Traumafolgestörungen - Universitätsklinikum Ulm

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Traumafolgestörungen
Fachgespräch „Traumaambulanzen im neuen SER“
Berlin, 16.02.2015
Prof. J. M. Fegert, Ulm
Offenlegung möglicher Interessenkonflikte
In den letzten 5 Jahren hatte der Autor (Arbeitsgruppenleiter)
– Forschungsförderung von EU, DFG, BMG, BMBF, BMFSFJ,
BMAS,
Ländersozialministerien,
Landesstiftung
BaWü,
Päpstliche Universität Gregoriana, Caritas, CJD
– Reisebeihilfen,
Vortragshonorare,
Veranstaltungsund
Ausbildungs-Sponsoring von DFG, AACAP, NIMH/NIH, EU,
Goethe Institut, Pro Helvetia, Shire, Fachverbände und
Universitäten sowie Ministerien
– Keine industriegesponserten Vortragsreihen, kein „speakers
bureau“
– Klinische Prüfungen und Beratertätigkeit für Servier, BMBF,
Lundbeck
– Mindestens jährliche Erklärung zu
gegenüber
der
DGKJP
und
Komissionsmitgliedschaft
conflicts of
AACAP
interest
wegen
– Kein Aktienbesitz , keine Beteiligungen an Pharmafirmen,
Mehrheitseigner 3Li
Proportionale Verteilung der Geldgeber
DRITTMITTELEINNAHMEN KJPP ULM 2013 NACH GELDGEBER Länderministerien
7%
Industrie
1%
Stiftungen
21%
EU
15%
Bundesmittel + DFG
56%
Gliederung
•
Ausgangspunkt Begleitforschung UBSKM
•
Was ist ein psychisches Trauma und wie entstehen
psychische Traumafolgen?
- Diagnosekriterien
- Traumatypologie (Typ-I- und Typ-II-Traumata)
- Zusammenhang zwischen potentiell traumatischen
Situationen und Intensität von Symptomen
•
Traumafolgestörungen
•
Chronische Folgen/dauerhafte Beschädigung?
- Neurobiologie von Trauma
•
Traumafolgekosten
•
Interventionen und Therapie (Beispiele aus dem Kindes- und
Jugendalter
- Frühintervention
- Psychotherapie
•
Fazit
Ausgangspunkt Begleitforschung UBSKM
Funktionsweise eines
Critical Incident Reporting Systems
vertraulich,
geschützt
öffentliche
Standards
Berichte über Ereignisse
Umsetzung der
Veränderungsvorschläge
Anonymität und/oder
vertraulich,
evtl. Immunität
Analysen durch
Experten
Ergebnisse der Analyse,
Veränderungsvorschläge
öffentlich
aus: Fegert, et al. 2010, S.138
geheim,
vertraulich
Kampagne „Sprechen hilft“
Wirkung von Kampagne und Abschlussbericht auf
das Anruferaufkommen
Anzahl Anrufe pro Tag seit Beginn der TAL:
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Kampagnenstart
21.09.2010
Präsentation des
Abschlussberichts
24.05.2011
Abschlussbericht der UBSKM (24.05.2011)
Das Team der wissenschaftlichen Begleitforschung
Dr. Lilith König
Thekla Schneider
Prof. Dr. Jörg Fegert
Miriam Rassenhofer
Dr. Nina Spröber
Alexander Seitz
„Schwere“ der Missbrauchsfälle im Vergleich
hell =
kurzfristiger/
“leichter“
Missbrauch
88,7 %
90,3 %90,3 %
61,0 %
52,3 % 47,7 %
39,0 %
39,0 %
50,3 %49,7 %
49,7 %
11,3 %
dunkel =
fortgesetzter
“schwerer“
Missbrauch
Angaben zum Missbrauchsgeschehen*
Art des Missbrauchs (Angaben von N=4.298 Personen)
- 96% mit Körperkontakt
Zeitpunkt des Missbrauchsgeschehens (Angaben von N=4.608 Personen)
–90% (N=4.133) Missbrauch in der Vergangenheit
Häufigkeit des Missbrauchsgeschehens (Angaben von
N=3.159 Personen)
–89% mehrfacher und wiederkehrender Missbrauch
Geschlecht der Täter/innen (Angaben von N=3.730 Personen)
– 88% (N=3.272) männliche Täter
– 6% (N=229) weibliche Täterinnen
– 6% (N=229) mehrere Täter/innen verschiedenen Geschlechts
_______________________________________________________________________________
* nach
Angaben von Betroffenen und Kontaktpersonen in Telefongesprächen und Briefen/E-Mails
Kontext des Missbrauchsgeschehens (N = 3.712)*
2500
2102
2000
1640
1500
gesamt
Frauen
1087
1000
Männer
666
500
390
413
311
212
205
99
124 84
0
Institution
Familie
Umfeld
Fremdtäter/innen
_____________________________________________
* nach
Angaben von Betroffenen und Kontaktpersonen in
Telefongesprächen und Briefen/E-Mails
Schwere Langzeitfolgen werden berichtet
„Ich quäle mich durchs Leben.“
„Ich bin wie eine Marionette
der Angst.“
"Sie können ein verlorenes
Leben nicht bezahlen - Eine
Entschädigungszahlung ist eine
Geste zur Anerkennung des
Leides."
