Entscheidungstheorie in Gruppen Blockseminar Sommersemester 2005 11. Juni 2005 „Erster Samstag“ Franz Dietrich Zentrum für den wiss. Nachwuchs tel: 88-4733 [email protected] www.uni-konstanz.de/ppm/Dietrich Struktur (vom Allgemeinen zum Speziellen) A. Entscheidungstheorie allgemein B. Social choice Theorie C. Einführung in die Präferenzenaggregation („PA“) und die Wohlfahrtsökonomie D. Einführung in die Urteilsaggregation („UA“) E. Grenzen der social choice Theorie, und Theorie der deliberativen Demokratie A. Entscheidungstheorie allgemein 1. 2. 3. 4. Individuelle Entscheidungstheorie Interaktive Entscheidungstheorie (= Spieltheorie) Kollektive Entscheidungstheorie (= social choice Theorie) Empirische Fragestellung („real“ choice) vs. normative Fragestellung („rational“ choice) 5. Über den Rationalitätsbegriff der rational choice Theorie Individuelle Entscheidungstheorie Entscheidungstheorie ¾ ¾ ¾ ¾ individuelle Entscheidungsth. interaktive Entscheidungsth. = Spieltheorie kollektive Entscheidungsth. = social choice Theorie Individuelle Entscheidungstheorie: man betrachtet einzelnen Akteur, der Entscheidung fällen muss Akteur ist oft ein Mensch, in Politikwiss. manchmal ein Staat (idealisiert als einheitlicher Akteur) Entscheidung zwischen Optionen (Alternativen) Jede Entscheidung führt zu einem Ausgang Beispiel: Æ Akteur: ist ein Student Æ Optionen: verschiedene Kursangebote Æ Ausgang: ob der Kurs Spaß gemacht hat und welche Note herausgesprungen ist. Man unterscheidet zwischen: Entscheidung unter Sicherheit Entscheidung unter Risiko Entscheidung unter Unsicherheit Entscheidung unter Sicherheit: ¾ Ausgang von Entscheidungen dem Akteur bekannt ¾ Bsp.: ich entscheide, ob ich heute zur Mensa gehe, und weiss, dass es Kalmares gibt ¾ Also: man kann Entscheidungen mit ihren Ausgängen gleichsetzen ¾ Akteur hat Präferenzen zwischen Ausgängen = Entscheidungen Entscheidung unter Risiko ¾ Ausgang von Entscheidungen dem Akteur nicht genau bekannt, da Ausgang auch von „Natur“ (= alles Unbeeinflussbare) abhängt ¾ Aber: Wahrscheinlichkeiten von Ausgängen bekannt, exogen gegeben ¾ Bsp.: Ich wähle meinen Einsatz in einem Roulette-Spiel in Las Vegas ¾ De facto wählt der Akteur zwischen Lotterieen (= Wahrscheinlichkeitsverteilungen) von Ausgängen ¾ Also: man kann Entscheidungen mit Lotterien von Ausgängen gleichsetzen ¾ Akteur hat Präferenzen zwischen Entscheidungen (= Lotterien von Ausgängen) ¾ Diese lassen sich unter gewissen Rationalitätsannahmen als Erwartungsnutzen-Maximierung darstellen: es existiert eine („Nutzen“-)funktion u von Ausgängen nach reellen Zahlen, so dass: Æ Lotterie L wird (schwach) präferiert über Lotterie L* dann und nur dann, wenn ExpL (u) > (≥) ExpL* (u) (d.h. L hat einen (schwach) höheren erwarteten Nutzen als L*). Entscheidung unter Unsicherheit ¾ Nicht einmal die Wahrscheinlichkeiten von Ausgängen von Entscheidungen bekannt Æ da unklar, nach welchen Gesetzen „Natur“ funktioniert ¾ Bsp.: ich entscheide, ob ich heute zur Mensa gehe, und habe keine Ahnung, welches Essen auf dem Programm steht ¾ Zwei (extreme) Präferenztypen: Æ Maximin (ganz risikoavers): man bewertet Entscheidungen am schlechtest-möglichen Ausgang. Bsp.: Nicht-Mensa-Gehen besser als Mensa-Gehen da Hungern besser als schlechtest-mögliches Mensa-Essen Æ Maximax (ganz risikofreudig): man bewertet Entscheidungen am bestmöglichen Ausgang. Bsp.: Mensa-Gehen besser als Nicht-Mensa-Gehen da best-mögliches Mensa-Essen besser als Hungern ¾ Welche Präferenzen sind „rational“? Genügen die Präferenzen gewissen Rationalitätsbedingungen (Maximin- und Maximax-Präferenzen tun dies nicht!), so kann man sie erneut als Erwartungsnutzen-Maximierung darstellen (aber anders als bei Entscheidungen unter Risiko: Wahrscheinlichkeiten nicht exogen gegeben, sonder subjektive Wahrscheinlichkeiten). Interaktive Entscheidungstheorie (=Spieltheorie) ¾ ¾ ¾ ¾ Es gibt mehrere Akteure jeder Akteur fällt „seine“ Entscheidung der Ausgang hängt aber von den Entscheidungen aller ab also: Spieler entscheiden indem sie die (erwarteten) Entscheidungen anderer berüchsichtigen Beispiel: Viele Spieler wollen ihr Auto an dengleichen Interessenten verkaufen Entscheideidung jedes Spielers: sein Verkaufsangebot an den Interessenten Ausgang: ver sein Auto verkauft und für wieviel Frage: Ist Spieltheorie reduzierbar auf indiv. Entscheidungstheorie unter Risiko/Unsicherheit, wobei die „andere Spieler“ die „Natur“ sind? Das heißt: kann man die Entscheidung jedes einzelnen Spielers nicht aus Sicht der individuellen Entscheidungsth. analysieren? Antwort: Nein! Denn die Natur „handelt“ nicht wie ein Spieler: Æ Die Natur (in der indiv. Entscheidungstheorie) handelt nicht strategisch; sie versucht keine Nutzen zu optimieren Æ Die anderen Spieler (in der Spieltheorie) handeln strategisch; sie wählen ihre Handlungen als geeignete Antwort auf die erwarteten Handlungen der anderen Was die Spieltheorie sehr komplex werden lässt: ¾ Die rationale Entscheidung eines Spieler hängt von seiner Einschätzung der Entscheidungen der anderen Spieler ab; ¾ deren Entscheidungen hängen von deren Einschätzungen über die Entscheidungen der anderen Spieler ab; usw. ¾ also muss ein Spieler sich fragen: was glauben die anderen, dass ich glaube, das sie glauben, dass ich glaube, ... Kollektive Entscheidungstheorie = social choice Theorie Ausgangspunkt: ¾ in der Realität müssen Gruppen oft gemeinsam entscheiden, planen, Ziele formulieren, handeln, etc. ¾ Daher: social choice Theorie erforderlich In der social choice Theorie: • eine Gruppe, z.B. Landesbevölkerung, Parlament, Expertengremium, Vorstand • einziger Akteur ist die Gruppe = das Kollektiv • aber: dieser Akteur entscheidet nicht losgelöst von den Gruppenmitgliedern • sondern auf Basis der Willen, Ziele, Anichten, Wünsche, Urteile etc. der Personen • Problem: die Willen (Ziele etc.) der Personen widersprechen einander Empirische Fragestellung vs. normative Fragestellung Für jede der drei Gebiete der Entscheidungstheorie gibt es: empirische Fragestellung normative Fragestellung ¾ ¾ ¾ Empirische Fragestellung (nicht unsere) Welche Entscheidungen werden in der Realität gefällt? Warum? (Æ Verhalten erklären) Welche Entscheidungen/Verhaltensmuster sind unter welchen Bedingungen zu erwarten (Æ Verhalten vorhersagen) Solche Fragen ragen hinein in die - Psychologie (individ. Entscheidungstheorie), - Soziologie (interaktive Entscheidungstheorie), - Politikwiss. (kollektive Entscheidungstheorie). Normative Fragestellung (unsere) ¾ ¾ ¾ welche Entscheidungen sind rational? (soc. ch. Th. auch:) welche Entscheidungen sind demokratisch? welche Entscheidungen sollten getroffen werden unter diversen Rationalitätskriterien (soc. ch. Th.: und Demokratiekriterien)? Diese Fragen gehören zur rational choice Theorie Aber: Rational choice Theorie kann auch nützlich sein im Hinblick auf empirischen Ziele (reales Verhalten erklären/vorhersagen) allerdings nur insoweit Menschen sich „rational“ verhalten! Bsp.: reales Verhaltensmuster von Akteuren in der Marktwirtschaft/in der Uni/auf der Straße/etc. kann durch spieltheoretische Modelle erklärt oder vorhergesagt werden Über den Rationalitätsbegriff der rational choice Theorie Leider: Viele (auch rational choice Theoretiker) sind sich nicht über den Rationalitätsbegriff im klaren. Die rational choice Theorie hat meist einen dünnen Rationalitätsbegriff: • „rational“ heißt (grob gesprochen) intern konsistent/koherent • „rational“ heißt, dass die einzelnen Bestandteile der Willen, Wünsche, Meinungen, Handlungen etc. zusammenpassen • im Einzelnen kann das heißen: transitive Prärerenzen, logisch konsistente Urteile, ... Bsp. 1: Folgende Urteilsmenge ist rational (= intern konsistent): - „Alle Ausländer schaden allen Deutschen“ - „Nur das Wohl der Deutschen zählt“ - „Alle Ausländer sollten ausgewiesen werden.