Vor den Ohren entfaltet sich eine Klanglandschaft

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Vor den Ohren entfaltet sich eine Klanglandschaft
Tilman Krämer hat bei Venus Music frühe Klavierwerke von Johannes Brahms
eingespielt - Preis für die Interpretation
Leonberg. Der Pianist Tilman Krämer entfaltet vor den Ohren der Hörer Klanglandschaften.
Er führt sie durch zerklüftete Felsen, vorbei an verträumten Seen zu sonnigen Lichtungen.
Seine Einspielung früher Brahmswerke beim Label Venus Music ist soeben ausgezeichnet
worden.
Von Gabriele Müller
Die in Luxemburg beheimatete europäische Musikfachzeitschrift "Pizzicato" hat der
Aufnahme den "Supersonic" zuerkannt, mit dem herausragende europäische Klassik-CDs
prämiert werden. Die Brahms-Aufnahme ist bereits die dritte CD, die der einstige Leonberger
Tilman Krämer mit dem Leonberger Label Venus Music produziert hat. Vorausgegangen sind
die "Lieder ohne Worte" von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Werke von Robert
Schumann und Frédéric Chopin. Als erste Produktion entstand die aktuelle Aufnahme in
Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk. Die CD enthält die 1853 geschriebene Sonate Nr.
3 in f-Moll (op. 5) und die vier Balladen (op. 10) aus dem Jahr 1854.
Tilman Krämer, Lehrbeauftragter an der Musikhochschule Lübeck, spürt mit sensibler
Sicherheit auf dem Tastengrund die Farben auf, mit denen er seine Landschaften gestaltet.
Satte Farben sind es, und jeder musikalische Pinselstrich zeugt von seinem Gespür für Kontur
und koloristische Gesamtwirkung. Dabei erhält jeder einzelne, genau geformte Ton den für
ihn perfekten Platz im Gefüge.
Dramatisch rollen Akkordfolgen im ersten Satz der Sonate, rutschen jedoch nie ins
Gewalttätige ab und behalten stets genügend Luft für leisere Töne. Diese erklingen vor allem
im zweiten Satz: gesanglich, sanft und heiter. Die Zeilen von Sternau, die Brahms beim
Erstdruck seines Werks mitteilen ließ, sind eine gute sprachliche Entsprechung: "Der Abend
dämmert, das Mondlicht scheint/Da sind zwei Herzen in Liebe vereint./Und halten sich selig
umfangen." Die Zeilen werden im Booklet ebenso erwähnt wie andere interessante Aspekte.
Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Instituts an der Universität Lübeck, hat den Text
verfasst. Er weist auch auf den Bezug zu Beethovens "Appassionata" hin. Zudem benennt er
die Impulse, die wohl von der f-Moll-Sonate Robert Schumanns ausgegangen sind, die Clara
Schumann während Brahms' Anwesenheit in Düsseldorf öfter gespielt hat.
Das Schöne an Krämers Interpretation ist, dass an jeder Stelle seines Spiels Entschiedenheit
für eine bestimmte Artikulationsweise spürbar ist. Dabei überschreitet er niemals die
hauchfeine Grenze zur Knalligkeit. Sogar an Stellen, die besonders ausgeprägte technische
Fertigkeiten erfordern, bleibt Krämers Spiel transparent. Das gilt für virtuose Läufe, die mit
glasklarer Deutlichkeit erklingen. Das gilt ebenso für Passagen, an denen zwei
verschiedenartige Texturen nahezu gleichgewichtig nebeneinander stehen. Er entfaltet die
gesamte, mehrschichtige Klangtopografie vor den Ohren der Zuhörer.
Dunkel und geheimnisvoll beginnen die Balladen, die nach Sandberger ebenfalls auf Tage in
Düsseldorf zurückgehen. Der ersten hat Brahms übrigens eine wirkliche Ballade unterlegt, die
im Booklet zitiert wird: die schottische Dichtung "Edward" aus Herders "Stimmen der
Völker". Die anderen drei Balladen sind, wenngleich ohne konkreten Textbezug, ebenfalls
sehr persönlich und sprechend gestaltet: Zeugnisse einer Zeit, in der der erst 20-jährige
Musiker und Komponist auf der Suche nach seinem eigenen Stil war und in der er zwei
Menschen begegnete, die ihm zu wertvollen Freunden werden sollten: Joseph Joachim und
Clara Schumann.
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INFO: Die CD "Tilman Krämer: Johannes Brahms, das frühe Klavierwerk, Teil 1"
ist bei Venus Music erschienen. Eine weitere CD mit Krämer/Brahms ist geplant.
© 2006 Leonberger Kreiszeitung
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