Zwischen gerechter und ungerechter Gesellschaft

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4/2006
Christian Wevelsiep
Zwischen gerechter und ungerechter Gesellschaft
Zur Frage des politischen Mandats der helfenden
Professionen
Einleitung
Die Kritik an der Gesellschaft, in der wir leben, hat zur Zeit Hochkonjunktur.
Dies betrifft nicht allein die z. T. sehr zugespitzten Diskussionen um problematische Auswüchse des Kapitalismus – es betrifft zumal Bereiche und Tendenzen
kapitalistisch verfasster Gesellschaften, für welche die beliebten Etiketten der
Leistung, des Wachstums und des Fortschritts nicht mehr greifen oder zumindest
mehr Fragen als Antworten zulassen.
Das Verhältnis zwischen den helfenden Berufen und der gegenwärtigen Gesellschaft scheint dabei beispielhaft die Schwierigkeit zum Ausdruck zu bringen,
die Notwendigkeit der Kritik in eine akzeptable Form zu bringen.
Denn es ist sicher ein Leichtes, Gesellschaftskritik nach einem rein konfrontativen Muster wahr zu nehmen, doch gerät man schnell in eine argumentative
Sackgasse, wenn man etwa die Option der Kritik an der Leistungs- und Wachstumsgesellschaft gegen die vermeintlich »affirmative« Option ausspielt – man also nur
»für« oder »gegen« die Gesellschaft sein kann. Dass diese scheinbare Alternative
eher dialektisch zu vermitteln ist, ist eine Einsicht, die zwar unmittelbar einleuchtet, die aber zugleich im jeweiligen konkreten Bereich ausbuchstabiert werden
müsste.
Aus Sicht der helfenden Professionen ist hier die »Rückgewinnung der sozialen Gerechtigkeitsperspektive« (Wilken, 2002) angesichts der Verknappung der
»Ressource Solidarität« (Gröschke, 2002: 286) oberste Priorität einzuräumen, aber:
Mit einem solchen normativen Bekenntnis wird die inhaltliche Reflexion des sozialpädagogischen Mandats nicht abgeschlossen, sondern erst eröffnet. Das heißt:
Die Reflexion über das, was mit sozialer Gerechtigkeit verknüpft wird, kann sich
nicht mit der Einforderung einer solidarischen Gemeinschaft begnügen, sondern
ihr muss eine gerechtigkeitstheoretische Tiefe verliehen werden.
Um zumindest zu einer Skizze einer solchen politischen Reflexion zu gelangen,
sollen, ausgehend von sehr heterogenen pädagogischen, schulischen, politischen
und »biopolitischen« Beispielen, die Umrisse eines solchen Verständnisses nachgezeichnet werden.
Um mit einem drastischen Beispiel aus der pädagogischen Praxis zu beginnen:
In einer der letzten Ausgaben der »Zeitschrift für Heilpädagogik« wurde über
eine bis dahin wenig rezipierte pädagogische Konzeption der schulischen Erziehungshilfe, der sogenannten »Konfrontativen Pädagogik« berichtet (Musial/
Trüter, 2005).
Hierbei handelt es sich um einen eklektischen Ansatz, der sich aus Elementen
der Gestalttherapie, der provokativen Therapie und selektiven lerntheoretischen
Elementen zusammensetzt und sich dabei an diejenigen Schülerinnen und Schü-
Ambivalenz
der Gesellschaftskritik
Verknappung
der
Ressource
Solidatität
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Wevelsiep, Zur Frage des politischen Mandats der helfenden Profession
ler wenden soll, die an verschiedensten Hilfemaßnahmen und -systemen scheiterten und deren destruktives Verhalten zu einem festen Lebens- und Überlebensmuster geworden ist.
Eine wesentliche Komponente dieses Konzepts besteht in der Inszenierung einer Konfliktsituation, in der das Fehlverhalten durch Handlungen und eine bewusst vulgäre Sprache dramatisiert wird, um so das Muster der Verweigerung zu
durchbrechen.
Auch auf die Gefahr hin, eine umfassende Darstellung des pädagogischen Kontextes zu vernachlässigen, soll kurz veranschaulicht werden, was hier mit »Konfrontation« und »Härte« gemeint ist.
Zur Praxis der
»konfrontativen
Pädagogik«
»Thema: Regeleinhaltung
13:15., Mittagessen. Ein Kind überprüft, ob alle
gerade und ruhig sitzen, dann wünscht es einen guten Appetit. Die Kinder beginnen, den
Erwachsenen und sich gegenseitig lebhaft von
ihrem Schulalltag zu berichten. Xaver (Pädagoge) ermahnt Malte (Kind), den Arm zu heben
beim Essen. Xaver steht auf, geht zu Malte und
nimmt ihm das Besteck weg: »Du kannst ohne
Besteck weiter essen.«
Er setzt sich wieder hin. Malte rührt sich nicht.
