Thema: Übersicht: Moderne Wissenschaftstheorie TMD: SCHOOL

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Übersicht: Moderne Wissenschaftstheorie
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Die Wissenschaftstheorie ist ein Teilgebiet der Philosophie,
die sich mit Fragen befasst wie „Was macht eine Wissenschaft zur Wissenschaft?“ oder „Kann es wissenschaftlichen Fortschritt geben und wenn ja, wie wird dieser vollzogen?“
•
Das Thema Wissenschaftstheorie ist Gegenstandsbereich
des Fachs Philosophie in der Oberstufe und daher in vielen
Bundesländern relevant für das Zentralabitur.
•
Das vorliegende Material stellt übersichtlich die wichtigsten
Positionen des vergangenen Jahrhunderts zusammen. Erläuterungen zentraler Begriffe, Biografien der wichtigsten
Philosophen sowie abschließende Fragen und Aufgabenstellungen helfen beim Verstehen.
•
Einleitung
•
Der „Wiener Kreis“
•
Karl Popper
•
Thomas Kuhn
•
Paul Feyerabend
•
Wilhelm Dilthey
•
Aufgabenstellungen
•
Lösungsvorschläge
•
Ca. 10 Seiten
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Wissenschaftstheorie
Das Nachdenken über die Wissenschaften, über ihre Verfahrensweisen, ihre Aufgaben und über den Gültigkeitsanspruch ihrer Aussagen ist beinahe so alt wie die Philosophie selbst und reicht bis ins antike Griechenland zu Aristoteles zurück.
Dennoch ist die Wissenschaftstheorie, die sich mit genau diesen Themen beschäftigt, als eigenständiges Teilgebiet der Philosophie noch sehr jung und entstand erst
zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Wissenschaftstheorie hinterfragt die Struktur und die Methoden der Wissenschaften, sowie die Bedingungen der Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis. Damit kann sie auch als eine Sonderform der Erkenntnistheorie angesehen werden. Sie beschäftigt sich eben mit einer speziellen Variante der Erkenntnis,
nämlich mit der wissenschaftlichen.
In diesem Zusammenhang interessieren sich die Denker der Wissenschaftstheorie
für die spezifischen Merkmale der einzelnen Wissenschaften. Sie stellen fragen wie:
Was macht eine Wissenschaft zur Wissenschaft? Welche Formen von Wissenschaften gibt es? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede weisen diese Wissenschaftsformen auf und auf welchen Wegen kommen sie zu ihren Ergebnissen,
Erkenntnissen und Aussagen? Wie sicher sind diese jeweiligen Wege und Aussagen
der einzelnen Wissenschaften? Kann es wissenschaftlichen Fortschritt geben und
wenn ja, wie wird dieser vollzogen?
Schon anhand der Bandbreite dieser Fragestellungen sieht man, wie viele Bereiche
die Wissenschaftstheorie umfasst.
Der Grund für all diese Fragen ist meistens der schlichte Zweifel daran, ob die Philosophie zu gesicherten Ergebnissen führen kann und damit zusammenhängend, ob
man sie überhaupt als Wissenschaft bezeichnen kann. Die größten Philosophen, wie
beispielsweise auch Kant, grübelten über diesem Dilemma, denn schließlich ist das
sichere Wissen seit Platon das Ziel einer jeden Wissenschaft. Die Ausgangsfrage ist
also, ob man eine Geisteswissenschaft, wie es die Philosophie ist, mit den Formalwissenschaften wie Logik und Mathematik und den empirischen Wissenschaften wie
den verschiedenen Naturwissenschaften auf eine Ebene stellen kann und in wie weit
das Wissen dieser einzelnen Wissenschaften als sicheres Wissen anzusehen ist.
Der „Wiener Kreis“
Mit dem Ziel, diese Problemstellung zu erforschen und Lösungen zu finden, entstand
Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts der so genannte „Wiener Kreis“.
Dies war eine Gruppe von Denkern, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, der Philosophie ihren spekulativen Charakter zu nehmen. Mit Hilfe der formalen Logik sollte
die Philosophie analysierbar und überprüfbar werden und somit auf die Ebene einer
empirischen Wissenschaft aufsteigen. Mit diesem Anliegen war der logische Empirismus geboren.
