Vorlesung Dramatik in Österreich nach 1945 Prof.in Dr.in Juliane Vogel Sommersemester 2005 10.3.: Einleitung in Österreich: Voraussetzung einer Theaterkultur, die die Klassiker in anderes Licht rückt Eva KÖNIG: Frau von G.E. Lessing (-> bürgerliches Trauerspiel) „Emilia Galotti“: Schicksal einer Bürgerstochter, die sich von ihrem Vater töten lässt, aus Angst vor ihrer eigenen Verführlichkeit; strenger Tugendkanon; Vater fügt ihr letzen Endes den Tod zu 1792 hat Kaiser Joseph II „Galotti“ in Wien zwei Mal gesehen und meinte, er habe bei einer Tragödie noch nie soviel gelacht, die Aufführung an sich wäre eher nur mittelmäßig gewesen, was an den schlechten schauspielerischen Leistungen liegen würde – das berichtet E. König in einem Brief an ihren Mann G.E. Lessing -> in Wien muss also im Trauerspiel mit Gelächter gerechnet werden, da das bürgerliche Trauerspiel in Wien noch nicht bekannt ist Huberin (zu dieser Zeit bekannte österr. Schauspielerin): spielte Emilias Mutter: verkörperte Lessings Theorie der Katharsis -> fixierter Theatertext ist nötig Stefani: spielte Prinzen, aktiviert andere schauspielerische Tradition; kommt aus der Commedia dell’Arte (italienischen Maskentheater): viele Improvisationen, Darsteller sind keinem festgeschriebenen Theatertext verpflichtet -> Körper von Stefani wird quasi zum Gegensatz der von der Huberin dargestellten / verkörperten Tragik des bürgerlichen Trauerspiel bei Lessing: Gebärden der Schauspieler (das nicht Verbalisierte) Regieanweisungen bestimmt = totaler Gegensatz zur Commedia dell’Arte -> Konflikt zwischen Körper und Schriftkultur durch Stefani tut Gegenteil dessen, was Schrift verlangt = subversive Kraft des Körpers -> Grenzen zwischen Tragik und Komik können im österr. Theater nicht streng gezogen werden; „Mischmasch“ von Komik und Tragik Deutschland: Gattungseinheit wird angestrebt (-> Gottsched: Aufklärung trennt Gattungen) Österr.: Durcheinander der Formen Gottsched = intellektuelle Theaterpolizei Österr.: Sonnenfels stellte symbol. Ordnung d. Aufklärung auf; wollte z.B. Hanswurst v. d. Bühne vertreiben, gelang aber nicht ganz Bernhard: situiert seine Stücke i.d. Ambivalenz zw. Tragödie und Komödie 3. Form = Tragikkomödie versucht, beide Teile (das Traurige und das Komische) in Harmonie zu vereinen (v.a. im 18. Jhd.) = Drama d. gemischten Gefühle, also ein Umspringen zw. komisch-tragisch, hoch – tief etc. Spannung zw. Gegensätzen bleibt aber aufrecht Publikum ist diese Doppelheit durch Mozarts u. Schikaneders „Zauberflöte“ bekannt; Publikum meinte: lächerliches Stück, dass nur wg. Mozarts Musik überleben kann Papageno oasst nicht ins aristotelische Drama / i.d. arist. Poetik (gute Handlung v. edlen Personen getragen = soz. Festlegung d. Aktanten) i.d. Zauberflöte wird Gegenhandlung entwickelt: jedes Problem wird trag. und kom. modelliert Tamino schweigt f. hohe Ziele (trag.) Pap. v. Geschlechtstrieb geleitet u. artikuliert seine leiblichen Bedürfnisse (kom.) Tragikkomödie = parallel geführtes Theater -> Zauberflöte: = heterogenes Theater; Spätling einer durch das Volkstheater geprägten Form, Einfluss auch durch d. Empfindsamkeit avantgardistisches Theater: körperliche Ausscheidungen werden zu wesentlichen Akteuren in dieser Dramenform Antonin ARTAUD setzt sich f.d. Entfesselung des Körpers ein Entwickelt „Théâtre de la Cruaulté“ (Theater d. Grausamkeit) – darin kommt dem Körperlichen eine wichtige Rolle zu, die Sprache wird zurückgedrängt 1945: Theater der „tabula rasa“, Theater eines Neuanfanges gr. Spielorte d. österr. Theaters (Burg, Staatsoper, also die Sinnbilder des österr. Theaters) nach Krieg nicht bespielbar -> Auszeichen auf’s Ronacher -> weitreichende Folgen für’s nationale Selbstbewusstsein, da das Theater in d. österr. Tradition eine gr. Rolle spielt weil: Theater = Form v. Selbstrepräsentation (geht auf Monarchie zurück) Okt./Nov. 1955: Wiedereröffnung v. Burg und Staatsoper -> wird als Staatsakt im alten Stil zelebriert; man feierte aber ncicht die Befreiung v.d. NS-Herrschaft, sondern d. Herstellung v. Kontinuität Burgth.: bes. wichtig f.d. nat. Selbstbewusstsein -> scheint österr. Kontinuität unter Beweis zu stellen Wiedereröffnung der Staatsoper mit „Fidelio“: geht um Befreiung v. Despoten -> symbolische Wirkung, neu gewonnene Freiheit wird besungen - Befreiungspathos Spielt also eher auf Befreiung Öster. durch d. Alliierten an als auf die Befreiung v.d. Nazis Burg: Grillparzers „Ottokars Glück und Ende“ zur Wiedereröffnung mit klass. kanon. Österr. Text wird wiedereröffnet, was als eine Art Prolog / Selbstbestimmung / Selbstmythisierung der österr. Nationsbildung aufgefasst werden kann (stimmt das so?) Klassiker bestimmen Programme d. österr. Theaters nach 1945; sollten „beglückendes Beispiel“ des Humanen liefern; zeitlos gültige Menschheitsideale werden darin dargestellt; v.a. Grillparzer, Lessing, Goethe u. Schiller auch unter NS-Regime v.a. Klassiker nach 1945 dominierte bildungslastiges Theater neue Sakralität der Kunst in alten Tönen Burg nach 1945 Stücke dienten einer Kontinuitätskonstruktion, Kriegsjahre wurden getilgt Kollaborateure und Emigranten siedeln sich jenseits d. histor. Bruchstücke an und knüpfen an Bühnenkunst Schiller (bürgerl. Wirkungsästhetik) an trad. Formen geben Gelegenheit zur Darstellung zeitloser Menschheitsideale klare Trennung zw. Bühnengeschehen u. GW Avantgarde = Bewegung, die d. Einhaltung d. 3 Einheiten sprengt am Burgtheater wird gg. diese Sprengung angegangen 17.3.: Fortsetzung letzte Std. und: Kraus / Horvath wie wird Theater nach 1945 in Ö. neu konstituiert? -> alte dramat. und literarische Konzepte wirken neu mit erste Jahre nach 45: klassizist. Dramenkonzepte (5 Akte, Einhaltung der Einheiten ... Berücksichtigung d. aristotelischen Poetik) Kontinuitätspolitik, welche die Zeit zw. 1938 u. 1945 außer Acht lässt 1938-45: = traumatische Terrorzeit, Zeit der Mitschuld wenn Vergangenheit angesprochen wird, wird der externe Faktor betont -> als äußere Interventionen, die nicht mit dem österr. Wesen zu tun hatten, dargestellt Mitte 50er: neue Avantgarde, steht im Widerspruch zur Identitätsmythik der 2. Republik avantgard. Theater reagiert / rebelliert gg. Mentalität d. Restauration i.d. 50ern engagierte Lit., die explizit zu polit. Agenden Stellung nimmt (nennt konkrete, authentische Namen, greift so ins polit. Staatsgeschehen ein) avantgard. Theater gehört nicht zur engagierten Lit. avantgardistische Dramatik stellt sich gg. Institutionen und Regelwerk, provozierte durch ästhetische Radikalität -> artikulierte so Subversion und Widerspruch Ziel ihrer Angriffe: Instanz der Sprache; Macht wirkt auch in Gesetzen d. Grammatik / Sprache, weil: Sprache = Medium, d. Denken u. Handeln modelliert u. manipuliert Grenzen d. Sprache fallen mit Grenzen d. Bewusstseins zusammen Sprache ist kein transparentes Mittel zum Selbstausdruck Sprechen beinhaltet gleichzeitig Gehorsam (->gramm. Regeln; best. semant. System) Korruption d. gesellschaftl. Rede wird vorgeführt Kritik gilt nicht d. Inhalt dessen, was man spricht, sondern d. Frage des wie (wie wird Sprache gestaltet? Welche Regeln sind dabei wirksam? Rolle / Fkt. d. Semantik?) Ursachen d. Faschismus werden im Bewusstsein d. Sprache aufgesucht -> derartiges Arbeiten mit Sprache = enorme Faschismuskritik im Medium d. Sprache untersuchen AutorInnen Gehorsam Null-Punkt nach 45 Avantgarden glauben sich keinem liter. Erbe verpflichtet -> aber: Anknüpfung an verleugnete Trad. (?) Mythen: ex nihilo (aus dem Nichts) tabula rasa -> Mythen: Gestus d. Neuanfangs, der neuen Setzung Mechanismen d. autoritär geprägten Sprachgebrauches Avantgarden) untersucht werden (v.a. v.d. bes. im österr. Raum entwickelt sich gr. Sensibilität f. v. Macht geprägter Sprache Sprache u. Macht organisieren sich in Österr. u. Dt. unterschiedlich Dt.: v.a. 2 Sprachinstitutionen, d. Sprache prägten (gg. Subjektivität): Kirche (Religion) und Kanzleien (Bürokratie) Michail BACHTIN bei d. Produktion literarischer Sätze sprechen auch andere Instanzen, d. keine literarischen sind, mit Lit. = Genre zweiten Grades, das d. gesellschaftl. Diskurse auf höherer Ebene „verpackt“ / behandelt Lit. ist immer Dialog mit Sprache d. Macht, muss sich mit diesen Gegenheiten auseinander setzen Lit. konstituiert sich damit nicht als eine Erfindung „ex nihilo“ Roland BARTHES Literatursprache = Geflecht v. vielen Sprachen, die einander subvertieren Lit. setzt sich aus mehreren Sprachen zusammen Michel FOUCAULT Sprache formiert Handeln und Tun d. Menschen -> deckt d. histor. Konstruktion v. Machtsprachen auf (stimmt das?) kathol. Kirche: Liturgie u. Gebete, Gläubige werden zur Wiederholung des liturg. Wortlautes aufgefordert -> Gehorsam gg.über unveränderlicher Wortfolgen wird v. Gläubigen erwartet Liturgien ritualisieren d. Sprechen, durch WH dringen Formeln ins Unbewusste WH fordert nicht d. intellektuelle Fähigkeiten heraus, sondern lullt diese ein Johann Gottfried HERDER: Protestant; Aversion gg. das Wiederholen d. (liturg.) Formeln – Leute sollten verstehen statt zu wiederholen kulturelle Wiederholungen wörtlicher Wendungen wird ästhetisches Prinzipe (?) 2 Funktionen d. WH: a) Form des Gehorsam (zur Gehorsamsbildung) b) subversives Potential v. WH, man kann damit Kritik / Rebellion artikulieren Wendelin SCHMIDT-DENGLER spricht v. liturgischen Katalysataor -> kathol. Prägung i.d. österr. Lit., WSD weist in diesem Zusammenhang auf Handkes „Publikumsbeschimpfung“ hin Thomas Bernhard Inversion / Ersetzung einer liturg. Formel – schreibt „Vater unser, der du bist in der Hölle“ -> Autor nähert sich d. liturg. Form kritisch an, kann sich ihr aber nicht völlig entziehen -> auch sein Bewusstsein war durch Diktatur d. kathol. Kirchenformeln geprägt Folgen dieser formelhaften, kirchlich dominierten Sprachpolitik Innerlichkeit u. Subjektivität können sich auf diesen Grundlagen nicht konstituieren Rhetorik (gesehen als Regeln d. öffentl. Rede) bleibt in Österr. v. gr. Bedeutung, in Dt. nicht so Dt.: protestant. Religion erfordert Beschäftigung mit eigenem Seelenleben (Pietismus!) Österr.: Akzent liegt auf Äußerlichkeit d. Sprechens u. seiner Theatralität, Rede d. Macht als kulissenhaft entlarvt polit. Sprache wird demaskiert -> Kritik an Sprache d. Politiker, d. polit. Systems dramat. Sprache in Österr. dadurch gekennzeichnet, dass Stimme / stimmliche Qualität gr. Bedeutung entwickelt (-> E. Jandl vermittelt seine Texte v.a. stimmlich) -> Kritik an Sprachkultur, i.d.d. Sprache fest gelegt ist 19. Jhd.: mediale Explosion (Rolle d. Zeitungen) Karl KRAUS (1874-1936) „Die letzten Tage der Menschheit“: Einzelszenen, d. Prozess gg. mit Sprache betriebene Politik d. Kriegsantreiber darstellen Vorbild f. neue sprachbewusste und – kritische Literatur Wendung gg. die Sprache d. Macht, insbes. Gg. die Zeitungsphrase lt. Kraus gibt es keine Werke, die auf einer „tabula rasa“ geschrieben werden können Konsequenz: es kann keine Autorschaft geben, angesichts d. v. d. Presse produzierten Massen (-> Übermacht der Zeitungen) Die Fackel: Devise = wir bringen dem Publikum erst dann Neues, wenn (? hab ich nicht mitbekommen …) Autorschaft bei Kraus nur im Zitat möglich; Kraus macht d. Zitat zum Kriterium f. Autorschaft zur Unkenntlichkeit verstellte Zitate, die aus Zeitungen kommen u. radikal aus Kontext gerissen werden Walter BENJAMIN Phrasen bilden Instrumente der Macht Phrasen = sprachl. Stereotypen, werden ad libitum wiederholt 1914: Ausbruch 1. WK; Arbeit an „Fackel“ mündet in einem Drama selbe; verwendet selbe polemische Textstrategie 1915-1922: „Die letzten Tage der Menschheit“ entstehen; Meisterwerk d. Antikriegssatire; beginnt mit Ermordung Franz Ferdinands und endet mit der Apokalypse -> doppelte Dramenstruktur: - Gericht(sdrama?) - Szenario d. barocken Welttheaters -> Pamphlet gg. Krieg, sieht korrumpierbare Sprache als Auslöser d. 1. WK an Vorrede zu „Letzte Tage der Menschheit“ enthält wichtige Dispositionen f. d. österr. Theater Operettenpersonal (Operette f. Kraus = Höhepunkt d. Verkitschlichung; wird v. lächerlichen Figuren gespielt ) u. kein Tragisches soll dieses Drama spielen Kosmische Öffnung der Bühne (?) Frage nach festgefrorener Sprache / Phrase: Kraus’ Drama inszeniert Zitate, d. in Zeitungen stehen u. bringt sie auf die Bühne Stilfigur, die Kraus oft verwendet: PROSOPOPOIIA Prosopopoia = rhetorische Figur, die etwas Totes scheinbar lebendig macht od. mit einem Gesicht ausstattet Prosopopoia = eine Stimme geben Prosopopie, indem Zeitungssätze zum Leben erweckt werden; man erkennt aber, dass sich dahinter nur Totenköpfe verbergen, dass nichts dahinter steckt als leere Worthülsen 14.4.: Peter Handke: Kasper Sprechstücke von Handke = gr. Theatererfolge Figur des Findlings Kaspar Hauser (KH), aber Figur der Kasperls klingt immer mit - was hat Figur des Wiener Volkstheaters (Kasperl) mit KH zu tun? - beide nicht sozialisiert; beide durch das Theater in Laborsituation gesetzt; bei beiden wird ein Exempel statuiert Handke wiederholt das, was Bayers Kasperl in der Haftsituation durchlebt KH: Handke verwendete historische Materialien / Quellen; v.a. die Anmerkungen zur Biographie KH’s von Anselm Feuerbach KH tauchte 1828 in Nürnberg auf, ohne sich richtig verständigen zu können; war in einem sprachlich verwahrlosten Zustand; starb durch ein Attentat; Fall erregte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit fast ganz Europas, viele Spekulationen; angeblich unehelicher Königssohn; Annahme einer badischen Prinzenschaft (vertreten durch den Juristen Anselm Feuerbach) steht Vermutung, Hauser sei ein Schwindler gewesen, gegenüber. KH wurde pädagogischer Streitfall; der Anthropologen, Philosophen u. Mediziner beschäftigte; KH wurde zum Objekt anthropologischer Studien / Experimente erklärt auch Handke inszeniert Experimente Experimente: methodisches Vorgehen zur Gewinnung bzw. Überprüfung von Erkenntnissen im Rahmen von Theorie (Def.) Unbeschriebener Mensch Sozialisationsprozess der Ausgangszustand) tritt aus Menschen Naturzustand in den der Kultur; kann nachvollzogen werden ( = Opposition von Wirklichkeit und Möglichkeit Möglichkeit: wird im Stück nicht als utopischer Begriff aufgefasst, sondern zeigt, was man mit Menschen alles machen kann (-> hier bewegt man sich in der KZ-Ordnung; vgl. z.B. die medizinischen