Der Schalenstein bei Pinswang

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Der Schalenstein bei Pinswang
"Höhlenburg" Pinswang, Ausserfern, Tirol
Auf dem höchsten Punkt in der Höhle über der mittelalterlichen Höhlenburg "Schloss im Loch" erkennt
man deutlich drei Schalen mit Durchmessern von etwa 5, 3 und 2,5 cm. Daneben wurden offensichtlich später - allerlei christliche Symbole eingeritzt, die die Bedeutung dieser einmaligen Stätte
im Norden Tirols hervorheben.
Schalenstein Pinswang
Am "Burgschrofen", in einer natürlichen Felshöhle oberhalb des Außerferner Dorfes Pinswang, einem
der nördlichsten Punkte Tirols, unmittelbar an der Grenze zu Füssen am Übergang vom bayrischen
Voralpenland zur alpinen Tiroler Bergwelt gelegen, finden sich nicht nur die Überreste einer
mittelalterlichen Burg, des "Schloß im Loch" (vermutlich 1265 lt. R. Lipp) sondern auch drei
geheimnisvolle Hohlformen, ohne Zweifel ein Bodendenkmal.
Österreich: F. Mandl, Felsbildstationen, Lage von Pinswang / Tirol
Luftbild: Pinswang, der Lech, Viereckschanze, Höhlenburg (Pfeil)
Die Viereckschanze vom darüberliegenden Felsen aus
Auf einer fast horizontalen Felsplatte an einem markanten, erhöhtem Punkt der Höhle, auf einer
Seehöhe von etwa 860m, also rund 40m über dem jetzigen Talboden sind offensichtlich drei künstliche
„Löcher" angebracht worden, drei Schalen unterschiedlicher Größe, mit gestaffelten Durchmessern von
5cm, 3cm und 2,5cm und entsprechenden Tiefen von ebenfalls 5cm, 3cm und 2,5cm in Abständen von
15cm, 18cm und 20cm.Direkt daneben sind 3 christliche Symbole eingeritzt, ein Kreuz, zwei H mit
Kreuz aus dem IHS (Jesusmonogramm) und in 1m Entfernung noch ein 16cm großes Kreuz, alle eher
später hinzugefügt, - etwa um Heidnisches mit Christlichem zu überlagern, wie dies in mehreren
Theorien schon ausführlich abgehandelt wurde. Einige Absprengungen und möglicherweise
Schleifspuren im umgebenden Bereich zeugen von einer bewegten Geschichte dieses
hervorzuhebenden Ortes.
Die Höhle
Mehrere geheimnisvolle Stätten umlagern diesen mystischen Ort, die Höhle, die in Vorzeiten als
Erdmutter galt aus der das Leben kommt: eine Wallanlage, möglicherweise eine keltische
Viereckschanze (200 v.C.? nach aktuellem Forschungsstand Doz. Walter Leitner - Uni Ibk
wahrscheinlich mittelalterlich um 1250) am Fuße der Höhle am Römerweg (Nord-Süd
Alpentransversale) gelegen, ein römerzeitlicher Steinbruch, die benachbarte Lage der Kirche auf einem
Hügel und die dazugehörige Sage vom Seligen Bruder Ulrich (früher Wallfahrtskirche - "Grab im
Felsen"), die Legenden um den Hl. Magnus, der dieses Gebiet im 8. Jht. christianisierte, "Magnustritt"
bei Füssen und "Mangesessele" bei Lechaschau, die prähistorische Gewinnung von Eisenerz, neben
Überresten einer Höhlenburg (vergleichbar vielleicht mit San Gottardo in Mezzocorona - Gotthard der
Drachentöter um 1000 n.C. - oder Burg Wolkenstein) eine Reihe von mittelalterliche
Befestigungsanlagen und weitere (ehemalige) Burgen auf der abgewandten Bergseite (die
Schwangauer Burgen) verstärken die geschichtsträchtige Bedeutung dieser Landschaft.
Grundriß Höhle
Die aktuelle Schalenforschung verzeichnet Funde aus der Vorgeschichte (Nacheiszeit) bis herauf in den
Anfang des 18. Jahrhunderts mit Häufungen in Bronzezeit und Spätbronzezeit (1500-1000 v.C.) sowie
im späten Frühmittelalter, parallel zur Entwicklung des Christentums, bis ins Hochmittelalter (1000-1200
n.C.). Keine Belege existieren für Eisen- und Römerzeit. (Giovanni Rizzi)
Beide Höhepunkte in der Herstellung solcher Hohlformen kommen für Pinswang in Betracht:
Der lokale Historiker Dr. Richard Lipp, Verfasser der Pinswanger Dorfchronik, vermutet eine Entstehung
der Schalen um etwa 1700 v.C. und eine jungsteinzeitliche Lagerstätte in der natürlichen Höhle, Dr.
Hans Haid spekuliert ähnlich mit einem Alter von annähernd 4000 Jahren, einer vorgeschichtlichen
Besiedelung der Höhle über dem möglicherweise noch vergletscherten Talboden und einer späten
"Christianisierung" durch Hinzufügung entsprechender Symbole, wie er dies ähnlich auch auf die
erwähnten Sagen und Legenden mit heidnischem Kerngehalt überträgt. Genauso muß aber auch eine
Entstehung in der Zeit der Errichtung der Burganlage im Mittelalter in Betracht gezogen werden.
Was derartige Schalen wirklich bedeuten mögen verbirgt sich der Wissenschaft noch völlig. Offenbar
existieren Felsschalen in den völlig unterschiedlichsten Zeiten, in unterschiedlichsten Größen und
Anordnungen und sicherlich auch zu unterschiedlichsten Zwecken, seien es religiös-kultische
(Lichtsteine) oder praktisch-mechanische (Böllerauflagesteine, Fackelsteine, 3-Punkt-Auflagen) bis zum
"Ich-war-hier" - Zeichen, Stammeszeichen oder Besitzzeichen.
