowie das Trägheitsmoment Massenscheibe. Letzteres ergibt sich aus der Winkelbeschleunigung mT mL , die von Rotor und ω̇ und den Massenträgheits- 1 2 momenten des Rotors JM und der Massenscheibe JS = MS rS zu mT (t) = (JS + JM )ω̇(t). Das 2 Reibungsmoment mR ist geschwindigkeitsproportional mit mR (t) = cµ ω(t) und wird durch den Reibungskoezienten cµ bestimmt. Das Haftreibungsmoment mH soll vernachlässigt werden. Um die Bewegungsgleichung für die Massenscheibe und den Rotor aufzustellen, müssen die angreifenden Momente bilanziert werden. 4 mM (t) mL (t), mH , mR (t), mT (t) ω(t) Massenscheibe Abbildung 4: Momente an der Massenscheibe 3.2 Stromregelung Als erster Teil der später im Versuchsteil 2b angestrebten Kaskadenregelung soll ein einschleiger Standardregelkreis für den Ankerstrom des Gleichstrommotors entworfen werden. Die Abbildung 5 zeigt das Blockschaltbild des Regelkreises. Die Regelgröÿe ist der Ankerstrom Die Stellgröÿe ist die Eingangsspannung vorgegebenen Ankerstrom ri u iA . des Verstärkers. Ziel der Stromregelung ist es, einen einzustellen und Störungen der Betriebsspannung auszuregeln. ri Ki u Gui iA Abbildung 5: Stromregelkreis Der Einsatz eines eigenen unterlagerten Reglers für den Strom im Rahmen der Kaskadenregelung hat mehrere Vorteile. Wird bei einer Gleichstrommaschine die Ankerspannung vergröÿert, führt dies zu einer Erhöhung des Ankerstromes. Dadurch wird ein höheres Drehmoment erzeugt. Der Motor wird so lange beschleunigt, bis die Gegenspannung im Anker den Ankerstrom wieder verkleinert. Die Dynamik des Ankerstroms ist dabei wesentlich schneller als die Dynamik der Motordrehzahl. Dieser Unterschied kann durch einen gesonderten unterlagerten Stromregelkreis besser berücksichtigt werden. Auÿerdem ist die Gegenspannung für kleine Drehzahlen z.B. beim Anfahren des Motors klein, wodurch der Ankerstrom bei hoher angelegter Spannung sehr hoch werden kann. Um Überlastungen in der Stromversorgung oder im Antriebssystem zu vermeiden, darf der Ankerstrom zulässige Werte der Amplitude und des Anstieges nicht überschreiten. Auch das kann durch einen eigenen Regler für den Strom direkt berücksichtigt werden. Beim Entwurf des Stromreglers darf das Messrauschen des Ankerstromsignals nicht auÿer Acht gelassen werden, da sonst ein zufriedenstellender Betrieb des Reglers nicht gesichert ist. 3.3 Vorbereitungsaufgaben 1a Benutzen Sie für die Lösung der Aufgaben 4, 6d und 79 die Software Scilab/Scicos und schreiben Sie ihre Reglerskripte so, dass sie leicht zu verändern und korrigieren sind. Führen Sie ihre Simulationen im ersten Teil in Scilab durch. 5 1. Leiten Sie das vollständige lineare Zustandsmodell für die Regelstrecke her. Stellen Sie hierfür zunächst die Dierentialgleichung für den Ankerstrom und die Bilanzgleichung der Drehmomente an der Massenscheibe auf. Welche Komponenten hat der Zustandsvektor? 2. Zeichnen Sie das Blockschaltbild der aus Leistungsverstärker und Gleichstrommaschine mit Schwungscheibe bestehenden Regelstrecke und beschriften Sie die Signalpfeile mit den zugehörigen Gröÿen. Es sollen ausschlieÿlich Summations-, Verstärkungs- und Integratorblöcke verwendet werden. 