CRM und Marketing: Kundenorientierung und Beziehungsmanagement Integriert statt isoliert auf dem Weg zu dialogischen Beziehungsmustern In der heutigen Geschäftswelt ist der Kunde längst kein unbekanntes Wesen mehr und sich seiner Königsrolle durchaus bewusst. Emanzipierte und gut informierte Kunden erwarten von Unternehmen Kundenservice auf hohem Niveau. Vor dem Hintergrund gesättigter Märkte gilt es um so mehr, stabile und langfristige Kundenbeziehungen zu etablieren. In diesem Zusammenhang vollzieht das Marketing einen immer stärkeren Wandel in Richtung Beziehungsmanagement. Und das Management von Beziehungen ist Kernaufgabe von CRM-Systemen. Autor: Tanja Hossfeld, Manager PR & Corporate Communication EMEA bei Infor Von der Produkt- zur Kundenorientierung Doch das war nicht immer so. In den 80er Jahren setzten Unternehmen ihren Fokus auf die Entwicklung standardisierter Produkte für eine möglichst große Zahl an Kunden. Erst in den 90er Jahren hielt das Thema Kundennähe und Kundenzufriedenheit Einzug in die Unternehmenswelt. Diese Verschiebung in Richtung einer konsequenten Kundenorientierung setzt voraus, dass sich sämtliche marktrelevanten Unternehmensaktivitäten an den Kundenbedürfnissen ausrichten. Maßgeschneiderte Produkte und Services statt Angebote von der „Stange“ ist hierbei die Grundmaxime auf dem Weg zur Kundenzufriedenheit, die ein zentrales Indiz für die Qualität von Leistungen ist. Kundenzufriedenheit für sich genommen reicht jedoch nicht aus, vielmehr muss es darum gehen, langfristige, belastbare und profitable Beziehungen zu attraktiven Kundengruppen zu etablieren. Die Wechselwirkungen zwischen Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und langfristiger Profitabilitätssteigerung ist unbestritten, auch wenn eine hohe Kundenzufriedenheit noch nicht unmittelbar in eine erhöhte Kundenbindung münden muss. Technologiegestützte Kunden- und Bedarfsanalyse Welche Bedeutung kommt einem IT-gestützten Customer Relationship Management System beim Aufbau und der Pflege individueller Kundenbeziehungen nun eigentlich zu? Ein modernes CRMSystem unterstützt Unternehmen dabei, die Segmentierung und Bewertung von Kunden vorzunehmen und auf dieser Basis eine entsprechende Handlungsanleitung zu liefern. Das heißt, wer zählt zu meinen profitablen Kunden, wer sind meine unrentablen Kunden und wie gestalte ich die Beziehung profitabler oder aber beende diese gegebenenfalls, wenn keine mittelfristigen Wachstumspotenziale erkennbar sind. Sind diese Kundengruppen identifiziert, geht es darum, ihre Prozesse zu analysieren und abzubilden: Welche Bedürfnisse hat ein Kunde in welcher Phase des Kaufprozesses? Auf Basis dieser Informationen können Marketing- und Vertriebs-Maßnahmen dann gezielt ausgerichtet und umgesetzt werden. Eine individualisierte und interaktive Ausgestaltung der Kundenbeziehung erfolgt segmentspezifisch über verschiedene Kontakt- und Zugangspunkte, so genannte Multi-Channel Touchpoints (Web, Call-Center, Retail-Outlets, etc.), die in der Kundenbeziehung einen kontinuierlichen Dialog gewährleisten. Im Idealfall ist ein Unternehmen dann darüber informiert, in welcher Phase des Beziehungs-Lebenszyklus sich der Kunde aktuell befindet und kann auf Basis dieser Informationen individuelle Angebote für die neu entstandene Bedürfnissituation entwickeln. Moderne CRM-Lösungen tragen demnach dazu bei, zentrale Aspekte einer konsequenten Kundenorientierung zu standardisieren und zu verstärken. Allerdings lässt sich Customer