Quantenmechanik 2 Wintersemester 2005/2006 Peter Vogl Physik Department TU München November 7, 2005 Contents 1 Ergänzungen zur Einteilchen-Quantenmechanik 1.1 Zeitentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Wechselwirkung von Elektronen mit dem elektromagnetischen 1.2.1 Aharonov-Bohm-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Freie Elektronen im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zeitabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Streutheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Asymptotisches Verhalten des Wellenpakets . . . . . . 1.4.2 Streuquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Partialwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 bornsche Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 5 6 8 11 14 16 17 17 19 . . . . . . . . . . . . . 21 21 21 23 23 27 29 32 34 34 35 37 37 38 3 Quantenfeldtheorie 3.1 Feldquantisierung am Beispiel des elastische Fadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Kontinuumsmechanik des elastischen Fadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 41 41 3.1.2 Quantenfeldtheorie des elastischen Fadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantisierung des schrödingerschen Materiefeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abriss der Propagatormethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 45 46 2 Das 2.1 2.2 2.3 . . . Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vielkörperproblem Einleitung, Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ununterscheidbarkeitsprinzip und das Pauli-Prinzip . . . . . . . . . . . . . Der Besetzungszahl-Formalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Basiszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Definition der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren . . . . . . 2.3.3 Operatoren im Besetzungszahlformalismus . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Hamilton und Schrödingergleichung im Besetzungszahlformalismus 2.3.5 Matrixelemente des Coulomb-Potenzials . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 Bosonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Besetzungszahlformalismus mit Orts-Basisfunktionen . . . . . . . . 2.3.8 Bewegungsgleichungen für ψ, c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.9 Schrödingergleichung in Operatorform . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die Hartree-Fock-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 3.3 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 3.3.2 3.3.3 Der Einteilchenpropagator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungsreihe für den Propagator im Einteilchen-Fall . . . . . . . . . . . . . . . Die Hartree-Fock-Methode in der Propagatormethode . . . . . . . . . . . . . . 47 49 51 4 Die adiabatische Näherung 4.1 Die geometrische (Berry) Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 54 5 Relativistische Quantenmechanik 5.1 Spezielle Relativitätstheorie - Wiederholung und Notation 5.2 Klein-Gordon-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Viererspinoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Lorentz-invariante Form . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Freie Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Dirac-Gleichung im elektromagnetischen Feld . . . 5.3.5 Der nichtrelativistische Limes: die Pauligleichung . 5.3.6 Diracgleichung im Zentralfeld . . . . . . . . . . . . 5.3.7 Das Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 57 59 60 62 63 63 66 67 69 72 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur- und Quellenangaben 1. E. Fick, Einführung in die Grundlagen der Quantentheorie, Aula Verlag, 1988 (Taschenbuch): alle Kapitel 2. R. D. Mattuck, A Guide to Feynman diagrams in the many body problem, 2nd ed., Mc Graw Hill 1976: Propagatoren, Feynman-Diagramme 3. F. Schwabl, Quantenmechanik für Fortgeschrittene, Springer, 2000: Hartree-Fock, Dirac-Gleichung 4. U. Scherz, Quantenmechanik, Teubner, 1999: Dirac-Gleichung 3 1 1.1 Ergänzungen zur Einteilchen-Quantenmechanik Zeitentwicklung Aussage 1: Der Zeitentwicklungsoperator wirkt auf einen Zustand |Φ(t0 ) > und liefert den Zustand des Systems zu einer späteren Zeit t, |Φ(t) >= Û (t, t0 )|Φ(t0 ) > . Û ist ein unitärer Operator, der aus der Schrödingergleichung folgt: i~ i~ ∂ |Φ(t) >= Ĥ|Φ(t) >, ∂t ∂ Û (t, t0 )|Φ(t0 ) >= Ĥ Û (t, t0 )|Φ(t0 ) > ∂t und daher der Operatorgleichung genügt i~ ∂ Û (t, t0 ) = Ĥ Û (t, t0 ). ∂t Aussage 2: Ist H zeitunabhängig, so