Fachartikel AN

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Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 1
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Inhaltsverzeichnis
Einleitung............................................................................................................................... 3
1
Deskriptive Aspekte der Anorexia nervosa ................................................................... 4
1.1
Phänomenologie ................................................................................................. 4
1.1.1 Aspekte der Komorbidität......................................................................... 5
1.1.2 Subtypen .................................................................................................. 5
1.2
Klassifikation...................................................................................................... 6
1.2.1 Diagnosekriterien im ICD-10 und des DSM IV ......................................... 6
1.3
2
Psychosoziale Korrelate ..................................................................................... 7
Erklärungsmodelle zur Anorexia nervosa....................................................................... 7
2.1.1 Medizinische Modelle................................................................................ 8
2.1.2 Systemische Überlegungen ........................................................................ 8
2.1.3 Neuere psychodynamische Ansätze zu Magersucht .................................... 9
2.1.4 Kognitive und lerntheoretische Vorstellungen.............................................. 10
2.1.5 Die Bedeutung kritischer Lebensereignisse ................................................. 10
2.1.6 Soziokulturelle Bedingungen ...................................................................... 10
2.1.7 Integration der Einzelaspekte in ein multifaktorielles Modell ........................ 11
3
Diagnose und Interventionsansätze................................................................................ 12
3.1
Diagnostische Zugänge zur Anorexie ................................................................... 12
3.2
Übersicht zu Interventionsansätzen bei Anorexia nervosa ..................................... 13
3.2.1 Familientherapie bei Anorexia nervosa ....................................................... 14
3.2.2 Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Therapie..................... 14
3.2.3 Verhaltenstherapeutische und kognitive Therapieansätze ............................. 15
4
3.3
Zielhierarchie und Stärken-Schwächen-Analyse der Ansätze ............................... 16
3.4
Bewertung der Behandlungsansätze anhand empirischer Untersuchungen.............. 17
Der Therapieansatz des Therapiecentrums für Essstörungen (TCE) ............................... 18
4.1
Das Innovationspotential des Ansatzes ................................................................ 18
4.2
Die Wurzeln des tagklinischen Modells und theoretische Fundierung .................... 19
4.3
Zielgruppen und Zielsetzung der Therapie ............................................................ 20
4.4
Die Therapiephasen und seine Zielsetzungen im Überblick ................................... 21
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
4.5
5
Seite 2
Die Therapieelemente der Tagklinik-Phase .......................................................... 22
Evaluation des TCE-Konzepts ..................................................................................... 26
5.1
Ziele der Evaluation............................................................................................ 27
5.2
Design und Stichprobe........................................................................................ 27
5.3
Instrumente der Evaluation.................................................................................. 29
5.3.1 Eingangsdiagnostik .................................................................................... 29
5.3.2 Messung der allgemeinen Psychopathologie ............................................... 29
5.3.3 Messung komorbider Störungen ................................................................ 29
5.3.4 Messung der speziellen anorektischen Symptomatik ................................... 30
5.3.5 Einsatz der Messbatterie ............................................................................ 30
6
5.4
Bewertung der Ergebnisse .................................................................................. 30
5.5
Auswertungsmethode ......................................................................................... 31
Fazit ............................................................................................................................ 32
Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 33
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Einleitung
„Als die 50-Kilogrenze erreicht war, wollte ich wieder normal essen. Aber ich nahm sofort zu! Nur ein halbes Pfund, aber
das war schon eine Katastrophe. Dann habe ich mir das erste mal den Finger in den Hals gesteckt. Einfach so. Das war eklig,
aber andererseits – es war so einfach. Drei Monate lang erbrach ist alles, was ich gegessen hatte. Um noch mehr Kalorien
abzubauen bin ich jeden Tag zwei Kilometer geschwommen. Und nahm dabei weiter ab. Es war wie ein Rausch – bis zu dem
Tag als ich Blut erbrach. Ein großer Schock. Ich wollte aufhören mit dem Erbrechen, aber das Essen kam jetzt schon von
selbst wieder hoch. Also hörte ich ganz mit dem Essen auf.“(Aus: Welt am Sonntag vom 9. April 2000; die Fallgeschichte
von Sabrina Feldmann, 18, nach Van Beveren, 2000).
In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Störungsbild der Anorexia (AN) in der wissenschaftlichen Forschung sowie der klinischen Praxis zunehmend Beachtung gefunden (Steinhausen,
1999). Die bisherigen Studien weisen auf eine Steigerung der Prävalenzrate hin (Bruch, 1991,
APA, 1994, Meermann, 1996). AN gilt als primär psychogene, multifaktoriell bedingte
Erkrankung, die jedoch massive somatische Folgen haben kann (Meermann, 1996, Csef,
1999). Die endgültigen Entstehungsmechanismen und Ursachen sind nicht geklärt (Jacobi,
Thiel & Paul, 1996, Cuntz&Hillert, 1998). Aktuelle Langzeitkatamnesen (Deter&Herzog,
1995; Herzog, Deter & Vanderdeycken, 1992) beschreiben Mortalitätsraten zwischen 5 und
15%. Diese Zahlen, die geringe Spontanremission und die Tatsache, dass ein positiver
Langzeitverlauf massiv von der Effektivität einer psychotherapeutischen Behandlung abhängt
(Csef, 1999), machen die Notwendigkeit wirksamer Intervention deutlich. AN fällt
phänomenologisch durch das extrem veränderte Essverhalten auf, zeigt sich somit als Verhaltensstörung und weist auf die psychosoziale Dimension der Erkrankung hin. Ziel der
Intervention ist neben der Normalisierung des Essverhaltens und Gewichts der Betroffenen
auch die Veränderungen der psychischen Symptome. Psychotherapie ist hierzu das Mittel der
Wahl (Meermann, 1996, Jacobi et al., 1996). Gerlinghoff&Backmund (1995) und Grawe
(1998) kommen in Übersichten empirischer Untersuchungen zu den wichtigsten psychotherapeutischen Ansätze zu dem Fazit, dass nur eine Therapie, die das Gewicht auf konkrete
Verhaltensänderungen
Essstörungen
zu
legt,
einer
also
bewältigungsorientiert
dauerhaften
Besserung
der
vorgeht,
bei
Symptomatik
Patienten
führt.
mit
Kognitiv-
verhaltenstherapeutische Ansätze bieten hierzu eine gute Basis, die jedoch ergänzt werden
muss (Meermann, 1996). Ebenso wird deutlich, dass weder das ambulante noch das stationäre
Setting
optimale
Möglichkeiten
zur
Therapie
Magersüchtiger
bieten
(Gerlinghoff&Backmund, 1995). Verschiedene Autoren betonen die Notwendigkeit eines
integrativen Ansatzes (Andersen, 1983, Garner&Bemis, 1982, Kennedy&Garfinkel, 1992).
Das Modell von Gerlinghoff und Backmund (1995) vereint die Vorteile verschiedener
klärungs- und bewältigungsorientierter therapeutischer Richtungen in einem Programm. Es
gehört
nach
ersten
Evaluationsstudien
zu
urteilen
(Gerlinghoff,
Backmund,
Franzen,
Gorzewski & Fenzel, 1997) zu den erfolgversprechendsten Möglichkeiten, Magersüchtigen
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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süchtigen Mädchen und Frauen1 den Weg aus ihrer Erkrankung zu bahnen.
Die Störung wird zunächst mit Erscheinungsbild und Ätiologie beschrieben. Nach der Darstellung der diagnostische Zugangsweise und der Interventionsmöglichkeiten wird das Konzept von Gerlinghoff und Backmund (1995) sowie ein Evaluationsdesign für das Programm
vorgestellt.
1
Deskriptive Aspekte der Anorexia nervosa
1.1
Phänomenologie
Das äußerlich auffallendste Merkmal der AN ist der gravierende Gewichtsverlust, der häufig
50% des Ausgangsgewichts unterschreitet. Die Gewichtsabnahme wird hauptsächlich durch
starke Restriktion der Kalorienaufnahme erreicht. Zudem verwenden einige Patientinnen andere Maßnahmen wie Erbrechen, den Gebrauch von Abführmitteln oder Entwässerungstabletten sowie exzessive körperliche Aktivität. 95% der Betroffenen Personen sind Mädchen und
junge Frauen. Die Störung tritt meist zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr das erste mal auf.
Für diese Altergruppe ist mit einer Auftretenshäufigkeit von 0,8 bis 1% zu rechnen (Meermann, 1996). Das DSM IV (APA, 1994) nennt eine Prävalenz von 0,5 bis 1% betroffener
Frauen die alle Kriterien erfüllen, weist jedoch darauf hin, dass es sich vermutlich um weitaus
mehr Personen handelt, die beinahe die Kriterien für diese Störung erfüllen. Anorektische
Patientinnen stammen vorwiegend aus der Mittel- und Oberschicht. Die Befunde zum Langzeitverlauf divergieren erheblich. Lässle (1997) betrachtet einen Follow-up-Zeitraum von vier
Jahren und stellt fest, dass ca. 30% der Fälle vollständig gebessert, 35% gebessert, 25% chronisch krank und etwa 10% verstorben sind. Etwa 50% der betroffenen Frauen behält dauerhaft
ein verändertes Essverhalten bei, was nicht zu einem erneuten massiven Gewichtsverlust, jedoch verschiedenen physiologischen Funktionsstörungen führen kann. Häufig wird auch eine
Umwandlung in chronische Bulimie beobachtet (Meermann&Vandereycken, 1987). Trotz des
körperlich kritischen Zustandes verleugnen und minimalisieren die meisten Betroffenen die
Schwere der Störung lange Zeit, ziehen keine Therapie in Erwägung oder lehnen eine Behandlung vehement ab.
In Folge des Gewichtsverlustes und der Mangelernährung kommt es zu einer Vielzahl von
körperlichen Symptomen wie Hypothermie, Hypotonie, Bradykadie (dauerhafter Ruhepuls
von 60 oder niedriger), Lanugo (Flaumhaarbildung) und Ödemen sowie weiteren metaboli1 Aufgrund der Prävalenzschätzungen sind etwa 5% der Gruppe von Essstörungen Betroffener männlich. Aufgrund dessen und zugunsten
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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schen und neuroendokrinen Veränderungen (Pirke&Ploog, 1986). Bei fast allen weiblichen
Betroffenen bleibt die Regelblutung aus (Amenorrhoe).
Das auffälligste psychische Merkmal von Patientinnen mit AN ist das starke Streben danach, dünner zu werden. Gleichzeitig haben sie starke Angst davor zuzunehmen. Nur minimale Gewichtszunahmen, real oder antizipiert, können panikartige Reaktionen hervorrufen
(Lässle, 1997). Das Körperschema der Patientinnen ist verzerrt. Trotz ihres abgemagerten
Zustandes sind sie überzeugt davon, eine völlig normale Figur zu haben oder betrachten sich
sogar als zu dick. Körpersignale wie Hunger werden fehlinterpretiert oder kaum beachtet
(Gerlinghoff&Backmund, 1995). Ein weiteres Kennzeichen für alle Patientinnen ist die permanente Beschäftigung mit dem Thema Essen. Häufig treten Zwangsrituale beim Umgang
mit Nahrungsmitteln auf. Die Betroffenen beschäftigen sich ausgiebig mit Kochbüchern und
bereiten gerne umfangreiche Mahlzeiten für andere zu (Lässle, 1997).
1.1.1
Aspekte der Komorbidität
Lässle, Waadt, Schweiger & Pirke (1987) fanden bei anorektischen Patientinnen häufiger als
bei nichtpsychiatrischen Vergleichsgruppen depressive Symptome. Unklar ist jedoch, ob eine
scheinbar enge nosologische Beziehung zwischen den Krankheitsbildern AN und Depression
besteht, denn in anderen Studien wurde sichtbar, dass psychologische und physiologische
Aspekte des pathogenen Essverhaltens die sekundäre Entwicklung depressiver Symptome
begünstigten. Fichter (1985) und Hecht, Fichter & Postpischil (1983) stellen empirische Befunde vor, die für einen engen Zusammenhang zwischen Zwangsstörung und AN sprechen.
