DBT-PTSD: Behandlung Traumatisierter nach schweren interpersonellen Gewalterfahrungen Komplexe Traumafolgestörungen Symposium – 1.4.2017 PD Dr. Anne Dyer PTSD nach interpersoneller Gewalt in der Kindheit Typ II-Trauma: • Inzidenz: ca. 70-80% nach sex. Missbrauch vs. 10% nach Naturkatastrophen bzw. Unfällen (Kessler et al., 1995) • Achse I und II Komorbidität: – – – – – – BPS Affektive Störungen Essstörungen Dissoziative Störungen Substanz-Abusus Somatoforme Störungen PTBS nach interpersoneller Gewalt in der Kindheit • Intrusionen • Hypererregbarkeit • Vermeidung Plus • schwere Störungen der Emotionsregulation (z.B. hohe Anspannung, Dissoziation) • zahlreiche Problemverhaltensweisen • hohe Intensität vieler Emotionen (Scham, Ekel, Schuld …) • sehr negatives Selbstkonzept • sehr negatives Körperkonzept Zusammenhang PTSD & BPD • Prävalenz von PTSD bei BPD Patienten – Stationäre Patienten: 56-65% – Ambulante Patienten: 29-56% • Prävalenz von BPD bei PTSD – 35% • CAVE: häufig auch Traumatisierung im Erwachsenenalter bei BPD – 90% Missbrauch im Erwachsenenalter – verbal (76%), emotional (71%), körperlich (33%), sexuell (31%) Kontrollen N=67 (Freiburg Mannheimer BPD-Studie) 12% 9% 8% Sexueller Missbrauch Misshandlung Gewalt zwischen Eltern 75% Borderline Störung N=88 60% 39% 24% 13% 3% 17% 24% 6% 6% 6% 34,3% Sexueller Missbrauch Misshandlung Gewalt zwischen Eltern Warum keine Standard-PTSD Behandlung? • PTSD kann effektiv mit Standardverfahren behandelt werden (z.B. Bradley et al., 2005) • State of the art (NICE Guidelines) – Kognitiv-behaviorale Therapien • Prolonged Exposure nach Foa • Kognitive Therapie nach Ehlers • Cognitive Processing Therapy nach Resick – Eye Movement Desensitization and Reprocessing Standard Behandlung der PTBS empfohlen werden kognitiv-behaviorale traumafokussierende Therapie und EMDR d=1.4 [Bisson & Andrew 2007] Mittlere Remissionsrate der PTBS 56% [Bradley et al., 1995] Zwischen 20 und 25% brechen die Therapien ab [Hembree et al., 2009] Studien zur Behandlung der PTBS nach körperlicher und sexualisierter Gewalt in der Kindheit sind unterrepräsentiert und zeigen geringere Effekte g=0.72 [Ehring et al., 2014] State of the art: Behandlung PTSD mit CSA • BPD-Symptomatik und chronische Suizidalität in 70% der Studien ausgeschlossen (Peleikis et al., 2005) • meist erhöhte Dropoutraten und geringerer Behandlungserfolg bei komorbider BPD (Cloitre & Koenen, 2001; Feeny, Zoellner & Foa, 2002; McDonagh et al., 2005) • Ausmaß der Traumabelastung sehr unterschiedlich (Taylor & Harvey, 2010) – Mittlerer Schweregrad in eingeschlossenen Studien: CAPS ~ 60 – Mittlerer Schweregrad Stichprobe ZI: CAPS ~ 90 Wie wirksam ist Stabilisierung? Therapieevaluation der Psychodynamisch Imaginativen Trauma-therapie (PITT) im stationären Setting (Lampe et al., 2008) Drop-out 13% Expo: 9% Dialektisches Dilemma Wenn keine PTBSBehandlung weiterhin Suizidalität und Problemverhalten Wenn PTBSBehandlung mglw. Zunahme von Suizidalität und PV DBT-PTSD Team Martin Bohus Regina Steil Anne Dyer Kathlen Priebe Was könnte helfen? Elemente wie “Wertearbeit” Compassion Focused Therapy CFT TF-KVT ACT DBT Intervention zur Reduktion von Problemverhaltensweisen State of the Art Verfahren zur PTSD Behandlung Zentrales Problem bei PTBS Stimulus Primäre Emotion Trauma-assoziiertes Netzwerk ESCAPE Gegenwartsbezug Rationale der DBT-PTSD Vom unkontrollierbaren Wiedererleben zum kontrollierbaren Erinnern Strategie Reduktion nicht-angemessener primärer und sekundärer trauma-assoziierter Gefühle (Veränderung) Zulassen angemessener Gefühle (Akzeptanz) Methodik Aktivierung von trauma-assoziierter Emotion