“ Aber: ist dies auch rational in einem weiteren Sinn? (Æ vielleicht sind manche der Urteile (objektiv) falsch) Bsp. 2: Gegeben verschiedene Optionen, gilt jede transitive, reflexive, vollständige Präferenzordnung als rational (= intern konsistent). Aber: dann ist folgende Präferenzordnung rational: - am liebsten hätte Peter irgendeine ungerade Zahl von Kindern - am zweitliebsten hätte er gar keine Kinder - am drittliebsten hätte er irgendeine gerade (positive) Zahl von Kindern ¾ ¾ ¾ Die meisten (alle?) Formalisierungen von „rational“ (Transitivität von Prärerenzen, logische Konsistenz von Urteilen, ...) betreffen diesen dünnen Rationalitätsbegriff Æ andere Formen von Rationalität ließe sich schwer formalisieren Also: auch Theoreme („Resultate“) der rational choice Theorie beziehen sich auf Rationalität als interne Konsistenz Der Rationalitätsbegriff der rational choice Theorie: ist nicht „falsch“ (auch nicht „böse“) liefert notwendige Bedingungen an Rationalität liefert keine hinreichende Bedinungen für Rationalitäte, da er vieles ausklammert (deshalb „dünn“) Wichtig: bei der Interpretation und Anwendung von Resultaten: Man muss hinter die Kulissen gucken, Präferenzen interpretieren, ... Das geht über eine rein formale Analyse hinaus. Z.B.: Ob eine Wahlprozedur angebracht ist, kann davon abhängen, welche Motive hinter den Präferenzen der Leute stecken (Eigeninteresse? Urteile über gemeinschaftliches Wohl?) Typische (ideologische?) Fehler von Rational Choicern: die Interpretation von Präferenzen ganz außer acht lassen Präferenzen falsch interpretieren, z.B. sie automatisch als Ausdruck von Privatinteresse deuten Formale Ergebnisse falsch oder über-interpretieren. Bsp.: Darstellungssätze wonach Präferenzen darstellbar sind als Erwartunsnutzen-Maximierung sagen nicht, dass ein rationaler Akteur bewusst erwartete Nutzen berechnet, sondern nur dass sich seine Präferenzen so darstellen lassen B. Social choice Theorie 1. 2. 3. 4. Allgemeine Aufgabenstellung Konkrete Beispiele Aggregationsregeln Was sind „gute“ Aggregationsregeln? Prozedurale vs. epistemische Perspektive 5. Wie findet man „gute“ Aggregationsregeln? Probieren vs. axiomatische Methode 6. Beweise in der social choice Theorie Allgemeine Aufgabenstellung • • • Eine Gruppe von n Personen, bezeichnet 1, ..., n (n ≥ 2) kollektive Entscheidung erforderlich wobei „Entscheidung“ viele Bedeutungen haben kann: Æ Beschluss kollektiver Handlungen: Soll Straße gebaut werden? Soll Mehrwertsteuer angehoben werden? Welche Regierung soll Staat regieren? ... Æ Beschluss kollektiver Bewertungen/Werte/Ziele/etc.: Wie wünschenswert ist eine multikulturelle Gesellschaft? Ist ein höherer Benzinpreis oder die Klimaerwärmung schlimmer? Wie wichtig ist uns die Angleichung der ökonomischen Verhältnisse in der Welt? ... Æ Beschluss kollektiver Meinungen (zu Sachfragen): Führt eine multikulturelle Gesellschaft zu mehr sozialer Instabilität? Führt mehr CO2-Ausstoß zu Klimaerwärmung? Führt ein freier Welthandel zur Angleichung der Lebensverhältnisse? ... Æ Bewertung unterschiedlicher Gesellschaftszustände, d.h. Bildung von Wohlfahrtsurteilen (Æ Wohlfahrtsökonomie): Welche Zustände sind besser als welche anderen? Ein Zustand könnte z.B. durch eine Einkommensverteilung gegeben sein; oder durch reichere Information, die etwa auch das soziale Klima, das Maß an Freiheit, etc. umfasst Mit welchen Modellen soll man die untersch. Fragestellungen studieren? Wir werden zwei allgemeine Modelle untersuchen: Präferenzenaggregation (und ihre kardinale Erweiterung) und Urteilsaggregation. • Entscheidung auf Basis der Willen Interessen Urteile Wünsche Konkrete Beispiele Bsp. 1 (Präferenzenaggregation). Eine Gruppe wählt zwischen zwei Kandidaten, oder zwei Urlaubszielen, oder zwei Meinungen zu Sachfragen, oder zwei wissensch. Theorien • binäres Problem, weil nur zwei Entscheidungen möglich sind • natürlicher Vorschlag: Mehrheitsregel, d.h. man wählt diejenige Alternative, die mehr Leute wollen Bsp. 2 (Präferenzenaggregation). Eine Gruppe entscheidet, für wie lange sie in Urlaub fahren will, oder welche Kompetenzen dem Gruppenleiter übertragen werden sollen • mehr als zwei Optionen • die naheliegende Prozedur, die Pluralitätsregel, is problematisch: der Kandidat mit den meisten Stimmen könnte zugleich im paarweisen Vergleich gegen jeden anderen Kandidaten verlieren (vgl.: Jean-Marie Le Pen im ersten Wahlgang der französ. Präsidentschaftswahlen) • es gibt KEINE offensichtlich beste Prozedur, sondern viele Prozeduren mit jeweils anderen Vor- und Nachteilen Beispiel 3 (Wohlfahrtsökonomie). Sei X eine Menge potenzieller Zustände der Gesellschaft. Jeder Zustand x ∈ X ist eine vollständige Beschreibung aller relevanter Askpekte der Gesellschaft (etwa der Einkommensverteilung, der Freiheitsräume der Menschen, ...). Æ Wie sind diese Zustände zu bewerten? Welche sind besser als welche? Dieses Entscheidungsproblem unterscheidet sich erheblich von den vorigen: Stellenwert der Alternativen: ¾ Die Alternativen (Gesellschaftszustände) lassen sich nicht einfach „auswählen und umsethen“: allenfalls kann der Staat versuchen, die Einkommensverteilung durch Rahmenbedingungen teilw. beeinflussen Stellenwert der kollektiven Entscheidung (Output der Aggregationsregel) ¾ Gesucht ist ein (Wohlfahrts-)Urteil, d.h. eine „besser als“-Relation über Einkommensverteilungen, die ein Wohlfahrtsurteil darstellt Stellenwert der Inputs der Aggregationsregel ¾ Auf der Basis welcher Inputs soll dieses Wohlfahrtsurteil erstellt werden? ¾ Lt. „Welfarismus“ auf Basis der Wohlfahrtniveaus der Menschen (s.u.). ¾ Diese Inputs (= indiv. Wohlfahrtsfunktionen) werden realistisch nicht von Individuen eingereicht sondern von externer Person (Regierung) geschätzt Bsp. einer Aggregationsregel: Zustand x ist besser als Zustand x* genau dann wenn die Summe der individ. Wohlfahrten in x größer ist als in x*. Beispiel 4 (Urteilsaggregation). Eine Expertengremium sucht kollektive Urteile zu folgenden wissenschaftlichen Propositionen: a: In Deutschland werden zu wenig Kinder geboren. b: Deutschland braucht mehr Immigration. a → b : Wenn in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden, dann braucht Deutschland mehr Immigration. Bemerke: • es gibt hier nicht „Alternativen“, sondern logisch verknüpfte „Propositionen“ • akzeptiert man a und a → b, so muss man b akzeptieren! • die naheliegende Prozedur, die (propositionsweise) Mehrheitsregel, is problematisch, da sie logisch inkonsistente kollektive Urteile erzeugen kann: a a→b b 1/3 der Bevölkerung ja ja ja 1/3 der Bevölkerung ja nein nein 1/3 der Bevölkerung nein ja nein Mehrheit ja ja nein • wieder gibt es KEINE offensichtlich beste Prozedur, sondern mehrere konkurrierende Prozeduren mit Vor- und Nachteilen Aggregationsregeln Kollektive Entscheidung hängt von individuellen Inputs ab. Æ Ein Profil ist ein Vektor (x1, x2, ..., xn), wobei: x1 ist der Input von (die Information über) Person 1 x2 der Input von (die Information über) Person 2 ... xn der Input von (die Information über) Person n. Die Natur der Inputs xi hängt vom Aggregationsproblem ab: Präferenzaggregation: xi ist i‘s Präferenzrelation über Optionen (oder manchmal: i‘s Lieblingsoption, oder die Menge der von i „gebilligten“ Optionen) Wohlfahrtsökonomie: xi ist i‘s Wohlfahrtsfunktion über Gesellschaftszustände Urteilsaggregation: xi ist i‘s Urteilsmenge über Propositionen etc. Auf Basis eines Profils (x1, x2, ..., xn): welche kollektive Entscheidung? Aufgabe