Bruch (1973) und Fichter (1985) diskutieren Gemeinsamkeiten zwischen Schizophrenie und
AN. Für 3 bis 17% der Fälle wird in der Literatur das Auftreten schizophrener Psychosen bei
AN genannt.
1.1.2
Subtypen
Garfinkel, Modolfsky & Garner (1980) stellten fest, dass etwa 50% der Magersüchtigen nach
einer Zeit erfolgreichen Fastens Heißhungeranfälle erleben. Der dadurch drohenden subjektiven Gefahr einer Gewichtszunahme begegnen die Patientinnen oft durch selbstinduziertes
Erbrechen. Sie nannten diese Gruppe bulimische AN-Patientinnen („bulimics“). Sie unterscheiden sich offenbar in klinischen und demographischen Merkmalen von Anorektikerinnen,
die ausschließlich restriktiv essen. Beumont, George, & Smart (1976) und Strober, Salkin,
der besserern Lesbarkeit der Arbeit ist im Folgenden z.B. von „Patientinnen“ und nicht von „Patientinnen und Patienten“die Rede.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Burroughs & Morrell (1982) schlugen daher vor, die AN in zwei Unterformen zu teilen. Die
Gruppe der „Bulimics“ scheint zu Beginn älter, hat ein höheres prämorbides Gewicht, sind
sozial besser integriert und sexuell aktiver. Ihre Körperschemastörung ist massiver. Garner &
Garfinkel (1985) weisen darauf hin, dass diese Gruppe depressiver ist. Das DSM IV hat diese
Vorschläge in der Unterteilung aufgenommen.
1.2
Klassifikation
1.2.1
Diagnosekriterien im ICD-10 und des DSM IV
AN wird im ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1993) in Kapitel F 50.0 bis 59.0 „Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren“ eingeordnet. Die dort beschriebenen Diagnosekriterien lauten: (1) Tatsächliches Körpergewicht mindestens 15% unter
dem erwarteten Gewicht (entweder durch Gewichtsverlust oder nie erreichtes Gewicht) oder
ein Quetelets-Index2 von 17,5 oder weniger. Bei Patienten in der Vorpubertät kann die erwartete Gewichtszunahme während der Wachstumsperiode ausbleiben. (2) Der Gewichtsverlust
ist selbst herbeigeführt durch: (a) Vermeidung hochkalorischer Speisen; und eine oder mehrere der folgenden Möglichkeiten (b) selbstinduziertes Erbrechen (c) selbstinduziertes Abführen
(d) übertriebene körperliche Aktivitäten (e) Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Entwässerungspräparaten. (3) Körperschema-Störung: die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest. (4) Eine endokrine Störung auf der HypothalamusHypophysen-Gonaden-Achse: sie manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhoe und bei Männern als Libido- oder Potenzverlust. Eine Ausnahme stellt das Persistieren vaginaler Blutungen bei anorektischen Frauen mit einer Hormonsubstitutionstherapie zur Kontrazeption dar.
Erhöhte Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Änderungen des peripheren Metabolismus
von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion können gleichfalls vorliegen.
(5) Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (Wachstumsstop, fehlende Brustentwicklung und primäre
Amenorrhoe beim Mädchen; beim Jungen bleiben die Genitalien kindlich). Nach Remission
wird die Pubertätsentwicklung häufig normal abgeschlossen, die Menarche tritt aber verspätet
ein.
Das DSM IV (1994) nennt ähnliche Diagnosekriterien, betont jedoch das Vorliegen einer
2 Identisch mit dem Body Mass Index (BMI). Er berechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der
Körpergröße in Metern.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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starken Angst vor einer Gewichtszunahme, obwohl Untergewicht besteht. Zudem unterteilt es
die AN in zwei Subtypen: (1) Restriktiver Typ: Heißhungerattacken, Erbrechen, Abführ- oder
Entwässermittelmissbrauch treten während der gegenwärtigen anorektischen Episode nicht
regelmäßig auf. (2) Bulimischer Typ: Regelmäßiges Auftreten von Heißhungerattacken,
Erbrechen, Abführ- oder Entwässerungsmittelmissbrauch während der gegenwärtigen anorektischen Episode.
Diffentialdiagnostisch ist wichtig, dass chronische, auszehrende Erkrankungen, Hirntumore und internistische Erkrankungen wie Morbus Crohn können ebenfalls zu einem massiven
Gewichtsverlust führen. Hier fehlen jedoch die Störung des Körperschemas sowie die übersteigerte Angst dick zuwerden und den beständigen Drang abzunehmen. Schizophrene Patientinnen, die aufgrund von Wahnvorstellungen die Nahrungsaufnahme einschränken zeigen
diese Symptome ebenfalls nicht.
1.3
Psychosoziale Korrelate
Die äußere Erscheinung anorektischer Personen verbunden mit der subjektiven Wahrnehmung
der Betroffenen noch zu dick zu sein, die permanente Beschäftigung mit dem Essen, das Meiden von Nahrungsaufnahme, auch in der Öffentlichkeit – all das wirkt sich massiv auf das
soziale Umfeld der Betroffenen aus. Die beschriebenen komorbiden Störungen haben ebenfalls massiven Einfluss auf das Sozialverhalten und das Umfeld von Magersüchtigen. Oft
wirkt jedoch das Umfeld umgekehrt auch auf die Störung. Freunde und Eltern verstärken oft
ohne Hintergedanken die anfängliche Gewichtsabnahme, die sich zu AN entwickeln kann.
Von Bedeutung ist auch das Altersintervall, in dem AN meinst Auftritt: es betrifft die Pubertät junger Mädchen, eine Phase in der soziale Kontakte und die Identitätsbildung eine wichtige Aufgabe darstellen (Röhr-Sendlmeier, 1988). Die Störung hat oft gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung. Aufgrund des Erstauftretensalters spielt häufig die Familie ebenfalls
eine wichtige Rolle. Für die Eltern stellt die Erkrankung ihres Kindes eine große Belastung
dar. Oft verstehen sie nicht, weshalb ihr Kind das Essen verweigert, haben selbst Probleme in
Ehe oder Partnerschaft. Willenberg, Bassler & Krauthauser (1998) und Lässle (1997) diskutieren familiäre Bedingungen als ätiologischen Faktor der AN.
2
Erklärungsmodelle zur Anorexia nervosa
Modelle, die AN erschöpfend erklären und einer einheitlichen empirischen Überprüfung unterzogen wurden, existieren bislang nicht (Gerlinghoff&Backmund, 1995, Jacobi et al, 1996).
Es besteht jedoch zwischen verschiedenen theoretischen Orientierungen Einigkeit darüber,
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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dass AN multifaktoriell bedingt ist (Lässle, 1997, Reich, 1997). Welcher Art genau jedoch die
Störungen bzw. welche Konstellationen von Faktoren zur Manifestation einer Essstörung führen, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen (Cuntz&Hillert, 1998). Allgemein akzeptiert
ist die Unterscheidung von prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren
(Cuntz&Hillert, 1998, Lässle, 1997).
2.1.1
Medizinische Modelle
Bei allen Magersüchtigen liegen hormonelle Störungen vor (Jacoby, 1997). Medizinische
Modelle nehmen daher eine diencephale Vulnerabilität3 als primäre Ursache des gestörten
Essverhaltens und der hormonellen Unterschiede an. Lässle (1997) kommt jedoch in einer
Übersicht und Bewertung der Befunde zu den somatischen Einflussvariablen zu der Einschätzung, dass es sich meist um Folgen und nicht Ursachen der AN handelt.
Jacobi et al. (1996) heben hervor, dass bezogen auf AN bei Zwillingsuntersuchungen eineiige eine höhere Konkordanzrate als zweieiige Zwillingspaare aufweisen (Nowlin, 1983, Fichter, 1985, Holland et al., 1988, Schepank, 1992 und Treasure&Holland, 1991). Dies sind
wichtige Belege für den Einfluss einer genetischen Disposition. Welche Bedeutung diese Befunde für die Therapie haben kann jedoch nach noch nicht abschließend beurteilt werden.
2.1.2
Systemische Überlegungen
Die Systemische Perspektive betrachtet nicht die Patientin als gestört ist, sondern das System
Familie. Die Anorektikerin weist als Indexpatientin mit ihrer Störung auf die zu behandelnde
Familiendysfunktion hin. Selvini-Palazzoli (1982) nennt einen hohen Anteil an Ehestörungen,
Problemen mit der Familienführung, ungenügende Konfliktlösestrategien, verdeckte Allianzen
zwischen
Familienmitgliedern, Schuldzuweisungen und extreme Rigidität. Minuchin,
Rosman& Baker (1978) formulierten aufgrund klinischer Beobachtungen Aussagen über die
Interaktionsmuster in Familien essgestörter Patientinnen. Sie sind von ihm durch Verstrickung, Rigidität, Überbehütung, Konfliktvermeidung und Mangel an Konfliktbewältigung
beschrieben worden. Jacobi et al. (1996) stellen Befunde zusammen, die eine unausgewogene
Rollenverteilung der Familienmitglieder in Familien von Anorektikerinnen belegen. Die Mutter oder eine andere weibliche Person hat häufig eine sehr dominierende Stellung. Die familiären Auseinandersetzungen belasten eine für die gesunde psychische Entwicklung notwendige
Identifikation der Patientinnen mit der Mutter. Willenberg et al. (1998) fanden, dass die
3 Die Hauptabschnitte des Zwischenhirn (Diencephalon) sind Thalamus (wichtigstes Verarbitungszenrum allg. Sensibilität) und Hypothala-
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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schwache Position des Vater eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Störung zu
spielen scheint. Lässle (1997) bewertet die systemische Theorie als wenig geeignet die Entstehung von Essstörungen zu erklären, weist ihr jedoch eine wichtige Rolle bei der Erklärung
der Aufrechterhaltung und Verstärkung der Symptomatik zu. Meermann und Vandereycken
(1987) unterstreichen diese Position und weisen darauf hin, dass zentrale Merkmale des Syndroms nicht durch Familienmuster erklärbar sind.
2.1.3
Neuere psychodynamische Ansätze zu Magersucht
In der neueren psychoanalytischen Literatur wird die AN als Folgezustand unbewusster infantiler Konflikte betrachtet. Anorektische Verhaltensrituale werden als Neuinszenierungen dieser Konfliktkonstellationen verstanden (Reich, 1997, Willenberg, 1997). Die AN wird zudem
als Kompromiss der Wünsche nach Autonomie gegenüber Mutter und Vater und gleichzeitigen symbiotischen Beziehungen gesehen. Nach Reich (1997) spielen folgende Aspekte eine
zentrale Rolle: (1) Eine brüchige Autonomieentwicklung: Bewältigungs- und Trennungserfahrungen werden als Bedrohungen gesehen und dem Kind erspart. Folge ist, dass auch der Autonomiegewinn ausbleibt. (2) Ritualisierte Emotionalität: der emotionale Austausch in der
Familie ist eingeschränkt und ritualisiert. Patientinnen erleben ihre Mütter ihnen gegenüber
häufig als emotional ambivalent. (3) Eine ödipale Konstellation: Verschiedene Konstellationen können entstehen. Häufig konkurriert die Patientin im psychodynamischen Sinne mit der
Mutter um den Vater, da sie sich nicht mit ihr identifizieren kann. (4) Die Über-Ich-Struktur:
Das Über-Ich betont Harmonie, Verbundenheit, Aufopferung und Verzicht. Das Ich-Ideal
betont Leistung, Selbstkontrolle und Autonomie. Stärke besteht in Selbstkontrolle. Konflikte
entstehen wenn die Autonomiewünsche gegen das Harmonieverbot zu verstoßen drohen, sowie durch aufkommende Wünsche, die gegen das Verzichts- und Aufopferungsverbot verstoßen. (5) Verschiebung der Konflikte um Grenzen und Autonomie auf den Körper: Die „große
magersüchtige Lüge“ ist es, so zu leben, als ob das eigene Missgeschick einzig und alleine
dem Körper anzulasten sein. Magersüchtige bekämpfen ihren Körper als den unannehmbaren
Teil ihres selbst. Oft wird AN in psychoanalytischen Modellen auch als Reaktion auf die
Angst davor, Erwachsen zu werden und die traditionelle weibliche Rolle einzunehmen gesehen (Meermann&Vandereycken, 1987).
mus (regelt über Hypophyse Funktion verschiedener Hormondrüsen; ist auch für Hunger, Sättigungdgefühl und Durst verantwortlich).
