Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 1/12 1.2 Freie, ungedämpfte Schwingung (Der harmonische Oszillator) Bewegung einer trägen Masse um eine stabile Ruhelage, wobei die rücktreibende Kraft dem linearen Kraftgesetz gehorcht. 1.2.1 Federpendel stabile Ruhelage D m Bei Auslenkung aus der Ruhelage tritt eine rücktreibende Kraft auf, die bei kleinen Auslenkungen dem Hookschen Gesetz folgt: FRück FRück Dx D = Federkonstante x Annahme: Reibungsfreie Unterlage und masselose Feder Die Anwendung des Newtonschen Aktionsprinzips (2. Newton Gesetz) führt auf die Bewegungsgleichung der freien, ungedämpften Schwingung. mx(t ) Fang . mx(t ) Dx mx Dx 0 Bewegungsgleichung (Differentialgleichung) der harmonischen Schwingung homogene, lineare DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten - homogen: DGL wird Null, wenn Variable oder ihre Ableitungen Null sind - linear: keine Produkte oder Potenzen von x, dx/dt usw. - 2. Ordnung: höchste Ableitung ist die 2. Ableitung - konstante Koeffizienten: Koeffizienten (m, D) sind konstant Lösung der DGL: Lösungsansatz: vielfach durch Raten und Ausprobieren x(t ) xˆ sin( 0t ) x (t ) xˆ cos( 0t ) x(t ) xˆ 2 sin( 0t ) Einsetzen in DGL: D ( 02 ) xˆ sin( 0t ) 0 m 02 D m Kreisfrequenz der freien ungedämpften Schwingung 0 ist unabhängig von der Amplitude (wesentliches Kennzeichen der harmonischen Schwingung) Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 2/12 Das Weg-Zeitgesetz lautet also: x(t ) xˆ sin( 0t ) Die Lösung enthält noch zwei freie Parameter, x̂ und ! Den Nullphasenwinkel und die Amplitude x̂ erhält man aus zwei zusätzlichen Informationen, den sog. Anfangsbedingungen oder Anregungsbedingungen x(t = 0) = x0 und v(t = 0) = v0 . Beispiel: Masse wird aus der Ruhelage ausgelenkt und zur Zeit t = 0 angestoßen. (Dabei wird dem System potentielle und kinetische Energie zugeführt) 1. Anregungsbedingung: x(t 0) x0 2. Anregungsbedingung: x (t 0) v0 x(0) x0 xˆ sin( ) x (t ) v0 xˆ 0 cos( ) 0 x0 tan( ) xˆ x02 ( v0 x02 xˆ 2 sin 2 ( ) v02 ( xˆ 0 ) 2 cos 2 ( ) v0 0 )2 Andere Darstellung der Schwingung x(t ) xˆ sin( 0t ) x(t ) xˆ sin( 0t ) cos xˆ cos( 0t ) sin x(t ) x0 cos( 0t ) v0 0 sin( 0t ) x(t) Entwicklung für 0t 1 :1 x(t ) x0 v0 0 t 0t Frage: a) Welche Amplitude ergibt sich für v(t = 0) = - v0 ? b) Wie groß sind die zugeführten Energien ? Die Messung der Federkonstante durch Messung der Schwingungsdauer bzw. Frequenz des entsprechenden Federpendels ist viel genauer als die statische Kraft-Messmethode (F = Dx). Diese Methode ist auch im atomaren Bereich anwendbar. 1 Zur Erinnerung: Taylorentwicklung - Potenzreihenentwicklung f ( x1 ) f ( x0 ) ( x1 x0 ) 2 3 f ( x1 x0 ) 3 f 2 f ( x1 x0 ) .... 2 3 x x 2! 3! x x 0 x0 x0 Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 3/12 Phasenraum Kennzeichnend für ein System zu jedem Zeitpunkt sind Auslenkung x(t) und Geschwindigkeit dx/dt. Eine Darstellung von Auslenkung und Geschwindigkeit als „verallgemeinerte“ Koordinaten in einer zweidimensionalen Darstellung bezeichnet man als Phasenraum oder Zustandsraum. v(t) x(t) , v(t) x(t) t x(t ) xˆ sin( 0t ) v(t ) xˆ0 cos(0t ) Übung: Bestimmen Sie das Phasenraumdiagramm einer Dreieckschwingung (Sägezahnschwingung). 