Alpenbau - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und

Werbung
Erste Alpenbaukonferenz „Towards Net Zero Energy Buildings (NZEB)“
am 16./17. März 2016 in Garmisch-Partenkirchen
Konferenz zum Thema „Niedrigstenergiegebäude –
Entwicklungen und Innovationen in den Alpenländern“
Endbericht
Forschungsprogramm
Zukunft Bau, ein Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Projektlaufzeit
10. Dezember 2015 bis 31. Oktober 2016
Aktenzeichen
10.08.17.7-16.43
im Auftrag
des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung (BBR)
bearbeitet vom
Lehrstuhl für Energieeffizientes und Nachhaltiges Planen und Bauen, Technische Universität München
Inhalt
1
Einführung ................................................................................................................................................. 3
2
Konferenz .................................................................................................................................................. 4
2.1
Eröffnung der Konferenz ........................................................................................................................... 4
2.2
Keynotes ................................................................................................................................................... 5
2.2.1
„High Comfort – Low Impact“..................................................................................................................... 5
2.2.2
„Contextual Architecture“ ........................................................................................................................... 6
2.2.3
„Building in the Alps – Sustainable Regionality“ ........................................................................................ 7
2.3
Input Jakob Dietachmair ............................................................................................................................ 7
2.4
Sessions .................................................................................................................................................... 8
2.4.1
Session A - Niedrigstenergiegebäude und Baukultur ................................................................................ 8
2.4.2
Session B - Nachhaltiges Bauen im Bestand .......................................................................................... 10
2.4.3
Session C - Strategien für Klimagerechte Quartiere................................................................................ 12
2.4.4
Session D - Niedrigstenergiequartiere: Bauen im Bestand ..................................................................... 14
2.4.5
Session E - Ganzheitliche Gebäudeplanung und Zertifizierungssysteme ............................................... 15
3
Statements der Session Chairmen .......................................................................................................... 17
4
Kurzzusammenfassung der Stakeholder ................................................................................................. 19
5
Diskussion ............................................................................................................................................... 22
Anhang . ................................................................................................................................................................ 24
A
Kurzfassung des Berichts ........................................................................................................................ 24
1
Vorbemerkungen ..................................................................................................................................... 24
2
Eröffnung ................................................................................................................................................. 25
3
Präsentationen / Sessions ....................................................................................................................... 25
3.1
Key-Note Präsentation „High Comfort – Low Impact“ von Thomas Auer, Transsolar Stuttgart, D .......... 25
3.2
Session A - Niedrigstenergiegebäude und Baukultur .............................................................................. 26
3.3
Session B - Nachhaltiges Bauen im Bestand .......................................................................................... 26
3.4
Session C- Strategien für Klimagerechte Quartiere................................................................................. 27
3.5
Session D - Niedrigstenergiequartiere: Bauen im Bestand ..................................................................... 27
3.6
Key-Note Präsentation „Contextual Architecture“ von Hermann Kaufmann, Schwarzach, A .................. 28
3.7
Keynote-Präsentation „Building in the Alps – Sustainable Regionality“ von Andreas Gottlieb Hempel,
Brixen, I ................................................................................................................................................... 28
3.8
Session E - Ganzheitliche Gebäudeplanung und Zertifizierungssysteme ............................................... 28
4
Statements der Stakeholder .................................................................................................................... 29
5
Diskussion ............................................................................................................................................... 31
B
Programm................................................................................................................................................ 32
C
Teilnehmerliste ........................................................................................................................................ 33
D
Impressum............................................................................................................................................... 36
E
Beteiligte Institutionen ............................................................................................................................. 37
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 2
1
Einführung
Das internationale Abkommen der Alpenkonvention entstand zwischen den acht Alpenstaaten
Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz und Slowenien sowie der
Europäischen Union und verfolgt das Ziel, die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums zu fördern.
Die Bundesrepublik Deutschland hat anlässlich der XIII. Alpenkonferenz am 21. November 2014 in Turin
von Italien den Vorsitz der Alpenkonferenz übernommen. Der deutsche Vorsitz endet mit der XIV. Alpenkonferenz am 13. Oktober 2016 auf der Insel Herrenchiemsee. Als Teil des Programms des deutschen
Vorsitz fand am 16./17.03.2016 in Garmisch-Partenkirchen die "1st Alpine Building Conference: Towards
Net Zero Energy Buildings (NZEB)“ statt. Organisiert wurde die Konferenz vom Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gemeinsam mit der Bayerischen Architektenkammer, der Technischen Universität München und mit Unterstützung des Ständigen Sekretariats der
Alpenkonvention.
Im Rahmen der Konferenz sollten die Themenfelder "Niedrigstenergiegebäude" und „nachhaltige
Quartiere“ im Zusammenhang mit dem Bauen im Alpenraum dargestellt und erörtert werden, um hieraus
Impulse für die weitere Zusammenarbeit der Alpenstaaten zu Bauthemen sowie zur nationalen Umsetzung des Niedrigstenergiegebäude-Standards zu geben. Vor dem Hintergrund der spezifischen Eigenheiten des Alpenraums waren topographische, klimatische, kulturelle, sowie materialbezogene und handwerkliche Aspekte unter Beachtung der im Alpenraum vorhandenen vielfältigen, regionalen Baukultur besonders zu berücksichtigen.
Die Konferenz bot für die Alpenländer die Gelegenheit für einen grundlegenden Austausch zu
Erfahrungen und Best-Practice-Bespielen sowohl im Neubaubereich als auch der Modernisierung und
Renovierung von Bestandsgebäuden. Zudem wurde die Entwicklung zukunftsfähiger Konzepte für Stadtquartiere sowohl im Bereich des Stadtumbaus als auch der Neuentwicklung von Siedlungen besonders
berücksichtigt. Insbesondere wurden die folgenden, aktuell relevanten Themenschwerpunkte aufgearbeitet:
-
Energieeffizienz und erneuerbare Energien / integrierte Konzepte für die Gebäudehülle / spezifische Ansprüche an das Bauen in der Alpenregion
-
Strategien für klimaneutrale Quartiere / Effizienzanalysen und Carbon-Footprint-Betrachtungen
-
Energieeffizienz auf dem Gebiet der Gebäudesanierung / Erhalt eines hohen baukulturellen Standards
-
Öffentlich rechtliche Anforderungen an Wohn- und Nichtwohngebäude / Konzepte für die
Erfolgskontrolle
-
Bauen mit lokalen Materialien / Lebenszyklusbetrachtung / Graue Energie.
Die Beiträge aus den Mitgliedsstaaten der Alpenkonvention zielten daher darauf ab, Strategien und Lösungsansätze vorzustellen, die vor dem Hintergrund der lokalen Baukultur die Umsetzung von
Niedrigstenergie-Gebäuden und –Quartieren unterstützen. Neben den Vorträgen von international anerkannten Fachleuten wurde der interdisziplinäre Austausch zwischen Entscheidungsträgern auf gesellschaftlich-politischer Ebene, Architekten, Planern und Ingenieuren sowie Vertretern aus der Forschung
gefördert. Im Rahmen einer breit angelegten Diskussion wurden die Konferenzteilnehmer in die Auseinandersetzung mit den genannten Fragestellungen aktiv eingebunden.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 3
2
Konferenz
2.1 Eröffnung der Konferenz
Abbildung 1: v.l.n.r.: Andreas Kronthaler, Hans-Dieter Hegner, Rudolf Scherzer und Markus Reiterer; Werner Lang
Hans-Dieter Hegner, Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, eröffnete die Konferenz. Er wies auf ihre Wichtigkeit hin insbesondere im Hinblick auf die Neufassung der EU Richtlinie zur Niedrigstenergiegebäuderegelung, welche ab 2021, beziehungsweise bereits ab 2019 für Bauten der öffentlichen Hand, umzusetzen ist. Der Fokus der Konferenz liege auf den
Themen Neubau und Modernisierung. Der Themenbereich Niedrigstenergiegebäude könne dabei nicht
unabhängig von Baukultur betrachtet werden. Hegner erhofft, durch die Konferenz einen langfristigen
Austausch in diesem Bereich zu initiieren.
Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass das
Thema Bauen bereits seit Gründung der Alpenschutzkonvention in deren Diskurs eine wichtige Rolle
spiele und fest im Themenbereich Energie verankert sei. Er sieht ein großes Verbesserungspotenzial im
Hinblick auf das nachhaltige Bauen in den Alpen, worin für ihn der Schwerpunkt der Konferenz liege.
Dieses Potential könne u.a. über Wettbewerbe und Preise durch die hierdurch unterstützte Bewusstseinsbildung der Bevölkerung genutzt werden. Er wünsche sich einen regen Expertenaustausch und hoffe auf
eine Fortsetzung der Veranstaltung in den kommenden Jahren.
Andreas Kronthaler von der Obersten Baubehörde Bayern erläuterte im Rahmen seiner Begrüßung, in
welchen Bereichen des energieeffizienten Bauens Bayern bereits heute herausragende Initiativen und
realisierte Projekte vorzuweisen hat. Energiethemen spielen in der Wohnbauförderung und der Städtebauförderung sowie in Sonderbauprogrammen eine wichtige Rolle. Mit vielen öffentlichen Bauten im Passivhausstandard und durch die ausschließliche Nutzung regenerativer Energien seit 2011 nehme die öffentliche Verwaltung selbst eine Vorreiterrolle ein. In Bezug auf die Umsetzung der neuen Energiestandards erhofft sich Kronthaler grundsätzliche Vereinfachungen der komplexen Regelwerke.
Rudolf Scherzer, Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer, wies in seiner Rede auf die Dringlichkeit hin, die mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie dem Thema des energieeffizienten Bauens
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 4
zukommt. Es müsse eine Diskussion über die Entwicklung der Berechnungsmethoden geführt werden
und die Frage gestellt werden, ob sich die Energieeinsparverordnung bewährt habe und ob sie in dieser
Form weiterzuführen sei. Dabei müsse insbesondere der Einbezug der Infrastruktur und des Umfelds, der
grauen Energie sowie der Einfluss der Nutzer diskutiert werden. Die Alpen bildeten dabei als infrastrukturell und kulturell komplexer Raum eine gute Diskussionsgrundlage.
Werner Lang, TUM, betonte, dass es im alpinen Raum im Besonderen darum gehe, individuelle und
lokal angepasste Antworten auf verschiedenen Maßstabsebenen zu finden. In Anbetracht der zukünftigen
Verfügbarkeit regenerativer Energien müsse man die Frage diskutieren, in welchem Maß normierte Verfahren wie etwa der Passivhausstandard angewendet werden sollen und können. Wichtig sei in diesem
Zusammenhang auch, die Diskussion nicht nur über Neubauten, sondern auch über Bestandssanierungen und passende Werkzeuge zu führen. Vor diesem Hintergrund wurden die Themenbereiche der Konferenz sowohl im Hinblick auf die Key-Note Präsentationen, als auch auf die 5 Sessions angelegt.
2.2 Keynotes
Abbildung 2: Thomas Auer; Thomas Auer und Hermann Kaufmann; Hermann Kaufmann
2.2.1
„High Comfort – Low Impact“
Thomas Auer von Transsolar, Stuttgart, stellte an den Anfang seiner Präsentation die zentrale Forderung, die Nutzer in die Betrachtungen einzubeziehen. Ein Blick in die historische Baukultur der Alpen
zeige, dass energetische Aspekte seit jeher in die Bauten eingeflossen seien, da aus Gründen der
Ressourcenknappheit automatisch der Nutzer im Fokus stand. So wurde etwa der Grundriss unterteilt in
Wohn- und Wirtschaftsteil, um die Abwärme des Viehs zur Raumheizung nutzen zu können. Heute stelle
sich die Frage, wie man den nächsten Schritt in Richtung Nullenergiegebäude schaffen kann, ohne die
historische Baukultur der Alpen zu vergessen.
Ein Vergleich der Klimadaten von unterschiedlichen Standorten in den Alpen verdeutliche, dass beim Bau
eines Gebäudes die Anpassung an den Standort eine zentrale Rolle spielt. So würden in höheren Lagen
vor allem die Feuchtigkeit und die Temperatur sinken, weshalb dort ein passives solares Bauen sinnvoll
ist. In tieferen Lagen hingegen sei eine aktive solare Nutzung angebrachter. Auer stellte hier das Projekt
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 5
eines Spiegels für die italienische Ortschaft Viganella vor, mit dem solare Strahlung in das im Tal und
damit im häufigen Schatten liegende Dorf reflektiert wird.
Anhand des Projekts einer Ricola-Lagerhalle unterstrich Auer die Bedeutung der Materialeigenschaften
der Fassade in Bezug auf ihre Beanspruchung durch das Klima. So trage ein Lehmbau wie diese
Lagerhalle beispielsweise stark zur Entfeuchtung bei, wodurch aufwendige technische Lösungen vermieden werden können. Hier wies Auer auf die dringliche Problematik hin, dass graue Energie bisher noch
viel zu wenig in Energiekonzepte und –zertifizierungen einfließe. Anhand einer Energiebilanz über 100
Jahre für die Ricola-Lagerhalle konnte etwa nachgewiesen werden, dass die ausgeführte Lehmkonstruktion sich in der Gesamtbilanz vorteilhafter darstellt als eine Variante mit gedämmter Fassade. Thomas
Auer wies darauf hin, wie wichtig es sei, dass Bauten auch in Zukunft noch auf ihr Umfeld reagieren
können. Dies treffe aufgrund der extremen klimatischen Verhältnisse für den Alpenraum besonders zu.