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
2.1.4
Seite 10
Kognitive und lerntheoretische Vorstellungen
Meermann und Vandereycken (1987) zeichnen ein lerntheoretisches Modell, das kognitive
Elemente integriert: Bis zum Beginn der Pubertät sind hervorragende Leistungen und gutes
Benehmen konditionierte Reize für das Gefühl der Selbstachtung. Die körperliche Reifung
wird mit der Pubertät für das Mädchen wichtiger für das Selbstwertgefühl, kann aber nicht
direkt beeinflusst werden. Sie muss Dinge akzeptieren, erleidet möglicherweise das Gefühl
der Hilflosigkeit. Auf der Verhaltensebene kann unsicheres, abhängiges Sozialverhalten hinzukommen. Zusätzliche negative Einflüsse wie Aussagen Gleichaltriger aufgrund der äußeren
Erscheinung können zur Auslösung des Problemverhaltens beitragen. Dieses Verhalten wird
durch operante Verstärkung aufrechterhalten. Nicht nur positive und negative Kontingenzen,
sondern auch kognitive Verstärker wirken aufrechterhaltend: Gewichtsverlust macht die Patientin subjektiv attraktiver, verleiht ihre Macht und Kontrolle über sich und die Familie, deren
Aufmerksamkeit sie sich sichert, ob mit vermehrter Zuwendung oder verärgerter Ablehnung.
AN wird somit als Strategie gesehen, paradoxerweise gleichzeitig sowohl angepasst als auch
unangepasst zu sein. Sie löst also Probleme und schafft gleichzeitig neue. Das anfängliche
Verhalten des Gewichtsabnehmens wird durch scheinbar harmlose psychosoziale Stimuli zusammen mit schwerwiegenderen Zuständen wie einer generellen Unzufriedenheit und perfektionistischen Tendenzen, die das Individuum zu Selbst- und Körperkontrolle prädisponieren,
verursacht. Erfolgreiches Abnehmen wird durch seine Konsequenzen verstärkt, was in einer
Abwärtsspirale schnell zur AN führt.
2.1.5
Die Bedeutung kritischer Lebensereignisse
Halmi (1974) fand, dass dem Beginn einer AN oft kritische Lebensereignissen vorausgingen.
Garfinkel&Garner (1986) charakterisierten diese Ereignisse allgemein dahingehend, dass sie
Anpassungsanforderungen an die Betroffenen stellen, denen sie zu diesem Zeitpunkt nicht
gewachsen sind. Verschiedene Studien (Hall, Tice, Beresford, Wooly & Hall, 1989, de Groot,
Kennedy, Rodin & McVey, 1992) beschreiben eine Prävalenz von 25 bis 50% an sexuellem
Missbrauch unter den Patientinnen. Jacobi et al.(1996) bewerten solche Traumata zwar als
erhebliche Risikofaktoren für die Entwicklung einer Störung, sie finden sich jedoch in nahezu
allen klinischen und nicht-klinische Stichproben (Pope&Hudson, 1992; Waller, 1993).
2.1.6
Soziokulturelle Bedingungen
Einige AutorInnen betonen die besondere Wichtigkeit soziokultureller Einflüsse bei der Ent-
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 11
stehung und Aufrechterhaltung von AN (Bruch, 1991, Franke, 1994). Das gängige, medienvermittelte Schlankheitsideal schlage sich gerade in der Pubertät, zur Zeit massiver körperlicher Veränderung vor allem bei Mädchen und Frauen in Form von Essstörungen nieder. Im
Gegensatz zur Psychoanalyse sehen feministische Ansätze die AN nicht als Ablehnung der
Weiblichkeit, sondern die Ablehnung der von der Gesellschaft aufgezwungenen weiblichen
Rolle. Die Kontrolle über ihr Gewicht wird als Ersatz für die Kontrolle über ihr Leben angenommen,
das
von
der
patriarchischen
Gesellschaft
kontrolliert
wird.
(Meer-
mann&Vandereycken, 1987). Die Tatsache, dass AN nur in westlichen Ländern auftritt,
spricht für den Einfluss soziokultureller Faktoren (Lässle, 1997). Lässle, Wurmser und Pirke
(1996) zeigten anhand einer Untersuchung auf, dass sich das Schönheitsideal in den vergangene dreißig Jahren in Richtung einer immer schlankeren Figur verschoben hat. Das Durchschnittsgewicht stieg jedoch an, was zu einer Diskrepanz zwischen Real- und Idealbild führt.
Westenhöfer, Pudel, Maus & Schlaf (1987) fanden, dass etwa 20% aller Frauen regelmäßig
Schlankheitsdiäten durchführen um dem gängigen Ideal zu entsprechen. 6% halten sich permanent an Diätvorschriften. Die Konsequenzen dieses Essverhaltens werden von der Umwelt
meist bekräftigt und dies kann, vor allem in der Pubertät zur Folge haben, dass das Schlanksein eine zentrale Quelle des Selbstwertgefühls wird (Jacobi et al., 1996). Meermann und
Vandereycken (1987) betonen, dass die Rolle von Frauen in unserer Gesellschaft tatsächlich
„verwässere“, was ihre Unsicherheit vergrößern könne. Weitere Faktoren müssen jedoch gewichtigen Einfluss haben, da nicht alle Frauen an AN erkranken.
2.1.7
Integration der Einzelaspekte in ein multifaktorielles Modell
Weder für die psychodynamische, die kognitiv-verhaltenstheoretische oder die systemische
Sichtweise liegen endgültige empirische Belege vor. Das multifaktorielle Modell von Jacobi
et al. (1996) zeichnen hat den Vorteil, das es empirische fundierte Einzelbefunden integriert.
Über die speziellen psychischen Ursachen wird bewusst keine Aussage getroffen: Familiäre
und soziokulturelle Aspekte wie z.B. Schlankheitsideal oder Geschlechtsrollenstereotyp, individuelle Aspekte wie z.B. Trennungserlebnisse oder sexuelle Traumata und biologische Einflüssen können demnach eine Prädisposition für AN darstellen. Diese prädisponierenden Faktoren begünstigen eine negative Entwicklung in psychischen Problembereichen, wie die eines
niedrigen Selbstwertgefühls, Identitäts- und Autonomiekonflikte, sowie einer geringen Fähigkeit, Stress und Spannungen zu ertragen. Bei früherem Störungsbeginn können Pubertätskonflikte, Schwierigkeiten mit körperlichen und emotionalen Veränderungen auslösend sein. Je
weniger psychisch stabil eine Frau ist, umso wichtiger kann der Versuch für sie werden,
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Schwierigkeiten im Bereich der psychosozialen Kompetenzen mit einer Gewichtsreduktion zu
kompensieren. Die Ausbildung der spezifischen Symptome beginnt häufig mit einer Diät. Die
Gewichtsabnahme wird zunächst positiv erlebt, bringt jedoch längerfristig erhebliche körperliche und emotionale Probleme mit sich. Die Schwierigkeiten werden entgegen der Vermutung durch die Gewichtsabnahme nicht gelöst. Eine extreme Bedeutung von Figur und Gewicht, interaktionelle Probleme wie z.B. Vermeidung sexueller Kontakte, soziale Rückzugstendenzen und vermehrte Leistungsorientierung tragen weiter zur Aufrechterhaltung bei.
Schließlich ergeben sich sekundäre Symptome wie Ängste, Depressionen, Beziehungsstörungen, Körperschemastörung und körperliche Folgeerscheinungen. Physiologische Veränderungen begünstigen die psychischen Veränderungen.
3
Diagnose und Interventionsansätze
3.1
Diagnostische Zugänge zur Anorexie
Eine vollständige klinische Diagnostik bei Klientinnen mit Essstörungen umfasst eine körperliche
Untersuchung
mit
entsprechenden
Laboranalysen
sowie
eine
psychiatrisch-
psychologische Untersuchung (Steinhausen, 1999). Letztere besteht aus der Exploration in
Form von Fragebögen und Interviews.
Steinhausen (1999) empfiehlt ein halbstrukturiertes Interview um keine behandlungsrelevanten Aspekte zu übersehen und dennoch die Möglichkeit offen zu lassen, persönlich bedeutsame Aspekte aufzunehmen. Harris und Phelps (1987) raten unter dem verhaltenstherapeutischen Gesichtspunkt auf folgende Aspekte besonders zu achten: (1) Gedanken und Einstellungen
über
Essen
und
Gewicht,
(2)
Ereignisse,
die
Nahrungsverweigerung,
Heißhungerattacken, Erbrechen und Abführmitteleinnahme vorausgehen, (3) Versuche der
Veränderung des Essverhaltens in Form von Selbst- und Fremdhilfe, (4) Sozialbedingungen
innerhalb und außerhalb der Familie, (5) Freizeitaktivitäten (6) Schulleistungen (7) Einnahme
von
Drogen
und
Alkohol
(8)
Änderungsmotivation.
Somit
werden
nicht
nur
symptombezogene Informationen gesammelt, sondern auch Aspekte der psychosozialen
Kompetenz erfasst, die defizitär sein kann. Bezogen auf die Durchführung des Interviews ist
zu beachten, dass viele Patientinnen wenig Krankheitseinsicht entwickeln und ihre Symptome
verzerrt wahrnehmen. Fremdbeurteilungsdaten oder weitere Familiendiagnostik können von
großem Nutzen sein (Meermann&Vandereycken, 1987, Steinhausen 1999).
Im deutschen Sprachraum existiert nur ein Strukturiertes Interview für AN und Bulimie
(SIAB, Fichter, Elton, Engel, Meyer, Mall, & Poustka, 1991). Es besteht aus zwei Teilen zur
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Erfassung der individuellen aktuellen und lebenszeitlichen Psychopathologie und der familiären Interaktion und Psychopathologie. Ein Fremdbeurteilungsverfahren, das ergänzend eingesetzt werden kann ist die deutsche Version der Eating Disorder Examination (EDE; Cooper&Fairburn, 1987). Das halbstandardisierte Interview misst unter anderem typische kognitive Verzerrungen essgestörter Patientinnen.
Zur Erfassung der spezifischen Psychopathologie dienen verschiedene Fragebögen. Das
Eating Disorder Inventory (EDI; deutsch von Thiel und Paul, 1988) fragt auf verschiedenen
Skalen typische psychologische Charakteristika für Patientinnen mit AN und Bulimie ab.
Steinhausen (1999) bewertet die Befunde zur Reliabilität, diskriminanten Validität und Veränderungssensibilität als befriedigend. Zudem ist der Test in der Lage, klinisch relevante
Untergruppen zu trennen. Der Eating Attitudes Test (EAT; Garner&Garfinkel, 1979) und das
AN Inventar zur Selbstbeurteilung (ANIS; Fichter&Keeser, 1980) dienen als Maße gestörten
Essverhalten und der übermäßigen Beschäftigung mit Essen, Figur und Gewicht. Der
Fragebogen zum Essverhalten (FEV; Pudel & Westenhöfer, 1989) erfasst drei grundlegende
psychologische Dimensionen menschlichen Essverhaltens: (1) kognitive Kontrolle des Essverhaltens (2) Störbarkeit und Labilität des Essverhaltens (3) Hungergefühle und deren
Verhaltenskorrelate. Ein Instrument zur Fremdbeurteilung ist die Anorexia Behavior Scale
(ABS; Slade, 1973). Sie besteht aus 22 typischen Merkmalen, die vom Pflegepersonal auf ihr
Vorhandensein oder Fehlen beurteilt werden. Nach Steinhausen (1999) ist er auch zur Vorlage
bei Eltern anorektischer Kinder und Jugendlicher geeignet.
