Hinweise zur Logik Ergänzung zu den Übungen ‘Mathematische Grundlagen der Ökonomie’ am 22. Oktober 2009 Im folgenden soll an einige Grundsätze logisch korrekter Argumentation erinnert werden. Ihre Bedeutung beim Beweis mathematischer Aussagen sollte offensichtlich sein, grundsätzlich gelten die Regeln der Logik aber selbstverständlich bei jeder sachlichen Argumentation. In anderen Fächern wie Wirtschaft, Politik oder Philosophie werden Gedanken jedoch meist weniger mit Symbolen und mehr mit Worten formuliert, so dass die Verwendung der formalen Regeln möglicherweise weniger auffällt und die eindeutige Definition verwendeter Begriffe besondere Vorsicht erfordert. 1 Voraussetzung, Schluss, Behauptung Die deduktive Methode leitet ausgehend von als wahr erkannten Aussagen und getroffenen Annahmen durch logisches Schließen neue Aussagen ab. Voraussetzung =⇒ Behauptung 1.1 Voraussetzung Zuerst müssen also die Voraussetzungen, unter denen eine Behauptung gültig sein soll, klar und eindeutig formuliert sein. Deshalb ist es wichtig, dass alle verwendeten Begriffe eindeutig definiert sind. Eindeutige Definitionen festzulegen ist bei mathematischen Aussagen meist kein Problem. Sind Begriffe nicht eindeutig definiert, führt dies zwangsläufig zu Missverständnissen zwischen Diskussionsteilnehmern. In unsachlichen Diskussionen wird bisweilen sogar absichtlich versucht, vom Gegner verwendete Begriffe umzudeuten und ihm so Aussagen zu unterstellen, die so nicht beabsichtigt waren. Oder man möchte die eigene Position retten indem eine so nicht mehr haltbare Aussage nachträglich verändert wird. Mathematische Aussagen handeln davon, ob eine Aussage unter den gegebenen Voraussetzungen logisch gültig ist oder nicht (objektive Aussage), und nicht, ob etwas für gut oder schlecht befunden wird (normative Aussage). Deshalb hat die Frage, inwieweit durch Wahl von vorteilhaften 1 Hinweise zur Logik 2 oder nachteiligen Bezeichnungen die Ausgangsbedingungen einer Diskussion zu Gunsten einer Seite verschoben werden, eigentlich keine Bedeutung. Axiome heißen jene grundlegenden Voraussetzungen, von denen ausgehend die Theorie entwickelt wird. So lange sie in sich widerspruchsfrei sind, können aus ihnen durch logisches Schließen evtl. sehr weitreichende Aussagen abgeleitet werden. Wer die Axiome akzeptiert, kann sich dann auf die aus ihnen abgeleiteten Aussagen stützen und auf diesen weitere Schlüsse aufbauen. Wie nützlich eine Theorie ist, hängt natürlich davon ab, wie geeignet die Axiome sind. Dieses Vorgehen hat nichts mit dem Aufstellen bloßer Behauptungen zu tun: Es ist immer klar, was die Voraussetzungen sind und welche Schlüsse aus ihnen gezogen werden können. Man kann nicht zwei Aussagen gleichzeitig als wahr voraussetzen, die sich widersprechen. 1.1.1 Entweder wahr oder nicht wahr In der klassischen Logik ist eine Aussage entweder ‘wahr’ oder ‘nicht wahr’. ‘Nicht wahr’ heißt ‘falsch’. Solange eine Aussage unter den gegebenen Voraussetzungen weder bewiesen noch widerlegt ist, wissen wir nicht, ob sie wahr oder falsch ist und sie kann deshalb allenfalls als Vermutung gelten. Da es nur zwei sich ausschließende Möglichkeiten gibt, entspricht die doppelte Verneinung ‘nicht (nicht A)’ wieder der Aussage ‘A’ selbst. ‘A oder B’ bedeutet nicht, dass nur eine der beiden Aussagen wahr sein kann (‘entweder A oder B’), sondern schließt ‘A und B’ mit ein. Das Gegenteil von ‘A und B’ ist also ‘(nicht A) oder (nicht B)’. Also (‘De Morgan’) nicht ( A und B) nicht ( A oder B) entspricht entspricht (nicht A) oder (nicht B), (nicht A) und (nicht B). ‘Es existiert ein x mit Eigenschaft E’ bedeutet, dass mindestens ein solches x existiert. Das Gegenteil von ‘alle x haben Eigenschaft E’ ist also ‘es existiert ein x das die Eigenschaft E nicht aufweist’. 