Xaver (lauter) »Du isst wie ein Schwein. Malte,
du brauchst kein Besteck. Wenn du isst wie ein
Schwein, kannst du es auch richtig machen.
Iss!«
Malte weint. Ansonsten rührt er sich nicht. Nach
einer Weile steht Xaver auf, nimmt die Hände
des Jungen, vermengt mit diesen die Nahrung
auf dem Teller und stopft ihm das Essen in den
Mund. Dabei sagt er mit lauter, fester Stimme:
»Iss doch. Wie ein Schwein, Malte, wie ein
Schwein! Malte weint immer mehr. Xaver holt
einen großen Spiegel und stellt diesen vor Malte. Dieser wird aufgefordert, ihn anzusehen.
Wolf (Pädagoge) steht auf, geht zu ihm und hält
seinen Kopf fest, so dass Malte in den Spiegel
schauen muss. Malte wird gefragt, wie er aussehe. Es wird vorgegeben, dass er auf die Frage zu antworten habe: »Wie ein Schwein.«
(Musial/Trüter, 2005: 219)
Natürlich muss man die Drastik dieser Konfrontation in ihrem Kontext betrachten: Die Pädagogen berauben die Kinder ihrer abweichenden Lebensstrategien, was unumgänglich zu schmerzhaften Erlebenszuständen wie Angst,
Verwirrung und Trauer führt und es geht in dieser Phase weniger um die kognitive Einsicht als mehr um die emotionale Erfahrung der Bedeutung von Regeln
und Regelverstößen, also um einen von außen erzeugten Leidensdruck, zu dem
die Kinder vermeintlich nicht mehr fähig sind. Im Anschluss an diese Phase schließt
sich nach den Autoren die Hinwendung zu erwünschtem Verhalten entlang intrinsischer Motivationen und verstärkter positiver Methodiken an.
Es kann nicht überraschen, dass diese Methodik in der Fachöffentlichkeit zwiespältig und kontrovers diskutiert wurde. Es gäbe eine lange Reihe von pädagogiNotwendige schen, psychologischen, moralischen und rechtlichen Implikationen, die hier
Kritik zunächst zu klären wären, insbesondere wäre die Legitimität dieses Ansatzes selbst
zu klären, insoweit die Personenrechte und Menschenrechte der Kinder betroffen sind, die ja hier für einen spezifischen Moment außer Kraft gesetzt werden.
Jenseits dieser überaus notwendigen und dringlichen Diskussionen sollen die
Überlegungen aber in eine ganz andere Richtung laufen, die sich auf die gesellschaftspolitischen und normativen Bedingungen richten. Das heißt, von der Frage
der Legitimität/Illegitimität zur Frage zu kommen, vor welchem gesellschaftlichen Hintergrund überhaupt eine solche Notwendigkeit von Härte und Konfrontation artikuliert wird.
Die Begründung der Indikation steht dann, wie zu zeigen ist, als ein möglicher
Ausdruck für gewisse gesellschaftspolitische Tendenzen, für die man verschiedene Anzeichen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, hier: pädagogischen, sozialpolitischen und medizinischen Entwicklungen heranziehen kann (1).
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Dies führt zur These, dass die moderne Gesellschaft von mehreren Seiten gefährdet ist, zu einer desintegrativen Gesellschaft zu werden (2). Um dieser Gefahr zu
begegnen, bedarf es abschließend einer Konturierung des Inklusionsbegriffs und
darüber hinaus einer Rekonstruktion des Solidaritäts-Gedankens (3), für den dann
abschließend die Unterscheidung von Reinheit und Unreinheit geltend gemacht
wird.
Gesellschaftspolitische Tendenzen
(1) Die konfrontative Methodik ist, wie das eingehende Beispiel offenbarte, durch
verschiedene Paradoxien gekennzeichnet. Dies betrifft die Ebene der Interventionsmethodik wie auch die Ebene der Persönlichkeitstheorie, da hier zunächst
Beziehungs- und Erlebenswelten in einem gewissen Sinne abgebaut werden, um
sie anschließend wieder aufzubauen. Jenseits dieser psychologisch wie rechtlich
streitbaren Ebene interessiert hier aber die Ebene der Indikation: Die Kinder,
die für die genannten Interventionsformen in Frage kommen, lassen sich mit den
Autoren als »extrem grenzenlos, extrem werte- und orientierungslos« beschreiben (ders.: 20), als Kinder, die vehement Regeln und Normen verletzen und die
für sich und andere akute Gefährdungen darstellen. Maßgeblich und für die folgenden Überlegungen wegweisend halte ich hier die Selbstbeschreibung einer
»ultima-ratio« Logik. Diese »ultima ratio« wird dann eingesetzt, wenn alles andere versagt hat, wenn also das Ausmaß an destruktiven Haltungen so groß geworden ist, dass nur noch drastische Maßnahmen greifen. Mit dieser eher dünnen
Begründung eines pädagogisch intuitiven Ausnahmerechts wird aber zugleich
deutlich, dass es sich hier um zumindestens zwiespältige Diagnoseprozesse handelt, denn: wer entscheidet hier über die Grenzdefinition, die anzeigt, ob die genannte »ultima ratio« greift oder nicht? Eine reflektierte diagnostische Skepsis
ist hier sicherlich angebracht, die betont, dass unterschiedlichste Variablen ins
Spiel kommen können und auch eine eher hermeneutische oder rein praktische
Erfahrung mahnt hier zur Zurückhaltung: Die kategoriale Trennung in Auffälligkeit und Erziehungsunfähigkeit lässt sich nicht ohne weiteres aufrecht erhalten.
