Diagnostik und Therapie Tumor- assoziierter venöser Thromboem

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Thrombose und Onkologie: Übersichtsarbeit
Diagnostik und Therapie Tumorassoziierter venöser Thromboembolien – was sagen die Leitlinien?
A. Matzdorff
Asklepios Klinik Uckermark, Innere Medizin II, Schwedt
Schlüsselwörter
Keywords
Krebs, venöse Thromboembolie, Leitlinien,
Tumor, Prophylaxe
Cancer, venous thromboembolism, guidelines, tumour, prophylaxis
Zusammenfassung
Summary
Tumorwachstum und Gerinnungsaktivierung
sind pathophysiologisch eng miteinander
verknüpft. Deshalb sind Tumor-assoziierte venöse Thromboembolien (VTE) häufig. Während stationär aufgenommene Tumorpatienten eine Thromboseprophylaxe erhalten wird
dies für ambulante Patienten in der Regel
nicht empfohlen. Wenn Tumorpatienten doch
eine VTE entwickeln, dann sollten sie mit einem NMH in therapeutischer Dosis für 3–6
Monate behandelt werden. Vitamin-KAntagonisten haben ein höheres Blutungsrisiko und für NOAKs gibt es noch keine ausreichenden Daten. Nicht nur Hämato-Onkologen, sondern alle Ärzte, die Tumorpatienten
betreuen, sollten mit den aktuellen Leitlinienempfehlungen vertraut sein. Auch die Patienten sollten über die Symptome einer VTE informiert sein.
Oncogenic transformation is closely linked to
coagulation activation and cancer-associated
venous thromboembolism (VTE) is a common
problem. Guidelines recommend thromboprophylaxis with a low molecular weight heparin for hospitalized cancer patients. However, thromboprophylaxis is not customarily
advised for ambulatory cancer patients.
Cancer patients with VTE are usually treated
with a low molecular weight heparin for 3–6
months. Vitamin K antagonists have a higher
bleeding risk and there are not sufficient
data to recommend any of the new oral anticoagulants. All physicians taking care of
cancer patients should be aware of the current guideline recommendations. Oncology
professionals should educate patients about
the signs of VTE.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. A. Matzdorff
Asklepios Klinik Uckermark, Innere Medizin II
Auguststr. 23, 16303 Schwedt
Tel. +49 (0)3332/53–4620, Fax –4629
E-Mail: [email protected]
Zitierweise des Beitrages/Cite as:
Diagnosis and therapy in cancer-associated
thromboembolism – what about guideline recommendations?
Phlebologie 2015; 44: 299–303
http://dx.doi.org/10.12687/phleb2288-6-2015
Eingereicht: 5. Oktober 2015
Angenommen: 12. Oktober 2015
English version available at:
www.phlebologieonline.de
In den letzten vier Jahren wurden über 30
Praxisleitlinien und Übersichtsarbeiten in
renommierten internationalen Fachzeitschriften zum Thema Tumor-assoziierter
venöser Thromboembolien (VTE) publiziert (pers. Zählung des Autors ohne An© Schattauer 2015
spruch auf Vollständigkeit). Die Wichtigsten
sind wohl die Empfehlungen der International Society on Thrombosis and Haemostasis
(ISTH), des National Comprehensive Cancer Networks (NCCN) und der American
Society of Clinical Oncology (ASCO) (1–4).
Was ist passiert? Woher kommt das große
Interesse an diesem Thema?
Zwischen 1990 und 2010 hat die Krebsprävalenz, d.h. die Zahl der Patienten, die
aktiv an Krebs erkrankt sind, um fast 50 %
zugenommen (5). Aktuell leben in
Deutschland 1,5 Mio. Menschen mit Krebs.
Ein wichtiger Grund liegt darin, dass selbst
bei metastasierter und dadurch in der Regel nicht mehr heilbarer Erkrankung die
Patienten heute 2–3-mal länger überleben
als noch vor 20 Jahren. Krebs ist zu einer
chronischen Erkrankung geworden. Dazu
kommen die zunehmende Lebenserwartung und der demografische Bevölkerungswandel. Mehr alte Menschen bedeutet automatisch einen Anstieg der Krebszahlen.
Ein anderer Grund für die zahlreichen
Leitlinien ist, dass Tumor-assoziierte VTE
sehr häufig sind. Tumorpatienten haben
ein sehr hohes Thromboserisiko, vergleichbar Patienten nach orthopädischen Operationen (6). Ohne Prophylaxe entwickeln ca.
