2.3 Temporale Aspekte und rationale Erwartungen (rev. Fassung)

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2.3 Temporale Aspekte und rationale Erwartungen (rev. Fassung)
In dem vorangegangenen Abschnitt wurden in einem Beispiel die Güterindices als Zeitindices
aufgefaßt. Dabei sind wir davon ausgegangen, daß die Nachfrage in den beiden Perioden
voneinander vollständig unabhängig ist. Dies ist zum Beispiel adäquat, wenn die
Nachfragegruppen in beiden Perioden völlig unterschiedlich sind und das Gut jeweils nur in einer
Periode nachfragen können. Im allgemeinen ist dies nicht eine sinnvolle Beschreibung der
Nachfragestruktur. Zumindest manche Konsumenten werden in beiden Perioden ein Gut
nachfragen oder zumindest entscheiden wollen, in welcher Periode sie das Gut konsumieren und
kaufen wollen. Sobald dies der Fall ist, hängt die Nachfrage nach den Gütern in einer Periode
aber i.d.R. von den Preisen in beiden Perioden ab.
Wir wollen uns hier die Frage stellen, ob in dieser Situation das Mehrproduktmodell aus 2.2 in
temporaler Interpretation sinnvoll ist. Die Antwort wird sein, daß dies nicht der Fall ist, wenn die
Konsumenten rationale Erwartungen haben.
Dazu reicht es, den Fall zu untersuchen, in dem die Kosten aus Vereinfachungsgründen gleich
Null gesetzt werden. Der Gewinn läßt sich dann bei einem Diskontfaktor von 1 als
p1 x1 ( p1 , p2 ) + p2 x2 ( p1 , p2 )
schreiben. Wenn nun ein Konsument über die Aufteilung seines Konsums auf die beiden Perioden
entscheiden will, wird er Erwartungen darüber bilden müssen, welcher Preis in der Periode 2
vorherrschen wird. Wir gehen davon aus, daß der Preis, den der Monopolist in der ersten
Periode verlangt, sofort bekannt wird. Kann ein solcher Konsument davon ausgehen, daß der
Preis in der Periode 2 der Monopolpreis aus 2.2 ist? Ein solcher Preis würde dann die Bedingung
erster Ordnung
p1
∂x1
∂x
+ x 2 ( p1 , p2 ) + p2 2 = 0
∂p2
∂p2
erfüllen. Dieser Preis wird bei Bruttosubstituten unter dem Preis liegen, der den Gewinn der
zweiten Periode p2 x2 ( p1 , p2 ) maximiert, weil mit einem hohen Preis in dieser Periode mehr
Konsumentennachfrage nach Periode 1 gelockt werden kann. Würde ein Konsument nun
glauben, daß der Monopolist in der Periode 2 einen Preis wählt, der die obige Bedingung erster
Ordnung erfüllt, so würde er sich enttäuscht sehen. Denn in Periode 2 wird der Monopolist
seinen Gewinn p2 x2 ( p1 , p2 ) in den Vordergrund stellen und bei gegebenem p1 diesen Gewinn
maximieren. Da bei den Preisen gemäß der obigen Bedingung
2
x 2 ( p1 , p2 ) + p2
∂x 2
<0
∂p2
gelten muß, wird er den Preis weiter senken. Der Monopolist hat demnach in der zweiten Periode
einen Anreiz, den Preis p2m zu unterbieten. Ihn zu erwarten, ist demnach nicht rational.
Umgekehrt ausgedrückt: Die Ankündigung eines Monopolisten, die Preise ( p1m , p2m ) zu wählen,
ist nicht glaubhaft.
