Die kommenDe Demokratie: SozialiSmuS 2.0

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Die kommende Demokratie:
Sozialismus 2.0
Zu den Aufgaben und Möglichkeiten
einer Partei der Zukunft im Europa von Morgen
Manifest von Katja Kipping und Bernd Riexinger
kommentiert von Elmar Altvater, Dietmar Dath, Chantal Mouffe, Frigga Haug u.V.M.
Liebe Genossinnen und Genossen
Ende April fand die Linke Woche der Zukunft statt. Mehr als 1000 Besucherinnen und
Besucher aus dem ganzen Bundesgebiet und aller Altersgruppen haben vier Tage
lang miteinander über die Zukunft der Demokratie, Daseinsvorsorge, Arbeit, Produktion und Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit und Freiheit, Ökologie, Kultur, Demokratie und Partei und vieles mehr diskutiert, argumentiert, sich ausgetauscht und
vernetzt. Kunst und Kultur, Stadtspaziergänge und Kaffeetrinken in der Sonne, Party
und Tanzen bis in die Nacht kamen ebenfalls nicht zu kurz – all das hat uns begeistert.
Auf der Website www.linke-woche-der-zukunft.de findet ihr Mitschnitte ­einzelner
Veranstaltungen der LINKEN, der Linksfraktion und der Rosa-­Luxemburg-Stiftung
sowie eine umfangreiche Dokumentation der einzelnen ­Veranstaltungen. Die Linke Woche der Zukunft bot den Raum jenseits des starren Korsetts von
Parteitagen und Wahlprogrammdiskussionen miteinander zu diskutieren und sich
auszutauschen. Und das nicht allein unter uns, sondern gemeinsam mit Interes‑­
sierten und kritischen Köpfen aus Bewegungen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Kultur. Die Linke Woche der Zukunft war in diesem Sinne ein wichtiger Schritt zur Verständigung über unsere Perspektiven für ein besseres Morgen.
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Manifest 2015
Denn Herausforderungen, denen wir uns als LINKE wie als gesellschaftliche Linke
stellen müssen, gibt es viele. Schließlich sitzen die neoliberalen Eliten in Europa
noch fest im Sattel. Dabei es ist nicht die Begeisterung der Massen, die sie trägt,
sondern der Mangel an Begeisterung für Alternativen. Aber das muss nicht so bleiben. Denn ein Gespenst geht wieder um in Europa.
Genau genommen sind es viele Gespenster.
Diese Gespenster eines Aufbruchs gegen die Trostlosigkeit der herrschenden neoliberalen Politik haben sich in den Demonstrationen gegen die Kürzungspolitik, in
den »neuen Demokratiebewegungen« von Occupy und Empörten, in den Platzbesetzungen, den g
­ renzübergreifenden Netzwerken der Fluchthilfe und der praktischen
Willkommenskultur, den Stadtteilversammlungen sowie den aktuellen Streikbewegungen entwickelt. In all diesen sozialen Bewegungen in der Krise ­erklingt eine neue
Melodie, die die Verhältnisse zum Tanzen bringen will: die Melodie der »wirklichen
Demokratie«. Ihre gemeinsame Botschaft lautet: Veränderung liegt in der Luft; es
spukt die neue Version einer alten Idee: Demokratie.
Auch bei Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien geht es letztlich um mehr
als einen Regierungswechsel, es geht vielmehr um den Aufbau von etwas Neuem.
Sollte sich auch in Deutschland eine neue gesellschaftliche Dynamik ­entwickeln,
sollten sich die verschiedenen Initiativen zu einem umfassenden ­
Aufbruch für
­wirkliche Demokratie verdichten, werden wir nicht am Rande stehen, sondern ­mitten
drin und aktiv dabei sein.
Denn: Mit einer bloß anderen Verwaltung der Gegenwart ergibt sich keine ­Zukunft,
schließlich ist unsere Welt grundsätzlich im Umbruch. Deswegen haben die praktischen Ansätze zur (digitalen wie analogen) Selbstorganisation, dem A
­ ufbau der
Commons und der Entwicklung einer anderen Lebensweise eine große B
­ edeutung
für uns.
Im vorliegenden Zukunftsmanifest haben wir anlässlich der Linken Woche der Zukunft versucht, diese Überlegungen zu konkretisieren und erste praktische Konsequenzen, auch für uns als Partei, zu skizzieren. Es ist weder ein fertiges Programm
noch ist die Diskussion damit beendet, im Gegenteil: In der Hand haltet ihr eine
Einladung – zum Weiterdenken, zum Selbermachen und natürlich zum Mitdiskutieren. Gerne stehen wir daher im Rahmen unserer zeitlichen Möglichkeiten auch für
4 Manifest 2015
entsprechende Veranstaltungen zur Verfügung. Damit die Erkenntnisse der Linken
Woche der Zukunft nicht verpuffen, müssen wir alle an der begonnenen Diskussion
anknüpfen und sie gemeinsam fortführen, egal ob auf Bundesebene oder regional.
Die hier ebenfalls abgedruckten, kurzen Kommentare von verschiedenen Referenten
und Referentinnen, die bei der Zukunftswoche mitgewirkt haben, freuen uns daher
sehr. Denn sie sind ein lesenswerter Ausdruck davon, dass es in vielen verschieden
Spektren der gesellschaftlichen Linke Interesse an einer lebhaften Diskussion darüber gibt, wie wir – auf der Grundlage unserer Gemeinsamkeiten wie unserer Unterschiede – zusammen dem Morgen im Heute zum Durchbruch verhelfen können.
Sie sollen auch Einstiege in eine neue Perspektive der Systemtransformation sein –
hin zu einem demokratischen, grünen, feministischen Sozialismus.
In diesem Sinne wünschen wir euch und uns eine so interessante wie folgenreiche
Lektüre.
Mit solidarischen Grüßen Katja und Bernd
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Manifest 2015
Die kommende Demokratie:
Sozialismus 2.0
Zu den Aufgaben und Möglichkeiten
einer Partei der Zukunft im Europa von Morgen
Manifest von Katja Kipping und Bernd Riexinger
Wer wüsste das besser als wir: Die Weltgeschichte hat manchmal Humor und ewige Zeitalter können erstaunlich kurz sein. Das gilt heute mehr denn je. Denn, wer
hätte Anfang der 1990er Jahre gedacht, was wir heute wissen: Das damals dreist
verkündete Ende der Geschichte, es ist selbst schon
Der Sound des Sachzwanges
wieder zu Ende. Der Siegesruf des Neoliberalismus,
ist längst zur Parole von
dass es keine Alternativen zum schlechten Bestehenden mehr geben könne, klingt hohl. Der Sound
Untoten geworden, zu einem
des Sachzwanges ist längst zur Parole von Untoten
Echo, das umso lauter hallt,
geworden, zu einem Echo, das umso lauter hallt, als
als es mit dem realen Leben
es offensichtlich mit dem realen Leben der meisten
der meisten Menschen immer
Menschen immer weniger zu tun hat. Zwar hören wir
weniger zu tun hat.
es noch, aus dem Fernsehen und den Zeitungen, den
Podcasts der etablierten Parteien und den Onlineportalen der Verlagshäuser, allein:
Vom Triumphgeheul der Technokraten und Eliten, das noch zu Beginn der 00er Jahre
die Wolken­schlösser der »digitalen Dienstleistungsgesellschaft« erfüllte, ist im Krisenkapitalismus wenig geblieben.
Noch sitzen die neoliberalen Eliten fest im Sattel. Doch es ist nicht Begeisterung und
Überzeugung der Massen, die sie tragen, sondern Passivierung und der Mangel an
Alternativen. Das muss nicht so bleiben.
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Manifest 2015
Denn ein Gespenst geht wieder um in Europa. Genau genommen nicht nur eins.
Genau genommen sind es viele Gespenster. Diese Gespenster eines Aufbruchs
gegen die Trostlosigkeit der herrschenden neoliberalen Politik haben sich in den
Generalstreiks und Demonstrationen gegen die
Der Aufbruch in Südeuropa mag
Kürzungspolitik in vielen Ländern, in den »neuen
nicht die Zeitenwende sein,
Demokratiebewegungen« von Occupy und Emdie das Ende des neoliberalen
pörten, in den Platzbesetzungen und den Stadtteilversammlungen entwickelt. In den sozialen
­Kapitalismus ankündigt, aber es
Protesten und Bewegungen in der Krise erklingt
könnte der Beginn des Tauwetters
seit einigen Jahren eine neue Melodie, die die
sein, der Anfang eines echten
Verhältnisse zum Tanzen bringen will und viele
­europäischen Frühlings.
Menschen inspiriert und mobilisiert hat: die Melodie der »wirklichen Demokratie«. Und so unterschiedlich, ja mitunter widersprüchlich all diese Impulse und die von ihnen ausgehenden Haarrisse im Schnellbeton der
Alternativlosigkeit wirken: Was den Technokraten der »markt-konformen Demokratie« (Angela Merkel) Angst macht, ist ihre gemeinsame Botschaft. Veränderung liegt
in der Luft, es spukt die neue Version einer alten Idee: Demokratie.
In dem übergreifenden Bedürfnis nach Demokratie sind all diese Momente des Widerstandes gegen das Europa der Eliten & Konzerne zugleich friedlicher als jede
Unterschriftensammlung und militanter als der schwarze Block, denn sie überschreiten die Rituale einer in der Defensive gefangenen, gesellschaftlichen Linken und den
Gestus des folgenlosen Protestes. Längst geht es dabei um mehr als nur versprengte Ausdrücke einer fixen Idee oder das letzte Aufbäumen alter Traditionen, es sind
Ansätze einer Bewegung zum Aufbau von etwas Neuem.
In Griechenland hat mit Syriza eine linke Partei der neuen Form den Ruf aus der Gesellschaft gehört. Sie war in der Lage, sich mit den Bewegungen zu vernetzen, sie
zu stärken und zugleich unterschiedliche, von der Krise betroffene Teile der Bevölkerung zu einer neuen politischen Kraft zu verbinden. Der Wahlsieg von Syriza zeigt,
dass sich die Hoffnungen vieler in Griechenland mit dem neuen Gespenst vereinen.
Die Konfrontation zwischen Syriza und den »Institutionen« der Troika hat die politischen Auseinandersetzungen um die Zukunft Europas neu entfacht. Die neoliberalen
Eliten in Europa haben Angst vor einem Domino-Effekt. Syriza darf aus ihrer Sicht
nicht erfolgreich sein, sonst drohen auch in anderen Ländern Brüche mit der Austeritätspolitik. Es besteht die reale Gefahr, dass der mögliche Aufbruch in Griechenland
und Europa schon nach wenigen Monaten im Keim erstickt wird. Der Aufbruch in
8 Manifest 2015
Südeuropa mag nicht die Zeitenwende sein, die das Ende des neoliberalen Kapitalismus ankündigt, aber es könnte der Beginn des Tauwetters sein, der Anfang eines
echten europäischen Frühlings.
Bei Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien geht es also um mehr als nur
um einen Regierungswechsel, es geht um eine Veränderung der Formen des Politikmachens, ja des Lebens selbst. Sollte sich auch
Bei Syriza in Griechenland und
in unserem Land eine neue gesellschaftliche
­Podemos in Spanien geht es um eine
Dynamik entwickeln, sollten sich auch hier die
Veränderung der Formen des Politikverschiedenen Initiativen zu einem umfassenden
machens, ja des Lebens selbst.
Aufbruch für wirkliche Demokratie verdichten,
wollen und werden wir mitten drin und aktiv dabei sein und nicht am Rande stehen. Denn dieses Bedürfnis ist auch unser Bedürfnis. Es wird auf den Punkt gebracht in dem Slogan: Sie wollen Kapitalismus ohne
Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus!
Zwischen Möglichkeit …
Das meint kein Zurück in die Enge nationaler Kleinstaaterei oder die graue Disziplin der alten Fabrikarbeit, wie dem »neuen Linkspopulismus« von neoliberaler Seite
gerne vorgeworfen wird. Im Gegenteil: Die Sehnsucht nach wirklicher Demokratie
erwächst ja gerade aus der gemeinsamen Erfahrung von grenzübergreifenden Mobilisierungen. Diese Sehnsucht wird zudem gespeist durch die Erkenntnis, dass die
Vielfalt von Lebensentwürfen eine Bereicherung ist.
Die Demokratie, die wir meinen,
Demokratie meint in diesem Sinne weit mehr als
ist daher die dritte Position jenseits
Bürgerbeteiligung unter dem medialen Dauerfeuer von BILD und Co. Wo der rechte Populismus
des neoliberalen »weiter so«
und der nostalgischen Option
nur den Frust ummünzt ins Treten nach unten, will
vermeintlich guter alter Zeiten.
die neue Linke allen Betroffenen zu ihrem Recht
verhelfen. Das ist der berühmte kleine Unterschied
ums Ganze. Die Demokratie, die wir meinen, ist daher die dritte Position jenseits des
neoliberalen »weiter so« und der nostalgischen Option vermeintlich guter alter Zeiten.
Sie könnte in der digitalen Revolution, die uns auf Grundlage des Internets, dem general intellect der heutigen Zeit, alle global vernetzt, einen materiellen Verbündeten finden.
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Manifest 2015
Ob jedoch die digitale Revolution Kooperation im Sinne eines Sozialismus 2.0 befördert oder nur der Profitmaximierung von Konzernen dient, ist noch nicht entschieden.
Schon Marx sprach davon, dass eine neue Epoche
Der Widerspruch zwischen den
anbricht, wenn die Entwicklung der Produktivkräfte
Möglichkeiten eines guten Lebens
durch die Produktionsverhältnisse gehemmt wird.
für alle und der öden Wirklichkeit
Das zeigt sich heute auch im Internet. Künstlich
im Krisenkapitalismus schafft eine
müssen Verwertungsrechte gesichert und Zugriffsrechte begrenzt werden. Die Warenform von
Spannung, die lähmen, aber auch
Information und Kommunikation muss mit großem
mobilisieren kann.