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Neben der von Hans Reichenbach gefundenen Bezeichnung „logischer Empirismus“ gehen auch die wichtigsten Inhalte dieser Strömung auf ihn sowie auf Rudolf
Carnap zurück. Das Problem, welches ihnen zufolge bestand, war, dass die traditionelle Philosophie keine objektiv nachvollziehbaren Aussagen liefern könne. Die Aussagen der Erfahrungswissenschaften sind immer überprüfbar und somit nachvollziehbar. Die Philosophie, insbesondere die Metaphysik, stellt dagegen nur eine Anhäufung von Vermutungen dar.
Um
diesem
Missstand
entgegenzuwirken, muss auch
LEXI BOX: logischer Empirismus
die Philosophie auf eine erauch „logischer Positivismus“ oder „Neopositifahrbare und somit nachvismus“ genannt
vollziehbare Ebene gebracht
Anfang des 20. Jh. in Deutschland und Österwerden. Die Grundlage jeder
reich entstanden
Wissenschaft
sind
BeoBeeinflusst durch die logischen und mathematischen Revolutionen um die Jahrhundertwenbachtungssätze. Mithilfe der
de 19./20. Jh.
Logik
lassen
sich
diese
Ziel: Begründung einer rein wissenschaftlichen
einzelnen Beobachtungssätze in
Philosophie ohne Rückgriff auf die spekulative
und unfundierte Metaphysik
eine Relation bringen oder es
Hauptvertreter waren vor allem: Rudolf Carkönnen aus ihnen neue Sätze
nap, Hans Reichenbach und Herbert Feigl
abgeleitet werden. Ein Satz, der
nicht auf Erfahrungen beruht
und auch nicht aus solchen Sätzen logisch abgeleitet ist, ist Carnap und Reichenbach zufolge vollkommen sinnlos. Für die Entscheidung darüber, ob eine Aussage
sinnvoll ist oder nicht, führen sie deshalb das Kriterium der Verifizierbarkeit ein. Nur
solche Aussagen, die verifizierbar sind, sind auch sinnvoll und gültig. Alle anderen
Aussagen, die dieses Kriterium nicht erfüllen können, sind sinnlos und können daher
verworfen werden, da sie keinerlei objektive Überzeugungskraft haben. Demzufolge
sind auch alle metaphysischen Aussagen sinnlos, denn es ist genau ihre Eigenschaft, nicht verifizierbar zu
sein. Bei den logischen AbLEXI BOX: Verifikation & Verifizierbarkeit
leitungen, aus denen neue
sinnvolle
Sätze
aufgestellt
Verifikation bedeutet übersetzt „Bestätigung“
(in unserem Zusammenhang die Bestätigung
werden
können,
ist
der
einer wissenschaftlichen Aussage)
Induktionsschluss
von
Aussagen gelten als bestätigt/verifiziert, wenn
besonderer Bedeutung. Das
die Prüfung der aus der These abgeleiteten
bedeutet, dass man vom
Implikation positiv ausfällt
Verifizierbarkeit entspricht also der VoraussetSpeziellen zum Allgemeinen
zung, dass aus der Theorie (oder These) empischließt. Aus Beobachtungen
risch überprüfbare Ableitungen erhoben werwerden Theorien abgeleitet.
den können
Karl Popper
Der österreichische Philosoph Karl Popper war allerdings ganz und gar nicht von der
Methode der Induktion überzeugt. Seiner Meinung nach konnte durch induktives
Schließen und das Kriterium der Verifizierbarkeit keinesfalls die Sinnhaftigkeit von
Sätzen festgestellt werden. Um wissenschaftlichen Fortschritt zu erlangen, müssen
nicht auf dem Wege der Induktion ständig neue Theorien aufgebaut werden. Es ist
Popper zufolge nicht notwendig, immer nur aus einzelnen Beobachtungen, auf komSCHOOL-SCOUT Œ Der persönliche Schulservice
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plexe theoretische Zusammenhänge zu schließen, ganz im Gegenteil. Wie eine Theorie zustande kommt, ist für die Wissenschaft und ihren Erfolg gar nicht wichtig. Viel
entscheidender ist die Frage, wie die Richtigkeit der angenommenen Thesen überprüft werden kann. Für Karl
LEXI BOX: Kritischer Rationalismus
Popper
müssen
wissenschaftliche
Theorien
KR ist die These der Fehlbarkeit (Falibilität)
einem ständigen Prozess einer
von Handlungen und Erkenntnissen
deduktiven
Überprüfung
Kernaussage des KR: Es kann nie eine sichere
unterzogen werden.1 Damit
Garantie für wissenschaftliche Befunde bzw.