3. Der Leistungsverstärker soll nun durch die statische Verstärkung V approximiert wer- den, da er eine schnelle Dynamik besitzt, die vernachlässigt werden kann. Wie lautet das resultierende Zustandsraummodell? Verwenden Sie dieses Modell für alle weiteren Betrachtungen. 4. Bestimmen Sie die Übertragungsfunktion u Ḡui (s) = des Leistungsverstärkers und dem Ankerstrom funktion Ḡui IA (s) U (s) zwischen der Eingangsspannung iA . Vereinfachen Sie die Übertragungs- durch Vernachlässigung sehr schneller Dynamikanteile der Strecke, d.h. Ver- nachlässigung von Polen mit betragsmäÿig sehr hohem negativen Realteil. Wie lautet die resultierende vereinfachte Übertragungsfunktion Gui ? Warum ist diese Vereinfachung zulässig? Verwenden Sie im Folgenden die vereinfachte Übertragungsfunktion Gui . 5. Wiederholen Sie das Thema Wurzelortskurve! 6. Entwerfen Sie einen mit einem PT1-Glied verketteten PI-Regler mit der folgenden Struktur: Ki (s) = ki s − s0,i −s1 , s s − s1 ki , s0,i , s1 ∈ R, ki > 0. a) Welchen Vorteil besitzt die gewählte Reglerstruktur gegenüber einem reinen PIRegler? Welche Eekte erwarten Sie für einen reinen PI-Regler im geschlossenen Regelkreis? b) Platzieren Sie die Polstelle s1 des Tiefpasses anhand von Überlegungen mit der Wurzelortskurve. Ihr Ziel sollte eine möglichst schnelle Reaktion des Regelkreises sein. c) Legen Sie nun weiterhin anhand der Wurzelortskurve die Nullstelle fest, sodass bei einer geeigneten Wahl von ki s0,i des Reglers das Potential besteht, einen schnellen Regler zu entwerfen. d) Die Sprungantwort des geschlossenen Kreises soll nach abweichung von 5% aufweisen. Bestimmen Sie ki 0, 02s nur noch eine Regel- mit Hilfe von Simulationen der Führungssprungantwort. IA (s) Du (s) des Regelkreises, die den Einuss einer Störspannung du am Eingang des Leistungsverstärkers auf den Ankerstrom iA beschreibt. 7. Berechnen Sie die Störübertragungsfunktion Simulieren Sie die Störsprungantwort. 8. Zeichnen Sie die Amplitudenfrequenzgänge der Sensitivitätsfunktion plementären Sensitivitätsfunktion Ti (s) Si (s) und der kom- des geschlossenen Regelkreises in dem Bereich 3 rad ω = 10−3 rad s . . . 10 s , um das Verhalten der Stromregelung für den gesamten Frequenzbereich beurteilen zu können. Machen Sie Aussagen darüber, für welche Frequenzbereiche der Referenz- und Störgröÿe gutes Regelverhalten erzielt wird und in welchen Frequenzbereichen auftretendes Messrauschen sich kaum auf die Regelgröÿe auswirkt. 6 9. Erstellen Sie ein Blockschaltbild des Reglers auf Basis zweier Integratoren, in welchem der PI-Anteil und PT1-Anteil in Reihe geschaltet sind. Die Parameter ki , s0,i , s1 sollen direkt in die Verstärkungsblöcke eingehen. Implementieren Sie den kompletten Regelkreis als Scicos-Diagramm und bringen Sie Ihre Simulationsdateien zum Durchführungstermin mit! 3.4 Versuchsdurchführung und Auswertung 1a 1. Ersetzen Sie in Ihrem vorbereiteten Scicos-Regelkreis den Block der Motor-Regelstrecke durch den auf dem Laborrechner zur Verfügung stehenden Block zu Ansteuerung der Motorhardware und erstellen Sie mit dem Betreuer das echtzeitfähige Programm zur Motoransteuerung. 