Psychiatrie und Psychosomatik Persönlichkeitsstörungen Einteilung

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Psychiatrie und Psychosomatik
Persönlichkeitsstörungen
Einteilung nach ICD-10
Definition und Ätiologie
Als Persönlichkeitsstörungen werden tief verwurzelte, anhaltende und weitgehend stabile Verhaltensmuster komplexer Genese verstanden, die sich in unflexiblen Ausprägungen auf
persönliche und soziale Lebenslagen reflektieren, sodass Wahrnehmung, Denken, Impulskontrolle, Affektivität und zwischenmenschliche Interaktionen gegenüber der Mehrheit der
Bevölkerung abweichen. Wesentliche Kriterien für die Diagnose einer Störung der Persönlichkeit sind die Dominanz eines bestimmten Persönlichkeitsmerkmals, das stabile Aufrechterhalten
des Verhaltensmusters sowie die Einschränkung des subjektiven Wohlbefindens, der sozialen Anpassung oder der beruflichen Leistungsfähigkeit infolge der auffälligen Persönlichkeitszüge.
Die Entwicklung der gesunden und gestörten Persönlichkeit ist das Ergebnis komplexer Wechselwirkungen aus Umweltfaktoren (erworben) und genetischer Anlagefaktoren
(angeboren). Aus psychodynamischer Sicht sind Störungen in den einzelnen frühkindlichen Entwicklungsstadien bedeutsam. So führen Probleme in der analen Phase zu zwanghaftem und
rigidem Verhalten mit emotionaler Distanz und steigern das Risiko für die Entstehung einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung. Lerntheoretische Ansätze betonen, dass
Persönlichkeitsstörungen im Kern ein gelerntes Verhalten darstellen. Die Prinzipen des operanten Konditionierens durch positive bzw. negative Verstärkung sowie des Modell-Lernens
fördern die extreme Über- bzw. Unterentwicklung spezifischer Verhaltensweisen. In den letzten Jahren kommt neurobiologischen Ursachen, wie morphologischen Veränderungen des
frontalen Kortex oder zerebralen Stoffwechselstörungen, im Rahmen der Verbesserung bildgebender Verfahren eine wachsende Bedeutung zu. Allerdings dürfen die hirnorganischen
Abnormalitäten genau wie die genetischen Aspekte befundeter Familienstudien nur im Kontext mit der individuellen psychosozialen Entwicklung betrachtet werden.
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Klassifizierung der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10
F 60.0
Paranoide
Persönlichkeitsstörung
F 60.1
Schizoide
Persönlichkeitsstörung
F 60.2
Dissoziale
Persönlichkeitsstörung
F 60.3
Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung
F 60.4
Histrionische
Persönlichkeitsstörung
(histrio = lat. Schauspieler)
F 60.5
Anankastische (zwanghafte)
Persönlichkeitsstörung
F 60.6
F 60.7
F 60.8
Ängstliche (vermeidende)
Persönlichkeitsstörung
Abhängige (asthenische)
Persönlichkeitsstörung
Sonstige spezifische
Persönlichkeitsstörungen
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wesentliche Merkmale dieser Persönlichkeitsstörung sind ausgeprägtes Misstrauen, übertriebene Empfindlichkeit
gegenüber Kritik, rigides Beharren auf eigenen Rechten und Kampf gegen Unrecht (querulatorische Persönlichkeit)
unbedeutende Erlebnisse werden als feindselige Handlung und gegen die eigene Person gerichtet missdeutet
Patienten wirken nach außen meist humorlos/gefühllos, im inneren Erleben besteht hingegen anhaltende Verletzlichkeit
Vermeidung engerer Kontakte und Neigung zu pathologischer Eifersucht, Tendenz zu überhöhtem Selbstwertgefühl
bei situationsunangemessener Reaktion auf eine überwertige Idee spricht man von fanatischer Persönlichkeit
vordergründig Auffälligkeiten im affektiven Bereich: Patienten sind reserviert, scheu und einzelgängerisch (Introvertiertheit)
emotionale Kühle, schwache Reaktionen auf Lob oder Kritik sowie Unvermögen, zärtliche Gefühle oder Ärger zu zeigen
Mangel an engen, vertrauensvollen Beziehungen und sexuellen Erfahrungen
auffällig exzentrisches Verhalten mit Nichtbefolgen gesellschaftlicher Regeln, dafür Vorliebe für Phantasie
andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen
Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer und Mangel an Empathie, selten längerfristige Beziehungen eingehend
geringe Frustrationstoleranz sowie niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten, andauernde Reizbarkeit
Betroffene zeigen Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein und zum Lernen aus Erfahrung
allgemein: rücksichtsloses Ausleben von Impulsen, launenhafte Stimmung, Unfähigkeit der Vorausplanung
die ICD-10 unterscheidet den impulsiven Typ vom Borderline-Typ, der psychodynamisch zu den frühen Störungen zählt
impulsiver Typ: Ausbrüche von gewalttätigem Verhalten sowie mangelnde Impulskontrolle bei Kritik durch andere
Borderline-Typ: Instabilität des eigenen Selbstbildes, der inneren Ziele und subjektiven Präferenzen; Suiziddrohungen
Betroffene zeigen Dramatisierung und theatralisches Verhalten der eigenen Person mit übertriebenem Gefühlsausdruck
Egozentrik und Selbstbezogenheit fordert dauerndes Verlangen nach Anerkennung; fehlende Bezugnahme auf andere
oberflächliche, labile Affektivität sowie leichte Beeinflussbarkeit durch Mitmenschen, ausgeprägte Sensibilität/Verletzbarkeit
Patienten unterliegen Verlangen nach aufregender Aktivitäten, die Befriedigung eigener Bedürfnisse dient (Geltungssucht)
Konflikt zwischen dem Streben nach Perfektion und den selbst gesetzten, strengen und oft unerreichbaren Normen
Unentschlossenheit, Zweifel und übermäßige Vorsicht als Ausdruck einer tiefen persönlichen Unsicherheit
unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung von Vergnügen und zwischenmenschlichen Beziehungen
detailliertes Vorausplanen aller Aktivitäten, Eigensinn, Pedanterie (= Ordnungsliebe) und Konventionalität von Beziehungen
Hauptmerkmal: umfassendes Gefühl von Anspannung, Schüchternheit und Besorgtheit in Verlegenheit zu geraten
Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik von anderen -> Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptanz
Überlassung von Verantwortung für Bereiche des eigenen Lebens an andere, Selbstwahrnehmung als inkompetent/hilflos
Angst vor dem Verlassenwerden und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber Wünschen anderer
Narzisstische Persönlichkeit: übertriebenes Selbstwertgefühl, „Ich-Verliebtheit“, Phantasien von Erfolg und Macht
passiv-aggressive Persönlichkeit: indirekter Widerstand gegen Anforderungen an eigenes Verhalten
© Oktober 2010 by Alexander Jörk
Friedrich-Schiller-Universität Jena
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