2.2.2
„Contextual Architecture“
Hermann Kaufmann, TUM, machte in seiner Keynote deutlich, dass beim Bauen im alpinen Raum an
vorderster Stelle stehen muss, sich mit dem Ort auseinanderzusetzen. Dabei gehe es nicht nur um die
Materialisierung und die Rohstoffe, sondern vor allem darum, an die alpine Kultur anzuknüpfen und eine
Integration in die landschaftliche Situation zu erreichen. Hierbei stellten vorhandene Gebäude eine Leistungsschau für Baukultur und handwerkliche Fertigkeit dar. Früher sei das primäre Ziel gewesen, gute
Häuser mit vernünftigem Energieaufwand und –verbrauch zu errichten. Diese pragmatischen Gründe
hätten zusammen mit einer konstruktiv bedingten Ornamentik zu einer ausgeprägten Ästhetik und einer
Ablesbarkeit der Nutzung geführt. Die Orientierung der Bauten nach Topographie und Himmelsrichtung
führten außerdem zu einer Einheitlichkeit in der Landschaft.
Heute gehe es darum, diese Baukultur weiterzuentwickeln. Kaufmann stellt sich darunter weder ein Kopieren der historischen Elemente noch einen radikalen Bruch vor. Er plädiert für eine neue Tradition des
alpinen Bauens, ein traditionelles Bauen mit Kontrasten. Dies gelte auch für die Energieeffizienz. Mit
Massivholz könne man beispielsweise eine hohe Speichermasse und ausgezeichnete Wärmedämmung
erreichen. In den Alpen sei es entscheidend, mit Konstruktion und Materialisierung auf die klimatischen
Bedingungen zu reagieren.
Anhand mehrerer Beispiele erläuterte Kaufmann, welche Vorteile das Bauen mit einfachen Holzkonstruktionen aufweise. Dazu gehöre, dass der Rohstoff vor Ort produziert und verarbeitet wird. Am Beispiel der
Olpererhütte werde zudem deutlich, dass nicht überall Hochtechnologie verwendet werden muss, sondern der gesamte Lebenszyklus zu beachten sei, was vor allem einen nachhaltigen Rückbau einschließt.
Hermann Kaufmann ist überzeugt davon, dass es möglich ist, die Anforderungen an die Energieeffizienz
mit einfachen Bauten zu erfüllen. Zudem dürfe nicht nur Energieeffizienz im Vordergrund stehen, sondern
auch andere Faktoren wie der Schutz des biologischen und geologischen Umfelds müssten respektiert
werden.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 6
2.2.3
„Building in the Alps – Sustainable Regionality“
Abbildung 3: Andreas Hempel; Andreas Hempel und Oliver Heiss (Bayer. Architektenkammer)
Andreas Gottlieb Hempel, Architekt aus Brixen, machte anhand zahlreicher Beispiele gebauter Umwelt
auf den Charme der alten, traditionellen Bauweise der Alpenregion aufmerksam. Sämtliche architektonische Elemente, die von Alpenbesuchern als „romantisch“ empfunden werden und gerne nachgeahmt
würden, seien rein aus klimatischen Notwendigkeiten abgeleitet. Hier sprach Hempel beispielsweise über
den gemütlichen Kachelofen als einzige Beheizung aller angrenzenden Räume, über die die Fassade
dominierenden Klappläden, die dem Wetter-, Kälte-, und Sonnenschutz dienten, sowie dem Dachboden
als thermische Pufferzone und zum Trocknen von Lebensmitteln.
Ganz gegensätzlich dazu verhalte sich die momentane Bauaktivität in einer sich wandelnden Alpenregion.
Es sei vermehrt erkennbar, wie sich Landschaften urbanisieren, wie Tourismus und Verkehr die Regionen
prägen und wie eine unaufmerksame Architektur zunimmt, im Sinne einer globalisierten Moderne mit
Alpencharakter. Hempel sieht es als Verlust, dass die regionale Baukultur zunehmend vernachlässigt
wird. Als Positivbeispiele stellte er dagegen Preisträger der Initiativen „Constructive Alps“ und „klimahaus“
vor, die sowohl durch eine bedachte, sensible Architektur überzeugten, als auch in energetischer Hinsicht
hervorragend ausgeführt wurden.
Mit einem Apell zu einer behutsamen und doch modernen Architektursprache schloss Hempel seinen
Vortrag in der Hoffnung, dass dadurch „Tiroler Dekorationskitsch“, „hässliche Architektur von Ingenieurbauten“, eine „Verschmutzung der Ortschaft“ oder eine „Lederhosenarchitektur“ überwunden werden
können. Es sei an der Zeit, Elemente wie Lokalität, bestehende Gebäudeensembles und Naturlandschaften in den Fokus der Architektur von Alpenbauten zu stellen.
2.3 Input Jakob Dietachmair
Mit einer kurzen Ansprache gewährte Jakob Dietachmair von CIPRA Einblicke in die Aktivitäten und Geschäftsfelder der Internationalen Kommission zum Schutz der Alpen (CIPRA).
Dabei gelte die einfache Gleichung: Alpenschutz + Alpenleben = nachhaltige Entwicklung in den Alpenregionen.
Um dies zu gewährleisten, stelle CIPRA zahlreiche Programme für eine nachhaltige Entwicklung der Alpenregionen auf. So unterstütze die Kommission beispielsweise die Erhaltung und Förderung der Bio-
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 7
diversität in den Alpenregionen. Im Bereich der Mobilität werde insbesondere der Transitverkehr ökologisiert. Auf politischer Ebene arbeite CIPRA aktiv mit und auch die Jugend solle durch Programme in die
Diskussion miteinbezogen werden.
Dietachmair betonte, dass für eine nachhaltige Entwicklung besonders der Dialog mit der nachfolgenden
Generation geführt werden müsse. Dies liege im Grundsatz des Nachhaltigkeitsgedankens. Des Weiteren
engagiere sich CIPRA im Bereich Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie durch Initiativen zum Nachhaltigen Bauen. Bei dieser Arbeit werde besonders auf eine transparente Kommunikation Wert gelegt.
Mit der Metapher des Schweizer Käses appellierte Dietachmair an Planer, natürliche Zutaten, Detailliebe
und Erfahrung in Gebäude einfließen zu lassen, um so für eine nachhaltige Entwicklung im Gebäudesektor Sorge zu tragen.
Zur Umsetzung seiner Aufforderung nannte Dietachmair einen sechs-Punkte Plan, den CIPRA für eine
nachhaltige Entwicklung befolge
-
Organisation von Auftaktveranstaltungen
-
Unterstützung in der Vorplanung
-
Unterstützung in Ausschreibung und Auftragsvergabe
-
Unterstützung in der Gebäudeplanungsphase
-
Durchführung von Qualitätskontrollen
-
Instandhaltung und Monitoring.
2.4 Sessions
2.4.1
Session A - Niedrigstenergiegebäude und Baukultur
Abbildung 4: v.l.n.r.: Peter Büchel, Helmut Krapmeier, Bernardo Bader
Helmut Krapmeier vom Energieinstitut Vorarlberg erläuterte zu Beginn seines Vortrages, dass zwar 3000
m2 Wald in Europa pro Person zur Verfügung stünden, diese jedoch nicht ausreichten, um unseren aktuellen pro-Kopf Energiebedarf zu decken. Besonders relevant sei die Nutzungsphase eines Gebäudes.
Mithilfe von Diagrammen verdeutlichte Krapmeier, dass selbst ein Holzhaus mit 60 cm Wärmedämmung
nicht alleine durch nachwachsende Holzbestände beheizt werden könne. Krapmeier appellierte an Ge-
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 8
bäudeplaner, zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs zu bedenken. Beispielsweise könne eine solare Trinkwarmwasserunterstützung oder die Installation von Wärmetauschern im
Lüftungssystem zu einer nachhaltigen Bauweise beitragen. Auch die Reduzierung des Flächenbedarfs
pro Person spiele eine entscheidende Rolle im pro-Kopf Energieverbrauch.
Nach einer kurzen Vorstellung der Klimaschutzinitiative „klimaaktiv“ und deren Engagement im Gebäudesektor betonte Krapmeier die Relevanz guter Architektur in Verbindung mit Nachhaltigkeit. Der „Austrian State Prize for Architecture and Sustainability“ verbinde die beiden Themen in einer ganzheitlichen
Betrachtung von anspruchsvollem Design und nachhaltigem Denken. Von besonderer Bedeutung sei dabei das Verbindungswort „and“ zwischen „Architecture“ und „Sustainability“, welches dafür Sorge trage,
dass beide Themengebiete, die Architektur und die Nachhaltigkeit, gleichwertig und unabhängig voneinander betrachtet werden.
Mit zahlreichen Beispielen intelligenter Architektur und mit Preisträgern des „Austrian State Prize for Architecture and Sustainability“ bewies Helmut Krapmeier den Erfolg dieses Denkansatzes. Er entließ das
Publikum mit einem klaren Appell zu einem differenzierten und nachhaltigen Denken.
Peter Büchel vom schweizerischen Club Arc Alpin e.V. gewährte mit seinem Vortrag einen Einblick in
die besondere Thematik von Energiebilanzen in Alpenhütten.
Neben dem grundlegenden Einverständnis, mit Energie müsse in Alpenhütten sehr bedacht umgegangen
werden, stellte Büchel verschiedene Fragen an die energetische Bilanzierung der Hütten: Auf welcher
Höhe befindet sich das Gebäude? Welche Ansprüche bestehen seitens der Besucher an die Raumlufttemperatur oder an die Verpflegung? Wie ist die Stromversorgung der Alpenhütte geregelt (on-Grid/offGrid)? Besteht eine Seilbahnverbindung zu Ortschaften im Tal? Wie lange bleiben die Besucher durchschnittlich? Wird die Hütte im Winter bewirtschaftet?
Schnell wurde klar, dass gewöhnliche Energiebilanzierungsmethoden für Alpenhütten nicht einsetzbar
sind, da die Energieversorgung und die Benutzung von Alpenhütten stark von herkömmlichen Wohngebäuden abweichen.
Büchel verdeutlichte die Relevanz von Energiespeichersystemen und von individueller energetischer Planung jeder Hütte mit sorgfältiger Betrachtung der lokalen Gegebenheiten. Er schlussfolgerte, die energetische Bilanzierung von Alpenhütten wäre am besten in der Einheit Wärmebedarf pro Schlafplatz durchzuführen. Aus dem Ansatz, dass beim Vergleich zwischen ganzjährig bewirtschafteten Hütten und ausschließlich im Sommer bewirtschafteten Hütten zu unterscheiden sei, ergaben sich auch unterschiedliche
Empfehlungen an den energetischen Gebäudestandard. Passivhausprinzipien seien dabei eher für ganzjährig bewirtschaftete Hütten empfehlenswert. Teilweise bewirtschaftete Hütten dürften auch weniger
stark gedämmt werden, wobei sie dann auf mögliche Feuchteprobleme hin untersucht werden müssten.
Peter Büchel schloss seinen Vortrag mit dem Statement, Energieeffizienz sei ein zentrales Thema für
Alpenhütten, müsse jedoch jeweils individuell betrachtet werden.
Bernardo Bader, österreichischer Architekt, vertrat in seinem Vortrag „Place and People“ die These,
Architektur sei nicht zu differenzieren in nachhaltig und nicht nachhaltig. Vielmehr bediene sich die Architektur den Themen des Ortes und des Menschen. Im Einklang resultiere daraus von selbst eine nachhaltige Baukultur.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 9
Vor dem Hintergrund des „Bauens am Land“ wurden Methoden des Planen und Bauens aufgezeigt, die
in enger Verbindung mit Mensch und Ort arbeiten. Dabei spiele die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung sowie mit lokalen Handwerkern eine große Rolle. Wichtig sei vor
allem das Prinzip „Finden statt Erfinden“ von baulichen Lösungen. Diese müssten demnach nicht jeweils
neu erfunden werden, vielmehr sind sie in lokalen Beispielen neu zu entdecken. Hier zeigte Bader das
Foto eines Bauernhauses im Bregenzerwald, bei dem der Eingang das „Zwischendrin“ auf eine selbsterklärende Art löst, die auch zu einem modernen Wohngebäude einen großen Mehrwert beitragen könnte.
Außerdem sieht Bader ein wichtiges Potenzial im „Bauen mit dem Handwerk“ und in der Wertschöpfung
innerhalb der Gemeinde. Hier stelle die Verwendung von lokalem Material einen Schlüssel für Engagement der Einwohner an neuen Bauprojekten dar.
Mit zwei Projekten seines Architekturbüros verdeutlichte Bader, wie eine lokal angepasste und moderne
Architektur unumgänglich sämtliche Aspekte der Nachhaltigkeit bediene. Es wurde dabei besonders deutlich, wie das frühzeitige Einbeziehen des Bauherrn in die Entscheidung zur Gebäude-Materialität von
unrealistischem Wunschdenken befreit und natürliche, lokale Lösungen ermöglicht.