2. Nehmen Sie die Führungssprungantwort des Stromregelkreises auf, indem Sie bei eingeschaltetem Reibmoment den Strom sprunghaft von zusätzlich die Gröÿen u und ω 0A auf 0, 3A erhöhen. Zeichnen Sie auf. Wichtig: Die Bremse muss dabei so eingestellt sein, dass sich die Schwungscheibe nach dem Sprung nur langsam dreht und nicht mehr beschleunigt. Beschreiben und diskutieren Sie das Regelkreisverhalten! Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem der Vorbereitungsaufgabe 6d! 3. Nehmen Sie die Störsprungantwort des Systems auf. Schalten Sie hierfür bei konstantem Lastmoment (konstante Winkelgeschwindigkeit durch passend eingestellte Bremse!) und einem Stromsollwert von 0, 3A −1V u und ω eine sprunghafte Störspannung von des Leistungsverstärkers. Zeichnen Sie zusätzlich die Gröÿen auf den Eingang auf. Beschreiben und diskutieren Sie das Regelkreisverhalten! Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem der Vorbereitungsaufgabe 7! 4. Erweitern Sie das Scilab-Skript, das Sie für die Simulation geschrieben haben, um eine Routine, die es ermöglicht, aus den gespeicherten Versuchsdaten aussagekräftige Plots zu generieren. Binden Sie diese in Ihr Protokoll ein! 4 Versuchsteil 1b Ziel des zweiten Versuchteils ist es, den bereits entworfenen Stromregler durch einen äuÿeren Drehzahlregler zu einem Kaskadenregelkreis zu erweitern. Die resultierende Drehzahlregelung soll vorgegebene Winkelgeschwindigkeiten einstellen und Störungen in Form von Lastmomentänderungen kompensieren. Zusätzlich soll eine Anti-Windup-Schaltung für beide Regler der Kaskadenregelung entworfen werden, um Windup-Eekte und eine Überlastung des Leistungsverstärkers zu verhindern. 4.1 Drehzahlregelung mit Kaskadenstruktur Für die Drehzahlregelung elektrischer Antriebe werden sehr häug Kaskadenregelkreise eingesetzt. Dieser Abschnitt wiederholt zunächst den Aufbau, das Wirkprinzip und den Entwurf von Regelkreisen mit Kaskadenstrukur. Am Ende wird die Methode auf das vorliegende Beispiel der Drehzahlregelung angewendet. 7 4.1.1 Aufbau und Wirkprinzip einer Kaskadenregelung In Abbildung 6 ist das Blockschaltbild einer Kaskadenregelung dargestellt. Neben der Regelgröÿe y wird eine weitere Systemgröÿe gemessen und als Hilfsregelgröÿe gesamte Regelstrecke G wird dadurch in zwei Teilstrecken G1 und G2 ϕ wird ein unterlagerter innerer Regelkreis bestehend aus dem Streckenteil K1 zurückgeführt. Die zerlegt. Auf diese Weise G1 und dem Regler aufgebaut. G r K2 K1 u G1 ϕ y G2 y Abbildung 6: Kaskadenregelung Die Kaskadenstruktur kann im Vergleich mit dem einschleigen Standardregelkreis meist ein besseres Regelergebnis erzielen. Hierfür gibt es mehrere Gründe: 1. Auftretende Störungen im inneren Streckenteil (vor dem Abgreifen der Gröÿe nur abgeschwächt auf die Regelgröÿe y, ϕ) wirken da diese schon im inneren Regelkreis ausgeregelt werden können. Dieser Vorteil wird besonders deutlich, wenn der zweite Streckenteil G2 langsame Dynamikanteile oder Totzeiten aufweist. Eine Kaskadenregelung kann in diesen Fällen Störungen, die im ersten Streckenteil auftreten im Vergleich mit dem einschleigen Kreis wesentlich schneller ausregeln. 2. Die Hilfsregelgröÿe ϕ lässt sich durch geeignete Dimensionierung der Regler K1 und K2 begrenzen. 