Um einen Überblick über mögliche Komorbiditäten zu bekommen, eignet sich ein Screening wie die der Symptomchecklist (SCL-90R; deutsch von Franke, 1995). Häufig komorbide
affektive Störungen misst das Beck Depressionsinventar (BDI; deutsch von Hautzinger,
1993). Komorbide schizophrene Symptome können gut mit der Frankfurter Beschwerdenliste
(Süllwold, 1986) gemessen werden. Aspekte des allgemeinen Selbstkontrollverhaltens misst
das Self-Control-Schedule (SCS; deutsch von Jacobi, Brand-Jacobi, Westenhöfer &WeddigeDiedrichs, 1986). Der Unsicherheitsfragebogen (Ullrich&Ullrich, 1977) lässt einen Einblick
in verschiedene Bereiche der sozialen Kompetenz zu. Strauss und Appelt (1983) entwickelten
einen Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers. Unterschiedliche Ebenen des Körperkonzepts werden von den Frankfurter Körperkonzeptskalen (FKKS, Deusinger, 1998) abgebildet.
3.2
Übersicht zu Interventionsansätzen bei Anorexia nervosa
Der oft schwierige und komplikationsreiche Verlauf der AN erfordert die interdisziplinäre
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Kooperation zwischen PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen (Csef, 1999).
Somatische Therapiemaßnahmen stehen bei lebensbedrohlichem Untergewicht und somatischen Komplikationen im Vordergrund (Csef, 1999), stellen jedoch keine eigenständig anzuwendende Therapieform dar. Meermann (1997) betont, dass die Herstellung eines prämorbiden Gewichts eine notwendige Voraussetzung für den Beginn jeglicher psychotherapeutischer Arbeit darstellen sollte. Dennoch stellt Psychotherapie das Mittel der Wahl bei AN dar.
3.2.1
Familientherapie bei Anorexia nervosa
Systemische Therapieansätze sehen das an AN erkrankte Familienmitglied als Indexpatientin,
der mit seiner Störung eine Funktion zur Aufrechterhaltung des Familiensystems erfüllt. Folglich behandeln sie die gesamte Familie. Eine einzelne Behandlung des Indexpatienten könne
zur Folge haben, dass nach Gesunden dieses Mitglieds ein anderes erkranke (Gerlinghoff&Backmund, 1995). Herzog, Kröger, Bergmann & Petzold (1997) empfehlen zunächst
ein orientierendes Familiengespräch. Die Maßnahme wird idealerweise von einem Therapeuten und einer Therapeutin in Co-Therapie durchgeführt und erlaubt einen Einblick in die
komplexen Sequenzen der familiären Interaktion und Kommunikation. Von den TherapeutInnen werden immer wieder Beziehungsaspekte fokussiert, um Bewegung in das System zu
bringen. Kommt es zu einer Familientherapie, so schlagen die Autoren maximal 10 Gespräche
in vier- bis sechswöchigen Abständen vor. Die Maßnahme ist so konzipiert, dass die Veränderung zwischen den Sitzungen passieren. Die Familie wird als System mit Ressourcen betrachtet, die in der Therapie aktiviert werden. Themen sind meist die Familiengeschichte, Erfahrungen mit Individuation, die Fähigkeit Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und der Umgang
mit Konflikten. Hauptziel der Therapie ist die Abgrenzung von Verantwortlichkeiten in der
Familie. Die Verantwortlichkeit für das Essen sollte nach Herzog et al. (1997) allein bei der
Patientin liegen.
3.2.2
Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Therapie
In der neueren Literatur zur psychoanalytischen Behandlung von AN wird Abstand von klassischen Strategien genommen. Willenberg (1997) empfiehlt ein face-to-face-Setting und eine
mögliche Verkürzung der Behandlung bei leichten und moderaten Fällen. Die klassische Psychoanalyse ist seiner Ansicht nach eine Therapieform, die sich hauptsächlich für schwere
Formen der AN eignet. Die Verhaltensrituale Magersüchtiger werden als Neuinszenierungen
unbewusster ehemaliger infantiler Konfliktkonstellationen verstanden. Die psychoanalytische
Therapie nutzt dies und strukturiert die therapeutische Situation so, dass solche Wiederholun-
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gen in überschaubarem Rahmen möglich werden. Eine Übertragung der ursprünglichen Szene
auf die therapeutische Beziehung wird dabei angestrebt. Diese überkommenen Konflikte sollen in der Folge analysiert werden. Die analytische Behandlung stellt eine nichtsymptombezogene Therapieform dar.
3.2.3
Verhaltenstherapeutische und kognitive Therapieansätze
Die moderne Verhaltenstherapie behandelt AN vorrangig mit operanten und kognitiven Methoden. Aufgrund des Zusammenwachsens verhaltentherapeutischer und kognitiver Methoden
in der modernen Verhaltentherapie werden beide Ansätze zusammen dargestellt (Davison,
Neale & Hautzinger, 1998, Steinhausen, 1999).
Nach Meermann (1996) muss das Vollbild der AN meistens initial stationär behandelt
werden. Hier nehmen verhaltenstherapeutische Konzepte mit kognitiven Elementen einen
großen Raum ein (Gerlinghoff&Backmund, 1995). Am Beginn einer Therapie stehen meist
operante Gewichtszunahmeprogramme zur Wiederherstellung des prämorbiden Gewichts.
Dies ist auch notwendig um die physiologischen Einflüsse auf kognitive Verzerrungen zu
beseitigen (Meermann&Vandereycken, 1987). In der Praxis hat sich mehr und mehr die Verstärkung des Essverhaltens statt des erreichten Gewichts durchgesetzt. Bei Erreichen des jeweiligen Zielkriteriums werden nahezu ausschließlich positive Verstärker wie Musik, Fernsehen, ausgedehnte Sozialkontakte verwendet (Steinhausen, 1999). Weitere wesentliche Elemente der stationären AN-Behandlung sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Einzelgespräche
mit
dem
Problemgruppen
Bezugstherapeuten
zur
Informations-
zur
individuellen
Verhaltensanalyse,
und
Strategievermittlung
Essgestörten-
(Meermann&Vandereycken,
1987), psychomotorische Therapie zur Therapie der Körperschemastörung und der verbesserten Körperwahrnehmung (Meermann&Napierski, 1984), Goal-Attainment-Scaling zur Erarbeitungen individueller Problemlösungen und Verhaltenserprobung (Smith, 1981), ein Selbstsicherheitstraining zur Erhöhung der sozialen Kompetenz (Liberman, 1975), ein operantes
Gewichtsprogramm
zur
Normalisierung
von
Essverhalten
und
Körpergewicht
(Meer-
mann&Vandereycken, 1987), Familien- und Partnergespräche zur Erarbeitung von Problemlösungen im sozialkommunikativen Bereich (Meermann&Zelmanski, 1994), Externe Belastungserprobung zur Realitätstestung der neu gewonnenen Fertigkeiten (Meermann, 1989),
Kochgruppen zur Planung und Zubereitung von Malzeiten und progressive Muskelrelaxation
(Bernstein&Borkovec, 1987). Ziel jeder verhaltenstherapeutischen Intervention bei AN ist das
Schaffen neuer Hauptquellen positiver Befriedigung, die Entwicklung alternativer Interessen
und eines neuen Verhaltensrepertoires, welches das anorektische Verhalten ersetzt. Hierbei
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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spielt die Überprüfung neu erlernter Fertigkeiten in der Realität eine wichtige Rolle (Meermann, 1997).
Die kognitive Therapie (Garner und Bemis,1985) bezieht neben behavioralen Techniken
die Modifikation dysfunktionaler Denkschemata und irrationaler Annahmen ein. Nach Steinhausen (1999) begründet sich der Einsatz kognitiver Methoden auf die störungsspezifischen,
verzerrten Einstellungen und Gedanken über Nahrung und Körpergewicht, die ausgeprägten
Selbstwertdefizite und schließlich die Defizite der Selbstwahrnehmung. Die Therapie strebt
an, dass die Patientinnen ihr Denken bewusst registrieren, die Beziehungen zwischen Gedanken, fehlangepassten Verhaltensweisen und Emotionen erkennen und die Grundannahmen
ihrer spezifischen Überzeugungen modifizieren.
3.3
Zielhierarchie und Stärken-Schwächen-Analyse der Ansätze
Bei der Therapie der AN kommen ambulante und stationäre Therapieformen zum Einsatz.
Der Vorteil ambulanter Therapieformen liegt darin, dass sie die Autonomie der Patientinnen
sowie den sozialen Bezug zur Ursprungsfamilie und dem gewohnten sozialen Umfeld so weit
wie möglich zu wahren versuchen (Meermann, 1997, Willenberg, 1997). Eine Entwurzelung
wird vermieden. Generell herrscht jedoch Skepsis gegenüber einer rein ambulanten Behandlung von AN. Sie scheint für leichtere Fälle der AN ausreichend (Meermann, 1997). Die Stationäre Therapie ermöglicht eine intensivere, hochfrequentere Behandlung. Nachsorge und
Vorbereitung auf einen stationären Aufenthalt kann ambulant erfolgen. Die Defizite des stationären Ansatzes beim Alltagstransfer erwiesen sich jedoch als gravierend (Kupper-Horster et
al., 1997). Ein vielversprechender alternativer Ansatz, das tagklinische Modell, wird im
kommenden Kapitel dargestellt.
Eine zweite Differenzierung der Behandlungsformen betrifft das Gruppen- und Einzelsetting. Huerta (1982) stellt Vorteile der Gruppentherapie heraus, die sowohl für die
ambulante als auch stationäre Therapie Bedeutung haben. Klientinnen können sich demnach
mit den anderen Teilnehmerinnen identifizieren, zeigen weniger Abwehr und sind gewillter
Informationen preiszugeben, die sie dem Therapeuten gegenüber nicht preisgäben. Zudem
stellte er fest, dass die Gruppe einen förderlichen Effekt auf die Erkenntnis der schwere der
Erkrankung hat und die Entscheidung für einen notwendigen stationären Aufenthalt
unterstützt. Das Einzelsetting bietet den Vorteil einer exklusiveren Beziehung zwischen
TherapeutIn und Klientin, was zur Bearbeitung einiger Probleme wichtig sein kann.
Die Therapieschulen setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Behandlung. Gruppenkonzepte, so Willenberg (1997), lehnt die Psychoanalyse wegen der psychischen Beson-
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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derheiten bei Patientinnen mit AN ab. Inhaltlich konzentriert sie sich sowohl ambulant als
auch stationär auf frühkindliche Konflikte. Eine Schwäche liegt hier in der nicht symptomund gegenwartsbezogenen Arbeit. Systemische Ansätze arbeiten meist ambulant (Herzog et al,
1997). Gerade bei jüngeren Klientinnen bieten sie den wichtigen Vorteil, dass eine Einbindung des familiären Umfelds zur Aufarbeitung familiäre Schwierigkeiten möglich ist. Der
familientherapeutische Zugang ist jedoch maßgeblich von der Kooperation relevanter Familienmitglieder abhängig (Engel&Meyer, 1991). Die kognitive Verhaltenstherapie setzt umfassender als die analytische und systemische Therapie an. Der klassischen Verhaltenstherapie
wurde oft Reduktionismus bei der Erklärung und Therapie psychischer Störungen vorgeworfen. Die kognitive und affektive Wende in der Entwicklungsgeschichte der Verhaltenstherapie
haben ihr Verständnis für psychologische Phänomene jedoch massiv erweitert (Kanfer, Reinecker&Schmelzer, 1996).
3.4
Bewertung der Behandlungsansätze anhand empirischer Untersuchungen
Neuere Ergebnisse so Lässle (1997) weisen darauf hin, dass eine systemische Familientherapie, ob stationär oder ambulant vor allem bei jüngeren Patientinnen indiziert sei. Herzog et al.
(1997) bestätigen diese Befunde (Russel, 1987, Eisler, 1992).