Relationship Management nicht einfach überstülpen. Customer Relationship Management ist ein zentraler markt- und kundenorientierter Ansatz, da er Unternehmens- und Kundeninteressen vereint und damit für mehr Kundennutzen und Profitabilität im Unternehmen steht. Um diese Effekte ausschöpfen zu können, muss CRM als integrierter Prozess verankert sein, der es ermöglicht, langfristige und profitable Geschäftsbeziehungen zu initiieren, zu pflegen und zu erhalten. Allerdings bedarf es dazu zunächst der Entwicklung einer adäquaten CRM−Strategie, die sich anschließend erfolgreich in die Praxis umsetzen lässt. CRM zeigt seine volle Wirkung erst dann, wenn es als unternehmensweites Konzept verstanden wird und in sämtliche Geschäftsbereiche integriert ist. Dies bedeutet, die CRM−Strategie in der Marketing−Strategie und in entsprechenden Marketing−Maßnahmen zu verankern. Erst dann lassen sich erfolgreiche Verkaufsgelegenheiten sowie Cross- und Up-Selling Maßnahmen identifizieren und durchführen. So können beispielsweise Kundenbeschwerden besser bearbeitet und Serviceleistungen kundengerecht offeriert werden. Entscheidend ist letztlich, das CRM über ein bloßes Lippenbekenntnis hinaus unternehmensweit gelebt werden muss. Es ist sicherlich wenig produktiv, Mitarbeitern kommentarlos per Anordnung vorzuschreiben, ab sofort alle relevanten Kundeninformationen in ein neues CRM-System einzupflegen. Marketing-Produktivität signifikant steigern Moderne CRM-Anwendungen stehen für die konsequente Weiterentwicklung des Marketingkonzepts durch die Integration kundenzentrierter Daten, Technologien und Informationsprozesse. Auch an dieser Stelle sind beziehungsintensive Informationsprozesse die entscheidende Vorbedingung für einen gewinnbringenden Effekt der Software-Investitionen. Ein Unternehmen, das seine Prozesse auf kurze Antwortzeiten und offene Anlaufstellen für Kunden ausrichtet und seine internen Funktionsbereiche sinnstiftend abgestimmt hat, kann durch CRMSoftware Kundenzufriedenheit und -bindung steigern. Sind die Informationsprozesse nicht kundenzentrisch angelegt, wirkt Technologie nur bedingt. Es ist jedoch klar erkennbar, dass CRMTechnologien den bewährten Marketinglehren in Kombination mit adäquaten Marketingkonzepten neue Schubkraft verleiht. Auch andere Technologieanbieter sehen CRM-Technologie als tragende Säule, die im Rahmen einer umfassenden Unternehmensstrategie seine Wirkung zeigt. Ein klassisches Beispiel für die Vielseitigkeit von modernen CRM-Applikationen verdeutlicht etwa das Infor Projekt bei Essilor. Der börsennotierte Spezialist für die Herstellung von Brillengläsern beschäftigt weltweit mehr als 24.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet an seinen weltweit 18 Produktionsstätten und 161 Labors einen Jahresumsatz von 2,4 Milliarden Euro. Den lukrativsten Vertriebskanal für Essilor bildet hierbei das Geschäft mit unabhängigen Augenoptikern. Diese sahen sich jedoch einem zunehmenden Konkurrenzdruck durch große Optikerketten ausgesetzt, der schnell zum Verlust von Marktanteilen führte. Infolgedessen traten sie an Essilor und andere Anbieter heran, um entsprechend günstigere Einkaufskonditionen zu verhandeln. Essilor begegnete dem mit der Entwicklung einer CRM-Strategie, die die Konkurrenzfähigkeit der unabhängigen Augenoptiker und damit gleichermaßen den Erhalt des für Essilor immens wichtigen Vertriebskanals sichern helfen sollte. Die CRM-Software bildet hierbei die Basis für ein innovatives B-2-B-C-Loyalitätsprogramm, das