3. Die Auswirkung nichtlinearer Übertragungsglieder wird von jeder Kaskade aufwärts mehr und mehr eingeschränkt, so dass sich durch den Einsatz einer Kaskadenregelung eine Verbesserung der Linearisierung erreichen lässt. Der Reglerentwurf für die Kaskadenregelung ist durch sukzessiven Entwurf der Teilregler und K2 K1 umsetzbar und dadurch besonders einfach. Ein Nachteil ist der erhöhte Hardwareauf- wand, besonders durch zusätzlich notwendige Messeinrichtungen zur Erfassung der Hilfsregelgröÿe ϕ. 4.1.2 Entwurf einer Kaskadenregelung Der Entwurf wird sukzessiv durchgeführt, d.h. zunächst wird ein Regler Regelkreis mit der Regelstrecke G1 K1 für den inneren entworfen (Abbildung 7). Die Anforderungen an den in- neren Kreis können sich von den Anforderungen an den gesamten Regelkreis unterscheiden. Es wird meist ein ausreichend schneller Regler gefordert, um auftretende Störungen schnell auszuregeln. 8 G r K2 u K1 G1 ϕ y G2 y Abbildung 7: Entwurf des inneren Regelkreises Anschlieÿend kann die Übertragungsfunktion T1 (s) = K1 (s)G1 (s) 1 + G1 (s)K1 (s) G0 der = T1 (s)G2 (s). des geschlossenen inneren Kreises bestimmt werden. Die Übertragunsfunktion 0 renden Regelstrecke des äuÿeren Regelkreises ergibt damit zu G (s) resultie- G′ K2 r T1 G2 y G Abbildung 8: Entwurf des äuÿeren Regelkreises Der Regler K2 kann nun anhand eines einschleigen Kreises mit der Regelstrecke G0 entworfen werden (Abbildung 8). Hierbei müssen die Anforderungen an den gesamten Regelkreis erfüllt werden. 4.1.3 Kaskadenregelung für die Motordrehzahl Der Kaskadenregelkreis mit den für die Regelung der Motordrehzahl relevanten Gröÿen und Bezeichnungen wird in Abbildung 9 gezeigt. Im Inneren ist der unterlagerte Stromregelkreis aus Abbildung 5 zu erkennen, der bereits im Versuchsteil 1a entworfen wurde. Es soll nun der Regler Kω des äuÿeren Regelkreises erarbeitet werden. 4.2 Anti-Windup-Schaltung In der Praxis spielen Stellgröÿenbeschränkungen sehr häug eine Rolle und müssen beim Reglerentwurf beachtet werden. Wenn ein Regler mit integrierendem Anteil verwendet wird, können unerwünschte Eekte auftreten, die durch eine erweiterte Reglerstruktur verhindert werden können. 9 rω Kω ri u Ki Gui iA ω Giω Guω G′ω y Abbildung 9: Drehzahlregelkreis mit Kaskadenstruktur R u r Regler uR u −umax y Strecke umax uR R Stellgrößenbeschränkung R Abbildung 10: Regelkreis mit Stellgröÿenbeschränkung 4.2.1 Problemstellung Bei dem verwendeten Versuchsaufbau liegt wie bei fast allen realen Systemen eine Stellgröÿenbeschränkung vor. Der Verstärker kann am Ausgang höchstens kungsfaktor V =3 ±15 V Verstärkers umgerechnet werden und man erhält die Maximalwerte tet liefern. Da der Verstär- u des ±umax = ±5 V. Überschrei- des Verstärkers bekannt ist, kann diese Begrenzung auf den Eingang u am Verstärkereingang diese Grenzen, erhält man am Ausgang nicht mehr die proportional ±15 V. Man sagt dann, das verstärkte Spannung sondern nur den konstanten Maximalwert von Stellglied geht in die Sättigung. Verallgemeinert liegt das in Abbildung 10 dargestellte Problem vor. Die Sättigung wird durch die sat-Funktion −umax , sat(uR ) = uR , umax , Überschreitet die geforderte Stellgröÿe uR falls falls falls uR < −umax − umax ≤ uR ≤ umax uR > umax . ihren Maximalwert, so tritt die Nichtlinearität der sat-Funktion in Kraft und führt zu störendem Verhalten. Die entstehenden Eekte bezeichnet