1.2.2 Mathematisches Pendel (Fadenpendel) Punktförmige Masse m ist an einem masselosen Faden der Länge l aufgehängt. Bei Auslenkungen aus der Ruhelage entsteht eine rücktreibende Kraft. Rücktreibende Kraft (schwere Masse): FRück mS g sin x l Newton (träge Masse): mT x mS g sin ml mg sin g sin 0 l FRück Nichtlineare DGL ! m Frad Linearisierung für kleine Auslenkungen: sin = F = mg g l 0 02 g l oder T 2 l g Schwingungsdauer ist unabhängig von der Masse ! Sekundenpendel: T = 2s l T 2g 4 2 = 0,994 m Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 4/12 1.2.3 Drehpendel Beim Drehpendel läuft die Drehachse A durch den Massenmittelpunkt eines starren Körpers. Die Ruhelage wird durch eine an der Drehachse befestigte Feder definiert. Rücktreibendes Moment: M Rück D * D* = Winkelrichtgröße rücktreibendesMoment D* Drehwinkel Dynamisches Grundgesetz der Rotation J M Rück m A J D * Ruhelage r D* 0 J 02 D* J mJ a FM D D* Analogie: Translation - Rotation Anwendung des Torsionspendels (Praktikumsversuch): Bestimmung des Trägheitsmoments von starren Körpern. a) Symmetrischer starren Körper mit bekanntem J0 wird in Drehschwingungen versetzt. T0 wird gemessen (D* bestimmbar). 0 Draht D* D * 2 J0 T0 J0 b) Starrer Körper mit unbekanntem Jx wird am Draht aufgehängt und schwingt um Schwerpunktsachse. Tx wird gemessen x D * 2 Jx Tx D* Division der beiden Gleichungen ergibt: J x Tx J 0 T0 J x J0 Tx2 T02 Jx SP Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 5/12 1.2.4 Physisches Pendel Ein physisches Pendel ist ein beliebig geformter Körper, der um eine raumfeste Achse A schwingen kann. Rücktreibendes Moment ( M r F ): M Rück mgs sin ( M Rück D * ) Dynamisches Grundgesetz der Rotation J A M Rück A s SP J A mgs sin Linearisierung für kleine Auslenkwinkel und JA = JS + ms2 (Steinerscher Satz) mgs J S ms 2 TPh 2 0 J S ms 2 mgs mg Bewegungsgleichung des physischen Pendels 0 mgs J S ms 2 Reduzierte Pendellänge Ein entsprechendes Fadenpendel mit der gleichen Schwingungsdauer muss eine Fadenlänge von lr haben. TM 2 lr lr g J S ms 2 ms Reduzierte Pendellänge Reversionspendel (siehe auch Praktikumsversuch) Eine Schwingung um eine zu A parallele Achse A’, im senkrechten Abstand lr , besitzt die gleiche Schwingungsdauer wie die Schwingung um die Achse A. Der Punkt im Abstand lr von A (durch den Schwerpunkt SP) heißt Schwingungsmittelpunkt oder Stoßmittelpunkt. s ' lr s T ' Ph 2 2 J S ms'2 JA' 2 mgs ' mgs' J ms 2 s)2 J S m( S ms J ms 2 s) mg ( S ms TPH Mit dem Reversionspendel lässt sich die Gravitationskonstante g sehr genau bestimmen (g = 9,80723129 in München) A s SP lr - s A’ Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 6/12 1.3 Energie des harmonischen Oszillators