Damit kommen wir aber zu den gesellschaftlichen Bedingungen und Hintergründen, die die Grenzwertigkeit dieses Unternehmens zuspitzen. Denn es geht
ja nicht allein um Aspekte gelingender Identitätsbildungs- und Sozialisationsprozesse, sondern auch um gesellschaftliche Eingliederungsprozesse, welche unter anderem auf die Frage der Leistungsfähigkeit des Bildungssystems verweisen.
In diesem Kontext trifft man auf weitere problematische Entwicklungen, die sich
etwa der beliebten Etikette »Pillen für den Störenfried« zuordnen lässt. Jenseits
einer ausführlichen Diskussion über die Legitimität und Wirksamkeit medikamentöser Therapien bei Verhaltensstörungen muss zunächst darauf aufmerksam
gemacht werden, dass wir es nicht nur im Kontext der Debatte um ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) mit einem veränderten Wahrnehmungsbewusstsein und Rezipientenverhalten zu tun haben. Dies betrifft nicht allein die
messbare Nachfrage und Produktion der entsprechenden Medikamente (Ritalin),
es betrifft zugleich eine spürbare Normalisierung des Konsum- und Verschreibungsverhaltens . Auch hier haben wir also eine Grenze, die teils offen, teils verdeckt verschoben wird zugunsten eines funktionaleren, effizienteren Leistungsklimas (vgl. Jantzen, 2001).
Tendenz der
»ultima
ratio«
Medikation
bei
Verhaltensstörungen
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Wevelsiep, Zur Frage des politischen Mandats der helfenden Profession
Man muss für die genannten Prozesse und Tendenzen nicht gleich das Foucault‘sche Theorem der Biopolitik heranziehen, aber man sollte einen dritten
Aspekt gesellschaftspolitischer Entwicklungen hinzuziehen, die sich in der Tat
auf bioethische Zusammenhänge beziehen, und hierfür müssen wir einen Bogen
von pädagogischen zu politischen Zusammenhängen schlagen, insbesondere zur
aktuellen Individualisierungsrhetorik, welche die einschlägigen sozialpolitischen
Diskurse beherrscht.
Jenseits der prominenten risikosoziologischen Konnotationen der Freisetzung
Stichwort
»Individuali- aus traditionellen Milieus und Zugehörigkeiten (Beck, 1986), zielt der Begriff
sierung« Individualisierung vor allem auf sozialpolitische Vorstellungen, wonach der Einzelne als »seines Glückes Schmied« und mithin als selbstverantwortlich für sein
Wohl und Wehe betrachtet wird.
Während dies schon im Rahmen arbeitsmarktpolitischer Debatten zu problematischen Aussagen und Schlussfolgerungen führen mag, mündet eine rigorose
Individualisierung im Rahmen wohlfahrts- und sozialstaatlicher Praxis in Tendenzen der Entsolidarisierung, bzw. mit Wilken im »Verlust der Selbstevidenz
des Sozialen« (Wilken, 2001: 59).
Rigide
Unterscheidungen
zwischen
»Arbeitsscheuen«
und
»-tüchtigen«
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Das heißt konkret: Dem globalen Trend neoliberalistischer Wirtschaftspraxis folgend werden Sozialleistungsgebote in eine Marktlogik
gepresst sowie bislang sozialrechtlich gesicherte staatliche Zuständigkeiten in Frage gestellt.
Die dabei kursierende Rhetorik einer »neuen«
Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung dürfte auch dem politisch Uninteressierten bekannt sein; sie eröffnet aber eine politische Interpretationsfreiheit, die gerade in
sozialpädagogischen Zusammenhängen problematisch erscheint.
