Feuilleton regional 12 Samstag, 10. Februar 2007 AZ · Nummer 34 Revolution und Bühne Roland Hüve und das Büchner-Drama „Dantons Tod“ (me). Im Mittelpunkt des Spielzeit-Mottos „Wir. Terroristen“ steht das deutsche Revolutionsstück schlechthin – „Dantons Tod“. Im Großen Haus hat Oberspielleiter Roland Hüve Georg Büchners Drama in Szene gesetzt. Heute um 19.30 Uhr ist Premiere. Schülesche Kattunfabrik: An den restaurierten barocken Kopfbau schließen sich neue Seitenflügel mit Glasfassaden an. Bild: Fred Schöllhorn Düstere Seite eines Glanzstücks Schülesche Kattunfabrik: Architekten distanzieren sich von ihrem Neubau Von unserer Redakteurin Angela Bachmair Fast vollendet ist der Neubau, der aus der Schüleschen Kattunfabrik das repräsentative Domizil der Fachhochschule machen soll. Während sich die FH-Mitarbeiter auf den Einzug ab 22. Februar vorbereiten, mehren sich freilich auch die Stimmen, die angesichts der neuen gläsernen Fassade fragen, ob das wirklich das lang erwartete architektonische Glanzstück sein solle. Enttäuschung löst vor allem das dunkle Grün der gläsernen Nordfassade aus, auf das täglich unzählige Autofahrer zufahren. Statt des im Wettbewerbs-Entwurf versprochenen lebendigen „Schaufensters“ zur Stadt deutet sich da nun eine düstere Spiegelfläche an. Auch das Flugdach, das die neuen, an den barocken Kopfbau der Fabrik anschließenden Seitenflügel wie ein weithin sichtbarer Schirm überragen sollte, fehlt. Dabei hatte die Jury des Wettbewerbs im Jahr 1999 gerade dieses leichte, schwebende Dach als besonderen Clou im Entwurf der beiden Augsburger Architekten Hubert Schulz und Werner Girsber- ger gerühmt (den Entwurf als ganzen im Übrigen als Glücksfall für Augsburg bezeichnet). Das in seiner Leichtigkeit schwierig zu konstruierende Flugdach wurde laut Ulrich-Peter Blickle (Staatliches Hochbauamt) zwecks Kostensenkung eingespart, und das etwas düstere Grün der Glasfassade ist dem Sonnenschutz geschuldet. Die Architekten hätten lieber ein helleres Glas gehabt, was nach ihren Berechnungen ebenso viel Lichtschutz garantiere, so Hubert Schulz. Mit dem Verzicht auf das Flugdach seien sie notgedrungen einverstanden gewesen, zumal die Option bestehe, das Dach „irgendwann“ doch noch zu bauen. Allerlei Änderungen Gravierender sind für den renommierten Architekten, der vom Dieselgymnasium bis zum neuen Strafjustizzentrum viel in Augsburg baute, Änderungen, die nicht abgesprochen gewesen seien – etwa bei den ursprünglich geplanten „Himmelsleitern“ oder der räumlichen Verbindung zwischen Südflügel und Parkplatz. Schulz und Girsberger wollen trotzdem nicht ihr Urheberrecht geltend machen (wie es erst kürzlich ihr Hamburger Kol- Museumsstück lege Meinhard von Gerkan beim Berliner Hauptbahnhof tat), aber sie distanzieren sich doch von dem Bau. „Unsere Einflussnahme wurde auf Null reduziert“, so Schulz. Das freilich hat Gründe: Die Architekten hätten ein zweites Büro für Bauaufsicht und Werkplanung eingeschaltet, es habe Kommunikationsprobleme und eine reduzierte Verantwortlichkeit gegeben, so dass das Amt die Sache selber in die Hand nehmen und die Architekten ausschalten musste, so Ulrich-Peter Blickle. „Wir wären sonst auf keinen grünen Zweig gekommen.