Eine einfache Umformung der Bewegungsgleichung des Federpendels führt auf den Energiesatz. d 2x Dx 0 dt 2 dv m Dx 0 dt dv dx mv Dx 0 dt dt Multiplikation mit v liefert d m 2 d D 2 v x 0 dt 2 dt 2 oder m d m 2 D 2 v x 0 dt 2 2 Die letzte Gleichung ist gleichbedeutend mit dem Energieerhaltungssatz Die Summe aus kinetischer Energie und potentieller Energie ist konstant m D Wges v 2 x 2 const 2 2 Federpendel: x(t ) xˆ sin(0t ) v(t ) 0 xˆ cos(0t ) D m 02 m 02 2 2 D D W pot x 2 (t ) xˆ 2 sin 2 ( 0t ) xˆ sin ( 0t ) 2 2 2 m m D Wkin v 2 (t ) 02 xˆ 2 cos 2 ( 0t ) xˆ 2 cos 2 ( 0t ) 2 2 2 Wges x(t) t Wkin, Wpot m 2 D 2 vˆ xˆ const 2 2 t Ein schwingungsfähiges System wandelt periodisch kinetische Energie in potentielle Energie um und umgekehrt. Die obige Ableitung der Energieerhaltung zeigt auch: In manchen Fällen ist es einfacher, die Bewegungsgleichung nicht mit dem Newtonschen Aktionsprinzip aufzustellen, sondern durch Ableitung des Energiesatzes. (Theor. Mechanik Lagrangegleichungen) Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 7/12 Beispiel: Berechnen Sie die Frequenz, mit der eine Kugel (Masse m, Radius r) in einer Wges kugelförmigen Schale (Radius R+r ) hin- und herrollt. (kleine Auslenkungen) W pot Wkin, SP Wkin, rot Wges mgh m 2 J 2 s (t ) Kugel 2 2 R r s Wiederholung: Potentielle Energie, Kraftfeld und Feldkraft In einem konservativen Kraftfeld der Mechanik bestehen folgende Zusammenhänge zwischen Arbeit W12 , potentieller Energie Wpot , Kraftfeld G, Feldkraft F und Potential : x2 W12 Fdx W pot ( x2 ) W pot ( x1 ) W x1 x W pot ( x) Fdx für Wpot(x1) = Wpot(Nullniveau NN) = 0 NN W pot Umkehrung möglich ? F ? x F grad W pot G grad Beispiel: Potentialtopf des Federpendels x D W pot ( x) Fdx Dxdx x 2 2 NN 0 Wpot x F W pot x Bereich der Bewegung Wges F(x) Dx x Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 8/12 Beispiel: Potential der Wechselwirkung zwischen zwei Atomen in einem Molekül. Die Anziehung ist elektrischer Natur. Die Abstoßung beruht auf dem Paulischen Ausschließungsprinzip. (Modell für ein zweiatomiges Molekül; anharmonischer Potentialtopf; M >> m ) W pot (r ) m M b (anziehend) r3 a Wpot (abstoßend) r5 r0 = Ruhelage W0 = Dissoziationsenergie F r r0 Beispiel: C-H Schwingung f0 1014 Hz 3 µm (IR-Bande) W0 s = r - r0 Entwicklung: W pot (r ) W pot (r0 ) W pot r (r r0 ) r0 2W pot r 2 r0 3 (r r0 ) 2 W pot 2! r 3 r0 (r r0 )3 .... 3! a) Harmonische Schwingung (Entwicklung bis zur 2. Ordnung als lokale Näherung für kleine Auslenkungen) F W pot r 2W pot r 2 (r r0 ) .. r0 Damit erhält man folgende Bewegungsgleichung m d 2r dt 2 F 2W pot r 2 (r r0 ) .. r0 Setzt man: s = r - r0 ; ds = dr ergibt sich weiter 2 1 W pot dt 2 m r 2 d 2s 2 1 W pot 2 0 m r 2 s0 r0 r0 Aus der Kenntnis des Potentials bzw. der pot. Energie lässt sich die Frequenz bestimmen. Die Krümmung am Gleichgewichtspunkt entspricht der Federkonstante. b) Nichtharmonische Schwingung (Entwicklung bis zur 3. Ordnung und höher; für zunehmend größere Auslenkungen) D 1 W pot ( s ) W pot (0) s 2 kDs3 .. 