GOTTES SOLIDARITÄT MIT UNS MENSCHEN

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GOTTES SOLIDARITÄT MIT UNS MENSCHEN
„Das war doch nicht nötig!“
In manchen Situationen, wenn uns z. B. jemand etwas schenkt, pflegen wir zu sagen:
„Das war doch nicht nötig!“
Oft ist das eine Floskel. Aber was besagt diese Redewendung eigentlich? - „Das war
doch nicht nötig!“ - Sagt sie nicht dem anderen: Du tust etwas, für das es keine
Notwendigkeit gibt, wozu du in keiner Weise verpflichtet bist? Wenn es aufrichtig gemeint
ist, dieses „Das war doch nicht nötig“, dann sagt es sogar: Ich erfahre etwas von dir,
bekomme etwas von dir, was ich nicht erwartet habe, womit ich nicht rechnen konnte. Es
ist ein Geschenk, ein Zeichen dafür, dass du mir freundlich, wohlwollend zugewandt bist.
Von einem Besuch bei einer alten Frau in den Tagen vor Weihnachten habe ich noch im
Ohr: „Herr Pfarrer, das war doch nun wirklich nicht nötig, dass Sie mich noch besuchen
kommen. Aber ich freue mich ja so!“
- Statt aber ich freue mich möchte sie in Wirklichkeit sagen: deshalb freue ich mich. –
Vielleicht ist das, was wir nicht von anderen erwarten oder gar fordern können, das
Kostbarste für uns - wenn wir es erfahren, wenn es uns geschenkt wird!
Und umgekehrt. Wenn wir uns bewusst von anderen abgrenzen, sagen wir: „Das hab ich
doch gar nicht nötig ...“ - dass ich hinter ihm herlaufe, - dass ich mir von ,der’ das sagen
lassen muss... Damit gehen wir auf Distanz, grenzen uns von anderen ab.
Das hatte Jesus wahrhaftig nicht nötig
Warum bedenke ich das hier mit Ihnen? - Im Vordergrund des heutigen Evangeliums steht die
Taufe Jesu. Bei diesem, seinem ersten öffentlichen Auftreten tut Jesus etwas, was er ja nun
wirklich nicht nötig hatte. Er reiht sich ein in die Reihe derer, die zum Jordan
herausziehen. Er stellt sich dort unter die Menschen, die sich unter dem Eindruck der
Umkehrpredigt des Täufers als Menschen bekennen, die hartherzig, egoistisch, streitsüchtig,
verlogen, selbstgerecht oder sonst wie ,nicht in Ordnung’ sind. Er stellt sich in die Reihe der
Sünder. Hat Gott das nötig? - Eben nicht! Ganz und gar nicht! Aber er tut’s! Jesus steht
unter denen, die erfahren, dass ihr Leben ,nicht in Ordnung’ ist und einen Neuanfang
braucht.
So gesehen ist dieses Evangelium ein Weihnachtsevangelium. Menschwerdung Gottes meint
nicht nur, dass Gott in einer menschlichen Haut steckt und sich den Bedingungen
menschlichen Lebens unterwirft. Gott versteht Mensch-werden als Suche nach einem Leben
in einer tiefen, radikalen Solidarität mit den Menschen. Jesus geht nicht nur dorthin, wo
die Menschen sind. Nein, er steht in einer Reihe mit ihnen und lässt sich von Johannes
taufen. Und dort ist es - nicht etwa im Tempel in Jerusalem -, wo der Geist Gottes ihn
überkommt und buchstäblich zur treibenden Kraft für sein Leben wird. Davon hörten wir
kurzgefasst in der Lesung: „...nach der Taufe, die Johannes verkündete, hat Gott ihn mit
Hl. Geist gesalbt und mit seiner Kraft ausgestattet, dass er umherzog, Gutes tat und dass
eine heilende Kraft von ihm ausging ...“ Ja, Gott tut etwas, was er nun wirklich nicht
nötig hätte: Er grenzt sich nicht von den Menschen ab. Er steht in einer tiefen Solidarität
zu uns.
Umwerfende Menschenfreundlichkeit Gottes
Am Ende frage ich mich: Was muss mit mir, mit Ihnen geschehen, dass wir aus dem
Herzen und voll Dankbarkeit sagen könnten: Mensch, Gott! Dass du so weit gehst in
deiner Solidarität mit uns, dass du es so ernst meinst mit deiner Menschwerdung, das
war doch nicht nötig! Aber das ist es ja gerade! Das bist eben du - in deiner
unwahrscheinlichen, ,um-werfenden’ Menschenfreundlichkeit! Solches Erstaunen und
Danken wäre Anbetung Gottes.
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Um so beten zu können, brauchen wir alle wohl erst einmal Menschen, bei denen wir
immer wieder Grund haben zu sagen: „Mensch das war doch nicht nötig! Aber, bzw.
deshalb ist es für uns so wichtig.“ Wir alle haben Menschen nötig, die es ihrerseits gar
nicht nötig hätten, sich uns zuzuwenden. Menschen, deren Interesse, Nähe und
Solidarität wir erfahren, - Menschen, die uns einfach gut tun.
Auch andere Menschen brauchen uns als solche. Eine Schwester, die viele Jahre in
einem Elendviertel unter Prostituierten lebte und arbeitete, wurde gefragt, wie sie das
aushält in dieser Gesellschaft’. Ihre Antwort: Es geht gut, seit mir klar ist, dass ich
nicht anders bin als diese Frauen, dass ich es nur anders hatte. Diese Frau hatte ihre
Abgrenzungstendenz überwunden und konnte solidarisch sein mit Menschen, deren
Gesellschaft sie ja nun wirklich nicht nötig hatte.
Hat Gott in seiner Mensch-werdung die Erfahrung seiner Menschenfreundlichkeit an
uns Menschen gebunden? - In der Tat: Die Menschenfreundlichkeit Gottes wird nicht
schon dadurch vermittelt, dass die Geschichten von Jesus erinnert und verkündet
werden, sondern dadurch, dass Menschen leben und bezeugen, was ihnen selbst von
Jesus aufgegangen ist, und wo sie in seinem Geist tun, was sie eigentlich für sich nicht
nötig hätten.
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