1.2 Implikation Welche Aussagen auseinander folgen wird symbolisch durch den Implikationspfeil =⇒ dargestellt. Hier sind einige sprachliche Varianten: • A =⇒ B • Aus A folgt B. • A impliziert B. • A ist hinreichend für B. Hinweise zur Logik 3 • Immer wenn A gilt, dann gilt auch B. (Aber wenn A nicht gilt, wird keine Aussage über B getroffen. D.h. auch wenn B gilt, kann A falsch sein.) • (Nicht B) =⇒ (nicht A). • B ⇐= A. • B ist notwendig für A. • Nur wenn B gilt, kann auch A gelten. (Aber Gültigkeit von B genügt nicht, um auf Gültigkeit von A zu schließen.) All diese Formulierungen sind gebräuchlich und drücken den gleichen logischen Sachverhalte aus: Die Möglichkeit, dass gleichzeitig A wahr und B falsch ist, wird ausgeschlossen. Implikationen sind transitiv: wenn sowohl A =⇒ B als auch B =⇒ C gelten, dann gilt auch A =⇒ C. 1.3 Äquivalenz Gilt die Implikation in beide Richtungen, haben wir eine Äquivalenz: • A ⇐⇒ B • Sowohl A =⇒ B als auch B =⇒ A. • A und B sind äquivalent. • A ist notwendig und hinreichen für B. • A gilt genau dann wenn B gilt. • (Nicht A) ⇐⇒ (nicht B). • Entweder sind die Aussagen A und B beide wahr oder beide sind falsch. • B ⇐⇒ A Transitivität überträgt sich von der Implikation auf die Äquivalenz, die Äquivalenz ist darüber hinaus symmetrisch. Bemerkung: Im Falle einer Äquivalenz gilt die Implikation in beide Richtungen. Schon das zeigt, dass bei einer Implikation keine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung unterstellt wird, sondern nur einen logischen Zusammenhang zwischen der Gültigkeit zweier Aussagen. Hinweise zur Logik 4 2 Direkter und indirekter Beweis 2.1 Direkter Beweis • Voraussetzung: Wir nehmen an, es gelte A. • Behauptung: Unter dieser Voraussetzung gilt B. • Beweis: Wir wissen, dass A =⇒ B. Evtl. sind dazu mehrere Schritte nötig, also etwa zuerst A =⇒ C und dann C =⇒ B. Ein Beweis für die geometrische Summe: • Voraussetzung: Es sei n ∈ {1, 2, 3, . . . } eine natürliche Zahl und r 6= 1 eine reelle Zahl ungleich eins. • Behauptung: n ∑ rk = k =1 (Also r + r2 + r3 · · · r n = r n +1 − r . r−1 r n +1 − r r −1 .) • Beweis: Es ist n (r − 1) ∑r k n +1 = k =1 ∑r k =2 k n − ∑ rk = rn+1 − r. k =1 (Man erhält eine ‘Teleskopsumme’, bei der sich alle Summanden bis auf den ersten und den letzten gegenseitig aufheben.) Da r 6= 1 können wir durch (r − 1) 6= 0 teilen und erhalten n r n +1 − r ∑ r = r−1 . k =1 k 2.2 Indirekter Beweis (‘Widerspruchsbeweis’) • Voraussetzung: Wir nehmen an, es gelte A. • Behauptung: Unter dieser Voraussetzung gilt B. • Beweis: Wir zeigen nicht direkt A =⇒ B, sondern wir zeigen die gleichbedeutende Implikation (nicht B) =⇒ (nicht A). Da neben den ausdrücklich formulierten Voraussetzungen auch andere für wahr erkannte Aussagen vorausgesetzt werden (z.B. die Gültigkeit der allgemeinen Rechenregeln oder Aussagen, deren Gültigkeit unter der Voraussetzung A bereits bewiesen ist), kann der Widerspruchsbeweis Hinweise zur Logik 5 auch in der Art (nicht B) =⇒ (eine unter A erwiesermaßen falsche Aussage) geführt werden. Formuliert wird dies etwa wie folgt: Nehme für einen Augenblick an, B sei falsch. Wir zeigen einen Widerspruch zu A (oder einer anderen Aussage, von der bereits bewiesen ist, dass sie unter der Voraussetzung A wahr ist). Das widerspricht der Voraussetzung, dass A wahr ist. Wir haben also eine Folgerung erhalten, die nicht stimmt (‘reductio ad absurdum’). Wenn der Schuss (nicht B) =⇒ (nicht A) logisch zwingend ist, kann also unsere augenblickliche Annahme B sei falsch nicht stimmen. Folglich muss B wahr sein. Ein Vorteil dieser Beweismethode