Mit einem starken Abschlussstatement schloss Bernardo Bader seinen Vortrag in dem Wunsch, weiterhin
auf Wärmedämmverbundsysteme verzichten zu können, so wie er das schon immer getan habe.
2.4.2
Session B - Nachhaltiges Bauen im Bestand
Abbildung 5: v.l.n.r.: Peter Haimerl und Muck Petzet; Cedric Delahais; Lauranne Marcel
Muck Petzet, Architekt aus München und Berlin, paraphrasierte in seinem Vortrag den Begriff der Neuen
Architektur „New Architecture“ für seine These einer „New Rchitecture“ – einer Architektur der nachhaltigen Entwicklung, welche den Baubestand als Startpunkt einer jeden Entwicklung respektiere. Das „R“ in
„Rchitekture“ stehe dabei als ein Akronym für die Planungsprinzipien „Reduce, Reuse, Recycle“.
In einer bildreichen Präsentation führte Petzet zur Argumentation, dass nur eine Effizienzsteigerung allein
nicht das Ziel sein könne. Außerdem habe der Effizienzgedanke häufig den sogenannten Rebound-Effekt
zur Folge – eine Konsumsteigerung als Folge von effizienzsteigernden Maßnahmen.
Petzet zeigte tatsächliche Problemstellungen auf, die zu bekämpfen seien: Eingriffe in Umwelt und bestehende Bausubstanz würden bei der Nachhaltigkeitszertifizierung nicht erfasst. Die graue Energie des
Gebäudebestandes werde ebenso in der Energiebilanzierung vernachlässigt. Das Bevölkerungswachstum in Ländern, die noch in der Entwicklung sind, werde in der öffentlichen Diskussion untergraben, obwohl genau dort mit einem erhöhten Baubedarf zu rechnen sei.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 10
Gestützt von zahlreichen Argumenten appellierte Petzet dazu, eine effektive Strategie zur Energieeinsparung zu verfolgen, statt sich auf eine maximale Energieeffizienzsteigerung zu versteifen. Ein pragmatischer Ansatz, das Pareto-Prinzip (80/20-Prinzip) sei dabei von hoher Bedeutung. Man müsse beachten,
dass bereits 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden können, für die restlichen 20 % der Ergebnisse jedoch mit 80 % die meiste Arbeit geleistet werden müsse. Mit diesen und
ähnlichen Prinzipien wies Petzet darauf hin, dass Aufmerksamkeit, Analyse und Respekt für das Bestehende den wichtigsten Teil der Arbeit eines Architekten ausmachen sollten. Nur mit effektiven Umweltschutzmaßnahmen könnten tatsächliche Stellschrauben für eine nachhaltige Zukunft identifiziert und beeinflusst werden.
Muck Petzet beendete seinen Vortrag mit dem erneuten Aufruf an Planer, umzudenken und sich vertieft
und respektvoll mit dem Gebäudebestand auseinanderzusetzen.
Cédric Delahais und Lauranne Marcel stellten in einem zweiteiligen Vortrag Studien des französischen
Forschungsinstituts Cerema (Centre d'études et d'expertise sur les risques, l'environnement, la mobilité
et l'aménagement) vor.
Mit einer Einführung in den geschichtlichen Kontext der Normandie veranschaulichte Delahais den lokalen Gebäudebestand und vermittelte damit ein Gefühl für diese Architektur des Wiederaufbaus.
In der vorgestellten Studie wurde aus der Baubestandsanalyse eine Gebäudetypologie der Normandie
erstellt, um Gebäudetypen pauschal für energetische Sanierungsmaßnahmen erfassen zu können. Mithilfe von in-Situ Analysen, Thermografien und thermischen Computersimulationen wurden mögliche energetische Schwachstellen am Gebäudebestand bestimmt und Sanierungsmöglichkeiten hergeleitet.
Delahais benannte wichtige Erkenntnisse über energetische Schwachstellen am Gebäudebestand als:
-
fehlende Gebäudedämmung
-
Wärmeverluste über Außenwände, Fenster und Decken
-
unkontrollierte und hohe Lüftungswärmeverluste über die Fensterlüftung.
Weiter wurden in der Studie mögliche Sanierungsmaßnahmen für identifizierte Gebäudetypen erstellt.
Wichtig war dabei, die Architektur des Gebäudebestands mit hoher Priorität beizubehalten. Zuletzt wurden Gebäudesanierungen nach Empfehlung der Studie durchgeführt und aufgezeichnet.
Im darauffolgenden Vortrag präsentierte Lauranne Marcel „Prebat“, eine Studie über den Einfluss von
Gebäudenutzern am Energiehaushalt von Gebäuden.
Dazu wurden zwei Testhäuser mit umfangreicher Messsensorik ausgestattet, um Energieverbräuche und
thermische Zustände im Gebäude erfassen zu können. Außerdem wurden Interviews mit den Gebäudenutzern geführt. Ziel der Studie war es, den tatsächlichen Energieverbrauch mit dem errechneten Energiebedarf abzugleichen und damit den Einfluss der Gebäudenutzer auf die Energiebilanz des Gebäudes
einschätzen zu können.
Frau Marcel benannte als zentrale Erkenntnisse der Studie
-
Probleme in der Messsensorik
-
unerwartet hohe innere und solare Wärmegewinne, selbst im Winter
-
häufige, aufwändige und teure Instandhaltung von technischer Gebäudeausrüstung
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 11
-
eine über die Jahre abnehmende Luftdichtheit der Gebäudehülle
-
die Wichtigkeit von gedämmten Rohrleitungen
-
Saisonal-Wärmespeicher in Verbindung mit Wärmetauschern als großes Potential zur Energieeinsparung.
Zusammenfassend betonte Frau Marcel den großen Einfluss der Gebäudenutzer auf den Gebäudeenergiehaushalt. Sie verwies zudem auf die Fortführung von „Prebat“, und damit auf mögliche weitere Ergebnisse und Ausblicke der Studie.
Peter Haimerl, deutscher Architekt, rief mit dem Aufruf „verweile doch“ dazu auf, Bestandsgebäude im
Kontext ihrer Vergangenheit zu betrachten und diesen damit ein Recht auf Weiterbestehen zu verleihen.
Ein altes Bauernhaus diente dabei als Illustration verschiedener Thesen. Zuallererst sei die Zukunft von
Gebäuden immer ein Echo der Vergangenheit. Damit sei auch die Differenz zwischen Stilen der Vergangenheit und der Zukunft aufgehoben. Haimerl statuierte, jedes Gebäude erzähle seine eigene Geschichte.
Weiter provozierte der Architekt mit der These, man brauche keinen Künstler, wenn man ein altes Gebäude nutzen könne. Dieses habe nämlich immer einen bildhaften Charakter – sei es durch historische
Konstruktionen oder durch natürliche Verwitterung – und könne damit als Kunstobjekt wahrgenommen
werden.
In einer ganz eigenen Herangehensweise zeigte Haimerl auf, wie man sich des alten Gebäudes
annehmen kann. Er erzählte mit dem Gebäude und über das Gebäude eine Fotogeschichte und nahm
diese als Grundidee zur Gebäudesanierung. Dabei sollten bildgebende Elemente im Gebäude auch nach
der Sanierung erhalten bleiben, selbst wenn diese nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion verstanden,
sondern als Kunstelemente interpretiert werden müssen.
Haimerl führte die Bildergeschichte über das alte Bauernhaus fort, bediente sich historischer und religiöser Elemente und stellte schlussendlich den Bauherrn im Himmel dar – im frisch sanierten, paradiesisch
anmutenden Bauernhaus mit Ziegen, Hühnern und Kälbern auf Sichtbetonelementen im Sonnenspiel.
2.4.3
Session C - Strategien für Klimagerechte Quartiere
Abbildung 6: v.l.n.r.: Christian Wagner und Mark Michaeli; Josef Mathis; Mark Michaeli
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 12
Christian Wagner, Professor an der HTW in Chur, ging in seinem Vortrag „Places – Values – Visions“
im Speziellen darauf ein, dass ein Dorf als erstes eine Vision braucht, um nachhaltige Lösungen entwickeln zu können.
Dies treffe in der Schweiz insbesondere in der Alpenregion zu, die durch aktuelle wirtschaftliche und
klimatische Bedingungen vor große Herausforderungen gestellt sei. Am Beispiel der Gemeinde Fläsch
erläuterte Wagner, wie anhand der in vielen Gesprächen entwickelten Zielvorstellung „Weindorf Fläsch“
eine qualitätsvolle Siedlungsentwicklung eingeleitet werden konnte.
Die Herausforderung bei energetischen Entwicklungen sei vor allem der Konflikt mit der gleichzeitigen
Erhaltung baukultureller Qualitäten. Dazu gehöre etwa auch, dass Sonnenkollektoren eine Dachlandschaft beeinträchtigen könnten, was beachtet werden müsse.
Mark Michaeli, Professor an der TU München, geht in seinem Beitrag "Towards Sustainable Alpine Cities“ am Beispiel der Schweiz auf den großräumigen Zusammenhang ein, da dieser entscheidend sei für
die Diskussion um Nachhaltiges Bauen in den Alpen.
Der richtige Standort eines Gebäudes habe größten Einfluss auf die gesamte Energiebilanz. Je suburbaner ein Gebiet sei, desto mehr Verkehr entstehe. Es gelte zu beachten, dass speziell in den Alpen die
räumlichen Unterschiede die gesellschaftliche Logik prägen – im Fokus der Überlegungen sollte deshalb
eine differenzierende Siedlungsentwicklung stehen. Übergeordnete Strategien wie EUSALP würden hingegen Ansätze zur Homogenisierung aufweisen. Dabei spielt gemäß Prof. Michaeli die Infrastruktur als
Steuerungsinstrument eine besondere Rolle, um den Flächenverbrauch zu vermindern.
Da gewisse Themen weder auf (supra-) nationaler Ebene, noch von unten geplant werden können, trete
der Maßstab der Region in den Vordergrund. Zudem gelte es, die Sektoralpolitiken besser zu koordinieren.
Josef Mathis, Vorarlberg, ging in seinem Vortrag „Building Culture“ am Beispiel der Gemeinde
Zwischenwasser auf die Wichtigkeit ein, die Bürger in den Prozess der Dorfentwicklung zu integrieren.
Baukultur brauche Gesprächskultur. Zwischenwasser habe es dadurch beispielsweise geschafft, beim
e5-Programm für energieeffiziente Gemeinden einen Spitzenrang einzunehmen. So konnten bereits vor
Jahrzehnten mit großer Akzeptanz eine Solarschule und eine Solarsiedlung errichtet werden. In
Zwischenwasser sei es gelungen, Baukultur zu fördern, indem man u.a. einen Gestaltungsbeirat eingesetzt habe und eine kostenlose Bauberatung anbiete.
Zudem gelte es, gute Beispiele zu belohnen, etwa in Form von Auszeichnungen für gutes Bauen, anstatt
die Schlechten zu bestrafen. Die Gemeindeverwaltung selbst habe zudem eine Vorbildrolle bezüglich
nachhaltigem Bauen inne. So könne schlussendlich ein Schneeballeffekt entstehen, der gemeinsame
Projekte ermögliche. Baukultur werde so zum Katalysator für zukunftsfähige Dörfer.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 13
2.4.4
Session D - Niedrigstenergiequartiere: Bauen im Bestand
Abbildung 7: v.l.n.r.: Emil Müller; Markus Berchtold-Domig; Etienne Vienot
Peter Zoderer von Feld 72 Architekten stellte in seinem Vortrag „Different but Familiar“ mehrere Projekte
seines Büros aus Südtirol vor, bei denen neben dem ökologischen vor allem der soziale Faktor im Vordergrund stand.
Baukultur bedeutet für Zoderer, dass ein Projekt mit der Gemeinschaft entwickelt werde. In solch
gemeinschaftlich entwickelte Projekte könnten Niedrigenergie-Konzepte problemlos integriert werden. So
konnten Feld 72 Architekten auch in kleineren Orten architektonisch und energietechnisch hochwertige
Bauten realisieren, die durch große Volumen eine hohe städtebauliche Dichte aufweisen. Bei Verdichtungen im Dorf müsse vor allem Wert auf die Qualität des kollektiven Freiraums gelegt werden. Dieser habe
als Aneignungsraum und Treffpunkt einen wichtigen Stellenwert.
Die Essenz der Architektur ist für Zoderer demnach „nichts architektonisches“, wie er zum Schluss betont.
Markus Berchtold-Domig und Etienne Vienot stellten die Diskussion mit dem Publikum über die Harmonisierung und die europäischen Strategien in den Vordergrund ihres Beitrages zu „CESBA and
EUSALP-Strategy“.
In einem kurzen Input erläuterten sie, dass sich die CESBA bereits seit langer Zeit damit auseinandersetzt, wie es möglich sein könnte, alpenweite Indikatoren zur Operationalisierung der unterschiedlichen
Messmethoden der Länder zu etablieren. Die Frage sei, ob trotz der europäischen Regulierungen genug
Platz bleibe für lokale und regionale Spezialisierungen.