der social choice Th.: geeignete Aggregationsregel finden. Eine Aggregationsregel F transformiert Profile (x1, x2, ..., xn) in kollektive Entscheidungen F(x1, x2, ..., xn) Individuelle Inputs (x1, x2, ..., xn) (Profil) enthält z.B. individuelle Präferenzen, Meinungen, Zielvorstellungen, Wohlfahrtsfunktionen, Nutzenfunktionen, Urteilsmengen, ... Aggregationsregel F z.B. Mehrheitsregel, Pluralitätsregel, ... kollektiver Outputs F(x1, x2, ..., xn) (Entscheidung) z.B. kollektive Präferenzen, gewählter Kandidat, Einkommensverteilung, kollektive Urteilsmenge Formal: Eine Aggregationsregel is eine Funktion F die Profilen kollektive Entscheidungen zuordnet. Æ Kann mathematisch präzise definiert werden! Bsp: Wahl eines Kandidaten aus einer Menge von Kandidaten K. Profil: (x1, x2, ..., xn), wobei xi Person i‘s Lieblingskandidat ist Entscheidung: Kandidat (Regelfall) oder Patt zw. Kandidaten (Ausnahmefall); Æ um Patt zu erlauben, ist Output der Regel nicht ein Kandidat sonder eine Menge von siegreichen Kandidaten K* ⊆ K (oft ist K* aber einelementig!) Pluralitätsregel: definiert durch F(x1, x2, ..., xn) = {k ∈ K : [Zahl an Personen i mit xi = k] ≥ [Zahl an Personen i mit xi = k*] für alle k* ∈ K} (= Menge der Kandidaten mit maximaler Stimmenzahl) Oligarchie durch die Personen 1, 2, 3: definiert durch F(x1, ..., xn) = {k ∈ K : [Zahl an Personen i ∈ {1,2,3} mit xi = k] ≥ [Zahl an Personen i ∈ {1,2,3} mit xi = k*] für alle k* ∈ K} = Menge der Kandidaten mit maximaler Stimmenzahl unter den Personen 1,2,3. Diktatur durch Person 3: F(x1, ..., xn) = {x3} (Person 3‘s Lieblingskand. siegt) Eine konstante Regel: F(x1, ..., xn) = {k*} (ein exogen „aufgezwungener“ Sieger) Andere („bessere“) Aggregationsregeln können definiert werden, wenn der informationelle Gehalt des Profils angereichert wird: wenn xi nicht i‘s Lieblingskandidat ist, sondern z.B. i‘s Präferenzrelation über Kandidaten, oder i‘s Nutzenfunktion über Kandidaten. Was sind „gute“ Aggregationsregel? Prozedurale vs. epistemische Bewertung Bei der Bewertung von Aggregationsregeln kann man zw. 2 Zielen unterscheiden: Prozedurale Perspektive: ¾ konzentriert sich auf die „Prozedur“ F, nicht primär ihre Outputs ¾ der „Mechanismus“, durch den Outputs generiert werden, soll wünschenswerte Eigenschaften haben ¾ die Beziehung zw. Outputs und Inputs von F zählt ¾ Demokratieanforderungen: Anonymität, Responsivität, universeller Bereich, etc. (später genaue Definitionen) ¾ andere Anforderung (bei Wahl eines Kandidaten): Neutralität (kein Kandidat soll von Prozedur bevorzugt wreden) Bsp: Bei einer Wahl zwischen zwei Kandidaten fürhrt aus prozeduraler Sicht kein Weg an der Mehrheitsregel vorbei Æ Dies wird formal durch May‘s Theorem gezeigt. Epistemische Perspektive ¾ Ziel der Prozedurwahl: die Prozedur soll „richtige“/“gute“ Outputs erzeugen ¾ Dies setzt einen objektiven Standard von „Richtigkeit“/“Güte“ kollektiver Outputs (Entscheidungen) voraus: ein Kandidat ist objektiv der beste, eine Politik ist objektiv richtig, etc. ¾ Kollektiven Entscheidungsfindung als Suche nach der richtigen Entscheidung, ganz egal wie demokratisch die Prozedur ist Bsp. 1: Annahme: wir können ein Orakel befragen, das uns immer den (objektiv) besseren Kandidaten nennt ¾ Epistemisch beste Prozedur = immer das Orakel befolgen Æ total undemokratisch, daher prozedural nicht gerechtfertigt Bsp. 2: Sind verschiedene Wähler verschieden kompetent, so könnte aus epistemischer Sicht „kompetenteren“ Wählern ein höheres Stimmgewicht geben werden, wobei „Kompetenz“ = Fähigkeit zum Erkennen der (objektiv) Richtigen Entscheidung Æ behandelt Leute verschieden, daher prozedural problematisch Feststellung: Es gibt kein Orakel, und wir wissen oft nicht, wer wie kompetent ist Also: Die Mehrheitsregel (im 2-Optionen-Fall) könnte auch aus epistemischer Sicht gerechtfertigt sein. Æ Dies wird formal durch Condorcet‘s jury Theorem gezeigt Also lässt sich die Mehrheitsregel (im 2-Optionen-Fall) - aus prozeduraler Sicht verteidigen, da sie demokratisch ist; - aus epistemischer Sicht verteidigen, da sie tendenziell zu guten Entscheidungen führt (unter gewissen Annahmen) Wie findet man „gute“ Aggregationsregeln? Probieren vs. axiomatische Methode Bei der Suche nach einer geeigneten Prozedur (ob aus prozeduraler, epistemischer oder sonstiger Sicht) sind zwei Ansätze denkbar: ¾ „Probieren“ (gut als Einstieg) ¾ Axiomatische Methode (die anerkannte Methode seit Arrow) „Probieren“: Man überlegt sich plausible Prozeduren und prüft, welche Vor- und Nachteile sie haben. Æ im 2-Optionen-Fall klappt das: Mehrheitsregel sieht gut aus... aber warum genau? Hier stößt man an die Grenze von „Probieren“ Æ in komplexeren Problemen wird es schwierig: jede mehr-oderweniger plausible Prozedur hat andere Macken; siehe obige und spätere Beispiele. Axiomatische Methode: Man - formuliert mehrere Desideraten, die die Prozedur erfüllen soll, - formalisiert sie als formale Bedingungen an die Prozedur - untersucht, welche Prozeduren alle Bedingungen simultan erfüllen. Æ Bsp.: Man kann Anonymität so formalisieren: Es gilt F(x1, ..., xn) = F(xπ(1), ..., xπ(n)) (gleicher Output) für alle sich nur in der Reihenfolge der Inputs unterscheidenden (zulässigen) Profile (x1, ..., xn) und (xπ(1), ..., xπ(n)) (wobei π : {1, ..., n} → {1, ..., n} irgendeine Permutation der Individuen ist). Z.B. gilt F(x1, x2) = F(x2, x1) im Fall von n = 2 Individuen Intuitiv bedeutet dies: die Prozedur F „weiss“ nicht, won wem die verschiedenen Inputs stammen Die axiomatische Methode kann zu drei Ergebnissen führen: Fall 1: Es gibt genau eine Aggregationsregel mit allen Eigenschaften: Idealfall! Wir sind fertig! Bsp. (May Theorem) Im 2-Optionen-Fall erfüllt eine Aggregationsregel Anonymität, Neutralität, positive Responsivität und universeller Bereich dann und nur dann, wenn sie die Mehrheitsregel ist. Fall 2: Es gibt mehrere Aggregationsregel mit allen Eigenschaften: Wir müssen weitere Eigenschaften fordern, um zu einer einzigen Lösung zu kommen Fall 3: Es gibt keine Aggregationsregel mit allen Eigenschaften: Wir müssen manche der Forderungen aufgeben oder abschwächen, um zu einer Lösung zu kommen. Bsp. (Arrow‘s Theorem) Im Fall von mehr als 2 Optionen erfüllt keine Aggregationsregel zugleich Pareto-Effizienz, Nicht-Diktatur, Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen, universaller Bereich und kollektive Rationalität. Graphische Illustration bei 3 Bedingungen an die Aggregationsregel Seien A, B, C drei Bedingungen an die Aggregationsregel. Gesucht: Aggregationsregel, die A erfüllt, eine A-Regel. Fall 1: Genau eine Aggregationsregel erfüllt zugleich Bedingungen A&B&C alle A&B-Regeln alle A-Regeln alle Regeln alle A&C-Regeln alle B-Regeln alle C-Regeln alle A&B-Regeln einzige A&B&C-Regel Fall 2: Mehrere Aggregationsregel erfüllen zugleich Bedingungen A&B&C alle A-Regeln alle B-Regeln alle A&B&C-Regel alle Regeln alle C-Regeln Fall 3: Keine Aggregationsregel erfüllen zugleich Bedingungen A&B&C alle Regeln alle A-Regeln alle B-Regeln alle C-Regeln kein Überlapp = keine A&B&C-Regel Bemerkung: Durch Bedinungen an die Aggregationsregel schränkt man die Zahl der möglichen Regeln dramatisch ein. Bsp: ¾ binäres Entscheidungsproblem unter n = 10 Personen ¾ jede Person hat 2 mögliche Inputs, und es gibt zwei mögliche Outputs ¾ es gibt bereits 2 hoch (2 hoch n) Aggregationsregeln, d.h. so viele: 179769313486231590772930519078902473361797697894230657 273430081157732675805500963132708477322407536021120113 879871393357658789768814416622492847430639474124377767 893424865485276302219601246094119453082952085005768838 150682342462881473913110540827237163350510684586298239 947245938479716304835356329624224137216 ¾ das sind weit mehr als es Atome in Universum gibt ¾ May‘s Theorem zeigt: stellt man lediglich vier Bedingungen, so bleibt genau eine Prozedur übrig (die Mehrheitsregel) Beweise in der social choice Theorie Unterschiedliche Typen von Theoremen können bedürfen unterschiedlicher Beweistechnicken: Seien A, B, ... Bedingungen/Axiome an die Aggregationsregel (z.B. Anonymität) 1. Characterisiertungssätze (z.B. May‘s Theorem; siehe Fall 1) Allgemeine Form: „Die Aggregationsregel F* ist die einzige Aggregationsregel mit den Eigenschaften A, B, ....