Theorien geben
wurde er zum Begründer des
Konsensorientierte Position: Es gibt keine wahKritischen
Rationalismus.
ren und falschen Aussagen mehr, nur besser
Seine Methode lässt sich in 3
oder schlechter begründete und fundierte Aussagen
kurzen Schritten erklären:
-
Aussagen sind nur untereinander vergleichbar,
können jedoch nie an sich wahr oder falsch
sein
1. Aus der Theorie werden
deduktiv Hypothesen für einzelne Fälle abgeleitet
2. Diese Hypothesen werden empirisch überprüft
3. a) Die Hypothese hat sich im Kontext der Theorie als richtig erwiesen: Die
Theorie kann somit weiter aufrecht erhalten werden
b) Die Hypothese hat sich im Kontext der Theorie als falsch erwiesen: Die
Theorie kann in ihrer Formulierung so nicht aufrecht erhalten werden, sondern
muss abgeändert und angepasst, gegebenenfalls sogar verworfen und ersetzt
werden.
Aus diesen Überlegungen folgt aber auch, dass eine Theorie nie vollkommen wahr
sein kann. Sie ist immer nur vorLEXI BOX: Falsifikation & Falsifizierbarkeit
läufig wahr, nämlich so lange
bis
sie
irgendwann
in
Falsifikation bedeutet übersetzt „Widerlegung“
irgendeinem Experiment oder
Wissenschaftliche Aussagen gelten als widereiner bestimmten Anwendung
legt/falsifiziert, wenn die Prüfung der aus der
falsifiziert wird. Deswegen ist
These abgeleiteten Implikation negativ ausfällt
Falsifizierbarkeit entspricht somit ebenfalls,
auch die Verifizierbarkeit von
wie auch Verifizierbarkeit, der Voraussetzung,
Aussagen für Popper kein
dass aus der Theorie (oder These) empirisch
Argument
für
deren
überprüfbare Ableitungen erhoben werden
können
Sinnhaftigkeit. Auch verifizierte
ABER: Falsifikation beruht auf dem Prinzip der
Aussagen bedeuten nur, dass
Deduktion; Verifikation beruht auf dem Prinzip
die Theorie sich bis zum
der Induktion
heutigen Tag noch bewährt hat.
Daraus folgt: Die Falsifikation setzt immer die
Verifikation voraus, denn nur verifizierte AusSchon morgen kann die Theorie
sagen sind falsifizierbar.
sich als fehlerhaft entpuppen.
Der Induktionsschluss ist niemals vollständig
Deswegen ist für Popper die
(Es können nie alle Fälle beobachtet werden)
Die Deduktion hingegen ist eindeutig (ein einFalsifizierbarkeit die wichtigste
ziges Gegenbeispiel reicht aus)
Eigenschaft wissenschaftlicher
Aussagen und Theorien. Diese
1
Die Deduktion ist das Gegenteil der Induktion. Hier wird die allgemeine Theorie auf den Einzelfall angewandt.
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STECKBRIEF: Karl Raimund Popper
-
geb. am 28.07.1902 in Wien
1918: Nach Mittelschulabschluss beginnt Popper sein Studium als Gasthörer an der Uni Wien
Dabei besucht er Vorlesungen in
Physik und Mathe, wie auch in Philosophie und Psychologie
1928 promoviert Popper in Wien
1934: Poppers Hauptwerk Die Logik
der Forschung erscheint
1937 – 1945: Nach der Emigration
lehrt Popper an der Canterbury Universität in Neuseeland
1945: Popper veröffentlicht Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
1946: Umzug nach England
1949: Popper wird zum Professor für
Logik und wissenschaftliche Methodenlehre
1965: Karl R. Popper wird durch Königin Elizabeth II. für sein Lebenswerk zum Ritter geschlagen
1969: Emeritierung
Am 17.09.1994 stirbt Karl Popper
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Denkweise
beschreibt
also
den
wissenschaftlichen
Weg
einer
asymptotischen Annäherung an die
Wahrheit.