man als Windup. Da in der Praxis jede reale Regelstrecke eine Stellgröÿenbeschränkung aufweist, können diese Eekte in allen Regelkreisen auftreten, deren Regler einen I-Anteil besitzt. Der Eekt lässt sich wie folgt erklären. Wenn z.B. infolge eines Störgröÿenanstieges die vom Regler geforderte Gröÿe uR den Maximalwert übersteigt, so geht das Stellglied in die Sättigung. Eine weitere Erhöhung der Stellgröÿe bleibt dann ohne Einuss auf die Strecke, da die Stellgröÿe nicht über den Begrenzungswert erhöht werden kann. Der Regelfehler r−y bleibt dadurch gröÿer als erwartet und wird durch den vorhandenen I-Anteil immer weiter vergeblich auntegriert. Der I-Anteil des Reglers kann dadurch sehr stark anwachsen. Er wird erst wieder abgebaut, wenn der Regelfehler sein Vorzeichen wechselt. Die Gröÿe 10 u verweilt noch solange in der Sättigung, R Regler u r u uR k −umax R R −s0 umax uR y Strecke Stellgrößenbeschränkung R γ R Abbildung 11: Regelkreis mit PI-Regler und Anti-Windup-Schaltung bis der I-Anteil weit genug abgebaut ist. Das kann unter Umständen sehr lange dauern und die Reglung für längere Zeit stark stören. 4.2.2 Entwurf einer Anti-Windup-Schaltung Das Problem entsteht beim I-Anteil des Reglers, der den Regelfehler trotz Stellgröÿe in der Sättigung weiter integriert. Eine Möglichkeit dies zu unterbinden bietet die nun vorgestellte Anti-Windup-Schaltung. Ziel ist es, den Integriervorgang abzuschalten oder zumindest abzuschwächen, sobald die Stellgröÿe in der Sättigung ist. In der in Abbildung 11 dargestellten Schaltung wird die Dierenz zwischen der vom Regler geforderten Stellgröÿe uR und der begrenzten Stellgröÿe u über einen Faktor γ auf den In- tegratoreingang zurückgekoppelt. Die Schaltung wird nur bei Überschreitung der Begrenzung (|uR | > |umax |) aktiv, da ansonsten die Dierenz u − uR verschwindet. Bei uR > umax wird die Dierenz negativ und das Eingangssignal des I-Anteils wird verringert. Damit wird dem weiteren Ansteigen des I-Anteils und damit dem weiteren Ansteigen der Gröÿe Bei uR < −umax uR entgegengewirkt. funktioniert die Schaltung in analoger Weise. Über den Parameter γ kann eingestellt werden, wie stark die Rückführung wirkt. Alternativ bieten sich Anti-Windup-Schaltungen an, die den Integratoreingang bei Überschreitung der Beschränkung fest auf Null setzen. Derartige Schaltungen sollen hier aber nicht weiter betrachtet werden. 4.3 Vorbereitungsaufgaben 1b Führen Sie die Simulationen dieses Versuchsteils in Scicos durch. Implementieren Sie dafür die PI-Anteile der beiden Regler durch Integratorschaltungen wie in Abbildung 12 und nicht als Übertragungsfunktionsblöcke. 1. Ermitteln Sie die Übertragungsfunktion G0ω (s) = Ω(s) Ri (s) der nun relevanten Regelstrecke, die den unterlagerten Stromregelkreis aus Versuchsteil 1a enthält. 2. Als Drehzahlregler soll ein PI-Glied Kω (s) = kω s − s0,ω , s kω , s0,ω ∈ R verwendet werden. 