gilt i iĤ (t − t0 ) + ... Û (t, t0 ) = exp[− Ĥ (t − t0 )] = 1 − ~ ~ Beweis erfolgt durch Einsetzen. Aussage 3: Bezeichnen wir die Energiezustände mit n, H|n >= En |n >, dann folgt für den Zeitentwicklungsoperator Û (t, 0) = e−iĤt/~ = X n,n0 Folge: Sei |Φ(0) >= P n |n |n0 >< n0 |e−iĤt/~ |n >< n| = >< n|Φ(0) >= P n cn (0)|n |Φ(t) >= e−iĤt/~ |Φ(0) >= X n X n |n > e−iEn t/~ < n|. >, dann folgt cn (0)e−iEn t/~ |n >= X cn (t)|n >, n und somit cn (t) = cn (0)e−iEn t/~ , immer unter der Voraussetzung von 1.4.2, dass Ĥ zeitunabhängig ist. Beispiel 1: Betrachten wir ein Magnetfeld in z-Richtung und ein (l = 0) Elektron in diesem Feld. Dann ist Ĥ = − eB ŝz = −ωc ŝz mc mit den Eigenwerten E± = ±~ωc /2, wobei ωc = lungsoperator ist daher eB mc Û = exp[− die Zyklotronfrequenz ist. Der Zeitentwick- iωc ŝz t ] ~ und ein Anfangszustand |Φ(0) >= c+ |+ > +c− |− > 4 entwickelt sich zu |Φ(t) >= c+ e−iωc t/2 |+ > +c− eiωc t/2 |− > . Sei das System zur Zeit t = 0 im |χx+ >-Zustand, d.h. 1 c+ = c− = √ , 2 dann ist die Wahrscheinlichkeit, das System zur Zeit t im |χx+ >-Zustand (bzw. im |χx− > Zustand) zu finden, gegeben durch (s. Übungen) ωc t , 2 ωc t , | < χx− |Φ(t) > |2 = sin2 2 | < χx+ |Φ(t) > |2 = cos2 d.h. das System oszilliert zwischen diesen beiden Zuständen (sog. Rabi-Oszillation). Beispiel 2: Die Größe < x|Û (t, t0 )|x0 > heißt Propagator eines Teilchens im Ortsraum. Er gibt die zeitliche Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsamplitude für eine Ortsmessung an (|x > ist Eigenfunktion des Ortsoperators, d.h. es gilt x̂|x >= x|x >). Für ein freies Teilchen ist der Propagator im Ortsraum (s. Übung) ⎧ q m im (x−x0 )2 −iπ/4 ⎨ 2 e i p̂ 2π~(t−t0 ) exp[ 2~ t−t0 ] 1-D 0 q (t − t0 )]|x >= < x| exp[− 0 2 m ⎩ e−i3π/4 3 ~ 2m exp[ im (r−r ) ] 3-D 2π~(t−t0 ) 1.2 2~ t−t0 Wechselwirkung von Elektronen mit dem elektromagnetischen Feld Die Schrödingergleichung für ein Elektron mit der Ladung −e in einem beliebigen elektromagnetischen Feld, das durch das skalare Potenzial φ(x, t) und das Vektorpotenzial A(x, t) charakterisiert ist, B(x, t) = ∇ × A(x, t), E(x, t) = − 1 ∂ A(x, t) − ∇φ(x, t), c ∂t (1) (2) lautet (im Gauß-System) " # µ ¶2 1 ∂ } e i} ψ(x, t) = ∇ + A − eφ ψ(x, t). ∂t 2m i c (3) Änderung bei Eichtransformation In der klassischen Physik bleiben die Maxwellgleichungen invariant unter Eichtransformationen; die Potenziale sind im Gegensatz zu den Feldstärken nur Hilfsgrößen. Es ist aber ziemlich offensichtlich, dass die Schrödingergleichung unter der einer Eichtransformation A → A0 = A + ∇Λ, 1 ∂Λ φ → φ0 = φ − c ∂t (4) (5) für beliebige Λ(x, t) nicht invariant bleibt. Wir zeigen jetzt, dass die Eichinvarianz der Schrödingergleichung erfordert, dass sich die Wellenfunktion wie folgt transformiert: ¾ ½ ie 0 (6) ψ (x, t) = exp − Λ(x, t) ψ(x, t). }c 5 Die Multiplikation der Schrödinger-Gleichung mit diesem exp-Faktor führt unter Benützung der Identität ∂ ∂ ∂f f (y) =( − )e (7) ef (y) ∂y ∂y ∂y auf # " µ ¶2 ¾ ½ } e } ie ieΛ 1 ∇+ A+ ∇Λ − eφ exp − ψ (8) 2m i c i }c }c ½ ¾ ie ∂Λ ieΛ ∂ ) exp − ψ (9) = i}( + ∂t }c ∂t }c Dies ist offensichtlich identisch mit " # µ ¶ 1 } e 0 2 ∂ ∇+ A − eφ0 ψ 0 = i} ψ 0 2m i c ∂t (10) der Schrödingergleichung mit den gestrichenen Potenzialen. Die Eichtransformation bedingt also einen zusätzlichen orts- und zeitabhängigen Phasenfaktor der Wellenfunktion, aber |ψ|2 ändert sich dadurch nicht. Man könnte daher meinen, dass dieser Faktor physiaklisch ohne Bedeutung ist; das ist aber ein Irrtum, wie wir jetzt diskutieren werden. 1.2.1 Aharonov-Bohm-Effekt Wir betrachten eine stromdurchflossene Spule mit Radius ρ = R und verwenden Zylinderkoordinaten (ρ, φ, z) mit Einheitsvektoren (eρ , eφ , ez ); die z-Achse sei die Symmetrieachse des Zylinders. Man zeigt dann in der Elektrodynamik, dass für das zeitlich konstante Magnetfeld B(x) entlang der z-Achse gilt B(x) = B0 ez für ρ < R =0 für ρ > R Für ρ > R ist ja rot A = 0, daher lässt es sich als Gradient eines Feldes differenziell oder integral darstellen, d.h. A = ∇Λ, Z x Λ(x) = ds · A(s), (11) (12) x0 wobei x0 ein beliebiger Anfangspunkt im feldfreien Bereich ist und auch x außerhalb des Radius R liegt. Setzen wir nun diese Spule in einen hohlen Doppelzylinder mit Innenradius größer als R hinein, dessen Wände für ein Elektron so hohe Barrieren darstellen, so verschwindet die Wellenfunktion ψ an beiden Wänden: 6 Da das Magnetfeld innerhalb Doppelzylinder verschwindet, erwarten wir, dass die Wellenfunktion des Elektrons völlig unabhängig vom Spulenfeld