Experimente, welche in den KZ mit den Häftlingen durchgeführt wurden!) Handke zeigt die Sprechfolterung auf, die dem Einzelnen durch die Gesellschaft zugefügt wird 1. Auftritt / 1. Szene erinnert an Geburtssituation (in metaphorischer Verschiebung) in der Vorrede bezeichnet Handke Kaspar ironisch als Helden -> = Inversion, da K. alles andere als ein Held ist! in der Beschreibung der Figur Kaspars werden komische Aspekte seines Charakters hervorgehoben -> Umspringbild zwischen Spaßmacherfigur und einem, der es definitiv nicht ist clowneske Aufführung wird erwartet, Stück erfüllt Erwartung aber nicht Rousseau: Zustand der Wildheit ??? Handke vergleicht seine Figur mit Frankensteins Monster, King Kong etc. -> Kaspar ist also keine Menschenfigur, sondern ein vom Menschen Handke konstruiertes Monster Kaspar ist also eine Kunstfigur und keine Naturfigur K = tragische, in sich zerfallene und inkohärente Figur seine sprachliche Sozialisation erfolgt durch Stimmen, die auf den Helden einsprechen; K. steht allein auf der Bühne, ist allein mit den Einsagern, den Stimmen der technischen Medien (Tel., Radio, TV) = Absage an beseelte, beatmetete Sprache der Mutter; kaltes Szenario, anonyme, medialisierte Stimmen wirken auf Helden ein; Stimme und Sprache der Mutter sind abwesend; steht also im Gegensatz zur Inszenierung der Geburtssituation am Anfang des Stückes KH Satz: „Ich möchte ein solcher werden, wie einmal ein anderer gewesen ist“. 1) Handke rekurriert auf Satz des KH: Findling KH sucht sich Vater als Vorbild aus, möchte sich nach diesem modellieren, kennt seinen Vater aber nicht -> unmöglich, sich nach dem Vorbild seines Vaters zu „gestalten“ 2) ??? 3) paradoxer Satz; dieser Satz ist der einzige Besitz, den K hat; solange er ihn besitzt ist er (K) nicht völlig zerbrochen 4) Satz formuliert Wunsch K’s, nicht er selber sein zu wollen, sondern ein anderer werden will 5) satzgeleitete Disziplinierung des Körpers Satzinhalt ist nicht wichtig; wichtig = Satzmodell; Form der Sätze leistet Unterordnung des Individuums unter eine Gesellschaft Sprechfolterung (Begriff von Handke) Erziehung durch entpersonalisierte, medialisierte Stimmen 2-spaltig geführter Text; wichtig, wie sich Spannung zwischen beiden Kolumnen aufbaut Kolumne: aus Zeitung bekannt -> anfängliche Kritik an diversen Zeitungsformaten, wie z.B. der „Bildzeitung“ Ziel der Sprechfolterung: Menschen, die praktikable und funktionierende Sätze sprechen, sollen erzogen werden wer den Satz besitzt, dessen Sinne sind nach der Logik / Ordnung des Satzes gebaut „Ohne Satz kannst du nichts sehen, keinen Schritt mehr gehen.“ Gemeinplätze der Einsager wiederholen sich liturgieartig K.’s Satz wird willkürlich in einzelne Worte zerlegt -> K. wandelt seinen eigenen Satz ab -> Satz wird in Teile zerhackt; zerhackte Sprache – durch Schmerz wird auf Willkür der Zeichenordnung hingewiesen, denn: wer spricht vollzieht Trennungen und tut dies in jedem Satz neu linke Spalte verzeichnet körperliche Aktionen KH’s.-> Trennung von Sprache und Körper! KH wird von Hinterhältigkeit der ihn umgebenden Dinge überrascht durch Einwirkung der Sätze beginnt KH sich zu sozialisieren KH gibt seinen Satz auf und tritt in die gesellschaftliche Ordnung ein daraufhin agiert KH’s Körper eine Weile lang nicht mehr und die Sprache dominiert beide Spalten nach der Zerstörung von KH’s Satzes setzen Regieanweisungen auf anderer Ebene wieder ein nach KH’s Unterwerfung an sprachliche Gesetze: Handke verwendet Führungsinstanz des Scheinwerfers, der KH’S Bewegungen folgt; Scheinwerfer agiert nun als Ordnungs- und Überwachungsinstanz; zuerst folgt der Scheinwerfer KH’s Bewegungen, später gibt er sie ihm an A. KITTLER: „Eine kurze Geschichte des Scheinwerfers“ - Scheinwerfer: mechanisiertes Auge der Mächtigen / der Macht tritt in Aktion - Schweinwerfer waren früher nur in den Händen der Macht erlaubt, um Untertanen zu blenden (= sehen verhindern) Michel FOUCAULT Licht beleuchtet eine Seite, stößt aber gleichzeitig den anderen Teil des Gesellschaftskörpers in die Dunkelheit in umfänglicher Wechselrede wird KH in andere Satzmodelle eingewiesen, bis KH identisch, also kontrollierbar wird tautologisch: z.B: „Genug ist genug.“ - Tautologie wird angewendet um zu zeigen, dass KH „fertig“ ist - Tautologie beendet den Erziehungsprozess - Tautologie wird als Sprachform der bürgerlichen Gesellschaft verdächtigt; lässt Reflexionen nicht zu - R. Barthes: Tautologie = Anti – Intellektualismus Bibelzitat: „Ich bin der ich bin …“ = Moment der Offenbarung: Moses fragt Gott nach seinem Namen, Gott antwortet „Ich bin der ich bin…“ - „Ich bin der …“ ? Leerform aller Formen der Identität pathetischer Satz des alttestamentarischen Gottes -> Handke zeigt, dass dieser Satz nichts anderes ist, als eine Leerform! „Warum fliegen da so lauter schwarze Würmer herum?“ - Zitat, kommt auch in „Horvath und Brecht“ vor - = Schlusssatz aus „Glaube, Liebe, Hoffnung“ von Ödön von Horvath darin letzter Satz Elisabeths, sie ist eine in den Suizid getriebene Gestalt - härteres Urteil über Sprechfolterung ist nicht möglich - Sterbesatz eines aus der Gesellschaft ausgestoßenen, vertriebenen Mädchens - soll zeigen, dass Zurichtung des Menschenkindes durch die societé mit dem Tod endet - Gesellschaft = Gesellschaft von Sterbenden / Toten, denen alles genommen wurde nach Beendigung der Sozialisation KH’s kommen viele gleiche Kaspers auf die Bühne Einsager bringen serielle Modelle auf die Bühne = Ende des Unikats / Individuums KH erzählt von der Unterwerfung unter Satzmodelle Erinnerung = Kraft gegen die Standardisierung Kaspers entfalten in Schlusssequenz subversives Potenzial Lächerlichmachen des sozialisierten Redekörpers wird betrieben Kaspers: Figuren Zweiten Grades; hysterische Abspaltungen des durch Sprechfolterung sozialisierten Menschen am Ende: Tierstimmen (!) und nicht jene der Einsager oder der Sozialisierten Exzess des schrillen, kreischenden Geräuschs = Kehrseite der durch Sprechfolterung sozialisierten Menschen 21.4.: Wiener Aktionismus – Oswald Wiener: purim da war ich Kaffee-Trinken 60er: Ausbildung einer performativen Richtung Aktion: nichtsprachliches, körperliches Entäußern (?) Aktionisten teilw. gleiche Mitglieder wie Wiener Gruppe Wiener Aktionismus: radikale Körperszenarien -> Mühl, Nitsch, Schwarzkogler, O. Wiener Austreibung v. Sinn und Bedeutung Repräsentation = Abwesenheit des Signifikaten -> Material selber Signifikat, steht im Zentrum der Aussage O. Wiener: „Weg mit den Symbolen“, „ ... den Leuten die Kunst austreiben ...