Aufwand aufrechterhalten werden, obwohl es praktisch möglich wäre, den Zugang für alle Menschen zu öffnen. Die Vergesellschaftung
der Produktion gerät in offensichtlichen Widerspruch zur privaten Aneignung.
Der Widerspruch zwischen den Möglichkeiten eines guten Lebens für alle und der
öden Wirklichkeit im Krisenkapitalismus schafft eine Spannung, die lähmen, aber
auch mobilisieren kann. Viele Menschen erleben schon heute größere Freiheitsspielräume als früher: weniger Patriarchat, weniger Fabrikdisziplin, mehr digitale Zugänge, mehr individuelle Ansprüche, mehr Bildung. Das deutet einen Reichtum der
Möglichkeiten an, der bisher eingezwängt bleibt zwischen den Regeln der Profitproduktion, dem Machtkalkül eines postdemokratisch entleerten Staatsapparates und
den bornierten Interessen des 1 % Superreicher.
Es ist eine schlechte Wirklichkeit, die zugleich aber auf Sand gebaut ist. Denn sie
ächzt unter der zerstörerischen Kraft eines Reichtums, der aufgrund seiner ungerechten Verteilung in Spekulationsblasen um die Welt jagt und auf der Suche nach
»Betongold« durch die Städte walzt. Mit immer weniger Aufwand kann dank Hightech und Automatisierung immer mehr hergestellt werden. Aber das wird nicht zur
Bedürfnisbefriedigung genutzt, sondern führt zu Überproduktion und Überforderung
auf der einen und Langzeiterwerbslosigkeit auf der anderen Seite.
Doch diese schlechte Wirklichkeit treibt über sich selbst hinaus, untergräbt mit jedem Schritt nach vorn ihre eigenen Grundlagen ein klein wenig mehr. Weil die Eliten
das langsam ahnen, wird mit Demagogie geantwortet. Indem die berechtigte Kritik
am Europa, wie es ist, mit dem rassistischen Hass der rechten Kulturkämpfer in Verbindung gebracht wird, soll sie gleich als Ganzes erledigt werden.
Aber nicht die Kritik am Europa der Reichen gefährdet seine Zukunft, sondern ihnen
diesen Kontinent zu überlassen. Wer Freiheit weiterhin gegen Gleichheit ausspielt,
10 Manifest 2015
läuft Gefahr, beides zu verlieren. Der demokratische Legitimationsverlust der EU untergräbt bereits in vielen Ländern ihr gesellschaftspolitisches Freiheitsversprechen.
Die klügeren Liberalen, wie Jürgen Habermas, sagen inzwischen selber: Europa wird
sozial oder es wird nicht sein.
… und Wirklichkeit
So sehr wir das Knirschen des europäischen Kapitalismus hören – so wenig sind
wir naiv. Denn auch das gehört zum ganzen Bild dazu: Die Maschinerie der Verblendung arbeitet nach wie vor jeden Tag, 24/7. Und
die alltäglichen Zwänge der Konkurrenz spieWer Freiheit weiterhin gegen
Gleichheit ausspielt, läuft Gefahr,
len dem noch in die Hände. Während wir den
beides zu verlieren.
Widerstand sehen, sehen wir zugleich, wie sie
weiter wachsen – die Gewinne, die Exporte, die
Berge von Zumutungen. Die Traurigkeit des Krisenkapitalismus ist gut organisiert
und der »Wille zum Nicht-Wissen« (Alex Demirović) sitzt fest im Sattel.
Der Reichtum der Möglichkeiten
Die herrschende Krisenpolitik ist von diesem
bleibt eingezwängt zwischen den
organisierten Nicht-Wissen über die Krisenursachen getrieben und daher zum Scheitern
Regeln der Profitproduktion,
dem Machtkalkül eines
verurteilt. Die erstarrten Eliten fahren auf Sicht
postdemokratisch entleerten
und über die Interessen der meisten Menschen
Staatsapparates und den bornierten
in Europa hinweg – aber bisher fahren sie damit
Interessen des 1% Superreicher.
noch ganz gut. Merkel ist im schlechten Sinne
das beste Beispiel für diese autoritäre Politik:
Mit einem Mehltau der Alternativlosigkeit überzieht sie das Land, möglichst geräuschlos soll die Verwaltung des neoliberalen Status Quo ablaufen.
Das deutsche Exportmodell ist dabei tief in die globale Krise verstrickt: Die Austeritätspolitik wird mit Stolz exportiert. Verschwiegen wird dabei, dass sich die anderen
Länder seit der deutschen Agenda 2010 verschulden mussten, um »unsere« Waren
zu kaufen. Verschwiegen wird dabei auch, dass deutsche Banken und Unternehmen
noch an den Hilfspaketen verdient haben. Stattdessen wird den Menschen in Griechenland die Schuld zugeschoben.
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Manifest 2015
Merkels Politik vertagt die Zukunftsprobleme: Die hohe Kinderarmut ist ein Symbol
für den Umgang der Großen Koalition mit der nächsten Generation. Zugleich basiert
Merkels Erfolg auf der Spaltung der Gesellschaft hierzulande: Prekär Beschäftigte
und Erwerbslose werden im Alltag entmutigt und fertiggemacht, während die anderen im Hamsterrad der Hochproduktivität eingesperrt sind und hoffen, dass sie durch
Rennen, Rackern und Rasen ihren Lebensstandard verteidigen können. Die einen
werden zu tendenziell Überflüssigen erklärt, den anderen wird Wettbewerbsfähigkeit
als Sinn des Lebens angepriesen, aber nur der Burn-Out geboten.
Im Deutschland der Großen Koalition sitzen wir im Auge des Orkans des Krisenkapitalismus. Dennoch erscheint Deutschland vielen Menschen als ein von außen
bedrohtes Paradies: Die Krisen und Bedrohungen werden als äußerliche wahrgenommen. Das ist selbst das Ergebnis neoliberaler Politik, mit der die Krise nach
Südeuropa verschoben wurde. Die Große Koalition preist den Fortschritt im Lande,
während vor allem die Spaltung von Arm und Reich fortgeschritten ist.
Eine der brennendsten Zukunftsfragen, die Klimagerechtigkeit, wird von Schwarz-Rot
nicht nur vertagt, sondern noch verschärft. Denn die notwendige Energiewende wird
ausgebremst und der ökologische Umbau wird ökonomisch abgewürgt.
Ohrenbetäubend ist derzeit das Schweigen der Mehrheit der Sozialdemokratie zu
massenhafter Verarmung und der Zerstörung der Demokratie in Europa! Die S
­ ozial­demokratie ist Teil der erstarrten europäischen
Mit ihrer Unterstützung für Merkels
Eliten. Der griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis, sprach von einem »faustischen Pakt«,
Krisenpolitik macht sich die SPD zur
den die europäische Sozialdemokratie mit den
Komplizin der drohenden Zerstörung
Profitinteressen von Konzernen und vermögender Demokratie und der Zerstörung
den Financiers eingegangen ist, als sie den
des europäischen Projekts durch
Kampf um die Umverteilung zugunsten der vereinen autoritären Kapitalismus!
heerenden neoliberalen Wettbewerbspolitik aufgegeben hat. Die Sozialdemokratie der Gabriels und der Hollandes hat sich von der
historischen Funktion der Sozialdemokratie verabschiedet. Diese bestand d
­ arin, den
Kapitalismus zu modernisieren und den vom Verkauf ihrer Arbeitskraft ­abhängigen
Menschen Aufstiegs- und Zukunftsperspektiven zu ermöglichen. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass Millionen Menschen in Europa durch Erwerbslosigkeit vermeintlich »überflüssig« gemacht oder durch prekäre Arbeit um die Planbarkeit i­hrer Zukunft betrogen werden. Mit ihrer Unterstützung für Merkels Krisenpolitik macht sich
die SPD zur Komplizin der drohenden Zerstörung der Demokratie und der Zerstö-
12 Manifest 2015
rung des europäischen Projekts durch einen autoritären Kapitalismus! Sie wird sich
so mittelfristig selbst überflüssig machen.
Keine Zukunft mit dieser Gegenwart
Wie man es dreht und wendet: Mit einer bloß anderen Verwaltung der Gegenwart ergibt
sich keine Zukunft, denn unsere Welt ist grundsätzlich im Umbruch. Die Mehrfachkrise
des Wachstums, Massenerwerbslosigkeit und Armut im globalen Maßstab, Kriegsgefahr, Klimawandel, Staatszerfall und massenhafte Fluchtbewegungen an den Rändern
Europas zeigt, das bisherige Wirtschaftsmodell ist
strukturell erschöpft. Namhafte Intellektuelle wie
Demokratische Politik, die sich
Naomi Klein, Paul Krugman und Josph Vogl haselbst ernst nimmt, muss heute auf
ben immer gewarnt: So, wie es ist, bleibt es nicht,
eine Transformation der politischen
nicht einmal in den Zentren des Neoliberalismus.
und ökonomischen Formen zielen
Das aber markiert auch das endgültige Scheitern
und eine Exit-Strategie aus dem
aller rot-grünen Vorstellungen von kosmetischen
Krisenkapitalismus entwickeln
Veränderungen im Rahmen des Bestehenden.
Demokratische Politik, die sich selbst ernst nimmt, muss heute auf eine Transformation der politischen und ökonomischen Formen zielen und eine Exit-Strategie aus dem
Krisenkapitalismus entwickeln. Denn dieser zerstört das Soziale und die Demokratie.
Mehr noch: Der Schlaf der Vernunft in Merkels Schatten, er gebiert Monster. Wer
unter Existenz- oder Abstiegsangst leidet oder beständig Ausgrenzungen erlebt,
kann leichte Beute für rechte Kulturkämpfer, antisemitische Verschwörungstheoretiker und religiöse Fundamentalisten werden. Einen Reim auf die sich verfinsternde
Gegenwart machen diese reaktionären »Krisenlöser« sich, indem sie von Verschwörungen gegen ihre »Kultur« reden und dabei Verderben über andere bringen. Sie flüchten sich in
Die Erstarrung der Eliten und deren
die vermeintliche Geborgenheit der Nation oder
Herrschaft durch Spaltung fördern
in autoritäre Geschlechterbilder und leben die
überall die Zunahme von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
eigene Unsicherheit im Hass auf Schwächere,
wie ethnische und sexuelle Minderheiten, aus.
Die Erstarrung der Eliten und deren Herrschaft durch Spaltung fördern überall die
Zunahme von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Teile der Mittelklasse leben
längst in einer »Atmosphäre der Angst, die sich wie ein leises Rauschen unmerklich,
aber unleugbar ausbreitet« (Heinz Bude).
13
Manifest 2015
Durch diese rechten Kulturkämpfer wird aber – wie ein Blick auf die AfD und Pegida
zeigt – der Neoliberalismus nicht in Frage gestellt, sondern noch radikalisiert: Mehr
Konkurrenz, mehr Brutalität, Wahlrecht nur für die Gewinner, Sicherheit auf Kosten
der Freiheit, Verteidigung des Wohlstandes eines immer kleiner werdenden Teils
gegen den Rest. Klar ist mithin längst: Wenn die Zukunft nicht demokratischer wird,
wird der Kapitalismus autoritärer.
Die politische Entmachtung des 1% Superreicher und ihre ökomische Entwaffnung durch die Umverteilung des Reichtums werden daher zur Überlebensfrage
der Demokratie. Zwar geht das Emanzipationsversprechen linker Politik inzwischen
zu Recht weit darüber hinaus und zielt auf eine
Wenn die Zukunft nicht demokratiselbstorganisierte Gesellschaft jenseits von zerscher wird, wird der Kapitalismus
störerischem Markt und autoritärem Staat. Doch
autoritärer. Die politische Entmachohne das Querschnittsthema der Umverteilung
tung des 1% Superreicher und ihre
des riesigen Reichtums und die Demokratisierung seiner Kontrolle anzugehen, ist in keinem
ökomische Entwaffnung durch die
Politikfeld noch eine fortschrittliche Entwicklung
Umverteilung des Reichtums wird
zu machen. Stattdessen droht eine weitere Brudaher zur Überlebensfrage der
talisierung der Gesellschaft, die Barbarisierung
Demokratie.
des Abendlandes. Insofern geht es heute zunächst tatsächlich um den »widersprüchlichen Auftrag, den freien Fall des europäischen Kapitalismus zu stoppen, eben gerade damit wir Zeit bekommen, um eine
Alternative zu formulieren« (Yanis Varoufakis).
Die Kämpfe um die Zukunft …
Eine linke Politik der Zukunft will den erstarrten Kräften des neoliberalen Kapitalismus die Verfügung über die Zukunft entreißen. Denn diese produzieren eine Zukunft,
in der Millionen Menschen der Möglichkeiten eines guten Lebens beraubt werden.
Für uns als LINKE ist das kein Grund, den Kopf
in den Sand zu stecken, sondern Ansporn zum
Naomi Klein hat es auf den Punkt
Handeln. Die Widersprüche des Kapitalismus
gebracht: Kapitalismus oder Klima –
wir müssen uns entscheiden.
sind zugleich unsere Hoffnung. Das klingt paradox. Aber die Möglichkeiten für andere, bessere,
sozial gerechte, selbstbestimmtere und ökologisch zukunftsfähige Zukünfte existieren längst. Sie werden nur durch die herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnis-
14 Manifest 2015
se blockiert. Daher setzen wir an am Widerspruch zwischen den Möglichkeiten einer
in vieler Hinsicht reicher werdenden Gesellschaft und ihrer Verkehrung in Fesseln,
die ein gutes Leben für alle im Krisenkapitalismus unmöglich machen.