“ Man habe sich jedoch einvernehmlich getrennt. Auch Schulz will den Streitfall nicht zu hoch hängen und erinnert daran, dass es in der Architektur oft Konflikte zwischen Bauherr und Architekt gibt – selbst bei berühmten Bauten wie der Oper von Sydney. Aber er verhehlt auch nicht seine Enttäuschung: „Wir haben viel Herzblut investiert.“ Jedenfalls hält auch Schulz die vom Hochbauamt vorgeschlagene Formulierung für angemessen, den FH-Neubau nicht mehr als Werk von Schulz/Girsberger zu bezeichnen. Stattdessen will man nur noch von einem Gebäude „nach einem Wettbewerbs-Entwurf von Schulz/Girsberger“ sprechen. Und als große Herausforderung sieht es der Regisseur, denn nichts weniger als dies forderte der jung gestorbene Büchner seinerzeit vom Dichter, nämlich der „Geschichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen“ und „statt Charakteristiken Charaktere zu geben und statt Beschreibungen Gestalten“. So weit der Dichter selbst. Als Büchner 1835 seinen „Danton“, sein Stück über die Französische Revolution verfasste, wurde er als 21-Jähriger wegen revolutionärer Umtriebe gesucht. Es kam in eher zerstückelter Fassung in Druck, hatte es schwer, auf die Bühnen zu kommen, bis der Aufführungsdurchbruch Anfang des 20. Jahrhunderts, u. a. durch Max Reinhardt, gelang. Roland Hüve sieht das Thema „Wir. Terroristen“ so weit gefasst, dass diese Riesen-Bühnenparabel über eine Revolution eine wesentliche Fragestellung aufgreift: Wie weit darf politische Gewalt gehen, um ihre Ziele – auch berechtigte – zu erreichen? Als Keimzelle der politischen Tugenden steht die Französische Revolution im (Bühnen-)Raum. Einer will sie mit allen, mit wirklich allen terroristischen Mitteln durchsetzten – Robespierre, der Asket, der seine Person total der Revolution un- Wichtig ist das Volk Doch wer vor allem auch wichtig ist in dem grandiosen Wurf des jungen Büchner, wer neben der – nun sattsam bekannten – Gegenüberstellung Robespierre/Danton für Regisseur Hüve eine besondere Rolle spielt, ist das Volk. Ihm und seiner Inszenierung steht im Theater großer Raum zur Verfügung, und zwar auf der variablen, setzkastenartigen Bühne von Gregor Wickert mit einer Art dauerpräsentem Logenrund. Denn, so Hüve: „Die Revolution war zu Beginn ein großes Fest, ein Volksfest, ein Rausch, nicht nur ein Blutrausch. Und bei Büchner sind wir in der Endphase, kurz vor dem ,Kater‘“. Roland Hüve sieht „Dantons Tod“ in erster Linie auch als „pralles Theater – und Theater im Theater“. So ist eine Gauklertruppe eingebaut, die in der Augsburger Bearbeitung einige große Szenen quasi auf unterer, auf komödiantisch-trivialer Ebene nachspielt oder vorwegnimmt – im originalen Büchner-Text. Die Premiere Dantons Tod Kurz gemeldet Glück im 21. Jahrhundert heißt das Stück von Kai Hensel über eine Wohlstandsfamilie, das in der „HörBar X“ am kommenden Montag um 20.30 Uhr im Hoffmannkeller aufgeführt wird. Mitglieder des Ensembles spielen unter der Regie von Ragna Kirck. AZ tergeordnet hat. Doch alles andere als eine bleiche Kunstfigur ist er in den Augen von Roland Hüve: „Das Gebrochene seines Charakters kommt deutlich zum Ausdruck und will herausgearbeitet sein, besonders im Dialog mit Danton“. Und dieser steht ja für den populären Volkstribun, für den „Halt“ ertönt, wo die Revolution seine eigenen sinnlichen Bedürfnisse, Erotik und Frauen eingeschlossen, rückhaltlos zu absorbieren