Salopp
könnte
man
wissenschaftlichen Fortschritt bei Karl
Popper mit den Worten beschreiben:
„Aus Fehlern lernt man“.
Auch wenn Karl Popper mit der
Falsifizierbarkeit
anstatt
der
Verifizierbarkeit ein anderes Maß anlegt,
so beschreibt er doch damit die gleiche
Grenzziehung, wie die Philosophen des
Wiener Kreises. Er versucht ein
Kriterium zu finden, durch welches eine
empirische Wissenschaft von der
spekulativen Metaphysik getrennt wird.
Im Gegensatz zu Carnap, Reichenbach
& Co. räumt er aber ein, dass es auch
durch Empirie nie zu einer absoluten
Sicherheit kommen kann. Jedoch gibt es
zumindest eine vorübergehend bewährte
Sicherheit,
anstelle
von
bloßen
Vermutungen in der Metaphysik. Und je mehr Fehler an einer Theorie aufgedeckt
und schließlich auch behoben werden, desto mehr nähert sich diese Theorie an die
Wahrheit an, auch wenn sie die vollkommene Wahrheit nie erreicht. Die Theorie wird
der vollkommenen Wahrheit damit immer „ähnlicher“.
-
Aber auch an Karl Poppers Methode der Falsifikation äußerten viele andere Wissenschaftstheoretiker Bedenken. Willard van Orman Quine stimmte Popper zwar dahingehend zu, dass Fehler dazu führen, dass eine Theorie oder ein wissenschaftliches System verbessert wird. Allerdings sei diese Verbesserung ein ganz automatischer Vorgang der auf die Vernetzung wissenschaftlicher Theorien untereinander
zurückzuführen ist und auf den Anspruch des Menschen, korrekte Theorien aufzustellen. Taucht irgendwo ein Fehler auf, wird dieser natürlich behoben. Und so
verbessern sich auch alle anderen Theorien, die mit der fehlerbehafteten in Verbindung stehen. Dazu brauch es jedoch keine spezifische Methode. Denn genau diese
ist angreifbar, wenn man nur gewillt ist, sie zu manipulieren. Wenn jemand will, dass
eine Theorie nicht falsifiziert wird, dann hat er genügend Möglichkeiten, dieses Ziel
zu erreichen. Durch geschickte, wenn auch teilweise absurde Argumente kann man
jede Aussage vor dem Urteil der Falsifikation bewahren. Beispielsweise kann man
häufig das Argument der Halluzination vorbringen, so Quine.
Thomas Kuhn
Auch Thomas S. Kuhn glaubt nicht an den wissenschaftlichen Fortschritt durch den
ständigen Versuch, Hypothesen einer Theorie zu falsifizieren. Sein Bild wissenschaftlicher Entwicklung ist durch einen Phasenverlauf gekennzeichnet. Ein wichtiger Begriff ist für Kuhn dabei das Paradigma. In der Phase der „normalen Wissenschaft“ folSCHOOL-SCOUT Œ Der persönliche Schulservice
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gen die Forscher und Wissenschaftler einem Paradigma, von dem sie glauben, dass
es so wie es ist, wahr ist und zu richtigen Ergebnissen führt. Diese Art des Forschens
steht im direkten Gegensatz zu
Poppers Ansicht. Nach Popper
LEXI BOX: Paradigma
würde kein Wissenschaftler der
Paradigma bedeutet ursprünglich so viel wie
Welt daran glauben, es gäbe
„Beispiel“
oder „Muster“
eine richtige Theorie und er
- Seit dem späten 18. Jh. Wird der Begriff auch
würde mit dieser Arbeiten. Er
zur Bezeichnung wissenschaftlicher Grundhalwürde eher an ihr arbeiten, um
tungen verwendet
ihre Fehler zu finden und sie zu
- Bei Kuhn wird er als „herrschende Lehrmeibeseitigen. Diese Fehler treten
nung“ verwendet
nach Kuhn jedoch nicht durch
akribische Suche, sondern im Laufe der Zeit von ganz allein auf, je vielfältiger die
Anwendungsgebiete eines bestimmten Paradigmas werden. Irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem das Paradigma nicht mehr tragfähig erscheint, da es jetzt andere Paradigmen gibt, die das jeweilige Problem besser, das heißt fehlerfreier erklären. Dies ist die Phase der „wissenschaftlichen Revolution“. Es findet ein Paradigmenwechsel statt und das alte Paradigma wird durch ein neues und besseres ersetzt. Nach dieser Revolution findet wissenschaftlicher Arbeit wieder wie gewohnt als
normale Wissenschaft statt.