11 $$\int$$ R −s0 k $$\int$$ Abbildung 12: Struktur eines PI-Reglers a) Begründen Sie, warum diese Reglerstruktur sinnvoll ist. b) Der Reglerentwurf soll nach dem Frequenzkennlinienverfahren durchgeführt werden. Zeichnen Sie dafür zunächst das Bode-Diagramm von G0ω . c) Wählen Sie zunächst das aus der Vorlesung bekannte Entwurfsvorgehen, indem Sie mit der Nullstelle s0,ω des Reglers die langsamste Polstelle der Strecke kürzen. Be- stimmen Sie dann mit Hilfe von Simulationen die Verstärkung 1 schlossene Regelkreis eine Ausregelzeit von etwa Überschwingen einen Wert von 20% 0.6 kω so, dass der ge- Sekunden aufweist und das nicht übersteigt. Rufen Sie sich in Erinnerung, wie die Kenngröÿen Überschwingweite, Ausregelzeit, Phasenreserve und Durchtrittsfrequenz miteinander in Beziehung stehen! rω von 0 < u < 5V d) Bei Sprüngen der Führungsgröÿe gröÿenbeschränkung von −5V auf Werte bis zu 180 rad s soll die Stell- nicht verletzt werden. Überprüfen Sie simulativ, ob Ihr Regler diese Forderung erfüllt. Falls nicht, korrigieren Sie ihre Reglerparameter, sodass die Forderung erfüllt wird. Wie lautet die Übertragungsfunktion T̄ω des bis hierhin entworfenen geschlossenen Regelkreises? e) Berechnen Sie die Störübertragungsfunktion ω. auf die Winkelgeschwindigkeit Ḡmω (s) = Ω(s) ML (s) vom Lastmoment mL Simulieren Sie die Störsprungantwort. Warum ist das Störverhalten des entworfenen Regelkreises nicht brauchbar? Was fällt Ihnen auf, wenn Sie die Pole von T̄ω und Ḡmω vergleichen? f ) Überlegen Sie mit Hilfe der Wurzelortskurve, wie die Nullstelle s0,ω des Reglers ver- schoben werden muss, um das Störverhalten zu verbessern. Wählen Sie s0,ω und kω neu, sodass alle vorher genannten Forderungen an das Führungsverhalten weiterhin erfüllt werden. Wie lauten die neue Führungsübertragungsfunktion Störübertragungsfunktion Gmω Tω und die neue und deren Pole? 3. Erweitern Sie Ihre Reglerstruktur in Scicos um eine Anti-Windup-Schaltung nach Abbildung 11. Führen Sie die Dierenz (u − uR ) auf den Integrator sowohl des inneren als auch des äuÿeren Reglers zurück. Machen Sie sich mit dem Windup-Eekt durch Simulationen des geschlossenen Regelkreises vertraut. Provozieren Sie dazu den Eekt bei ausgeschalteter Anti-Windup-Schaltung (γ der genügend hoch ist, um die Stellgröÿe die aktivierte Anti-Windup-Schaltung (γ 1 = 0) durch einen Störsprung im Lastmoment, u in Sättigung zu bringen. Untersuchen > 0) den Eekt unterdrückt. Sie, wie Unter Ausregelzeit wird die Zeit zwischen dem Auftreten eines Sollwertsprunges und dem Eintritt der Regelgröÿe in ein Intervall von ±2% Abweichung um den Sollwert, so dass die Regelgröÿe nach Eintritt in diesem Intervall verbleibt, verstanden. 12 4.4 Versuchsdurchführung und Auswertung 1b 1. Ersetzen Sie in Ihrem vorbereiteten Scicos-Regelkreis den Block der Motor-Regelstrecke durch den auf dem Laborrechner zur Verfügung stehenden Block zu Ansteuerung der Motorhardware und erstellen Sie mit dem Betreuer das echtzeitfähige Programm zur Motoransteuerung. 2. Verwenden Sie für den äuÿeren Regler zunächst die Parameter aus Aufgabe 2f. a) Nehmen Sie die Führungssprungantwort des Drehzahlregelkreises auf. Schalten Sie dafür den Sollwert der Winkelgeschwindigkeit von sätzlich die Gröÿen ri und iA 0 rad s auf 150 rad s . Nehmen Sie zu- des inneren Regelkreises auf. Beschreiben und disku- tieren Sie das Regelkreisverhalten! Vergleichen Sie das Ergebnis mit der Simulation des Führungsverhaltens aus der Vorbereitungsaufgabe 2f! b) Nehmen Sie die Störsprungantwort des Systems auf. Betreiben Sie den Motor bei