unter Aufrechterhaltung des Gegenwartsbezugs = Skills-assisted exposure Modulare Therapie Ausgehend von Verhaltens- und Bedingungsanalysen werden nach „WennDann-Algorithmen“ spezifische Behandlungsmodule ausgewählt Die Lösung Stimulus Primäre Emotion Trauma Trauma-assoziiertes Netzwerk ESCAPE Gegenwartsbezug Dynamische Fokus Wahl Dynamische Behandlungshierarchie Commitment Planung und Motivation Skills Exposition Entfaltung des Lebens Dynamische Behandlungshierarchie Behandlungsfokus Beispiele Lebensbedrohliches Verhalten Suizidalität, schweres SVV, schweres Hochrisikoverhalten Therapie zerstörendes Verhalten Verstoß gegen Therapievertrag, mangelndes Commitment Krisen generierendes Verhalten anhaltende Gewalterfahrungen, strafbares Verhalten Therapiefortschritt behinderndes Verhalten Dissoziation, motivationale Probleme, Substanzmissbrauch Psychosoziale Probleme Schulden, Probleme mit dem Jugendamt PTBS aufrechterhaltendes Verhalten Meidungs- und Escapestrategien, Intrusionen, Alpträume Eingeschränkte Lebensqualität geringer Selbstwert, Schwierigkeiten im Umgang mit Körper / Sexualität Behandlungsphasen der DBT-PTSD Informelle Exposition • Phase 1: Commitment (3 Sitzungen) • Phase 2: Planung und Motivation (7 Sitzungen) • Phase 3: Bearbeitung von traumabezogenen Escape-Strategien und Vermittlung von Skills (4-10 Sitzungen) • Phase 4: Expositionsphase – Reduktion des Wiedererlebens traumabezogener Formale Exposition Gefühle (15 Sitzungen) • Phase 5: Entfaltung des Lebens (10 Sitzungen) • Nachbehandlung (3 Sitzungen) Informelle Exposition • • • • • Aufsuchen einer traumaspezifischen Therapie Traumaspezifische Diagnostik (CAPS-Interview) Lebenslinie Prägende Bezugspersonen Bearbeitung kognitiver Dysfunktionen – Schuld – Befürchtungen • Techniken zur Bearbeitung traumaassoziierter Gefühle – Diskriminationstraining • Alptraumbehandlung • Radikale Akzeptanz • Verhinderung von Reviktimisierung Formale Exposition • • • • Mündlicher Traumabericht Schriftlicher Traumabericht plus Vorlesen Imaginäre Aktivierung Exposition in vivo Ziele Von heute situativ unangemessenen Gefühlen zu angemessenen Gefühlen Vom unkontrollierbarem Wiedererleben zum Erinnerung Prinzip der skills-assisted exposure In-sensu Aktivierung • Indextrauma soll vor dem inneren Auge in allen Einzelheiten, einschließlich der Gedanken und Gefühle, in der Reihenfolge der Ereignisse nachvollzogen werden • Prinzipien der skills-assisted Exposition • Gefühlsspezifische Gestaltung der Exposition Skills-assistierte Exposition Aktivierung Aktivierung TraumaNetzwerk des Gegenwartsbezuges Randomisiert kontrollierte Studie (Bohus et al. 2013) DBT-PTSD t1 Randomisierung Warteliste Follow-up t3 6 Wochen Follow up / 18 Wochen t4 3 Monats Follow up / 24 Wochen t5 6 Monats Follow up Wartezeit DBTPTSD t2 Entlassung / 12 Wochen ITT-Stichprobe (N=74) DBT-PTSD (N=36) WL (N=38) Alter M (SD) 35.14 (10.60) 36.71 (9.84) Beginn CSA M (SD) 7.56 (4.09) 7.59 (4.10) Dauer CSA > 5 years M (SD) 48.4% 44.1% CSA durch Familienmitglied 85.3% 74.3% CSA mit Penetrationserfahrung 74.3% 77.8% Achse-I Diagnosen M (SD) 3.03 (1.03) 3.00 (1.16) ≥ 5 BPS Kriterien N=17 (47%) N=16 (44%) Ergebnisse: CAPS Subgruppen HLM Analyse: Gruppe x Zeit -1,510, p<0.0001 HLM Analyse: Gruppe x Zeit -0.496, p=0.038 Zwischen-Gruppen Effekte: ITT g=1.50 Vorhandene Daten g=1.86 Zwischen-Gruppen Effekte: ITT g=1.17 Vorhandene Daten g=1.34 Sicherheitsaspekte Keine Zunahme an selbstverletzenden Verhalten Fortsetzung folgt… • Aktuelle ambulante Studie: DBT-PTSD vs. CPT-C Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 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