“ Beweistechnik (in zwei Schritten): (i) Man zeigt, dass F* die Eigenschaften A, B, ... erfüllt (oft einfach; z.B. ist es in May‘s Theorem offensichtlich, dass die Mehrheitsregel alle Bedingungen erfüllt). (ii) Man nimmt an, F sei eine Aggregationsregel mit den Eigenschaften A, B, ... ist, und zeigt, dass F = F* gilt (oft weniger einfach). 2. Möglichkeitssäte (siehe Fall 1 oder 2) Allgemeine Form: „Es existiert eine Aggregationsregel mit den Eigenschaften A, B, ...“ Beweistechnik (konstruktiver Beweis): Æ Man definiert eine Aggregationsregel F und zeigt, dass sie jede der Eigenschaften A, B, ... erfüllt. 3. Unmöglichkeitssatz (Fall 3) Allgemeine Form: „Es existiert keine Aggregationsregel mit den Eigenschaften A, B, ...“ Beweistechnik (Widerspruchsbeweis): Æ Man nummt an, F sei eine Aggregationsregel, die A, B, ... erfüllt, und leitet einen Widerspruch her. C. Einführung in die Präferenzenaggregation (PA) und Wohlfahrtsökonomie Bemerkung: Ich werde keine konkreten Theoreme besprechen, um Ihre Vorträge nicht vorwegzunehmen • Das Modell der PA • Zwei Beispiele von Aggregationsregeln • Was „sind“ individuelle Präferenzen? • Was „sind“ kollektive Präferenzen? • Unterschiedliche Aggregationsregeln für unterschiedliche Inhalte der Inputs und Outputs • Optionenraum: zwei Interpretationen • Rationale Präferenzen • Bedingungen an die Aggregationsregel • Wohlfahrtsökonomie, kardinale Input-Information Das Modell der PA Wir betrachten: ¾ eine Gruppe von n Personen 1, ..., n (n ≥ 2) ¾ eine (nicht-leere) Menge X von Alternativen (Optionen), vor die die Gruppe gestellt ist (Kandidaten, Maßnahmen, Gesellschaftszustände, ...) ¾ Der Optionenraum X ist exklusiv (höchstens eine der Optionen ist möglich) und erschöpfend (es gibt keine anderen Optionen); also muss genau eine der Optionen muss ergriffen werden Individuelle Präferenzen: ¾ Für Optionen x, y in X schreiben wir „xRiy“ falls Person i x (schwach) gegenübereriert y präferiert, kurz wenn Person i x mindestens so gut wie y findet. ¾ Formal: jedes Individuum i = 1, ..., n hat eine Präferenzrelation Ri ¾ Ri ist eine binäre Relation auf X (d.h. eine Menge von Paaren (x, y) ∈ X × X, wobei xRiy eine Abkürzung für (x, y) ∈ Ri ist). Eine strikte Präferenzrelation Pi und eine Indifferenzrelation Ii werden wie folgt aus der schwachen Präferenzrelation Ri definiert: xPiy (x (strikt) besser als y) :⇔ [xRiy und nicht yRix] (x mind. so gut wie y und y nicht mind. so gut wie x) xIiy (x genauso gut wie y) :⇔ [xRiy und yRix] (x mind. so gut wie y und y mind. so gut wie x) (Umgekehrt könnte man schwache Präferenzen nicht aus strikten Präferenzen definieren; deshalb betrachtet man schwache Präferenzen als den primitiven Begriff und strikte Präferenzen und Indifferenzen als abgeleitete Begriffe.) Ziel: kollektive Präferenzen finden (manchmal nur: eine Option x in X finden, die „Entscheidung“) ¾ Für Optionen x, y in X schreiben wir „xRy“ falls das Kollektiv x (schwach) gegenübereriert y präferiert, kurz wenn x mindestens so gut ist wie y (aus Sicht der Gruppe) ¾ Formal: R ist (wie jedes Ri) eine binäre (Präferenz-)relation auf X ¾ Aus R erhält man wieder eine (kollektive) strikte Präferenzrelation P und eine (kollektive) Indifferenzrelation I (analog zu Pi und Ii) (Präferenz-)aggregationsregeln: Eine (Präferenz-)aggregationsregel ist eine Funktion F, die für jedes Profil (R1, R2, ..., Rn) individueller Präferenzrelationen (in einem Bereich zulässiger Profile) eine kollektive Präferenzordnung R = F(R1, R2, ..., Rn) spezifiziert Profil individueller Präferenzordgungen (R1, R2, ..., Rn) Aggregationsregel F z.B. CondorcetRegel, Borda Regel, ... kollektive Präferenzrelation R = F(R1, R2, ..., Rn) Bemerkung: Manchmal verwendet PA andere In- und Outputs: - i‘s Input ist nicht Präferenzrelation Ri, sondern i‘s Lieblingsoption xi ∈ X, oder die Menge Gi ⊆ X der von i „gebilligten“ Optionen - der Output ist nicht kollekt. Präferenzrelation R, sondetn z.B. siegreiche Option x ∈ X. Zwei Beispiele von Aggregationsregeln Folgende zwei Aggregationsregeln wurden ¾ von französ. Theoretikern im 18. Jahrhundert gefunden (Marquis de Condorcet und Compte de Borda) ¾ durch „Probieren“, da axiomatische Methode erst mit Arrow kam Bsp. 1: Condorcet Regel (= paarweise Mehrheitsregel) Definiere die kollektive Präferenzrelation R = F(R1, R2, ..., Rn) so: xRy :⇔ [Zahl an Personen i mit xRiy] ≥ [Zahl an Personen i mit yRix] (für beliebige Optionen x, y in X) Problem (Condorcet‘s Paradox). Bei mind. 3 Individuen und mind. 3 Optionen kann die Condorcet Regel zyklische kollektive Präferenzen generieren. Betrachte Optionen x, y, z und ein Profile, in dem - 1/3 der Individuen x über y über z präferiert - 1/3 der Individuen y über z über x präferiert - 1/3 der Individuen z über y über x präferiert Dann gilt: - eine Mehrheit präferiert x über y; also xPy - eine Mehrheit präferiert y über z; also yPz - eine Mehrheit präferiert z über x; also zPx Ein Zyklus! Formal: Die kollektiven Präferenzen verletzten Transitivität (s.u.) Bsp. 2: Borda Regel - Wir setzen voraus, es gibt k := |X| < ∞ Optionen, und die Profile (im Bereich der Regel) bestehen aus linearen Präferenzordnungen. - Der (Borda-)Rang einer Option in einer (linearen) Präferenzordnung ist so definiert: die meistpräferierteste Option Borda-Rang n, die zweit-meist-prärerierte Option Borda-Rang n – 1, ..., die am wenigsten präferierte Option Borda-Rang 1. Æ Sei bRi(x) der Borda-Rang von Option x in Präferenzrelation Ri. Definiere nun die kollektive Präferenzrelation R = F(R1, R2, ..., Rn) so: xRy :⇔ bR1(x)+ bR2(x) + ... + bRn(x) ≥ bR1(y)+ bR2(y) + ... + bRn(y) (x hat einen mind. so hohen summierten Borda-Rang wie y) Frage: Wie ordnet R die Optionen x, y, z im vorigen Profil (in dem die Condorcet Regel den Zyklus xPyPzPx erzeugt)? Æ wenn X nur x, y, z enthält? Æ wenn X mehr Optionen enthält? Problem: Der Ausgang ist durch „agenda setters“ manipulierbar, da sich die kollektive Präferenz zwischen x und y umkehren kann durch das Hinzufügen oder Herausnehmen anderer Optionen. Was „sind“ individuelle Präferenzen? Der Gegenstand der Aggregation in der PA sind Präferenzen. Selten gestellte Fragen (aber Amartya Sen stellt sie!): Was aber sind Präferenzen? Was drücken sie aus? Bsp: Ein Obdachloser in der Fußgängerzone bittet Sie um eine Münze. Sie haben zwei Optionen: „Münze geben“ und „keine Münze geben“ Fragen an Sie: Welche Option präferiert der Bettler (d.h. will er, hätte er lieber)? Welche Option ist im Interesse des Bettlers? Und falls er trinkt? Welche Option ist in Ihrem Interesse? Welche Option präferieren Sie (und werden Sie daher wählen)? Man könnte definieren: eine Präferenz ist - eigeninteressiert (überspitzt: egoistisch), falls sie sich am Eigeninteresse orientiert - fremdinteressiert (überspitzt: altruistisch), falls sie sich am Interesse anderer orientiert Man könnte viele andere Fragen stellen, etwa: Welche Option macht den Bettler glücklicher? Kurzfristig? Lanfristig? Und wenn er trinkt? Welche Option erhöht die Wohlfahrt des Bettlers? (vielleicht dieselbe Frage wie „wlche Option ist im Interesse des Bettlers?