Der Kapitalismus steckt in der Reichtumsfalle: Der Stand des von der Gesamtheit
der Arbeitenden produzierten Reichtums würde es sofort erlauben, dass wir die Arbeit und die gesamte Gesellschaft so organisieren, dass alle Menschen ihre Existenz
sichern können. Der gemeinsam produzierte
Die Widersprüche des Kapitalismus
Reichtum könnte zunehmend die Form von für
sind zugleich unsere Hoffnung. Denn
alle Menschen frei zugänglichen und demokratisch gestalteten Gemeingütern, von Commons,
die Möglichkeiten für eine andere,
annehmen – von guten Bildungsmöglichkeiten
bessere, sozial gerechte, selbstbestimmtere und ökologisch zukunftsund frei verfügbarem Wissen, von guter Gefähige Zukünfte existieren längst.
sundheitsversorgung und Pflege für alle, von
kostenfreiem Nahverkehr. Innerhalb des Finanzmarktkapitalismus kommen jedoch die Produktivitätsgewinne nur einer Minderheit
zugute, während die Konzentration des Reichtums und der politischen Macht eine
globale Oligarchie der Superreichen hervorbringt, wie Thomas Piketty gezeigt hat.
Die Produktivität ist gestiegen, der Reichtum nimmt zu, kann aber immer weniger
produktiv angelegt werden. Wachstum findet im Finanzmarktkapitalismus vor allem
in Form von Finanzblasen statt.
Gleichzeitig wissen wir, dass die OECD bis 2050 weltweit eine Zunahme der CO2Emissionen um 70 Prozent prognostiziert. Der Club of Rome und radikaler Kapitalismuskritik unverdächtige Klimaforscherinnen und Klimaforscher sagen, was diese
Zahlen bedeuten: Die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen werden zerstört!
Die globale Klimapolitik scheitert seit Jahren an dem Ziel einer effektiven Verringerung des CO2-Ausstoßes, weil mächtige Konzerninteressen dem entgegen stehen
und kein Land bereit ist, einseitige Schritte zu gehen und so Nachteile in der globalen Konkurrenz in Kauf zu nehmen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen:
Nur in großen Weltwirtschaftskrisen konnten Ressourcenverbrauch und Emissionen
deutlich gesenkt werden. Ein Kapitalismus, der aus dem Zwang zu Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch aussteigt, ist nicht denkbar. Kapitalismus ohne
Wachstum bedeutet auch für alle Menschen, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft abhängen: Entlassungen, mehr prekäre Arbeit, Druck auf die Löhne. Weiteres Wirtschaftswachstum in den hochindustrialisierten Ländern ist aber nur um den Preis
einer Verschärfung der sozial-ökologischen Krise zu haben. Auch der Traum von einem »grünen Kapitalismus« durch neue, ressourcen-effiziente Technologien ist kein
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Manifest 2015
Ausweg aus der Mehrfachkrise des kapitalistischen Wachstums: Die Einspareffekte bei Ressourcenverbrauch und Emissionen würden umgehend durch steigenden
Konsum und weiteres Wirtschaftswachstum wieder zunichte gemacht.
Die kanadische Globalisierungskritikerin und Schriftstellerin, Naomi Klein, hat es in
ihrem neuen Buch auf den Punkt gebracht: Kapitalismus oder Klima – wir müssen
uns entscheiden. Deswegen sind die Bewegungen für Klimagerechtigkeit und für die
Rechte der Flüchtlinge, die vor Armut, Krieg und auch vor den Folgen des Klimawandels fliehen, Gespenster, die wir willkommen heißen!
Unsere Perspektive im Kampf um die Zukunft lässt sich anhand zentraler Politikfelder
konkretisieren. Dabei geht es uns nicht um ein zweites Parteiprogramm und auch
nicht um eine erschöpfende Analyse des Elends der Welt, wir wollen keine Landkarte im Maßstab 1:1 zeichnen. Wir wollen vielmehr Sollbruchstellen im Heute zur
Diskussion stellen, um dem Morgen zum Durchbruch zu verhelfen.
… und der Einstieg in den Ausstieg: ­S ozialismus 2.0
Die Herausforderung besteht – das ist nicht neu, sondern gehört zur historischen
Erfahrung der sozialistischen Bewegung – darin, die chinesische Mauer zwischen
isolierten Tageskämpfen einerseits und weitgespannten Zukunftsvorstellungen andererseits zu durchbrechen.
Der Schlüssel dazu ist, immer mehr Menschen in immer mehr Bereichen dazu zu befähigen, selbst für ihre Interessen einzutreten. Das ist kein abstraktes Fernziel, sondern etwas, das im Heute beginnt. Die folgenden, mit einander verbundenen Vorschläge sind insofern keine Utopien, sie sind nur
Wir brauchen eine Kulturrevolution
das Einfache, das heute noch schwer zu machen
in der Arbeitswelt und neue Formen
scheint. Sie folgen der schlichten Einsicht, dass
der Klassenmacht um das,
die Demokratie nur noch im Vorwärtsgang, also in
was in einem reichen Land
der Demokratisierung des ganzen gesellschaftliselbstverständlich sein sollte,
chen Lebens, verteidigt werden kann. Damit wird
auch durchzusetzen.
ein altes Versprechen vor dem Hintergrund der
neuen Erfahrungen aktualisiert: Ein ernstgemeinter Humanismus braucht seine Entsprechung in einem sozialen Universalismus, also
die Sicherstellung der »sozialen Garantien des Lebens« (Rosa Luxemburg) für alle,
16 Manifest 2015
ganz unabhängig vom bisherigen Erfolg auf dem
Es geht dabei um eine völlig neue
Arbeitsmarkt. Ein ernst gemeinter Humanismus
Weise des Produzierens, Lebens
braucht zudem eine Demokratie, die Freiheit und
und Arbeitens. Kurzum um eine
Gleichheit als Bedingungsverhältnis begreift. Es
Revolution des Denkens, Fühlens
geht darum, das vom Neoliberalismus perverund Handelns. Insofern verstehen
tierte Freiheitsversprechen gegen seine aktuelle
wir den neuen Sozialismus auch als
Verfallsform zu wenden. Die kommende Demoeine kulturelle Revolution.
kratie ist daher kein fertiger Zustand, sondern ein
offener Prozess. Ein Prozess, der die Fenster öffnen kann für einen freien, grünen,
feministischen und lustvollen Sozialismus, einen Sozialismus 2.0. Die Chancen dazu
sind auf der Grundlage des aktuellen Wissensstandes und der technologischen Entwicklungen so gut wie nie; die Gefahr, sie zu verpassen, aber auch.
Es geht dabei um eine völlig neue Weise des Produzierens, Lebens und Arbeitens.
Kurzum um eine Revolution des Denkens, Fühlens und Handelns. Kern eines solchen
Projektes ist immer noch die Umwälzung der herrschenden Produktions-, Reproduktions- und Eigentumsverhältnisse und die Verwandlung der Produktivkräfte und der
technologischen Innovation in Mittel für die kollektive Selbstbestimmung: die Verfügung der Menschen über die Bedingungen, in denen sie leben und arbeiten. Es geht
darum, die Demokratie aus ihrer Begrenzung auf das Parlament zu befreien, indem alle
gesellschaftlichen Bereiche demokratisch durch die Menschen organisiert werden.
Insofern verstehen wir den neuen Sozialismus auch als eine kulturelle Revolution. Als
ein völlig neues Wohlstandsmodell, in dem lustvolle Kooperation und Gestaltung,
mehr selbstbestimmt verfügbare Zeit, die Entfaltung des Reichtums der Möglichkeiten und die Vielfalt des Arbeitens, Lebens und Liebens den privaten Warenkonsum
als Sinnstiftung ersetzen.
Der Weg dahin kann kein einmaliger Sprung sein. Und er erfordert eine beständige,
verbindende Arbeit. Noch verbinden sich die großen und kleinen Proteste, die Ansätze von Alternativen im Alltag, in denen Menschen im hier und jetzt anders arbeiten
und leben, nicht zu einer »wirklichen Bewegung, die die den jetzigen Zustand aufhebt« – wie Marx und Engels das kommunistische Gespenst im Manifest nannten.
Jedoch, das muss nicht so bleiben!
Für die kommende Demokratie, für den Einstieg in den Ausstieg aus dem Krisenkapitalismus sind in diesem Sinne mindestens die folgenden aufgeführten Politikfelder
und Einstiegspfade entscheidend:
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Manifest 2015
1. Kürzer, gerecht verteilt, kollektiv s­ elbstbestimmt –
Die Arbeit der Zukunft ­dreht sich um das Leben.
Millionen Menschen werden derzeit von der Arbeit und der gesellschaftlichen Teilhabe
ausgeschlossen. Prekäre Arbeit ist längst zur neuen Normalität geworden. Wir stehen vor der Entscheidung, wie wir die Arbeit der Zukunft organisieren wollen. Gegen
eine Entwicklung, in der viele immer mehr arbeiten und immer weniger verdienen, in
der Armut und unsichere Jobs es immer schwieriger machen, die Zukunft zu planen,
braucht es eine radikale Umwälzung der Arbeitswelt. Allein um sich ein anderes Morgen vorstellen zu können, braucht es zum einen eine radikale Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit und eine Umverteilung der Tätigkeiten. Die gestiegene Produktivität macht
es möglich, dass alle gut leben können und dabei mehr selbstbestimmte Zeit haben.
Dazu müssen die sozialen Garantien des Lebens als soziale Grundrechte für alle abgesichert sein. Die Möglichkeiten dafür sind in einem reichen Land längst vorhanden.
Wir brauchen eine Kulturrevolution in der Arbeitswelt und neue Formen der Klassenmacht, der organisierten Macht der Erwerbslosen, Prekären und Beschäftigten der
verschiedenen Sektoren um das, was in einem reichen Land selbstverständlich sein
sollte, auch durchzusetzen:
k Jede Arbeit muss so bezahlt werden, dass Existenz und Teilhabe gesichert werden.
k E s
muss drin sein, die eigene Zukunft planen zu können und vor Altersarmut
geschützt zu sein.
rbeit
kA
und Arbeitszeit müssen so gestaltet sein, dass Leben und Arbeiten in
Einklang gebracht werden können. Verschiedene Lebensphasen müssen sozial
abgesichert sein: wie Aus- und Weiterbildung; das Kümmern um Kinder und Pflegebedürftige; eine berufliche Neuorientierung.
rbeit darf nicht krank machen und auch nicht nach einigen Jahren zu ErschöpkA
fung und Burn-Out führen. Deshalb her mit der Stressbremse!
ie Menschen müssen ihre Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte stärker kolkD
lektiv und demokratisch gestalten können.
Damit alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben können, braucht es eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die ein Grundrecht ist. Keine Schikanen & Sanktionen
18 Manifest 2015
durch Jobcenter! Denn aktiv werden Menschen von allein, wenn sie ihr Leben und
ihre Arbeit ohne Angst wirklich gestalten können. Durch eine Verkürzung der Arbeit
und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur für Bildung, Pflege und Gesundheitsversorgung kann zudem die unfreiwillige Erwerbslosigkeit zurückgedrängt werden.
Die Arbeit der Zukunft muss sich mehr um das Leben drehen – statt wie bisher das
Leben um die Arbeit: Flexible Arbeits- und Lebenszeiten müssen nicht gleichbedeutend mit Prekarität sein und können zu mehr Selbstbestimmung führen. Das setzt
jedoch voraus, dass die Arbeit umverteilt und verkürzt wird und dass Beschäftigte
sich infolge des Ausbaus von Mitbestimmungsrechten besser schützen können. Projekte wie die »kurze Vollzeit« oder »lange Teilzeit« mit einer 30-32 Stundenwoche und
flexible Modelle für unterschiedliche Lebensphasen mit Sabbatjahren, Familien- und
Bildungsauszeiten können dieser Kulturrevolution für gute Arbeit eine gemeinsame
Strahlkraft verleihen.
Der Neoliberalismus hatte die Geschlechteremanzipation durch den Markt versprochen. Frauen sollten zu Unternehmerinnen ihres Alltags werden, in der Konkurrenz
des Marktes ihre Selbstverwirklichung suchen und die Mehrfachbelastungen durch
stressige Jobs, Erziehungsarbeit, Hausarbeit
Die Arbeit der Zukunft muss sich
und Sorgearbeit »selbstbestimmt« meistern.
mehr um das Leben drehen – statt
Letztlich erwiesen sich jedoch Neoliberalismus
wie bisher das Leben um die Arbeit.
und Patriarchat als echte Komplizen, die sich
bei der Ausbeutung von Frauen besonders gut
ergänzten. Schon deshalb, weil vor allem Frauen die Kürzungen bei der öffentlichen
Versorgung und die Folgen der Sozialkürzungen auffangen mussten. Geschlechtergerechtigkeit sickert – mit den Worten der feministischen Autorin Laurie Penny – nun
einmal ebenso wenig wie Wohlstand einfach von oben nach unten durch.
In der Gesellschaft hat sich ein breit geteiltes Bedürfnis nach Gerechtigkeit zwischen
den Geschlechtern entwickelt. Das Begehren nach neuen Beziehungen, nach einer
gerechten Aufteilung der Familienarbeit und nach gesellschaftlichen Verhältnissen, in
denen das »Geschlecht unseren Träumen keine Zügel anlegt« (Laurie Penny) wächst.
Das ist ein Fortschritt, an dem wir ansetzen können.
Aber die materiellen Bedingungen umfassender Emanzipation werden nach wie vor
blockiert. Derzeit sind z.B. überall, wo mehrheitlich Frauen arbeiten, die Löhne niedriger: ob im Supermarkt oder in der Altenpflege. Und nicht nur im Netz, sondern
auch in der nicht-virtuellen Arbeitswelt, in Medien und Politik ist Sexismus allgegen-
19
Manifest 2015
wärtig. Doch auch hier wächst die Gegenwehr. Wer heute sexistisch auftritt, kann
nicht mehr sicher davon ausgehen, dass still darüber hinweggesehen wird, sondern
muss – nicht nur im Netz – mit einem #aufschrei rechnen. Auch ein Fortschritt, der
uns ermutigt.