Hartmann, Herzog und Falk (1996) ergänzten eine wenig erfolgreiche stationäre psychoanalytischen Behandlung mit kognitiven und verhaltenstherapeutischen Techniken. Die Erfolgsquote stieg von 25 auf 70%. Herzog und Hartmann (1997) kommen nach einer Metaanalyse über psychoanalytische Therapiestudien zu dem Schluss, dass AN am Besten in spezialisierten Einrichtungen behandelt wird. Ihre Befunde sprechen gegen schulspezifische Methodenzentriertheit und für ein integratives, störungsspezifisches Vorgehen. Sie stellen fest, dass
die aktuelle psychoanalytische Praxis wenig klassisch analytisch und mehr integrativ vorgeht.
Dies macht eine Bewertung des Stellenwertes rein analytischer Therapie für die gegenwärtige
Praxis nahezu unmöglich. Zur Wirksamkeit der ambulanten analytischen Einzeltherapie speziell bei AN liegen kaum kontrollierte Studien vor.
Kupper-Horster et al. (1997) fanden in einer umfangreichen Metaanalyse, dass stationäre
verhaltenstherapeutische Maßnahmen die erfolgreichste Symptomreduktion bewirken. Die
Auswertung der Katamnesestudien zeigt jedoch Mängel in der Umsetzung des Erreichten im
Alltag. Zu dieser Einschätzung gelangen auch Herzog, Keller und Lavori (1988) in einem
Überblick zu 40 Studien aus 20 Jahren. Grawe (1998) kommt in einer Metaanalyse zu dem
Schluss, dass der therapeutische Ansatz bei AN sich direkt mit dem Essverhalten beschäftigen
muss, um wirksam zu sein.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Schmitt (1980) fand, dass das Gruppensetting gerade bei Patientinnen mit AN die Selbstexploration des Einzelnen erleichtert und fördert. Engel und Meyer (1991) kommen in der
Auswertung einer Langzeitkatamnese zu dem Ergebnis, dass eine altersgemäße, soziale Reintegration der Jugendlichen der entscheidende Faktor für eine dauerhafte Gesundung ist. Zur
Bildung und Förderung der hierzu unerlässlichen sozialen Kompetenz stellen Gruppenkonzepte eine ideale Grundlage dar (Schmitz, Ecker, & Hoffmann, 1991).
Eikelmann und Reker (1993) konnten in einer Follow-Up-Untersuchung die Wirksamkeit
des tagklinischen Ansatzes nachweisen. Ein weiterer überzeugender Wirkungsnachweis dieses
Ansatzes ist zu Beginn des Kapitels 5 angeführt.
4
Der Therapieansatz des Therapiecentrums für Essstörungen (TCE)4
4.1
Das Innovationspotential des Ansatzes
Für den deutschen Sprachraum stellen die im angloamerikanischen Raum bereits erfolgreich
eingesetzten tagklinischen Behandlungskonzepte eine Neuentwicklung dar. Das vorgestellte
Programm von Gerlinghoff und Backmund (1995) setzt die bisherigen empirischen Befunde
zur Therapie von Essstörungen konsequent um. Es versteht sich als Alternative zu einem vollstationären Aufenthalt, die neben den zentralen Vorteil einer stationären Behandlung, dem
intensiveren, kontinuierlicheren Arbeiten auch den einer ambulanten Intervention, die Alltagsnähe, aufweist.
Die therapeutischen Interventionen im Rahmen des Programms laufen bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. die Krisenintervention, in der Gruppe ab. Das Gruppensetting hat sich in
den vergangenen Jahren bei der Therapie von Essstörung durchgesetzt (Schmitz et al., 1991).
Es hat den Vorteil, dass sie zur Therapie der häufig gestörten Beziehungsmuster wie z.B. der
Rückzug in exklusive symbiotische Zweierbeziehungen und die Schwierigkeit der NäheDistanz-Regulierung genutzt werden kann. Gerade Anorektikerinnen nutzen die exklusive
therapeutische Beziehung im Einzelsetting häufig zu Bündnissen gegen andere Therapeutinnen oder Mitpatientinnen. Altersgemäße, soziale Integration ist ein Kern der Maßnahme. Engel und Meyer (1991) heben gerade befriedigende Sozialbeziehungen als wichtigsten prognostischen Faktor bei der Besserung von AN hervor.
Defizite im Bereich der sozialen Kompetenzen sind typisch für Anorektikerinnen. Das
Gruppensetting ermöglicht das Üben sozialer Kompetenzen wie das Ansprechen von Konflik4 Die Darstellung des Progamms stützt sich auf Gerlinghoff&Backmund, 1995.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 19
ten oder Durchsetzungsfähigkeit. Rückmeldungen erleichtern die Selbsteinschätzung im Dialog mit der Gruppe. Verzerrte Wahrnehmungen, Einstellungen und Kognitionen können besser korrigiert werden (Gerlinghoff et al., 1997). Kaplan und Piran (1990) betonen, dass die
Gruppe zwei therapeutische Hauptaufgaben übernimmt: die Unterstützung in schwierigen
Situationen („Holding“) sowie multilaterale Übertragungsbeziehungen der Gruppenmitglieder
zueinander, wodurch die vielfältigen Beziehungen der Ursprungsfamilie wiederbelebt und in
ihren Zusammenhängen bearbeitet werden können. Gerlinghoff, Backmund, Angenendt und
Linington (1991) bezeichnen dies als „Expertentum der Patientinnen“, das mit den verbundenen Möglichkeiten des Modellernens einen umfassenderen und vielfältigeren Lernprozess
ermöglicht als das Einzelsetting.
Die Aufgabe des vollstationären Modells zugunsten einer tagklinischen Alternative bringt
psychotherapeutische und wirtschaftliche Vorteile mit sich. Die Patientinnen besuchen tagsüber die Klinik und sind in einen strukturierten Tagesablauf mit verschiedenen therapeutischen Aktivitäten eingebunden. Abends kehren sie in ihr gewohntes Umfeld zurück. Sie haben so die Möglichkeit, ihr Symptomverhalten außerhalb der Klinik eigenverantwortlich zu
steuern. Der fehlende Alltagstransfer, der wichtigste Kritikpunkt des stationären Modells wird
hierdurch obsolet. Die Mädchen und Frauen erleben, dass sie ihr Symptom auch alleine bewältigen können. Nach Abschluss finden die Patientinnen Befunden von Piran et al. (1989)
zufolge besser in den Alltag zurück. Durch Kosteneinsparung im personellen und materiellen
Bereich können mehr Klinikplätze bereitgestellt und somit mehr Patientinnen aufgenommen
werden (Gerlinghoff et al., 1991).
Die klinischen Beobachtungen von Gerlinghoff et al. (1995, 1997) zeigen, dass ohne zeitliche Grenze durchgeführte stationäre Psychotherapie Passivität, Ohnmacht und eine Konsumentenhaltung der Patientinnen fördert. Daher setzt das Modell von des TCE eine klare zeitliche Begrenzung.
4.2
Die Wurzeln des tagklinischen Modells und theoretische Fundierung
Seit 1982 entwickelt das Max-Planck-Institut für Psychiatrie Konzepte zur Therapie von Essstörungen. 1994 entstand das TCE. Hier wurde das vorgestellte 4-Phasen-Modell (Gerlinghoff&Backmund, 1995) aus einem ursprünglich vollstationären Setting weiterentwickelt und
erprobt. Das Programm wird von einem interdisziplinären Team aus 4 Ärztinnen, 3 DiplomPsychologinnen, zwei Kunsttherapeutinnen, einer Tanztherapeutin, einer Oecotrophologin,
einer Diätassistentin, zwei Sozialpädagoginnen und vier Krankenschwerstern durchgeführt.
Die Evaluation tagklinischer Programme von Eikelmann und Reker (1993) ergab als wich-
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 20
tigste therapeutische Faktoren die Struktur, die die Tagklinik bietet, sowie der interpersonelle
Kontakt. Besonders positiv bezüglich der Struktur wurde die Hilfestellung zur Bewältigung
von Problemen und alltäglichen Angelegenheiten empfunden. Die Vermittlung von Struktur
und Sicherheit und gleichzeitige Förderung der Eigenverantwortung können so kombiniert
werden. Das tagklinische Programm ist jedoch auch mit Schwierigkeiten verbunden. Es bietet
ein höheres Risiko für impulsive Handlungen, sowohl zu Beginn der Therapie als auch in
Phasen der Destabilisierung. Ebenso sind der Effektivität bei unmotivierten Patientinnen
Grenzen gesetzt. Das Team muss äußerst sensibel sein für pathologische Gruppenprozesse die
zu Cliquenbildung oder negativen Gruppennormen führen können.
Die Therapie am TCE orientiert sich an einem multikausalen Verständnis über mögliche
Ursachen, Auslöser und aufrechterhaltende Bedingungen von AN (Gerlinghoff&Backmund,
1994). Grundlage ist ein Störungsmodell des komplexen Zusammenwirkens homogener Einflussfaktoren. Die AN erfüllt als Störung eine oder mehrere wichtige Funktionen im Leben
der
Patientin.
Sie
wird
von
den
Autorinnen
in
Anlehnung
an
das
kognitiv-
verhaltenstherapeutische Erklärungsmodell als Versuch betrachtet, intrapsychische und interpersonelle Spannungen zu regulieren, stellt einen Ausweg aus einer als bedrohlich und
schmerzhaft erlebten Lebenssituation dar. Das Hungern täuscht nach Gerlinghoff et al. (1997)
in Situationen massiver Verunsicherung vor, die Selbstkontrolle aufrechtzuerhalten oder wiederzuerlangen. Die Essstörung löst somit ein Problem (Meermann&Vandereycken, 1987),
birgt jedoch einen enormen Krankheitsgewinn, der aufzugeben für die Betroffenen schwer ist.
Das Zusammenwirken somatischer und psychischer Bedingungen führt zu einem sich selbstverstärkenden Kreislauf, dem die Patientin meist nicht völlig eigenständig entfliehen kann.
Die psychotherapeutische Grundhaltung der Autoren orientiert sich am Konzept der
Selbstmanagement-Therapie von Kanfer et al. (1996): Soviel professionelle Hilfe wie nötig
und so viel Eigenverantwortung wie möglich.
4.3
Zielgruppen und Zielsetzung der Therapie
Oft berichten Patientinnen davon, dass die AN die Funktion erfüllt, schmerzliche oder intensive Gefühle, Wahrnehmungen nicht mehr hautnah spüren zu müssen. Die bewusste Aufgabe
des Symptoms im geschützten Rahmen der Therapie stellt den ersten Schritt dar, sich diesen
Gefühlen und Wahrnehmungen wieder stellen zu können. Kanfer et al. (1996) beschreiben
diese therapeutische Vorgehensweise als die Förderung des Übergangs von automatisierter zu
kontrollierter Informationsverarbeitung, um im Laufe der Therapie neue kognitive und Verhaltensmuster automatisieren zu können.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 21
Das Modell von Gerlinghoff und Backmund (1995) stellt eine Therapieform für alle psychogenen Essstörungen dar, ist also nicht nur für Magersüchtige Patientinnen geeignet. Die
vorliegende Darstellung bezieht sich im speziellen auf die Therapie von AN.
4.4
Die Therapiephasen und seine Zielsetzungen im Überblick
Das Therapiekonzept besteht aus einer Motivationsphase, die vier Wochen umfasst, einer tagklinischen Phase, die sich über vier Monate erstreckt, einer ambulanten Phase, die sich ebenfalls über vier Monate erstreckt und einer abschließenden Selbsthilfephase, deren Dauer sechs
Monate beträgt. Das Aufgeben der Symptome und somit eine Normalisierung des Gewichts
und des Essverhaltens sind die primären Ziele und eine wichtige Voraussetzung für umfassende Veränderungen auf allen Denk-, Gefühls- und Verhaltenebenen.
Die Motivationsphase besteht aus einer wöchentlichen, 2stündigen Gruppensitzung besteht. Sie hat probatorischen Charakter. Die Gruppe umfasst 24 Patientinnen mit verschiedenen Essstörungen. Das Intervall dient der Therapiemotivation und Motivationsprüfung und es
wird Transparenz über das geschaffen, was die Patientinnen erwartet und das Verständnis von
Essstörungen, an dem sich das TCE orientiert. Auf diesem Hintergrund entscheiden sich die
Teilnehmerinnen zur Therapie und schließen am Ende einen schriftlichen Therapievertrag ab.