In der Diskussion stellte sich unter anderem heraus, dass der Begriff Harmonisierung schwierig zu definieren ist. Eine differenzierte Meinung über Harmonisierung könne erst formuliert werden, wenn der Begriff klar definiert sei. Markus Berchtold-Domig und Etienne Vienot hoben folgenden Kernpunkt hervor:
„We have to bring the regional and local specialities to Brussels“. Dafür müsse es allerdings möglich sein,
die Nachhaltigkeit eines Gebäudes auf regionaler Ebene zu vergleichen. Das Ziel von CESBA sei es,
diesen Prozess im Dialog mit der Bevölkerung zu gestalten.
Emil Müller, Gemeindepräsident von Zernez, ging in seinem Vortrag „Project Zernez Energia 2020“ auf
die Planung und die Umsetzung eines Energiekonzeptes für eine ganze Gemeinde ein. Das Projekt
„Zernez Energia 2020“ wurde zusammen mit der ETH Zürich entwickelt und basiert auf einer genauen
Aufnahme des Gebäudebestands, anhand welcher eine Gesamtstrategie entwickelt wurde. Ziel sei es, in
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 14
Zukunft den gesamten Energiebedarf aus eigener erneuerbarer Energie zu liefern. Die Finanzierung geschehe über einen Energiefonds, in den alle Bewohner einzahlen.
Emil Müller verschwieg nicht, dass die Umsetzung auch mit Schwierigkeiten behaftet sei und gar ein
Scheitern des Projekts nie ausgeschlossen sei. So würden etwa die tiefen Ölpreise den Umstieg auf
nachhaltigere Heizsysteme erschweren. Auch scheine es, dass die beträchtlichen Subventionen für gewisse Bürger noch zu wenig Anreize zur Sanierung schaffen würden.
2.4.5
Session E - Ganzheitliche Gebäudeplanung und Zertifizierungssysteme
Abbildung 8: v.l.n.r.: Nadège Vetterli, Simone Magdolen, Stefano Prosseda
Simone Magdolen, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule München, beleuchtete in ihrem
Vortrag verschiedene Herangehensweisen an die Beurteilung von Nachhaltigkeit im Gebäudesektor.
Ein großer Nutzen von Nachhaltigkeits-Zertifizierungssystemen im Gebäudesektor zeige sich in der Qualitätssicherung durch einen Auditor, durch die Projektsteuerungsfunktion über Checklisten oder durch einen nun etablierten Wettbewerb im nachhaltigen Bauen. Außerdem helfe eine umfangreiche Dokumentation der Vermarktung von Gebäuden und der Erstellung von Benchmarks im Bausektor.
Nach einer Vorstellung der etablierten Zertifizierungssysteme DGNB und BNB, verdeutlichte Magdolen
den Bedarf für weitere Zertifizierungssysteme zur Bilanzierung von Kleinwohnungen. Ein Baubedarf von
weiteren 2,9 Millionen Wohnungen bis 2025 lasse nachvollziehen, warum eine Beschäftigung mit dem
Markt für energieeffiziente Kleinwohnungen lohnenswert ist. Dabei bestehe die Herausforderung darin,
die Bewertung möglichst praktikabel, zeitsparend und kostengünstig zu gestalten.
Mit dem Bewertungssystem „Nachhaltiger Kleinwohnhausbau“ (BNK) stellte Frau Magdolen den Ansatz
zur Umsetzung des Zertifizierungssystems vor. Abgeleitet von dem DGNB System beschränke sich dieses auf 19 Bewertungskriterien und verzichte außerdem auf größere Bewertungskategorien wie auf die
Bewertung der technischen Qualität und des Gebäudestandorts.
Mit einem Ausblick auf weitere Entwicklungen von Zertifizierungssystemen, insbesondere für Gebäude in
alpinen Regionen, schloss Magdolen ihren Vortrag.
Stefano Prosseda von TIS Innovation Park verdeutlichte in seinem Vortrag über Nachhaltigkeitskonzepte die Wichtigkeit unternehmerischer Innovation für das Nachhaltige Bauen.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 15
Die Eingangsfrage, wie viele Besucher der Alpenbaukonferenz aus dem Unternehmertum kommen, stand
dabei stellvertretend für das geringe Engagement von Unternehmen im Nachhaltigen Bauen. Fast ausschließlich Planer und Architekten seien die Treiber für Nachhaltigkeit im Bauwesen.
Mit einem vier-Punkte Plan zeigte Prosseda, wie die Land- und Handelskammer IDM Südtirol unternehmerische Innovation fördere. Dabei übernehme IDM Südtirol die Kommunikation in neu gegründeten Arbeitsgruppen wie zum Beispiel der Arbeitsgruppe Fassade mit 22 beteiligten Institutionen.
Im Bereich der Innovationsförderung organisiere IDM Südtirol Projekte für Professoren und Studenten,
wobei diese in kleineren Unternehmen forschen und damit eine Schnittstelle zwischen Markt und Betrieb
bilden. Mit Unternehmensstrategien unterstütze die Land- und Handelskammer Startup-Gründungen für
mehr innovative Unternehmen in der Region Südtirol. Lobbyarbeit in Ausschüssen zu Regelwerken und
Vorschriften seien ein viertes Aktionsfenster der IDM Südtirol zur Förderung von innovativen Unternehmen.
Prosseda schloss seinen Vortrag mit der These, dass nur mit beidseitiger Innovationsbereitschaft, auf
planerischer sowie auf unternehmerischer Seite, der Nachhaltigkeitsgedanke im Bausektor konsequent
umgesetzt werden könne.
Nadège Vetterli präsentierte ihre Arbeiten an der Universität Luzern im Bereich „Gebäude als System“.
Als Beispiele für den systematischen Ansatz eines Gebäudes dienten dabei die Monte Rosa Alpenhütte
und das Suurstoffi Projekt.
Bei der Alpenhütte sei völlige Energieautarkie gefordert gewesen, da diese nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen ist. Komfortable Raumlufttemperaturen, eine hygienische Luftqualität, die Frischwasserversorgung, die Warmwasserbereitstellung und auch die Abwasseraufbereitung müssten in einem gesamten System für die alleinstehende Hütte gewährleistet werden. Die intelligente Umsetzung dieses
Systems wurde von Frau Vetterli ausführlich erklärt. Dabei wurden Photovoltaikanlagen, solarthermische
Anlagen und eine mikrobiologische Abwasserbehandlung für das Energiesystem installiert.
Eine völlig andere Herausforderung bestand in der Vernetzung vieler Gebäude durch öffentliche Infrastruktur. Während die Versorgung der Gebäude bislang meist direkt von zentralen Anlagenbetreibern
ausgehe, wurde in dem Forschungsprojekt Suurstoffi untersucht, wie Gebäude miteinander vernetzt
Energie bereitstellen und verbrauchen könnten. Saisonale Wärmespeicher in Form von Erdsonden oder
Niedertemperaturnetzen in Verbindung mit Wärmepumpen dienten dabei als günstige Systeme einer vernetzten Energieversorgung. Mit einer Auswertung von Messergebnissen im Suurfstoffi Projekt verwies
Frau Vetterli auf den dringenden Bedarf, den tatsächlichen Energieverbrauch zu protokollieren und diesen
mit den berechneten Prognosen zu vergleichen.
Nadège Vetterli beendete ihren Vortrag mit der Aufforderung zu weiterer Forschung und zu mehr
Lösungen, die ein Gebäude, ob völlig autark oder gänzlich vernetzt, als energetisches System untersuchen.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 16
3
Statements der Session Chairmen
Abbildung 9: v.l.n.r.: Jakob Dietachmair, Martin Ploss, Oliver Heiss; Nadja Häupl; v.l.n.r.: Jakob Dietachmair, Martin Ploss, Oliver Heiss,
Roberto Lollini
Martin Ploss resümierte die Session A in Form von vier Punkten. Punkt eins stellte die Frage dar, wie
Architektur, Ortsplanung und Energieeffizienz zusammen funktionieren können. Die Immobilienwirtschaft
wünsche eine Nicht-Reglementierung und kritisiere teilweise Gestaltungsbeiräte. Es gehe hierbei darum,
den Konflikt zu entschärfen zwischen der Immobilie als Wirtschaftsfaktor auf der einen Seite und als Architektur und Teil des Ortsbilds auf der anderen Seite. Punkt zwei bildete laut Ploss der Zusammenhang
zwischen der energetischen Qualität eines Gebäudes und den Nutzeransprüchen. Hier gelte es, suffizienter zu denken und zu handeln, die zeitliche Bewirtung der Hütten zu beachten und schließlich aus den
extremen Bedingungen in Alpenlagen zu lernen. Als dritten Punkt nannte Ploss den Einfluss des Energiemarkts auf das einzelne Gebäude ebenso wie der Einfluss eines Gebäudes auf den gesamten Energiemarkt. Es sei eine hohe energetische Qualität nötig, wenn der Strombedarf gedeckelt werden solle.
Energiesparmaßnahmen seien deshalb unumgänglich, da zur erneuerbaren Erzeugung des aktuellen
Strombedarfs schlichtweg nicht genügend Fläche zur Verfügung steht. Schließlich sprach Ploss als vierten Punkt die Wirtschaftlichkeit an. Der Versuch der Kostenminimierung verhindere viele Maßnahmen.
Deshalb seien weitergehende Kosten-Nutzen-Analysen nötig, welche alle Phasen des Lebenszyklus eines jeden Gebäudes einbeziehen. So würde sich zeigen, dass energiesparendes Bauen, etwa auf dem
Level des Passivhausstandards, nicht unwirtschaftlich sei.
Oliver Heiss verdeutlichte in einer Zusammenfassung der Session B, dass es sich speziell in den Alpen
um bautechnisch extreme Situationen handle, für die Lösungen anderer Art gefragt seien als in anderen
Gegenden. Es gäbe jedoch auch hier technische und konstruktive Konzepte, die energetisch hervorragende Gebäude auch im Plusenergiestandard ermöglichten. Muck Petzet sei diesbezüglich der Frage
nach den Systemgrenzen nachgegangen. Er habe betont, dass der Bestand als Wert in die Rechnung
mit einzubeziehen sei. Es gehe nicht um die Frage, wie effizient wir seien, sondern wie effektiv, so Petzet.
Lauranne Marcel und Cédric Delahais aus Frankreich hätten Lösungen gefunden, indem sie eine lokale
und kleinteilige Typologisierung vorgenommen hätten. Sie hätten deutlich gemacht, dass die Bedeutung
der Nutzer in die Berechnungen aufzunehmen sei. Die Frage sei hierbei, ob die Technik dem Nutzer helfe
oder der Nutzer der Technik. Peter Haimerl schließlich habe hervorgehoben, dass jedes Gebäude es wert
sei, im Kontext seiner Vergangenheit betrachtet zu werden. In den Berechnungssystemen spielten Geschichte, Ort und Personen bisher überhaupt keine Rolle, weshalb gemäß Haimerl eine Überarbeitung
dieses Ansatzes und Neubewertung des Gebäudebestands angebracht wäre.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 17
Jakob Dietachmair erklärte im Rückblick auf Session C, dass diese besonders durch die Zusammensetzung aus Vertretern der Gemeindeebene, Länderebene und nationalen Ebene ausgezeichnet wurde,
wodurch neue Zusammenhänge aufgezeigt werden konnten. Dietachmair präsentierte drei zentrale Diskussionspunkte. Der erste Punkt sei die Wichtigkeit der Kommunikation und ihre sehr frühe Integration in
den Entwurfsprozess. Als Beispiel für eine gelungene Kommunikation könnten etwa die Maßnahmen in
Zwischenwasser gesehen werden, wozu die Energieplakette oder ein Dorffest gehören oder wie es Josef
Mathis sagte: „Es gibt kein Projekt, das zu klein ist, um nicht ein Fest dafür zu veranstalten“. Der zweite
Punkt sei, dass eine Gemeinde und auch die Regionen Visionen brauchen und auf diese Visionen müsse
ein Projekt immer wieder überprüft werden. Als Drittes hätten die Referenten verdeutlicht, dass es wichtig
sei, Synergien zu nutzen, sowie die projektspezifischen, verschiedenen Nutzergruppen zu berücksichtigen. Wenn diese Dinge beachtet würden, so Dietachmair, könne dies zu einer positiven Wahrnehmung
der Kultur und der Landschaft beitragen.
Nadja Häupl stellte fest, dass in der Vielfalt der Sprecher der Session D - vom Architekten über Beobachter bis zum Gemeindepräsidenten - die Tiefe des Themas sehr gut abgedeckt wurde. Peter Zoderer sei
auf den Punkt Energieeffizienz eingegangen und habe verdeutlicht, dass auch Flächenverbrauch und
Nutzerdichte beachtet werden müssten. Zoderer habe die Frage aufgeworfen, ob ein Einfamilienhaus
überhaupt nachhaltig sein könne. In seinen Augen brauche es auch in den Alpen mehr genossenschaftlichen Wohnungsbau, welcher jedoch mit einer hohen Qualität des öffentlichen Freiraums einhergehen
müsse. Markus Berchtold-Domig und Etienne Vienot hätten sich mit den Kernfragen befasst, ob und wie
man Standards harmonisieren könne und welche Indikatoren und räumliche Maßstäbe gelten sollten. Der
Vortrag habe verdeutlicht, dass noch mehr diskutiert werden müsse, in welchem Grad Harmonisierung
sinnvoll sei. Emil Müller aus Zernez habe insbesondere die Umsetzung eines Energiekonzepts mit der
Bürgerschaft in den Vordergrund gestellt. Dabei seien einfache Kommunikationsmittel wichtig, um die
Bevölkerung zu motivieren. Nadja Häupl fand es besonders interessant, wie Emil Müller darstellte, dass
der Erfolg eines Projekts, trotz Rückhalt und Zuschüssen, abhängig sei vom wirtschaftlichen und politischen Umfeld wie etwa der Wasserkraft oder vom Heizölpreis.