Insgesamt steht der neue feministische Aufbruch vor der Frage: selbstbestimmt leben
für alle oder halbierte Emanzipation? Dieser feministische Aufbruch sollte daher Hand
in Hand gehen mit den Kämpfen um Zeit. Schließlich muss im Leben von Männern
und Frauen im gleichen Umfang Zeit sein für Erwerbsarbeit, Sorge- und Familienarbeit, politische Einmischung und Muße. Das erfordert neben einer radikalen Arbeitszeitverkürzung auch die Umverteilung der Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern.
Was wir in Zukunft unbedingt beenden wollen, ist die Benachteiligung von Frauen.
Die Bekämpfung von Lohndiskriminierung ist deshalb ein Muss. Die Arbeit mit Menschen, z.B. in Kitas, Schulen, Pflegeheimen und
Schließlich muss im Leben von
Krankenhäusern, die immer noch überproportional von Frauen erledigt wird, muss aufgewertet
Männern und Frauen im gleichen
werden, beispielsweise durch mehr Personal
Umfang Zeit sein für Erwerbsarbeit,
und eine demokratische Gestaltung dieser BeSorge- und Familienarbeit,
politische Einmischung und Muße.
reiche durch Arbeitende und Betroffene. Dies
sind erste Schritte zu einer Care-Revolution, die
auf nicht weniger als eine solidarische Gesellschaft für alle abzielt. Also auf eine
Gesellschaft, in der nicht mehr die Profitmaximierung, sondern menschliche Bedürfnisse und die Sorge füreinander im Zentrum stehen. Eine Perspektive, die sowohl
Patriarchat wie Kapitalismus in Frage stellt.
2. Unser Plan B beginnt mit Wirtschaftsdemokratie und
sozial-ökologischer ­(Energie-)Wende.
Um die Arbeit der Zukunft zu verwirklichen, müssen wir das gesamte herrschende
Produktionsmodell, das sich an hohen Renditen für die Finanzanleger und der Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft orientiert, überwinden. Stattdessen kämpfen
wir für eine demokratische Verfügung über die Wirtschaft. Angesichts der Klimakrise
stehen wir vor der Entscheidung, ob wir so weiter machen wie bisher oder ob wir
eine radikale sozial-ökologische Transformation unseres Wirtschaftsmodells auf den
Weg bringen. Die Perspektive einer sozial-ökologischen Wirtschaftsdemokratie oder
demokratischen Zukunftswirtschaft kann uns helfen, die schwierige Aufgabe anzugehen, neue solidarische und ökologische Weisen des Wirtschaftens, Konsumierens
20 Manifest 2015
und miteinander Lebens gegen Widerstände durchzusetzen. Wir müssen die Verfügungsmacht der Vermögenden und der Konzerne über den gesellschaftlichen Reichtum brechen. Ohne eine radikale Umverteilung
Eine grundlegende Transformation
des Reichtums, ohne die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und die Vergesellschafder Wirtschaftsweise und eine
ökologische Konversion der Industrie
tung der Banken wird das nicht gehen. Durch
können wir nur erreichen, wenn wir
die Stärkung von öffentlichem und kollektivem
die Frage der Vergesellschaftung,
Eigentum können die Entscheidungen, was wo
der demokratischen Kontrolle der
für welche Zwecke investiert und produziert
»Schlüsselindustrien« auf dem Niveau
wird, demokratischer Kontrolle unterworfen und
des Stands der technologischen
die Produktion am gesellschaftlichen Bedarf
Entwicklung und in transnatio­naler
der Menschen und an ökologischen Kriterien,
Perspektive neu aufwerfen.
statt an privaten Profitinteressen ausgerichtet
werden. Eine grundlegende Transformation der
Wirtschaftsweise und eine ökologische Konversion der Industrie können wir nur erreichen, wenn wir die Frage der Vergesellschaftung, der demokratischen Kontrolle
der »Schlüsselindustrien« auf dem Niveau des Stands der technologischen Entwicklung und in transnationaler Perspektive neu aufwerfen.
Wir schlagen vor, für Einstiege in diesen radikalen Umbau
der Wirtschaft zu ­kämpfen:
k E ine
ökologisch zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft braucht mehr regionale und
dezentrale Produktion z.B. in der Landwirtschaft. Die Förderung von Genossenschaften und regionalen Kooperativen kann dazu ein wichtiger Schritt sein.
urch
kD
Wirtschaftsräte und öffentliches Eigentum könnten die Schlüssel­indus­
trien – von der Auto- und Maschinenproduktion bis zu den Pharma- und IT-Konzernen – demokratisiert werden. Die ökologische Konversion der Industrie weg
von den destruktiven Technologien und Klimakillern kann nur gelingen, wenn die
Beschäftigten, die Konsumentinnen und Konsumenten und Bürgerinnen und Bürger selbst die Prozesse demokratisch organisieren können.
ie sozial-ökologische Energiewende ist ein Schlüsselprojekt, das wir mit ­einer
kD
Demokratisierung und Dezentralisierung der Energieversorgung verbinden. Bestandteile davon sind die Überführung der Energiekonzerne in gesellschaftlich
kontrolliertes Eigentum, die Förderung von Energiegenossenschaften oder der
Kampf für neue, demokratisch durch Bürgerräte kontrollierte Stadtwerke.
21
Manifest 2015
In einer demokratischen Zukunftswirtschaft müssen der entwickelte Reichtum des
gesellschaftlichen Wissens und die Früchte der digitalen Revolution allen zugutekommen. Die Eigentumsverhältnisse sind hier längst zu Fesseln geworden, die verhindern, dass der technologische Fortschritt seinen Gebrauchswert für die Menschen entfalten kann. Doch die Potenziale für ein selbstbestimmtes Arbeiten und
Leben wie auch für eine neue Form der Demokratie sind riesig. Die krampfhaften
Versuche von Regierungen und Unternehmen, die neuen produktiven Netzwerke
der digitalen Kommunikation und des Wissens durch Patente und Copy RightVerfahren wieder warenförmig einzuhegen, scheitern immer wieder an der Kreativität der Menschen und dem Cyberpunk der Internetcommunity. Sie untergraben
auch die Produktivität der digitalen Ökonomie
selbst, die wesentlich auf der freien ZugängDie demokratischen und
produktiven Potenziale des Internets
lichkeit und der offenen Entwicklungsfähigkeit
könnten sich entfalten, wenn wir
der Produktionsprozesse basiert. Demgegenüber sind der selbstorganisierte Medienaktidie Dominanz des kapitalistischen
vismus und die Bloggerszene gute Beispiele,
Eigentums überwinden.
wie sich das Wissen und die Technologie vom
erdrückenden Einfluss des Finanzkapitalismus befreien lassen. Denn hier wird
Brechts Radio-Theorie, dass jeder Empfänger auch ein Sender ist, schon ansatzweise Wirklichkeit. Die demokratischen und produktiven Potenziale des Internets
könnten sich entfalten, wenn wir die Dominanz des kapitalistischen Eigentums
überwinden. Die Kämpfe der Zukunft drehen sich hier um den freien und gleichen
Zugang zu Kommunikation, Wissen und Kultur, um die Abschaffung der Überwachung durch Staaten und Konzerne, um die öffentliche Finanzierung freier Medien
und Kulturschaffender. Kollektiv produzierte Commons und neue Formen demokratischer digitaler Kooperation können sich aber erst flächendeckend durchsetzen,
wenn wir es schaffen, die Kommunikationsinfrastruktur den großen IT-Konzernen
zu entreißen.
The Revolution will not be televised, but it could be streamed. Das setzt natürlich
voraus, dass Menschen aktiv werden, dass es etwas zu streamen gibt.
3. E ine Offensive fürs Öffentliche –
auf dem Weg zu einem ­Infrastruktur-Sozialismus.
Der Finanzmarktkapitalismus tendiert dazu, selbst die lebenswichtigen Bereiche der
Gesellschaft zur Ware zu machen: Bildung, Wissen, Gesundheit, Mobilität, Energieund Wasserversorgung werden dem Profit unterworfen. Die Alternative zu dieser
22 Manifest 2015
zerstörerischen Landnahme heißt: Die Wirtschaft muss am Bedarf orientiert werden, statt an den privaten Profiten. Eine demokratische Zukunftswirtschaft kann die
Grundlagen dafür legen, dass alle Menschen gleichen Zugang zu den lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen haben. So können wir die Möglichkeiten für individuelle Entfaltung und kollektive Selbstbestimmung vervielfältigen.
Gegen den Raubzug der Konzerne und den Plan von Juncker und Gabriel zur Privatisierung der Infrastruktur in Europa setzen wir deswegen ein Zukunftsinvestitionsprogramm von 100 Milliarden Euro für den Ausbau von guter Bildung, Gesundheit
und Pflege, sozialem und barrierefreiem Wohnungsbau. Das ist ein Einstiegsprojekt,
das auf die Stärkung und Demokratisierung des Öffentlichen bei gleichzeitiger Umverteilung des Reichtums abzielt.
Die Herausforderung besteht darin, an konkrete Auseinandersetzungen um Löhne
und Arbeitsbedingungen in den sozialen Dienstleistungen und im Bildungsbereich,
an Initiativen für öffentliche Krankenhäuser und kleine Schulklassen, Proteste für
gute Studienbedingungen und gegen die Eliteorientierung an den Hochschulen
anzudocken. Projekte wie das kostenfreie Kita-Jahr in Thüringen, ein kostenfreier
öffentlicher Nahverkehr und eine kommunal organisierte Energieversorgung sind
wichtige Einstiege in die Zukunftskämpfe um Stärkung und Demokratisierung des
Öffentlichen.
Die neue Offensive fürs Öffentliche schöpft ihre Phantasie nicht aus der Vergangenheit, sie will die Uhr nicht einfach zurückdrehen in Richtung eines oft bürokratischen
öffentlichen Dienstes und einer Verwaltung des
Sozialen. Es geht um die Schaffung neuer ComDie neue Offensive fürs Öffentliche
mons: für alle zugängliche öffentliche Güter jenschöpft ihre Phantasie nicht aus
seits des Marktes, mit guten Arbeitsbedingunder Vergangenheit, sie will die Uhr
gen, demokratisch organisiert und ökologisch
nicht einfach zurückdrehen in
zukunftsfähig. Diese brauchen eine staatlich
Richtung eines oft bürokratischen
unterstützte Infrastruktur. Wenn der Bereich des
öffentlichen Dienstes und einer
Öffentlichen ausgeweitet und auf neue Weise
Verwaltung des Sozialen.
demokratisch von Produzierenden und Nutzenden gestaltet wird, brechen wir auf zu neuen Ufern: in Richtung eines InfrastrukturSozialismus und einer damit verbundenen neuen Kultur des Wohlstands und des
Reichtums der Möglichkeiten, Lebensqualität und Selbstbestimmung für alle, statt
mehr privatem Warenkonsum.
23
Manifest 2015
4. E ine neue Commune –
für die Demokratisierung der Kommunen und das Recht auf Stadt!
Die kommunale Ebene ist der Ort, an dem sich die Zukunftskämpfe um viele dieser
Einstiegsprojekte, vom kostenfreien Nahverkehr über die demokratischen Stadtwerke
bis hin zu den kommunalen Wirtschaftsräten, bündeln werden. Sie ist auch der Ort,
an dem Demokratie für die Menschen erlebbar
Wirkliche Demokratie auf
wird – letzteres ist Konsens bei fast allen Parteien. Doch die Richtung, in die der neolibera­kom­munaler Ebene braucht eine
le Kapitalismus unsere Städte und Gemeinden
materielle Grundlage. Die Städte
verändert, hat nichts mit »wirklicher Demokratie«
und Kommunen gehören
denjenigen, die dort leben.
zu tun. Denn das beständige Lob der lokalen
Demokratie geht seit Jahren einher mit ihrer finanziellen Austrocknung, sodass kommunale Demokratie vielerorts zur Verwaltung
von Sachzwängen schrumpft. Das gilt vor allem unter den Bedingungen der Schuldenbremse. Zudem wirkt es als Treibstoff der Politikverdrossenheit, wenn Mitbestimmung vor allem bedeutet, mit entscheiden zu dürfen, ob eher das Freibad oder
die Bücherei geschlossen wird. In den Kommunen sind die Verwerfungen und Spaltungen, die der neoliberale Gesellschaftsumbau produziert, besonders spürbar. Die
Kommunen werden gemäß den Interessen von Konzernen und Vermögenden umgebaut oder sie verfallen, weil Investitionen fehlen. Während Städte und Kommunen im
Standortwettbewerb um Investitionen konkurrieren, drängt der damit einhergehende
neoliberale Umbau Langzeiterwerbslose, Arme, Obdachlose, Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und Illegalisierte sowie oft auch Menschen mit Behinderungen
an den Rand. Auf der Jagd nach neuen Anlagemöglichkeiten für die Superreichen
werden ganze Stadtteile gentrifiziert, Menschen durch steigende Mieten verdrängt,
öffentlicher Grund und Boden privatisiert. Die Privatisierungen von Energieversorgung, Nahverkehr und Schwimmbädern verstärken die Spaltung der Gesellschaft.
Wirkliche Demokratie auf kommunaler Ebene braucht eine materielle Grundlage. Die
globale Bewegung für ein Recht auf Stadt meint: Die Städte und Kommunen gehören denjenigen, die dort leben. Alle Menschen müssen sich an der Gestaltung der
kommunalen Infrastruktur beteiligen können, sei es durch neue Formen demokratischer Stadtplanung, durch die Förderung von Wohnungsgenossenschaften oder
durch demokratisch gestaltete Stadtwerke.
Zum Recht auf Stadt gehört eine solidarische Willkommenskultur: Alle Menschen
müssen sich unabhängig von ihrer Herkunft gleichberechtigt beteiligen können.
24 Manifest 2015
Willkommenskultur braucht aber ebenfalls neue materielle Grundlagen, damit nicht
Flüchtlinge gegen Erwerbslose, Prekäre oder Facharbeiterinnen und Facharbeiter
ausgespielt werden und sich Solidarität im Alltag entwickeln kann.