Nach Kuhns Auffassung muss ein Paradigma jedoch wirklich erheblich erschüttert
werden, ehe der Wissenschaftler auf die Idee kommt, es auszuwechseln. Normalerweise behalten Wissenschaftler das
STECKBRIEF: Thomas Samuel Kuhn
Paradigma trotz auftretender Anomalien
bei. Und zwar so lange, bis ein neues
geb. am 18.07.1922 in Cincinnati
Paradigma den Platz des alten
Studierte Physik an der Harvard Unieinnehmen kann. Niemals jedoch
versity
An der Universität belegte er nebengeschieht
die
Ablehnung
eines
bei auch einige Kurse in Philosophie,
Paradigmas
nur
aus
der
Einsicht
eines
sowie in Literatur
Fehlers. Wissenschaftlicher Fortschritt
1943: Bachelorabschluss
Anschließend beteiligte sich Kuhn an
wird nicht begangen, indem man das
Forschungsprojekten zu Gegenmaßvorhandene Paradigma mit der realen
nahmen zum 2. WK
Welt vergleicht, wie es bei der Methode
Nach dem Krieg machte er seinen
der Falsifikation getan wird. Die
Masterabschluss und promovierte
1949
Wissenschaften entwickeln sich vielmehr
1956: Kuhn nimmt eine Stelle als
dann
weiter,
wenn
verschiedene
Hilfsprofessor für WissenschaftstheoParadigmen
miteinander
verglichen
werrie und Wissenschaftsgeschichte in
Berkeley an, die ihm später eine orden.
-
-
dentliche Professur einbrachte
In Berkeley schrieb er sein Hauptwerk Die Struktur wissenschaftlicher
Revolutionen
1964 – 1979: Anstellung an der Universität in Princeton
1979 – 1991: Anstellung in Massachusetts am Institute of Technology
1996 stirbt Thomas S. Kuhn an
Krebs
Paul Feyerabend
Noch einen anderen Blick auf die
wissenschaftliche Fortentwicklung beschreibt Paul Feyerabend. Seiner
Meinung nach ist das entscheidende
Merkmal einer neuen Theorie im
Vergleich zur alten, dass beide absolut
inkommensurabel sind. Das bedeutet,
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dass sie keinerlei Anhaltspunkte bieten, um untereinander verglichen zu werden. Sie
bieten keinen einheitlichen Maßstab an dem sie beide gemessen werden können.
Feyerabend sieht also keine Verbesserungen oder Ergänzungen bestehender Theorien, sondern immer gänzlich neue Ansichten über das jeweilige Problem, die untereinander nicht zu vergleichen sind.
Wilhelm Dilthey
Erinnern wir uns noch einmal an das fast schon aus den Augen verlorene, ursprüngliche Hauptanliegen der Wissenschaftstheoretiker. Der Art und Weise, wie sich Wissenschaft weiterentwickelt, ging die Überlegung voraus, wie sich fundierte Wissenschaften von nicht beweisbarer Metaphysik trennen lässt und wie die Geisteswissenschaften ein naturwissenschaftliches Antlitz erhalten können. Zu dieser Trennung
von Geistes- und Naturwissenschaft hatte sich auch schon der deutsche Philosoph
Wilhelm Dilthey viele Gedanken gemacht. Der Ausgangspunkt seiner Überlegung
ist die These, dass alle Geisteswissenschaften sich durch ihr gemeinsames, zentrales Thema kennzeichnen. Dieses Thema ist der Mensch selbst.
Wenn sich aber die Geisteswissenschaften um den Menschen kümmern, was ist
dann beispielsweise mit der Medizin? Ist
geb. am 19.11.1833 in Wiesbaden
diese
auch
Geisteswissenschaft?