“ geht um Aufhebung von Körpergrenzen -> Durchsetzung einer direkten Kunst Nitsch: „Das Lamm“ -> Elimination der Leichen Bezugspunkte des Wr. Aktionismus: Theater, Malerei – Intermedialität nötig, um Aktionismus zu begreifen Materialaktion: über Bildflächen hinausgewachsene Malerei -> Verschüttung von Flüssigkeiten (auch Körpersekrete) Anknüpfungspunkte: informelle Malerei der 40er und 50er i.d. USA z.B. „action painting“ v. Jackson Pollock (verwendet dripping-Technik) Leinwand auf dem Boden = Gegensatz zur klassischen, vertikalen Situation des Malens -> der Körper beugt sich; „schütten“ anstatt „malen“ -> auch Aktionisten arbeiteten auf dem Boden Abgrenzung zum traditionellen Theater Nitsch: „In meinem Theater ist alles real“ Konventionelles Theater: „Tod wird nur gespielt“ Nitsch-Theater: gg. Symbole d. im Christentum das Fleisch substituieren gg. Akt d. Einsetzung d. Zeichenfindung, gg. die Ersetzung des Leibes durch ein Zeichen Lamm bei Nitsch: ist wirklich tot, Blut wird nicht (wie in der christlichen Messe) durch Wein ersetzt Nitsch-Theater: zelebriert Messe ohne Ersetzung menschlicher Körper fungiert hier als Aktant und Objekt Aktionsformen a) auf Oberfläche bezogen (Beschmutzung, Beschmierung, etc.) b) Bezug auf die Tiefendimension (Eindringen, Einverleibung) macht Unterscheidung zwischen Tiefe und Oberfläche nach Innen gestülptes Äußeres Aufhebung der Körpergrenzen, d. Ausscheidungen, der Körpersäfte Materialien, mit denen man nicht Schreiben, keine lesbaren Zeichen herstellen kann eine Vorstellung des Wiener Aktionsismus (v. Nitsch und Mühl) „Die Versuchung der Venus“ von der Polizei abgebrochen Muster des Aktionismus - Einschaltung einer Art von Schriftträger; Ausbreitung von Papier; Spuren werden hinterlassen - Aktion: flüchtig, andererseits Allgegenwart 28.4.: Kurzdramatik: Die Tirade als Baustein österreichischer Dramatik Minidramen: gr. intertextuelles Potenzial Verkürzung - dramat. Texte verkürzen sich in Zeiten d. Gattungskrise(n) bereits Peter Szondi entdeckt 1963 Verkürzungen - Zustandsdramen: reduzieren zeitl. Erstreckung auf ein Minimum -> Handlungsmöglichkeiten des Menschen i.d. Moderne sind eingeschränkt -> kürzere Texte; Kürze beschneidet dramat. Spielraum - Figuren des Einakters sind nicht mehr Herren, sondern Spielbälle einer Situation - Minidramen: meistens Abrevaturen existierender Texte - Verkleinerung: Form der Traditionstötung / Art v. spöttischer Attacke - Verkürzungen attackieren d. Monumentalität - schon bei Grillparzer Abrevaturen in „Der wilde Jäger“ (1821) – romantische Oper, reduziert Oper Freischütz auf Minimum hier Abwesenheit aller Handlung; 40 Violinen, 20 Pauken, 10 Stiere auf engstem Raum – Lärm übersteigt alles, bis ins Absurde getriebene Effektdramaturgie Inversion: Verflucher verflucht sich selbst (?) Szene implodiert auf effektvolle Art Wolfgang BAUER 1964: erste Veröffentlichung seiner 21 Kurzdramen verarscht darin d. gr. Theater, gr. (histor.) Persönlichkeiten etc. Szenarien, die langsam od. schnell implodieren / einbrechen Jandl über Bauer: bedient sich d. Mittel des Theaters, um d. Theater zu sprengen, macht die Großen (histor. Persönlichkeiten) klein Bauers Stücke funktionieren, weil sie nicht spielbar sind (?) seine Stücke sind keine dramatischen Epigramme, die auf Pointen zusteuern, sondern im Gegenteil Pointenzerstörer; bewusste Gegensteuerung gg. das Pointenwesen geht nicht um klimaktische Steigerung der Szenen auch Wiener Gruppe u. Jelinek schreiben gg. Pointen Bauer: Franz Xaver Gabelsberger Gabelberger: authentische Figur, Erfinder d. Schnellschrift Schnellschrift u. Bauers Drama: vereinen Qualitäten d. Schnelligkeit und Kürze B’s Drama gilt als Pionier d. Zeitersparnis / d. Kürze 1 ½ Seiten - Aufteilung in 3 Akte = Anspielung auf verworfene, bürgerl. Theatertradition Film von Mara MATUSCHKA (richtig geschrieben?): Buchstabensuppe „Suppe“ spielt/e i.d. avantgardistischen Kunstproduktion gr. Rolle Gewinnung eines Bleistiftes durch einen Maibaum Schriftbild d. Kurzschrift erinnert an Nudelform Bauer gerät in schriftfeindlichen Symbolismus des Wiener Aktionismus Erfinder d. Schnellschrift fällt ins vorschriftliches Stadium zurück = Regression „wäh!“ – er wird wieder zum Säugling Ernst Jandl: Kürze Äußerungsvermögens bei Bauer = drastische Reduktion menschlichen Wiener Aktionismus will Indienstnahme der Materie durch die Schrift verhindern Bauer: Lukrezia 1. Akt, 1 Person Name Lukrezia: so heißen gr. heroische oder zwielichtige Heldinnen d. Lit u. Oper in Bauers (Ab-)Kürzung wird der Stoff / die Handlung in einem einzigen, absurden Bild zusammengezogen Kompott -> „l“ rausgekürzt -> würde sonst „Komplott“ ergeben „l“ fehlt; dramatische Spannung weicht aus dem Komplott (? – HÄH?) Rosenhaag = locus amoenus Tollkirsche = giftiges Gewächs Schlange im Paradies = Inversion eines Madonnenbildes (?) Einsiedeglas: Zeit steht still, wird aufgehalten (brevitas = Kürze) Dekonstruktion tradierter dramatischer Formen komplementär zu Mikrodramen: TIRADEN (= dramatische Figur) Tirade: - kultiviert unaufhörliches Sprechen - monologisierende Redehaltung, die keine Widerrede duldet - ihr Ziel = Dialogzerstörung - Bsp.: Bernhard, Jelinek, Handke („Publikumsbeschimpfung“) - im Gg.satz zum klass. Drama führen diese Monologe zu keiner Entscheidung - sondern: sie lassen sich kaum an einzelne, prägnante Situationen zurück binden; sind mettheatralisch nicht in Raum- u. Zeitverhältnisse d. Bühne einzugliedern; sind psychologisch nicht beschreibbar ; formalisierte Sprechakte (mit strengen, formalen Regeln, sehr redundant) - musikalische Struktur dieser Monologe (siedeln sich zwischen Rhetorik und Musik an) - i.d. Musik verbindet die Tirade zwei auseinander liegende Noten (ja?) bürgerliche Ästhetik setzt auf Ökonomie des Maßhaltens, nichts darf zuviel sein Tirade widerstrebt dieser Ästhetik, da sie sich i.d. Länge zieht Tiraden sind Formen der Ornamentierung; Zwischenräume werden ausgefüllt Zitat Bernhard: „Die -> Welt entsteht i.d. Zerstörung Welt schon bei Gryphius Negativbilder der Welt entsteht im Hinhauen“ im Barock: Stultizia-Schelte (richtig geschrieben?) = Beschimpfung der Dummheit Stultizia-Schelte ist auch i.d. Tirade am Werk Tiradensprecher = Misanthropen Misanthropen: ertragen kein Gegenüber Topos vom finsteren Ort, von dem das Tiradensprechen ausgeht finstere Orte: optimierte Einsamkeit u. Dunkelheit (v.a. bei Bernhard) typ. f. Tiraden: Misanthropen zählen alle Dinge, mit denen sie nichts mehr zu tun haben wollen, auf UND dokumentieren / belegen diese Umstände bis ins kleinste Detail Ferdinand RAIMUND: Der Alpenkönig und der Menschenfeind hier ist Rappelkopf d. Misanthrop Misanthropie wird im „Alpenkönig“ als etwas dargestellt, das behandelt werden muss Rappelkopf wird durch Menschen und Geister erzogen; zuvor spart er aber nicht mit Tiraden, Schluss: Rappelkopf kehrt als gebesserter Mensch zurück i.d. Lit. d. Moderne kehrt d. Menschenfeind nicht mehr i.d. Welt zurück, sondern bleibt i.d. Einsamkeit vgl. dazu Karl KRAUS: Figur des Nörglers aus den „Letzten Tagen der Menschheit“ Tirade bei Kraus: Grundform des Schreibens; bei ihm ist die Tirade die publizistische Form par excellence nach 1945 -> krausianische Position verstärkt sich Peter HANDKE: Publikumsbeschimpfung Misanthropie quasi schon im Titel; totale Vernichtung des Zuschauers durch sprachliche Mittel 13.5.: Thomas Bernhard: Der Ignorant und der Wahnsinnige / Die Macht der Gewohnheit Der Ignorant und der Wahnsinnige charakteristische Struktur: backstage-Drama Zuschauer bekommen das Geschehen auf der Rück- und auf der Vorderseite der Bühne mit (ja?) Bernhard greift backstage-Dramenform oft auf Merkmal dieser Dramenform: Gleichzeitigkeit, Simultanität beide Stücke („Ignorant“ u. „Macht“) führen i.d. Maschinenraum d. Kunst – man gewinnt Einblick i.d. Kunstproduktion; geht um d. Verfertigung v. Kunstmaschinen (oder so ähnlich …) Theater, Schauspieler und Sänger quasi mechanische Werke, d. Kunst produzieren, sind quasi auch Kunstmaschinen „Ignorant“ = Misanthropen, Monomanen, die sich in d. für Bernhard typ. Rede (lange Monologe, Tiraden) artikulieren bei Bernhard: immer WH-Prozesse; Situationen / Dinge passieren nie zum 1. Mal, sondern sind immer schon passiert z.B. Zahl 22 bei B. v. gr. Bedeutung (z.B. ist es im Stück die 222. WH der Zauberflöte) Direktor lässt sich über Kunst u. Oper aus; gibt seinem Vater (stimmt das so?) Grundkurs in Sezierkunde – passiert in Form v. Tiraden, Direktor spricht Lehrbuchmäßig zu seinem Vater enge Montage v. Kunstangelegenheiten u. anatomischen Abgelegenheiten im Nachlass v. Bernhard befanden sich Pathologie-Skripten (darin detailgenaue Anweisungen f. Leichenobduktionen) = Textgrundlagen f. diese anatomischen Passagen; B. hat diese konsequent abgeschrieben = Montage typ. Bernhard’sche Szenen: Ankleide- od. Auskleideszenen; Kleider werden rhythmisch an- oder ausgezogen = Investiturszenen (ja?) Königin d. Nacht: tritt in letzter Minute auf, spricht in kurzen Halbsätzen Königin d. Nacht: i.d. Opernwelt weltbekannte Koloraturrolle hier changiert d. Figur d. Königin zwischen Sprechen u. Singen -> beides ist formelhaft und erlernt Koloratur: ähnlich wie Tirade, Musikalität, d.d. Inhalt i.d. Hintergrund rückt Königin beherrscht auch „3. Tonspur“: sie kann spricht, singt UND hustet -> husten = Realisierung einer Form v. unbeseeltem Klang -> dadurch soll Konstruktion eines Kunstkörpers, einer Kunstmaschine dargestellt werden Königin wird als Koloraturmaschine bezeichnet Verhältnis d. Königin zu ihren männl. Familienmitgliedern: ist ihnen regelrecht ausgeliefert 1) Vater: Alkoholiker; klassische Parodie auf bürgerl. Kultur, da im Bürgertum Gedanke d. Dionysischen -> im Rauschzustand sollte Kunst v. selbst i.d. Kopf d. Künstlers kommen 2) Arzt: Rationalist, Anatom; geht alles v.d. nawi’schaftlichen Seite aus an B. d. Romantik verpflichtet -> Situation im Stück: geisterhafter, intellektueller Führer / Herrscher, der d. weibl. Figur zu einer himmlischen Fig. heranzieht = klass. romant. Kunstmythos -> Frauen leben Kunstphantasien ihrer Mentoren vgl. auch „Phantom der Oper“ – gleiche Situation! oder E.T.A. Hoffmann W.A. Mozart: Die Zauberflöte Mozart komponierte diese Oper i.d. 90er Jahren d. 17. Jhd., Koloraturen damals schon denunziert Königin der Nacht schon darin durch Künstlichkeit charakterisiert ; sie stellt Probleme d. Menschen nicht i.d. biologische Konzeption (?) Gesicht weiß geschminkt: i.d. Ikonographie d. 19. Jhd.: weißes Gesicht ist jenes, aus dem alles Leben entschwunden ist -> Künstlichkeit Jacques Offenbach: Hoffmanns Erzählungen Einakter, widmet sich d. Puppe Olimpia (aus Hoffmanns „Der Sandmann“) Coppola und Spalanzani konstruieren Olimpia = weiblicher Automat, d. Nathanael verführen soll i.d. Oper: Puppe Olimpia ist Automat und Sängern, in erster Linie: Koloratursängerin Koloratur bei Offenbach: Olimpia trägt 2/3 d. Arie perfekt vor, danach hört ihr inneres Werk auf, richtig zu funktionieren Olimpia steht für mechanische Kunstpraxis gekennzeichnet durch Kälte und Künstlichkeit 2. Episode in Hoffmanns Erzählungen bezieht sich auf „Rat Krespel“ (richtig geschrieben?) v. Hoffmann geht um Schicksal d. Sängerin Antonia, deren Mutter an Schwindsucht stirbt gr. Szene d. Sängerin, deren wunderbarer Gesang durch den Tod beendet wird Rat Krespel wird v. Hoffmann als jemand beschrieben, der wissen möchte, was im Innenleben seiner Instrumente vorgeht bei Bernhard: verrückter Arzt möchte ins Innere d. Stimmmaschinerie eintreten -> Umspringen von Kunst u. Anatomie, v. singen und sezieren Bernhard eindeutig v. Offenbach inspieriert! Bedeutung der „Zauberflöte“ für Bernhard? für B. das dramatische Modell par excellence lt. B. sei darin alles enthalten, was er f.d. Theater benötige Zauberflöte = Basismodell österr. Dramaturgie gibt räumliche Koordinaten vor, Raumbeherrschung, Raumökonomie ZF endet mit Sieg d. Priesterfürsten, Königin d. Nacht wird samt Gefolge i.d. Abgrund geworfen in B.’s „Ignorant“: am Ende dringt Finsternis auf Bühne ein; innere Finsternis d. Fig. übernimmt Macht auf d. Bühne Finsternis - Erfahrung absoluter Negativität - kosmische Finsternis f. Bernhard eine Form v. Produktionsbedingung - alles wird i.d. Finsternis deutlich - Finsternis = umgekehrte weiße Seite 1972: Uraufführung v. „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ Bernhard forderte f.d. Schluss des Stückes absolute Finsternis im Theater auch alle Sicherheitszeichen sollten abgeschaltet werden -> Stück konnte nur einmal aufgeführt werden, danach zog es Bernhard zurück Die Macht der Gewohnheit Künstlichkeit hier ins Artifizielle gesteigert; Manifestation totaler Künstlichkeit musikal. Kompositionsstrukturen dominieren kein linearer Handlungsverlauf geht um Verarbeitung v. themat. Material in versch. Durchgängen -> d. Inhaltliche d. Kunst wird immer stärker desemantisiert Grundmuster: Wiederholung; Moment der Spannung nicht im Zentrum ist backstage-Drama auf der einen Seite steht die Zirkusführung, auf der anderen die musikalische Probe (= das, was d. Publikum mitbekommt) Menschen werden durch Instrumente ersetzt; Zirkusartisten sind sozusagen Instrument im Schubert’schen Streichquartett Modell der Probe u.d. Übung wird aufgerufen Artisten üben d. Stück schon seit 22 Jahren (-> durch diese Zahl wird der Wiederholungscharakter wieder hervorgehoben) klassische Musik wird zu bestimmten Körperübungen parallel geschalten (Musik-)Probe(n) durch Körperübung überlagert -> 2 Taktmuster werden überlagert Oppositionen werden durch bloßen Aufruf 2er opponierender Begriffe transportiert Zusammenhang: Zirkusaufführung – musikalische Probe - Opposition v. Kunst u. Artistik wird hervorgehoben monomaner Zirkusdirektor (Peitschen, Psychofolter … = faschist. Herrscher) gewinnt im Hinblick auf Hitler gr. Bedeutung Stück spielt in München – hier hatte Hitler i.d. 20er Jahren gr. Auftritte in Zirkuszelten Zirkusdirektor nach Hitler modelliert historische Konstellation Literatur Liebrand, Claudia: Obduktionen. In: Bernhard und die Medien. Hrsg. v. Franziska Schössler. Würzburg, 2002. Koestenbaum: Die Königin der Nacht, 1996. 