8 % aller ambulanten und 20 % aller statio-
Abkürzungen (in alphabetischer Reihenfolge)
IMiD = immunomodulatory drug (thalidomide and analogues)
NMH = niedermolekulares Heparin
NOAK = Neues orales Antikoagulans oder
Nicht-Vitamin-K-antagonistisches
orales
Antikoagulans (z.B. Dabigatran, Apixaban,
Edoxaban, Rivaroxaban)
VKA = Vitamin-K-Antagonist (Phenprocoumon, Warfarin u.a.)
VTE = venöse Thromboembolie
Im Text werden die Begriffe Tumor und
Krebs synonym für solide Tumoren und hämatologische Neoplasien benutzt.
Phlebologie 6/2015
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A. Matzdorff: Diagnostik und Therapie Tumor-assoziierter venöser Thromboembolien – was sagen die Leitlinien?
när behandelten Tumorpatienten eine VTE
(7, 8). Tumorpatienten mit VTE haben
nicht nur die Beschwerden durch die VTE
zu fürchten. Zusätzlich muss häufig die Tumortherapie pausiert oder gar abgebrochen werden. Dies verschlechtert natürlich
die Prognose.
Warum sind VTE bei
Tumorpatienten so häufig?
Die Häufigkeit Tumor-assoziierter VTE ist
kein Zufall. Tumorwachstum und Gerinnungsaktivierung sind eng miteinander verknüpft. Tumoren aktivieren Gerinnungsfaktoren und umgekehrt fördert die aktivierte
Gerinnung das Wachstum und die Disseminierung der Tumorzellen. Diese Verknüpfung erfolgt auf verschiedensten Wegen, hier
die wichtigsten (Übersicht bei 11, 12):
• Tumorzellen exprimieren und sezernieren gerinnungsaktivierende Substanzen
(Tissue Factor, Cancer Procoagulant,
Mucin). Dies führt letztlich zur Bildung
von Thrombin. Thrombin ist wiederum
ein Wachstumsfaktor für Tumorzellen.
• Tumorzellen und Monozyten setzen
Zytokine frei, die das Endothel prothrombogen stimulieren, Adhäsionsrezeptoren hochregulieren und die Anheftung von Tumorzellen erleichtern.
• Tumoren induzieren eine Thrombozytose oder Leukozytose. Thrombozyten
fördern das Tumorwachstum. Leukozyten enthalten gerinnungsaktivierende
Substanzen. Thrombo- und Leukozytose sind etablierte Risikofaktoren für Tumor-assoziierte VTE (7).
Tab. 1
•
Nach Bestrahlung oder Chemotherapie
setzen die geschädigten Tumorzellen
Nukleinsäuren (DNA, RNA) frei. Studien zeigen, dass diese Nukleinsäuren die
Gerinnung aktivieren.
Strukturelle Risikofaktoren
für VTE
Auch die Behandlung eines Tumorpatienten
kann sein VTE-Risiko erhöhen. Dazu gehören Operationen, Immobilisation bei Komplikationen (Fieber, Blutungen), aber auch
Zytostatika und andere Medikamente, die
ein eigenes thrombogenes Potential tragen
(z.B. Hormone, Eryothropoetine, Übersicht
bei 13, 14). Diese Therapie-assoziierten Risikofaktoren sind in der Regel für den Arzt erkennbar. Er wird eine entsprechende
Thromboseprophylaxe initiieren. Weniger
offensichtlich und angehbar sind jedoch
Risikofaktoren, die in der Struktur des Gesundheitssystems und der Versorgung unserer Tumorpatienten liegen:
• Tumorpatienten leben heute viel länger
als noch vor 20 Jahren, selbst bei metastasierter Erkrankung. Damit verlängert
sich auch die Zeit, in der sie eine VTE
entwickeln können.
• Wenn Tumorpatienten heute länger
überleben, dann bekommt die Lebensqualität in dieser Zeit eine viel wichtigere Rolle. Tumorpatienten sind eher bereit, die Injektion eines Heparins zu akzeptieren, wenn die Zeit überschaubar
und begrenzt ist. Eine Dauertherapie bis
zum Lebensende, was durchaus mehrere Jahre sein können, wird weniger Zu-
NCCN (2)
•
Welche Diagnostik wird bei
Verdacht auf Tumor-assoziierte VTE empfohlen?