Er ist Voraussetzung für die Teilnahme an der nächsten Phase. Fehlende Krankheitseinsicht
und geringe Compliance sind oft anzutreffen. Daher stellt eine solche Phase eine wichtige
Instanz dar.
Die entstandene Gruppe beginnt die sich anschließende Tagklinische Phase gemeinsam als
geschlossene Einheit. In dieser Phase beginnt die Forcierung der Symptomaufgabe, nachdem
ihr durch die vorangehende Einheit der Weg zum Beginn der kontrollierten Informationsverarbeitung (Kanfer et al., 1996) bereitet wurde. Sieben Tage in der Woche kommen die Patientinnen um 8.00 Uhr in die Klinik und verlassen sie gemeinsam um 16.30 Uhr. In dieser Phase
findet ein intensives Verhaltenstraining statt. Verschiedene Therapiebausteine wirken zusammen. Viele Patientinnen fürchten einen Rückfall in Symptomverhalten außerhalb der strukturierten Klinikzeit. Daher werden die Kontakte der Gruppenmitglieder untereinander außerhalb
der Therapiezeit gezielt angeregt und gefördert. Gegen Ende dieser Phase ziehen die Teilnehmerinnen Bilanz und formulieren Ziele für die ambulante Phase. Ziele dieser Phase sind
eine Bedingungs- und Funktionsanalyse der Störung, Verhaltenmodifikation und Stärkung des
Selbstwertgefühls, Symptom- und Verhaltensanalyse mit der Erarbeitung individueller Problemschwerpunkte und Ressourcen sowie der Bearbeitung interaktioneller Probleme. Es werden so neue spezifische Problemlösestrategien und Kompetenzen erarbeitet und aufgebaut.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Die nachfolgende ambulante Phase besteht aus einer zweistündigen Gruppensitzung pro
Woche. Den übrigen Alltag gestalten die Klientinnen alleine. Themen der tagklinischen Phase
werden gezielt aufgegriffen und vertieft. Die Patientinnen arbeiten langfristig an Bewältigungsstrategien für ihre Probleme und versuchen ihr Leben mit Hilfe der Gruppe so zu gestalten, dass sie ohne die Symptomatik leben können. Therapeutinnen helfen in Krisensituationen, geben die Hauptverantwortung jedoch immer mehr an die Gruppe ab. Eine Patientin ist
für mehrere Wochen „Sprecherin“ der Gruppe und kümmert sich um organisatorische Dinge.
Jeden Monat schreiben die Patientinnen einen Bericht über die Arbeit in der Gruppe. Einmal
im Monat gestalten die Patientinnen die Gruppe alleine ohne die Therapeutin. Nach vier Monaten prüfen die Therapeutinnen gemeinsam mit den Teilnehmerinnen ob eine weitere Teilnahme an der Gruppe notwendig ist. Die Gruppentherapie sollte nach einem Jahr beendet
sein, um den passiven Konsum therapeutischer Angebote zu vermeiden. Diese Phase dient vor
allem der Stabilisierung und Generalisierung von erreichten Veränderungen sowie der Rückfallprophylaxe. Die ambulante Nachbehandlung gibt den Patientinnen die Chance, Veränderungen eigenständig weiter zu verfolgen und somit eine Möglichkeit, therapeutisch wichtige
Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen (Kanfer et al., 1996).
Am Ende der Behandlung steht eine halbjährige Selbsthilfegruppe mit einer Gruppensitzung pro Woche. Die Sitzungen werden protokolliert und im monatlichen Abstand nimmt
eine Therapeutin teil. Dieser Teil der Behandlung ähnelt sehr der ambulanten Phase mit dem
Unterschied, dass die Therapeutin nur noch beratende Funktion hat. Die Gruppe selbst ist für
Inhalte, Ziele und Vorgehen verantwortlich. Es ist der letzte Schritt auf dem Weg in ein Leben
ohne Krankheit. Aus dieser Phase ist eine Rückkehr in vorangegangene Phasen möglich. In
Krisensituationen kann auch eine Therapeutin kurzfristig die Verantwortung für die Gruppe
übernehmen. Die Stabilisierung des neuen Selbstkonzepts und die Loslösung von der Therapie werden in dieser Phase angestrebt.
Eine medizinische Betreuung begleitet alle Phasen der Therapie. Sie beginnt mit einer intensiven Untersuchung bei Eintritt. Der Kontakt zwischen Patientinnen aus verschiedenen
Phasen des Modells wird gefördert und bietet wichtige Unterstützung für die Genesung.
4.5
Die Therapieelemente der Tagklinik-Phase
Zweimal pro Woche finden Gesprächsgruppen statt. Sie beginnen mit der Stoffsammlung
zum Thema „Symptom“, dem gestörten Essverhalten und auch dysfunktionaler Einstellungen
und Verhaltensweisen wie z.B. Selbstverletzungen oder eine niedrige Frustrationstoleranz. Es
wir ein differenziertes Symptomverständnis erarbeitet. Ausgangspunkt der Analyse bilden
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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„Symptomdias“: die Patientinnen stellen für sich jeweils drei typische Szenen ihres symptomatischen Verhaltens dar. Diese werden fotographisch festgehalten, in der Gruppe gezeigt
und besprochen. Die Konfrontation bietet wichtige Hinweise auf auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen. Sie erschwert zudem die Flucht in symptomatisches Verhalten während der Therapie. Anhand vorgegebener Wochenthemen sollen die Patientinnen durch intensive Selbstwahrnehmung in den nächsten Wochen eine differenzierte Wahrnehmung ihrer
Gesamtpersönlichkeit entwickeln. Die Wochenthemen repräsentieren ein Auswahl an Problembereichen, die in der Entwicklungsphase des Programms gemeinsam mit Patientinnen erarbeitet wurden: Symptomanalyse, Familiensystem, Körperbild und Sexualität sowie eine
Bedingungs- und Funktionsanalyse. Im Sinnes des Selbstmanagementansatzes dient die Symptomanalyse der eigenen Bewusstwerdung und Reflexion von auslösenden Situationen, aufrechterhaltenden Bedingungen, begleitenden Kognitionen, Emotionen und physiologischen
Prozessen (Mikroanalyse). In einem nächsten Schritt führt der Weg über die verschiedenen
Wochenthemen zu einer umfassenden Betrachtung des Symptomverhaltens, der Bedingungsund Funktionsanalyse (Makroebene). Ihr umfassenderes Ziel ist die Förderung der Identitätsfindung (Baummann, 1992). Dies geschieht für jede Patientin individuell. Zu diesen Themen
sollen die Teilnehmerinnen ebenfalls Selbstdokumentationen anfertigen. Eigene Lebensregeln
und Kognitionen können überprüft und modifiziert werden. Aufbauend darauf kann das Verhalten im individuellen und sozialen Bereich verändert werden.
Schon in diesem Therapieabschnitt ist es ein Ziel des Behandlungsteams, den therapeutischen Einfluss zugunsten vermehrter Eigeninitiative der Klientinnen zurückzunehmen. Spielerische Elemente wie Beziehungsspiele zur Darstellung familiärer Situationen und Rollenspiele
werden eingebaut. Die Gruppe erarbeitet streckenweise in Kleingruppen mit 6 bis 8 Teilnehmerinnen Spielszenen zu den Wochenthemen. Ziele für die Mädchen und Frauen sind das
Einüben von Selbstreflexion und die Rekonstruktion des Krankheitsverlaufes, der Aufbau von
Problemlösefertigkeiten, Einüben sozial kompetenten Verhaltens in der Gruppe und das themenorientierte
Erarbeiten
eines
bedingungsanalytischen Krankheitsverständnisses. Wie in
anderen Therapiebereichen, deren Prozessverläufe auf verbal-kognitivem Wege in das Geschehen integriert werden, ist die Gruppe Halt und Spiegel zugleich.
Die Ernährungstherapie beginnt mit einer Bestandsaufnahme des Essverhaltens. Instrumente sind die schriftliche Selbstdokumentation in Form von Ernährungsberichten und Symptomprotokollen. Durch ein Praktisches Training unter Begleitung der Ernährungstherapeutinnen wird ein adäquates, eigenverantwortliches Essverhalten gelernt (Hsu, 1990). Es umfasst das Einkaufen, Kochen und Essen in der Kleingruppe, abendliche Verabredungen zu
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
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Restaurantbesuchen und Teilnahme am wöchentlichen Mittagsbuffet.
Zu Beginn der Tagklinischen Phase werden auch individuelle Gewichtszunahmevereinbarungen getroffen. Eine Zunahme zwischen 500g und 1kg pro Woche wird angestrebt. Um die
Patientinnen nicht zu überfordern werden ihnen die Portionen zunächst zugeteilt. Liegt das
Gewicht einer Teilnehmerin unter 60% des idealen Körpergewichts sind die Hauptmalzeiten
kleiner und werden durch weitere kleine Zusatzmahlzeiten ergänzt. Hält sich eine Patientin
nicht an die Abmachungen besteht die Möglichkeit einer Entlassung für 8 Tage mit der Möglichkeit zur Wiederaufnahme bei Erfüllung der Vereinbarungen. Maßnahmen zur Zwangsernährung lehnen die Autoren aus medizinischen Gründen ab. Sie werden im Rahmen der Therapie nicht eingeleitet.
Ein zentrales Element dieses Therapiebaussteins stellt die Mittagskonfrontation dar. Sie
findet täglich nach dem Mittagessen in der Großgruppe statt: Jede einzelne Patientin gibt eine
Einschätzung ihres Essverhaltens und erhält Rückmeldungen aus der Gruppe. Es sollen Vorschläge zur Verhaltensplanung und Hilfsangebote gemacht werden und es können Vereinbarungen getroffen werden. Zunächst übt eine Therapeutin das Verfahren mit der Gruppe. Später nimmt sie nur noch einmal die Woche supervisorisch an der Gruppe teil. In der nächsten
Mittagskonfrontation wird Rückmeldung über die Abmachungen gegeben. Ziel ist es, die
nicht selten symptomverstärkende Diskussion über Essverhalten in der Gruppe oder am Esstisch zu vermeiden. Das Team muss jedoch permanent auf unausgesprochene Vereinbarungen
in der Form, dass nur das kritisiert werden darf, was man selber schon kann, achten und sie
gegebenenfalls thematisieren.
Die Körperorientierte Therapie dient der Bewusstmachung der Körperschemastörung und
deren Bearbeitung durch verhaltensorientierte Maßnahmen (Vandereycken, 1989). Hierzu
kommen Techniken der konzentrativen Bewegungstherapie zum Einsatz (Gandras, 1989,
Stolze, 1987). Unter der Anleitung einer Körperwahrnehumgs- und einer Tanztherapeutin
werden verschiedene Körperteile betrachtet, bewegt und berührt. Verschiedene Übungen werden auf Video aufgezeichnet und gemeinsam besprochen (Meermann, 1985). Es wird hierbei
mit weniger problematischen Körperteilen wie den Händen oder Füßen begonnen um sich
dann konfliktreicheren Zonen zuzuwenden und schließlich den Körper als Ganzes zu betrachten und einzubeziehen. Beziehungs- und Interaktionsspiele sowie Gruppenübungen bieten die
Möglichkeit Kontaktaufnahmen zu anderen zu üben, Nähe in einer angenehmen Form zu erleben sowie Grenzen zu erkennen und zu behaupten. Zu Beginn und am Ende dieses Bausteins werden die Patientinnen nach der Einstellung zu ihrem Körper gefragt, um individuelle
Erfolge bewusst zu machen.