19.5.: Die Wiederholung: Vor dem Ruhestand / Heldenplatz Bernhard: Hauptbestand der bernhardschen Figuren sind auf bestimmte Art und Weise verkrüppelt Backstage - Dramen „Macht der Gewohnheit“: Probe fand gleichzeitig mit Zirkusaufführung statt -> Vorderseite wird von der Hinterseite bedroht Tierkunst (das Wilde) und Kunstpraxis müssen miteinander in Beziehung gesetzt werden vgl. Handke „Casper“: hier geht am Schluss die gesellschaftliche Ordnung verloren (letzter Satz: Ziegen und Affen, Ziegen und Affen) -> Tiere stehen also im Hintergrund der Sprache: animalische Bedrohung der Sprache durch das Tierische bei Bernhard meint mensch, in einer Wiederholungsschleife zu hängen – in diesem Zusammenhang ist die bernhardsche Zahlensymbolik wichtig (Zahlen: 22, 222) -> omnipräsentes WH-Schema wird auf das alte, aristotelische Modell hinaufprojiziert; das immer Gleiche und das Ereignishafte werden aufeinander bezogen Wiederholungen deuten auf Musikalität des Werkes hin Musik: operiert mit Strukturen und Motiven Desemantisierung ist in Bernhards Werk nach zu verfolgen „Vor dem Ruhestand“ (1977) geht um Familie, die jedes Jahr den Geburtstag von Heinrich Himmler feiert -> Wiederholungs-Tat, rituelle Fortsetzung des NS-Regimes „Heldenplatz“ (1988) Uraufführung 1988, politisches Stück, geht um verdrängte NS-Vergangenheit, ist eine Art Kapitulationsurkunde der österreichischen Bewusstseinssplittung, Aufarbeitung der NS-Geschichte Bernhards Stücke setzten jene Tradition fort, die mit 1900 benannt werden können (Gorki, Schnitzler) – Rückkehr in die bürgerliche Welt der Salons, „spätrealistisch“ großbürgerliche, jüdische Familie, verlässt den Schauplatz der Täterfamilie, statt dessen wird österreichischen Juden auf der Bühne das Wort verliehen Titel „Heldenplatz“: topographischer Begriff; Heldenplatz = Ort des Anschlusses, Gedächtnisort der österreichischen Gesellschaft, also ein vorbelasteter Ort Plätze: historische Leerstellen in Städten, symbolträchtig, Platz als Öffnung der Stadt HELDENPLATZ 1920: erste große Parade der Bundeswehr in Wien 1934: vor der Hofburg trauern 150 000 Leute um den ermordeten Engelbert Dollfuß 1938: Hitler-Einmarsch Heldenplatz hatte seit jeher eine wechselhafte Geschichte; verschiede politische Gruppierungen versuchten, diesen Platz für sich zu gewinnen, was jedoch erst Hitler gelang, erst der Hitler-Einmarsch gibt dem fragmentarischen Heldenplatz seine Form, dadurch bekommt der Platz politisch und symbolisch eine geschlossene Form Josef NADLER NS-Germanist in Wien, Hitler habe mit der Annexion das von einer Frau in Angriff genommene Werk vollendet und einem Platz seinen Sinn verliehen; das Weibliche (die Maria Theresien – Statue) und das Männliche (Hitler auf der anderen Seite des Platzes stehend) vereint Heldenplatz = Symbol für österreichische Mittäterschaft Ernst JANDL: wien heldenplatz (1966) verwendet ganz massiv die Technik der Sprachverschiebung, deutlich erkennbare Sexualisierung des Vokabulars – dadurch wird die Triebpolitik des Faschismus zum Vorschein gebracht „Heldenplatz“ – Inhalt Jubiläumsstück zum Gedenktag des 50 Jährigen Einmarsches von Hitler in Auflösung befindliche großbürgerliche Wohnung direkt neben dem Heldenplatz spielt in einem Nebenraum Jude Prof. Schuster hat sich aus seiner Wohnung gestürzt Stück spielt nach dessen Begräbnis -> Texte sind Teil eines Totenrituals / Erinnerungsrituals (Rituale = etwas, das wiederholt wird) Frage nach dem Gedenken / Gedächtnis dadurch aufgeworfen = auch eine Art von backstage -Situation dramatisches Spiel = Spiel, das Tote vergegenwärtigt (seit der Antike) Bernhard reizt Beziehung zwischen Trauergerüst und Theatergerüst aus Schusters-Suizid ist auch eine Wiederholung, denn: 1938 hatte sich sein Bruder bereits aus dem Fenster gestürzt -> doppelte Wiederholung: 50 Jahre nach Hitlereinmarsch und 50 Jahre nach dem Suizid des Bruders rituelle Ausformulierung des Ein- und Auskleidens die „Basics“ / Grundsituation erfährt mensch von der Dienstbotenperspektive Schuster: großer Tyrann und Patriarch hat sich aus Fenster gestürzt und Leerstelle hinterlassen, andere zeichnen sein Bild –> der Verstorbene erweist sich als Monoman Frau Schuster hat akustische Halluzinationen, hört immer die 1938 am Heldenplatz schreienden Personen; hatte ihren Mann oft gebeten die Wohnung aufzugeben, er wollte aber nicht, denn dies hieße, dass Hitler ihn zum 2. Mal aus seiner Wohnung vertrieben hätte musikalische Durchführung durchgeführt) des Themas (wird immer wieder abgewandelt Schuster hat Wahl zwischen Oxford (Ort der Emigration) und Wien (Ort der Vergangenheit, des Nat.soz.) findet nach dem Krieg nicht mehr in die Wr. Gesellschaft zurück Bernhard greift zu der von ihm oft gebrauchten Bruderfiktion; das ermöglicht ihm die Totalität des Monolog Bruder ermöglicht Verdoppelung und Verspiegelung es handelt sich dabei aber nicht um Kommunikation, sondern um eie „folie à deux“ – Figuren spielen ihre Tiraden gegeneinander aus Schuster-Brüder: werden im strengen Gegensatz ausformuliert, stehen in Opposition zueinander der eine: Philo-Prof. (GeWi) der andere: Mathe-Prof. (NaWi) bei Bernhard werden zuerst immer starke Gegensätze aufgebaut, die später eliminiert werden zeitgenöss. Österreich damals durch Waldheim-Affäre ins Zwielicht geraten Aktualität wird hergestellt „Heldenplatz“ wurde als Kriegserklärung Bernhards ab Österr. verstanden Bernhard als Nestbeschmutzer bezeichnet, Stück löste bei Uraufführung Skandal aus immer selbe Gleichsetzung: Österreicher = Nazis, Gleichsetzung verleihen den Texten ihre Radikalität Essensszene: vertrautes Szenario bei Bernhard (hier: Begräbnisritual) Geschrei, Lärm der Heldenplatz-Menge bricht jetzt für alle hörbar auf d. Bühne ein Einbruch eines realen Geräusches auf d. Szene Fr. Schuster stirbt – Heldenplatz verlangt 1988 (50 Jahre danach) nochmals ein letztes Opfer Komplexes Gewebe von WH-Riten und WH-Zeremonien C. KLUTH: pleonastische Struktur der Tirade -> = das Füllen der Tirade mit Material, das bereits vorgeführt wurde Wiederholungen geben dem Stück seine Struktur, gegben dem Ganzen die Möglichkeit, ein ästhetisches Gebilde zu werden; die Entwicklung der Rede baut auf WH auf WH nicht nur rhetor. Mittel der Strukturierung, sondern Neurotisierung (-> Freud), das Zeitkontinuum wird dabei in traumatisch erlebte Erfahrungen überlagert Bernhard-Dramen eröffnen im Normalfall nicht, was das Dramatische / Traumatische Element im Leben der Figur gewesen ist in Heldenplatz werden Ursachen aber deutlich / klar berichtet hier stehen alle Wiederholungen mit traumat. Datum 1938 in Verbindung 1938 = eindeutig als traumatisierendes Ereignis dechiffrierbar aber: indirekte Kritik an Freud und die Macht des Unbewussten Geschichte wird bei Bernhard als zyklische Katastrophe erfahren, aus der es kein entrinnen gibt und zwar in der literarischen Darstellungsform der Wiederholung Lärm von 1938 = auch backstage-Struktur in einem bisher bei Bernhard nicht bekanntem Ausmaß Lärm = amorph gewordener Lärm der Heldenplatz-Masse Akkustik / Ohr ist jenes menschliche Organ, das für Traumatisierungen am empfindlichsten und empfänglichsten ist Literatur: Johann Sonnleitner: Heldenplatz und die Folgen 2.6.: Elfriede Jelinek: Clara S. / da war ich in Sachen ÖH-Wahlkampf unterwegs aber auch , weil wir gewonnen haben 9.6.: Elfriede Jelinek: Stecken, Stab und Stangl (1995) Prozess der Radikalisierung der Dramaturgie H. Thiess-Lehmann würde sagen: postdramatisch -> Reibung(sfläche) mit klassische Dramenmodell Verfahren der Vergrößerung und Verkleinerung führen zur Auflösung Verabschiedung der protagonistischen Figur bei Jelinek Sprachflächen entdifferenzieren die Rede führt zu Gleichförmigkeit Jelinek 1990: „Ich möchte seicht sein“ (im Interview) Werk und Person Jelineks verwerfen Räumlichkeiten, Plastizität und Tiefe versperren sich gegen Tiefe des Raums und Tiefe des Sinns alles ist durch Flachheit der