Roberto Lollini brach den Inhalt der Session E auf die kurze, aber komplexe Frage herunter, wie man
Nachhaltigkeit umsetzen könne. Selbstverständlich gehe es dabei um klimatische Faktoren und um Ressourcen. Daneben spielten aber auch die Unternehmen eine große Rolle, wie Stefano Prosseda aufgezeigt habe. Wie können beispielsweise Innovationsprozesse angestoßen werden und wo können Unternehmen investieren? Die Session E habe außerdem gezeigt, dass die Komplexität der Berechnungsmethoden die Umsetzung erschwere. Die Bewertung sei aus dem Kontext zu entwickeln. Zudem müsse der
Komfort in die Bewertung einfließen. Es seien Dienstleistungen zu entwickeln, die speziell die Zertifizierungs- und Anfangsphase abdeckten. Für eine gute Qualität im Bauwesen brauche es diese Unterstützung in energetischen Themen. Lollini erwähnte abschließend sechs Punkte, die ihm in Bezug auf seine
Session entscheidend erschienen.
1.
Einfachheit, das heißt, dass die Systeme und Prozesse verständlich gemacht werden sowie
die Instandhaltung in die Berechnung einbezogen wird
2.
Robustheit
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 18
3.
Flexibilität in Bezug auf die Zweckbestimmung eines Gebäudes und auf das Klima
4.
Machbarkeit im Sinne einer Ausgewogenheit zwischen Zeit und Nutzen. Dazu könnten
Business Modelle für Energieeffizienz beitragen
5.
Prüfbarkeit: Projekte sollen über theoretische Modelle, aber auch über Monitoring überprüft
werden, um dadurch zu besseren Lösungen zu gelangen
6.
Ein multi-disziplinärer Denk- und Arbeitsansatz sowie das Einbeziehen von allen Beteiligten
im Sinne einer Partizipation sind für die Entwicklung und Umsetzung von NiedrigstenergieMaßnahmen zwingend erforderlich.
4
Kurzzusammenfassung der Stakeholder
Abbildung 10: v.l.n.r.: Florent Moretti, Wolfgang Thaler, Saša Galonja, Peter Büchel; Florent Moretti; v.l.n.r.: Wolfgang Thaler, Saša Galonja, Peter Büchel, Günther Hoffmann
Florent Moretti vom Französischen Ministerium für Wohnungsbau und territoriale Gleichheit begann seinen Vortrag mit einer Zusammenfassung der klimapolitischen Ziele in Frankreich. Dabei sei die Reduktion
von Atomstrom von oberster Priorität, außerdem solle der generelle Strombedarf reduziert werden und
Plusenergiehäuser gefördert werden.
Moretti wies darauf hin, dass für Investitionen im Gebäudesektor nicht allein der Heizwärmebedarf relevant sei. Eine Vernetzung von Gebäuden in der Stadt sei ebenso wichtig wie die individuelle Energieeffizienz im Gebäude. Auch müsse an Gebäuden die CO2 Bilanz von Baustoffen betrachtet werden. Dabei
hätten biogene Baustoffe für das zukünftige Bauen ein großes Potential.
Als Maßnahmen für die energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands verwies Moretti auf drei relevante Aspekte:
-
Durch Beratung und neues Lobbying müssten neue Plattformen geschaffen werden, die über
nachhaltiges Bauen aufklären.
-
Finanzierungsmodelle müssten etabliert werden, um nachhaltiges Bauen zu ermöglichen.
-
Das Nutzerverhalten müsse zukünftig eine größere Rolle für die Auswahl der Energiesysteme
spielen.
Moretti gewährte mit seinem Vortrag einen Einblick in die klimapolitischen Ziele für den Gebäudesektor
und forderte zu einer aktiven Teilnahme an der Energiewende auf.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 19
Wolfgang Thaler von der italienischen Architektenkammer stellte in seinem Vortrag zunächst die Provinz
Bozen und Südtirol vor.
Zum Thema energetische Maßnahmen an Gebäuden nannte Thaler konkrete Schritte in Richtung energieeffizientes Bauen in Italien. Dabei sei besonders die „klimahaus“ Initiative zu erwähnen.
Mit einem Rückblick auf Kulturgrund und Raumplanung in Bozen verwies Thaler auf das enorme Potential
für energetische Sanierungen des Gebäudebestands in der Region Bozen. Für den Raum Südtirol könne
dies insbesondere durch Gebäudeerweiterungen und Aufstockungen umgesetzt werden. Bauherren
müssten dabei nicht einmal groß finanzieren – sie müssten lediglich eine Aufstockung an ihrem Gebäude
zulassen.
Eine weitere Maßnahme zum Umweltschutz im Bauwesen sah Thaler im Einsatz wiederverwertbarer Materialien. Mit einer Gesetzeseinführung, welche vorschreibt, 15% aller Baumaterialen müssten im Neubau
wiederverwertbar sein, sieht Thaler ein weiteres Potential für eine nachhaltige Baukultur im Südtiroler
Raum.
Saša Galonja vom slowenischen Ministerium für Umwelt und Raumplanung gewährte mit seinem Vortrag
einen Einblick in die slowenische Baukultur und deren Gesetzgebung.
Dabei wurden die gesetzesmäßigen Anforderungen an die thermische Gebäudehülle und an den Einsatz
erneuerbarer Energien im Gebäudesektor vorgestellt. Außerdem sei die Anforderung, Holz im Gebäude
zu verbauen, maßgebend für einen Trend zur Holzbauweise. Interessant sei diese Anforderung insbesondere darum, weil auch die traditionelle slowenische Bauweise fast ausschließlich Holz als Werkstoff
benutzte. Nach ca. 200 Jahren anderer Bauweisen sei nun wieder ein Trend zur Holzbauweise erkennbar.
Galonja erklärte, dass für Gebäudesimulationszwecke und zum Zwecke der Forschung in Slowenien
Klimadaten aufgezeichnet und ausgewertet werden würden. Hierdurch sei ein merklicher Anstieg des
Klimas innerhalb der letzten 30 Jahre erkennbar. Gestützt von Fonds für energieeffizientes Bauen
registriere man in Slowenien ein erhöhtes Aufkommen von Gebäudesanierungen – insbesondere in Geschosswohnungsbauten. Galonja verwies aber auch auf Probleme in der slowenischen Energiewende.
So werden Investitionen primär von wohlhabenden Gebäudebesitzern getätigt. Einkommensschwächere
Haushalte müssten für die energetische Gebäudesanierung besser unterstützt werden. Es sei außerdem
schwierig, ein Verständnis für eine nachhaltige Bauweise zu vermitteln, da bisweilen Nachhaltigkeit und
Energieeffizienz als Synonyme verstanden würden.
Für die besondere Situation der alpinen Region verwies Galonja auf die folgenden Arbeitsfelder:
-
Sanierung des Gebäudebestands
-
Schulung der Bevölkerung im Bereich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
-
Förderung von Holzbauten
-
Menschen müssten in der Region gehalten werden
-
Ausbau von Telekommunikationssystemen
-
Energieautarkie für Alpenbauten.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 20
Peter Büchel vom Club Arc Alpin e.V. stellte in seinem Vortrag über Alpenhütten die These auf, Berg
und Tal könnten voneinander lernen. Dabei seien vor allem die Technologievielfalt im Tal und die
Robustheit und Flexibilität von Alpenhütten relevant. Thaler betonte die Wichtigkeit sich interdisziplinär
auzutauschen.
Die Alpenbaukonferenz diene dabei als gute Plattform, um verschiedene Fachdisziplinen zu diskutieren
und dabei voneinander zu lernen. Auch Alpenhütten seien ein gutes Beispiel des interdisziplinären Planens. Transportbedingt werden Alpenhütten mehrheitlich aus Holz gebaut, das Knowhow zum Bau
komme aus dem Tal. Die Monte Rosa Hütte verkörpere einen Ansatz des Suffizienten Bauens.
Büchel rief außerdem Planer dazu auf, ehrlich zu sein, insbesondere bei der Diskussion zu passiven und
aktiven Gebäudekomponenten. Ein einziges Prinzip sei dabei nicht zwingend erstrebenswert. Passive
und aktive Gebäudekomponenten könnten sehr gut, und müssten sogar teilweise, zusammen funktionieren.
Weiter verdeutlichte Büchel sehr anschaulich, wie energieeffektiv gedacht werden kann. Bei Alpenhütten
mache die Bereitstellung der Gebäudeenergie lediglich 1 % des gesamten Energieverbrauchs aus, den
ein Besucher für dessen Erholungstätigkeit benötigt. Dabei stünden mindestens 90 % des Energieverbrauchs in Form eines Autos im Tal.
Günther Hoffmann, Ministerialdirektor und Leiter der Bauabteilung im Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bekräftigte mit einem abschließenden Statement zur Alpenbaukonferenz, dass der Themenschwerpunkt der Alpenbaukonferenz „Niedrigstenergiegebäude“ richtig gesetzt sei.
Man merke, dass die Diskussion nicht nur technisch geführt werde, sondern ebenfalls andere Themenschwerpunkte bediene. Hoffmann forderte auf, die Diskussion um Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft weiterzuführen und dabei insbesondere die Themenbereiche Lebenszyklusbetrachtung und graue Energie zu vertiefen.
Die Alpenregion könne dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, da diese als eine Region der Extreme gelte.
Die Diskussion im Alpenraum bringe bauliche Problemstellungen auf den Punkt (scherzhaft: auf die
Spitze) und finde Lösungen dafür.
Mit dem Statement, man solle über gute Beispiele sprechen und schlechte Beispiele nicht verschweigen,
gab Hoffmann ein positives Feedback zu den vorangegangenen Vorträgen. Er resümierte, es gelte weiterhin Wohnraum zu schaffen, systemisch, ressourceneffizient und kostenbewusst zu bauen und dabei
den Klimaschutz voranzutreiben.
Hoffmann beendete seinen Vortrag mit der Ermutigung an die Anwesenden zum Weiterreden, Weiterdenken, Weitermachen!
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 21
5
Diskussion
Abbildung 11: Fragen aus dem Publikum und Antworten vom Podium; Pinnwände mit Fragen/Anmerkungen
Nach den Vorträgen wurde im Rahmen einer Diskussion auf Fragen aus dem Publikum näher eingegangen. Im Folgenden werden die wichtigsten Kernpunkte der Diskussion zusammengefasst:
Mobilität und Zersiedelung im Alpenraum
Aus der Überlegung, dass durch die stark flächige und disperse Besiedlung der Alpen sehr viel Energie
für Mobilität aufgewendet wird, entstand die Frage, ob eine Rücksiedlung denkbar wäre. Nach Meinung
der Referenten ist eine systematische Rücksiedlung definitiv nicht vertretbar. Eine Rücksiedlung in zentralere Lagen wäre fatal für die Infrastruktur der Alpen, deren Durch- und Überquerungsmöglichkeiten
sowie Übernachtungsmöglichkeiten absolut abhängig von Besiedlung sind. Kleine Siedlungen schafften
Netze der Kommunikation, der Energieversorgung und der Absicherung. Bestehende Dörfer und
Gemeinden hätten folglich uneingeschränkte Relevanz. Darüber hinaus stelle das Siedeln in den Alpen
einen hohen kulturellen Wert dar. Der Energieaufwand für Mobilität könne vielmehr durch Infrastrukturprojekte und zentrale Versorgungseinheiten wie Schulen, Wärmeerzeugung und anderes reduziert werden. In diesem Bereich existierten bereits mehrere Pilotprojekte.
Suffizienz als Leitgedanke für Entwicklungen im Alpenraum
In der Folge wurde über die Frage diskutiert, ob eine Debatte über bedeutende Veränderungen aufgrund
von Energiefragen überhaupt moralisch vertretbar sei, da es trotz allem um die Existenz der Bewohner
dieser Regionen gehe. Mit großer Akzeptanz und Relevanz wurde die Frage aus dem Publikum betrachtet, ob die Alpenregion tatsächlich noch mehr Stauseen und Flächen für Energieinfrastruktur benötige,
beziehungsweise ob bei deren Anlegen nicht die Ortsgebundenheit vieler dort lebender Menschen verletzt würde. Sowohl die Referenten als auch das Publikum sahen hiervon den Tourismus im Besonderen
betroffen. Man müsse den Sprung schaffen vom Massentourismus zu einem Qualitätstourismus. In diesem Zusammenhang wurde über Suffizienz gesprochen und darüber, dass der Ausspruch „Less is more“
auch für den Alpentourismus gelte. Hier sei das eigene Anspruchsdenken jedes einzelnen Alpenurlaubers
zu überdenken.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 22
Die Erwähnung des Suffizienzgedankens warf die Frage auf, wie das Prinzip der Suffizienz zukünftig
besser vertreten werden könne, da dieses doch stets einhergehe mit dem Begriff „weniger“.