ASCO (3, 4)
Bei onkologischen Patienten können die
typischen Symptome einer VTE leicht als
tumorbedingt fehlinterpretiert und übersehen werden. Deshalb sollte man bei Tumorpatienten schon bei dem ersten Verdacht umgehend eine bildgebende Diagnostik veranlassen (▶ Abb. 1). Die Kompressionssonographie ist die Methode der
Wahl zum Nachweis einer Beinvenenthrombose. Bei Verdacht auf eine intraabdominelle Thrombosen wird man ein CT
oder MRT veranlassen. Bei Verdacht auf
eine Katheter-assoziierte venöse Thrombose sind Duplex-Sonographie und Venographie sinnvoll. Die Mehrschicht-Spiral-CTAngiographie ist das primäre Verfahren
zur Diagnose von Lungenembolien.
Prä-OP beginnen,
bis 4 Wochen nach Abdomen-/
Becken-OP
Prophylaxe
Tumor-assoziierter VTE
Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe.
ISTH (1)
•
stimmung finden. Compliance und Adhärenz sind zu wichtigen strukturellen
Risikofaktoren geworden.
Tumorpatienten werden heute in der
Regel ambulant behandelt. Deshalb erlebt der Patient seine VTE häufig im
häuslichen Umfeld. Er darf Diagnostik
und Therapie nicht unwissentlich verschleppen und muss über die Symptome und die notwendigen nächsten
Maßnahmen informiert sein.
Tumorpatienten erhalten heute regelmäßige Staging-CTs und MRTs. Dabei werden sog. inzidentelle VTEs entdeckt, die
asymptomatisch sind und ohne die Staging-Untersuchungen gar nicht aufgefallen wären. Aktuell wird empfohlen, diese
inzidentellen VTEs genauso zu antikoagulieren, wie symptomatische (15).
Prophylaxe bei Tumorpatienten mit Operation
Prä-OP beginnen,
bis 4 Wo. nach Abdomen OP,
NMH oder UFH, aber keine
Empfehlung für Fondaparinux
4 Wochen nach Abdomen-/Becken-OP
Prophylaxe bei Tumorpatienten ohne Operation
NMH, UFH, Fondaparinux
Stationär: alle Patienten mit
eingeschränkter Mobilität
Ambulant: erwägen bei Pankreas- oder Lungenkarzinom
Phlebologie 6/2015
NMH, UFH, Fondaparinux
Stationär: alle Patienten ohne
Kontraindikation
Ambulant: erwägen wenn
Khorana Score >3 (7).
NMH, UFH, Fondaparinux
Stationär: aktiver Tumor +
akute Erkrankung o. immobil
1. Ambulant: erwägen bei
Pankreas-Karzinom
Tumorpatienten haben ein hohes Risiko,
eine VTE zu entwickeln. In vielen Situationen ist deshalb eine Thromboseprophylaxe
indiziert (▶ Tab. 1). Die Leitlinien unterscheiden, ob es sich um operativ behandelte oder nicht-operative, um ambulante
oder stationäre Patienten handelt.
© Schattauer 2015
A. Matzdorff: Diagnostik und Therapie Tumor-assoziierter venöser Thromboembolien – was sagen die Leitlinien?
•
•
•
Stationär aufgenommenen Tumorpatienten, die operiert werden, sollten
wie Nicht-Tumorpatienten eine Thromboseprophylaxe für 7–10 Tage erhalten.
Bei Tumorpatienten mit chirurgischen
Eingriffen im Abdomen und Becken,
manche Leitlinien empfehlen dies auch
für Thorax-Operationen, sollte diese
Prophylaxe für bis zu vier Wochen postoperativ fortgeführt werden (16, 17).
Stationär aufgenommene Tumorpatienten, die nicht operiert werden,
sollten ebenfalls eine Thromboseprophylaxe erhalten, außer es handelt sich
nur um einen kurzen stationären Aufenthalt, z.B. für kleinere diagnostische
Eingriffe oder Chemotherapie-Infusionen. Im Gegensatz zu den operativ behandelten Tumorpatienten gibt es keine
Studie, die den Nutzen einer Thromboseprophylaxe bei stationären, nicht-operativen Tumorpatienten jemals geprüft
hat. Die Empfehlung beruht auf der Extrapolation der Ergebnisse großen Studien an allgemein-internistischen Patienten, unter denen natürlich auch Tumorpatienten waren (Übersicht bei 10).