Kunden, unabhängige Optiker und Essilor eng miteinander verzahnt. Das Programm gibt rund 100 Optikern eine Reihe von Werkzeugen wie etwa professionellen Support, technische Trainings, Produkt-Promotionen und Marketing-Ressourcen an die Hand, um ihre Beziehungen zu Kunden zu festigen und Cross- und Up-SellingMöglichkeiten konsequent zu nutzen. Auf B-2-B Ebene konnten die unabhängigen Optiker ihren Marktanteil mittels des umgesetzten CRM-Programms von 29,9 auf 38 Prozent steigern. Der durchschnittliche Umsatz pro Optiker wuchs um 14 Prozent. Im B-2-C Segment konnte Essilor dank der Customer Loyalty-Initiative seine Markenbekanntheit von 69 auf 74 Prozentpunkte verbessern und die Kundenbasis seit Start des Programms um sage und schreibe 100 Prozent ausbauen. Zudem wuchs der Customer Lifetime Value um 28 Prozent und die gemessene Kundenzufriedenheit ist mit 8,5 (Skala von 1 bis 10) auf einem hervorragenden Wert. Das Beispiel macht klar, dass es ein mühsames und wenig sinnvolles Unterfangen ist, Marketing ohne CRM betreiben zu wollen. Erst ein CRM-System schließt den Kreis zwischen Marketingkampagne und der entsprechenden Wirkungsanalyse. Nur wer sämtliche Kundenreaktionen über alle Kommunikationskanäle hinweg erfasst, ist auch in der Lage, einen wirklich konsistenten Marketing-Kreislauf zu realisieren, der die Kundenbeziehungen optimieren und die Umsatzpotenziale ausschöpfen hilft. Individuelle Anforderungen erfordern geschäftsspezifische Lösungen Der CRM-Markt stellt sich äußerst inhomogen dar. Vor allem den nationalen und branchenspezifischen Anforderungen an CRM-Lösungen kommt eine enorme Bedeutung zu. Die Geschäftsprozesse, die ein CRM-System im Konsumgüter-Bereich abbilden muss, sind logischerweise andere als in der Investitionsgüterindustrie. CRM-Hersteller, die eine breite Palette an dedizierten Branchenlösungen bereitstellen und deren CRM-Systeme von vornherein vertikal zugeschnitten sind, können sehr viel leichter den individuellen Anforderungen von Unternehmen gerecht werden und die Geschäftsprozesse ihrer Kunden optimal in ihrem CRM-System abbilden. Während im Banken- oder Telekommunikationsumfeld Millionen von namentlich bekannten Kunden mit Services über alle zur Verfügung stehenden Kanäle bedient werden müssen, um den durchschnittlichen Umsatz pro Kopf zu steigern und die Wechselwilligkeit der Kunden zu reduzieren, wendet sich der Einzelhandel vorwiegend an eine Masse von unbekannten Kunden. Hier geht es eher darum, die Kundenerfahrung mit dem Anbieter zu personalisieren und gezielte Promotion-Aktionen für Premiumkunden zu fahren. Ganz anders wiederum in der Fertigung: Geschäftskunden mit sehr komplexen Aufträgen erwarten, dass ihre Bestellungen fehlerfrei aufgenommen und durchgeführt werden. Eine branchenspezifische CRM-Lösung kann hier ihre Vorzüge ausspielen, etwa den Field Service zu optimieren und den Prozess vom Lead bis zum Vertragsabschluss zu straffen. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass der Einsatz von CRM-Systemen als Insellösung verschenktem Potenzial gleichkommt. Die Integration respektive Anbindung an Enterprise Ressource Planning Systeme oder Groupware-Lösungen kann – vorausgesetzt, das gewonnene Datenmaterial wird mittels Business Intelligence in einen logischen Kontext gebracht – weitere wichtige Informationen bereitstellen, die den Marketing- und Vertriebsabteilungen eine Steilvorlage für das effektive Management der Kunden- und Lieferantenbeziehungen liefern. Ein kleines