Auch bezogen auf das Verhältnis von Lohnarbeit und gesellschaftlicher Integration ergibt
sich eine spannungsreiche und krisenhafte
Situation: die über Sozialversicherungen und
garantierte soziale Leistungen vermittelte Form
der sozialen Integration scheint nicht mehr zu
greifen. Damit wächst die Orientierungslosigkeit, für die der Neoliberalismus eine hoch
problematische soziale Unterscheidung bereit
hält: zwischen »Arbeitssscheuen« und »Arbeitstüchtigen«. Nur auf der Oberfläche hat die
neoliberale Optik eine sozialintegrative Funktion, denn es kann mit Gröschke (2002: 280)
damit gerechnet werden »dass wie früher für
die »würdigen Armen«, die »unverschuldet«
arm werden – z. B. Behinderte, Alte, Kranke,
Waisen – ein finanziell verschlanktes Modell
von Caritas/Fürsorge wieder in Kraft gesetzt
wird, während für die Arbeitsscheuen repressive Formen der Arbeitserziehung und -ertüchtigung gewählt werden, die ihre »imployability«
(die ehemalige »Industriosität«) gewährleisten
sollen«. Mit anderen Worten: der gesellschaftliche Auftrag der Inklusionsvermittlung kann
hier nur dann erhalten werden, wenn zwischen
»gesund und tüchtig« einerseits, »unvermit-
telbar« und »unbrauchbar« andererseits unterschieden wird. Zugleich und darüber hinaus
muss aber der Wert der »Anerkennung des Anderen« (Honneth, 2000) mitreflektiert werden.
Es ist relativ unstrittig, dass dies eine rigide
neoliberale Vergesellschaftung nicht leisten
kann, insoweit sie die Vorstellung vom selbstbestimmt und eigenverantwortlich lebenden
Bürger über Gebühr betont, der seine eigenen
Entscheidungen trifft, um die von ihm angestrebte Lebensqualität zu verwirklichen.
Unser gesellschaftliches Leben wird also zunehmend durch Individualisierungsdynamiken und Individualisierungszumutungen gekennzeichnet. Und in speziell diesem sozialpolitischen Zusammenhang muss auch die Frage
nach der biopolitisch gefährdeten Gesellschaft
gestellt werden, die von den aufgezeigten pädagogischen und sozialpolitischen Tendenzen
keineswegs so weit entfernt ist, wie man glauben mag.
Ein Blick auf die aktuelle Debatte um das sogenannte »Therapeutische Klonen« und den
jüngsten Wissenschaftsskandal ist hier instruktiv, wenn man die Begleitsemantik sowie die
symbolpolitischen Hintergründe untersucht,
die etwa die biopolitischen Ereignisse um den
koreanischen Forscher Hwuang begleiteten. Am
12. Februar 2005 erschien eine Briefmarke in
Korea zum Jahrestag des vermeintlich ersten
geklonten menschlichen Embryos, die von den
westlichen Medien zunächst als südasiatische
Bizarrerie abgetan wurde. Die Bilderfolge zeigt
einen Mann, der im Rollstuhl sitzt, aufsteht,
läuft und schließlich eine Frau umarmt, der also
polemisch gesprochen, den perfekten Heilungsprozess von der Krankheit über die Leichtathletik zur Erotik durchläuft.
Wevelsiep, Zur Frage des politischen Mandats der helfenden Profession
Der durch den späteren Forschungsskandal
desavouierte Forscher Hwuang hatte diese
Briefmarke in einen Vortrag integriert, der u. a.
Ende September in Berlin gehalten wurde und
bei dem eine nahezu hermetische Bilderfolge
in Gang gesetzt wurde: Denn die Sondermarke
stand neben dem Foto des an Alzheimer erkrankten Präsidenten Reagan, des gelähmten
Schauspielers Christopher Reeve und dem bewegungsunfähigen Stephen Hawking.
In der Mitte dieser Leidpiktographie thronten
Fotos aus der Petrischale mit Stammzellen kreisen (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 31.12.2005:
27).
Es ist nun auf der einen Seite bemerkenswert,
dass die humanistische Sprengkraft eines solchen Wissenschaftsverständnisses erst jetzt
das eigentliche mediale Interesse erfährt, seit
die vermeintliche Scharlatanerie und der wissenschaftliche Betrug skandaliert wurden; das
meines Erachtens eigentliche Politikum geht
aber auf eben jenen biopolitischen Subtext
zurück, der zuvor zumindestens eine südasiatische Nation in Atem hielt. Die Wende von
einer externen zu einer internen Körperpolitik,
die hierzulande zumindest kontrovers diskutiert wird, hatte im koreanischen Raum zu diesem Zeitpunkt eine hoch problematische Melange ergeben; einer Trias aus Patriotismus,
Wissenschaftsgläubigkeit und Bilderglauben.
Ein euphorisches bis hysterisches Klima ließ
sich hier für eine unkritische, sicher auch nationalistische Teilöffentlichkeit nachweisen, die
aber im bundesrepublikanischen Raum zumindest halbherzig aufgenommen wurde, hält man
sich vor Augen, dass von Regierungsseite gefordert wurde, gesetzliche Regelungen im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu
revidieren und restriktive Gesetzgebungen zum
therapeutischen Klonen zu ändern (ebd.).