Bildschirms bedingt Figuren werden gewaltsam flach gemacht (v.d. Autorin „überfahren“), damit sie so flach sind, wie sie die Gesellschaft gerade braucht Figuren anonymisiert / entpersonalisiert; z.B. Einer, egal wer was gesprochen wird, kennt keinen subjektiven Ursprung Dimension des Persönlichen wird der Figur entzogen Rede = die Rede Mehrerer Aussagen pluralisiert und in intertextuelle Bezüge eingebettet R. Barthes: Tod des Autors Jelinek: stellt Verbindung zwischen „Ich spreche“ und „Ich bin tot“ her unmöglicher Satz „Ich bin tot“ = Satz von Komödienhelden; Satz von Slapstick- und Comicfiguren, die nicht tot zu kriegen sind in Komödien: Figuren glauben oft sie wären tot, wachen wieder auf = Scheintot Jelineks Figuren funktionieren nach dieser Comic-Logik Tod = Entdifferenzierung und nicht Individuation an Stelle des Einzelnen tritt Plural unbestimmter Sprecher Figuren werden immer stärker entdifferenziert späteres dramatisches Werk Jelineks meint mit „Tote“ die Opfer des Holocausts J. beschwört gr. Zahl von Toten herauf (6 Mio. Juden im 2. WK) Gegenwart bei J.: schmaler, klaustrophobischer Ort, der von allen Seiten von Toten bedrängt wird Druck auf Gegenwart wird durch Verdrängung (von Historischem) noch größer; Gegenwart will nichts von Toten wissen Paradigma des Todes bei J. durch Holocaust besetzt; J. wendet sich in letzten Jahren aber auch anderen Kriegen zu: - „Sportstück“ -> Bosnien - „Bambiland“ -> Irak - „Babel“ -> Folgen des Irak-Krieges (Irak-Krieg II) in „Krankheit oder Moderne Frauen“: Unterwanderung der Lebenskraft durch das auf die Bühne bringen von Vampirismus (vgl. H. Müller: „Hamletmaschine“ – darin Universität der Toten) = postmortales Theater! J. gegen Forderung der Mimesis (aristotelische Poetik!); will Effekte des Lebens auf der Bühne ausschalten „Sinn egal. Körper zwecklos.“ - statt übersichtlicher Figurkonfiguration Bild einer Verkeilung, Schauspieler werden „aufeinandergeworfen“ - als Fetzen imaginierte Rede = Leichenreste - Mikado-Stäbchen entsprechen Leichenberge mit „Tot-sein“ immer auch Entwertung verbunden gerader, aufrechter Gang auf J.-Bühne nicht selbstverständlich Vertikalität wird von Horizontalität Fleisch bei Jelinek - keine lebende Materie mehr - Schauspieler = Fleisch = unbedeutende Materie - Körper der Schauspieler streben nach unten - körperlicher Status der Schauspieler: sie sind Fleisch! - Körper der Akteure nicht als Ganzes, sondern als Zerstückeltes anzusehen - „Frisch sein“, „Tot sein“ – oft miteinander kombiniert - Stücke spielen bevorzugt an Orten, wo (Fleisch) gekühlt werden kann# Stecken, Stab und Stangl (1995) Anfangssituation: klinisch sauberer Supermarkt Stück bezieht sich auf Ermordung von 4 Roma in Oberwart 1995 dieses Ereignis ist allgegenwärtig aber: wie bei vielen Traumata wird es nicht artikuliert, obwohl es anwesend ist sondern im Medium von toter Rede angesprochen (?) Verkommenheit der österr. Presse soll aufgezeigt werden lt. Jelinek: Medien f. dieses Attentat mitverantwortlich / Mittäter Form: Ineinander v. Tagespresse und Lit. (= Montage) Stück über faschist. Kontinuitäten in Österr. (vgl. „Heldenplatz“ v. Bernhard) Zeitungszitate: Mittel, d. Leugnung österr. Mittäterschaft zu demonstrieren Form: Talkshow 1995: f. Jel. Ermordung der Roma schwärzester Tag i.d. Geschichte d. 2. Republik markiert / demonstriert Fortbestand faschist. Gedankengutes in Öster. Jel. konnte im Stück nachweisen, dass Medien im Zusammenhang mit Attentat stehen Medien entwickelten Leugnungsstrategien, wie auch bei Frage d. Mittäterschaft – Oberwart u. Auschwitz riefen selbst Leugnungsstrategien auf den Plan Gerücht kolportiert: Attentat nicht aus rechtsradikalem Hintergrund, sondern von rivalisierenden, verbrecherischen Roma begangen Titel: „phallische Überdosis“ - Stecken u. Stab: kommt im AT vor (Psalm 23, David) Stecken und Stab besitzen dort Schutzfunktion Stab: Staberl: berüchtigter Kolumnist d. „Kronenzeitung“, d. a.d. Verschärfung des xenophoben Klimas in Ö. gr. Anteil hatte gab d. „gesunden Volksempfinden“ Ausdruck, indem er Holocaust verharmloste u. rassist. Gedankengut verbreitete Jel. zitiert fast ausschließlich aus Staberls Kolumne im Stück wird Staberl durch Fleischer verkörpert = allegor. Funktion Staberl schwingt Stammtischreden, d. sich intellektuellen Anschein geben - Staberl:auch Hanswurstfigur aus Possendichtung v. Anton Bäuerle (?) Rückbezug Jel.’s auf d. Wr. Volkstheater bei Jel.: Staberl entspricht Kasperl / Hanswurst als Kollaborateur d. NSDiktatur - Stangl: authentische Figur Franz STANGL: Kommandant des KZ Treblinka J. zitiert auch aus Erinnerungen dieses KZ-Kommandanten (Daniela Bartens hat diese Zitate nachgewiesen) - im Stück heißt heißt jeder Mann „Stab“ besitzen also alle Form v. „phallischer Waffe“ u. verhalten sich auch dementsprechend Parallele zum Anfang d. „Klavierspielerin“: sie bekommt zu Beginn einen Stab i.d. Hd., um sich damit durchzusetzen „Sinn egal. Körper zwecklos“: Schauspieler sind wie Mikado-Stäbe Leichenberge werden evoziert in „Stecken, Stab ...“ wird das in Realität umgewandelt Leichen d. 4 Roma sind angeordnet wie Mikado-Stäbe poetologische Überlegung Jel.’s aus „Sinn egal …“ wurde in Oberwart Realität Stab: Figuren haben Häkelnadeln i.d. Hd. – hüllen alles durch / mit Häkeldeckchen ein; auch i.d. Fleischtheke wird Fleisch durch weiche Materie überdeckt -> Stäbchenhäkeln am Ende ist Handarbeitslandschaft entstanden Häkeln: organisierende Metapher des Vergessens der Vergangenheit alles, was an NS Täter u. Opfer erinnern könnte, soll in Häkeldeckchen eingehüllt werden Jel. (in Interview): „Die Decke über unserer Geschichte wird aureißen“ Häkeln: manische Herstellung eines textuellen Textils flechten, weben, häkeln waren schon immer Textmetaphern S. FREUD Frauen häkeln, flechten etc., um das ihnen Fehlende zu substituieren hier: um d. männlich dominierte Sprache / Schrift für sich zu gewinnen durch Häkeln wird Individualität d. Figuren aufgehoben, stellt Verbindung unter / zwischen einzelnen Fig. her häkeln sich aneinander übertragen: texten sich aneinander Literatur: Bartsch (Hg.): Avantgarde und Traditionalismus. Innsbruck, 2000. 9.6.: Neue Volksstücke? Bauer: Magic Afternoon / Turrini: Rozznjagd / Streeruwitz: Ocean Drive Streeruwitz: Ocean Drive Marlens Streeruwitz – E. Jelinek: Parallelen im Werk: radikale Dramatik Streeruwitz will (wie Jel.) Patriarchat auf der Bühne stürzen; Theater soll als patriarchale Organisation entlarvt Str. schreibt über Geschlechterbeziehungen in der bürgerlichen Welt spielt stark mit trad. Theatermodellen pointierte Dialoge, die Kommunikationsunfähigkeit der Figuren zeigen Bernhard und Jelinek: langgezogenen Tiraden bei Str.: Dramaturgie der Verkürzung künstliche Fragmentierung d. Sätze (beginnen, werden sofort wieder durch Punkte unterbrochen) Sätze aber nur scheinbar Fragmente, nur scheinbar elliptische Sprache Scheinfragmente laden dazu ein, diese avantgardistisch zertrümmerten Sätze zu vervollständigen Sprache mit avantgardistischer Maske Figuren reden in stereotypen Wendungen Bühnengeschehen v. revueartigen Zwischenspielen unterbrochen -> dadurch entsteht Plot, der randvoll von Ereignissen ist (Ereignisfülle: Mord, Komplotte); Plots durch revueartige Einschübe verzerrt und verfremdet surreale, allegorische Elemente auch Zitate dienen der Entfremdung (-> „Verfremdung“ = Brecht’scher Begriff) Ziaten- u. Genrepool bei Str. sehr umfangreich -> ges. Formenrepertoire d. Weltlit. auch Str. verarbeitet gemeine Hetze d. Medienbetriebes Ocean Drive (1994) Nähe zu Motiven v. Jel. „Clara S.