Ambulante Tumorpatienten sollten in
der Regel keine Thromboseprophylaxe erhalten. Zwei große Studien haben in dieser
Situation zwar eine Reduktion symptomatischer VTE gezeigt, der Nutzen lag aber
im unteren einstelligen Prozentbereich
(18, 19). In folgenden Situationen wird jedoch auch bei ambulanten Patienten eine
Thromboseprophylaxe empfohlen:
– Patienten mit Multiplem Myelom,
die ein IMiD (Thalidomid, Revlimid
u.a.) plus Chemotherapie oder Dexamethason erhalten (starke Empfehlung),
– Patienten mit Pankreas- oder Bronchialkarzinom plus Chemotherapie
oder Patienten mit Khorana Score >3
(für Khorana Score siehe 7, das Für
und Wider einer Prophylaxe sollte mit
dem Patienten diskutiert und dann
individuell entschieden werden).
Tab. 2
Empfehlungen zur Therapie Tumor-assoziierter VTE.
ISTH (1)
NCCN (2)
ASCO (3, 4)
Initialbehandlung (erste 5–10 Tage)
NMH oder Fondaparinux besser NMH oder Fondaparinux oder
als UFH
UFH
NMH oder Fondaparinux,
besser als UFH
Sekundärprophylaxe (für 3–6 Monate)
NMH besser als VKA
NMH besser als VKA
NMH für mind. 6 Mo., besser
als VKA
Dauertherapie über 3–6 Monate hinaus
Individuelle Entscheidung unter Abwägung von Rethrombose- und Blutungsrisiko. Möglichst NMH,
diese Empfehlung ist aber nicht durch Studien belegt.
therapeutischer Dosis (▶ Tab. 2). Während
man bei Nicht-Tumorpatienten aber nach
5–10 Tagen auf einen Vitamin-K-Antagonisten oder ein NOAK umstellt, soll bei
Tumorpatienten das NMH für weitere 3–6
Monate als sog. Sekundärprophylaxe fortgeführt werden. Diese Empfehlung beruht
auf sechs Studien, die alle gezeigt haben,
dass NMH bei Tumorpatienten genauso
wirksam sind wie VKA, aber dass die Blutungsrate deutlich niedriger liegt. Fünf der
sechs Studien wurden in den 90er-Jahren
des letzten Jahrhunderts oder kurz nach
2000 initiiert (20–24). Die Behandlung von
Tumorpatienten hat sich seither stark verändert.
Es gibt mehr ältere Tumorpatienten, die
Patienten überleben selbst bei metastasierter Erkrankung viel länger, z.T. mehrere
Jahre und sie werden überwiegend ambulant behandelt. Die CATCH-Studie sollte
deshalb noch einmal prüfen, ob die Ergebnisse von damals auch in der heutigen Situation noch gelten (25). Das ist der Fall
und deshalb gilt auch weiterhin: alle Patienten mit tumorassoziierter VTE sollten
für 3–6 Monate ein NMH in therapeutischer Dosis erhalten.
Therapie der Tumorassoziierten VTE
Bei Tumor-assoziierter VTE empfehlen alle
Leitlinien die initiale Gabe eines NMH in
© Schattauer 2015
Abb. 1
Vorgehen bei niedrigem und hohem Wells-Score.
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302
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Dauerantikoagulation nach
3–6 Monaten
Bei Nicht-Tumorpatienten gibt es Daten,
die eine Fortsetzung der Antikoagulation
über 3–6 Monaten hinaus empfehlen (26,
27). Für Tumorpatienten ist dies nicht belegt. Sie haben zwar ein höheres Rethrombose-, aber auch ein höheres Blutungsrisiko. Ob man die Antikoagulation dauerhaft
fortsetzen möchte, ist deshalb immer eine
individuelle Entscheidung. Die kürzlich
publizierte DALTECAN-Studie (nicht randomisiert, Phase II) zeigt, dass eine langfristige Antikoagulation bei Tumorpatienten kein hohes Blutungsrisiko hat (28). Eine Leitlinienempfehlung wird jedoch noch
nicht ausgesprochen.
Zusammenfassung
•
•
•
•
Spezielle Situationen
VTE-Rezidiv unter Antikoagulation
Rezidiv-VTEs sind bei Tumorpatienten
nicht selten. Selbst unter optimalen Studienbedingungen, z.B. in der aktuellen
CATCH-Studie, entwickelten 2,7 % der Patienten unter Therapie mit NMH eine Rezidiv-VTE. Aktuell wird empfohlen, diesen
Patienten weiterhin ein NMH zu geben,
dabei allerdings die Dosis um 20–25 % zu
erhöhen (29, 30).