und Magnetfeld unverändert bleibt. Das ist aber nicht der Fall, wie die Quantenmechanik zeigt. Man kann die Wellenfunktion in diesem feldfreien Bereich entweder aus der Schrödingergleichung # " µ ¶2 } e 1 ∂ ∇ + A + V ψ = i} ψ (13) 2m i c ∂t gewinnen oder aus einer eichtransformierten ohne Vektorpotenzial A0 = A + ∇(−Λ) = 0, die dann lautet " 1 2m µ # ¶2 } ∂ ∇ + V ψ 0 = i} ψ 0 i ∂t (14) (15) Wir wissen, dass für die Wellenfunktionen dieser beiden Schrödingergleichungen der Zusammenhang gilt ¾ ½ ie 0 ψ = exp − (−Λ) ψ, (16) }c ( ) Z ie x 0 ψ = ψ exp − ds · A(s) (17) }c x0 wobei ψ 0 die Wellenfunktion mit A = 0 (und daher B = 0 im ganzen Raum) ist. Wie wir sehen werden, führt dies zu einer beobachtbaren Änderung der Eigenschaften des Elektrons, obwohl die Wellenfunktion selbst nie mit dem Magnetfeld überlappt. Die Lorentzkraft auf das Teilchen verschwindet, aber die Energieniveaus und Wellenfunktionen ändern sich wegen der Nichtlokalität der Schrödingergleichung trotzdem. Dieser Effekt heisst Aharonov-Bohm Effekt. Betrachten wir nun ein Teilchen mit Ladung e, das links oder rechts an einem langen Zylinder vorbei propagiert, wie in folgender Abbildung (von oben gesehen) gezeigt: Wir bilden zunächst nur die Lösung ψ1,A (x), in der ein Spalt offen ist. Diese ergibt sich aus der Wellenfunktion ψ1,0 (x), für die A = 0, zu ½ ¾ Z ie ds · A(s) (18) ψ1,A (x) = ψ1,0 exp − }c 1 wobei das Wegintegral von der Elektronenquelle A durch den einen Spalt zu B verläuft. Wenn nur der zweite Spalt offen ist, bekommen wir entsprechend ½ ¾ Z ie ds · A(s) . (19) ψ2,A (x) = ψ2,0 exp − }c 2 7 Wenn nun beide Spalten offen sind, bilden wir die lineare Superposition und haben als allgemeine Lösung ½ ¾ ½ ¾ Z Z ie ie ds · A(s) + C2 ψ2,0 exp − ds · A(s) . (20) ψA (x) = C1 ψ1,0 exp − }c 1 }c 2 Die relative Phase der beiden Summanden ist Z Z I Z ds · A(s) − ds · A(s) = ds · A(s) = df · rot A = ΦB 1 (21) 2 wobei ΦB der eingeschlossene magnetische Fluss innerhalb der Spule ist. Somit haben wir µ ½ ¾ ¾ ¶ ½ Z ie ie ds · A(s) . ψA (x) = C1 ψ1,0 exp − ΦB + C2 ψ2,0 exp − }c }c 2 (22) Je nach Fluss bekommen wir also für die Dichte |ψA (x)|2 ein Interferenzbild, weil die Phasenrelation zwischen ψ1 und ψ2 dabei geändert wird. Die Positionen der Interferenzmaxima werden also durch Variation von ΦB verschoben, obwohl das Elektron nicht in den Bereich endlichen Magnetfeldes gelangen kann. Dieser Aharanov-Bohm-Effekt wurde 1960 von Chambers erstmals experimentell nachgewiesen. Während in der klassischen Physik die Potenziale nur Hilfsgrößen sind, sind A(x) und φ(x) in der Quantenmechanik die fundamentalen physikalischen Felder. 1.2.2 Freie Elektronen im Magnetfeld Wir betrachten nun ein zeitunabhängiges Magnetfeld B = Bez schreiben die Schrödingergleichung Eψ = = = = µ ¶2 } e 1 ∇+ A ψ 2m i c µ ¶µ ¶ } e e 1 } ∇+ A ∇+ A 2m i c i c 2 ie} e2 −} ie} ∆ψ − (∇ · A)ψ + A2 ψ A · ∇ψ − 2m 2mc 2mc 2mc2 −}2 ie} e2 ∆ψ − 2 A · ∇ψ + A2 ψ, 2m 2mc 2mc2 (23) (24) (25) (26) wobei wir die Coulombeichung ∇ · A = 0 verwendet haben und die Tatsache, dass (∇ · A)ψ = ψ∇ · A + A · ∇ψ = A · ∇ψ. (27) Wir wählen innerhalb der Coulombeichung die sog. symmetrische Eichung für das Vektorpotenzial, 1 A = − x × B, 2 (28) dann kann man einige Terme vereinfachen: − ie} ie} ie} x×B·∇=− A·∇= B·x×∇ mc 2mc 2mc } e e B·x× ∇= B · L, = 2mc i 2mc ∙ ³ ´2 ¸ e2 e2 e2 2 2 2 2 |x| B − x · B A = (x × B) = 2mc2 8mc2 8mc2 e2 B 2 2 = (x + y 2 ) 8mc2 8 (29) (30) (31) (32) wobei wir erst im letzten Schritt verwendet haben, dass das Feld in z-Richtung liegt. Dieser letzte Term hat offensichtlich die Form eines zweidimensionalen Oszillators. Die Schrödingergleichung eines Elektrons im konstanten Magnetfeld lautet also eB e2 B 2 2 −}2 ∆ψ + L̂z ψ + (x + y 2 )ψ = Eψ. 2m 2mc 8mc2 (33) Da die Drehimpulskomponente entlang des Magnetfeldes erhalten bleibt, sind die Eigenfunktionen ψ auch Eigenfunktionen von L̂z mit den Eigenwerten }M (M = 0, ±1, ±2, ...). Damit ist die Schrödingergleichung tatsächlich äquivalent zu einem 2D-Oszillator. Im freien Atom führt der Term proportional zur z-Komponente des Drehimpulses Lz zur ZeemannAufspaltung. Die Größe eB/(2mc) = ωL ist die sog. Larmorfrequenz. Der Oszillatorterm proportional zu (x2 + y 2 ) ist in der Atomphysik meist eine sehr kleine Störung, spielt aber eine wichtige Rolle in der Festkörperphysik. Im Festkörper wird die Masse des Elektrons aufgrund des periodischen Potenzials in der Nähe eines Bandminimums verändert. Beispielsweise beträgt die effektive Elektronenmasse in