droht. Er inszenierte „Dantons Tod“ von Büchner im Großen Haus: Roland Hüve. Bild: Schöllhorn Das Werk. Dantons Tod. Drama von Georg Büchner. Entstanden 1835. Uraufführung war am 5. Januar 1902 am Belle-Alliance-Theater Berlin. Etablierung auf der Bühne durch Max Reinhardt am 15. Dezember 1916 am Deutschen Theater in Berlin. Augsburger Neuinszenierung. Premiere ist am heutigen Samstag, 10. Februar 2007, um 19.30 Uhr im Großen Haus. Produktionsteam. Inszenierung: Roland Hüve. Ausstattung: Gregor Wickert. Besetzung. Frank Siebenschuh (Danton), Robert Arnold (Robespierre), Oliver Bode (St. Just), Markus Baumeister (Camille), Klaus Müller (Lacroix), Matthias O. Schneider (Hérault), Tim Bierbaum (Legendre), Rainer Etzenberg (Simon), Eberhard Peiker (Herrmann, alter Robespierre), Gabriele Fischer (Julie), Stephanie Gossger (Lucile), Nicole Schneider (Marion, Simons Weib), Clarissa Herrmann (Simons Tochter). Letzte Augsburger Inszenierung. In der Spielzeit 1995/96. Premiere war am 15. März 1996. Regie führte Friederike Vielstich. Mit Maximilian Hilbrand in der Titelrolle, Klaus Müller (Robespierre), Gabriele Welker in der Männerrolle St. Just, Babette Winter (Lucile). Zum Mond oder unterwegs nach München Eine sehr vielfältige Diplomausstellung der FH-Designer letztmals im alten Haupthaus (loi). „Schnitt“ – so nennen die Designdiplomanden der Fachhochschule ihre Ausstellung, die letzte der Fakultät im alten Haupthaus. Bis Montag sieht man 54 Arbeiten aus Kommunikationsdesign und Multimedia. Ein eleganter Musiksalon im Aquarell Ein Aquarell in zarten Farben erinnert im Jüdischen Kulturmuseum an den Architekten Fritz Landauer (1883–1968), den Erbauer der Synagoge. Auf dem Blatt ist ein Salon in einem bürgerlichen Wohnhaus Anfang des 20. Jahrhunderts zu sehen. Fritz Landauer entwarf ihn für seinen Bruder, den Textilfabrikanten Otto Landauer (1882–1974), dem er 1910/11 ein repräsentatives Wohnhaus in der Frölichstra- ße 5 erbaute. Für den wohl als Musikzimmer genutzten Raum wie fürs ganze Haus entwarf der 27-jährige Architekt auch die Möbel – hier bequeme Sitzgelegenheiten, Tischchen und Wandkonsolen. Das war hochmodern und sehr elegant, wurde auch auf der Münchner Glaspalast-Schau vorgestellt. Die jüdischen Brüder Landauer mussten nach 1933 aus Nazi-Deutschland fliehen. aba/Bild: Wagner Fernweh erwacht bei Nicola Wüst, die Werbung für die Reise zum Mond macht. Sie ruft Träume vom bleichen Trabanten hervor mit stimmungsvollen Nachtszenen, gibt Tipps für Schwerelosigkeit und den Reiseverlauf. Erich Seifert und Martin Wallner laden indes auf ihrem Online-Portal „aniwai.com“ Individualreisende zu Berichten und Bildergalerien ein. Anfangen wollen sie mit Auslandsstudenten, die Kommilitonen Tipps für Städte geben. Ihre Gestaltung ist funktional und elegant. Eine witzige Werbekampagne für Kleidung für sehr kleine und sehr große Menschen entwarf Sophia Tröndle. In Gulliver-Manier kontrastiert sie extreme Größenunterschiede, parodiert Kleidung, die nie passte mit Clips zum knappen Shirt und Schuhen mit Dehn- fuge. Ein neues Restaurant hat Christiane Albrecht erfunden. Sie wirbt für die „Reisdiele“ mit picksüßen Farben Pink, Honiggelb, Lindgrün in einem Design, das sonst Stoffe zeigen. Ihren Speisen gibt sie geheimnisvolle Namen wie „Hitzefrei“ und „Jahrmarktgeflüster“. Die Bahnstrecke Augsburg–München hat sich Julia Köberlein genau angesehen. Sie entdeckte das Haspelmoor mit Sonnentau und Torfstich, interviewte Anwohner und porträtierte sie in Panorama-Aufnahmen. Sachinformationen wie Tempo und Häufigkeit der Züge (355 täglich!) bereitet sie in Fotografien auf, die Gefühle ausdrücken. Minigolf als Leistungssport ohne Betulichkeit stellt Robert Ernst in einer umfangreichen Imagebroschüre dar. In close-up-Fotos spürt er der Faszination des Spiels nach und verbindet sie mit schwarz-weißer Illustration. Klassische grafische Illustration wendet Dinko Klaric für die Bebilderung eines „irischen Lebenslaufs“ an. Mit Schraffuren erzeugt er Helldunkel-Wirkungen, erschafft fantastische Wesen und verdichtet seine feinlinigen Zeichnungen zum Ende hin immer mehr. Im Buch klappen sie dann in mehreren Ebenen auf. Wie ein Ballerspiel zum virtuellen Abenteuer wird, führt Michael Hebel in „Nobody and the Prisoner of Boring Village“ vor. Die Plattform blieb, die Charaktere und die Story hat er neu entwickelt: Ein Dieb mit zwei linken Händen will aus dem Gefängnis freikommen. Politische Bildung für die MTV-Generation entwirft Tobias Volker in Filmen mit plakativer, aufwendig animierter Bildaussage und knappem Kommentar. Der Völkermord in Ruanda wird zu einem fasslichen, ernsten Kapitel samt internationaler Verbindungslinien. Dem vergänglichen Zeitungspapier widmet Angelika Vogel eine Ausstellung, die sinnliche Erfahrung und künstlerische Verarbeitung kombiniert. Im Jakobs-Wasserturm inszenierten Helga Schmid und Sophie Schiela Text im Raum zum Thema Treppe. ● Geöffnet heute und morgen, 13–19 Uhr, und am Montag, 12. Februar, 9–13 Uhr. Den Himmel gespiegelt Holzbau-Anerkennung für Rainer Drasch aus Steppach (aba). Der Neusässer Architekt Rainer Drasch hat beim Holzbaupreis Bayern 2006 eine Anerkennung für seine Aufstockung auf einen Bungalow in Steppach erhalten. Als gelungenes Beispiel zum Thema „Weiterbauen im Bestand“ lobte die Jury mit dem Vorsitzenden Frank Lattke (Augsburg) die Arbeit. Drasch hatte auf einen Bungalow in der Steppacher Kornfeldstraße einen Aufbau gesetzt, der mit großen Glasflächen und Verkleidungen aus Edelstahl den Himmel spiegelt und die Fassade quasi entmaterialisiert. Die optische Leichtigkeit des mit Vor- und Rücksprüngen gegliederten Baukörpers wird verstärkt durch ein weit überstehendes Dach. Das besteht aus großflächigen Massivholz- elementen, die sich zum Dachrand hin verjüngen – eine fast schwebende Erscheinung, die nach Ansicht der Juroren die Vorteile der Holzbauweise – geringes Gewicht und ein hoher Grad an Vorfertigung – gekonnt ausspiele. Rainer Drasch betreibt seit zwei Jahren sein eigenes Büro in Neusäß-Steppach. Nach dem Studium war er seit 1992 Mitarbeiter im Architekturbüro King & Ass. in Kalifornien und danach in mehreren Augsburger Büros. Das Haus von Rainer Drasch und zwei weitere ausgezeichnete Gebäude (Preise erhielten Florian Nagler und die Allgäuer Architekten Noichl&Blüml sowie Maucher) werden im Bayerischen Fernsehen am Sonntag, 11. Februar, um 18.05 Uhr in der Sendung „Aus Schwaben und Oberbayern“ vorgestellt. Süße Farben bei Christiane Albrecht (l.), Fernweh bei Erich Seifert und Martin Wallner, Zeitungspapier sinnlich bei Angelika Vogel. Bilder. Zopef