Den autoritären Zwillingen einer rassistischen Mobilisierung gegen die vermeintliche
»Islamisierung« und einer neoliberalen Politik, die durch gesellschaftliche Spaltung und
Verunsicherung den Boden dafür bereitet, setzen wir die Perspektive einer machtvollen Bewegung gegen Prekarisierung, für das Recht auf Stadt und wirkliche Demokratie von unten entgegen. Konkrete Ansatzpunkte dafür gibt es viele. Denn aus Protest
gegen Pegida sind beispielsweise bundesweit tausende Menschen auf die Straße
gegangen und immer mehr Menschen engagieren sich konkret für Flüchtlinge vor Ort.
5. Europa braucht eine demokratische Revolution.
Der Kampf für ein demokratisches, sozial gerechtes und friedliches Europa im Rahmen einer neuen, gerechten Welt(wirtschafts)ordnung ist der Horizont einer linken
Zukunftspolitik. Die wachsende soziale Polarisierung in Europa zeigt, dass die neoliberale Konstruktion keine zukunftsfähige Grundlage für ein soziales und demokratisches
Europa der Menschen ist. Gerade weil die neoliberalen Technokraten Europa zu einem Spielball
In den kommenden Kämpfen um
der Konzerne degradieren und die erstarkenden
die Zukunft Europas, geht es um
Rechtspopulisten es zerstören wollen, ist es aber
eine menschenwürdige Zukunft von
die historische Aufgabe der Linken für eine demoMillionen Menschen in Europa und
kratische und soziale Neugründung Europas zu
um die Zukunft der Demokratie!
kämpfen. Für eine Neuausrichtung, die mit seiner
neoliberalen Konfiguration bricht und die Abschottung der Festung Europa beendet.
Massenerwerbslosigkeit, Armut und Prekarisierung, besonders der Raub der Zukunft
einer ganzen Generation junger Europäerinnen und Europäer, lassen neue Bewegungen entstehen. Noch hat sich aus den vielen regionalen und nationalen Kämpfen gegen
die Folgen der Krise und der Austeritätspolitik keine starke europaweite Bewegung für
ein anderes Europa entwickelt. Aber als Linke stehen wir in den nächsten Monaten und
Jahren vor der Herausforderung daran zu arbeiten. Denn in den kommenden Kämpfen
um die Zukunft Europas, geht es um eine menschenwürdige Zukunft von Millionen
Menschen in Europa und um die Zukunft der Demokratie!
Gemeinsam mit vielen Menschen in unseren europäischen Nachbarländern wollen wir
für Einstiege in eine demokratische Neugründung in Europa kämpfen:
25
Manifest 2015
k Wir
brauchen eine Schuldenkonferenz und ein europaweites Zukunftsinvestitionsprogramm zur Bekämpfung der Jugend- und Massenerwerbslosigkeit, der
Armut und prekären Arbeit. Der Machtmissbrauch der europäischen Zentralbank
zur Durchsetzung neoliberaler Politik beim AnIn den kommenden Kämpfen um
kauf von Staatsanleihen muss gestoppt werden.
die Zukunft Europas, geht es um
Statt die Finanzmärkte mit Geld zu fluten und so
eine menschenwürdige Zukunft von
neue Spekulationsblasen zu nähren, müssen den
Millionen Menschen in Europa und
Staaten Mittel für Investitionen in die öffentliche
um die Zukunft der Demokratie!
Infrastruktur, gute Bildung, Gesundheitsversorgung, und den sozial-ökologischen Umbau der
Wirtschaft, der Energieversorgung und Mobilität zur Verfügung gestellt werden.
Zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen und Schrumpfung der Finanzmärkte
braucht es europaweit eine radikale Umverteilung des Reichtums.
ir wollen das neoliberale Wirtschaftsmodell und seine Festschreibung in den
kW
Europäischen Institutionen durchbrechen. Der Verfassungs-Vertrag von Lissabon
und der Fiskalpakt stärken die Bastionen der Macht der Vermögenden, Banken
und Konzerne. Wir kämpfen für einen neuen Verfassungsprozess von unten, in
dem die Menschen die Initiative haben sowie für eine soziale und ökologische
Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene.
ir kämpfen für soziale Rechte für alle sowie für koordinierte Sozialstandards in
kW
Europa, die Sozialdumping verhindern und die Gewerkschaften stärken. Die Forderungen nach einer Europäischen Arbeitslosenversicherung und einer sanktionsfreien Mindestsicherung, nach einem europäischen Zukunftsinvestitionsprogramm
mit der Perspektiven europäischer Commons sowie einer erneuerbaren Energierevolution, nach einer europäischen Vermögenssteuer und nach europaweiten
Volksentscheiden, könnten mobilisierend wirken für eine europaweite Bewegung
gegen die Prekarisierung von Arbeit und Leben und für die Demokratisierung.
k In
einer Festung Europa, geschweige denn einer im Kriegszustand, kann sich
keine demokratische Gesellschaft entwickeln. Die tödliche Jagd von Frontex auf
Flüchtlinge an den Außengrenzen muss sofort beendet und Frontex muss aufgelöst werden. Außerdem muss die EU einen Abrüstungsvertrag inklusive des
Verbotes von Rüstungsexporten vereinbaren und dem Aufbau einer Interventionsarmee eine Absage erteilen. Die Arbeit an einer gerechten Welt(wirtschafts)
ordnung ist die beste Sicherheitspolitik. Und schließlich braucht es den grenzübergreifenden Ausbau der demokratischen Grundrechte in Europa – statt Krimi-
26 Manifest 2015
nalisierung sozialer Bewegungen und zunehmender Relativierung von zentralen
Grundrechten, wie Demonstrations- und Meinungsfreiheit.
Selbst wenn man wollte, hinter den erreichten Stand der Integration gibt es kein linkes zurück. So wie einst die französischen Avantgardisten für die Kunst der Zukunft
forderten, sie, die Kunst, müsse absolut modern sein, so sagen wir heute über die
Linke der Zukunft: Sie muss absolut europäisch sein.
Die Hoffnung organisieren: die Partei der Zukunft
Diese knappe Skizze von Einstiegsprojekten zu einer wirklichen Demokratie, zum
Sozialismus 2.0 ist sicherlich nicht vollständig, so manches, was sich in Europa dringend ändern muss, fehlt. Vieles wird sich im Prozess erst ergeben, ja vielleicht noch
erfunden werden müssen. Ganz sicher ist heute aber schon, dass wir uns auch
fragen müssen, inwiefern wir uns als Partei dabei selbst verändern, wie sich der
Modus unserer Politik weiterentwickeln kann, um den Potentialen der kommenden
Demokratie entsprechen zu können. Denn: Wenn nichts bleibt, wie es ist – weshalb
sollte das ausgerechnet an einer linken Partei spurlos vorbei gehen? Wie heißt es so
treffend in Marx‘ 3. Feuerbachthese: Revolutionäre Praxis bedeutet das Zusammenfallen von beidem – das Ändern der Umstände und die Selbstveränderung.
Für die Antwort auf diese Frage, müssen wir nicht alles neu erfinden. DIE LINKE ist
keine Partei wie die anderen. Wir sind als verbindende Partei einer pluralen Linken
bereits Teil der Kämpfe und bei vielen Bewegungen, wie Blockupy oder den Aktionen gegen das TTIP, ein integraler Bestandteil der Mosaiklinken. Die erfolgreiche
Stabilisierung unserer Partei in den letzten Jahren, viele auf den Weg gebrachte Projekte der Parteientwicklung, die Kontaktstelle Soziale Bewegungen, Nachwuchsförderung, gemeinsame Mobilisierungen mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften sowie in Wahlkämpfen, tragen erste Früchte. Zudem wirken wir jetzt schon: Der
Durchsetzung des Mindestlohns ist – so ungenügend er bisher auch ist – jahrelange
Arbeit vorangegangen. Ohne uns hätte sich der gesellschaftliche Diskurs nicht verschoben. Das zeigt: Wir bilden nicht nur bestehende Kräfteverhältnisse ab, sondern
stellen das Feld der Repräsentierten aktiv her – und verändern es mit.
Zugleich lautet eine wichtige Erfahrung des südeuropäischen Frühlings: Die Menschen
müssen die Fesseln, die sie an einem selbstbestimmten Leben für alle hindern, selbst
27
Manifest 2015
durchtrennen. Peter Weiss schreibt treffend in »Die Ästhetik des Widerstandes«:
»Wenn wir uns nicht selbst befreien, bleibt es für uns ohne Folgen.« Sich ausschließlich auf klassische Stellvertreterpolitik und die Funktion einer Wahlpartei zu reduzieren,
muss daher scheitern. Das wäre auch schon deshalb falsch, weil eine solche Fokussierung an dem weitverbreiteten Bedürfnis nach
Die Perspektive einer
einer Erneuerung der Demokratie vorbeigeht.
verbindenden Partei ermöglicht es,
Die Entwicklung von Syriza und Podemos hat
den Horizont der Organisationsform
außerdem gezeigt, dass eine Partei in sozialen
Partei zu erweitern.
Bewegungen und Kämpfen wichtige Funktionen
einnehmen kann, wenn sie diese unterstützt und
nicht instrumentalisiert. Die Perspektive einer verbindenden Partei ermöglicht es, den
Horizont der Organisationsform Partei zu weiten und eine emanzipatorische Politik zu
entwickeln, die darauf zielt, unterschiedliche Gruppen und Milieus mit der Perspektive
auf eine Überwindung des neoliberalen Kapitalismus zu verbinden und die Form des
Politischen selbst in Richtung »wirklicher Demokratie« zu verändern.
In diese Richtung haben wir uns bereits auf den Weg gemacht, jetzt geht es darum,
gemeinsam neuen Schwung für die nächsten Schritte zu entwickeln.
Wir wissen, das zu erreichen, ist keine kleine Aufgabe. Denn konkret heißt das mindestens Dreierlei:
1. W
ir sollten die Machtfrage auf allen Ebenen stellen.
Um gesellschaftliche Macht aufzubauen und den Kampf für eine andere Hegemonie
irgendwann gewinnen zu können, braucht es eine emanzipatorische Klassenpolitik 2.0.
Denn Klassenkämpfe – davon zeugen u.a. die Kämpfe gegen die schlimmsten Auswüchse von Prekarität bei Amazon oder der Kitastreik – sehen heute anders aus. Sie
sind zugleich Kämpfe um Geschlechtergerechtigkeit, gegen Rassismus und für globale
Solidarität, für Klimagerechtigkeit und eben globale Demokratie. Die Partei muss sich
daher auch kulturell öffnen für andere Identitätskonzepte und die Themen all derjenigen,
die in ihrem Leben mehr sein wollen als nur fleißige Ameisen im Standort Deutschland.
Träger einer Demokratisierung von Unten könnte in diesem Sinne ein Bündnis bestehend aus Erwerbslosen, Prekarisierten, Beschäftigten, insbesondere den wachsenden Beschäftigtengruppen im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich sowie
den urbanen linken Milieus und der neuen europäischen Generation sein. Ja, in Europa ist inzwischen eine Generation herangewachsen, für die es eine Selbstverständ-
28 Manifest 2015
lichkeit ist, Europa grenzüberschreitend zu leben. Viele von ihnen leiden jedoch unter
der herrschenden EU-Politik. Damit solch ein Bündnis gelingt, sollten wir klar haben,
für wen und zu wem wir sprechen. Und das ist weniger die veröffentliche Meinung,
als diejenigen, die sich nicht mehr repräsentiert fühlen.
2. F ür Transformative Organizing und neue Agenten des Gemeinsamen.
Eine emanzipatorische Hegemoniepolitik, ein neuer Linkspopulismus braucht sowohl
eine neue Sprache wie eine neue Konfliktfähigkeit – auch bei der LINKEN. Wir müssen
in der Lage sein, Kämpfe zu verbinden, Konflikte auszuhalten und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Es braucht Agenten des Gemeinsamen, die im Bewusstsein der
Unterschiede und Ungleichzeitigkeiten an pragmatischen Lösungen arbeiten. Das heißt
nicht zuletzt auch den Sound der Straße hören und immer wieder neu sprechen zu lernen. Deswegen schlagen wir – in der Tradition der
Die Partei der Zukunft sind wir alle.
»Kümmererpartei« – eine Offensive des Zuhörens
Wir sind nicht nur schon anders als
vor, in der z.B. Offene Büros unserer Partei als Foren für soziale Bewegungen und Anlaufpunkte für
die anderen Parteien, wir wollen
ein Transformative Organizing in den Stadtteilen
uns in Zukunft noch deutlicher von
und Kommunen dienen können, um gemeinsam
den verschiedenen parteipolitischen
Solidarität, Willkommenskultur und die SelbsterVarianten der Postdemokratie
mächtigung im Alltag zu stärken. Damit könnten wir
unterscheiden.
auch unsere Kampagnenfähigkeit vor Ort stärken.
Darüber hinaus müssen wir als Partei die Möglichkeiten der digitalen Gesellschaft besser nutzen. Über das Internet können wir von der Meinungsmacht der Medien unabhängiger werden und zugleich seiner dunklen Seite, den Verschwörungstheorien und
Hetzportalen, mit eigenen Angeboten und Argumenten entgegen treten. In diesem
Sinne schlagen wir die Schaffung eines eigenen Internet TVs vor – das wir zusammen
und ganz im Sinne der Schaffung eines Europas von Unten, womöglich sogar mit den
Genossinnen und Genossen von Syriza starten könnten.
3. L aboratorien der Zukunft schaffen.
Die Zukunftswoche kann ein Anfang sein für die gemeinsame Diskussion über die
Zukunftsträume, die linken Alternativen und Strategien, über die Partei der Zukunft.
Lasst uns anhand der fünf Themenachsen, die je unterschiedliche Bündelungen der
Kämpfe um die Zukunft sind, Laboratorien der Zukunft schaffen, in denen wir uns
vernetzen und unsere Ideen zu ausstrahlungskräftigen Projekten und Strategien weiter entwickeln. Die am 1. Mai beginnende Kampagne »Das muss drin sein« gegen
29
Manifest 2015
prekäres Arbeiten und Leben ist in diesem Sinne auch eine Blaupause; ein selbstorganisierter Lernprozess, in dem Mitmachen nicht nur bedeutet, einen bereits fertigen
Plan umzusetzen, sondern Räume für Austausch zu schaffen, Fähigkeiten zur Organisierung zu entdecken und sie zu verbreiten.