InSb nur m∗ = 1/77m0 . Dieser Beitrag führt zur sog. Zyklotronbewegung. Klassisch führt ein freies geladenes Teilchen Kreisbewegungen senkrecht zum (homogenen) Magnetfeld aus, während die Bewegung in Richtung des B-Feldes frei bleibt. Quantenmechanisch ist das ähnlich, nur sind die Kreisbahnen und deren Mittelpunkte quantisiert. Die Eigenwerte kann man direkt aus obiger Schrödingergleichung ablesen und schreiben }2 kz2 1 + }ωc (n + ) (34) En (kz ) = 2m 2 wobei wir die Zyklotronfrequenz ωc = eB/(mc) eingeführt haben und n = 0, 1, 2, .... Die Bewegung in z-Richtung wird durch das Magnetfeld nicht beeinflußt. Graphisch ist dies unten dargestellt. Die Energieniveaus sind, wie beim harmonischen Oszillator, äquidistant, mit einem Abstand, der gleich ist der mit } multiplizierten Zyklotronfrequenz. E 1 2 N=3 N=2 N=1 N=0 hwc kz Es ist günstiger, die Abhängigkeit von Lz in den Eigenwerten explizit sichtbar zu machen. Wir geben das Ergebnis hier ohne Beweis an: ENM (kz ) = }2 kz2 1 |M | + M + }ωc (N + + ). 2m 2 2 (35) Die Zahl N = 0, 1, 2... heißt Landauquantenzahl und entspricht der Oszillatorquantenzahl. M dagegen beschreibt die Komponenten des Drehimpulses. Offenbar liegt hier eine Entartung der Energieniveaus vor, weil N und M in den Eigenwerten nur in Kombination auftreten. Die Eigenfunktionen selbst haben in der gewählten symmetrischen Eichung folgende Form, die wir hier ebenfalls ohne Beweis in 9 Zylinderkoordinaten (φ, ρ, z) angeben: ψNMkz (x) = uNM (ρ)eiMφ eikz z , (36) |M| (37) uNM (ρ) = Cσ |M|/2 e−σ/2 LN−(M+|M|)/2 (σ), µ ¶ l m X n l m+n σ , (−1) Lm (σ) = m − l l! (38) l=0 p wobei σ = ρ/(2lc ), lc = }c/(eB). Die letztere Größe heisst Zyklotronradius und gibt klassisch den Durchmesser der Kreisbahn an, der quantenmechanisch immer noch das Maximum der Aufenthaltswahrscheinlichkeit angibt. C ist eine Normierungskonstante. Die Lnm sind die assoziierten Laguerrepolynome. Insbesondere ist Ln0 = 1. Die uNM sind also radial exponentiell abfallende Funktionen. Man kann zeigen, dass gilt M ≤ N ; die Bewegung entspricht einer Kreisbahn, deren Radius durch die Quantenzahl N bestimmt ist, während die Mittelpunktslagen (deren x- und y-Koordinaten nicht vertauschen) quantisiert sind und selber auf einem Kreis liegen, dessen Radius durch N − (M + |M |)/2 bestimmt ist. Die Figur unten zeigt die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für Landauzustände als Funktion von (N, M ). 1 0.75 0.5 0.25 0 -10 10 5 0 -5 -5 0 5 0,0 10 -10 0.4 10 0.2 5 0 -10 0 -5 -5 0 1 0.75 0.5 0.25 0 -10 10 5 0 -5 -5 0 5 5 0,-2 10 -10 1,0 10 -10 10 1 10 0.5 5 0 -10 0 -5 -5 0 5 1,-2 10 -10 0.3 0.2 0.1 0 -10 10 5 0 -5 -5 0 5 1,1 10 -10 1.3 Zeitabhängige Störungstheorie Eine große Zahl von Experimenten in der atomaren Physik besteht darin, mittels Einwirkung äußerer, periodischer zeitabhängiger Störungen Übergänge zwischen stationären Zuständen hervorzurufen und dadurch Informationen über diese stationären Zustände eines Atoms, Moleküls oder Festkörpers zu bekommen. Wir gehen aus vom vollständigen Satz der Lösungen von H0 φn = En0 φn (39) wobei H0 wie gewöhnlich zeitunabhängig ist. Die Aufgabe besteht darin, die Lösungen ψ(x, t) zu suchen, welche die gestörte Schrödingergleichung i} ∂ψ(x, t) = [H0 + λV (x, t)]ψ(x, t) ∂t (40) erfüllen. Wir setzen wieder voraus, dass die Störung schwach ist in dem Sinne, dass sie die Zustände von H0 so wenig ändert, dass wir nach Potenzen von λ entwickeln können. Wieder setzen wir zum Schluss λ = 1. Die übliche Prozedur besteht in der Entwicklung von ψ(t) nach dem vollständigen Satz von φn , X iE 0 t ψ(x, t) = Cn (t) exp(− n )φn (x) (41) } n Die Koeffizienten Cn (t) erfüllen einen Satz von Gleichungen, der durch Einsetzen in die gestörte Schrödingergleichung folgt: ¸ X£ X ∙ dCn (t) ¤ iE 0 t iE 0 t 0 + En Cn (t) exp(− n )φn (x) = i} En0 + λV (x, t) Cn (t) exp(− n )φn (x) (42) dt } } n n und damit i} X dCn (t) n dt exp(− X iEn0 t iE 0 t )φn (x) = λ V (x, t)Cn (t) exp(− n )φn (x). } } n Multiplizieren wir mit φm und verwenden hφn |φm i = δnm , folgt ∙ ¸ 0 − E 0 )t X i(Em dCm (t) n =λ Cn (t) exp i} hφm |V |φn i. dt } n wobei das Matrixelement hφm |V |φn i = Z dxφ∗m (x)V (x, t)φn (x) (43) (44) (45) von t abhängt. Wir wollen die Gleichung (44) näherungsweise lösen, indem wir λ nur in erster Ordnung berücksichtigen. Als Anfangsbedingung bei t = 0 sei das System in einem bestimmten Zustand φk , d. h.: (46) ψ(t = 0) = φk → Cn (0) = δnk Da Cm (t) ∝ λ , können wir auf der rechten Seite von Gl. (44) für Cn (t) = δnk