Die Lösung wurde hier in einer Überzeugung der Bevölkerung gesehen. Es wäre wichtig, dass den
Bewohnern der Alpen ebenso wie den alpinen Urlaubern bewusst wäre, dass Reduzierung und Entschleunigung ein Gewinn sein können. Hier tauchte erneut ein Verweis auf das Wort „Qualitätstourismus“
auf.
Gesetzliche Vorgaben im Konflikt mit neuen Entwicklungen
Aus dem Publikum wurde die Feststellung geäußert, dass Planer, Bauherren, Institutionen etc. im
Bereich der Regularien häufig an die von den Ländern selbstgeschaffenen Grenzen stoßen würden. Was
könne man also verändern, damit das normative System besser funktioniert?
Hierzu kamen zwei Lösungsansätze zur Sprache. Zum einen sei beispielsweise in Italien festzustellen,
dass sich in den letzten 60 Jahren viele Instrumente betreffend Messung, Aufzeichnung und Zertifizierung
von Bauprojekten und Energiethematiken geändert hätten. Es müssten demnach nicht Regularien neu
erfunden werden, vielmehr müssten die Instrumente neu eingesetzt werden. Mit neuen Messinstrumenten
entstünden dabei neue Lösungen. Zum anderen wurde Kommunikation als eine Stellschraube in diesem
Bereich angesprochen. Etwa der Verband von Architektenkammern verschiedener Länder in Südtirol befördere einen solchen Dialog, mit dem Regularien neu beeinflusst werden könnten.
Bedürfnisse des Nutzers im Konflikt mit energetischer Optimierung
Ein wichtiges Anliegen der Zuhörerschaft war es außerdem, auf den Bewohner respektive Nutzer als den
eigentlichen Beweggrund für einen architektonischen Entwurf näher einzugehen. Es sei festzustellen,
dass durchaus Nutzungs- und Interessenskonflikte insbesondere bei energetisch vorbildlich ausgeführten
Gebäuden auftreten können. Hierbei wurden beispielsweise emotionale und gesundheitliche Aspekte angesprochen, die gegen die Installation von Photovoltaik auf dem Dach des eigenen Hauses sprächen.
Unter den gleichen Gesichtspunkten wie andere gesundheitsbeeinträchtigende Eigenschaften von Gebäuden, etwa das „Sick Building Syndrome“ oder Auswirkungen durch die Luftqualität, sollten auch die
Folgen eines „Solarkraftwerks“ in direkter Nähe des Schlafplatzes untersucht werden. Aus dieser Diskussion wurde erkenntlich, dass Referenten wie Gäste dieses Thema als besonders wichtig erachten und
die Debatte über den Menschen im Mittelpunkt bei energetischen Themen befördert werden sollte.
Anmerkungen zur Konferenz im Allgemeinen
Im Laufe der Diskussion kam die Anmerkung zur Sprache, dass auf den Podiumsplätzen auffallend wenige Frauen zu sehen seien. Es wäre interessant, hier zukünftig ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis zu schaffen, da dies eine andere Argumentationsstimmung in die Debatte einbringen könne.
Des Weiteren wurde vorgebracht, dass bei einer nächsten Alpenbaukonferenz der alpine Kontext in Bezug auf Gebäude noch näher betrachtet werden sollte. Dabei sei nicht nur der landschaftliche oder städtebauliche Kontext interessant, sondern auch lokale Fähigkeiten, Infrastrukturen und lokale Mobilität
spielten eine Rolle. Beispielsweise aus dem 2000-jährigen Umbau der Stadt Garmisch lasse sich eventuell eine Entwicklung für die nächsten 40 Jahre prognostizieren.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 23
Anhang .
A Kurzfassung des Berichts
1
Vorbemerkungen
Das internationale Abkommen der Alpenkonvention entstand zwischen den acht Alpenstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz und Slowenien sowie der Europäischen Union und verfolgt das Ziel, die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums zu fördern.
Die Bundesrepublik Deutschland hat anlässlich der XIII. Alpenkonferenz am 21. November 2014 in Turin
von Italien den Vorsitz der Alpenkonferenz übernommen. Der deutsche Vorsitz endet mit der XIV. Alpenkonferenz am 13. Oktober 2016 auf der Insel Herrenchiemsee. Als Teil des Programms des deutschen
Vorsitz fand am 16./17.03.2016 in Garmisch-Partenkirchen die "1st Alpine Building Conference: Towards
Net Zero Energy Buildings (NZEB)“ statt. Organisiert wurde die Konferenz vom Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gemeinsam mit der Bayerischen Architektenkammer, der Technischen Universität München und mit Unterstützung des Ständigen Sekretariats der
Alpenkonvention.
Im Rahmen der Konferenz sollten die Themenfelder "Niedrigstenergiegebäude" und „nachhaltige Quartiere“ im Zusammenhang mit dem Bauen im Alpenraum dargestellt und erörtert werden, um hieraus Impulse für die weitere Zusammenarbeit der Alpenstaaten zu Bauthemen sowie zur nationalen Umsetzung
des Niedrigstenergiegebäude-Standards zu geben. Vor dem Hintergrund der spezifischen Eigenheiten
des Alpenraums waren topographische, klimatische, kulturelle sowie materialbezogene und handwerkliche Aspekte unter Beachtung der im Alpenraum vorhandenen vielfältigen, regionalen Baukultur besonders zu berücksichtigen.
Die Konferenz bot für die Alpenländer die Gelegenheit für einen grundlegenden Austausch zu Erfahrungen und Best-Practice-Bespielen sowohl im Neubaubereich als auch der Modernisierung und Renovierung von Bestandsgebäuden. Zudem wurde die Entwicklung zukunftsfähiger Konzepte für Stadtquartiere
sowohl im Bereich des Stadtumbaus als auch der Neuentwicklung von Siedlungen besonders berücksichtigt. Die Beiträge aus den Mitgliedsstaaten der Alpenkonvention zielten daher darauf ab, Strategien
und Lösungsansätze vorzustellen, die vor dem Hintergrund der lokalen Baukultur die Umsetzung von
Niedrigstenergie-Gebäuden und –Quartieren unterstützen.
Neben den Vorträgen von international anerkannten Fachleuten wurde der interdisziplinäre Austausch
zwischen Entscheidungsträgern auf gesellschaftlich-politischer Ebene, Architekten, Planern und Ingenieuren sowie Vertretern aus der Forschung gefördert. Im Rahmen einer breit angelegten Diskussion wurden die Konferenzteilnehmer in die Auseinandersetzung mit den genannten Fragestellungen aktiv eingebunden.
Insgesamt besuchten die Konferenz über 250 Teilnehmer aus den Ländern Deutschland, Österreich,
Schweiz, Italien, Frankreich, Liechtenstein, Slowenien, Slowakei und Großbritannien.
Die aus dieser ersten Alpenbaukonferenz gewonnenen Erkenntnisse und Empfehlungen werden in einem
eigenständigen Dokument zusammengefasst.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 24
2
Eröffnung
Hans-Dieter Hegner, Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit, eröffnete die Konferenz. Er wies auf ihre Wichtigkeit hin insbesondere im Hinblick auf
die Neufassung der EU Richtlinie zur Niedrigstenergiegebäuderegelung, welche ab 2021, beziehungsweise bereits ab 2019 für Bauten der öffentlichen Hand, umzusetzen ist. Der Fokus der Konferenz liege
auf den Themen Neubau und Modernisierung. Der Themenbereich Niedrigstenergiegebäude könne dabei
nicht unabhängig von Baukultur betrachtet werden. Hegner erhoffte sich durch die Konferenz einen langfristigen Austausch in diesem Bereich zu initiieren.
Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass das
Thema Bauen bereits seit Gründung der Alpenschutzkonvention in deren Diskurs eine wichtige Rolle
spiele und fest im Themenbereich Energie verankert sei. Er sieht ein großes Verbesserungspotenzial im
Hinblick auf das nachhaltige Bauen in den Alpen. Dieses Potential könne u.a. über Wettbewerbe und
Preise durch die hierdurch unterstützte Bewusstseinsbildung der Bevölkerung genutzt werden. Er
wünsche sich einen regen Expertenaustausch und hoffe auf eine Fortsetzung der Veranstaltung in den
kommenden Jahren.
Andreas Kronthaler von der Obersten Baubehörde Bayern erläuterte im Rahmen seiner Begrüßung, in
welchen Bereichen des energieeffizienten Bauens Bayern bereits heute herausragende Initiativen und
realisierte Projekte vorzuweisen hat. Energiethemen spielen in der Wohnbauförderung und der Städtebauförderung sowie in Sonderbauprogrammen eine wichtige Rolle.
Rudolf Scherzer, Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer, wies in seiner Rede auf die Dringlichkeit hin, die mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie dem Thema des energieeffizienten Bauens
zukommt. Dabei müsse insbesondere der Einbezug der Infrastruktur und des Umfelds, der grauen Energie sowie der Einfluss der Nutzer diskutiert werden. Die Alpen bildeten dabei als infrastrukturell und kulturell komplexer Raum eine gute Diskussionsgrundlage.
Werner Lang, TUM betonte, dass es im alpinen Raum im Besonderen darum gehe, individuelle und lokal
auf die jeweils vorhandenen Bedingungen angepasste Antworten auf verschiedenen Maßstabsebenen
sowohl für den Neubau als auch den Bestand zu finden. Vor diesem Hintergrund wurden die Themenbereiche der Konferenz im Hinblick auf die Key-Note Präsentationen und auf die 5 Sessions angelegt.
3
Präsentationen / Sessions
3.1 Key-Note Präsentation „High Comfort – Low Impact“ von Thomas Auer,
Transsolar Stuttgart, D
Thomas Auer führte aus, dass die historische Baukultur der Alpen zeigt, wie vor dem Hintergrund eines
nutzerbezogenen Ansatzes energetische Aspekte seit jeher in die Bauten im Alpenraum eingeflossen
sind. Aus Gründen der Ressourcenknappheit mussten effiziente Lösungen gefunden werden, die unter
Einsatz der vorhandenen Materialien und Beachtung des lokalen Klimas durch intelligente Grundrisse
und eine maßgeschneiderte Raumgestaltung das Überleben unter schwierigsten Rahmenbedingungen
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 25
über Jahrhunderte hinweg ermöglichten. Heute stelle sich die Frage, wie man den nächsten Schritt in
Richtung Nullenergiegebäude schaffen kann, ohne die historische Baukultur der Alpen zu vernachlässigen.
3.2 Session A - Niedrigstenergiegebäude und Baukultur
Session Chairman Martin Ploss resümierte die Session A in Form von vier Punkten. Punkt eins stellte die
Frage dar, wie Architektur, Ortsplanung und Energieeffizienz zusammen funktionieren können. Die Immobilienwirtschaft wünsche eine Nicht-Reglementierung und kritisiere teilweise Gestaltungsbeiräte. Es
gehe hierbei darum, den Konflikt zu entschärfen zwischen der Immobilie als Wirtschaftsfaktor auf der
einen Seite und als Architektur und Teil des Ortsbilds auf der anderen Seite.
Punkt zwei bildete laut Ploss der Zusammenhang zwischen der energetischen Qualität eines Gebäudes
und den Nutzeransprüchen. Hier gelte es, das Thema Suffizienz intensiv aufzugreifen und entsprechend
zu handeln. Zudem sei es wichtig, im Zusammenhang mit Berghütten die zeitlich begrenzte Bewirtung
und Nutzung der Hütten im Rahmen des gewählten Energie- und Betreiberkonzepts zu beachten und aus
den extremen Bedingungen in Alpenlagen zu lernen.
Als dritten Punkt nannte Ploss den Einfluss des Energiemarkts auf das einzelne Gebäude ebenso wie
den Einfluss eines Gebäudes auf den gesamten Energiemarkt. Es sei eine hohe energetische Qualität
nötig, wenn der Strombedarf gedeckelt werden solle. Energiesparmaßnahmen seien deshalb unumgänglich, da zur erneuerbaren Erzeugung des aktuellen Strombedarfs schlichtweg nicht genügend Fläche zur
Verfügung steht.
Schließlich sprach Ploss als vierten Punkt die Wirtschaftlichkeit an. Der Versuch der Kostenminimierung
verhindere viele Maßnahmen. Deshalb seien weitergehende Kosten-Nutzen-Analysen nötig, welche alle
Phasen des Lebenszyklus eines jeden Gebäudes einbeziehen. So würde sich zeigen, dass energiesparendes Bauen, etwa auf dem Level des Passivhausstandards, nicht unwirtschaftlich sei.
3.3 Session B - Nachhaltiges Bauen im Bestand
Oliver Heiss verdeutlichte in seiner Zusammenfassung der Session B, dass es sich speziell in den Alpen
um bautechnisch extreme Situationen handle, für die Lösungen anderer Art gefragt seien als in anderen
Gegenden. Es gäbe gerade auch hier technische und konstruktive Konzepte, die energetisch hervorragende Gebäude auch im Plusenergiestandard ermöglichten.
Der Architekt Muck Petzet sei diesbezüglich der Frage nach den System- bzw. Betrachtungsgrenzen
nachgegangen. Petzet habe betont, dass der Bestand als Wert in die Rechnung mit einzubeziehen sei.
Es gehe nicht um die Frage, wie effizient wir seien, sondern wie effektiv, so Petzet.