Gymnasium in Wiesbaden (Abitur
Schließlich befasst sie sich auch mit
1852)
dem Menschen. Dilthey sah sehr
Studierte danach Theologie, Philosophie und Geschichte in Heidelberg
schnell, dass diese oberflächliche
und Berlin
Charakterisierung nicht ausreichte, eine
1864: Promotion über die Ethik
trennscharfe Grenze zwischen GeistesSchleiermachers und Habilitation üund Naturwissenschaften zu ziehen.
ber das moralische Bewusstsein
Nahm anschließend eine Stelle als
Zwar war die Art und Weise, wie sich
Privatdozent an der Uni Berlin an
Medizin
und
andere
1966 – 1972: Anstellungen in Basel,
naturwissenschaftliche Disziplinen auf
Kiel und Breslau als Professor
1882 – 1905 Lehrstuhlinhaber an der
der einen und Geisteswissenschaften
Uni Berlin
wie Literatur, Musik oder eben auch
1883 erscheint Einleitung in die GeisPhilosophie auf der anderen Seite mit
teswissenschaften
dem Menschen auseinandersetzten
1900 erscheint das Werk Logische
Untersuchungen von Edmund Husgrundverschieden, aber die Erfassung
serls, welches Dilthey dazu ermundes Objekts allein reicht nicht zur
tert einen zweiten Band der EinleiDifferenzierung. Das heißt das Kriterium
tung in die Geisteswissenschaft zu
verfassen.
zur Unterscheidung muss in der
1906 wird Diltheys Das Erlebnis und
Vorgehensweise
der
die Dichtung veröffentlicht
Wissenschaftsgruppen gesucht werden.
1911 erscheint der Sammelband
Während sich die Naturwissenschaften
Weltanschauung, Philosophie und
Religion
dem Mensch, wie allen anderen
Im selben Jahr stirbt Dilthey in Seis
Untersuchungsgegenständen, auf dem
an Dysenterie
Wege der Erkenntnis seiner schlichten
physischen Form und Zusammenhänge nähern, versuchen die Geisteswissenschaften in einem Verstehensprozess den Menschen vor dem inneren Auge, geistig, als
die Entität all seiner Eigenschaften und Wesenszüge nachzuzeichnen. Für Dilthey
verfolgen die Geisteswissenschaften das Ziel, den Menschen als geistiges Objekt zu
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verstehen; die Naturwissenschaften dagegen, bemühen sich den Menschen als physisches Objekt zu erkennen. Ihm gelingt somit die Abgrenzung von Natur- und Geisteswissenschaften durch die Beschreibung ihrer Verfahrensweise, Zielsetzung und
Gegenstandsbereiche: Erstere wollen Tatsachen erkennen durch die Betrachtung
der Natur. Letztere versuchen Zusammenhänge zu verstehen durch ein geistiges
Nacherleben fremder Existenzen.
Aufgaben
1. Erarbeiten Sie im Klassenverband ein Schaubild, welches mit wenigen
Stichworten die prägnanten Eckpunkte der im Text erläuterten wissenschaftstheoretischen Überlegungen darstellt.
2. Veranschaulichen Sie in einem Pfeildiagramm den Weg der wissenschaftlichen Entwicklung, wie ihn Kuhn beschreibt.
3. Machen Sie an einem Beispiel anschaulich, wie wissenschaftlicher Fortschritt nach Popper und nach Kuhn jeweils stattfindet. Das Beispiel kann
frei erfunden sein.
4. Bilden Sie 2 Gruppen. Eine soll die Position von Karl R. Popper, die andere die von Thomas S. Kuhn einnehmen. Erarbeiten sie so gemeinsam
Argumente pro und contra zu den beiden Positionen. Halten sie die Ergebnisse in einer tabellarischen Übersicht fest.
5. Stellen Sie die Eigenschaften von Natur- und Geisteswissenschaften
nach Dilthey in einer Tabelle gegenüber.
6. Teilen Sie sich in 5 etwa gleichstarke Gruppen auf. Teilen Sie jeweils einen der im Anschluss aufgeführten Begriffe einer Gruppe zu. Erarbeiten
Sie in der Gruppe eine Lexi-Box zu ihrem Begriff. Nutzen sie dazu Lexika
oder recherchieren Sie im Internet. (Metaphysik – Erkenntnistheorie –
Wiener Kreis – Modus Ponens – Positivismus)
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Lösungsvorschläge
1. Erarbeiten Sie im Klassenverband ein Schaubild, welches mit wenigen Stichworten die
prägnanten Eckpunkte der im Text erläuterten wissenschaftstheoretischen Überlegungen darstellt.