Die Partei der Zukunft sind wir alle. Wir sind nicht nur schon anders als die anderen Parteien, wir wollen uns in Zukunft noch deutlicher von den verschiedenen
parteipolitischen Varianten der Postdemokratie
unterscheiden. Dazu braucht es aber nicht zuGegen die organisierte Traurigkeit
letzt eines: eure Beteiligung. Denn nur als aktive
des Kapitalismus wie gegen seine
Mitgliederpartei können wir auch außerhalb von
reaktionäre Kritik von rechts war
Wahlkämpfen die geplanten Kampagnen umdie linke Wette immer, dass es
setzen, die nötigen Kämpfe führen und unsere
die Menschen selbst sind, die ihre
Verankerung im Alltag der Menschen verbreigesellschaftlichen Verhältnisse
tern. Es gibt bereits viele verschiedene Bereibestimmen können, dass Geschichte
che in der Partei und Leuchtturmprojekte wie
machbar ist. Beweisen wir es. Jetzt.
die offenen Büros LinXXNet und RedroXX oder
die Diskussionszusammenhänge zum Plan B, bei denen eine breite Beteiligung erwünscht und möglich ist. Solche Laboratorien der Zukunft wollen wir noch deutlich
ausbauen und so Möglichkeiten einer praktischen Beteiligung schaffen.
Zugegeben:
Wir haben viel vor. Der Versuch mit dem business as usual auch innerhalb der gesellschaftlichen Linken zu brechen, ist nicht einfach und verlangt uns allen viel ab.
Aber wir sind uns sicher, dass es sich lohnt. Denn: Wie die Zukunft aussieht, entscheidet sich nicht morgen, sondern heute. Wir haben mehr zu verlieren als unsere
Ketten, aber immer noch eine Welt zu gewinnen. Gegen die organisierte Traurigkeit
des Kapitalismus wie gegen seine reaktionäre Kritik von rechts war die linke Wette
immer, dass es die Menschen selbst sind, die ihre gesellschaftlichen Verhältnisse
bestimmen können, dass Geschichte machbar ist.
Beweisen wir es. Jetzt
30 Manifest 2015
es kommentieren
Bini Adamczak
34
Elmar Altvater
35
Michael Brie
36
Dietmar Dath
37
Alex Demirović
38
Frigga Haug
40
Stephan Lessenich
41
Chantal Mouffe
42
Rainer Rilling
43
Thomas Seibert
44
Wolfgang Storz
45
Elizabeth Voss
46
Gabriele Winker
47
Raul Zelik
48
Der Weg in die Zukunft
führt durch die Vergangenheit
Einem weit verbreiteten Missverständnis zufolge handelt es sich bei Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft um drei aufeinanderfolgende Zeiten, die einander
nur an ihren Rändern flüchtig berühren. Danach setzt sich die Vergangenheit
aus ­gewesenen, die Zukunft aus noch kommenden Gegenwarten zusammen,
eine s­ aubere chronologische Reihe. Tatsächlich aber überlagern die Zeiten
sich in g
­ espenstischer Weise. Die Zukunft ist in der Gegenwart anwesend als
­Erwartung – Hoffnung oder Angst –, die Vergangenheit ist in ihr anwesend als
Erbe – ­Tradition und Gesetz, Architektur, Trauma oder Redewendung. Soll die
Zukunft etwas anderes sein als die bloße Fortführung der Gegenwart, soll sie eine
andere Zukunft sein, dann muss sie es mit der Vergangenheit aufnehmen, die nicht
vergehen will. 70 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ist Deutschland die
dominierende Macht Europas, mit seiner Sozial-, Geld- und Exportpolitik Mitverursacher und Hauptprofiteur der Krise. Vermutlich jedoch wäre Deutschland nicht
das Auge des Orkans des europäischen Krisenkapitalismus ohne den deutschen
Kriegskapitalismus des 2. Weltkriegs, ohne Rüstungskeynesianismus und Raubkrieg, Zerstörung und Schwächung ausländischer Konkurrenz, Vernutzung und
Vernichtung unentlohnter Arbeitskräfte. Sicherlich aber wäre Deutschland heute
nicht die Vormacht Europas, hätte es alle Zwangsarbeiterinnen nachträglich
­entlohnt, alle Zwangskredite zurückerstattet, die verursachten materiellen Schäden
repariert und das geraubte Eigentum restlos restituiert. Deutschland ist, wie der AK
Distomo feststellt, »der größte Schuldner Europas«. Deswegen bildet die Frage der
deutschen Reparationszahlungen an Griechenland keinen Nebenschauplatz der
Jetztzeit, sondern einen ihrer Hauptschauplätze. Wer vom Kapitalismus redet, kann
vom Faschismus bekanntlich nicht schweigen – von seiner drohenden Wiederkehr
wie von seinem verweigerten Abschied. Der Kampf für einen Sozialismus 2.0. lässt
sich ohne den Kampf gegen den Nationalsozialismus 1.0. (und folgende) nicht
gewinnen.
Bini Adamczak Autorin
34 Manifest 2015
Die Zukunft nicht den
Soft- und Hardwareingenieuren überlassen
Vor fast vier Jahrzehnten begann Robert Jungk mit der praktisch-politischen Umsetzung seines Projekts der »Zukunftswerkstätten«. Das war Zukunft im Kleinen, weil sich
große Organisationen und Parteien auf eine Zukunft in der Nische nicht einlassen
wollten. Sie folgen bis heute der Vorstellung, dass die Zukunft technisch machbar sei.
Es scheint tatsächlich so zu sein: Die »Menschheit 2.0«, so der Titel eines Buches von
Ray Kurzweil, des ehemaligen technischen Direktors von ­Google, hat eine neue Art von
Evolution eingeleitet. Sich die Erde entsprechend der bibli­schen Botschaft untertan
zu machen, ist nun eine Sache intelligenter Technik.
Daran arbeiten ganze Heerscharen von Zukunftsforschern und Geoingenieuren.
Denn in Vergangenheit und Gegenwart hat die Menschheit 1.0 alle Erdsysteme so
geschädigt, dass die Menschheit 2.0 mit ihren technischen Mitteln des »Geoengineering« an die Reparatur gehen muss. Das Klimasystem muss ins Lot gebracht
werden, die globale Wirtschaft muss aus dem Krisenmodus heraus, zurück in ein
kompliziertes Gleichgewicht. Das globale Informationssystem bedarf der General­
überholung, um den Datenklau von NSA und anderen Diensten zu verhindern.
Das globale Energiesystem muss angesichts von Peak Oil und der Gefahren der
Atomkraft zu erneuerbaren Energien umgelenkt werden. Die Welt der Arbeit könnte,
wenn man ihre Gestaltung den Soft- und Hardwareingenieuren überlässt, zum
­Alptraum einer Crowdworker-Welt werden.
Diese Zukunft hat schon begonnen. Aber das ist nicht die Zukunft eines »Sozialismus des 21. Jahrhunderts «. Dieser braucht eine Technik und eine Lebens- und
­Produktionsweise, in der das geschlossene fossile und atomare Energiesystem wieder zur Sonne geöffnet wird. Denn erstens gehen die fossilen und atomaren Bestände in der Erdkruste zur Neige und zweitens sind die Emissionen für den inzwischen
bereits gefährlichen Klimawandel verantwortlich. Eine solare Produkt­ionsweise erlaubt
eine solidarische und demokratische Organisation von Leben und Arbeit.
Das genau wäre die Grundlage für das friedliche Zusammenleben der Menschen auf
der, wie Immanuel Kant wusste, begrenzten Kugelfläche des Planeten Erde. Das ist
ein Projekt, für das Zukunftswerkstätten tatsächlich zu klein sind.
Dafür bedarf es schon der politischen Utopien und Anstrengungen, wie sie von Katja
Kipping und Bernd Riexinger angedeutet werden; dazu brauchen wir auch eine die
vielen Initiativen verbindende Partei wie Die Linke.
Elmar Altvater emeritierter Professor für Politikwissenschaft am ­Otto-Suhr-Institut
35
Manifest 2015
Libertäre CommonistInnen und
liberale SozialistInnen vereinigt Euch!
Katja Kipping und Bernd Riexinger haben mit ihrem Manifest »Die kommende
Demokratie: Sozialismus 2.0« die Fenster weit aufgestoßen. Am Horizont wird eine
neue Vision von Sozialismus sichtbar. Eine sich erneuernde Linke braucht dies –
die Perspektive einer anderen Gesellschaft und Zivilisation. Die Zapatisten prägten
die Forderung nach einer Welt, in der – anders als heute und anders als im Staatssozialismus – viele Welten Platz haben.
Eine Bewegung hin zu einem solchen Sozialismus 2.0 braucht ein gesellschaftliches Bündnis. Es hat m.E. zwei Säulen. Erstens gehören dazu jene Bewegungen,
die die Erzeugung der Grundgüter eines freien Lebens endlich selbst in die Hand
nehmen wollen – von der Bereitstellung des Wissens und der Kultur, des Wassers
wie der Energie, des öffentlichen Nahverkehrs wie von Bildung, Gesundheit, Pflege. Um uns selber müssen wir uns selber sorgen – vor allem auch durch gemeinsame Hervorbringung und Pflege des Gemeinschaftlichen, das Commoning.
Es wird eine Grundform menschlicher Tätigkeit in einer freien Gesellschaft.
Die zweite Säule sind alle, die sich für die umfassende demokratische, soziale und
ökologische Regulation und Einbettung der Marktwirtschaften einsetzen. Nicht
zufällig beziehen sich wieder viele auf Keynes, der sich 1939 in einem Interview
die Frage stellte: »Die Frage ist, ob wir darauf vorbereitet sind, uns … hin zu einer
Ära des liberalen Sozialismus zu bewegen, womit ich ein System meine, wo wir als
­organisierte Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen agieren können und soziale
und ökonomische Gerechtigkeit befördern, gleichzeitig aber das Individuum respektieren und schützen – seine Freiheit der Wahl, seines Glaubens, seiner Gedanken und ihrer Ausdrucksformen, seines Unternehmens und seines Eigentums «.
Was wir also brauchen ist ein Bündnis des liberalen Sozialismus und des libertären
Commonismus – damit die Fenster nicht wieder zuschlagen.
Michael Brie Philosoph und von 2008 – 2013 Direktor des Instituts für
­Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung
36 Manifest 2015
Parteitest
Aufsätze, Leitartikel und Gedichte, die vom besseren und gerechteren Leben
­handeln, gibt es viele. Es werden sogar immer mehr, je schmaler der Platz wird
und je seltener die Räume werden, wo noch Leute daran arbeiten, dass aus diesen
­Texten irgendwas folgt, und sei‘s nur eine neue Theorie – erinnert sich noch wer
daran, dass vor wenigen Jahren zum Beispiel die Universitäten solche Räume waren, in denen jetzt nur noch auf schnelle Abschlüsse hin gebüffelt wird?
Damit Aufsätze, Leitartikel und Gedichte übers bessere und gerechtere Leben nicht
in Zukunft von immer mehr völlig Vereinzelten privat zusammengefummelt und dann
ins große Zeichenmüllmeer Internet geschüttet werden, um dort zu vergammeln,
muss man sich dringend neue Räume suchen, um solche Texte zu diskutieren und
ihre Umsetzung in wirkliches Leben zu organisieren. Eine Partei scheint dafür auf den
ersten Blick der seltsamste Ort – sind Parteien nicht Clubs, in denen man sich ganz
besonders brav an die Spielregeln des falschen Bestehenden halten muss?
Aber diese Spielregeln ändern sich, und wenn niemand was dagegen tut, werden
sie bald so schlimm wie die an den Universitäten. Dann geht es in Parlamenten am
Ende wirklich nur noch darum, verschiedene Methoden auszuknobeln, unwürdige,
ungerechte, unhaltbare Zustände zu stabilisieren. Stattdessen jetzt also ein Text,
der vom besseren und gerechteren Leben handelt, verfasst von Leuten, die in einer
politischen Partei tatsächliche Ämter bekleiden. Menschen, die sich nicht alles
gefallen lassen wollen, was geschieht, sollten dabei mithelfen, zu testen, ob diese
Partei sich eignet, die schlechten Spielregeln auf der Grundlage dieses Textes
nicht nur theoretisch in Frage zu stellen.
Dietmar Dath Schiftsteller
37
Manifest 2015
Sozialismus – was sonst!
Dem Kapitalismus geht es nach der größten Krise seit 1929 so gut wie nie zuvor.
Das Vermögen der Milliardäre hat sich zwischen 1995 und 2014 auf 5,4 Billionen
US-Dollar mehr als verzehnfacht, davon fallen 3,6 Billionen auf 917 neue Milliardäre. Gleichzeitig steckt er jedoch in einer tiefen und vielfachen Krise.
Angesichts schon von dreien dieser Krisentendenzen: schwächeres Wachstum,
größere Ungleichheit, höhere Verschuldung vertritt der Sozialwissenschaftler Wolfgang Streeck, einmal einer der engen Berater von Kanzler Schröder, die Ansicht,
dass es notwendig sei, den Kapitalismus als historische Erscheinung zu begreifen.
Möglich sei, dass der Kapitalismus von innen heraus kollabiere. »Wir sollten lernen,
über ein Ende des Kapitalismus nachzudenken, ohne uns dabei die Beantwortung
der Frage aufbürden zu lassen, was denn an seine Stelle treten solle. (Streeck
2015, 106f) So wie Streeck das Ende des Kapitalismus, so zeichnet der englische
Sozialdemokrat Colin Crouch eine Situation, in der die repräsentative Demokratie
angesichts der Macht der global operierenden Unternehmen am Ende ihrer Entwicklungskurve angelangt und in das Stadium der Postdemokratie eingetreten ist.