Lauranne Marcel und Cédric Delahais aus Frankreich haben laut Heiss Lösungen für Niedrigstenergiegebäude gefunden, indem sie eine lokale und kleinteilige Typologisierung vorgenommen hätten. Sie hätten deutlich gemacht, dass die Bedeutung der Nutzer in die Berechnungen aufzunehmen sei. Die Frage
sei hierbei, ob die Technik dem Nutzer helfe oder der Nutzer der Technik.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 26
Peter Haimerl schließlich habe hervorgehoben, dass jedes Gebäude es wert sei, im Kontext seiner Vergangenheit betrachtet zu werden. In den aktuellen Berechnungssystemen spielten Geschichte, Ort und
Personen bisher überhaupt keine Rolle, weshalb gemäß Haimerl eine Überarbeitung dieses Ansatzes
und Neubewertung des Gebäudebestands angebracht wäre.
3.4 Session C - Strategien für Klimagerechte Quartiere
Jakob Dietachmair erklärte im Rückblick auf Session C, dass diese sich besonders durch die Zusammensetzung aus Vertretern der Gemeindeebene, Länderebene und nationaler Ebene ausgezeichnete,
wodurch neue Zusammenhänge aufgezeigt werden konnten.
Dietachmair präsentierte drei zentrale Diskussionspunkte. Der erste Punkt sei die Wichtigkeit der Kommunikation und ihre sehr frühe Integration in den Entwurfsprozess. Als Beispiel für eine gelungene Kommunikation könnten etwa die Maßnahmen in Zwischenwasser gesehen werden, wozu die Energieplakette
oder ein Dorffest gehören.
Der zweite Punkt sei, dass eine Gemeinde und auch die Regionen Visionen brauchen, die für jedes neue
Projekt immer wieder überprüft werden müssen.
Drittens hätten die Referenten verdeutlicht, dass es wichtig sei, Synergien zu nutzen sowie die projektspezifischen verschiedenen Nutzergruppen zu berücksichtigen. Wenn diese Dinge beachtet würden, so
könne dies zu einer positiven Wahrnehmung der Kultur und der Landschaft beitragen.
3.5 Session D - Niedrigstenergiequartiere: Bauen im Bestand
Nadja Häupl stellte fest, dass in der Vielfalt der Sprecher der Session D - vom Architekten über
Beobachter bis zum Gemeindepräsidenten - die Tiefe des Themas sehr gut abgedeckt wurde.
Peter Zoderer sei auf den Punkt Energieeffizienz eingegangen und habe verdeutlicht, dass auch Flächenverbrauch und Nutzerdichte beachtet werden müssten. Zoderer habe die Frage aufgeworfen, ob ein Einfamilienhaus überhaupt nachhaltig sein könne. In seinen Augen brauche es auch in den Alpen mehr
genossenschaftlichen Wohnungsbau, welcher jedoch mit einer hohen Qualität des öffentlichen Freiraums
einhergehen müsse.
Markus Berchtold-Domig und Etienne Vienot hätten sich mit den Kernfragen befasst, ob und wie man
Standards harmonisieren könne und welche Indikatoren und räumliche Maßstäbe gelten sollten. Der Vortrag habe verdeutlicht, dass noch mehr diskutiert werden müsse, in welchem Grad Harmonisierung sinnvoll sei.
Emil Müller aus Zernez habe insbesondere die Umsetzung eines Energiekonzepts mit der Bürgerschaft
in den Vordergrund gestellt. Dabei seien einfache Kommunikationsmittel wichtig, um die Bevölkerung zu
motivieren.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 27
3.6 Key-Note Präsentation „Contextual Architecture“ von Hermann Kaufmann,
Schwarzach, A
Hermann Kaufmann machte in seiner Keynote deutlich, dass beim Bauen im alpinen Raum die Auseinandersetzung mit dem Ort an vorderster Stelle stehen muss. Dabei gehe es nicht nur um die Materialisierung und die Rohstoffe, sondern vor allem darum, an die alpine Kultur anzuknüpfen und eine Integration in die landschaftliche Situation zu erreichen. Hierbei stellten traditionelle Gebäude eine Leistungsschau für Baukultur und handwerkliche Fertigkeit dar.
Heute gehe es darum, diese Baukultur weiterzuentwickeln. Kaufmann stellt sich darunter weder ein Kopieren der historischen Elemente noch einen radikalen Bruch vor. Er plädiert für eine neue Tradition des
alpinen Bauens, ein traditionelles Bauen mit Kontrasten. Dies gelte auch für die Energieeffizienz. Mit
Massivholz könne man beispielsweise eine hohe Speichermasse und ausgezeichnete Wärmedämmung
erreichen. In den Alpen sei es entscheidend, mit Konstruktion und Materialisierung auf die klimatischen
Bedingungen zu reagieren. Zudem dürfe nicht nur Energieeffizienz im Vordergrund stehen, sondern auch
andere Faktoren wie der Schutz des biologischen und landschaftsbezogenen Umfelds müssten respektiert werden.
3.7 Keynote-Präsentation „Building in the Alps – Sustainable Regionality“ von Andreas Gottlieb Hempel, Brixen, I
Andreas Hempel machte anhand zahlreicher Beispiele auf die Entstehung, Wirkung und Bedeutung der
traditionellen Bauweise der Alpenregion aufmerksam. Die wesentlichen architektonischen Elemente sind
in der traditionellen Architektur ausschließlich aus klimatischen Notwendigkeiten heraus entstanden.
Ganz gegensätzlich dazu verhalte sich die momentane Bauaktivität in einer sich wandelnden Alpenregion. Es sei vermehrt erkennbar, wie sich Landschaften urbanisieren, wie Tourismus und Verkehr die
Regionen prägen und wie eine unaufmerksame Architektur zunimmt, im Sinne einer globalisierten
Moderne. Hempel sieht es als großen Verlust, dass die regionale Baukultur zunehmend vernachlässigt
wird. Es sei an der Zeit, Elemente wie Lokalität, bestehende Gebäudeensembles und Naturlandschaften
in den Fokus der Architektur von Alpenbauten zu stellen.
3.8 Session E - Ganzheitliche Gebäudeplanung und Zertifizierungssysteme
Roberto Lollini brach den Inhalt der Session E auf die kurze, aber komplexe Frage herunter, wie man
Nachhaltigkeit umsetzen könne. Wie können beispielsweise Innovationsprozesse angestoßen werden
und wo können Unternehmen investieren? Die Komplexität der Berechnungsmethoden erschwert die Anwendung dieser Methoden. Zudem muss die Bewertung alternativer Maßnahmen zur Steigerung der
energetischen Qualität von Gebäuden aus dem Kontext heraus entwickeln. Zudem müsse der Komfort in
die Bewertung einfließen. Es seien Dienstleistungen zu entwickeln.
Sechs Punkte seien im Rahmen der Session besonders deutlich geworden:
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 28
1.
Einfachheit, das heißt, dass die Systeme und Prozesse verständlich gemacht werden sowie
die Instandhaltung in die Berechnung einbezogen wird.
2.
Robustheit.
3.
Flexibilität in Bezug auf die Zweckbestimmung eines Gebäudes und auf das Klima.
4.
Machbarkeit im Sinne einer Ausgewogenheit zwischen Zeit und Nutzen. Die Entwicklung von
Businessmodellen für die Umsetzung von energetischen Maßnahmen könnten hier zielführend sein.
5.
Prüfbarkeit: Projekte sollen über theoretische Modelle, aber auch über Monitoring überprüft
werden, um dadurch zu besseren Lösungen zu gelangen.
6.
Ein multi-disziplinärer Denk- und Arbeitsansatz sowie das Einbeziehen von allen Beteiligten
im Sinne einer Partizipation sind für die Entwicklung und Umsetzung von NiedrigstenergieMaßnahmen zwingend erforderlich.
4
Statements der Stakeholder
Florent Moretti vom Französischen Ministerium für Wohnungsbau und territoriale Gleichheit begann seinen Vortrag mit einer Zusammenfassung der klimapolitischen Ziele in Frankreich. Dabei sei die Reduktion
des Anteils von Atomstrom von oberster Priorität. Außerdem solle der Strombedarf reduziert werden und
Plusenergiehäuser gefördert werden.
Für Investitionen im Gebäudesektor sei nicht allein der Heizwärmebedarf relevant; vielmehr sei eine energetische Vernetzung von Gebäuden auf quartiersbezogener Ebene notwendig. Auch müsse die CO2 Bilanz von Baustoffen betrachtet werden. Dabei hätten biogene Baustoffe für das zukünftige Bauen ein
großes Potential.
Als Maßnahmen für die energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands verwies Moretti auf drei relevante Aspekte:
-
Durch Beratung und neues Lobbying müssten neue Plattformen geschaffen werden, die über
nachhaltiges Bauen aufklären.
-
Finanzierungsmodelle müssten etabliert werden, um nachhaltiges Bauen zu ermöglichen.
-
Das Nutzerverhalten müsse zukünftig eine größere Rolle für die Auswahl der Energiesysteme
spielen.
Wolfgang Thaler von der italienischen Architektenkammer stellte das enorme Potential für energetische
Sanierungen des Gebäudebestands in der Region Bozen dar. Für den Raum Südtirol könne dies insbesondere durch Gebäudeerweiterungen und Aufstockungen umgesetzt werden. Bauherren müssten dabei
nicht einmal groß finanzieren – sie müssten lediglich eine Aufstockung an ihrem Gebäude zulassen.
Eine weitere Maßnahme zum Umweltschutz im Bauwesen sah Thaler im Einsatz wiederverwertbarer Materialien. Mit einer Gesetzeseinführung, welche vorschreibt, 15% aller Baumaterialen müssten im Neubau
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 29
wiederverwertbar sein, sieht Thaler ein weiteres Potential für eine nachhaltige Baukultur im Südtiroler
Raum.
Saša Galonja vom slowenischen Ministerium für Umwelt und Raumplanung gewährte mit seinem Vortrag
einen Einblick in die slowenische Baukultur und deren Gesetzgebung.
Dabei wurden die gesetzesmäßigen Anforderungen an die thermische Gebäudehülle und an den Einsatz
erneuerbarer Energien im Gebäudesektor vorgestellt. Außerdem sei die Anforderung, Holz im Gebäude
zu verbauen, maßgebend für einen Trend zur Holzbauweise. Gestützt von Fonds für energieeffizientes
Bauen registriere man in Slowenien ein erhöhtes Aufkommen von Gebäudesanierungen – insbesondere
in Geschosswohnungsbauten. Einkommensschwächere Haushalte müssen zur Durchführung von Maßnahmen für die energetische Gebäudesanierung besonders unterstützt werden. Hierzu gehöre auch die
Schulung der Bevölkerung im Bereich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sowie die Förderung von Holzbauten.
Peter Büchel vom Club Arc Alpin e.V. stellte in seinem Vortrag über Alpenhütten die These auf, Berg
und Tal könnten voneinander lernen. Dabei seien vor allem die Technologievielfalt im Tal einerseits und
die Robustheit und Flexibilität von Alpenhütten andererseits relevant. Thaler betonte die Wichtigkeit eines
interdisziplinären Austauschs, wofür Alpenhütten ein gutes Beispiel seien. Im Rahmen von Energiefragen
im Bauen sei Offenheit bei der Diskussion von passiven gegenüber aktiven Maßnahmen besonders wichtig; die Reduktion auf ein einziges Prinzip sei dabei nicht zwingend erstrebenswert. Zudem wies Büchel
auf die Notwendigkeit einer gesamtheitlichen Sichtweise hin. Bei Alpenhütten mache die Bereitstellung
der Gebäudeenergie einen verschwindend geringen Anteil des gesamten Energieverbrauchs eines Besuchers für dessen Erholungstätigkeit aus. Weitaus höher sei der Anteil des Energieverbrauchs für Verkehrsbewegungen im Tal.
Günther Hoffmann, Ministerialdirigent und Leiter der Bauabteilung im Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bekräftigte mit einem abschließenden Statement zur Alpenbaukonferenz, dass der Themenschwerpunkt der Alpenbaukonferenz „Niedrigstenergiegebäude“ richtig gesetzt sei.
Man merke, dass die Diskussion nicht nur technisch geführt werde, sondern soziale, wirtschaftliche und
kulturelle Themenschwerpunkte ebenfalls bediene. Hoffmann forderte auf, die Diskussion um Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft weiterzuführen und dabei insbesondere
die Themenbereiche Lebenszyklusbetrachtung und graue Energie zu vertiefen.
Die Alpenregion könne dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, da diese als eine Region der Extreme gelte.
Die Diskussion im Alpenraum bringe bauliche Problemstellungen auf den Punkt und finde Lösungen dafür. Mit dem Statement, man solle über gute Beispiele sprechen und schlechte Beispiele nicht verschweigen, gab Hoffmann ein positives Feedback zu den vorangegangenen Vorträgen. Es gelte weiterhin Wohnraum zu schaffen, systemisch, ressourceneffizient und kostenbewusst zu bauen und dabei den Klimaschutz voranzutreiben. Hoffmann beendete seinen Vortrag mit der Ermutigung an die Anwesenden, den
mit der 1. Alpenbaukonferenz begonnenen Diskurs weiter fortzuführen.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 30
5
Diskussion
Nach den Vorträgen wurde im Rahmen einer offenen, alle Teilnehmer einschließenden Diskussion auf
Fragen aus dem Publikum näher eingegangen. Zu den wichtigsten Kernpunkten gehörten u.a. folgende
Aspekte:
Zersiedelung und Mobilität im Alpenraum: Konzentrierte, kleine Siedlungen schafften Netze der Kommunikation, der Energieversorgung und der Absicherung. Darüber hinaus stelle das Siedeln in den Alpen
einen hohen kulturellen Wert dar. Bestehende Dörfer und Gemeinden hätten folglich uneingeschränkte
Relevanz. Eine Zersiedelung der Landschaft muss auch vor dem Hintergrund des Energieaufwands für
Mobilität verhindert werden.
