ANGEWANDTE OPTIK 2. Einführung in die Geometrische Optik 2.1 2.1.1 Allgemeine Prinzipien Licht und Materie Optische Systeme werden für den Spektralbereich zwischen dem extremen Ultravioletten (10 nm) und dem thermischen Infraroten (Q-Band bei 20 µm) nach sehr ähnlichen Prinzipien und Konzepten konstruiert. In diesen Bereichen gelten mit genügender Genauigkeit die Gesetze der geometrischen Optik, wobei man der Ausbreitung des Lichtes Strahlen zuordnet, deren Weg durch das optische System mit Hilfe einiger einfacher Formeln beschrieben werden kann. Im sichtbaren Spektralbereich beschreibt man optische Systeme bei einigen Standardwellenlängen, die den Emissionslinien bestimmter Entladungslampen entsprechen (Fraunhofer-Linien). Die Eigenschaften transparenter optischer Materialien lassen sich durch deren Brechungsindex n beschreiben. Dieser gibt das inverse Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit im Medium cn zu der im Vakuum c0 wieder: n= c0 cn (1.1) Der Brechungsindex ist eine Funktion der Wellenlänge λ , die sich wiederum mit dem Medium ändert, c0 c ⇒λ n = n . ν ν Die optische Weglänge ist das Integral über den Brechungsindex längs eines gegebenen Weges: l = ∫ n( λ ) ds λ0 = Angewandte_Optik_2_1 8 (1.2) (1.3) 12.05.2003 ANGEWANDTE OPTIK Die Variation des Brechungsindex mit der Wellenlänge gibt Anlass zur Dispersion. Sie lässt sich mit der AbbeZahl V angeben: V = nd −1 . nF − n C (1.4) Dabei ist nd der Brechungsindex des Materials bei der Wellenlänge des neutralen Heliums (He I) bei 587.6 nm, und n C und nF der Brechungsindex bei den Wellenlängen der ersten beiden Linien der Balmer-Serie des neutralen Wasserstoffs bei 656.3 nm und 486.1 nm. Je größer die Abbe-Zahl, desto geringer ist die Dispersion des Materials. Viele Glasarten haben traditionelle Namen (z. B. Kron- und Flintgläser). In der Konstruktion sind Größe von Brechungsindex und der Dispersion wichtig. Daher kann man aus dem Brechungsindex und der Abbezahl eine allgemeine Nomenklatur für Gläser in Form einer sechsstelligen Zahl der Form „NNNVVV“ ableiten. Die ersten drei Ziffern NNN entsprechen dem ganzzahligen Teil von 1000 ⋅ ( n d − 1) , die drei Ziffern VVV entsprechen dem ganzzahligen Teil von 10 ⋅V . Für ein Kronglas mit nd = 1.53200 und V = 58.7 ist die Kennzahl daher 532587. Die Kennzahl ist u. U. herstellerabhängig. 2.1.2 Geometrische Optik Geometrische Optik gilt im Grenzfall verschwindend kleiner Lichtwellenlänge, wo die Effekte der Beugung vernachlässigt werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die das Lichtbündel begrenzenden Aperturen sehr groß gegen die Lichtwellenlänge sind. Im betrachteten Spektralbereich ist diese Näherung i. a. gut erfüllt. Die Ausbreitung des Lichts läßt sich mit Hilfe von Bündeln von Lichtstrahlen darstellen. Man kann sehr komplexe Systeme vollständig nach Prinzipien der geometrischen Optik entwickeln. Eine Würdigung der Qualität der Optik bzw. ihrer Fehler ist aber erst mit der Wellenoptik sinnvoll möglich. Angewandte_Optik_2_1 9 12.05.2003 ANGEWANDTE OPTIK Drei Gesetze sind für die geometrische Optik wichtig: 1. Transmissionsgesetz: in Medien mit konstantem Brechungsindex breiten sich Lichtstrahlen geradlinig aus. 2. Reflexionsgesetz: der Ausfallswinkel ϑ r relativ zur Flächennormalen eines reflektierten Lichtstrahls entspricht dem Einfallswinkel ϑ i : ϑ r = ϑ i 3. Brechungsgesetz: die Winkel der einfallenden und gebrochenen Strahlen verhalten sich gemäß dem Snellschem Gesetz: nr sin ϑ r = ni sin ϑ i Hieraus folgt, dass alle Strahlen - einfallend, reflektiert und gebrochen - in einer Ebene mit der Flächennormalen liegen. Bei dem Übergang von einem Medium mit hohem Brechungsindex ni zu einem Medium mit niedrigerem n Brechungsindex nr kann es zu Totalreflexion kommen, wenn ϑ i > ϑ c mit sin ϑc = t ist. ni 2.1.3 Strahlenkonstruktion mit einfachen Spiegeln und Linsen Der erste Schritt bei der Konstruktion eines optischen Systems ist häufig eine simple Konstruktion „mit Bleistift und Lineal“, um sich Klarheit über die wesentlichen Eigenschaften und Dimensionen des Systems zu machen. Das einfachste optische Element mit abbildenden Eigenschaften ist ein sphärischer Spiegel mit Krümmungsradius R. Eine durch den Krümmungsmittelpunkt und den Symmetriepunkt der Spiegelfläche (Scheitelpunkt) definierte Gerade ist die optische Achse des Spiegels. Ein Bündel zu der optischen Achse paralleler Strahlen wird von einem konvexen, sphärischen