Auswirkungen des Missbrauchs
Betroffene berichten unter anderem von bei ihnen
gestellten Diagnosen psychischer Erkrankungen als
Auswirkung von Missbrauch (N=2.208 Angaben):
– Posttraumatische Belastungsstörung (19,2%, N=425)
– Angst-/Panikstörung (19,2%, N=425)
– Persönlichkeitsstörungen (16,3%, N=361)
– Depression (14,3%, N=315)
– Depression mit Suizidalität (7,1%, N=156)
– Essstörung (13,4%, N=296)
– Alkoholabhängigkeit (2,3%, N=51)
– Medikamenten-/Drogenabusus (0,8%, N=18)
– Sonstiges (7,3%, N=161)
Auswirkungen des Missbrauchs
Betroffene berichten unter anderem von folgenden
Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Lebensgestaltung
(N=3.938 Angaben):
– Körperliche Folgen (43,1%, N=837)
– Beziehungs-/ Partnerschaftsprobleme (41,6%, N=808)
– Leistungsbeeinträchtigung (30,0%, N=582)
– Flashbacks, Intrusionen, Alpträume (29,9%, N=568)
– Probleme mit Körperlichkeit und Sexualität (17,3%,
N=337)
– Selbstwertproblematik (17,1%, 332)
– Minderung der Lebensqualität (13,2%, N=256)
– Orientierungs-/Hilflosigkeit (7,4%, N=144)
– Externalisierendes Verhalten (4,1%, N=79)
„Ich quäle mich durchs Leben.“
Ergebnisse des UBSKM-Datensatzes 2010-2011
Von Betroffenen berichtete Folgen des Missbrauchs:
Psychosoziale Schwierigkeiten
1000
873
900
843
800
700
626
568
600
500
400
300
334
356
269
204
200
100
0
97
Hinderliche Aspekte bei der Verarbeitung des
Erlebten
negative Reaktionen auf Hilfegesuche:
Demütigungen, Drohungen, Schuldzuweisungen,
Stigmatisierung, Strafe
gesellschaftlicher Umgang mit dem Thema und
(gesetzliche) Rahmenbedingungen
keine bzw. keine hilfreiche Unterstützung durch andere
spezifische belastende Gefühle der Betroffenen
zusätzliche belastende Umstände
weiterhin Kontakt zum Täter/zur Täterin
religiöse Vorstellungen/kirchliche Vorgaben
„Ich wurde so schlecht behandelt, dabei bin doch nicht ich der
Täter.“
„Warum schauen die Leute alle weg?“
„Ich renne seit Jahrzehnten gegen Mauern. Als Betroffenem werden
einem nur Steine in den Weg gelegt."
Hilfreiche Aspekte bei der Verarbeitung des Erlebten
Professionelle Hilfe
Unterstützung durch die Familie
Unterstützung durch das engere soziale Umfeld
(öffentliche) Anerkennung des erlebten Unrechts
darüber sprechen
Glaube und Religion
Selbstschutz: Abgrenzung und Verdrängung
Berufliche, sportliche und kreative Tätigkeiten
„Für mich waren Menschen hilfreich, die sich einmischen.“
„Das erste Mal nach soviel Jahren sprechen zu können, hat
mir gut getan.“
"Die öffentliche Diskussion um den Missbrauch ist hilfreich
und sollte aufrechterhalten werden."
OEG
• Das Vorgehen wird von den Betroffenen als sehr
bürokratisch, kompliziert und meist langwierig
geschildert
• Die Notwendigkeit, immer wieder den Anspruch
auf Entschädigungszahlungen überprüfen zu
lassen und sich jedes Mal neu zu den eigenen
traumatischen Erlebnissen äußern zu müssen,
wird als massive Belastung und Retraumatisierung
wahrgenommen
• Kausalität
• Sehr oft wird gefordert, dass Gutachter und Richter
im Umgang mit Opfern sensibler sein müssten und
eine besondere Schulung benötigen
• Kritisiert wird auch, dass Zahlungen an die
Verpflichtung zu bestimmten Therapien geknüpft
seien
Zitate von Betroffenen
Mit dem Antragsverfahren, den bürokratischen Auflagen,
Widersprüchen usw. erleben Opfer manchmal eine
Odyssee, die ihre Kräfte übersteigt.“
„Die Hürden für Zahlungen nach OEG sind zu hoch, die
Verfahren dauern zu lang, eine Reform ist dringend
nötig.“
"Wenn man ein OEG-Verfahren anstrebt, wird man so
behandelt, als wenn man die Unwahrheit sagt. Ich
werde als Lügnerin dargestellt."
„Das OEG muss anders greifen: Es darf nicht so lange
dauern; nicht darauf aufbauen, dass Taten bewiesen
werden müssen; Amtsärzte und Personen, die die
Glaubwürdigkeitsbegutachtungen durchführen,
müssen einfühlsamer und sensibler sein.“
„Anspruchsgewährung sollte auch ohne strafrechtliche
Verfolgung erfolgen und das Verfahren muss einfacher
gemacht werden.“
Zentrale Fragen:
Was ist ein psychisches Trauma?
Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf
kriminologisch vergleichbare Missbrauchstaten?
Bewertungskatalog, Anhaltspunkte möglich?
Welche Bedeutung hat frühzeitige Intervention?
Tragen soziale Versorgungsansprüche zur Chronifizierung
bei?
Grundsätzliche Entschädigung für erlittenes Leid oder
Nachteilsausgleich bei Teilhabebeeinträchtigung?