Ein solchermaßen von den wissenschaftlichen
und politischen Eliten forcierte Drift zur biopolitischen Gesellschaft hat nun konkrete Folgen für die Ebene des Einzelnen.
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Biopolitische
Entwicklungen
Auch Behinderung wird in diesem Zusammenhang oft als individuell zu verantwortendes Schicksal aufgefasst, wenn nicht gar als Konsequenz persönlichen
Fehlverhaltens. Culpative Stigmatisierungen, etwa im Kontext der Pränataldiagnostik bei Down-Syndrom, die auch durch medienvermittelte Teilinformation
gefördert wird, kann zur Negierung sozialer Verantwortung führen und entsolidarisierend wirken. Das heißt, im Zuge der Ausweitung pränataler diagnostischer
und interventiver Verfahren wird die bestehende gesellschaftliche Tendenz zur
Individualisierung noch verstärkt; die politische Programmatik des Sozialstaatsabbaus, die durch neue Verteilungskonflikte, von Deregulierungs- und Globalisierungsrhetorik gekennzeichnet ist, wird zugleich in eine biopolitische Atmosphäre der Perfektibilität gestellt: Der Marktwürdigkeit und Verwertbarkeit des neoliberalen Menschenbildes entspricht ein medizinisch-technisches Denken, das
mittels prädiktiver Medizin und gentechnologischer Grenzerweiterungen einen
unverhohlenen Fortschrittsoptimismus verbreitet. Der perfekte und durch keine
Leistungsabweichungen eingeschränkte Mensch steht anerkanntermaßen auf der
Agenda der biopolitischen Gesellschaft (vgl. dazu kritisch: Emmrich, 1999) – und
es bedarf keiner allzu großen Vorstellungskraft, sich die Gefährdungen vor Augen zu halten, die langfristig durch die Allianz neoliberaler Gesellschaftspolitik
mit der biopolitischen Umwandlung von Menschen in Sachen entstehen.
Desintegrative Gesellschaft
(2) Betrachten wir den Gesamtkontext der hier behaupteten Gefährdungen, dann
ist bei all dem aber zu betonen, dass es sich bei den genannten Tendenzen und
Gefährdungen um stets mögliche Grenzüberschreitungen und Grenzverschiebungen handelt, die für eine Gesellschaftsdiagnose nicht konstitutiv, nicht umfassend sind.
In diesem kritischen Sinne lässt sich aber das politische Mandat der helfenden
Professionen zusammenfassen: als Form der Kritik an gesellschaftlichen Erosionsprozessen, bei denen eine humane Wertebasis zunehmend gefährdet wird. Deren
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Defensive
Minimalpädagogik
oder
offensive
Bildungsund Sozialpolitik?
Ambivalenz
der
gerechten
Gesellschaft
Wevelsiep, Zur Frage des politischen Mandats der helfenden Profession
normative Position ist angesichts dessen durch eine eigentümliche Spannung gekennzeichnet, denn sie befindet sich in einer defensiven Lage, die sie aufgrund
ihres normativen Selbstverständnisses von Beginn an vermeiden will und muss.
Die eingeforderte Rückgewinnung des sozialen Zusammenhalts wird berechtigterweise mit der Frage nach den sozialen Bindekräften konfrontiert – also mit
der Frage nach der möglichen Stärkung der Politik, bei der Vielfalt, Heterogenität und Differenz Anerkennung finden (Eberwein, 1999). Eine hieraus resultierende offensive Bildungs- und Sozialpolitik ist etwa durch das offensive Eintreten für das Lebensrecht, eine möglichst selbstbestimmte Daseinsentfaltung und
partizipative Lebensgestaltung sowie durch eine humane Bildungsrechtsposition
gekennzeichnet, die im Gegensatz zu einer defensiven Minimalpädagogik über
das »Bildungsexistenzminimum« hinausweist (Gröschke, 2002; Lutz, 2005). Ist aber
die sozialpädagogische Reflexion über das, was ihr politisches Mandat ausmacht,
damit schon abgeschlossen?
Die Frage ist dann zu verneinen, wenn man das Politische im Allgemeinen und
die Demokratie im Besonderen als einen offenen Bereich der Gesellschaft betrachtet, bei dem der hegelsche »Kampf um Anerkennung« immer wieder aufs
Neue zu definieren ist. Die pädagogische und politische Diskussion über das, was
das Gemeinwesen ausmacht oder ausmachen sollte, ist also als notwendig offen
zu betrachten; es gibt aber verschiedene Wege, diese Offenheit zu gefährden.
Die Reflexion des politischen Mandats muss nämlich Gefährdungen von zwei
Seiten begegnen: zum einen der Gefahr einer funktionalistischen und technologischen Engführung, bei der »ultima-ratio-Logiken«, bioethische und neoliberale
Ausschlussprozeduren dominieren.