“) Kurzfristig? Langfristig? Und wenn er trinkt? Welche Option macht Sie glücklicher? Kurzfristig? Lanfristig? Welche Option ist besser für Sie und ihn zusammen? Welche Option ist besser für die Volkswirtschaft? Welche Option ist besser für die Menschheit? Welche Option ist besser? (etwas unklar, was „besser“ heißt) Welche Option ist moralischer? (vielleicht dieselbe Frage wie zuvor) Welche Option sollten Sie wählen? (vielleicht wieder dieselbe Frage) Nicht nur Präferenzen kann man durch binäre Relationen darstellen! Æ Ist Ri i‘s Präferenzrelation, so bedeutet xRiy „i präferiert x (schwach) über y“, d.h. „i will x (schwach) mehr als y“ Æ Ist Ri i‘s Interessensrelation, so bedeutet xRiy „x ist (schwach) mehr im Interesse von i als y“ Æ Stellt Ri i‘s kurzfristiges Glück dar, so bedeutet xRiy „i ist kurzfristig (schwach) glücklicher unter x als unter y“ Æ Stellt Ri i‘s lanfristiges Glück dar, so bedeutet xRiy „i ist lanfristig (schwach) glücklicher unter x als unter y“ Æ Stellt Ri i‘s Urteil über das Kollektivinteresse dar, so bedeutet xRiy „i meint, dass x (schwach) mehr im Interesse der Gruppe ist als y“ Æ Stellt Ri i‘s ethisches Urteil dar, so bedeutet xRiy „i findet x (schwach) ethisch besser als y“ Æ ... Also kann eine Person i eine ganze Reihe von binären Relationen auf dem Alternativenraum haben: - i‘s Präferenzrelation RiPräferenz, - i‘s Interessensrelation RiInteresse, - i‘s lanfristige Glücksrelation Rilangfr. Glück, - i‘s kurzfristige Glücksrelation Rikurzfr. Glück, - die Relation für i‘s Urteile über Kollektivinteresse RiKollektivinteresse, - i‘s ethische Urteilsrelationan Rieth. Urteil (stellt i‘s ethische Urteile dar) - ... Motivationen hinter Präferenzen Wonach orientiert sich Person i‘s Präferenz (d.h. i‘s Willen)? - Ist es i‘s Eigeninteresse, so gilt RiPräferenz = RiInteresse („was i will = was in i‘s Interesse ist“... so ein Egoist!) - Ist es i‘s lanfristiges Glück, so gilt RiPräferenz = Rilangfr. Glück („was i will = was i‘s langfristigen Glück dient“) - Ist es i‘s kurzfristiges Glück, so gilt RiPräferenz = Rikurzfr. Glück, - Ist es i‘s ethisches Urteil, so gilt RiPräferenz = Rieth. Urteil (,,, guter Mensch) - Ist es eine Mischung aus Motivationen (Regelfall!), so ist RiPräferenz eine Mischung aus diversen Relationen Bemerkung: 1. Der Terminus „Präferenz“ wird oft anders verwendet als bei uns: ¾ er wird entweder völlig unspeziefisch verwendet ¾ oder gleichgesetzt mit Privatinteresse (oft mit der impliziten Annahme/Behauptung, dass das „Gewollte“ notwendig mit dem „im eigenen Interesse Liegende“ übereinstimmt... siehe weiter unten!) 2. Unsere Definition „Präferieren = Wollen = Lieber Haben“ hat Vorteile: ¾ sie entspricht dem normal Sprachgebrauch ¾ sie steckt (implizit) als Voraussetzung in der Standard-Analyse von strategischem Wählen (diese setzt voraus, dass Person i Optionen umso lieber hat, je höher sie in i‘s Präferenzrelation Ri liegen) Zur häufigen Behauptung „ich präferiere = es ist in meinem Interesse“: Frage: wenn ich einem Bettler eine Münze gebe (ich also „Münze geben“ über „Münze behalten“ präferiere), ist „Münze geben“ dann auch in meinem Eigeninteresse? Antwort (Amartya Sen): Es kann, muss aber nicht. Æ Im Fall von Mitgefühl („sympathy“) ist Eigeninteresse im Spiel (des Bettler‘s Freude wird zu meiner Freude) Æ Im Fall von Engagement („commitment“) kann es gegen mein Interesse sein (man fühlt nicht immer mit...) Æ Auch wenn „Münze geben“ im Eigeninteresse liegt, muss man nicht aus Eigeninteresse gegeben haben: man kann es aus Engagement tun. Was „sind“ kollektive Präferenzen? Auch die Output-Relation R = F(R1, R2, ..., Rn) (= Output der Aggregationsregel) kann unterschiedlich interpretiert werden: Æ Ist R eine kollektive Präferenzrelation, so bedeutet xRy „die Gruppe präferiert x (schwach) über y“, d.h. sie „will x (schwach) mehr als y“ Æ Stellt R das Kollektivinteresse dar, so bedeutet xRy „x ist (schwach) mehr im Kollektivinteresse als y“, kurz „x ist (schwach) besser für das Kollektiv als y“ Æ Stellt R ein ethisches Urteil dar, so bedeutet xRy „x ist (schwach) ethisch besser als y“ (kann vom Kollektivinteresse abweichen: Regenwaldabholzung könnte im Kollektivinteresse der Brasilianer liegen, aber ethisch schlecht sein). Motivation hinter kollektiven Präferenzen: Was ist für kollektive Präferenz ausschlaggebend? - Das Kollektivinteresse? („Gruppenegoismus“) - ein ethisches Urteil? Unterschiedliche Aggregationsregeln für unterschiedliche Intalte der Inputs und Outputs Auch wenn man in der PA immer von „Präferenzen“ spricht (schon im Wort „Präferenzaggregation“), lassen sich die Resultate der PA auf jede Interpretation der indiv. binären Relationen Ri im Profil anwenden: ¾ Ri kann eine Präferenzrelation darstellen, oder eine (Eigen)interessensrelation, oder eine Glücksrelation, oder eine Zufriedenheitsrelation, oder eine „(moralische) Urteils“-Relation, ... ¾ wenn Ri i‘s Präferenzrelation darstellt, so kann die Motivation für die Präferenz viele Formen annehmen kann (Eigeninteresse, Altruismus, moralisches Urteil, ...) Selbiges gilt für die Interpretation der kollektiven binäre Relation R: ¾ R kann eine kollektive Präferenzrelation darstellen, oder eine Kollektivinteresserelation, oder eine kollektive Wohlfahrtsrelation, oder eine „(moralische) Urteils“-Relation, ... ¾ wenn R eine kollek. Präferenzrelation darstellt, kann die Motivation viele Formen annehmen kann (Gruppeninteresse, moralisches Urteil, ...) Also kann man unterschiedliche Aggregationsprobleme betrachten: - individuelle Interessen zu Gruppeninteressen aggregieren - individuelle Interessen zu Gruppenpräferenzen aggregieren - indiv. Urteile (ethische oder über Gruppeninteresse) zu kollektiven Urteilen aggregieren - indiv. Urteile zu Gruppenpräferenzen aggregieren - etc. Formal sind dies dieselben Aggregationsprobleme, da Inputs und Outputs jeweils binäre Relationen sind, denen man die „Bedeutung“ nicht ansehen kann Interpretatorisch unterscheiden sie sich aber Die Frage, welche Aggregationsregel geeignet ist, hängt vom Typ von der Interpretation der Intputs/Outputs ab! Beispiel: Die Condorcet-Regel (paarweise Mehrheitsentscheidung) ist ¾ denkbar etwa zur Aggregation von individuellen Urteilen zu Gruppenpräferenzen ¾ problematisch zur Aggregation von individuellen Interessen zu Gruppenpräferenzen. Betrachte_ - einen Gesellschaftszustand x, - einen zweiten Gesellschaftszustand x, der aus x hervorgeht indem man dem Ärmsten alles wegnimmt und unter den Übrigen verteilt. Æ Für eine Mehrheit (nämlich alle außer dem Ärmsten) ist y von strikt höherem Interesse als x Æ also würde lt. Condorcet-Regel y über x gesesschaftlich strikt präferiert (xPy)! Alternativenraum: 2 Interpretationen Der Optionenmenge X kann in zwei Weisen interpretiert werden: Fall 1: X ist eine Menge tatsächlicher Alternativen (Agenda) ¾ X ist eine Menge, aus der tatsächlich ein Element nach belieben ausgewählt werden kann: Menge von Kandidaten, Maßnahmen, Urlaubsziele, ... ¾ Die kollektive Präferenzrelation R = F(R1, R2, ..., Rn) dient einer konkreten, evtl. einmaligen Entscheidungssituation ¾ (Als Output der Regel würde hier eigentlich eine einzige Option genügen statt der Präferenzrelation R) Fall 2: X ist eine Menge hypothetischer Alternativen ¾ X besteht aus (oft unendlich vielen) Alternativen, die es gilt zu vergleichen obwohl man sie u.U. nicht herbeiführen kann: Menge von Gesellschaftszuständen, Einkommensverteilungen, ... ¾ Die kollektive Präferenzrelation R = F(R1, R2, ..., Rn) dient als lanfristige Richtlinie für kollketives (politisches) Handeln und Planen. Beispiel: - X besteht aus allen denkbaren