Anhaltspunkte für die Bestimmung des GDS bei
psychischen Traumata
Kausalität vs. Plausibilität
Braucht es für Missbrauchsbetroffene ein spezifisches
Vorgehen? Gibt es Empirie die das unterstützen würde?
Was ist ein psychisches Trauma?
Wie entstehen psychische Traumafolgen?
Traumatisches Lebensereignis
Extreme physiologische
Erregung
Flucht
Freeze
Traumasymptome
Angriff
Reaktionen auf traumatischen Stress
LeDoux, Scientific American,
1994
Bei einer Traumatisierung laufen parallel zwei
unterschiedliche physiologische Prozesse ab
•
Übererregungs-Kontinuum
•

•
•
•
Fight oder Flight
Alarmszustand Wachsamkeit
Angst/Schrecken
Adrenalin System wird aktiviert
– Erregung
Serotonerge System verändert
sich – Impulsivität, Affektivität,
Aggressivität
 Freeze – ohnmächtige / passive
Reaktion
• Gefühlslosigkeit / Nachgiebigkeit
• Dissoziation
• Opioid System wird Aktiviert
Euphorie, Betäubung
• Veränderung der Sinnes-,,Körperwahrnehmung (Ort, Zeit, etc.)
•
Physiologisch
• Blutdruck  (Pulsrate )
• Atmung 
• Muskeltonus 
• Schmerzwahrnehmung 
Dissoziatives-Kontinuum
Physiologisch
• Pulsrate  Blutdruck 
• Atmung 
• Muskeltonus 
• Schmerzwahrnehmung 
Akute psychische Reaktionen
auf traumatischen Stress
•
Akute Belastungsreaktion („Psychischer Schock“)
– außergewöhnliche psychische oder physische Belastung
– Beginn innerhalb von Minuten, meist innerhalb von Stunden/2-3 Tagen
abklingend, nicht länger als 4 Wochen
– initial „Betäubung“: Bewusstseinseinengung, reduzierte Aufmerksamkeit,
Unfähigkeit zur Reizverarbeitung, Desorientiertheit
– dann soz. Rückzug (z.T. Regungslosigkeit) oder Unruhe/Agitiertheit (bis hin zu
Flucht, Umherirren)
– meist vegetative Paniksymptome (Herzrasen, Schwitzen, Erröten)
– z.T. Erinnerungslücken
•
Akute Belastungssymptome sind eine normale Reaktion!
Resilienz und Traumafolgestörungen
Psychotrauma
akute
Belastungsreaktion
Resilienz
Anpassungsstörungen
Posttraumatische
Belastungsstörung
Komplexe Störungen
Diagnosekriterien PTSD (ICD-10)
A. Die Betroffenen sind einem kurz oder lang dauernden Ereignis
oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder
mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei
jedem tief greifende Verzweiflung auslösen würde.
B.
Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der
Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen
(Flashbacks), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume
oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln
oder mit ihr in Zusammenhang stehen.
C.
Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang
stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses
Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis.
DSM-5
Traumaerleben (auch indirekt):
– Wiedererleben
– Vermeidung von Traumastimuli
– Negative Veränderung der Kognitionen/ Stimmung
– Veränderungen von Arousal und Reaktivität
– Mit/ohne Dissoziation (specifier)
– DD: akute Stress-reaktion: 3 Tage bis 1 Monat
PTBS in D
Repräsentative Stichprobe: n=2426 (14-93 Jahre, mittleres Alter:
49,6, SD: 17,9)
Min. ein traumatisches Ereignis: 28% der Frauen und 21% der
Männer
Ein-Monatprävalenz Vollbild der PTBS: 2,3% (w: 2,5%, m: 2,1%)
Maercker et al., 2008
Komorbiditäten
Psychische Erkrankungen
– Affektive Symptomatik
– Angststörungen
– Somatisierungsstörungen
– BPS
– Abhängigkeitserkrankungen
– Psychosen
– Dissoziative Identitätsstörungen
Somatische Störungen
– kardiovaskuläre, pulmonale und rheumatische
Erkrankungen
Gesteigerte Mortalität
Frommberger et al., 2014
Unterschiedliche Traumafolgen
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Art der Tat bzw. des
Traumas und der Symptomatik?
Sind Menschen verschieden?
Resilienz?
Spontanheilung?
Bedeutung des Alters zum Zeitpunkt der Belastung?
Kombinierte Belastungen?
Sequentielle Belastungen und Kausalität
Plausibilität als mögliches Kriterium?
Traumatypologie nach L. Terr (1991)
Typ – I - Trauma
• Einzelnes, unerwartetes,
traumatisches Erlebnis von
kurzer Dauer.
• z.B. Verkehrsunfälle,
Opfer/Zeuge von Gewalttaten,
Naturkatastrophen.
• Öffentlich, besprechbar
Symptome:
• Meist klare sehr lebendige
Wiedererinnerungen
Vollbild der PTSD
• Hauptemotion = Angst
• Eher gute Behandlungsprognose
Typ – II - Trauma
• Serie miteinander verknüpfter
Ereignisse oder lang
andauernde, sich wiederholende
traumatische Erlebnisse.
• Körperliche sexuelle
Misshandlungen in der Kindheit,
überdauernde zwischenmenschliche Gewalterfahrungen.