kann darin liegen, dass wir zu Beginn nicht unbedingt wissen müssen, auf welchen Widerspruch unsere Argumentation führen wird. Denn neben der ausdrücklich formulierten Voraussetzung A gelten auch alle unter dieser Voraussetzung bereits bewiesenen Aussagen. Oft werden Widerspruchsbeweise verwendet, um die Existenz bestimmter Objekte auszuschließen. Folgender Beweis wird Euklid von Alexandria zugeschrieben: • Behauptung: Es gibt unendlich viele Primzahlen. (Oder gleichbedeutend: ‘Es gibt keine größte Primzahl’.) • Beweisskizze: Nehme an, es gäbe nur endlich viele Primzahlen. Ihre Anzahl sei n und die Primzahlen seien mit p1 , p2 , . . . , pn bezeichnet. Definiere die Zahl p := p1 p2 · · · pn + 1, also p − 1 sei das Produkt aller existierenden Primzahlen. Die Zahl p ist durch keine Primzahl teilbar, denn immer bleibt ein Rest von 1. p ist aber auch keine der Zahlen p1 , p2 , . . . , pn , also nach unserer Annahme keine Primzahl. Damit führt die Annahme, es gäbe nur endlich viele Primzahlen, zu einem Widerspruch. Die Annahme muss also falsch sein und es gibt unendlich viele Primzahlen. Widerspruchsbeweise beruhen darauf, dass eine Aussage entweder wahr oder falsch ist. Zudem ist die Widerspruchsfreiheit der Voraussetzungen wichtig. (Denn wären die Voraussetzungen widersprüchlich, also logisch falsch, so könnte man aus ihnen beliebiges folgern. Da die Voraussetzungen immer falsch wären, würde eine Implikation nichts darüber aussagen, ob die Behauptung wahr oder falsch ist.) Deshalb ist bei Argumenten mit einer ‘reductio ad absurdum’ besonders außerhalb der Mathematik in Diskussionen um gut oder schlecht und bei Verwendung nicht ganz genau und eindeutig definierter Begriffe große Vorsicht angebracht. Hinweise zur Logik 6 3 Beispiel, Gegenbeispiel, Induktion 3.1 Beispiel, Gegenbeispiel, Fallunterscheidung Die vorhergehenden Beweismethoden sind deduktiv, d.h. sie leiten von Voraussetzungen und bekannten Aussagen neue Aussagen ab. Induktion bedeutet, von Beispielen auf eine allgemeine Regel schließen zu wollen. Das ist nur möglich, wenn die Induktion vollständig ist, also wirklich alle möglichen Fälle betrachtet werden. Ansonsten genügen auch sehr viele Beispiele nicht, um eine allgemeine Aussage zu beweisen. Im allgemeinen können Beispiele eine Aussage also nur veranschaulichen, nicht aber ihre Gültigkeit beweisen. Hingegen genügt ein einziges Gegenbeispiel, um eine Behauptung zu widerlegen! (Man vergewissere sich aber, dass das Gegenbeispiel wirklich die Voraussetzungen erfüllt.) Möglich ist natürlich eine vollständige Fallunterscheidung. Wer also eine Aussage für alle reellen x beweisen möchte, kann z.B. die Fälle x < 0, x = 0 und x > 0 einzeln untersuchen. 3.2 Vollständige Induktion Man möchte eine Aussage A(n), die von einer natürlichen Zahl n = 1, 2, 3, . . . abhängt, beweisen. Eine gewöhnliche Fallunterscheidung ist bei unendlich vielen Fällen nicht möglich. Aber man kann dennlich alle Fälle behandeln, wenn man zeigen kann, dass aus einem Fall immer der nächste folgt. Man wirft man sozusagen den ersten der unendlich vielen Dominosteine um und zeigt, dass an jeder Stelle n ein Stein A(n) den nächsten Stein A(n + 1) umwirft (wobei in diesem Bild umgeworfenen Dominosteine die Rolle bewiesener Aussagen übernehmen): • Induktionsanfang n = 1: Wir zeigen, dass A(1) gilt. • Induktionsschritt n → n + 1: Wir halten innerhalb des Induktionsschrittes für einen Augenblick ein n ∈ {1, 2, 3, . . . } fest und nehmen für dieses n an, es sei schon beweisen, dass A(n) gelte. Unter dieser Annahme zeigen wir, dass A(n + 1) ebenfalls gilt. Da der Induktionsschritt für jedes n ∈ {1, 2, 3, . . . } ausführbar sein muss, können wir