Zeichnung der Schalen und der Ritzungen
zweierlei handzeichen
ich bekreuzige mich
vor jeder kirche
ich bezwetschkige mich
vor jedem obstgarten
wie ich ersteres tue
weiß jeder katholik
wie ich letzteres tue
ich allein
(Ernst Jandl)
Meterstab, Kompass, Süden - Norden
Auffällig in Pinswang ist die geometrische Anordnung der drei Vertiefungen in Dreiecksform. Welchen
Zweck mögen die frühen Schöpfer dieser Schalen wohl verfolgt haben, denn nur aus Jux und zum "Ich
war hier" - Zeigen wird sich niemand soviel Mühen antun, wo doch frühe Werkzeuge wenig effektiv
waren. Müssen sich nicht genaue Überlegungen und eine besondere Bedeutung hinter dieser Arbeit
verbergen?
Nach dem Regen
Viele Zerstörungen im Umfeld zeugen von einer bewegten Vergangenheit des Platzes
Dr. Hans Haid grübelt
Stellt man etwa drei Holzstäbe in Pyramidenform in die drei Schalen und beobachtet man die vom
Sonnenstand erzeugten Schatten, verfolgt und markiert man den Scheitelpunktschatten über den
Verlauf eines Jahres, so lassen sich sehr einfach relevante Tage wie Sommer- und Winteranfang,
Sonnenwenden, längste und kürzeste Tage usw. erkennen. Ein hervorragender Kalender also, der,
über mehrere Jahre hindurch verfolgt ein recht genaues Bild der Jahreszeiten ergibt, - auch über
Schlechtwetterperioden oder längere Abwesenheit hinweg, in denen die Stäbchen einfach
mitgenommen werden konnten. So ein "Sonnenkalender" ließ sich jederzeit wieder genauso herstellen
wie er war. Durchaus vergleichbare "Sonnenuhren" sind noch heute an der Pinswanger St.
Ulrichskirche oder noch deutlicher z.B. in Glurns zu sehen.
3 Stäbe mit Schatten bringen wenig, besser...
ein Dreifuß
... mit deutlichem Schatten
Schatten im Jahreslauf (Bodensonnenuhr) St. Ulrich in Pinswang
Zwar wird die Verwendung von Schalensteinen als Visursteine von der modernen Forschung meist
abgelehnt, in diesem Fall aber könnten die erzeugten Dreieckseiten wichtige Richtungen hervorheben.
So weist die eine Linie ziemlich genau nach Süden in den Bereich des heutigen Dorfzentrums von
Unterpinswang (Gasthaus Kofler, weiters Musauer Platte, Reintalerhof, Höllenmühle, Hahlekopf,
Schallerkapelle, Turejöchle/Blachenspitze), die zweite Linie weist nach Südwesten, auf die Wallanlage,
dann etwa in die Richtung der heutigen Kirche, in deren Bereich eine alte Kultstätte vermutet wird, und
in Verlängerung genau zur heutigen Lechbrücke (der "Ulrichsbrücke" - Engstelle und weiter Ranzen,
Galgenberg, Roßberg/Brentenjoch). Die dritte Richtung bildet den Abschluß parallel zum Rückenbereich
der Höhle, etwa in Ostwest-Richtung, im Osten zum Gasthof Schluxen (Scheibenschlagen),
Kriegsfelsen/Bärenauköpfl, Sattelkopf) und im Westen Kratzerweg (Ländenhof, Vilser Berg). Der
heutige Baumbewuchs verhindert ein Anpeilen möglicher Endpunkte, jedenfalls werden aber
topographische Beziehungen zu mittelalterlichen und vorgeschichtlichen Strukturen und die Nähe zu
Altwegen wie bei vielen anderen derartigen Funden augenfällig.
Mit einfachsten Mitteln also ein recht brauchbaren Kalender, eingebettet in ein geographisch topographisch begründbares System ?
Im Jänner wächst im Südosten aus dem Nachthimmel das "Winterdreieck", ein sehr ähnliches Sternbild
gebildet aus: Sirius - Procyon - Beteigeuze, zeichnet einen sogenannten Winterbogen über den Himmel
und läutet mit dem Untergang den Frühling ein, ein äußerst wichtiger Hinweis für allfällige Bewohner der
Höhle. Richtung Südsüdwest erscheint im Feber / März allabendlich diese augenfällige Formation:
oder wurden die Schalen einfach nur praktisch verwendet, etwa gar als ...
... als Eierbecher für ein gepflegtes Picknick?
Literaturhinweis:
Der Beitrag wurde 1996 - 1998 aus persönlichem Interesse angefertigt und von der ANISA im Internet
veröffentlicht.
Dr. Richard Lipp, Aus der Frühzeit von Pinswang in
900 Jahre Pinswang, Dorfchronik, Eigenverlag 1995
Dr. Walter Leitner, Archäologische Ausgrabungen in Unterpinswang in
900 Jahre Pinswang, Dorfchronik, Eigenverlag 1995, Bilder 3 und 4
Franz Mandl, Mitteilungen der ANISA, - Haus i. E., Verein ANISA Verein für alpine Forschung, - Bild 2
und Internet www.anisa.at
Giovanni Rizzi, Schalensteine, ein vielfältiges Phänomen, ebendort
Oswald Trapp, Tiroler Burgenbuch, VII, Oberinntal und Ausserfern, Bozen 1986, Bild 7
Hans Haid, Mythos und Kult in den Alpen, Rosenheimer 1992
weitere Bilder und Zeichnungen stammen vom Autor selbst
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