• Nicht öffentlich
Symptome:
• Nur diffuse Wiedererinnerungen,
starke Dissoziationstendenz,
Bindungsstörungen
 Hohe Komorbidität, komplexe
PTSD
• Sekundäremotionen (z.B. Scham,
Ekel)
• Schwerer zu behandeln
Bedeutung von Freeze/ Dissoziation
• Das Phänomen der Dissoziation kann man schon
bei jüngeren traumatisierten Kindern beobachten
(Summit 1983).
• Dissoziatives Erleben ist der wichtigste Prädiktor
dafür, ob eine PTSD oder komplexe PTSD entsteht
(Shalev et al. 1996, 2002, Brewitt et al. 2000).
• Dissoziationsneigung geht mit Selbstverletzung und
Suizidversuchen einher (Zlotnik et al. 1996, van der
Kolk et al. 1996).
• Sequentielle Traumatisierung: 10% nach der
ersten Traumatisierung bereits chronische
Dissoziationsneigung - 50% bei wiederholten
Traumata (Overkamp 2002, Macfie et al. 2001).
Dissoziative Prozesse
Fiedler (2002)
Gedächtnis /
Erinnerung
Implizit/prozedural
Emotionen
Unbewusst
Handlungsroutinen
Priming Effekte
Einzelne Bilder
Dissoziation
Kein Körpergefühl
Thalamus, Amygdala,
Sensorischer Cortex
D
I
S
S
O
Z
I
A
T
I
O
N
Explizit/deklerativ
Kognitionen
Bewusst
Semantisch
Episodisch
Autobiographisch
Körpergefühl
Präfrontaler Cortex, Hippocampus,
Temporallappen
Risikofaktoren der PTBS nach Trauma
Typ I bei Kindern und Jugendlichen
Übersicht bei Tuulikki Kultalahti und Rosner 2008
Prätraumatische Merkmale:
Alter (wiedersprüchlich)
Geschlecht (Mädchen höheres Risiko), Ethnizität
am wichtigsten: vorausgehende psychische
Belastung und Auffälligkeit, Zurechtkommen in der
Schule vor dem Ereignis, frühere Traumatisierung
kein Einfluß: SÖS und Familienstruktur
protektiv: Intelligenz
Peritraumatische Merkmale:
Lebensgefahr, Verlust von Angehörigen oder
Kameraden
Verletzung
emotionale Reaktion und Belastung
Stressorschwere bei Eltern
Posttraumatische Merkmale
Bewältigungsstrategien (kognitive und
verhaltensbezogene Strategien) Landolt 2004
insbesondere Schuldkognitionen
Komorbidität
Elternbezogene Merkmale
Rolle der Eltern um so bedeutender. je jünger
das Kind (Yule 1992)
Soziale Unterstützung in der Schule (Broberg et
al. 2005)
Weitere posttraumatische belastende
Lebensereignisse
Welche traumatischen Situationen führen
in der Regel zu intensiven Symptomen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
Dauern sehr lange
Wiederholen sich häufig
Rituellen Charakter
Schwere körperliche Verletzungen
Zwischenmenschliche Gewalt
Sind schwer nachzuvollziehen
Täter ist eine Bezugsperson
Täter wird vom Opfer gemocht
Opfer fühlt sich mitschuldig
Persönlichkeit ist noch nicht gefestigt
Beinhalten sadistische Folter
Beinhalten sexuelle Gewalt
Mehrere Täter
Starke Dissoziationen
Kein unmittelbarer Beistand nach der Tat – Bindung!
Niemand hat darüber mit dem Opfer gesprochen/ nicht geglaubt
Ferguson et al. (1996a und b)
Neuseeländische Geburtskohorte
• 17,3 % Mädchen 3,4% Jungen bis 16.
LJ missbraucht
• mit Penetration 5,6 % vs. 1,4 %
• OR 3,6 (5,4) für Depression
• OR 2,7 (6,6) für Alkoholabhängigkeit
und anderer Substanzabusus
• OR 5 Suizidversuche
• OR 3 Angsterkrankungen
• OR 12 Verhaltensauffälligkeiten
allgemein
zeitgleiche DSM IV Diag.
Relativer Effekt von Typen der Misshandlung
Teicher 2006 AmJPsychiatry
Traumafolgestörungen
KindheitsTraumata
akute
Belastungsstörung
PTBS
Bindungsstörungen
Normale
Entwicklung
(Resilienz)
Depression
Suizidalität
+ Risikoverhalten
Substanzmissbrauch
Körperl. Erkrankungen
Fergusson et al. 1996, J Am Acad Child Adolesc Psychiatry.35:1365-74
Felitti et al. 1998, Am J Prev Med. 14:245-258
Houck et al. 2010, J Ped. Psychol, 35:473-483
Irish, Kobayashi & Delahanty 2010, J Ped Psychol 35:450-461
Oswald, Heil, & Goldbeck, J Ped Psychol. 2010, 35:462-72
Pears & Capaldi 2001, Child Abuse and Neglect 25:1439-61
u.v.m.
(Adipositas, Herz-Kreislauf,…)
Transgenerationale
Weitergabe (Opfer => Täter)
Entwicklungsneurobiologisches Modell der
Traumatisierung
(De Bellis 2001, Developm Psychopathol 13:539-64)
Mehrfache Misshandlungen
Die Misshandlungssituationen treten selten völlig isoliert
auf, es werden kaum reine Unterformen der
Misshandlung in Populationen gefunden (z.B. Barnett,
et al., 1993).