jedoch keine weitergehenden Annahmen über n selbst treffen. Der Schluss A(n) =⇒ A(n + 1) muss für jedes n ∈ {1, 2, 3, . . . } möglich sein. Der Unterschied zum direkten Beweis ist also, dass wir beim Beweis von A(n + 1) neben den allgemeinen Voraussetzungen auch noch annehmen können, dass A(n) bereits bewiesen ist. Noch ein Beweis für die geometrische Summe, diesmal mittels vollständiger Induktion: Hinweise zur Logik 7 • Voraussetzung: Es sei n ∈ {1, 2, 3, . . . } eine natürliche Zahl und r 6= 1 eine reelle Zahl ungleich eins. • Behauptung: n ∑ rk = k =1 r n +1 − r . r−1 • Beweis: In diesem Fall ist die Aussage A(n) die Gültigkeit der Formel für n. – Induktionsanfang n = 1: 1 ∑ rk = r = k =1 r2 − r . r−1 (Statt eine Seite in die andere umzuformen, ist es oft einfacher zu zeigen, dass die Differenz der beiden Seiten gleich Null ist. Das gilt auch für den Induktionsschritt.) – Induktionsschritt n → n + 1: Wir nehmen jetzt also an, die Formel sei für n gültig und wollen zeigen, dass sie auch für n + 1 gilt. n +1 ∑ r k = r n +1 + k =1 = r n +1 + r n +1 −r = r−1 n ∑ rk k =1 r n +2 − r n +1 + r n +1 − r r n +2 − r = . r−1 r−1 Die Induktionsannahme wurde verwendet, um von der ersten zur zweiten Zeile zu gelangen. Auf den Induktionsanfang kann nicht verzichtet werden. Zudem ist es wichtig, dass der Induktionsschritt wirklich für jedes beliebige n ∈ {1, 2, 3, . . . } ausführbar ist. Nicht immer ist eine falsche Anwendung so offensichtlich wie in dem folgenden Beispiel: • Voraussetzung: Es sind n beliebige Personen in einem Raum. • Falsche Behauptung: Alle n Personen sind gleich groß. • Falscher Beweisversuch mittels angeblich vollständiger Induktion: – Induktionsanfang n = 1: Ist eine Person in einem Raum, sind alle anwesenden gleich groß. Hinweise zur Logik 8 – Induktionsschritt n → n + 1: Es sind n + 1 Personen in einem Raum. Wir schicken eine Person hinaus. Nach der Induktionsannahme sind die n verbliebenen Personen gleich groß. Die Person kommt zurück, und eine andere von der selben Körpergröße wie die übrigen im Raum geht hinaus. Wieder sind nach der Induktionsannahme die n verbliebenen Personen gleich groß. Also sind alle n + 1 Personen gleich groß. • Der Fehler in diesem Beweisversuch ist natürlich, dass der Induktionsschritt 1 → 2 nicht funktioniert. Denn beim abwechselnden Hinausschicken der beiden Personen verbleibt keine dritte im Raum, mit der die Größe der beiden anderen verglichen werden könnte. Dass die als zweite hinausgeschickte Person ‘von der selben Körpergröße wie die übrigen im Raum’ ist, ist für den Induktionsschritt wichtig, aber bei 1 → 2 gibt es keine ‘übrigen im Raum’ zum Vergleich. 4 Modell und Wirklichkeit Von einzelnen Fällen auf eine allgemeine Regel zu schließen ist (‘unvollständige Induktion’) ist keine mathematische Beweismethode. In den Natur- und Wirtschaftswissenschaften ist die Beobachtung einer möglichst großen aber meist notgedrungen unvollständigen Anzahl von Fällen ein Mittel zum Erkenntnisgewinn. Und zur Erklärung der Beobachtungen wird nicht selten ein mathematisches Modell entwickelt. Innerhalb dieses Modells gelten jedoch uneingeschränkt die Regeln der Logik. Stimmen logische Schlussfolgerungen aus den Modellannahmen nicht mit den Beobachtungen überein, ist das Modell zur Erklärung der Beobachtungen offenbar nicht geeignet und muss verändert werden. Die Mathematik kann logische Folgerungen aus den Modellannahmen beweisen aber keine Aussagen über die Welt außerhalb des Modells. Dementsprechend hängt die Nützlichkeit anhand eines Modells getroffener Schlussfolgerungen und Voraussagen davon ab, wie geeignet das Modell zur Beschreibung des zu untersuchenden Sachverhalts ist.