setzen. Damit erhalten wir ∙ 0 − E 0 )t ¸ i(Em dCm (t) k = λ exp hφm |V (x, t)|φk i, (47) i} dt } mit der Lösung: λ Cm (t) = i} Z 0 t 0 − E 0 )t0 ¸ i(Em k hφm |V (x, t0 )|φk i + δmk . dt exp } 0 ∙ 11 (48) Die Wahrscheinlichkeit, dass ψ(t) zur Zeit t einen Eigenzustand von H0 mit Energie En0 liefert, ist Pn (t) = | < φn |ψ(t) > |2 = |Cn (t)|2 (49) Wir wollen nun konkret annehmen, dass V (t) von der Wechselwirkung mit einem elektromagnetischen Feld herrührt, das mit einer elektromagnetischen Welle verknüpft ist. Wenn wir den quadratischen Term im Hamilton proportional zu A2 vernachlässigen und die Coulomb-Eichung ( divA(x, t) = 0 ) verwenden, ist e e exp[i(k · x − ωt)]A0 · p. (50) λV (x, t) = A(t) · p = mc mc Damit wird der Entwicklungskoeffizient ∙ Z t 0 − E 0 − }ω)t0 ¸ i(Em i e ikx 0 k Cm (t) = − hφm |e A0 · p|φk i + δmk dt exp (51) } mc } 0 und somit die Wahrscheinlichkeit für den Übergang von Anfangszustand k in den Zustand m für k 6= m: ¯Z t ∙ ³ e ´2 0 − E 0 − }ω)t0 ¸¯¯2 ¯ i(Em ikx 2¯ 0 k ¯ |hφm |e A0 · p|φk i| ¯ dt exp (52) Pk→m (t) = ¯ }mc } 0 Der zeitabhängige Faktor hat die Form ¯2 ¯2 ¯ i∆t ¯Z t µ ¶ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ei∆t0 dt0 ¯ = ¯ e − 1 ¯ = | 2 ei∆t/2 sin ∆t |2 = 4 sin2 ∆t , ¯ ¯ ¯ i∆ ¯ ∆ 2 ∆2 2 0 (53) wobei 1 0 (E − Ek0 − }ω) (54) } m Aus dem Verlauf dieser Funktion (s. Fig. unten) folgt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Übergang am größten ist für ∆ = 0 , d.h. wenn sich die Energien des Anfangs- und Endzustands gerade um ein Schwingungsquant }ω unterscheiden, also Energieerhaltung für den Prozess gilt. ∆≡ (4/D2)sin2(tD/2) t2 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 -4p/t -2p/t 2p/t 4p/t D Die Wahrscheinlichkeit der Verletzung der Energieerhaltung wird mit zunehmender Zeit immer kleiner 0 −E 0 −}ω| ≤ 2π}/t von Null verschieden. Die Wahrscheinlichkeit für den Übergang und ist nur für |Em k in ein Energieintervall ∆Em ist µ ¶ ³ e ´2 X 4 ∆t (55) Pk→∆m (t) = |hφm |eikx A0 · p|φk i|2 2 sin2 }mc ∆ 2 m in ∆Em oder, bei einem Kontinuum an Energiewerten, Z Pk→∆m (t) = dEm ρ(Em )Pk→m , ∆Em 12 (56) wobei ρ(Em )dEm die Zahl der Energiezustände im Intervall Em , Em + ∆Em ist. Für t → ∞ gilt: µ ¶ 4 2 ∆t 0 → 2πtδ(∆) = 2π}tδ(Em sin − Ek0 − }ω) (57) ∆2 2 da Z ∞ 4 d∆f (∆) 2 sin2 ∆ −∞ µ ∆t 2 ¶ Z ∞ 4t 2 ≈ f (0) d (∆t) 2 sin (∆t) −∞ µ ∆t 2 ¶ = 2πtf (0), (58) wobei verwendet wurde: Z ∞ 4 d∆ 2 sin2 ∆ −∞ µ ∆t 2 ¶ = 2t Z ∞ dy −∞ 1 sin2 y = 2tπ. y2 (59) Die Übergangswahrscheinlichkeit nähert sich also einem Wert, der exakte Energieerhaltung ausdrückt. Die Übergangsrate, das ist die Wahrscheinlichkeit für einen Übergang pro Zeiteinheit, vom Zustand k in die Zustände im Energieintervall ∆Em ist Γk→∆m = ³ e ´2 2π} }mc X m in ∆Em 0 |hφm |eikx A0 · p|φk i|2 δ(Em − Ek0 − }ω) (60) Allgemeiner finden wir für eine zeitabhängige Störung der Form V (t) = V eiωt : Γk→∆m = oder 2π } X m in ∆Em Z 0 |hφm |V |φk i|2 δ(Em − Ek0 − }ω) (61) dEm ρ(Em )... (62) ∆Em Diese Gleichung heißt die “goldene Regel der Quantenmechanik”, in der englischsprachigen Literatur: “Fermi’s Golden Rule”. 13 1.4 Streutheorie Die Struktur der Atome und der Moleküle wird haupsächlich spektroskopisch mit Licht untersucht. Wenn man aber Kernkräfte und die Wechselwirkung der Elementarteilchen untersuchen will, bleibt als Untersuchungsmethode nur die Beobachtung von Streuprozessen verschiedener Teilchen an verschiedenen Targets. [Ein Target ist ein Objekt, das von Teilchen beschossen wird]. Ein Beispiel wäre der Beschuss eines Goldkerns (Target) durch α-Teilchen. Um wohldefinierte Verhältnisse für die Beschreibung und Berechnung eines Stossvorganges zu haben, muss die Energieverteilung der Stoßpartner sorgfältig aufeinander abgestimmt sein. Insbesondere soll das auf das Target einfallende Wellenpaket räumlich so ausgedehnt sein, dass dessen natürliche Verbreiterung für die Zeit der Wechselwirkung vernachlässigbar ist. Das Wellenpaket muss groß gegen die Dimension des Targets, aber klein gegen die sonstigen Abmessungen sein, sodass es nicht gleichzeitig mit dem Target und dem Detektor überlappt. Nach der Wechselwirkung besteht die Wellenfunktion aus einem in Vorwärtsrichtung laufenden und einem gestreuten Anteil. Der Streuer werde durch ein Potenzial V (x) beschrieben, das im Koordinatenursprung sitzt. Detektor ? k0 Target Ein Wellenpaket, das wir als Superposition von ebenen Wellen mit Amplituden ak darstellen, verlasse die Quelle zur Zeit t0 , Z d3 k ψ(x, t0 ) = exp(ik · x)ak . (63) (2π)3 Die Gewichtsfunktion