Unterschiedliche Formen von Misshandlung treten
gleichzeitig oder auch zeitlich gestaffelt auf (Finkelhor,
Ormrod, Turner, & Holt, 2009)
Nicht selten sind sie mit anderen Entwicklungsrisiken
kombiniert (Ziegenhain & Fegert 2007)
Kausalität: Missbrauch häufig kombiniert mit anderen
Risikofaktoren für die Entwicklung
Systematische entwicklungsbezogene Belastungsanamnese
Belastung nach ACE - Kindheitstraumata
• Sensitivierung der hormonellen und
neuronalen Stressreaktion
• Orientierung auf Bedrohungsreize
• Verkümmerung der Regulation von
Emotionen
• Unsicher/Vermeidende Bindung
• Dosiseffekt: Erhöhte Wahrscheinlichkeit für
verschiedene psychische Störungen und
Delinquenz
• Genetik und Epigenetik
Aber….
Heterogene Gruppe (z.B. Herbert et al., 2006):
– N = 123, Alter: 7 – 13 Jahre
– 4 Cluster:
 Anxiety constellation group,
 severe distress group,
 victims of less severe sexual abuse,
 resilient children
Coping Strategien!
Heterogene Gruppe (z.B. Herbert et al., 2006):
– N = 123, Alter: 7 – 13 Jahre
– 4 Cluster:
 Anxiety constellation group,
 severe distress group,
 victims of less severe sexual abuse,
 resilient children
weniger Vermeidungsstrategien
Schmid, Fegert, Petermann 2010
Schmid, Petermann, Fegert 2013
Dissoziative und Somatoforme
Störungen
TraumaEntwicklungsheterotopie
Bipolare
Störungen im
Kindesalter
Substanz
missbrauch
Affektive Störungen
Störung des
Sozialverhaltens
Emotionale
Störungen
Störungen der
Persönlichkeits
-entwicklung
Selbstverletzung
Suizidalität
ADHS
Oppositionelles
Verhalten
Bindungsstörungen
Regulationsstörungen
Geburt
Vorschulalter

 Traumafolgestörungen + biologische Faktoren
Schulalter
Pubertät
Adoleszenz
Modell zu den Folgen sexuellen Missbrauchs
(Trickett, Noll & Putman, 2011)
Psychologischer Unterstützung
Distress
Familie/ Peers
Kompetenzen:
Art des
Missbrauchs:
Kognitiv
Sozial
Selbstwert
Kontrolle
Täter, Dauer,
Häufigkeit,
Gewalt/ Drohungen,
Beginn
Psychopathologie:
Physiologischer
Distress
Trauma
Reaktion
Pubertätsentwicklung
Moderator/
Mediator
Depression
Ängste
Dissoziation
Hypersexualität
Folgen
Modell der chronischen
Posttraumatischen Belastungsstörung
Charakteristika des Traumas
Ausgangslage des Individuums
Kognitive Verarbeitung während
des Traumas
Charakteristika
des
Traumagedächtnis
Interpretation des Traumas
und seiner
Konsequenzen
Auslöser
Gegenwärtige Bedrohung
Intrusionen
Erregung
Starke Emotionen
Ehlers & Clark, 1999
Dysfunktionales Verhalten / kognitive Strategien
Achtung bei der Gleichsetzung Missbrauch:
dauerhafte Beschädigung
Neurobiologie als Fatum?
Neurobiologische Erklärungsansätze oder
biologistische Neuromythologie?
Kritik an neurobiologischer Traumaforschung
• Häufig nur Messung von Aktivierungsunterschieden
• Häufig bei Erwachsenen
• Häufig nach Singletrauma
• Eigentlicher Gegenstand der Dysregulation:
Netzwerkkonnektivität
• Statistische Unterschiede klingen wie definitive anatomische
oder physiologische Schädigungen
• Gehirn hat aber hohe Plastizität und Entwicklungspotential:
„Psychobiologie
der Hoffnung“ (De Bellis 2001,
Seite 556), vergleiche auch „natürliches Experiment“
Rumänienkinder: geringeres Volumen der weißen Substanz
im Ausgangsbefund bestätigt sich nach 5 – 7 Jahren bei
Heimkindern, ist bei Kindern in Pflegefamilien verschwunden
(Sheridan et al. 2012)
HPA-Achse
CRF aus Hypothalamus
ausgeschüttet →
Hypophyse: ACTH →
NNR: Glucocorticoide
Hippocampus und PFC:
inhibieren HPA Aktivität
Amygdala erhöhte CRF
Ausschüttung
PTBS: Dysregulation der HPA
Achse
Hypocortisolismus: gesteigerte
Sensitivität f. negatives Feedback
Bailey et
al.,
2013;
Sherin &
Nemerof
f, 2011
Epigenetik: FKBP5
FK506 binding protein 5 (FKBP5):
funktionelle Regulation des
Glucocorticoid Rezeptor Komplexes
In Feedback Schleife: FKBP5
transkribiert bei Glucocorticoid
Rezeptor Aktivierung: Vermindert
dann Liganden-Bindung
Risiko für PTSD höher bei Träger von
Risikoallelen
Durch exzessive Cortisol
Ausschüttung: epigenetische
Änderungen in FKBP5:
Demethylierung in risk Allel Trägern
Klengel et al., 2013
Noradrenerges System
Einfluss auf Angstreaktion
Einfluss auf Amygdala
NA Ausschüttung: Flashbacks induziert
B. chron. Stress NET ↓: NA in synpt. Spalt↑
PTSD Symptome:
Hyperarousal
Gesteigerter Startle Reflex
Gesteigerte Encodierung v.