Es spricht dafür, dass die Sozialdemokratie kein Reformprojekt mehr hat, wenn sich
zwei ihr so eng verbundene Intellektuelle derart pessimistisch, ja fatalistisch äußern.
Gegen den Fatalismus muss man betonen: Doch, genau darum geht es, das Ende
des Kapitalismus denken, ja, sicher – aber eben auch die Zukunft! Das ist die
richtige Geste des »Manifests«. Ein Zurück zum national-sozialen Wohlfahrtsstaat
(Balibar) ist nicht möglich und nicht wünschenswert, das würde alle Fehler der Vergangenheit fortsetzen; und so, wie es mit jener Vergangenheit keine Zukunft mehr
gibt, so auch nicht mit dieser Gegenwart. Zu Recht betont das »Manifest« auch
dies nachdrücklich: Die Zukunft ist nicht jene unverbindliche Ferne, die zu nichts
verpflichtet, sie ist gegenwärtig. Die Frage nach dem Danach ist nicht utopistisch,
sondern »ultrarealistisch«, konkret zu stellen: Wie wollen wir Natur-, Arbeits-, Generationen-, Geschlechterverhältnisse, Bildung, Demokratie, Kultur, Wohnen, Verkehr,
Nahrung, Kleidung usw. – am Ende also den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang verändern? Ein neuer Sozialismus!
Zu Recht betont das »Manifest«, dass es schon jetzt viele Aktivitäten in der Gesellschaft gibt, die sich dem Fatalismus entgegenstellen und jene zukunftsträchtigen
Pfade andeuten. Die Linke kann dazu beitragen, solche Aktivitäten zu verbinden;
38 Manifest 2015
sie kann aktives Moment einer umfassenden verbindenden Partei sein. Sie kann
und muss – zusammen mit anderen gesellschaftlichen Kräften – Diskussionen
anregen, Engagement anstoßen und zur Bildung von Zusammenhängen beitragen,
in dem die Menschen sich selbst und andere ermutigen zu einer von ihnen gemeinsam gestalteten Zukunft.
Für eine linke Partei, die auch und vor allem im Parlament und in einer vermachteten Öffentlichkeit handelt, gibt es immer eine besondere Herausforderung: dass die
Menschen ihr nicht trauen und befürchten, sie instrumentalisiere sie nur für einen
Wahlerfolg, um letztlich doch nur so zynisch zu sein wie alle anderen Parteien.
Die Zukunft muss schon in die Alltagspraxis der Partei hineinspielen. Will sie ihren
­Gebrauchswert für den Emanzipationsprozess bewahren, besteht die Kunst darin,
sich vom politischen System nicht auf sein Niveau hinunter ziehen zu lassen. Ihr
­Erfolg bestünde nicht zuletzt darin, dass sie sich in diesem Prozess der sozialistischen Transformation selbst überflüssig macht.
Literatur:
Streeck, Wolfgang (2015): Wie wird der Kapitalismus enden?, in: Blätter für
­deutsche und internationale Politik, 3/2015
Alex Demirović Professor für Politikwissenschaft und Fellow am Institut für
Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung
39
Manifest 2015
Zu den Aufgaben und Möglichkeiten
einer Partei der Zukunft
1. Frühling war es zu Zeiten der Woche der Zukunft, und dies konnte man nach
langer Zeit dürftiger Ordnung aus den Zeilen des Manifestes spüren und erkennen.
Das war ein anderer Ton ganz plötzlich, nach vorn gewandt, wo neue Horizonte
aufschienen. Namen wurden genannt, Apathie und Leblosigkeit Lebewohl gesagt.
Man spürte Aufatmen im Raum und neuen Mut.
Frühling eben.
2. Ich lese es als eine, die seit Gründung dieser Partei um die Vier-in-einem-­
Perspektive streitet: ein Zukunftsprojekt, das ganz einfach ist, weil es vernünftig
ist und also von allen verstanden werden kann. Es geht dabei darum, sein Leben
so zu leben, dass die wesentlichen menschlichen Bereiche darin Platz haben –
­notwendige Arbeit in der Produktion und Verwaltung von Mitteln zum Leben –
heute in der Form der Lohnarbeit –, die sorgende Arbeit der Pflege, Liebe und
­Freundlichkeit – irreführend als Reproduktionsarbeit bezeichnet –, das Selbstzweckhandeln, also die Entfaltung der in einem jeden schlummernden Möglichkeiten in Kunst und ­Kultur, im Lernen sinnvoll zu leben, und schließlich die politische
Arbeit der Gestaltung der Gesellschaft. Dabei ist für das Recht, einen Arbeitsplatz
zu haben, zu streiten, dessen Lohn für ein gutes Leben ausreicht, aber gemäß der
Entwicklung der Produktivkräfte nur mehr vier Stunden in Anspruch nehmen soll;
erst dann kann die übrige Zeit von allen in den drei anderen Bereichen gelebt
werden, sozial verantwortlich, sich in Muße entwickelnd, radikal demokratisch. Jetzt
lese ich mit großer Freude, dass diese Ziele im neuen Manifest allenthalben auftauchen, wenn auch nicht gebündelt, nicht als Kämpfe um Zeit für ein gutes Leben in
der Vier-in-einem-Perspektive.
3. Nach meinem Dafürhalten gehört es auch zu den Aufgaben einer Partei der
Zukunft, die vielen verstreuten Initiativen, Empörungen, Druckpunkte in einen
Zusammenhang zu bringen und zu Losungen zu verdichten. So ermöglichen sie es
den Menschen in Unruhe, sich wiederzuerkennen und zusammenzuscharen. Freilich wäre es dafür notwendig, solche Losungen beim Namen zu nennen. ­Warum
geschieht dies nicht in diesem Manifest? Das Fehlen lässt die Sammlungskraft
zerfließen. Die einzelnen Räume erscheinen als beliebig.
Frigga Haug Soziologin und bekennende Marxistin-Feministin
40 Manifest 2015
Es gibt ein richtigeres Leben im falschen
Wie auch immer die Geschichte der Syriza-Regierung in Griechenland im Nachhinein erzählt werden wird: Schon heute kommt ihr der unschätzbare Verdienst zu,
die vermeintliche Alternativlosigkeit einer angeblich durch die ach so anonymen
»Märkte « erzwungenen europäischen Austeritätspolitik als das zu enttarnen, was
sie eigentlich ist – nämlich das Produkt einer sehr realen, lebensechten, elitenkonsensuellen Politik, die polit-ökonomisch Andersdenkende und -handelnde knallhart abzustrafen gedenkt. Damit auch niemand auf die dumme Idee kommt, das
zu machen, was seit jeher die Horrorvision der Herrschenden ist: Die Praxis einer
»anderen Gesellschaft« ins Werk zu setzen.
Wenn die Parteivorsitzenden der LINKEN nun »die kommende Demokratie« ausrufen, dann nehmen sie die gesellschaftspolitische Dynamik auf, die Syriza, Podemos
und all die anderen großen und kleinen sozialen Bewegungen im Süden Europas
angefacht haben, und suchen sie nach Deutschland zu importieren – ins »Auge
des Orkans«, wo so viele meinen oder jedenfalls hoffen, dass man auch durch die
europäischen Krisen hindurch so weiter machen könne wie bisher und an Merkels
Wesen Europa genesen solle. Ein Traum der Selbstgerechten, auf dessen unvermeidlich kommendes Ende die Linke in der Tat nicht nur vorbereitet sein, sondern
das sie selbst mit herbeiführen sollte.
Wir leben in einer Welt, die schon die Kritische Theorie Adornos vor bald einem
halben Jahrhundert »in irrem Widerspruch zum Möglichen« stehen sah: Gigantische
Reichtümer stehen grassierenden sozialen Nöten gegenüber, der Notwendigkeit
eines radikalen Reformismus die beständige Aushöhlung der Demokratie.
Die LINKE tut gut daran, jetzt auf den demokratiepolitischen Zug aus dem Süden
zu setzen – und sollte alles dafür tun, zur Organisation eines Bündnisses der
­europäischen Demokratiebewegungen beizutragen. Denn das befremdliche Überleben des Neoliberalismus ist nicht zuletzt der Mutlosigkeit gesellschaftspolitischer
Gegenmacht geschuldet. »So undurchdringlich der Bann«, so der Willensoptimist
Adorno, »er ist nur Bann.« Den man prinzipiell auch bannen kann.
Stephan Lessenich Professor für Soziologie
41
Manifest 2015
Eine neue Form politischer Organisierung
Die Krise der repräsentativen Demokratie, die wir heute erleben, ist nicht – wie
einige es interpretieren – eine generelle Krise der repräsentativen Demokratie, sondern eine Krise ihrer aktuellen postdemokratischen Form. Sie folgt aus dem Mangel
an einer agonistischen ( konfliktbereiten) Debatte, der seinerseits ein Ergebnis
des Konsens zwischen den »linken« und »rechten« Parteien der gesellschaftlichen
Mitte ist. Um diese Krise zu lösen und eine konfliktfreudige Debattenkultur voran
zu treiben, ist die Formulierung eines linken Projektes notwendig, welches eine
Alternative zu den aktuellen postdemokratischen Verhältnissen und zur neoliberalen
Hegemonie darstellt: einer linkspopulistischen Bewegung. Solch eine Bewegung
braucht nicht nur die Entwicklung einer linken Partei, die sich einem gegenhege­
monialen Projekt widmet, sondern auch den Entwurf einer neuen institutionellen
Form, der in der Lage ist, eine Synergie zwischen der Partei und verschiedenen
fortschrittlichen sozialen Bewegungen aus der Zivilgesellschaft zu etablieren.
Was auf dem Spiel steht, ist insofern die Konstruktion von Äquivalenzketten zwischen einer Vielzahl demokratischer Forderungen – um einen »kollektiven Willen«
zu schaffen, der für eine andere Hegemonie kämpft. Es ist klar, dass die Vielheit
demokratischer Bedürfnisse in unserer Gesellschaft heute nicht einfach durch
die »vertikale« Form einer Partei ausgedrückt werden können, selbst wenn wir
von ­einer refomierten Version von Partei ausgehen. Denn einige dieser Anliegen
werden durch »horizontale« soziale Bewegungen ausgedrückt und es ist weder
möglich noch wünschenswert, sie in den vertikalen Modus einer Partei zu zwängen.
Es braucht daher eine neue Form politischer Organisierung, welche die beiden
Modi miteinander vermitteln kann.
Aus dieser Perspektive finde ich das Manifest, dass Katja Kipping und Bernd
Riexinger für Die Linke geschrieben haben sehr interessant und äußerst vielversprechend. Ihr Vorschlag, die Entwicklung der Partei mit dem Begriff einer »verbindenden Partei« zu fassen, die einerseits verbunden ist mit sozialen Bewegungen,
NGOs und Gewerkschaften und zugleich in einer Vielzahl an sozialen Kämpfen
aktiv präsent ist, ähnelt dem, was ich unter Linkspopulismus verstehe. Ich bin überzeugt, dass die Erneuerung des emanzipatorischen Versprechens der Demokratie
wie seine Radikalisierung entlang dieser Linie geschehen kann.
Chantal Mouffe Professorin Westminster-University of London
42 Manifest 2015
Zukunft machen
Zweifellos, da waren sie, die übernatürlichen Fähigkeiten. Mehrere fröhliche Fantasien, Denkzeit, Praxis, sogar ein paar Gespenster 2.0 – die Resonanz auf die
»Woche der Zukunft« Ende April war groß, die Stimmung neugierig und ungewohnt
freundlich. Wie es denn weitergehen wird und wohin hat alle beschäftigt.
Am Ende machten sich viele TeilnehmerInnen leicht erstaunt und verwundert auf
den Weg. Die linke Normalerfahrung ist da eher anders, da schlägt man sich mit
Post-­mortem- oder Krisengeistern herum und traut den mit den Zukunftsgespenstern eng verwandten Experimentalgeistern nicht über den Weg.
Der Titel des Einstiegstextes von Katja Kipping und Bernd Riexinger hat an die
Stelle der Willensrhetorik vom »kommenden Aufstand« weit radikaler die »kommende
Demokratie« und ein dezidiertes Gleichheitszeichen mit »Sozialismus« gesetzt. Die
Bedeutung der »Zukunftswoche« und des Textes liegen in ihrer politischen ­Kultur:
als Schritt hin zur Entwicklung einer alltäglichen, selbstverständlichen Kultur der
vielfältigen Zukunftsbezüge, hin zur Orientierung und der Arbeit an ­Möglichkeiten.
Hin zur Kritik kapitalistischer Zukunftspolitik und ihrer strategischen Landnahmen
des Zukunftskontinents, mit denen gewinn- und machtbringende Breschen in die
Unsicherheit des Zukünftigen geschlagen werden sollen. Mit einer eigenen Sprache.
Damit würde ganz selbstverständlich das ganze Feld möglicher und umkämpfter
Zukünfte in den Blick genommen – darunter auch Demokratie und Sozialismus und
die Ansprüche auf andere Zeiten durch Sprechen, Bilder, Hoffnungen, Wünsche,
Träume, durch Vorstellung, Diskurse, Imagination oder Spiel, aber auch durch
Geheimnisse, Verrat, Wunder, Kritik, Szenarien, empirisch gehaltvolle Utopien und
Erinnerung an ihre sozialistischen Zukunftstraditionen. Der alte Fluchtpunkt linker
Praxis gehörte neu wieder zur Normalität linker Politik. Zukunftsfähigkeit nicht als
blöde Marketingphrase, sondern als souveräner Antikapitalismus. Und auf dem
Weg schlagen wir so nebenbei der »Corporate Foresight« ein Schnippchen.