Gesellschaftszuständen - Gegenwärtig befindet sich die Gesellschaft in einem der Zustände in X - Ziel der Politik: die Gesellschaft entlang der Präferenzrelation R nach oben zu bewegen. ¾ Konkrete Entscheidungssituationen bestehen im Wählen zwischen manchen der Alternativen in X. Æ Agend ist Teilmengen von X, aus der bestes Element gemäß R zu wählen ist. Rationale Präferenzen Häufige Rationalitätsbedingen an eine Präferenzrelation R: Reflisivität: für alle x in X gilt: xRx (jede Option is mindestens so gut wie sie selbst) Transitivität: für alle x, y, z in X gilt: wenn xRy & yRz dann xRz Vollständigkeit: für alle unterschiedlichen x, y in X gilt: xRy oder yRx (niemals „keine“ Präferenz zw. untersch. Optionen) R heißt Ordnung, falls R reflexiv, transitiv und vollständig ist. Um Beweise zu vereinfachen, wird manchmal wird auch verlangt (eigentlich kein Rationalitätserfordernis): Anti-Symmetrie: für alle unterschiedlichen x, y in X gilt: wenn xRy dann nicht yRy (niemals Indifferenz zw. untersch. Optionen) R heißt lineare Ordnung, falls R eine anti-symmetrische Ordnung ist. Aufgaben: 1. Wenn die Präferenzrelation R eine Ordnung ist, so ist die zuhehörige strikte Präferenzordnung P eine strikte Ordnung, d.h. irreflexiv, transitiv und vollständig, wobei: Æ P heißt irreflexiv, falls für alle x ein X gilt: nicht xPx. 2. Wenn die Präferenzrelation R eine lineare Ordnung ist, so ist die zugehörige strikte Präferenzrelation P eine strikte lineare Ordnung, d.h. eine anti-symmetrische strikte Ordnung. Bedingungen an die Aggregationsregel In der axiomatischen Methode formuliert man Bedingungen an die Aggregationsregel F: ¾ Output-Bedindungen: legen (Rationalitäts-)Eigenschaften der kollektiven Präferenzrelation fest. Bsp: Kollektive Rationalität: For alle (zulässigen) Profile (R1, R2, ..., Rn) ist die kollektive Präferenzrelation F(R1, R2, ..., Rn) eine Ordnung. ¾ Input-Bedingungen: legen fest, welche Profile zulässig sein sollen, d.h. mögliche Inputs der Aggregationsregel sind. Formal: dies sind Bedingungen an den „(Definitions-)bereich“ von F. Bsp.: Universeller Bereich: Der Bereich von F ist die Menge aller Profile (R1, R2, ..., Rn), in denen jedes Ri eine Ordnung ist. (Æ keine Beschränkungen an Inputs außer Rationalität) ¾ Prozedurale Bedingungen: legen fest, wie Outputs und Inputs in Beziehung zueinander stehen, d.h. in welcher Weise kollektive Präferenzen von indiv. Präferenzen abhängen. Oft „Demokratie“Bedingungen. Bsp: Pareto-Effizienz: Für alle Optionen x, y in X und jedes (zulässige) Profil (R1, ..., Rn), wenn xPiy für jede Person i, dann xPy (Æ präferiert jede Person x über y, so präferiert die Gruppe x über y) Anonymität: Es gilt F(R1, ..., Rn) = F(Rπ(1), ..., Rπ(n)) (gleiche kollektive Präferenzen) für alle sich nur in der Reihenfolge der Inputs unterscheidenden (zulässigen) Profile (R1, ..., Rn) und (Rπ(1), ..., Rπ(n)) (wobei π : {1, ..., n} → {1, ..., n} irgendeine Permutation der Individuen ist). (Z.B. F(R1, R2, ..., Rn) = F(Rn, Rn – 1, ..., R1). (Æ alle Individuen werden gleich behandelt) Neutralität: Es gilt F(R1π, R2 π, ..., Rnπ) = F(R1, R2, ..., Rn)π für alle (zulässigen) Profile (R1, R2 , ..., Rn) und (R1π, R2 π, ..., Rnπ), wobei π : X → X irgend eine Permutation der Optionen ist und für jede Präferenzrelation R die „permutierte Relation“Rπ durch [xRπy ⇔ π(x)Rππ(y)] definiert ist. (Æ alle Alternativen werden gleich behandelt) Typische Fragen der social choice Theorie: ¾ Welche Bedingungen sollte man an eine Regel stellen? (normativ) ¾ Welche Bedingungen sind simultan erfüllbar, und durch welche Regel(n)? Æ Charakterisierungssätze Æ Möglichkeitssätze Æ Unmöglichkeitssätze Ein elementarer Charakterisierungssatz der PA (May‘s Theorem): Enthält X genau 2 Optionen, so erfüllt eine Wahlregel F Anonymität, Neutralität, positive Responsivität und universeller Bereich dann und nur dann, wenn F die Mehrheitsregel ist. Berühmtester Unmöglichkeitssatz der PA (Arrow‘s Theorem): Enthält X mindestens 3 Optionen, so existiert keine Aggregationsregel F, die Pareto-Effizienz, Nicht-Diktatur, Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen, universaller Bereich und Kollektive Rationalität erfüllt. Wohlfahrtsökonomie, kardinale Wohlfahrtsinformation Nehmen wir an: - X besteht aus Gesellschaftszuständen (z.B. Einkommensverteilungen) - Ri ist i‘s Wohlfahrtsordnung, und R = F(R1, R2, ..., Rn) ist die gesellschaftliche Wohlfahrtsordnung Bemerke: Folgende interessante Entscheidungsregeln lassen sich im obigen Modell nicht definieren: Utilistarismus: maximiere die Summe der individuellen Wohlfahrten Æ Problem: im Profil (R1, R2, ..., Rn) ist individuelle Woblfahrt nicht quantifiziert, da nur ordinale Wohlfahrtsinformation Rawlsianismus: maximiere das Wohl des Individuums mit dem geringsten Wohlfahrt Æ Problem: das Profil (R1, R2, ..., Rn) enthält nur intrapersonale Wohlfahrtsvergleiche; wir bräuchten aber interpresonelle Vergleiche Egalitarismus: minimiere die Ungleichheit Æ selbes Problem wie beim Rawlsianismus Diese Probleme lassen sich lösen, indem man die kollektive Wohlfahrtsordnung R nicht als Funktion individueller Wohlfahrtsordnungen Ri sondern als Funktion individueller Wohlfahrtsfunktionen W : X → R. Eine Wohlfahrtsfunktion Wi ordnet jedem Gesellschaftszustand x ∈ X i‘s Wohlfahrtsniveau in x zu, Wi(x). ¾ ein schlechter Proxi für Wohlfahrt: Wi(x) = i‘s Kaufkraft in x ¾ Amartya Sen: Wi(x) sollte auch Information über i‘s Selbstbestimmung in x aufnehmen Utilistarismus (maximiere die Summe der individuellen Wohlfahrten): xRy ⇔ W1(x) + ... + Wn(x) ≥ W1(y) + ... + Wn(y) Rawlsianismus (maximiere das Wohl des Individuums mit dem geringsten Wohlfahrt): xRy ⇔ min{W1(x), ..., Wn(x)} ≥ min{W1(y), ..., Wn(y)}. Egalitarismus (minimiere die Ungleichheit): xRy ⇔ u(W1(x), ..., Wn(x)) ≤ u(W1(y), ..., Wn(y)), wobei u(w1, ..., wn) ein Ungleichheitsmaß ist. Bsp 1: u(w1, ..., wn) ist die mittlere absolute Abweichung u(w1, ..., wn) := (|w1 – w*| + ... + |wn – w*|)/n von der mittleren Wohlfahrt w* := (w1 + ..., + wn)/n. Bsp. 2: u(w1, ..., wn) ist die Varianz von w1, ..., wn, d.h. die mittlere quadratische Abweichung u(w1, ..., wn) := ((w1 – w*)2 + ... + (wn – w*)2)/n von der mittleren Wohlfahrt w* := (w1 + ..., + wn)/n. D. Einführung in die Urteilsaggregation (UA) 1. 2. 3. 4. 5. 6. Urteilsaggregation vs. Präferenzaggregation Beispiele für UA Das Modell der UA Beispiele von Aggregationsregeln Bedingungen an Aggregationsregeln Formale Logik Urteilsaggregation vs. Präferenzaggregation • Beide Modelle (PA und UA) betrachten eine Gruppe (Landesbevölkerung, Regierung, Expertengremium, Unternehmensvorstand, ...) • PA: die Gruppe sucht kollektive Präferenzen über Alternativen Æ Alternativen sind exklusiv und erschöpfend, d.h. genau eine kann realisiert sein • UA: die Gruppe sucht kollektive Urteile („Ja“ oder „Nein“) auf Propositionen Æ Propositionen sind i.a. logisch verknüpft; mehrere von ihnen können zugleich wahr sein Beispiele für UA Folgende Beispiele illustrieren die Allgemeinheit des Modells der UA: ¾ kollektive Meinungen bilden (wie ist die Welt?) ¾ kollektive Werte bilden (wie wollen wir, dass die Welt ist?) ¾ kollektive Handlungen beschließen (was wollen wir tun?) ¾ kollektive Präferenzen über Alternativen bilden (wie in der PA!) Beispiel 1 Der Vorstand eines deutschen krisengeschüttelten Unternehmens berät die Sanierungsstrategie Über folgende Propositionen besteht Uneinigkeit a: Ein Werk soll geschlossen werden. b: Ein neues Werk soll in Osteuropa eröffnet werden. a ∧ b : Ein Werk soll geschlossen und ein neues in Osteurope errichtet werden. Jedes Vorstandsmitglied vertritt logisch konsistente Urteile, aber das Mehrheitsurteil