ak möge ein Maximum bei k0 besitzen, sodass sich das Wellenpaket mit der Geschwindigkeit v = }k0 /m bewege. Gesucht ist die Wellenfunktion ψk (x, t) nach der Wechselwirkung mit dem Target. Es seien ψk (x) die exakten Eigenzustände des Hamilton-Operators zum Potenzial V (x) mit der Energie Ek = }2 k 2 ≥ 0, 2m −}2 2 ∇ + V (x)ψk (x) = Ek ψk (x) 2m (64) (65) Wir wollen die allgemeine Struktur der stationären Lösungen ψk (x) zunächst für fixes k bestimmen. Man kann mit Hilfe der Methode der Green’schen Funktion sofort eine formale Lösung dieser Gl. (12.1) angeben, d.h. eigentlich sie in eine Integralgleichung verwandeln, die dem Streuproblem sehr angepasst und anschaulicher als Gl. (12.1) ist. Schreiben wir nämlich die Schrödingergleichung in der Form ¢ ¡ 2 2m (66) ∇ + k2 ψk (x) = 2 V (x)ψk (x) } so haben wir eine klassische Wellengleichung mit einer von ψk abhängigen Inhomogenität vor uns. Man kann daher wie in der klassischen Elektrodynamik vorgehen und die Green’sche Funktion als Lösung der homogenen ( = freien) Schrödingergleichung bestimmen: ¢ ¡ 2 (67) ∇ + k 2 G+ (x) = δ(x) 14 Diese Green’sche Funktion lässt sich durch Fouriertransformation bei Vorgabe von Randbedingungen berechnen. Im Falle der Streuung sind die Randbedingungen dadurch gegeben, dass eine einfallende Welle von links (−∞) kommt und nach der Streuung (x → ∞) eine auslaufende Kugelwelle vorliegen soll (Fig. 12.1). Man erhält Z (68) G+ (q) = d3 xe−iq·x G+ (x), (−q 2 + k2 )G+ (q) = 1, Z Z d3 q iq·x d3 q eiq·x G+ (x) = e G (q) = + (2π)3 (2π)3 k 2 − q 2 Z ∞ Z 1 i|q||x|u dq 2 e du q = 2π (2π)3 k 2 − q 2 −1 0 Z ∞ dq 2 1 1 (eiq|x| − e−iq|x| ) q 2 = 2 2 (2π) k − q iq|x| 0 Z ∞ 1 qeiq|x| 1 exp(i|k||x|) . =− 2 dq 2 =− 2 4π i|x| −∞ q − k 4π |x| (69) (70) (71) (72) (73) In der vorletzten Zeile wurde im zweiten Integral die Integrationsvariable q durch −q ersetzt. Im letzten Schritt haben wir benützt, dass die Pole von G+ (x) in der komplexen q−Ebene bei q = ±k liegen, 1 q 1 1 + ), (74) = ( q2 − k2 2 q+k q−k und der Integrationsweg wegen |x| > 0 wie unten gezeichnet gewählt wurde. Dieser Weg garantiert, dass wir eine auslaufende Kugelwelle erhalten. Im q +k -k Re q Nach der Theorie Green’scher Funktionen lässt sich nun die Lösung der inhomogenen Gleichung Gl.(66) schreiben als denn ψk (x) = allg. Lösung der homog.Gl. + partikuläre Lösung der inhomog. Gl. R 3 0 2m d x G(x − x0 )V (x0 )ψk (x0 ) = exp(ik · x) + }2 Setzt man für G ein, folgt ¡ 2 ¢ 2m ∇ + k 2 ψk (x) = −k 2 + k2 + 2 V (x)ψk (x) } m ψk (x) = exp(ik · x) − 2π}2 Z d3 x0 exp(i|k||x − x0 |) V (x0 )ψk (x0 ) |x − x0 | (75) (76) (77) Das erste Glied ist einfach die Lösung der freien Schrödingergleichung. In einem Streuexperiment ist man an den asymptotischen Lösungen interessiert, da der Detektor notgedrungen immer weit (d.h. 15 viele Wellenlängen des einfallenden Teilchens) entfernt vom Target angebracht ist. Somit ist mit r ≡ |x|, r0 ≡ |x0 | dann r >> r0 , sofern wir annehmen, dass das Streupotenzial endliche Reichweite besitzt und daher der Integrationsbereich sehr begrenzt ist. Durch Entwicklung nach r0 /r erhalten wir p k (78) k|x − x0 | = k r2 − 2x · x0 + r02 ≈ kr − x · x0 ≡ kr − k0 · x0 , r wobei wir definiert haben k (79) k0 ≡ x r Weit entfernt vom Target erhalten wir daher exp(ikr) fk (θ, φ), ψk (x) = exp(ik · x) + (80) r Z m 0 0 fk (θ, φ) = − (81) d3 x0 e−ik ·x V (x0 )ψk (x0 ). 2π}2 Die Größe fk (θ, φ) heißt Streuamplitude. Sie hängt von der Richtung x/r relativ zum einfallenden Teilchen (Winkel θ und dem Azimut φ, siehe obige Figur) ab, nicht aber von Abstand zum Target und hat die Dimension einer Länge. Gl. (80) ist die allgemeine Gestalt der stationären Streulösung. 1.4.1 Asymptotisches Verhalten des Wellenpakets Wir können nun, nachdem wir die Streulösungen für fixes k bestimmt haben, mit der Berechnung der Zeitentwicklung eines Wellenpaketes fortfahren. Da das Streupotenzial selbst zeitunabhängig ist, muss für das Wellenpaket zur Zeit t gelten ∙ ¸ Z −i d3 k E (t − t0 ) , a ψ (x) exp (82) ψ(x, t) = (2π)3 k k } k wobei ψk (x) die Lösung der zeitunabhängigen Gleichung ist. Für große Abstände vom Target können wir die asymptotische Lösung Gl. (80) einsetzen und erhalten ∙ ¸ Z i 1 d3 k a exp ikr − Ek (t − t0 ) fk (θ, φ), (83) ψ(x, t) = ψ0 (x, t) + (2π)3 k r } wobei ∙ ¸ Z d3 k i ψ0 (x, t) = E a exp i k · x − (t − t ) ≈ ψ0 (x − v(t − t0 ), t0 ) (84) 0 (2π)3 k } k das Wellenpaket zur Zeit t in Abwesenheit des Targets darstellt. Es ist (bei Vernachlässigung des Zerfließens) einfach das mit der