Abiturprüfung an den allgemeinbildenden Gymnasien (Baden-Württemberg) 2015 Prüfungsfach: Physik – Aufgabe I a) Ein Reagenzglas ist teilweise mit Metallkügelchen gefüllt und schwimmt in einer Flüssigkeit (siehe Abb. 1). Die Eintauchtiefe h beträgt 11,0 cm. Das Reagenzglas wird zunächst aus der Gleichgewichtslage um 4,0 cm angehoben und zum Zeitpunkt 0 s losgelassen. Danach schwingt es harmonisch mit der folgenden Periodendauer: T = 2π ⋅ h g Abb. 1 Die Dämpfung wird vernachlässigt. • Bestätigen Sie durch Rechnung, dass die Frequenz der Schwingung rund 1,5 Hz beträgt. • Skizzieren Sie das zugehörige Zeit-Auslenkung-Diagramm für die ersten beiden Perioden. • Berechnen Sie die maximale Geschwindigkeit und die maximale Beschleunigung des Reagenzglases. • Bestimmen Sie jeweils die Zeitpunkte im Intervall 0 s ≤ t ≤ 1 s, zu denen der Betrag der Geschwindigkeit bzw. der Beschleunigung maximal wird. • Berechnen Sie die Beschleunigung zum Zeitpunkt 0,55 s. • Geben Sie an, in welche Richtung sich das Reagenzglas zum Zeitpunkt 0,55 s bewegt, und begründen Sie ihre Antwort. b) Abbildung 2 zeigt das Momentanbild eines linearen Wellenträgers zu Beginn der Zeitmessung bei 0 s. Die Teilchen auf dem Wellenträger schwingen mit der Periodendauer 0,4 s. Abb. 2 Im Experiment wurde die Welle bei A erregt und hat sich nach rechts ausgebreitet. Der Wellenträger ist nach rechts nicht begrenzt. • Zeichnen Sie das Momentanbild des Wellenträgers zum Zeitpunkt 0,1 s. 2015-1 (10 VP) In einem neuen Experiment wurde zwischen den beiden Punkten A und B eine stehende Welle mit der maximalen Amplitude 1,0 cm erzeugt. Man beobachtet zum Zeitpunkt 0 s wieder das in Abbildung 2 dargestellte Momentanbild. • Zeichnen Sie für dieses zweite Experiment das Momentanbild des Wellenträgers zum Zeitpunkt 0,1 s. • Bestimmen Sie den Zeitpunkt, bei dem zum ersten Mal die Schaubilder von fortschreitender und stehender Welle zwischen den Punkten A und B wieder gleich aussehen. • Zeichnen Sie für diesen Zeitpunkt das Momentanbild des Wellenträgers zwischen den Punkten A und B. (7 VP) c) Abbildung 3 zeigt die Erreger E1 und E2, mit denen auf einer Wasseroberfläche kreisförmige Wellen mit der Wellenlänge 4,0 cm und der Amplitude 1,0 mm erzeugt werden. Von der Abnahme der Amplitude und von Reflexionen wird abgesehen. Die Erreger haben zunächst den Abstand 6,0 cm und schwingen gleichphasig. • Bestimmen Sie die Amplituden an den Punkten A, B und C der Wasseroberfläche. Nun schwingen die Erreger gegenphasig. • Bestimmen Sie die Amplituden an den Punkten A, B und C. Abb. 3 Die Erreger, die weiterhin gegenphasig schwingen, werden nun auf einen Abstand von 8,0 cm auseinander geschoben. Die Amplituden werden auf einem Kreis mit Radius 10 cm betrachtet, dessen Mittelpunkt sich in der Mitte zwischen den Erregern befindet. • Bestimmen Sie die Anzahl der Punkte mit maximaler Amplitude auf diesem Kreis. (7 VP) d) Wellen bilden in der klassischen Physik gewissermaßen den Gegensatz zu Teilchen, der in der Quantenphysik aufgelöst wird. Dazu ein Zitat des Physikers Richard Feynman: „Wir haben jedoch Glück, denn die Elektronen verhalten sich genauso wie das Licht. Das Quantenverhalten von atomaren Objekten (Elektronen, Protonen, Neutronen, Photonen usw.) ist für alle das gleiche, …“ (Richard Feynman, Robert Leighton, Matthew Sands, Feynman Vorlesungen über Physik, Band 3 – Quantenmechanik, 4. Auflage, Oldenbourg München, 1999, S. 17; Übersetzer: Henner Wessel) • Nennen Sie zunächst drei Unterschiede zwischen Elektronen und Photonen. • Wählen Sie einen der von Ihnen genannten Unterschiede aus und erläutern Sie, wie man diesen experimentell nachweisen kann. • Beschreiben Sie ein Experiment, das die Aussage von Feynman bestätigt. Erdbeschleunigung: g = 9,81 ms–2 2015-2 (6 VP) Tipps und Hinweise zur Lösung von Aufgabe I Tipps zu Teilaufgabe a r Die Frequenz f ist der Kehrwert der