Zum anderen aber muss sie auch der Gefahr begegnen, ihre eigenen ethischen
und moralischen Ansprüche in einer reinen Interessenpolitik münden zu lassen,
d. h., eine elaborierte normative Reflexion müsste ein Gespür dafür entwickeln,
dass offene und wohlfahrtsstaatlich organisierte Gesellschaften auf der einen Seite
und tendenziell wohlfahrtschauvinistische oder hegemoniale Gesellschaften auf
der anderen keinen bipolaren und klar getrennten Gegensatz bilden, sondern
dass die Drift vom einen zum andern Zustand stets möglich und nie ganz ausgeschlossen ist (vgl. Greven, 1999). Der gerechten Gesellschaft ist im Horizont der
Weltgesellschaft stets das Risiko der Selbstverengung eingeschrieben. Um dieser
doppelten Frontstellung gerecht zu werden, soll im Folgenden der Inklusionsbegriff konturiert werden, um im Zuge dessen zu einem nicht-reduktiven Begriff
von Solidarität und Anerkennung zu gelangen.
Inklusion und Solidarität
(3) Der hier zugrunde gelegte Gebrauch des Begriffs Inklusion baut insofern auf
einer anthropologischen Werteentscheidung auf, dass der Mensch nicht erst zu
habilitieren sei, sondern im anthropologischen Sinne immer schon »habilis« sei,
also : geeignet, nicht defekt, sondern unversehrt ist und damit seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft nicht zu Disposition steht. Daneben bedingt der Begriff
aber auch einen Anspruch auf subsidiär umfassende, ganzheitliche Nachteilsausgleiche i. S. einer Kollektivverantwortung gegenüber den Betroffenen. Zuletzt
folgt aus dieser Definition des Rehabilitationsbegriffs das pragmatische Ziel der
Ermöglichung von Partizipation an Lebensentscheidungen und Entscheidungsprozessen mit allen Rechten und Pflichten.
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Um diesen Inklusionsgedanken aber nun in eine politisierbare Logik zu übersetzen, ist es notwendig, den Solidaritätsbegriff, der ja hier im Hintergrund wirksam ist, aus seiner Eindimensionalität zu befreien und ihn von einer rein interessen- Inklusion und
politischen Lesart abzugrenzen. Vor allem die Anerkennungsterminologie, die Interessenvon dem Frankfurter Sozialphilosophen A. Honneth auf ein elaboriertes Niveau politik
gehoben wurde, ist in der Lage, diesem Anspruch zu genügen (Honneth, 2000;
Stinkes, 2002). Der Begriff der Anerkennung wird hier zu einem moralphilosophischen Grundelement, das die konkurrierenden Begriffe der Verteilungsgerechtigkeit oder auch der Fürsorge nicht ersetzen, aber umfassen kann.
Honneth beschreibt hier eine Noch-Nicht-Struktur, die die Ausdifferenzierung
von Anerkennungssphären als moralischen Fortschritt, die Erweiterung von Individualisierung und die Steigerung sozialer Anerkennung als sozialmoralische
Verbesserung, insgesamt also wachsende Inklusion als Ausdruck eines liberaldemokratischen Ideals beschreibt und begreift.
Wenn aber Gesellschaften aus Sicht ihrer Mitglieder nur in dem Maße legitime
Ordnungsgefüge darstellen können, indem sie sich dazu in die Lage versetzen,
verlässliche Ebenen der Anerkennung auf unterschiedlichen Ebenen zu gewährleisten, wenn ferner deren Bedingungen unter das normative Ziel persönlicher
Identitätsbildung und individueller Selbstverwirklichung gestellt werden, dann
müssen diese normativen Prinzipien die Ebene des Allgemeinen verlassen. Sie
müssen konkret werden und damit ergibt sich keine reine Ableitungslogik, keine
reine lineare Steigerungslogik, sondern ein nicht-reduktives Spannungsfeld.
Auf unsere Problematik übertragen heißt das, dass der Begriff der Solidarität
durchaus in seiner Ambivalenz sichtbar wird, denn er bezieht die vielfachen Konnotationen mit ein, ohne sie zu überspielen und er übergeht auch nicht die Widersprüche, die etwa zwischen partikularistischer und universalistischer Solidarität
entstehen kann.
Aus der sozialpädagogischen Diskussion sind
die einschlägigen Differenzen ja bekannt: Autonomie gegen Fürsorge, paternalistische Wohltätigkeit oder Nächstenliebe im Nahbereich?
Jenseits dieser Dualismen ist hier zu betonen,
dass erst die Komplexität des umfassenden Anerkennungsbegriffs in der Lage ist, das politische Mandat der helfenden Professionen zum
Ausdruck zu bringen. Eine Konzentration auf
eines dieser Elemente würde nicht nur die Anerkennungsterminologie verkürzen, sondern
sie könnte auch in politische Sackgassen führen. Der Bezug auf universale Solidarität könnte die Chiffre einer »gerechten Gesellschaft« absolut setzen, die aber ausschließlich moralische, kaum politische Kategorien behandelt.