fiktives Szenario soll dies verdeutlichen. Die Mobility AG, Anbieter von MobilfunkDevices, startet die Markteinführung eines neuen Mobiltelefons und beauftragt den Zulieferer Handystyle GmbH mit der Fertigung der entsprechenden Microprozessoren. Der Abverkauf gestaltet sich äußerst erfolgreich, bis es seitens des Zulieferers plötzlich zu enormen Produktionsengpässen kommt. Während die Kommunikationsmaßnahmen der Marketingabteilung über sämtliche Kontakt- und Zugangspunkte noch auf Hochtouren laufen, gibt es bereits die ersten Lieferverzögerungen. Und im angebundenen Call-Center treffen wenig später die ersten Beschwerden verärgerter Kunden ein, die auf die Lieferung des erworbenen Produkts nun schon seit über zwei Wochen warten. Die angegebene Lieferzeit war hingegen mit drei bis fünf Werktagen veranschlagt. Das größte Ärgernis: Die Mitarbeiter des angeschlossenen Call-Centers trafft die Beschwerdewelle völlig unvorbereitet, so dass eine adäquate Reaktion mit entsprechenden Marketingmaßnahmen auf die neu entstandene Situation im KundenbeziehungsLebenszyklus unmöglich war. Die geschilderte Krisensituation hätte sich durch die oben beschriebene Verknüpfung zum ERP-System sicher vermeiden lassen. Kontinuierlicher Kundendialog als Differenzierungsmerkmal Kunden werden zusehends anspruchsvoller und erwarten von Unternehmen, mit denen sie in einen Kaufprozess eintreten, vertrauensvolles Handeln auf dem Weg zu einer gefestigten Kunden-/Anbieterbeziehung. Gleichzeitig ist jedoch ein Phänomen zu beobachten, das sich auf die Erosion der Markenbindung bezieht, die in erster Linie auf die Gleichrichtung beziehungsweise Vergleichbarkeit von Produkten und Services zurückzuführen ist. Dieser Prozess wird durch Vertriebs- und Marketingaktivitäten von Unternehmen über sämtliche Kundenzugangspunkte wie Internet, Call-Center, Direct-Mail, Werbung und Retail-Outlets noch zusätzlich verstärkt. Im Ergebnis fordert diese Entwicklung neue, innovative und kreative CRM-Ansätze auf dem Weg zu mehr Kundenvertrauen und der Steigerung des Kundennutzens. Dialogische Kommunikationsformen im Umgang mit Kunden waren dabei bisher immer die erfolgreichsten Mittel, diese Art von Kundenbeziehungen aufzubauen. Auf Basis neuer Prozesse und neu verfügbarer Technologien bietet sich Unternehmen die Möglichkeit, mit Kunden in einen über sämtliche Kontaktkanäle hinweg konsistenten und kontinuierlichen Dialog zu treten. Das erfordert auf Unternehmensseite allerdings auch, sich auf die Veränderung respektive die Notwendigkeit der Anpassung ihrer Prozesse einzulassen. Das ist ein – wenn nicht gar der einzige – Weg, eine Differenzierung in durch gleichartige Produkte und Services gekennzeichneten Märkten herbeizuführen und so einen Anstieg der Unternehmenserlöse zu realisieren. Integrative Grundausrichtung als Erfolgsfaktor Je mehr Kenntnisse Unternehmen über ihre Kunden besitzen und diese funktional strukturieren und systematisieren, desto zielgenauer können Marketing-Initiativen angestoßen und Vertriebsbeauftragte in die Lage versetzt werden, den kontinuierlichen Dialog mit Kunden zu etablieren und aufrecht zu erhalten. Diese grundsätzliche Marketing-Fokussierung von CRMSystemen dürfte in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Denn Marketingaktionen ohne die Integration der Mitarbeiter mit unmittelbarem Kundenkontakt bleiben oft wenig wirksam. Ein aussagefähiges Kampagnencontrolling ist nur möglich, wenn diese in entsprechende Marketingaktionen integriert sind.