Beispiel:
2. Veranschaulichen Sie in einem Pfeildiagramm den Weg der wissenschaftlichen Entwicklung, wie ihn Kuhn beschreibt.
Beispiel:
3. Machen Sie an einem Beispiel anschaulich, wie wissenschaftlicher Fortschritt nach
Popper und nach Kuhn jeweils stattfindet. Das Beispiel kann frei erfunden sein.
Beispielthese: „Die Erde ist eine Scheibe“
a. Poppers Methode:
1. diverse Ableitungen finden, wie „Die Erde ist flach“, „Die
Sonne dreht sich um die Erde“, „Die Erde hat einen
Rand“, …
2. Die Ableitungen überprüfen:
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a. Als Beobachter auf der Erde scheint die Erde wirklich ziemlich flach Æ positiv
b. Als Beobachter auf der Erde scheint sich die Sonne tatsächlich um die Erde zu drehen Æ positiv
c. Als Beobachter auf der Erde kann ich die Erde umsegeln, sie kann also keinen Rand haben Ænegativ
3. Die neue These aufstellen: „Die Erde ist rund.“
Die Hypothese, die Sonne drehe sich um die Erde kann in späteren
Fortschrittsszenarien widerlegt werden, oder je nach Überprüfungsvariante auch direkt mit den anderen Hypothesen; das kommt auf die Herangehensweise und die Möglichkeiten der Überprüfung an.
b. Kuhns Methode:
1. Alle Wissenschaftler arbeiten auf der Grundlage der Beispielthese – sie folgen dem Paradigma
2. Über die Jahre kommt es dabei vermehrt zu Widersprüchen mit Forschungsergebnissen
3. An dem Punkt, an dem die Widersprüche so groß werden,
dass die These unhaltbar erscheint, beginnt der Prozess
der wissenschaftlichen Revolution, in der ein neues, passenderes Paradigma gefunden wird, das ohne Widersprüche auskommt.
4. Alle Wissenschaftler arbeiten anschließend weiter auf der
Grundlage des neuen Paradigmas
4. Bilden Sie 2 Gruppen. Eine soll die Position von Karl R. Popper, die andere die von
Thomas S. Kuhn einnehmen. Erarbeiten Sie so gemeinsam Argumente pro und contra
zu den beiden Positionen. Halten Sie die Ergebnisse in einer tabellarischen Übersicht
fest.
PRO POPPER / CONTRA KUHN
- Popper umgeht, bzw. zerstört das Induktionsproblem
- Der Paradigmenbegriff ist extrem vieldeutig;
Kuhn verwendet ihn selbst später nicht mehr, da
er ihm zu ungenau scheint
- Die Vorstellung sprunghafter wissenschaftlicher Revolutionen wie bei Kuhn scheint
irrational
...
PRO KUHN / CONTRA POPPER
- Kuhns Fortschritts-Theorie wirkt realitätsnaher,
als der ständig nach Falsifikation suchende Wissenschaftler bei Popper.
- Naturgesetzte sind überhaupt nicht falsifizierbar, liefern aber dennoch meist die Grundlage
einer jeden wissenschaftlichen Tätigkeit
- In der realen Forschung sucht man nicht nach
Möglichkeiten, Theorien auszuhebeln, sondern
nach Möglichkeiten, sie zu verbessern
...
5. Stellen Sie die Eigenschaften von Natur- und Geisteswissenschaften nach Dilthey in einer Tabelle gegenüber.
NATURWISSENSCHAFTEN
- beschäftigen sich mit der äußeren Natur
- untersuchen die physikalische Erscheinung
- sind auf Erkenntnisgewinn ausgerichtet
- betrachten die Formen der Natur
...
GEISTESWISSENSCHAFTEN
- beschäftigen sich mit dem geistigen Menschen
- untersuchen die geistigen Zusammenhänge
- zielen auf ein umfassendes Verständnis
- versuchen geistige Vorgänge nachzuempfinden
...
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