“ Schauplatz: Alpen -> Trivialmythos (v. Jel. geprägter Begriff?!, jedenfalls schreibt Jel. „Trivialmüten“ Alpen = Hauptziel d. krit. Österr. Heimatlit. = geschichtsferne Literaturkulisse, geschichtsbeschädigtem Volk der Österr. wird im Heimatfilm Natur vorgespielt (Klischeebild der heilen Welt) Alpen werden als falsches, künstliches Paradies entlarvt Selbstverklärung der Österr. als Naturvolk in den Heimatfilmen Kritik am Motiv des Gipfelsturmes ->Phallus-Symbolik (auch bei Clara S. – sie erstürmt einen Gipfel) bei Str. „oben“ und „unten“ sind invertiert (Wegschilder) Höhe ist quasi heruntergekommen i.d. österr. Dramatik nach 1945: Topos des heruntergekommenen Schauplatzes Berge: von Kultur und Industrie in Beschlag genommen, also v.d. kapitalist. Gesellschaft) Geld ermöglicht, dass der gekaufte Berg auf keiner Landkarte eingezeichnet ist -> die Reichen können also auch topographische Karten eigentumspolitisch fälschen und manipulieren Unzugänglichkeitsmetapher: Raum (hier: der Berg) darf nicht betreten werden vermeintliche Exklusivität des Schauplatzes ist aber eine Täuschung, da der Schauplatz (Berg) immer v. irgendwelchen Personen aufgesucht wird (Touristen, Mafia-Boss, ...) Mafia-Boss spricht in Versen, obwohl die Rede der anderen Figuren in Prosa -> typ. Oxymoron (Verbindung v. Gegensätzen) durch das Eindringen anderer Menschen (Touris etc.) wird die kapitalistische und biopolitische Ordnung gestört, durch viele Hanswurst-artige Figuren Jeti: wird als Hofmannsthalsche Figur eingeführt (?), rekurriert auf die Hoffmannsthalsche Figur des Schwierigen (= Ikone der österr. Dramatik) an dieser Stelle wird auch Becketts Figur Potzo (?) aus „Warten auf Godot“ eingeführt -> das Monster / der Wilde (Jeti) und die überzivilisierte Figur (Potzo ?) werden zusammen gebracht Schauspielerin und ihr Biograph werden Liebespaar, im Endeffekt wird ihre Beziehung aber doch zerstört -> sie tötet ihn (oder sticht sie ihm „nur“ ein Auge aus?), weil sie sein patriarchal stereotypes Verhalten nicht ertragen kann Str. setzt den Akzent auf die Geschlechterbeziehung, diese muss klar gemacht werden Dialoge zwischen Frauen und Männern werden konsequent zerstört Str. will die i.d. kapitalist. Gesellschaft geltenden / gängigen Regeln innerhalb der Geschlechterbeziehungen darstellen Zitate: Str. erklärt alle; sie entschlüsselt sie und bietet sogar Lesehilfen an, zerstört d. Geheimnis des „Zitatenursprungs“ (vgl. Jelinek: entschlüsselt ihre Zitate nicht, sondern sagt nur, dass sie welche verwendet – z.B. letzter Absatz in „Stecken, Stab und Stangl“) Stück = Antivolksstück; wendet sich gg. dramat. Genres, die das Leben des Volkes verklärend auf d. Bühne brachten Volksstücke: ab Ende 19. Jhd., z.B. Ludwig Anzengruber darin wird behauptet, dass es ein einheitliches Volk gibt; differenzieren nicht zwischen sozialeb Schichten, verschiedenen Bildungsgraden etc. viele Fernsehfilme (z.B: „Tatort“) schließen an das Volksstück an Ödön von Horvath denunziative Volksstücke Neues Volksstück: analysiert Gesellschaft macht das fruchtbar, was Wiener Gruppe und Peter Handke zur Verfügung gestellt hatte (Spachkritik) Diagnose: es gibt kein einheitliches Volk, sondern aggressives Kleinbürgertum (Elias Canetti: Volk hat sich in faschistischer Hetzmasse verwandelt) Horvath arbeitet v.a. mit d. Sprache (falsche, verlogene Sprache des Kleinbürgertums) denunziatorisches Volksstück: differenzieren nicht so klar zwischen Gut und Böse z.B. Jelinek: schneidet Gefühlsverbindung zwischen Figuren und Publikum ab -> „Gefühlskälte“ im neuen österr. Volksstück zeigt Aggression gg. Sündenböcke auf, trägt zur Reflexion der Vergangenheit bei Helmut Qualtinger: Der Herr Karl (1961) studiert österr. Mitläufer „Homo Austriacus“ hinter der Maske des gemütlichen Wieners kommt der Faschist zum Vorschein = denunziatorisches Volksstück zeigt Fortbestand faschistischer Gedanken auf Peter Turrini Leben / Gewalt im Dorf verliert Maske d. Zivilisation; das Unterdrückte kommt in rituellen Handlungen (meistens: Abschlachtungen) zum Vorschein dialektale Sprache des Neuen Volksstückes: der Dialekt des Volkes wird der Unschuld entzogen Dialekt = Medium, um verborgene Gewalt zum Vorschein zu bringen Neues Volksstück: künstliche und korrupte Sprache wird auf der Bühne gesprochen nützt Sprachkritik, die die avantgardistische Theorie Theorie in Zusammenarbeit mit Wittgenstein entwickelt hatte Rozznjogd (19??) Paar hat Rendez-Vous auf Müllhalde Müllhalde: heruntergekommener Schauplatz, Abfall der Zivilisation, Ort, an dem sich niemand aufhalten möchte -> abgewirtschaftetes Theater „vanitas“-Motiv des Barocks taucht wieder auf (stimmt das so?) als das Paar nackt, ohne Körperzeichen der Zivilisation auf der Müllhalde steht, werden sie von Rattenjäger, die sie mit Ratten verwechseln, erschossen Schauschlachten (1972) Tötung und Verzehr eines Bauernsohnes, der nicht sprechen, sondern nur grunzen kann „Am Anfang war das Grunzen“ herabgekommene Sprache -> Schweinesprache Wolfgang Bauer: Magic Afternoon authentische Einblicke in das Leben jener, die sich in den 60er Jahren aus / von der elterlichen Bourgeoisie losrissen Künstlerkommunen nicht als ersehnter Ort der Freiheit, sondern Ort der Identitätslosigkeit dargestellt Monotonie / Langeweile auf die Bühne gebracht, Monotonie wird aber durch „coup de théâtre“ (meistens Morde) unterbrochen Ausbruch in die Anarchie führt zuerst in die Monotonie J.P. Sartre: schreibt im Rahmen von typ. existenzialistischen Szenarien -> Menschen in klaustrophobischen Räume, erst i.d. Abgeschlossenheit erkannt man, was es bedeutet, Mensch zu sein Grazer Bohème -> autobiographischer Erfahrungswert auch in Rebellen reproduzieren sich kapitalistische Verhaltensmuster utop. Wohn- und Lebensgemeinschaften werden unterwandert „Magic Afternoon“: Studie im Bohème-Milieu Paar immr noch in Abhängigkeit der Eltern, Bedingungen der Freiheit fragwürdig -> Paar geht nachmittags körperlich immer aufeinander los dadurch auf der Bühne: Dialoge durch Aktionistisches abgelöst Aktionen werden stumm durchgeführt Aktionismus: = Gewaltspiel der Körper es geht um ein Durchbrechen sprachlicher Vormacht durch Spielen von Gewalt auf der Bühne wird Joint geraucht -> durch die Wirkungen der Droge kippt die Sprache ins Experimentelle um (lautmalerisch: vgl. Konrad Bayer: „Kaspar am elektrischen Stuhl“) i.d. experimentellen Dramaturgie spielt Polizei, staatliche Ordnungsgewalt immer eine gr. Rolle, ein Einschreiten der staatl. Ordnungsmacht wird immer erwartet konsequente Auflösung des Dialogs -> Sprache konkret in einzelne Elemente zerlegt 23.6.: Werner Schwab: Die Präsidentinnen 31.6.: Postdramatik – Noch einmal: Handke: Das Spiel vom Fragen oder die Reise ins sonore Land