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Die Kunsttherapie findet unter Leitung einer Kunsttherapeutin statt. Viele Anorektikerinnen erleben ihren Körper als Feind, der sie belastet und bedroht. Ihr Körperausdruck und ihre
Körpersprache ist oft maskenhaft. Viele kommen auf nonverbalem Wege in unmittelbareren
Kontakt zu ihren Gefühlen und Wahrnehmungen als auf dem verbal-kognitiven (Schütz,
1983). Einige Patientinnen haben große Angst im Umgang mit ihrem Körper. Dies ist unter
Umständen der am stärksten geschädigte Bereich ihrer Persönlichkeit. Es ist wichtig, behutsam vorzugehen. Zu Beginn werden die Mädchen und Frauen ermutigt, Ängste und Erfahrungen mit Angst sowie individuelle Grenzen zu äußern. Es wird darauf hingewiesen, dass diese
Grenzen und Ängste akzeptiert werden. Die Patientinnen werden in einen bildnerischen Arbeitsprozess eingeführt, der ihre nonverbale Ausdrucksfertigkeit, die Wahrnehmung von Assoziationen und Gefühlen und die Selbstreflexion anregt (Landgarten, 1990; Rubin, 1991).
Gemeinsam erstellte Bilder und Skulpturen bieten zudem die Möglichkeit der nonverbalen
Kontaktaufnahme. Im Mittelpunkt der Therapieeinheit steht die Erstellung einer individuellen
Skulptur. Sie hat die Funktion einer Therapiebegleiterin, die mit verschiedenen Wochenthemen erweitert und verändert werden kann. Therapeutisch integriert werden Übungen zur
Selbstdarstellung, Gruppenbilder und Selbstdokumentation zu den einzelnen Körperpartien
und Gliedmaßen. Einen weiteren wichtigen Bestandteil der Körpertherapie stellt die einmal
wöchentlich gemeinsam geübte Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson dar.
Es wurde sichtbar, dass AN oft mit Defiziten in der praktischen Lebensbewältigung und
Ängsten verbunden ist. Das Sozialtraining im Rahmen der Therapie soll Kompetenzen fördern, Interessen anregen, realistische Ziele definieren helfen und Ängste abbauen. Zu Beginn
beschreibt jede Patientin ihren individuellen Sozialstatus in allen Details. Probleme, Wünsche
und Ziele werden formuliert und dokumentiert. Gemeinsam wählt die Gruppe verschiedene
Themen aus. Die Teilnehmerinnen sammeln Informationen und bereiten jede Sitzung selbständig vor. Es werden z.B. Referate gehalten, Bewerbungsschreiben angefertigt und Bewerbungssituationen im verhaltenstherapeutischen Rollenspiel geübt. Von therapeutischer Seite
werden Informationen vermittelt, besondere Probleme und schwierige Situationen besprochen
und in Übungen umgesetzt. Ebenso wird die Planung und Durchführung von Freizeitaktivitäten geübt. Sehr wichtig ist der Umgang mit Vermeidung und Widerstand auf der Handlungsebene, denn sehr häufig führen Verhaltensdefizite, geringe Frustrationstoleranz und überhöhte
Ansprüche an sich selbst zu Vermeidung.
Durch die Veränderungen, die die Patientin durchmacht kann Unruhe in das System Familie kommen. Für eine langfristige neue Stabilisierung des Systems werden in allen Therapiephasen bei Bedarf therapeutische Familiengespräche ermöglicht. In der ambulanten und der
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 26
Selbsthilfephase werden alle drei Wochen zwei Stunden eine Familiengruppe angeboten. In
die Tagklinikphase wird die Teilnahme der Angehörigen durch spezielle Angebote integriert.
Jeden dritten Sonntag laden die Teilnehmerinnen zu einem Gespräch zwischen Patientinnen,
Angehörigen und Therapeutinnen ein. Ziele sind die Informationsvermittlung über Krankheits- und Therapieverständnis des TCE, Erwartungsklärung und diagnostische Materialsammlung, um mögliche Rollen- und Beziehungsmodifikationen aufzuzeigen. Gemeinsames
Essen stellt nach oft jahrelangen Kämpfen ein wichtiges therapeutisches Ereignis dar. Die
Patientinnen können selbst entscheiden und vereinbaren, wann und wie oft verschiedene Angehörige eingeladen werden.
In jeder Behandlungsphase halten die Autoren die Selbstdokumentation der Teilnehmerinnen in Form von einem persönlichen Therapietagebuch für sinnvoll. Die Selbstbeobachtung
und Selbstreflexion wird angeregt und das Schreiben hat entlastende sowie klärende Funktion.
Für ehemalige Patientinnen ist es möglich, ohne lange Wartezeiten wieder in die Tagklinik
zu kommen und dort an einzelnen Programmabschnitten teilzunehmen. Dies ist ein Angebot
für wirksame Rückfallprophylaxe.
5
Evaluation des TCE-Konzepts
In einer Auswertung des tagklinischen Programms im Vergleich zu einem stationären Konzept untersuchten Gerlinghoff et al. (1997) 26 tagklinische Patientinnen mit AN
mit einer
stationär behandelten Vergleichsgruppe. Etwa 38% der Klientinnen konnten nach der tagklinischen Behandlung als sehr gut gebessert bzw. geheilt gelten. Diese Aussage traf auf ca. 31%
der stationär Behandelten Vergleichsgruppe zu. 50% der tagklinischen Patientinnen konnten
als gut bzw. weitgehend gebessert gelten. Dies traf bei der Kontrollgruppe für 42% der Teilnehmerinnen zu. Als gebessert, jedoch symptomatisch konnten etwa 13 % der Tagklinikgruppe und 12% der Kontrollgruppe gelten. 15% der stationär behandelten Teilnehmerinnen ging
es unverändert schlecht, hingegen keiner Patientin aus der tagklinisch behandelten Gruppe.
Mit einer Gesamtbesserungsrate von ca. 88% sind dies ermutigende Befunde. Vorläufige Ergebnisse noch nicht abgeschlossener Evaluationen lassen nach Gerlinghoff et al. (1997) erwarten, dass das tagklinische Setting mindestens ebenso gute Besserungen bringt wie das stationäre Setting. Leider teilen die Autoren die methodische Vorgehensweise ihrer Evaluation
nicht mit, weshalb im Folgenden ein neues hypothetisches Design für eine solche Studie entworfen wird, anstelle von Verbesserungsvorschlägen für das bereits durchgeführte Modell.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
5.1
Seite 27
Ziele der Evaluation
Gerlinghoff et al. (1995) Jacobi et al. (1996) weisen darauf hin, dass die Ziele eines modernen
Therapieansatzes für AN tiefergehend sind als die Normalisierung des Gewichts und Essverhaltens. Eine Evaluation sollte auch bedeutsame Veränderungen der psychischen Befindlichkeit messen. Erfasst werden sollten Parameter der sozialen Kompetenz, des Ernährungs- und
Essverhaltens und der Körperwahrnehmung. Die Diagnostik des Essverhaltens sollte in der
Lage sein auch bulimische Episoden zu dokumentieren, die häufig bei gebesserten Anorektikerinnen auftreten. Ebenso gemessen werden sollte das Gewicht sowie das Einsetzen und die
Regelmäßigkeit der Menstruation, die von verschiedenen Autoren als wichtiger Indikator gesehen wird. (Meermann&Vandereycken, 1987, Gerlinghoff&Backmund, 1995). Ein allgemeines Screening vor der Behandlung dient dazu, einen Überblick über komorbide Störungen
zu gewinnen, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen. Depressionsdiagnostik soll helfen, Verbessungen einer häufig komorbiden affektiven Störung zu
beurteilen. Bruch (1991) weist auf die häufig auftretende komorbide Schizophrenie hin, deren
Vorhandensein ebenfalls erfasst werden sollte. Eine Follow-up-Erhebung und zwei Katamnesemessungen verdeutlichen die vom dargestellten Modell ganz besonders hervorgehobene
angestrebte Stabilität der neu erworbenen Verhaltensweisen im Alltag.
5.2
Design und Stichprobe
Therapieerfolg ist eine komplexe Variable, die am günstigsten in Form verschiedener abhängiger Variablen (AV) operationalisiert wird (Bortz&Döhring, 1995). Die Maßnahme selbst
stellt die unabhängige Variable dar. Um die Kriterien für eine aussagekräftige Evaluation zu
erfüllen muss zumindest eine zweite Bedingung der abhängigen Variablen eingeführt werden.
Möglich ist ein Kontrollgruppenvergleich zwischen einer Behandlungsgruppe und einer unbehandelten Wartelisten-Gruppe. Die behandelte Gruppe könnte aus einem Behandlungszyklus der Klinik bestehen.
Aus ethischen Gründen darf jedoch der Kontrollgruppe eine Behandlung auch nicht zu
lange vorenthalten werden, was in Anbetracht der Gesamtdauer des Programms schwierig ist.
Grawe (1992) weist zudem darauf hin, dass eine Kontrollgruppe aus methodischen Gründen
prinzipiell verzichtbar sei. Von der Wirksamkeit psychotherapeutischer Maßnahmen kann
angesichts der vorliegenden Befunde ausgegangen werden (Grawe, 1992, Grawe, Bernauer &
Donati, 1994). Die im Programm von Gerlinghoff und Backmund (1995) eingesetzten Therapieverfahren stellen zudem keine grundlegenden Neuentwicklungen dar. Im wesentlichen
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 28
handelt es sich um kognitive und verhaltenstherapeutische Techniken, deren Wirksamkeit in
der Metaanalyse von Grawe et al. (1994) umfassend belegt werden konnte. Zudem liegt eine
Evaluation vor, die eine grundsätzliche Wirksamkeit bestätigt (Gerlinghoff et al.,1997).
Eine
attraktivere
Möglichkeit
wäre
daher
der
Vergleich
einer
kognitiv-
verhaltenstherapeutisch ambulant behandelten, einer kognitiv-verhaltentherapeutisch vollstationär behandelten und einer nach dem Modell von Gerlinghoff und Backmund (1995) tagklinisch behandelten Gruppe. So lässt sich ein recht aufwendiger Dreigruppenvergleich realisieren. Die unabhängige Variable „Therapieerfolg“ ist somit dreifach gestuft.
In Anlehnung an Grawe et al. (1992) bietet sich ein Prä-Posttestdesign zur Erfassung psychotherapeutischer Veränderungen an. Follow-up und zwei Katamnesen können in diesem
Fall als drei weitere Posttests betrachtet werden und erhöhen die interne Validität der Ergebnisse (Bortz&Döhring, 1995). Somit liegt ein Dreigruppenplan mit vier Messzeitpunkten vor.
Die Aussagekraft der Befunde ließe sich durch die Ergänzung weiterer Messzeitpunkte zwischen der Prä- und der Postmessung, beispielsweise jeweils am Ende der Motivationsphase
und der tagklinischen Phase noch erhöhen. Dies bedeutet jedoch eine erhebliche Steigerung
des Aufwandes und einen noch massiveren Eingriff in den therapeutischen Prozess. In Anbetracht der Tatsache, dass vor allem die Generalisierung im Alltag von Gerlinghoff und Backmund (1995) betont wird, stellt die Erhebung von zwei Katamnesezeitpunkten eine wertvolle
und ausreichende Ergänzung dar. Der optimale Stichprobenumfang für eine solche Untersuchung umfasst nach Bortz und Döhring (1995) 22 Personen pro Gruppe um einen mittleren
Effekt mit α=0,05 abzusichern. Eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% bedeutet, dass bei 100
behandelten Patientinnen in maximal 5 Fällen ein anderes Ergebnis gefunden wird (stimmt
das?) Diese Anzahl lässt sich in allen Bedingungen realisieren.