Periodendauer T. r Beachten Sie, dass die Schwingung im oberen Umkehrpunkt beginnt. r Wenn Sie die Formeln für die Maximalwerte nicht mehr sicher wissen, können Sie diese ganz leicht herleiten, indem Sie die Bewegungsgleichung s(t) = sˆ ⋅ cos(ω ⋅ t) zweimal ableiten. Für die Kreisfrequenz gilt: ω = 2π ⋅ f. r Überlegen Sie, in welchen Punkten der Bewegung die Geschwindigkeit bzw. die Beschleunigung ihre Maximalwerte erreichen. Beachten Sie außerdem, dass nur Zeitpunkte in der ersten Sekunde gefragt sind. r Die Beschleunigungsfunktion ist die zweite Ableitung der Zeit-Auslenkung-Funktion. r Diese Aufgabe können Sie mithilfe des Diagramms lösen. Alternativ berechnen Sie die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt 0,55 s und interpretieren das Vorzeichen. Tipps zu Teilaufgabe b r Die Ausbreitungsgeschwindigkeit lässt sich aus der Wellenlänge und der Periodendauer ermitteln. Ein typischer Fehler besteht darin, dass die Welle einfach nach rechts fortgesetzt wird. r Bei einer stehenden Welle gibt es Bewegungsknoten und Bewegungsbäuche, die ortsfest bleiben. Die fortschreitende Welle muss auf jeden Fall so weit nach rechts wandern, dass die r Nullstellen wieder die alte Lage einnehmen. r r r r Tipps zu Teilaufgabe c Beachten Sie den Maßstab! Die Amplitude verdoppelt sich, wenn der Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist. Kommen die Wellen mit einem halbzahligen Gangunterschied an, so löschen sie sich aus. Beachten Sie, dass jetzt zusätzlich zum geometrischen Gangunterschied noch eine weitere Verschiebung um λ2 hinzukommt. Die Erreger schwingen weiterhin gegenphasig. Die Aufgabe wird einfacher, wenn Sie zuerst so tun, als würden die Erreger gleichphasig schwingen. Dann bestimmen Sie die Gangunterschiede an den Schnittpunkten des Kreises mit der Mittelsenkrechten zu E1E2 sowie mit der Verbindungslinie E1E2. Dies sind die extremen geometrischen Gangunterschiede. Anschließend müssen Sie noch die zusätzliche Verschiebung um eine halbe Wellenlänge berücksichtigen. Tipps zu Teilaufgabe d r Nennen Sie die drei Unterschiede, bei denen Sie sich ganz sicher sind. Mehr ist nicht verlangt. Auch hier ist nur eine ganz einfache Antwort verlangt. r Beim Doppelspaltversuch mit Licht erhält man ein Interferenzmuster mit Maxima und Minir ma der Intensität. Bei extrem kleiner Intensität des Lichts erkennt man auf dem Nachweisgerät, dass die Photonen einzeln „auftreffen“. r Es ist nur eine Beschreibung eines Experiments verlangt. Schweifen Sie nicht zu weit von der Fragestellung ab. 2015-3 Lösung a) Berechnung der Frequenz Zuerst wird die Periodendauer T berechnet: T = 2π ⋅ 0,110 h = 2π ⋅ s = 0,665 s. g 9,81 Die Frequenz f ist der Kehrwert der Periodendauer T: 1 1 f= = Hz = 1,5 Hz. T 0,665 Zeit-Auslenkung-Diagramm Die Bewegung beginnt zum Zeitpunkt t0 = 0 s im oberen Umkehrpunkt, der 4,0 cm oberhalb der Gleichgewichtslage liegt. Die Bewegung wird somit durch eine Kosinusfunktion beschrieben. Die Periodendauer beträgt 0,67 s (Abb. 4). Abb. 4 Die restlichen Aufgaben der Teilaufgabe a werden mithilfe der Bewegungsgleichungen gelöst: s(t) = sˆ ⋅ cos (ω ⋅ t) = − sˆ ⋅ ω ⋅ sin (ω ⋅ t) v(t) = s(t) a(t) = s(t) = − sˆ ⋅ ω2 ⋅ cos (ω ⋅ t) Berechnung der maximalen Geschwindigkeit und der maximalen Beschleunigung Für die Maximalwerte gilt v̂ = sˆ ⋅ ω und aˆ = sˆ ⋅ ω 2 . Dabei ist ω die Kreisfrequenz. Es gilt: ω = 2π ⋅ f = 2π ⋅ 1,5 s −1 = 9, 42 s −1 . Die maximale Geschwindigkeit beträgt v̂ = sˆ ⋅ ω = 0,040 ⋅ 9, 42 ms −1 = 0,38 ms −1 . Die maximale Beschleunigung beträgt aˆ = sˆ ⋅ ω 2 = 0,040 ⋅ 9, 42 2 ms −2 = 3,6 ms −2 . Zeitpunkte mit maximalem Betrag der Geschwindigkeit bzw. der Beschleunigung • Die maximale Geschwindigkeit wird beim Durchgang durch die Gleichgewichtslage erreicht. Im vorgegebenen Intervall passiert dies zu den Zeitpunkten T 3 5 t1 = = 0,17 s, t 2 = T = 0,50 s und t 3 = T = 0,83 s. 4 4 4 2015-4