Geschwindigkeit v propagierende einlaufende Wellenpaket. Nehmen wir nun an, dass ak ein sehr steiles Maximum bei k0 hat, sodass wir in Gl. (83) fk (θ, φ) ≈ fk0 (θ, φ) setzen können. Definieren wir k̂0 = k0 /|k0 | und verwenden wir k0 >> k − k0 , so gilt näherungsweise s q q k0 · (k − k0 ) k = (k0 + k − k0 )2 ≈ k02 + 2k0 · (k − k0 ) = k0 1 + 2 (85) k02 à ! k0 · (k − k0 ) (86) ≈ k0 1 + = k̂0 · k k02 und somit wegen kr = k · (k̂0 r) 1 (87) ψ(x, t) = ψ0 (x, t) + fk0 (θ, φ)ψ0 (k̂0 r, t) r Dies bedeutet, dass das gestreute Wellenpaket näherungsweise in radialer Richtung die Form des einfallenden Wellenpaketes besitzt. Diese Gleichung gilt nicht, wenn scharfe Streuresonanzen vorhanden sind, die eine starke Deformation des Wellenpakets bedingen, und für langreichweitige Potenziale, wo sich eine andere r-Abhängigkeit ergibt. 16 1.4.2 Streuquerschnitt Der differentielle Wirkungsquerschnitt gibt die Zahl der Teilchen an, die in das Raumwinkelelement dΩ um Ω gestreut werden, dividiert durch dΩ und die Zahl Nin der Teilchen, die pro cm2 einfallen: 1 dN (Ω) dσ = dΩ Nin dΩ [cm2 ] (88) In der Kernphysik wird der Wirkungsquerschnitt in cm2 oder in barn (übersetzt "Scheune" oder "Scheunentor") angegeben, wobei 1 barn = 10−24 cm2 . Nun ist Nin das Zeitintegral über den einfallenden Strom, Z Z } (ψ ∗ ∇ψ0 − ψ0 ∇ψ0∗ ) Nin = dt jin = dt 2mi 0 Z Z } }k0 ∗ |ψ0 (xQuelle , t)|2 = dt Im (ψ0 ∇ψ0 ) = dt (89) m m Die Zahl der in das Winkelement dΩ gestreuten Teilchen, geteilt durch dΩ, ist gegeben durch den radial auslaufenden Strom, ∙ ∗ ¸ Z Z f ∗ dN (Ω) } ∂ f = dt jr r2 = dt Im ψ0 (k̂0 r, t) ψ0 (k̂0 r, t) r2 , (90) dΩ m r ∂r r ∙ ¸ Z ∂ d3 k ∂ i ψ0 (k̂0 r, t) = exp ik · k̂0 r − Ek (t − t0 ) ak (91) ∂r ∂r (2π)3 } ∙ ¸ Z d3 k i = ik · k̂0 exp ik · k̂0 r − Ek (t − t0 ) ak ≈ ik0 ψ0 (k̂0 r, t), (92) (2π)3 } wobei wieder verwendet wurde, dass ak ein steiles Maximum bei k0 besitzt. Damit wird Z dN (Ω) }k0 |fk0 (Ω)|2 = dt|ψ0 (k̂0 r, t)|2 r2 dΩ m r2 Z 2 }k0 dt|ψ0 (k̂0 r, t)|2 . ≈ |fk0 (Ω)| m (93) Wenn wir die Verbreiterung des Wellenpakets vernachlässigen, sind beide Integrale in Gl. (89) und (93) gleich und es folgt das wichtige Resultat für den differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ = |fk0 (Ω)|2 dΩ (94) Der totale Wirkungsquerschnitt ist dann σ= Z dΩ|fk0 (Ω)|2 . (95) Für eine einzelne einfallende ebene Welle ist diese Herleitung sehr viel kürzer. 1.4.3 Partialwellen Bei der Streuung an einem sphärischen Potenzial V (|x|) = V (r) ist der Drehimpuls erhalten. Es ist daher sinnvoll, die Wellenfunktion nach Drehimpulsen zu zerlegen. Die einzelnen Partialwellen sind dann voneinander unabhängig. Bei niedriger Streuenergie tragen zudem oft nur wenige Partialwellen zum Wirkungsquerschnitt bei. Dazu müssen wir zunächst etwas ausholen. Die allgemeinste Lösung der freien radialen Schrödingergleichung (V = 0; also außerhalb der Reichweite des Potenzials) ist eine Linearkombination der 17 sphärischen Hankelfunktionen h1l (r) und h2l (r) , die mit den sphärischen Besselfunktionen jl (r) durch die Relation jl (r) = Re h1l (r) zusammenhängen. Die h1l (r) sind auslaufende Kugelwellen; z.B. gilt h10 (r) = exp(ir)/(ir). Das asymptotische Verhalten ist entsprechend durch (1) hl (kr) →r→∞ (−i)l+1 exp(ikr) kr gegeben. Die h2l sind einlaufende Kugelwellen. Für weitere Details, s. z.B. Fließbach, Kap. 25 oder Schwabl, Kap. 17 und 18. Wir gehen nun von Gl. (80) aus, wobei wir annehmen, dass die ebene Welle in z-Richtung einläuft, d.h. k = kẑ. Der allgemeinste Ansatz für eine Wellenfunktion, die die vorgegebene asymptotische Form Gl. (80) hat, lautet außerhalb des Potenzials daher X (1) alm hl (kr)Ylm (θ, φ) (96) ψ(x) = exp(ikz) + lm X 2l + 1 (1) = exp(ikz) + al hl (kr)Pl (cos θ). il 2 (97) l Wegen der Drehsymmetrie um die z-Achse tragen nur die Terme mit m = 0 bei. Diese Beziehung gilt überall außerhalb des Potenzials, nicht nur asymptotisch. Für r → ∞ kann man die obige asymptotische Form der Hankelfunktionen verwenden und erhält durch Vergleich mit Gl. (80) fk (θ) = 1 X (2l + 1)al (k)Pl (cos θ). 