Angst
Gesteigerte Hf nach Trauma:
Prädiktor f. PTSD Entwicklung
Bailey et
al., 2013;
Sherin &
Nemeroff,
2011
Zusammenspiel Glucocorticoide: NA
• NA: fördert die Speicherung von AngstErinnerungen
• Glucocorticoide blockieren den Zugriff auf
das emotionale Gedächtnis
• Hippocampus für deklaratives Gedächntis
und Kontext Konditionierung
verantwortlich: wenn Funktion
geschwächt: Generalisierung
Hypocortisolismus + gesteigerte
noradrenerge Aktivität + Hippocampus
Defizite:
traumatische Erinnerungen „eingegraben“
und keine inhibitorische Kontrolle über
Gedächntisinhalte, bzw. Generalisierung:
PTSD
Sherin & Nemeroff, 2011
Serotonerges System
Ansprechen der Amygdala auf Bedrohung und
Angstreaktion: serotonerge Neurotransmission
Schnittstellen mit CRF und NA
5-HT Agonisten können bei PTSD Patienten Flashbacks
auslösen
5-HT1b Rezeptor Dichte mit PTSD Symptomatik
assoziiert
Bailey et al., 2013
Strukturelle und funktionelle
Gehirnveränderungen
• Strukturelle und funktionelle Gehirnveränderungen:
• Hippocampus: Volumenreduktion (Dendritenverlust:
Gukokortikoide)
• Amygdala: Hyperresponsivität
• mPFC: Volumenverringerung (verantwortlich f. Inhibition,
Hyporesponisivität b. PTSD f. Trigger)
• dACC: Hyperresponsivität
• Weitere Veränderungen:
•
OFC
•
DLPFC
•
Corpus callosum
•
Cerebellum
Sherin & Nemeroff, 2011; Hart & Rubia, 2012, Pechtel & Pizzagalli, 2011; Pitman et al., 2012
Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter:
fMRT
• Kortikale Dicke↓ - CTQ Total score
• v.a. linke Hemisphäre:
• lateraler somatosensorischer Cortex
• ACC (u.a. Emotionsregulation)
• Precuneus (u.a. Selbstwahrnehmung)
• Gyrus parahippocampalis (u.a. Gedächtnis: Encodierung)
Heim et al., 2013
Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter:
fMRT
CTQ: sexual abuse score - Kortikale Dicke↓
Somatosensorischer Cortex (l): Klitoris und umgebende genitale
Bereiche
Gyrus parahippocampalis
Heim et al., 2013
Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter:
fMRT
Emotionale Misshandlung
Kortikale Dicke↓:
Precuneus (l, r)
PCC und ACC(l)
Somatosensorischer Cortex (Gesicht)
Regionen in Verbindung mit:
Selbstreflexion
Selbstwahrnehmung
Heim et al., 2013
Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter:
fMRT
Beginn der Misshandlung
Kortikale Dicke↓:
Temporaler Pol (l)
Linker parietaler Pol (l)
Linker frontaler Pol (l, r)
ACC
Mit autobiographischem
Gedächtnis in Zusammenhang:
ev. früher Missbrauch: weniger
Erinnerungen ?
Heim et al., 2013
Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter:
fMRT
Bestimmte Hirnregionen: hohe Zahl an Glukokortikoid
Rezeptoren und längere postnatale Reifungsprozesse (PFC od.
Hippocampus): anfällig f. Veränderungen durch frühkindliche
Traumata: vulnerable Phasen
Analyse von 12 Datensätzen (n= 331 mit Misshandlungen und
362 HC):
Defizite in der grauen Substanz: ventrolateral, prefrontal,
limbisch, temporal: f. spät entwickele Funktionen: Affekt und
kognitive Kontrolle, Selbstregulation, sozio-emotionaler
Verhaltensweisen
Lim et al., Am J Psychiatry, 2014; Pechtel & Pizzagalli, 2011
Genderaspekte

Imbalance bezüglich PTBS-Diagnosen zwischen Frauen und
Männern
 Frauen häufiger von PTBS betroffen
 Genderspezifisches Risiko für bestimmte Traumatypen kann Imbalance
nur partiell erklären
 Forschung hinsichtlich des Einflusses von Gender auf
Epidemiologie, Therapie und Verlauf fehlt
 Gender der Therapeuten und Gender Patient x Gender Therapeut
Interaktion bisher wenig untersucht
 Untersuchung von genderspezifischen Barrieren hinsichtlich der
Offenbarungsrate und Behandlungszufriedenheit etc.
Die Bedeutung frühkindlicher Traumatisierung in der
Anamnese der Eltern
Transgenerationale Weitergabe von Belastungen?