ist inkonsistent: 1/3 des Vorstands (will restrukturieren) 1/3 des Vorstands (will gesundschrumpfen) 1/3 des Vorstands (vertritt Arbeitnehmer) Mehrheit a ja ja nein ja b ja nein ja ja a∧b ja nein nein nein Beispiel 2 Ein Expertengremium ist sich darüber uneinig, welche der folgenden wissensch. Propositionen zutreffen. a: Der jährliche CO2-Ausstoß lieget über der Grenze X. b: Die Klimaerwärmung wird sich verstärkt fortsetzen a → b : Wenn der jährliche CO2-Ausstoß über der Grenze X liegt, dann wird sich die Klimaerwärmung verstärkt fortsetzen 1/3 der Experten 1/3 der Experten 1/3 der Experten Mehrheit a ja ja nein ja a→b ja nein ja ja b ja nein nein nein Wieder sind die Mehrheitsurteile inkonsistent, trotz konsistenter individueller Urteile! Beispiel 3 Die 3-köpfige Regierung eines bedrohten Staates will sich über die Anti-Terrorismus-Politik einigen. Man streitet über folgende Propositionen: a: Country X has weapons of mass destruction b: Action Y should be taken against country X b ↔ a : Action Y should be taken against country X if and only if country X has weapons of mass destruction Kollektive Inkonsistenz unter Mehrheitsentscheidung: Regierungsmitglied 1 Regierungsmitglied 2 Regierungsmitglied 3 Mehrheit a b↔a b yes no no no yes yes no yes yes no yes yes Exemple 4 (PA als Spezialfall von UA) Eine 3-köpfige Gruppe such eine kollektive Ordnung der Menge von Alternativen Y = {x, y, z} (Kandidated, Maßnahmen, ...), basierend auf die individuellen Ordnungen der 3 Personen. Æ um dies als UA zu modellieren, betrachten wir folgende Propositionen einer Prädikatenlogik mit Konstanten x, y, z, einer binären Relation R, und variablen v1, v2 , ... : ¾ 6 Orenungspropositions: xRy : x ist mind. so gut wie y yRz : y ist mind. so gut wie z zRx : z ist mind. so gut wie x yRx : y ist mind. so gut wie x zRy : z ist mind. so gut wie y xRz : x ist mind. so gut wie z ¾ 3 Axiome, die sicherstellen, dass R eine Ordnung ist: Reflixivität ∀v1 (v1Rv1) : ∀v1 ∀v2 ∀v3 ((v1Rv2 ∧ v2Rv3 ) → v1Rv3) : Transitivität ∀v1 ∀v2 ((v1 ≠ v2 ∧ ¬(v1Rv2)) → v2Rv1) : Vollständigkeit ¾ 2 Axiome, die die Entscheidungssituation beschreiben: x≠y∧y≠z∧x≠z: Die Optionen sind exklusiv Die Optionen sind erschöpfend ∀v1 (v1 = x ∨ v1 = y ∨ v1 = z) : Die Personen: ¾ haben Urteile über die Rangpropositionen (Æ entsrpicht Präferenzen) ¾akzeptieren alle Axiome xRy yRz zRx yRx zRy xRz Person 1 ja ja nein nein nein ja Person 2 nein ja ja ja nein nein Person 3 ja nein ja nein ja nein Mehrheit ja ja ja nein nein nein jedes Axiom ja ja ja ja ¾ Die Mehrheitsurteile auf den 6 Ordnungspropositionen widersprechen logisch den einstimmigen Urteilen auf den Axiomen ¾ Dies ist das Condorcet Paradoxon, ausgedrückt als logische Inkonsistenz unter der Mehrheitsregel Das Modell der UA • Eine Gruppe von n Personen 1, 2, ..., n (n ≥ 2). • Eine „Agenda“ X von (zu beurteilenden) Propositionen; formal ist X eine (nicht-leere) Menge von Propositionen, ausgedrückt in formaler Logik, so dass (i) X keine doppelt-negierten Propositionen enthält (¬¬p), (ii) X die Vereinigung von Propositions-NegationsParren {p,¬p} ist. Im Bsp. 1: X = {a, ¬a, b, ¬b, a ∧ b, ¬(a ∧ b)} Im Bsp. 2: X = {a, ¬a, a → b, ¬(a → b), b, ¬b} Im Bsp. 3: X = {a, ¬a, b ↔ a, ¬(b ↔ a), b, ¬b} Im Bsp. 4: X = {xRy, ¬(xRy), yRx, ¬(yRx), yRz, ¬(yRz), zRy, ¬(zRy), zRx, ¬(zRx), xRz, ¬(xRz)} (man kann auchdie Axiome in die Agenda aufnehmen, falls man sie endogenisieren will statt sie als exogen gegeben anzunehmen) • Eine Urteilsmenge ist eine Untermenge A der Agenda X; „p ∈ A“ bedeutet „p ist akkeptiert/geglaubt“ • Ein Profil ist ein Vektor (A1, A2, ..., An), die die Urteilsmengen der Personen 1, 2, ..., n enthält. • Eine Aggregatiosnregel ist eine Funktion F, die jedem Profil (A1, ..., An) (aus einer Menge zulässiger Profile) eine (kollektive) Urteilsmenge A = F(A1, ..., An) zuordnet. Profil individueller Urteilsmengen (A1, A2, ..., An) Aggregationsregel F kollektive Urteilsmenge A = F(A1, A2, ..., An) Beispiele von Aggregationsregeln: ¾ Mehrheitsregel: F(A1, ..., An) = {p ∈ X : mehr Personen i haben p ∈ Ai als p ∉ Ai}. ¾ Dictator durch Person j: F(A1, ..., An) = Aj. ¾ Im Bsp. 3 mit der Agenda X = {a , ¬a, b , ¬b, a ∧ b, ¬(a ∧ b)} ist die Prämissenbasierte Prozedur (bei ungerader Gruppenzahl n) so definiert - F(A1, ..., An) enthält eine „Prämisse“ (a, b, ¬a, ¬b) genau dann, wenn sie in der Mehrheit der Urteilsmengen A1, ..., An liegt (Mehrheitsvotum auf den Prämissen!) - F(A1, ..., An) enthält eine „Schlussfolgerung“ (a ∧ b, ¬(a ∧ b)) genau dann, wenn sie logisch von den akzepzierten Prämissen impliziert wird (kein Votum auf den Schlussfolgerungen!). Rationalität Zur Erinnerung: In der PA wird Rationalität durch Bedingungen an die Präferenzrelation, wie Transitivität, Reflixivität dargestellt. In der UA heißt eine Urteilsmenge A (⊆ X) - vollständig wenn A eine Proposition aus jedem Paar p,¬p ∈ X enthält („keine Enthaltungen“); - konsistent wenn A logisch konsistent ist (im Sinne der verwendeten Logik) - voll rational wenn A vollständig und konsistent ist ¾ Die Mehrheitsregel generiert oft inkonsistente kollektive Urteilsmengen generieren (siehe Beispiele) ¾ Eine Diktatur hat dieses Problem nicht, ist aber undemokratisch Bedingungen an Aggregationsregeln Wieder kann man die typischen Fragen der axiomatischen social choice Theorie stellen: ¾ Welche Bedingungen sollte eine Aggregationsregel erfüllen? (normatif) ¾ Welche Bedingungen sind simultan erfüllbar, und durch welche Aggregationsregel(n)? (logique) Die Antworten auf solche Fragen sind oftmals reichhaltiger in der UA als in der PA: ¾ denn in der UA hat die Agenda mehr Struktur: nicht nur die Grüße der Agenda zählt, sondern auch die Art von logischen Beziehungen zwischen den Propositionen: welche Propositionen werden von welchen anderen Propositionen impliziert, etc. ¾ Output-Bedindungen: legen (Rationalitäts-)Eigenschaften der kollektiven Urteilsmenge fest. Bsp: Kollektive Rationalität: For alle (zulässigen) Profile (A1, A2, ..., An) ist die kollektive Urteilsmenge F(A1, A2, ..., An) voll rational (d.h. vollständig und konsistent). ¾ Input-Bedingungen: legen fest, welche Profile zulässig sein sollen, d.h. mögliche Inputs der Aggregationsregel sind. Dies sind Bedingungen an den „(Definitions-)bereich“ von F. Bsp.: Universeller Bereich: Der Bereich von F ist die Menge aller Profile (A1, A2, ..., An), in denen jede Urteilsmenge Ai voll rational istt. (Æ keine Beschränkungen an Inputs außer Rationalität) ¾ Prozedurale Bedingungen: legen fest, wie Outputs und Inputs in Beziehung zueinander stehen, d.h. in welcher Weise kollektive Urteilsmengen von individuellen Urteilsmengen abhängen. Einstimmigkeitsprinzip (entspricht Pareto-Effizienz): Für jede Proposition p in X und jedes (zulässige) Profil (A1, ..., An), wenn p ∈ Ai für jede Person i, dann p ∈ F(A1, ..., An) (Æ akzeptiert jeder eine Proposition, so akzeptiert sie das Kollektiv) Anonymität: Es gilt F(A1, ..., An) = F(Aπ(1), ..., Aπ(n)) (gleiche kollektive Urteilsmenge) für alle sich nur in der Reihenfolge der Inputs unterscheidenden (zulässigen) Profile (A1, ..., An) und (Aπ(1), ..., Aπ(n)) (wo π : {1, ..., n} → {1, ..., n} irgendeine Permutation der Individuen ist). (Æ alle Individuen werden gleich behandelt) Für jede Urteilsmenge setzen wir A(p) = 1 falls p ∈ A und A(p) = 0 falls p ∉ X (A(p) stellt das Urteil über p dar). Dies ist eine sehr starke (zu starke) Forderung an die Aggregationsregel): Systematik: Es gibt eine Funktion M : {0,1}n → {0,1} (die „Entscheidungsregel“), so dass für jedes (zulässige) Profil (A1, ..., An) und jede Proposition p in X gilt F(A1, ..., An)(p) = M(A1(p), ..., An(p)). Systematik besagt, dass