Und damit sind wiederum problematische As-
pekte verbunden, denn damit ist zugleich die
Gefahr verbunden, die Unbedingtheit des
inklusiven Anspruchs entweder im Allgemeinen
und Abstrakten verschwimmen zu lassen, ohne
konkret werden zu müssen oder schlimmer:
Exklusions- und Ausschlusstendenzen werden
nur so verschoben, dass sie nicht mehr sichtund wahrnehmbar sind. Denn hier wie dort
stellt sich ja die Frage: Wer spricht hier für welche Gesellschaft, welche gesellschaftlichen
Gruppen, für welches »wir«? Mit der Zugrundelegung eines unbestimmten »Wir« versichert
sich der Sprechende der Reinheit seiner Aussagen durch Entgrenzungsrhetorik: Alles muss
zur Sprache kommen, niemand darf ausgeschlossen werden.
Universelle
Solidarität?
Gleichermaßen würde eine Konzentration auf partikulare Solidarität entweder im Systemwiderspruch oder in problematischen Verteilungskämpfen (auch
etwa innerhalb der Fachdisziplinen) münden oder einfach zur Verschiebung von
Ausschlussprozeduren führen. Partikularistische und universalistische Solidarität stehen also nicht in einem rein komplementären oder additiven Verhältnis,
sondern sie bilden einen nicht-reduktiven Zusammenhang, der nur als unreiner
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Solidarität im
Zwielicht
Partikularistische
Verengungen
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Wevelsiep, Zur Frage des politischen Mandats der helfenden Profession
verstehbar ist. D. h. es ist trivialerweise keineswegs so, dass eine Steigerung der
partikularen Solidarität zu einer Steigerung der Gesamtrationalität führen würde. Gleichwohl können wir auf partikulare oder Kampfsolidarität nicht verzichten, denn diese ist ja, wie gezeigt, für eine offensive Sozialpädagogik geradezu
konstitutiv.
Schließlich führte auch eine Überbetonung oder Isolierung des Verteilungsgerechtigkeits- oder des Subsidiaritätsgedankens in die genannte neoliberale Sackgasse, insofern dieser die Idee der Solidarität ersetzt und nicht bloß ergänzt.
Die auch für alle helfenden Berufe konstitutiven Elemente der Parteinahme,
der Bindung, der Loyalität, der Zugehörigkeit werden also in einem reduktiven
Begriffsrahmen unter Wert gehandelt, wenn man sich auf eines der genannten
Elemente konzentriert.
Es ist nun eben dieser Punkt, der die behauptete Politik der Reinheit plausibel
macht. Reinheit meint hier eine normative Grundorientierung im Anschluss an
die Dekonstruktion von Derrida, welche kategoriale, erkenntnistheoretische und
damit auch ethische »Wahrheiten« von ihrem verschmutzten, vertrübten oder
kontaminierten Anteilen frei hält (Derrida, 2000; Bonacker, 2002). Der Schmutz
ist hier immer das Andere, das einer nicht-gewollten, einer fremden oder nicht
geordneten Gesellschaft und deren Systemen anzulasten ist. Unreine Politik hingegen ist nun keineswegs mit einer selbstgenügsamen Perspektive zu verwechseln, die das nicht zu leugnende Unrecht, Ungleichheiten und Ausgrenzungen
achselzuckend registriert. Die Politik der Unreinheit ist vielmehr als ein Unterscheidungsvermögen zu kennzeichnen, das die Gesellschaftskritik um entscheidende Nuancen verändert. Sie lässt sich nicht in klaren und reinen Kategorien
oder Formeln wiedergeben, sondern sie kann nur innerhalb dieses Spannungsfeldes lesbar gemacht werden.
Was bedeutet dies nun für die Frage nach der »gerechten Gesellschaft« ?
Das Irritierendste einer Politik der Differenz, bzw. der Unreinheit ist die Überwindung des Phantasmas der Zugehörigkeit und der Ordnung zugunsten eingeschränkter, begrenzter und unvollkommener Zugehörigkeiten. Es geht, mit anderen Worten, darum, Anerkennungspolitik nicht zur reinen Interessenpolitik
ausarten zu lassen, die letztlich immer von der Tendenz bedroht wird, den Ausschluss Anderer zu produzieren und ihn gleichzeitig als unhintergehbares Problem der Anderen zu verbergen. Betrachten wir noch einmal die eingangs genannten Gefährdungen, dann bleibt festzuhalten:
Dem Bezug auf eine solidarische oder gerechte Gesellschaft liegt immer auch
eine ausschließende Logik zugrunde, ohne dabei zwangsläufig chauvinistisch zu
sein; »Alle« sind nie wirklich »Alle«: Die Grundlage des geteilten »Wir« geht
tiefer, denn sie kann weder in Richtung eines völlig unbestimmten Universalismus aufgelöst werden; auch können soziale Zusammenhänge wie Bindungen, partikulare Interessen, Loyalitäten nicht reinlich hiervon getrennt werden. Um für
den schleichenden und nicht immer offensichtlichen Prozess zunehmender Ausschlussprozeduren ein Sensorium zu entwickeln, muss sich das hierfür erforderliche kritische Denken eine nicht-reine Selbstbeschreibungsform gestatten und dies
halte ich nicht zuletzt für eine entscheidende Leerstelle, welche die Selbstreflexion
der helfenden Professionen begleitet.