2 3 W pot F (s) D( s ks 2 ) s Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 9/12 m d 2s dt 2 D( s ks 2 ) ms Ds Dks 2 0 Nichtlineare DGL ! ( Sachs fragen) Näherungslösung - Ansatz: s (t ) sˆ[cos(t ) A cos(2t )] B Die Parameter A und B sind zu bestimmen Für kA << 1 ergibt sich eine Lösung mit (k = Boltzmannkonstante) 1 1 0 ; A ksˆ ; B ksˆ 2 6 2 Interessant ist der zeitliche Mittelwert s (t ) sˆ[ cos( 0t ) A cos( 2 0t ) ] B B Aufgabe: Erklären Sie mit diesem Ergebnis, die Proportionalität der thermischen Ausdehnung mit der Temperatur. Aufgabe: Berechnen Sie die Frequenz 0 in der harmonischen Näherung (kleine Auslenkungen) für das oben angegebene Potential mit W(r) = -b/r3 + a/r5 . ( 02 6b 3b m 5a 5/ 2 ) Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 10/12 1.4 Weitere Beispiele für einfache harmonische Oszillatoren a) Federpendel im Schwerefeld Außer der rücktreibenden Federkraft -Dx greift an der Masse m noch die Gewichtskraft an: mx Dx mg mx Dx mg D (inhomogene DGL) Lösungsansatz: mg x(t ) xˆ sin( 0t ) D Eine konstante Kraft führt nur zu einer Verschiebung der Ruhelage. m b) Parallelschaltung von Federn Rücktreibende Kraft: Fr F1 F2 Fr D1 x1 D2 x2 ( D1 D2 ) x 02 D2 D1 D ' D1 D2 D’ D1 D2 m Die zusammengesetzte Feder ist härter. m c) Serienschaltung von Federn Rücktreibende Kraft: F1 D1 x1 F2 D2 x2 F1 F2 F (Aktio = Reaktio) x x1 x2 D1 F1 F2 1 1 ( )F D1 D2 D1 D2 D’ F x D' D2 1 1 1 D' D1 D2 02 D' 1 D1D2 m m D1 D2 Die zusammengesetzte Feder ist weicher. m Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 11/12 d) Masse zwischen zwei Federn (longitudinale Schwingung) (später für die lineare Kette wichtig) m D D Federn entspannt Federn mit Vorspannung Rücktreibende Kräfte bei Auslenkung Flinks D( z a0 ) Frechts D(2a z a0 ) Fges D( z a0 ) D(2a z a0 ) =z-a Fges 2 D( z a) 2 D Newton II: 02 2 D 0 m 2D m unabhängig von der Vorspannung der Feder e) Masse zwischen zwei Federn (transversale Schwingung)2 m D Federn entspannt Federn mit Vorspannung Rücktreibende Kraft in Richtung der Auslenkung F 2 D(l a0 ) sin F 2 D(l a0 ) F 2 D (1 l l a0 ) l Rücktreibende Kraft ist nichtlinear ! 2 Die Masse liegt dabei in der Ebene, d.h. die Schwerkraft auf die Masse m wird nicht berücksichtigt D Physik PHB3/4 (Schwingungen, Wellen, Optik) Seite 10_Schwingungen_Frei_Ungedaempft_BA.doc - 12/12 Diskussion: 1) stark vorgespannte Feder: a0 << l,a F 2 D 02 2D m entspricht dem longitudinalen Fall 2) kleine Auslenkungen bei vorgespannter Feder: l a a F 2 D (1 0 ) a a 2D 02 (1 0 ) Frequenz ist niedriger als im longitudinalen Fall m a 3) Feder nicht vorgespannt: a = a0 . a F 2 D (1 0 ) l (1 a0 a0 ) (1 ) (1 2 2 l a0 a 0 a 0 1 2 ) (1 [1 1 2 1 2 ..] 2 a02 2 a02 a2 0 F D 3 a02 Kraft ist nichtlinear - besitzt nicht einmal einen linearen Anteil ! Das Federpendel zeigt ein völlig nichtlineares Verhalten. Die Periodendauer ist z.B. von der Amplitude abhängig.