Spiegel ideal zu einem gemeinsamen Punkt auf der Achse reflektiert (Brennpunkt). Der Abstand des Brennpunkts zum ScheitelR punkt ist f = . Bei einem konkaven, sphärischen Spiegel divergiert das Bündel nach der Reflexion, der Brenn2 Angewandte_Optik_2_1 10 12.05.2003 ANGEWANDTE OPTIK punkt ist virtuell. Allgemein können Strahlen mit sphärischen Spiegeln nach folgenden einfachen Regeln konstruiert werden: 1. Die Konstruktion eines Strahls beginnt ausgehend von einem Objektpunkt von links nach rechts. Bei Auftreffen auf eine Spiegelfläche kehrt sich die Strahlrichtung um. 2. Ein parallel zur optischen Achse verlaufender Strahl verläuft nach der Reflexion durch den Brennpunkt. 3. Strahlen durch den Brennpunkt verlaufen nach der Reflexion parallel zur optischen Achse. 4. Ein Strahl durch den Scheitelpunkt verläuft vor und nach der Reflexion im selben Winkel zur optischen Achse. 5. Ein Strahl durch den Krümmungsmittelpunkt verläuft nach der Reflexion in sich zurück. Einfache Linsen lassen sich ähnlich wie sphärische Spiegel durch ihre Brennweite f charakterisieren. Diese hängt vom Brechungsindex des Materials und von den Radien der Begrenzungsflächen ab. Regel 2. und 3. gelten analog für die Brechung an der Linse. Anstelle von Regel 4 durchläuft ein Strahl durch den Scheitelpunkt der Linse selbige ohne Brechung. Der Verlauf beliebiger Strahlen durch ein optisches Element lässt sich durch Hilfskonstruktionen - parallel verlaufende Strahlen durch Brennpunkte und Scheitelpunkte - bestimmen. Bei der Kombination optischer Elemente bestimmt man sequentiell die Lage der Bildpunkte, die Objektpunkt für das folgende Element werden. 2.1.4 Einfache Strahlenrechnung Strahlen, die in der Nähe der optischen Achse verlaufen, bilden mit ihr nur kleine Winkel. Hier können Sinus und Tangens gleich den Winkeln im Bogenmaß gesetzt werden. Näherungsrechnungen, die dieses ausnutzen, sind beAngewandte_Optik_2_1 11 12.05.2003 ANGEWANDTE OPTIK sonders einfach. Man spricht von der paraxialen Näherung. y x z Einfache Rechnungen kann man oft auf eine Ebene, welche die optische Achse enthält, beschränken. Traditionell ist die Ausbreitungsrichtung des einfallenden Lichtstrahls längs der optischen Achse die positive z-Achse. Senkrecht dazu verläuft die y-Achse. Muss man die Rechnung in die dritte Dimension erweitern, so wird die x-Achse hinzugenommen, die mit den anderen beiden ein rechtshändiges xyz-Koordinatensystem bildet. Der Ursprung ist auf der optischen Achse. Im Allgemeinen gelten folgende Vorzeichenregeln: 1. Ein in das System eintretender Strahl verläuft in positive z-Richtung. Bei Reflexionen ändert sich das Vorzeichen der Verlaufsrichtung. 2. Abstände werden von einer Komponente längs der z-Achse vorzeichenbehaftet gemessen. 3. Höhen werden längs der y-Achse vorzeichenbehaftet gemessen. 4. Krümmungsradien werden vom Scheitelpunkt zum Krümmungsmittelpunkt längs der z-Achse gemessen. 5. Brennweiten konvergierender Elemente sind positiv, divergierender Elemente negativ. 6. Bei Strahlen, die in negativer Richtung verlaufen, kehren sich die Vorzeichen von Distanzen um, Brechungsindices sind negativ. 7. Winkel werden von der optischen Achse entgegengesetzt des Uhrzeigersinns positiv gerechnet. Hieraus folgt, dass Spiegel mit negativem Krümmungsradius eine positive Brennweite haben. Angewandte_Optik_2_1 12 12.05.2003 ANGEWANDTE OPTIK 2.1.5 Spiegelgleichung θ α y0 u0 t0 tan u0 ≅ sin u0 ≅ u0 = y1 −t 0 tan u1 ≅ sin u1 ≅ u1 = y1 t1 y1 u1 α y2 t1 tan α ≅ sin α ≅ α = y1 −R Aus den Winkeln ergibt sich u1 = 2ϑ + u0 = α + ϑ → u1 + u0 = 2α , damit erhält man 1 1 1 − = . t1 t 0 f y1 y1 y y − = − 2 1 = 1 oder t1 t 0 R f (1.5) Dies ist die Abbildungsgleichung für Spiegel. Objekt- und Bildhöhen y0 , y2 ergeben sich aus den Distanzen t0 , t1 y − y2 nach den ähnlichen Dreiecken 0 = , daraus ergibt sich die Lateralvergrößerung − t0 t1 M = y2 t1 = y0 t0 Angewandte_Optik_2_1 (1.6) 13 12.05.2003 ANGEWANDTE OPTIK 2.1.6 Dünne Linse Aus den ähnlichen Dreiecken ergibt sich x1 x0 y0 − y2 − y2 = − t0 f y0 f y 0 − y2 y = 0 t1 f t0 f t1 -y2 Dies lässt sich kombinieren zu der Abbildungsgleichung für dünne Linsen, 1 1 1 − = , t1 t0 f (1.7) welche exakt (1.5) entspricht. Für die Lateralvergrößerung gilt auch hier die Gleichung (1.6). Ebenso gelten die Beziehungen x0 y x − y2 = 0 ; 1 = . f − y2 f y0 Daraus folgt die Newtonsche Abbildungsgleichung: x0 x1 = f 2 Angewandte_Optik_2_1 14 12.05.2003