Suffizienz als Leitgedanke für Entwicklungen im Alpenraum: Im Zusammenhang mit der Diskussion
von Energiefragen wurde diskutiert, ob die Alpenregion künftig neue Stauseen und Flächen für Energieinfrastruktur benötige, um die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Alpenraums sicher zu stellen. Suffizienz als Grundkonzept biete hierbei alternative Denk- und Arbeitsansätze. Hinsichtlich des Tourismus
wurde bemerkt, dass man den Sprung schaffen müsse vom Massentourismus zu einem Qualitätstourismus. Auch in diesem Zusammenhang wurde über Suffizienz gesprochen und darüber, dass das Anspruchsdenken jedes einzelnen Alpenurlaubers zu überdenken sei.
Gesetzliche Vorgaben im Konflikt mit neuen Entwicklungen: Aus dem Publikum wurde die Feststellung geäußert, dass Planer, Bauherren, Institutionen etc. im Bereich der Regularien häufig an die von den
Ländern selbstgeschaffenen Grenzen stoßen würden. Was könne man also verändern, damit das normative System besser funktioniert?
Es müssten keine neuen Regularien erfunden werden, vielmehr müssten vorhandene Instrumente neu
eingesetzt werden. Eine verbesserte Kommunikation mit allen Beteiligten sei hierbei ein wichtiges Mittel.
Bedürfnisse des Nutzers im Konflikt mit energetischer Optimierung: Von der Zuhörerschaft wurde
angeregt, auf den Bewohner respektive Nutzer als den eigentlichen Beweggrund für einen architektonischen Entwurf näher einzugehen. Hierbei sei die Berücksichtigung der emotionalen und gesundheitlichen
Bedürfnisse der Nutzer besonders zu achten, wie z.B. das „Sick Building Syndrome“ bei mechanisch
belüfteten Gebäuden. Aus der intensiv geführten Diskussion wurde erkenntlich, dass Referenten wie
Gäste dieses Thema als besonders wichtig erachten und die Debatte über den Menschen im Mittelpunkt
bei energetischen Themen befördert werden sollte.
Anmerkungen zur Konferenz im Allgemeinen: Im Laufe der Diskussion kam die Anmerkung zur Sprache, dass auf den Podiumsplätzen auffallend wenige Frauen zu sehen seien. Es wäre interessant, hier
zukünftig ein ausgewogeneres Verhältnis zu schaffen, da dies eine erweiterte Sichtweise in die Debatte
einbringen könne.
Des Weiteren wurde vorgebracht, dass bei einer nächsten Alpenbaukonferenz der alpine Kontext in Bezug auf Gebäude noch näher betrachtet werden sollte. Dabei sei nicht nur der landschaftliche oder städtebauliche Kontext interessant, sondern auch lokale Fähigkeiten, Infrastrukturen und lokale Mobilität
spielten eine Rolle.
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 31
B Programm
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 32
C Teilnehmerliste
Abbildung 12: Gruppenfoto einiger Teilnehmer, Sprecher und Organisatoren der Alpenbaukonferenz
Nachname
Aichner
Auer
Bader
Bannert
Baumann
Baumgärtner
Becker
BerchtholdDomig
Berten
Bongio
Bornemann
Botzler
Brasche
Brauner
Brückl
Brunner
Büchel
Cao
Cédric
Dehio
del Barba
Dietachmair
Dillis
Dotzler
Eberhardt
Eberl
Egold
Eßig
Fichtner
Fischer
Flatz
Forth
Vorname
Dorothea
Thomas
Bernardo
Stefan
Wolfgang
Sandra
Klaus
Markus
Ort
Bruneck
München
Dornbirn
München
Nürnberg
Garmisch- P.
Mering
Schwarzenberg
Peter
Icaro
Vera
Sebastian
Julia
Lilly
Thomas
Robert
Peter
Zulue
Delahais
Romuald
Oscar
Jakob
Carolin
Christina
Tim
Sebastian
Christine
Natalie
Silvia
Peter
Michael
Kasimir
Berlin
Traona
Innsbruck
München
München
München
Pettendorf
Garmisch-P.
Weinfelden
München
Grand Quevilly
München
Morbegno
Schaan
München
München
Ottobrunn
Penzberg
Wolfratshausen
München
Aalen
Oberstdorf
Alberschwende
München
Nachname
Franke
Freifrau
Loeffelholz
von
Colberg
Freistätter
Fuchs
Gadelhak
Galonja
Gayer-Lesti
Gemsjäger
Georgi-Tomas
Goerres
Gomes da
Silva
Gonzalo
Gonzalo
Gramm
Grasegger
Greulich
Grießhammer
Hach
Haimerl
Halstenberg
Hanuscak
Hartung
Hasler
Haß
Häupl
Haupt
Heese
Hegner
Heider
Vorname
Laura
Alexandra
Ort
München
Neubiberg
Roman
Johannes
Mahmoud
Saša
Florian
Maximilian
Andrea
Johannes
Flavia Elisa
München
Chieming
München
Ljubljana
Pfronten
München
Darmstadt
München
München
Roberto
Susana
Rafael
Peter
Birgit
Stefan
Uli
Peter
Michael
Michal
Horst
Johannes
Sebastian
Nadja
Aurèle
Roland
Hans-Dieter
Katharina
München
München
München
Garmisch-P.
München
München
München
München
Düsseldorf
Bratislava
Gräfelfing
München
Bergen
München
Gilching
Hannover
Berlin
Seeshaupt
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 33
Nachname
Heißler
Held
Hemmerle
Hempel
Hitzler
Höbinger
Hodapp
Hoffmann
Högenauer
Hohenadl
Hohndorf
Holzer
Huß
Iandolino
Izlakar
Jarolin
Joas
Kapferer
Kappelt
Kargl
Kaufmann
Keltsch
Kierdorf
Knoll
Köbler
Köhler
Kortyka
Krapmeier
Krönert
Kronthaler
Lang
Lange
Langenberg
Larass
Laszlo
Ledinek
Leitgeb
Lenz
Lichtblau
Liebetanz
Lohde
Lollini
Lux
Mack
Magdolen
Marcel
Mathis
Mayser
Meier
Vorname
Karl-Martin
Thomas
Claudia
Andreas
Hermine
Roman
Marc
Günther
Josef
Anton
Maurice
Christian
Wolfgang
Astrid
Samo
Michael
Martin
Roland
Heike
Franz
Hermann
Michael
Daniel
Konrad
Kalle
Florian
Thomas
Helmut
Simon
Andreas
Werner
Tobias
Jana
Stefan
Zsolt
Branko
Andreas
Daniel
Florian
Kai
Martin
Roberto
Andreas
Ingeborg
Simone
Lauranne
Josef
Friederike
Georg
Ort
München
Innsbruck
München
Bressanone/Brixen
Bernried a. S.
Wien
München
Berlin
Gernlinden
Marktoberdorf
Tübingen
Wolfratshausen
München
Miesbach
Maribor
Hall in Tirol
Innsbruck
Innsbruck
München
Murnau
Schwarzach
München
München
Schongau
München
Kochel am See
Dietramszell
Dornbirn
Augsburg
München
München
Rosenheim
München
München
Kempten
Race
Beinwil am See
Garmisch-P.
München
München
Fürstenfeldbruck
Bolzano
Grünwald
Baldham
München
Le Grand Quevilly
Zwischenwasser
München
Dachau
Heiss
Nachname
Mencin
Meusburger
Mianowicz
Michaeli
Modell
Morelle
Moretti
Mueller
Müller
Müntener
Musselmann
Nagelschmiedt
Negri
Neuberger
Neuner
Niemann
Niggl
Otter
Paap
Paillet
Patz
Peter
Petzet
Pfanzelt
Pfeil
Pfoh
Plata Gröber
Ploß
Pohl
Pollak
Prosseda
Reich
Reiterer
Reuß
Reyzbikh
Richter
Rinn
Ritter-Staller
Röger
Rose
Salfner
Scharf
Schelker
Schelle
Scherzer
Schneider
Schneider
Schröck
Oliver
Vorname
Tanja
Thomas
Tomasz
Mark
Gert
Nathalie
Florent
Andreas
Emil
Garry
Burkhard
Peter
Paolo
Christine
Christine
Anne
Tobias
Barbara
Angela
Isabelle
Christina
Theo
Muck
Alexander
Andrea
Sandro
Mariano
Martin
Ingrid
Michael
Stefano
Karin
Markus
Fabian
Ekaterina
Norman
Annette
Annegret
Christine
Arnd
Simone
Philipp
Kaja
Rupert
Rudolf
Nori
Thomas
Franz
München
Ort
Ljubljana
Kempten
München
München
Garmisch- P.
Innsbruck
Paris La Defense
München
Susch
München
London
Hall in Tirol
Trento
Fellbach
Garmisch-P.
München
Kempten
Ebersberg
Gstadt
Paris La Defense
München
Münsing
München
Lechbruck a.S.
Berlin
München
München
Dornbirn
München
Erlangen
Bozen
München
Innsbruck
München
München
Bad Aibling
Muenchen
Unterschleißheim
München
Bonn
München
München
München
München
München
Gräfelfing
Miesbach
Kempten / Allgäu
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 34
Nachname
Seifert
Stauch
Stefanova
Steidl
Steinhauser
Stetter
Stoll
Stumpf
Thaler
Varges
Vetterli
Viénot
Vogler
Vollmann
von Fürstenberg
von Vegesack
Wagner
Wagner
Wagnerberger
Wankerl
Wankner
Wei
Well
Wissel
Wolfertstetter
Wollbrink
Wu
Zang
Zimmermann
Zimmermann
Zoderer
Vorname
Peter
Michaela
Kristina
Johannes
Bernhard
Markus
Marlene
Wolfgang
Wolfgang
Johannes
Nadège
Etienne
Waltraud
Brigitte
Andreas
Ort
München
München
München
München
München
Sonthofen
München
Wien
Bozen
Hall
Horw
Villeurbanne
München
München
München
Sandra
Christian
Angela
Sebastian
Xaver
Kristina
Shaochen
Friederike
Paul
David
Anke
Niao
Johannes
Patrick
Liselotte
Peter
München
Chur
Starnberg
Chieming
München
Günzenhausen
Freiburg
München
München
München
Stuttgart
München
Freising
München
Sauerlach
Wien
Schweiger
Jakob
München
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 35
D Impressum
Besonderen Dank an:
Organisation:
a collaboration project between the Bayerischer
Bauindustrieverband e. V. and the Technical
University of Munich
Presidency of the Alpine Convention for the period 11/2014-10/2016
Federal Ministry for the Environment, Nature
Conservation, Building and Nuclear Safety
MinDir Günther Hoffmann
MinR Hans-Dieter Hegner
Andrea Pfeil
Bavarian Chamber of Architects
Rudolf Scherzer
Oliver Heiss
Technical University of Munich
Werner Lang
Jutta Bergmann
Franziska Grimm
Michael Keltsch
Jana Langenberg
Sandro Pfoh
Fabian Reuß
Student assistants
Garry Müntener
Lilly Brauner
Kasimir Forth
Rafael Gramm
Philipp Scharf
Energy Project Platform
Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG
DETAIL®
Partner:
ediundsepp Gestaltungsgesellschaft mbH
Florian Hugger
Nadine Mollien
Anja Voit
Juli Drehobel
Astrid Eckert Photographie
Astrid Eckert
Kongresszentrum Garmisch-Partenkirchen
Stephanie Bierprigl
Adlwärth Gastronomie GmbH & Co KG
Gaby Adlwärth
Volkstrachtenverein Garmisch
Josef Karg
Marlene Stoll
Sandra v. Vegesack
Friederike Well
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 36
E Beteiligte Institutionen
Federal Ministry for the Environment, Nature
Conservation, Building and Nuclear Safety
(BMUB)
Stresemannstraße 128 - 130 | 10117 Berlin
Tel.: +49 (0)30 18 305-0
E-mail: [email protected]
Bavarian Chamber of Architects
Waisenhausstraße 4 | 80637 München
Tel.: +49 (0)89 13 98 80-35
E-mail: [email protected]
Technical University of Munich
Institute of Energy Efficient and Sustainable
Design and Building
Arcisstr. 21 | 80333 München
Tel.: +49 (0)89 289 23990
E-mail: [email protected]
Alpine Convention – Permanent Secretariat
Office Innsbruck
Herzog-Friedrich-Straße 15 | 6020 Innsbruck,
Austria
Tel.: +43 (0)512 588589-0
E-mail: [email protected] | www.alpconv.org
Erste Alpenbaukonferenz | Endbericht | Seite 37
Herunterladen