Elternschaft geht für Betroffene mit eigenen adversen
Kindheitserfahrungen mit besonderen Herausforderungen
einher, da Modelle gelungener Elternschaft fehlen
• Eltern mit eigenen adversen Kindheitserfahrungen
• haben ein erhöhtes Risiko ihren eigenen Kindern
gegenüber wenig feinfühliges, bis feindseliges Verhalten
zu zeigen [32 – 35]
• fehlen häufig Rollenmodelle für sensitives Parenting
• haben ein erhöhtes Risiko ihre eigenen Kinder zu
vernachlässigen/misshandeln [36]
[32] Caspi et al, 2002; [33] Widom, 1989; [34] Madigan, Bakermans-Kranenburg, van IJzendoorn, Moran,
Pederson & Benoit, 2006; [35] Möhler, Biringen & Poustka, 2007; [36] Kaufmann & Ziegler, 1989
Transgenerationale Weitergabe von Belastungen
„Transgenerational cycle of maltreatment“
Eltern mit eigenen Misshandlungserfahrungen haben ein erhöhtes Risiko,
dass ihre Kinder ebenfalls betroffen sind
Transmissionsraten: ~7-20% (z.B. [37, 38])
„Transmissiongap“
Protektive Faktoren
Risikofaktoren
•
•
•
•
•
Elternschaft <21
Psychische Erkrankung der Eltern
Gewalt in der Partnerschaft
Finanzielle Probleme
Biologisches „Trauma‐Gedächtnis“?
•
•
•
•
•
•
Bindungsqualität
Soziale Unterstützung
Finanzielle Stabilität
Stabile, fürsorgliche Bezugsperson
Erziehungskompetenz
Biologische Faktoren?
z.B. Dixon et al., 2008; Pears & Capaldi, 2001
[37] Dixon et al., 2009; [38] Berlin et al., 2011
Modell Pears & Capaldi 2001
Frühe
Elternschaft
Elterliche
Misshandlungsvorgeschichte
Elterliche
Psychopathologie
Elterliches
inkonsequentes
Erziehungsverhalten
SÖS
Elterliche Misshandlung
der Kinder
Frühe
EntwicklungsProbleme
Transgenerationale Weitergabe von Belastungen
Mechanismen und Zusammenspiel von Risiko- und protektiven Faktoren
bei der Weitergabe von Belastungen noch weitgehend unklar
Armut, soziales Netz,
Familie, Jugendhilfe
Psychologische
1. (Traumatischer) Stress
2. Bindung
Faktoren
Sozialer
Kontext
Biologische
Faktoren
1. Physiologisches Stresssystem
2. Physiologisches Bindungssystem
• Epigenetik als möglicher Mechanismus
transgenerationaler Weitergabe auf
biologischer Ebene
Deutsche Traumafolgekostenstudie
gefördert vom BMFSFJ
Jährliche gesamtwirtschaftliche
Traumafolgekosten
Habetha,S.,* Bleich, S., Sievers C.**, Marschall, U.**,
Weidenhammer, J.*, Fegert, J. M.
* Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel
**Barmer GEK
•
Bedingt durch die Datenlage der zusammenzuführenden
Datensätze sind die Kosten pro Jahr auf die Altersgruppe der 15bis 64-jährigen im Jahr 2009 eingegrenzt.
•
Von 53,9 Mio. Einwohnern waren 2009 14,5% von schwerer bis
extremer Kindesmisshandlung/-missbrauch, Vernachlässigung
betroffen, davon waren ca. 21% nach verschiedenen
Langzeitsudien zu Belastungen und Resilienz oder nach einer
Studie der deutschen Kinderschutzzentren von einer
Entwicklungsstörung oder Behinderung betroffen:
1,6 Mio. Personen zwischen 15 und 64 Jahren
„verursachen“ kontinuierlich Traumafolgekosten
Jährliche gesamtwirtschaftliche
Traumafolgekosten - Kosten
•
Tangible Kosten der Traumatisierung:
Gesundheitskosten, Kosten der Kinder- und Jugendhilfe,
Ausbildungsförderung, Wertschöpfungsverlust etc.:
335.421€
•
Bei 1,6 Mio. Betroffenen: 6.708€ Traumafolgekosten pro Fall
und Jahr
Jährliche Kosten für die deutsche Gesellschaft
durch Folgen von Kindesmisshandlung/missbrauch und Vernachlässigung
11 Mrd. €
oder
134,54€ trägt jeder Bundesbürger jährlich.
Internationaler Vergleich
•
Drei Studien aus Australien, Kanada und den USA werden
zum Vergleich herangezogen
•
Die Ergebnisse der Kosten pro Kopf werden auf die deutsche
Bevölkerungszahl umgerechnet, um eine Vergleichbarkeit
der Ergebnisse zu erzielen
pro-Kopf Jahreskosten [€] Jahreskosten gesamt [€]
umgerechnet für BRD
umgerechnet für BRD
Australien
136,97
11,2 Mrd.
Kanada
352,75
28,9 Mrd.
USA
20,60
1,7 Mrd.
BRD
134,54
11,0 Mrd.