2ik (98) l Die Entwicklungskoeffizienten al heißen Partialwellenamplituden. Die einlaufende ebene Welle kann man ebenfalls in Partialwellen zerlegen, d.h. nach Legendre-Polynomen entwickeln (z = r cos θ), X il (2l + 1)jl (kr)Pl (cos θ). (99) exp(ikz) = l Asymptotisch für r → ∞ ergibt dies (Übung!) ψ(x) → i X 2l + 1 h e−i(kr−lπ/2) − (1 + al )ei(kr−lπ/2) Pl (cos θ). il −2ikr (100) l Wir führen die Diagonalelemente Sl der Streumatrix ein, Sl = auslaufende Amplitude = 1 + al . einlaufende Amplitude (101) Der Name Streumatrix rührt daher, dass im Allgemeinen bei Streuprozessen der Drehimpuls nicht erhalten bleibt und dann die gesamte Matrix Sll0 eingeht. Da die Potenzialstreuung elastisch ist, muss für jede einzelne Partialwelle der auslaufende Strom gleich dem einlaufenden sein, also |Sl | = 1. Schreiben wir daher 1 + al (k) = exp[2iδl (k)], folgt wegen e2ix − 1 = 2ieix sin x fk (θ) = 1X (2l + 1) exp[iδl (k)] sin(δl )Pl (cos θ). k (102) l Hierdurch wird die reelle Streuphase δl (k) definiert. Wegen der Drehimpulserhaltung beeinflusst die Streuung nur die Phase der auslaufenden Partialwelle, nicht aber die Amplitude. Die Streuphase legt diese Phasenänderung fest. 18 Hieraus und aus der Orthogonalität der Legendre-Polynome folgt für den totalen Wirkungsquerschnitt Z 1 4π X d cos θ|f (θ)|2 = 2 (2l + 1) sin2 δl . (103) σ = 2π k −1 l Der totale Wirkungsquerschnitt läßt sich auch durch den Imaginärteil (Im) der Streuamplitude beim Winkel Null ausdrücken: Wegen Pl (cos0) = Pl (1) = 1 folgt sofort Im f (0) = k σ. 4π (104) Diese Beziehung wird optisches Theorem genannt. Klassisch entspricht der Drehimpuls l} einem Stoßparameter b = l}/p, wobei p = }k der Impuls ist. Bei einem Potenzial der endlichen Reichweite R werden Teilchen mit b > R nicht mehr gestreut. Dies bedeutet quantenmechanisch, dass nur die Partialwellen mit l ≤ l0 ≈ kR beitragen. Die Vernachlässigbarkeit der höheren Partialwellen bedeutet δl ≈ 0 für l − l0 >> 1 (105) Für hinreichend niedrige Energien kann die Berechnung einiger weniger Streuphasen genügen; für kR << 1 trägt nur die Partialwelle mit l = 0 bei. Das erklärt die Nützlichkeit dieses Konzepts. 1.4.4 bornsche Näherung Die Streuamplitude ist die zentrale Größe der Streutheorie. Es ist daher von Interesse, auch Näherungsmethoden zur Verfügung zu haben, die ihre Berechnung in Grenzfällen analytisch gestatten. Für hohe Energien, d.h. wenn das Teilchen vom Target wenig beeinflusst wird, gibt es eine einfache Näherungsmethode, die Born’sche Näherung. In 0.ter Näherung ist die Lösung des Streuproblems eine ebene Welle. In 1. Näherung muß die Korrektur 1. Ordnung im Streupotenzial sein. Wir ersetzen daher in der Streuamplitude nach Gl. (80) die unbekannte exakte Lösung der Schrödingergleichung durch eine ebene Welle (es war definiert k0 ≡ kr x mit dem Streuer im Koordinatenursprung): Z m 0 0 d3 x0 e−ik ·x V (x0 )ψk (x0 ) fk (θ, φ) = − 2π}2 Z m 0 0 0 d3 x0 e−ik ·x V (x0 )eik·x ≈− 2π}2 Z m 0 0 d3 x0 ei(k−k )·x V (x0 ) =− 2π}2 m =− V (k − k0 ) (106) 2π}2 Die Streuamplitude ist also proportional zur Fourier-Transformierten des Streupotenzials. Beispiel: Streuung am Yukawa-Potenzial, V (x) = a exp(−μr) r Wir berechnen die Fourier-Transformierte, Z ∞ Z Z 1 exp(−μr) 3 ip·x exp(−μr) 2 = 2πa V (p) = d xe a drr dueipru r r 0 −1 Z 2πa ∞ = dre−μr [eipr − e−ipr ] ip 0 ∙ ¸ 1 1 4πa 2πa (−1) − (−1) = 2 = ip ip − μ −ip − μ μ + p2 19 (107) (108) (109) (110) Nun gilt für das Argument in Gl. (106) ¶ µ θ 2 . (k − k ) = k + k − 2k · k = 2k (1 − cos θ) = 2k sin 2 0 2 2 2 0 2 (111) Dabei ist θ der Winkel zwischen einfallender und gestreuter Ausbreitungsrichtung (da unser Potenzial radialsymmetrisch ist, geht der Azimutwinkel φ nicht ein). Damit wird nun der differentielle Wirkungsquerschnitt m2 (4πa)2 dσ a2 = = h i h 2 ¢2 dΩ (2π}2 )2 ¡ 2k sin 2θ + μ2 4Ek sin2 2θ + } 2 μ2 2m i2 . (112) Im Grenzfall μ → 0 geht das Yukawa-Potenzial in das Coulombpotenzial über. In diesem Fall wird dσ a2 = . dΩ 16Ek2 sin4 2θ (113) Dieses Ergebnis ist in vieler Hinsicht merkwürdig. Erstens, die Voraussetzungen der Born’schen Näherung sind beim Coulombpotenzial verletzt, da die Streuung stark und langreichweitig ist. Tatsächlich muß die ganze Analyse der Asymptotik, die in den obigen Abschnitten diskutiert wurde, für das langreichweitige bzw. unendlich-reichweitige Coulombpotenzial modifiziert werden, weil eine Streuwelle auch im Unendlichen noch das Potenzial spürt. Nun lässt sich der Wirkungsquerschnitt für das Coulombproblem analytisch exakt berechnen. Erstaunlicherweise ist Gl. (113), die mit der Born’schen Näherung berechnet wurde, identisch mit dem exakten Endergebnis. Darüberhinaus stimmt Gl. (113)) auch mit dem klassischen Ergebnis überein, diese Gleichung ist einfach der Rutherford-Wirkungsquerschnitt. Wo zeigen sich dann Grenzen der Born’schen Näherung? Im Fall des Coulombpotenzials zeigen sie sich zwar nicht in σ, wohl aber in den (komplexen) Streuamplituden, d.h. in der Phase von f (θ). 20