Die Schwierigkeit und Überwindung bei der Entscheidung für eine Therapie darf im Rahmen einer solchen Untersuchung nicht außer acht gelassen werden. Eine der drei Behandlungsformen mag von der einen oder anderen Patientin bevorzugt werden. Dies sollte respektiert werden. Daher ist zu Grunde zu legen, dass natürliche Gruppen untersucht und auf eine
Randomisierung verzichtet werden muss. Es handelt sich folglich um eine quasiexperimentelle Untersuchung. Eine Auswertung des Prätests kann jedoch Hinweise auf Gruppenunterschiede geben, die entsprechend berücksichtigt werden können.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
5.3
Instrumente der Evaluation
5.3.1
Eingangsdiagnostik
Seite 29
Eingangskriterium für alle Teilnehmerinnen an der Evaluation sollte eine DSM IV-Diagnose
AN, typisch bzw. atypisch oder eine NNB-Essstörung, die nicht alle, aber einige der AN Kriterien erfüllt, sein. Zur Diagnosestellung eignet sich das Strukturierte Interview für AN und
Bulimie (SIAB, Fichter, 1991). Komorbidität ist bei AN die Regel und nicht die Ausnahme
(Jacobi et al, 1996, Gerlinghoff et al., 1997, Lässle, 1997, Csef, 1999). Daher ist ein allgemeines Screening z.B. mit der Symptomchecklist (SCL-90R; deutsch von Franke, 1995; AV 1)
angebracht. Die SCL-90R misst nach Angaben des Autors die subjektive empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome einer Person auf den Skalen: Somatisierung,
Zwanghaftigkeit,
Unsicherheit
im
Sozialkontakt,
Depressivität,
Ängstlichkeit,
Agressivität, phobische Angst, paranoides Denken und Psychotizismus. So kommt ein Überblick über wichtige Einflussgrößen zustande, der bei der Beurteilung der Ergebnisse nützlich
ist.
5.3.2
Messung der allgemeinen Psychopathologie
Zur Messung der allgemeinen Psychopathologie bei AN ist nach Grawe und Braun (1992)
unter anderem das Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme (IIP-D; Horowitz,
Strauss & Kordy, 1994; AV 2) gut geeignet. Das IIP-D ist ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung von Problemen im Umgang mit anderen Menschen. Er ist nach Horowitz et al. (1994)
explizit für die klinische Diagnostik gedacht. Ein weiteres gebräuchliches Instrument stellt die
Self-Control-Schedule (SCS; deutsch von Jacobi et al. 1986; AV 3) dar. Dieses Diagnostikum
soll die Veränderung der Selbstkontrollfertigkeiten der Klientinnen messen. Nach Jacobi et al.
(1996) erfassen beide Instrumente wichtige Parameter der sozialen Kompetenz anorektischer
Patientinnen.
5.3.3
Messung komorbider Störungen
Komorbide Störungen können im Falle der Depression mit dem Beck Depressions Inventar
(BDI; deutsch von Hautzinger, 1993; AV 4) gemessen werden. Der BDI ist ein weitverbreitetes und anerkanntes Diagnostikum (Jacobi et al, 1996). Zur Erfassung der schizophrenen Basissymptome eignet sich nach Kienzle und Braun-Scharm (1999) besonders die Frankfurter
Beschwerdenliste (Süllwold, 1986; AV5).
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
5.3.4
Seite 30
Messung der speziellen anorektischen Symptomatik
Zur Erfassung der anorektischen Symptomatik hat sich in vielen Studien das Eating Disorder
Inventory (EDI; deutsch von Thiel und Paul, 1988; AV 6) bewährt. Es ist der am häufigsten
eingesetzte Fragebogen zur mehrdimensionalen Erfassung psychologischer Merkmale essgestörter Patientinnen. Somit liegen viele Befunde vor, die eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse
ermöglichen. Die Vorzüge des Instruments wurden in Kapitel 1 bereits beschrieben. Fremdbeurteilungsinstrumente spielen gerade bei AN aufgrund der kognitiven Verzerrungen und
problematischen Krankheitseinsicht eine wichtige Rolle. Die Anorexia Behavior Scale (ABS;
Slade, 1973; AV 7) kann zur Fremdbeurteilung eingesetzt werden. Ebenso sollten zu jedem
Messzeitpunkt das Gewicht (AV 8)der Patientinnen und das Vorhandensein der Menstruation
(AV 9)als abhängige Variable erhoben werden (Yager, 1994, Gerlinghoff&Backmund, 1995).
5.3.5
Einsatz der Messbatterie
Die dargestellten Verfahren zur Erfassung der allgemeinen Psychopathologie, die Instrumente
zur Erhebung komorbider Störungen, die Verfahren zur speziellen Diagnostik des Ess- und
Ernährungsverhaltens und die SCL-90R sollten als Messbatterie vor der Behandlung, unmittelbar nach der ambulanten Behandlungsphase zum Einsatz kommen, in einem Follow-up
nach der Selbsthilfephase und bei zwei Katamnesezeitpunkten ein und vier Jahre nach der
Behandlung. Zwei Katamnesezeitpunkte erlauben eine bessere Abschätzung der Langzeiteffekte der Behandlung. Gerade eine Katamnese nach längerer Zeit scheint im Falle der AN
aufgrund empirischer Befunde dringend geboten um die tatsächlichen Veränderungen abschätzen zu können (Kupper-Horster et al., 1997). Zusätzlich sollten in einem Followup/Katamneseinterview erfasst werden, ob weitere Behandlungen vorgekommen sind. Ingesamt ergeben sich 5 Meßzeitpunkte.
Jedes Verfahren wird als eine abhängige Variable betrachtet, so dass insgesamt 7 abhängige Variablen mit Hilfe von Fragebogen und einem Interview gemessen werden. Zwei weitere
Variablen stellen das Gewicht und die Regelmäßigkeit der Menstruation dar, so dass insgesamt 9 abhängige Variablen erfasst werden. Die Erfassung weiterer Behandlungen soll zunächst lediglich deskriptiv ausgewertet werden. Ergeben sich in großem Maße weitere Behandlungen, so kann dies als Kontrollvariable verwendet werden.
5.4
Bewertung der Ergebnisse
Statistisch signifikante Veränderungen sind nicht unbedingt gleichzusetzen mit klinisch be-
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 31
deutsamen Veränderungen. Häufig werden Gewicht und das Einsetzen bzw. die Regelmäßigkeit der Menstruation als globale Indikatoren einer Besserung eingesetzt. Beispielsweise sprechen Ratnasuriya, Eisler, Szmunkler und Russel (1991) sowie Yager (1994) von einem guten
Ergebnis, wenn das therapeutisch festgelegte Zielgewicht und eine regelmäßige Menstruation
vorliegen. Ein mittelmäßiges Ergebnis bedeutet das Erreichen von 75 bis 100% des Zielgewichts und/oder Menstruationsunregelmäßigkeiten. Schlecht ist das Ergebnis bei geringem
Gewicht und Amenorrhoe. Zusätzliche Maße psychischer Veränderungen können die Scores
einzelner psychometrischer Instrumente darstellen. Um die Wirkung eines solch komplexen
Programms wie des Vorliegenden zu messen, ist der Einsatz vieler verschiedener Verfahren
sicher sinnvoll. Dennoch sollte bedacht werden, dass die Anzahl der Verfahren den Aufwand
für Evaluator und die Belastung der Patientinnen erhöht.
Die Überlegenheit der tagklinischen Behandlung sollte sich darin zeigen, dass sie in der
Prämessung und der ersten Follow-up-Messung im Vergleich zu der ambulanten und der stationären Behandlung überlegene oder zumindest gleichrangige Verbesserungen zeigt. In den
beiden Katamnesemessungen sollte sich eine deutlichere Überlegenheit der Gruppe abzeichnen, die tagklinisch behandelt wurde.
5.5
Auswertungsmethode
Die Auswertung kann über eine zweifaktorielle, (Faktor 1: Treatment, dreifach gestuft; Faktor
2: Messzeitpunkt, fünffach gestuft) multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung erfolgen (Bortz, 1993, Bortz&Döhring, 1995). Im Gegensatz zu einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung sind die Interaktionseffekte zwischen Messzeitpunkten und
Treatment, also die Frage, ob sich zu einem Messzeitpunkt möglicherweise unterschiedliche
Veränderungen bei einer bestimmten Behandlungsform ergeben zu erkennen. Die Zahl der
abhängigen Variablen macht ein multivariates Verfahren erforderlich. Mehrere univariate
Analysen ließen die Beziehungen zwischen den abhängigen Variablen unberücksichtigt. Ebenso ergäben sich bei dieser Form der Auswertung gravierende inferenzstatistische Probleme
(Bortz&Döhring, 1995). Weitere Informationen bietet eine Diskriminanzanalyse, die eine
Differenzierung des Einflusses der verschiedenen abhängigen Variablen ermöglicht (Bortz,
1993). Zu einer genaueren Differenzierung der Unterschiede zwischen den einzelnen Stufen
der unabhängigen Variablen, also der Behandlungsbedingungen können Einzelvergleiche mit
t-Tests für unabhängige Stichproben durchgeführt werden.
Der Prätest lässt eine Abschätzung der Gruppenunterschiede zu. Sind diese so massiv, dass
ein gewichtiger Einfluss möglich wäre, so können Variablen konstant gehalten werden. Güns-
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 32
tiger ist jedoch eine Erfassung sinnvoller Kontrollvariablen und entsprechende Herauspartialisierung mittels Kovarianzanalyse (Bortz, 1993).
6
Fazit
Die im multikausalen Modell dargestellten Bereiche werden in allen Phasen des TCEProgramms mit fundierten therapeutischen Vorgehensweisen bearbeitet. Das tagklinische
Modell kann die Vorzüge vollstationärer und rein ambulanter Behandlungsansätze zu einem
effizienten Ansatz vereinen. Da Mittel für psychotherapeutische Maßnahmen eher knapper
werden, spielt die Kostengünstigkeit eine wichtige Rolle. Auch bezogen auf dieses Kriterium
ist das Modell wegweisend. In der Wirksamkeit steht es einer aufwendigeren Behandlung
jedoch nicht nach. Angesichts der Ursachen und des dargestellten Krankheitsgewinns bei AN
ist eine vorbereitende Motivationsphase ein wichtiges Element. Die niedrige Zahl an Behandlungsabbrüchen in der tagklinischen Phase scheint dem Rechnung zu tragen. Die der tagklinischen Phase folgenden ambulanten und sebsthilfezentrierten Phasen bieten optimale Möglichkeiten für das therapeutische Fading. Gerade bezogen auf AN stellt die Konzeption des Programms als eigenverantwortliche Krankheitsbewältigung eine Stärke dar. Die Auswertung der
Behandlungsergebnisse am TCE (Gerlinghoff et al., 1997) fundieren auch empirisch, dass
tagklinische Programme nicht nur eine gleichwertige Alternative zu vollstationären Konzepten darstellen, sondern ihnen sogar überlegen sind. Klinische Beobachtungen von Gerlinghoff
et al. (1995, 1997) zeigen, dass ohne zeitliche Begrenzung durchgeführte Psychotherapie Passivität, Ohnmacht und eine Konsumentenhaltung der Patientinnen fördert. Die Struktur und
Praxis des tagklinischen Programms wirkt dem erfolgreich entgegen. Restriktionen und Kontrollen entfallen, wodurch die Behandlungsatmosphäre maßgeblich verbessert wird (Dibella,
Weitz, Poynter-Berg, & Yumark, 1982). Die Erprobung neuer Strategien und Verhaltensweisen ist nicht aus dem Therapieprozess ausgegliedert sondern ein wesentlicher Bestandteil.
Schwierigkeiten kann dennoch aufgrund der Nähe professioneller Helfer rasch mit Hilfe bei
der Korrektur begegnet werden. Passivität und Teilnahmslosigkeit sind unmöglich, denn unmotivierte Patientinnen nehmen nicht lange an der Maßnahme teil. Eine klare Entscheidung
zum Therapieabbruch ist jedoch besser als eine „Pseudomitarbeit“, denn Psychotherapie ist
gegen den Willen eines Menschen nicht möglich.
Eine schwere, oft lebensbedrohliche Störung erfordert wirksame therapeutische Methoden,
die einen möglichst anhaltenden Therapieerfolg gewährleisten. Das vorgestellte Programm
von Gerlinghoff und Backmund (1995) vermag dies zu leisten und stellt daher eine wertvolle
Bereicherung für die therapeutische Praxis dar.
Diagnostik und Therapie der Anorexia Nervosa
Seite 33
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