das kollektive Urteil über p aus den individuellen Urteilen über p hergeleitet wird unter Verwendung der Entscheidungsregel M. Mehrheitsregel: M(t1, ..., tn) =1 genau dann, wenn t1 + ... + tn > n/2. Einstimmigkeitsregel: M(t1, ..., tn) = 1 genau dann, wenn t1 = ... = tn = 1. Diktatur durch Person j: M(t1, ..., tn) = tj Erstes Unmöglichkeitstheorem der UA (List et Pettit 2002) Ist die Agenda X „nicht-simpel“, so existiert keine systematische und anonyme Aggregationsregel mit universellem Bereich. ¾ Unmöglichkeitssätze sind logisch umso stärker, je schwächer die Bedingungen an die Aggregationsregel sind. ¾ Im obigen Theorem lässt sich Anonymität zu Nicht-Diktatur abschwächen: Theorem (Dietrich 2003) Ist die Agenda X schwach zusammenhängend, so existiert keine systematische und nichtdiktaturiale Aggregationsregel mit universellem Bereich. Formale Logik ¾ Die Propositionen in der Agenda entstammen einer formalen Logik Æ damit der Konsistenz-Begriff formal wasserdicht ist. ¾ Die einfachste formale Logik ist die standard-propositionelle Logik Sprache (Syntax) der standard-propositionellen Logik - Wir nehmen an, eine Menge von atomaren Propositionen (Æ unzerlegbare Symbole) ist gegeben (a, b, c, ...) - Die Menge L aller Propositionen (atomar oder nicht-atomar) ist so definiert: L ist die (kleinste) Menge, so dass (i) L jede atomare Proposition enthält et (ii) wemm L Propositionen p und q enthält, so enthält L auch ¬p („nicht p“), (p ∧ q) („p und q“), (p ∨ q) („p oder q“) Semantik der standard-propositionellen Logik Eine Wahrheitsfunktionen ist eine Funktion v : L → {T,F}, die jeder Proposition den Wahrheitswert T (wahr) oder F (falsch) zuweist, so dass für alle p, q ∈ L gilt: (¬) v(¬p) = T genau dann wenn v(p) = F, (∧) v(p ∧ q) = T genau dann wenn v(p) = T und v(q) = T, (∨) v(p ∨ q) = T genau dann wenn v(p) = T und v(q) = T. Eine Menge von Propositionen A ist ¾ konsistent, falls eine Wahrheitsfunktion gibt, unter der alle Propositionen in A wahr sind (intuitiv: die Elemente von A können simultan war sein) ¾ impliziert eine Proposition p falls jede Wahrheitsfunktion, die jede Proposition in A wahr macht, auch p wahr macht (intuitiv: immer wenn alle Elemente von A wahr sind, ist auch p wahr) ¾ Es gibt viele formalen Logiken, mit unterschiedlicher Syntax und Semantik ¾ jedes konkrete UA-Problem bedarf einer Logik, in der die jeweiligen Propositionen repräsentiert werden können Æ Beispiel 1 kann in standard-propositioneller Logik dargestellt werden Æ Beispiel 4 bedarf einer Prädikatenlogik (da die Grundbausteine nicht einzelne Sätze sind, sondern Konstanten, Variablen und Relationen Æ Die Beispiele 2-3 bedürfen eigentlich einer Konditionallogik (oder Modallogik), um die bedingten Aussagen a → b and b ↔ a korrekt darzustellen Keine Angst! Man braucht nicht tief in die Einzelheiten verschiedener Logiken einzusteigen, um UA zu verstehen und darin zu arbeiten Denn: man kann in einem allgemeinen einfachen Modell arbeiten, das viele Logiken zugleich erfasst Das allgemeine Modell (siehe mein paper „Judgment aggregation in general logics“, 2004) Eine Logik (mit Negationsoperator ¬) ist ein Paar (L, ⇒), wobei: • L ist eine (nicht-leere) Menge von formalen Ausdrücken, genannt „Propositionen“, so dass wenn p ∈ L dann ¬p ∈ L (i.e. jede Proposition kann negiert werden) • ⇒ ist eine Relation zwischen Mengen von Propositionen A ⊆ L und Propositionen p ∈ L, genannt die Implikationsrelation; „A ⇒ p“ ließt sich „A impliziert p“ oder „p ist eine logische Konsequenz von A“ L definiert die Syntax und ⇒ die Semantik. Definition: Eine Menge A ⊆ L ist inkonsistent wenn es eine Proposition p ∈ L gibt, so dass A ⇒ p und A ⇒ ¬p; andernfalls ist A konsistent. Um interessante Resultate über UA herzuleiten, sind ein paar Bedingungen an die Logik unvermeidlich – aber interessanterweise auch schon genügend: (L1) Für jede p ∈ L gilt {p} ⇒ p (Propositionen implizieren sich selbst) (L2) (Monotonie) Für jede p ∈ L und A,B ⊆ L, wenn A ⇒ p und A ⊆ B dann B ⇒ p (eine Implikation bleibt erhalten, wenn weitere Prämissen hinzugefügt werden). (L3) Die leere Menge ∅ ist konsistent, und jede konsistente Menge A ⊆ L besitzt eine konsistente Obermenge B ⊆ L, die ein Element jedes Paars p,¬p ∈ L enthält. (Für manche Resultate sind noch zusätzliche Annahmen an die Logik erforderlich, wie die Nicht-Parakonsistenz und die Kompaktheit) • Zahlreiche Logiken erfüllen (L1)-(L3) (die standardpropositionelle Logik, Prädikatenlogiken, Modallogiken, Konditionallogiken, ...) • In realen Entscheidungsproblemen können die Propositionen i.d.R. in einer Logik der Form (L1)-(L3) werden • Also: (L1)-(L3) ist ein geeigneter Rahmen, um UA zu studieren. D. Grenzen der social Choice Theorie und Theorie der deliberativen Demokratie 1. Welche Probleme (von Gruppen) löst social choice Theorie nicht 2. Social choice Theorie vs. Theorie der deliberativen Demokratie Welche Probleme (von Gruppen) löst die social choice Theorie nicht In der social choice Theorie: • Das Profil wird als gegeben angenommen • Es wird einfach in die Aggregationsregel F „eingespeist“ Die social choice Theorie vernachlässigt also dies Fragen: • Wie kommt es eigentlich zu einem Profil? • D.h.: wie bilden sich Willen, Meinungen, Ziele, ... in der Gesellschaft? • Wie verändert sich ein Profil durch Ereignisse? • Wie verändert sich ein Profil durch Kommunikation, Diskussion, Presse, ...? Social choice Theorie vs. Theorie der deliberativen Demokratie Deliberative Demokratie: eine Theorie über den Effekt von Kommunikation, Diskussion und gegenseitige Beeinflussung/Überzeugung in der Gesellschaft Deliberation ¾ konfrontiert Menschen mit neuen Informationen und Askpekten ¾ eröffnet Menschen neue Argumente für oder gegen ihre Meinungen ¾ sensibilisiert Menschen für die Interessen anderer Menschen ¾ zwingt Menschen, ihre Urteile öffentlich zu verteidigen und rechtfertigen Dies führt zur ¾ Reflektion und Hinterfragung eigener Urteile/Präferenzen/etc. ¾ Veränderung der Urteile/Präferenzen/etc. in der Gesellschaft ¾ und zwar zur Konvergenz der Meinungen/Präferenzen/etc. Deliberative Demokratie: oft als Gegenstück zur social choic Th. gesehen da sie von der Veränderung der Urteile/Präferenzen/etc. handelt, während für die social choic Th. Urteile/Präferenzen/etc. exogen gegeben sind Klischee-Sicht: Æ social choice Th. hat „netagive“ Sicht, da sie von diffusen divergierenden Urteilen/Präferenzen/etc. ausgeht, und auf deren Basis die Unmöglichkeit von sinnvoller Aggregation zeigt Æ deliber. Demokratie hat „positive“ Sicht, da sie von Deliberation eine „Verbesserung“ der Meinungen/Präferenzen/etc. erwartett • • • Extremposition in der deliberativen Demokratie: Deliberation führt zu völliger Angleichung der Urteile/Präferenzen/etc. Social choice Theorie wird dann überflüssig, da sich die Aggregationsfrage nicht stell Denn: im Fall eines Profils (x1, x2, ..., xn) mit x1 = x2 = ... = xn = x kann x problemlos für die Gruppe als ganzes stehen (laut jeder „vernünftigen“ Aggregationsregel) Aber: ¾ In der Realität gibt es selten völlige Konvergenz zwischen den Individuen ¾ Also stellt sich die Aggregationsfrage weiterhin Æ social choice Theorie ist nicht überflüssig Im Gegenteil: beide Theorien ergänzen sich, da sie zwei unterschiedliche, aber voneinander abhängige Prozesse untersuchen: Profil vor Deliberation (im „Rohzustand“) unreflektierte, eigenfokussierte individuelle Urteile/Präferenzen/etc. Deliberation Profil nach Deliberation („gereiftes“ Profil) reflektierte, fremd-bewusste Urteile/Präferenzen/etc. Aggregationsregel (Wahlprozedur) kollektiver Output/Entscheidung (oft ein besserer Output als ohne vorherige Deliberation)