einer Winkelgeschwindigkeit von 150 rad s und lösen Sie die Rückhaltevorrichtung der Bremse um ein sprunghaftes Lastmoment zu erhalten. Nehmen Sie zusätzlich die Gröÿen ri und iA des inneren Regelkreises auf. Beschreiben und diskutieren Sie das Regelkreisverhalten! Vergleichen Sie das Ergebnis mit der Simulation des Störverhaltens aus der Vorbereitungsaufgabe 2f! 3. Untersuchen Sie nun den Regelkreis mit den zuerst bestimmten Parametern aus Aufgabe 2d. Nehmen Sie die Störsprungantwort des Systems wie in Aufgabe 2b auf. Wie äuÿert sich das unbefriedigende Störverhalten in der Praxis? Vergleichen Sie das Ergebnis mit der Simulation des Störverhaltens aus der Vorbereitungsaufgabe 2e! 4. Testen Sie ihre Anti-Windup-Schaltung mit den Parametern aus Aufgabe 2f. Betreiben Sie den Motor bei einer Winkelgeschwindigkeit von 150 rad s und halten Sie die Scheibe sehr kurz fest um sie danach sofort wieder freizugeben. Wiederholen Sie den Versuch mit deaktivierter Anti-Windup-Schaltung! Nehmen Sie neben der Winkelgeschwindigkeit und dem Ankerstrom die Stellgröÿen vor und nach der Beschränkung auf. Beschreiben und vergleichen Sie das Regelkreisverhalten mit und ohne Anti-Windup-Schaltung! 5. Erweitern Sie das Scilab-Skript, das Sie für die Simulation geschrieben haben, um eine Routine, die es ermöglicht, aus den gespeicherten Versuchsdaten aussagekräftige Plots zu generieren. Binden Sie diese in Ihr Protokoll ein! A Nützliche Scilab-Befehle Diese kleine Hilfe erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei Unsicherheiten sollte zudem immer die Scilab-Hilfe herangezogen werden. • Scilab-Hilfe zum Befehl X help X • Denition eines Polynoms über die Nullstellen (in Abwandlung über Koezienten) poly Beispiel s=poly(0,'s'); 13 • Denition eines linearen Systems aus den Matrizen des Zustandsraummodells (A, B, C ) oder einer Transferfunktion syslin Beispiel G=syslin('c',A,B,C); G=syslin('c',1/(1+s)); • Zustandsraummodell in Transferfunktion umwandeln oder umgekehrt • Komplexen Frequenzgang eines Systems bestimmen ss2tf, tf2ss repfreq Beispiel (andere Aufrufmethoden siehe Scilab-Hilfe) repf=repfreq(system,frequenzvektor) • Amplitude in dB und Phase in ◦ aus dem komplexen Frequenzgang bestimmen dbphi Beispiel [db,phi]=dbphi(repf) Soll die Amplitude linear vorliegen, verwendet man abs • Simulation einer Sprungantwort csim Beispiel t=0:0.01:10; //Zeitvektor u=ones(t); //Vektor gleicher Elementzahl wie t, Elemente alle 1 y=csim(u,t,sys); //sys lineares System //auch: y=csim('step',t,sys); • Zeichnen von Wurzelortskurven evans(system) evans(system,maximaler_verstaerkungsfaktor) Die Verstärkung eines Punktes auf der Wurzelortskurve gibt der folgende Befehl aus. k=-1/real(horner(system,[1,%i]*locate(1))) Der Punkt wird durch klicken auf die Wurzelortskurve ausgewählt. • Ein Ergebnis von kleinen Koezienten säubern (Entstehung durch numerische Berechnung) clean Hinweis: Es ist empfehlenswert, eigene Plotroutinen zu schreiben. Diese können als ScilabFunktionen gespeichert und so immer wieder von ihnen verwendet werden. Weitere, tiefergehende Beispiele und Hinweise nden sich in der Scilab-Einführung des Instituts, welche unter http://www.control.tu-berlin.de/Teaching:Scilab 14 verfügbar ist.