Sobald soziale Anerkennung als Forderung konkret wird, wirkt sie und schließt
insofern aus, denn in jedem Modell der Anerkennung des anderen finden sich
Annahmen darüber, was »Wir« sind oder sein sollten. Jede Politik der Anerken-
Wevelsiep, Zur Frage des politischen Mandats der helfenden Profession
nung kann folglich nur dann gelingen, »wenn sie die Grenze der Anerkennbarkeit
benennt und durch diese Benennung die imaginäre Linie zieht, bis zu der Wir
noch von Wir sprechen können« (vgl. Mecheril, 2003: 50 f.).
Die Gefahr, die hier für die einzelnen pädagogischen Fachdisziplinen besteht,
ist leicht nachzuvollziehen und doch schwer auf einen Nenner zu bringen. Genannt seien nur
– die problematischen Verteilungskämpfe im schulischen und sozialpädagogischen Bereich, der allzu schnelle Vorwurf illegitimer Ressourcenverschwendung,
– die stets präsente Gefahr einer Politisierung des Ressourcen-EtikettierungsDilemmas,
– der historische Rückblick etwa auf die Zeit der Weimarer Republik, hier zeigt
sich, wie schnell sich die humanistischen Professionen einer Semantik der
Grenzdefinition des Brauchbaren und Nützlichen andienen, wie schnell also
ein inklusiver Anspruch in rigide Differenzen umschlagen kann: zwischen
denen, die ein vermeintlich parasitäres Dasein führen und denen, denen es
»wirklich schlecht geht.« (vgl. Brill, 1993).
Für die helfenden Professionen ist also eine zentrale Aufgabe darin begründet,
sich verstärkt mit den paradoxen Bedingungen ihres Mandats auseinander zu
setzen und die genannten Spannungen zwischen Interessenpolitik und partikularen Anliegen, zwischen der Leistungsgesellschaft und der »gerechten Gesellschaft«
in ihrer Widersprüchlichkeit zu benennen und sie nach keiner Seite hin vorschnell
aufzulösen. Wenn man nun die berechtigte Frage stellt, in welchen praktischen
und politischen Konkretionen dies alles münden kann oder soll, dann wäre man
gezwungen, eine Dialektik auf der Höhe des einzelnen Satzes zu fingieren; d. h.
die Artikulation und Rekonstruktion diese Spannungsfeldes ist mit den logischen
Mitteln der Sprache möglicherweise nicht einzufangen. Was aber konkret benennbar bleibt, ist die Präsenz und Virulenz gesellschaftlicher Exklusion. Greift man
noch einmal das eingangs genannte Beispiel der »ultima-ratio-Logik« des pädagogischen Ausnahmezustands auf, dann liegt hier die größte Gefahr möglicherweise nicht allein in der Gewalt an sich begründet, sondern im latenten Prozess
der Dekategorisierung; Dekategorisierung freilich in einem gegenläufigen Sinne,
als eine der Inklusion verpflichtete Humanwissenschaft verfolgt.
Dekategorisierung meint hier einen Zerfallsprozess gesellschaftlicher Selbstverständlichkeiten, als ein Prozess des Unsichtbarmachens von Menschen, die
sich den etablierten Kategorien nicht zuordnen, zuordnen lassen oder in diesem
Fall nicht zuordnen wollen. Der radikale Andere, für den, wie gezeigt, immer
neuere Techniken der Funktionalisierung erfunden werden, er kann also in diesem Sinne nicht einfach »nur« geschützt oder verteidigt werden; seine Existenz
muss immer wieder aufs Neue gegen die Tendenz verteidigt werden, ihn jenseits
einer Grenze zu verorten.
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Selbstreflexion der
helfenden
Profession
Literatur
Beck, U., 1986: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine
andere Moderne. Frankfurt M.
Bonacker, T. 2002: Die Gemeinschaft der Dekonstruktion. In: Kern, A./Menke, C. (Hg.): Philosophie der
Dekonstruktion. Frankfurt a. M: 264–289
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Verf.: PD Dr. paed. habil. Dr. phil. Christian Wevelsiep,
Surkenstr. 160 b, 44797 Bochum
E-Mail: [email protected]
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