Thromboseprophylaxe und
Therapie bei ZNS-Tumoren und
-Metastasen
VTE sind eine häufige Komplikation bei
Patienten mit ZNS Tumoren oder ZNS Metastasen. Aktuelle Studien finden glücklicherweise keine Zunahme von ZNS-Einblutungen, wenn Patienten mit ZNS-Tumoren/-Metastasen therapeutisch antikoaguliert werden (31, 32).
NOAKs bei Tumorpatienten
Mehrere NOAKs (Akronym für Neue Orale
Antikoagulanzien oder Nicht-VitaminK-Antagonistische Orale Antikoagulanzien,
z.B. Dabigatran, Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) sind in den letzten Jahren zur
Thromboseprophylaxe und Therapie zugelassen worden. Alle können oral gegeben
werden und brauchen kein Labor-MonitoPhlebologie 6/2015
•
•
•
•
Alle Tumorpatienten mit aktiver Tumorerkrankung brauchen bei stationärer Betreuung im Krankenhaus eine Thromboseprophylaxe. Es gibt keine sichere Empfehlung für Patienten die für kleine Eingriffe oder kurze Chemotherapien stationär aufgenommen wurden.
Bei ambulanten Tumorpatienten wird eine routinemäßige Thromboseprophylaxe
nicht empfohlen. Eine ambulante
Thromboseprophylaxe sollte bei bestimmten Hochrisiko-Patienten aber erwogen werden.
Bei Tumorpatienten, die operiert werden, sollte eine Thromboseprophylaxe
erfolgen.
Bei Tumorpatienten mit großen viszeralchirurgischen Operationen (in einigen
Leitlinien auch bei thoraxchirurgischen
Eingriffen) soll eine Verlängerung der
postoperativen Prophylaxe bis zu 4 Wochen angeboten werden.
Im Falle einer Tumor-assoziierten VTE
sollte sowohl initial als auch langfristig,
d.h. für 3–6 Monate, mit einem NMH
behandelt werden. Eine längere Antikoagulation sollte bei persistierendem Risiko gegen das individuelle Blutungsrisiko abgewogen werden.
NOAKs können derzeit noch nicht für
die Prophylaxe oder Therapie der Tumorassoziierten VTE empfohlen werden.
Alle Patienten sollten über die Symptome einer VTE informiert sein und wissen, was sie dann unternehmen müssen.
Nicht nur Onkologen, sondern alle an
der Behandlung von Tumorpatienten beteiligten Ärzte sollten mit den aktuellen
Leitlinienempfehlungen zur Tumor-assoziierten VTE vertraut sein.
ring, was als vorteilhaft empfunden wird. Es
gibt jedoch gewichtige Gründe, die bei Tumorpatienten gegen NOAKs sprechen:
• Gerade die orale Anwendbarkeit der
NOAKs kann zum Problem werden (geringere Adhärence), wenn Tumorpatienten zahlreiche anderen oralen Medikamente einnehmen müssen (Tumorspezifische Wirkstoffe, Antiemetika,
etc.).
•
•
•
Nieren- und Leberfunktionsstörungen
sind bei Tumorpatienten häufig und
können die Wirksamkeit und Sicherheit
der NOAKs verändern (33, 34).
Es gibt zahlreiche Interaktionen zwischen tumorspezifischen Wirkstoffen
und NOAKs (35).
In allen bisherigen Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von NOAKs waren nur wenige Tumorpatienten eingeschlossen. Es gibt bisher keine speziellen
Studien nur mit Tumorpatienten.
Die Leitlinien empfehlen, zur Prophylaxe
oder Therapie Tumor-assoziierter VTEs
vorläufig noch auf NOAKs zu verzichten.
Interessenkonflikt
Als potenzielle Interessenkonflikte gibt der
Autor Folgendes an: Beratungstätigkeiten
bei AMGEN, GlaxoSmithKline, Baxter,
Leo Pharma, Boehringer Ingelheim. Besitz
von Geschäftsanteilen, Aktion oder Fonds
von Bayer, Roche; Referentenhonorare von
AMGEN, Aspen, BoehringerIngelheim,
Behring, Bristol-Myers Squibb, GlaxoSmithKline, Leo Pharma, Roche; Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen
von Leo Pharma; weitere finanzielle Zuwendungen (Reisekosten, etc.) von Aspen,
Bristol-Myers, Celgene, Chugai, GSK, Janssen, Leo Pharma, Lilly, MSD, Mundipharma, Nordic Pharma, Novartis, Pfizer, Roche, Sanofi.
Ethische Richtlinien
Für diese Arbeit wurden keine Studien an
Menschen oder Tieren durchgeführt.
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