Nachdem nun offensichtlich ist, daß das ursprüngliche Monopolmodell nicht adäquat ist, die
Preisentscheidungen eines Monopolisten in einem intertemporalen Kontext abzubilden, weil
Erwartungen der Konsumenten eine wichtige Rolle spielen, fällt natürlich auf, daß diese gar nicht
explizit in der Nachfrageformulierung auftauchen. In der Tat werden die Beeinflussungswege der
Erwartungen auch von dem jeweiligen Anwendungsfall abhängen. Allgemein wird der Preis der
ersten Periode natürlich die Nachfrage der ersten Periode und der Preis die Nachfrage der
zweiten Periode beeinflussen. Zusätzlich wird nun der erwartete Preis für die zweite Periode
beide Nachfragen beeinflussen. Der für die zweite Periode erwartete Preis steuert das Ausmaß, in
dem ein Konsument seine Nachfrage auf die zweite Periode verschiebt. Er bestimmt damit unter
anderem auch die potentielle Nachfrage für die zweite Periode. Wir müßten also nun für den
Gewinn schreiben
p1 x1 ( p1 , p2e ) + p 2 x 2 ( p2e , p1 , p2 )
In der zweiten Periode wird der Monopolist dann den Preis setzen, der
p2 x2 ( p2e , p1 , p2 )
maximiert. Dies führt zu der Bedingung erster Ordnung
 ∂x 
x 2 ( p 2e , p1 , p2 ) + p2  2  = 0
 ∂p2 
Dies liefert einen Preis p2 , der von p1 und p2e abhängt. Die Rationalitätsannahme an die
Erwartungen der Konsumenten kann dann durch
p2 ( p1 , p2e ) = p2e
abgebildet werden. Daraus ergibt sich dann der erwartete Preis als Funktion des Preises in der
ersten Periode p2e ( p1 ). Dies wird i.d.R. eine monoton steigende Funktion sein, weil ein hoher
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Preis in der ersten Periode zu hoher Nachfrage in der zweiten Periode führen wird, die dann
durch einen hohen Preis in dieser Periode in entsprechend hohe Gewinne umgesetzt werden kann.
Der Preis in der ersten Periode muß dann den folgenden Ausdruck maximieren
p1 x1 ( p1 , p 2e ( p1 )) + p2e ( p1 ) x2 ( p2e ( p1 ), p1 , p2e ( p1 )) ,
was dann zu der Bedingung erster Ordnung
x1 + p1
 ∂x
 ∂x
∂x1
∂x
∂x   ∂p e
+ p 2e 2 +  p1 1e + x2 + p2e  2e + 2   2 = 0
∂p1
∂p1  ∂p2
 ∂p2 ∂p2   ∂p1
führt. Berücksichtigt man die Bedingung für die Bestimmung des erwarteten Preises, so
vereinfacht sich dies zu
x1 + p1
 ∂x
∂x1
∂x
∂x  ∂p e
+ p2e 2 +  p1 1e + p 2e 2e  2 = 0 .
∂p1
∂p1  ∂p2
∂p2  ∂p1
Wollte man nun diese Preisgestaltung mit derjenigen vergleichen, die gemäß 2.2 getroffen würde,
so käme es insbesondere auf das Vorzeichen des Ausdrucks in eckigen Klammern an. Ist dieser
positiv, so würde der Monopolist bei Berücksichtigung der rationalen Erwartungen einen höheren
Preis fordern. Ist er negativ, würde ein geringerer Preis gefordert. Das Vorzeichen hängt aber
wesentlich von den speziellen Gegebenheiten ab, die hinter der Nachfragefunktion stehen. Daher
kann kein allgemeines Ergebnis abgeleitet werden. Als einziger Anhaltspunkt sei hier der folgende
Fall erwähnt. Nehmen wir an, daß ein erhöhter erwarteter Preis die Nachfrage in der ersten
Periode um genau so viel senkt, wie sie die Nachfrage in der zweiten Periode erhöht (reine
intertemporale Substitution), dann kommt es offenbar nur auf die relative Lage der beiden Preise
an. Wenn der Preis in der zweiten Periode höher ist (z.B. weil die Nachfrage in der zweiten
Periode aus exogenen Gründen viel höher ist (es treten noch weitere Nachfrager hinzu, die in der
ersten Periode noch nicht nachfragen,)), dann wird der Monopolist in der ersten Periode einen
niedrigeren Preis fordern als in dem Fall, in der er die rationalen Erwartungen nicht berücksichtigt.
Als Fazit können wir festhalten, daß die Formulierung des Gewinnmaximierungsproblems in seiner
klassischen Form nicht geeignet ist, intertemporal interpretiert zu werden, wenn rationales
Verhalten der Konsumenten unterstellt werden kann. In wiefern dies jedoch die Machtposition
des Monopolisten aushöhlt ist i.a. nicht zu sagen. Einen spezifischen Fall werden wir jedoch in 2.4
untersuchen.
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