Rainer Rilling Mitglied des Vorstandes der Rosa Luxemburg Stiftung
43
Manifest 2015
Die Vielfalt
des Gemeinsamen
Mit »Die kommende Demokratie: Sozialismus 2.0« verfügt die fortdauernde Grün­
dung der »verbindenden Partei« jetzt auch über ihr Manifest. Es hält den erreichten
Stand fest und umreißt die nächsten Schritte. Letzteres ist wichtiger als E
­ rsteres: Ein
gelungenes Manifest verhilft einem noch-einmal-anders-Werden zum D
­ urchbruch.
Die Perspektive des Durchbruchs wird gleich zu Beginn genannt: Das Ende
der Geschichte ist zu Ende. Allerdings wird damit nicht nur der Neoliberalismus
verabschiedet, der die Ideologie dieses Endes war. Verabschiedet wird auch der
­Sozialismus 1.0. Deshalb ist der anti-neoliberalen Grundeinsicht, nach der Gleichheit und Freiheit verlieren wird, »wer Freiheit weiterhin gegen Gleichheit ausspielt«,
die gegen den Sozialismus 1.0 gerichtete Grundeinsicht an die Seite zu stellen,
dass Freiheit und Gleichheit auch dann verloren gehen, wenn umgekehrt die
Gleichheit gegen die Freiheit ausgespielt wird. Das klingt eingängig, markiert in der
Realgeschichte der Sozialismen aber den Unterschied ums Ganze und ist deshalb
offensichtlich schwerer getan als gesagt.
Weil das so ist, verwundert nicht, dass das Zwischenstands-Manifest gerade
hier unentschieden bleibt. Tatsächlich wird es nicht reichen, eigens festzuhalten,
dass sich »Klassenkämpfe« heute »auch« als »Kämpfe gegen Rassismus und für
globale Solidarität, für Klimagerechtigkeit und eben globale Demokratie« äußern.
Nicht, dass das falsch wäre. Doch setzt die Formulierung den Klassenkampf
unter der Hand als das verbindende Medium aller Kämpfe und die verbindende
Partei dann doch als Klassenpartei. Das aber bleibt hinter der »Revolution des
Denkens, ­Fühlens und Handelns« zurück, in der das Manifest an anderer Stelle
den »neuen Sozialismus« als eine »kulturelle Revolution« versteht, die eine »Vielfalt des ­Arbeitens, Lebens und Liebens« freisetzen wird. Der strittige Punkt bleibt
also ­weiter zu klären, theoretisch und praktisch. Die Arbeit des Verbindens wird
erst dann gelingen, wenn sie im Eigensinn jeder Farbe der Regenbogenfahne das
­Gemeinsame der Kämpfe bejaht, in denen die Demokratie auf uns zu kommt.
Thomas Seibert Philosoph und Aktivist
44 Manifest 2015
Das Band für die Prekären wie
die Nicht-Prekären knüpfen
Das Wichtigste zuerst: Das Kompliment, dass wenigstens bei der Partei Die Linke
programmatische Aufbrüche ernst genommen werden, auch noch von »den O
­ beren«,
ohne Outsourcing an eine an Sonntagen sitzende Grundsatz-­Kommission. Das
Kompliment gilt aber nur: Wenn diese Zukunftsdebatte sich nicht als Neuauflage
mühsam verdeckter Fraktionskämpfchen entpuppt!
Im Manifest wird weit gegriffen: »Sollte sich auch in unserem Land eine neue
­gesellschaftliche Dynamik entwickeln, ... werden wir mitten drin ... und nicht
am Rande stehen.« Und dann eng geschaut: »Träger einer Demokratisierung
von Unten könnte in diesem Sinne ein Bündnis bestehend aus Erwerbslosen,
­Prekarisierten, Beschäftigten ... sowie den urbanen linken Milieus und der neuen
europäischen Generation sein.« Irgendwie liest sich das wie eine neue Formation
der ­Entrechteten. Steht der mitten drin, der sich auf die Prekären konzentriert?
Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, bilanziert ihre repräsentativen Umfragen so: Seit 2007 ist die Zahl derjenigen, die ihre
wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut einschätzen, auf inzwischen 60 Prozent
gestiegen, diejenigen, die sie als schlecht einschätzen, auf unter zehn Prozent
gesunken. Nur etwas mehr als 10 Prozent der ostdeutschen Erwerbstätigen sorgen
sich um ihren Arbeitsplatz, unter den Westdeutschen sind es noch viel ­weniger.
Nun sagt der »echte« Linke: Die Umfragen stimmen so nicht, die Befragten
­täuschen sich über ihre »wahre« Lage. Trotzdem: Wo finden sich diese UmfrageMehrheiten in dem Manifest wieder? Wie wird die große Mehrheit angesprochen,
die sich – zu Recht oder zu Unrecht – gut fühlt?
Ein Vorschlag: Die Digitalisierung wird Arbeit und Leben in dieser Gesellschaft
grundlegend verändern – Pflegeroboter, autonomes Auto, 3-D-Drucker, hyperintelligente Maschinen, selbstlernende Computer und Roboter. Der Produktivitäts­
schub wird enorm sein. Könnte deshalb das aufmerksamkeitsstarke geistige Band
für die Prekären wie die Nicht-Prekären in der Forderung nach einer kollektiven
­Regel-Wochenarbeitszeit von 20 Stunden liegen? Man müsste sie nur aus der
Schublade holen und mitten auf den Tisch legen.
Wolfgang Storz Publizist und früherer Chef­redakteur der Frankfurter Rundschau
45
Manifest 2015
Fragen sind eine gute
Ausgangsbasis
Ihr wollt eine »Demokratie ohne Kapitalismus« – Ja, da bin ich dabei! Und auch Ja
zur Abschaffung von Frontex, zur ausdrücklichen Einbeziehung der Geschlechterfrage, zur Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien etc.. Euer Tonfall drückt Gestaltungsfreude aus – ein Blick in die Zukunft, der dem Schweren trotz allem einen
lustvollen Reiz abgewinnt, auch wenn der Weg dorthin sich mir noch nicht so richtig erschließt. Manchmal sind mir zu viele wohlklingende Begriffe und aktuelle Hypes (Care-Revolution, Internet der Dinge, Copy Left, Blogging …) zu unverbunden
eingefügt, ohne die diesen innewohnenden Widersprüche zu benennen. Da klingt
für mein Verständnis forsche Selbstgewissheit durch, wo ich mir produktive Fragen
und Zweifel wünsche. Vor allem an diesem zentralen Punkt: Woher nehmt ihr die
Sicherheit, dass Digitalisierung und steigende Produktivität dazu führen werden,
»dass alle gut leben können und dabei mehr selbstbestimmte Zeit haben«, wenn
sie nicht mehr »durch die herrschende Macht- und Eigentumsverteilung blockiert«
würden? Und wer sind »alle«? Stattdessen fürchte ich eher eine digitale Diktatur.
Nicht erst morgen, sondern schon heute werden doch »Millionen Menschen der
Möglichkeiten eines guten Lebens beraubt« – auch aufgrund dieser weltweiten
Durchdigitalisierung der Produktion und aller Lebensbereiche. Jedes Jahr sterben
Millionen Menschen im globalen Süden am Extraktivismus und seinen Folgen.
Euer Eintreten »für einen freien, grünen, feministischen und lustvollen Sozialismus«
klingt nach einer mir recht sympathischen Absage an grausteifes Bürokratentum
und patriarchale Rechthaberei. Gleichzeitig frage ich mich und euch, wen ihr dabei
mitnehmt und wer draußen bleibt.
Euer Manifest wirft viele Fragen auf, und das ist ja nicht die schlechteste Ausgangsbasis, um weiter zu diskutieren. Aber wozu dieser modische Sozialismus
2.0? Warum nicht einfach »nur« Sozialismus, emanzipatorisch und globalsolidarisch, nicht nur im Internet, sondern im Alltag von Menschen aus Fleisch und Blut?
Elizabeth Voss Betriebswirtin und Publizistin
46 Manifest 2015
Die Begrenzung des Arbeitsbegriffs auf
Erwerbsarbeit ist fatal
Ausgangspunkt und Kern des Manifests ist »die neue Version einer alten Idee:
Demokratie«. Mit den Verfasser_innen gehe ich davon aus, dass Ziel einer sozialistischen Demokratie die umfassende Verfügung über die eigenen Lebensbedingungen ist. Dies bedeutet, die eigene Lebensweise wählen zu können, existenziell
abgesichert zu sein, an den kollektiven Entscheidungen umfassend teilzuhaben und
ein solches Leben allen Menschen zu ermöglichen – ohne Konkurrenz und ohne
Ausschluss.
Für all dies ist erforderlich, dass auch die Arbeit demokratisch organisiert wird,
die die Grundlagen dieser menschlichen Lebensbedingungen herstellt. Gerade
deswegen ist die Begrenzung des Arbeitsbegriffs auf Erwerbsarbeit, die sich durch
das Manifest zieht, politisch fatal. Die Sorge umeinander, soweit sie unentlohnt
stattfindet, und die Selbstsorge werden auf diese Weise als Arbeit unsichtbar.
Damit blendet das Manifest die unentlohnte Sorgearbeit aus der Organisation
und Verteilung der gesamten gesellschaftlichen Arbeit aus. Auch das Begriffspaar
­»Arbeit und Leben« ist hier nicht hilfreich. Vielmehr gehört zu einer gesellschaftlichen Alternative, dass das Ganze der Arbeit Teil des guten Lebens und keine
geraubte Lebenszeit ist.
Gerade im Care-Bereich ist augenfällig, wie wichtig es ist, den Zusammenhang
von gegenwärtig entlohnter und unentlohnter Arbeit neu zu gestalten und zu
demokratisieren. Nur wenn sich etwa Erzieher_innen und Eltern oder beruflich
und familiär Pflegende als gesellschaftlich Arbeitende begreifen, können sie sich
auf Augenhöhe in ihren Kämpfen um ausreichende Ressourcen und gute Arbeitsbedingungen unterstützen. Dies gilt unter dem Aspekt der Selbstsorge auch für
Assistenzgebende und Assistenznehmende. Auf diese Weise können wir Schritte
einer Care Revolution gehen, von der auch die Verfasser_innen sprechen: Ziel ist
eine solidarische Gesellschaft, »in der nicht mehr die Profitmaximierung, sondern
menschliche Bedürfnisse und die Sorge füreinander im Zentrum stehen.«
Gabriele Winker Mitbegründerin des Feministischen Instituts Hamburg und
Aktivistin im Netzwerk Care Revolution
47
Manifest 2015
Es gibt keine andere Realpolitik als die,
die über das Bestehende hinausgeht
Katja Kipping und Bernd Riexinger haben recht, wenn sie grundlegende Veränderungen einfordern: Eine Partei, die sich auf den parlamentarischen ­Betrieb konzentriert, kann nicht links sein. Emanzipatorische Veränderungen gibt es nämlich nicht
ohne neue Hegemonie – ohne andere, solidarische Lebensformen, soziale Kämpfe,
Gegenprojekte. Eine linke Partei darf deshalb nicht einfach das ­Bestehende besser
verwalten wollen; sie muss dafür sorgen, dass sich das Neue, Andere organisiert.
Sie muss Teil von Kämpfen werden und selbst zu einem Laboratorium demo­
kratischer Praxis werden. Und ja: Sie muss die Machtfrage stellen – die meist nur
wenig damit zu tun hat, wer gerade an der Regierung ist.
Kipping und Riexinger haben auch recht, dass wir eine Demokratie ohne Kapitalismus brauchen. Die natürlichen Grenzen des Wachstums zeichnen sich ab und damit
auch ein Ende unbegrenzter Kapitalvermehrung. Die Rechte schraubt bereits an
der Zukunft: Sie arbeitet an einer Politik, durch welche die Eliten mit immer weniger
Zustimmung herrschen können.In Anbetracht dieser Situation gibt keine andere
Realpolitik als die, die über das Bestehende hinausgeht. Wir brauchen eine ökologische Transformation, Gemeineigentum und radikale Demokratisierung.
Wir brauchen eine solidarische Verständigung in der Gesellschaft darüber, wie wir
anders leben, arbeiten und konsumieren wollen. Auch das ist leider eine Machtfrage,
denn in unserer Demokratie ist genau das nicht vorgesehen: dass nicht »der Markt«,
sondern die Gesellschaft über die Ökonomie entscheidet.
Die Linke muss sich ändern. In Madrid wurde Ende Mai 2015 die Antifaschistin
­Manuela Carmena zur Bürgermeisterin gewählt, in Barcelona die Ex-Hausbe­setz­erin
Ada Colau. Ihre Kandidaturen wurden zwar von Teilen der Linksparteien unterstützt,
aber sie entstanden ausdrücklich gegen diese Parteien. Es gibt in Europa ein
großes Bedürfnis nach Veränderung. Die Leute haben die Schnauze voll von einer
Politik, in der sie aus Zeitungen davon erfahren, wer von den Parteien als nächster
Regierender ins Rennen geschickt wird. Sie gehen nicht mehr zu Wahlen, weil sie
merken, dass dieser Akt mit Demokratie wenig zu tun hat. Sie sind empört über
die Bereicherung der Eliten und sehen nicht, dass sich dem jemand – jenseits der
Talkshow-Rhetorik – widersetzt.
Wir brauchen nicht weniger, als den demokratischen Bruch mit dem Kapitalismus.
Die LINKE muss Teil und Protagonist dieses Projekts werden.
Raul Zelik Schriftsteller, Journalist und Übersetzer
48 Manifest 2015
Impressum
DIE LINKE
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin
Telefon: 030/24009-999
[email protected]
www.die-linke.de
V.i.S.d.P. Katja Kipping und Bernd Riexinger
Titel Bild von Dmitry Vilensky und Klebebande Berlin, www.klebebande-berlin.com
Fotos Alle Fotos aufgenommen auf der Linken Woche der Zukunft:
S. 31: Katja Kipping und Bernd Rixinger (Foto: Antje Schiwatschev),
S. 49: Die Klebebande am Werk (Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung)
Gestaltung Matthies & Schnegg, Berlin
Druck Mediaservice Berlin
Wie die Zukunft aussieht, entscheidet sich nicht morgen, sondern heute.
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