•
Laut Bevölkerungsumfragen 17,8% (Australien) bzw. 15,9%
(BRD) Prävalenz ➙ gute Vergleichbarkeit
Burden of disease
Gut gemeint ist nicht gut gemacht
INTERVENTIONEN müssen evaluiert werden
Sexuell missbrauchte Kinder erhalten keine spezifischen Hilfen
Mikado Teilprojekt BMFSFJ
Besserer und schnellerer Zugang zu hilfreichen
Interventionen: Vorbilder
Internationale Modelle können als Vorbild dienen
Norwegen (NKSTVS)
USA (NCTSN): BEST „Bringing Evidence Supported Treatments to
South Carolina“ (Saunders et al. 2011)
Implementierung und Evaluation einer bedarfsgerechten,
gemeindenahen Hilfeprozess-Koordination für Kinder und
Jugendliche nach Missbrauch, Misshandlung oder
Vernachlässigung
 Teilprojekt 1 (Prof. Dr. L. Goldbeck, Ulm): Verkürzung des Intervalls
unbehandelter Traumafolgestörungen mittels Implementierung einer
strukturierten, gemeindenahen Hilfeprozesskoordination („CaseManagement“)
 Teilprojekt 2 (Prof. Dr. J. M. Fegert, Ulm):Untersuchung von
spezifischen Risiko- und Resilienzfaktoren
 Teilprojekt 3 (Prof. Dr. R. Rosner, Eichstätt):Verbesserung der
Versorgung von Risikopopulationen (z.B. Migrantenfamilien)
Kontakt:
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.canmanage.de
CANMANAGE: Subtypen CAN
(N=251)
0
10
20
30
Prozent
40
50
körperliche Misshandlung
72%
häusliche Gewalt
64,5% (n=162)
Vernachlässigung
61,8% (n=155)
60
70
80
(n=181)
Emotionale Misshandlung
49,8% (n=125)
sexueller Missbrauch
35,9% (n=90)
 n=218 (87%) multiple Typen von Misshandlung!!!
Psychische Gesundheit nach
Misshandlung, Missbrauch und
Vernachlässigung (N=251)
35,5%
(N=89)
Psychische Störungen (ICD-10)
after CAN (n=162)
Prozent
0
5
10
15
PTBS
20
25
30
35
36,4% (n=59)
ADHS (+SSV)
26,5% (n=43)
Störung des Sozialverhaltens
24,5% (n=40)
Enuresis/Enkopresis
23,5% (n=38)
Angststörungen
21,6% (n=35)
Emotionale Störungen
13,0% (n=21)
Anpassungsstörungen
6,2% (n=10)
andere
8,6% (n=14)
(64,6%)
 n=73 (45%) multiple Störungen!
40
Review zu Resilienz nach sexuellem
Kindesmissbrauch
Systematisches Review mit 37 primär Studien
10% bis 53% der Teilnehmer wurden als resilient
eingestuft
Protektive Faktoren auf:
- Individueller Ebene
- Familienebene
- Gemeindeeben
Domhardt, M., Münzer, A., Fegert, J.M. & Goldbeck, L. (2015). Resilience of Survivors of Child Sexual Abuse: A
Systematic Review of the Literature. Trauma, Violence, & Abuse (in press)
Review zu Resilienz nach sexuellem
Kindesmissbrauch
Unterstützung
außerhalb der Familie
• Bildung
• Interpersonelle
und emotionale
Kompetenz
• Optimismus
• Bindung
• Externe Attribution
der Verantwortung
Familiäre Unterstützung
Domhardt, M., Münzer, A., Fegert, J.M. & Goldbeck, L. (2015). Resilience of Survivors of Child Sexual Abuse: A
Systematic Review of the Literature. Trauma, Violence, & Abuse (in press)
Grundsätze der Psychotherapie traumatisierter
Patienten (nach Butollo 1998)
INTEGRATION
Annahme des
Traumas, der Veränderung
KONFRONTATION
Erlebnisaktivierung:
kognitive Verarbeitung
und emotionale Bewältigung
SICHERHEIT, STABILISIERUNG
Symptomerkennung, Ressourcenaktivierung, Stressbewältigung,
Vermeidungsverhalten reduzieren
AWMF LL
Bei Patienten mit Traumata in der Kindheit wiederum
scheinen SSRIs – anders als bei Patienten mit Traumata
im Erwachsenenalter - hingegen zur einer mäßigen
Symptomerleichterung zu führen und werden deshalb
auch empfohlen
Primat des Kinderschutzes
Eine Retraumatisierung muss ausgeschlossen werden!
• anhaltende Misshandlung, Vernachlässigung oder sex. Missbrauch
• vermeidbare Exposition mit Schlüsselreizen (z.B. Bedrohungen
durch den Täter)
Problembereiche: Loyalitätskonflikt & Umgangsrecht
 Sicherheit vor Psychotherapie!
Primat der Stabilität
Umfeld und Lebenssituation müssen stabil sein
•
Keine andauernden Beziehungswechsel, keine Unsicherheiten in
grundlegender Lebensgestaltung (Wohnen,..),
•
Erst nach erfolgtem Bindungsaufbau, Eingewöhnung an
Lebenssituation und Umgangsbesuche,.. (nicht „schnell noch zur
Vorbereitung..“)
Kind oder Jugendlicher muss ausreichend stabil sein
•
Keine akute Suizidalität, kein ausgeprägter Substanzkonsum,..
 Stabilität vor Psychotherapie!
TF-KVT: Ziele der Therapie
Der Trauma-Verhaltenstherapeut hilft dem Patienten dabei
• traumatische Erinnerungen mit weniger Angst zu erleben,
• irrtümliche und belastende Gedanken zu verändern (wie z.B. die
Überschätzung aktueller oder künftiger Gefahren, Schuld),
• Stress zu bewältigen.
TF-KVT: Grundzüge
•Komponenten-basiert
•anpassbar und flexibel
•therapeutische Beziehung ist zentral
•Selbstwirksamkeit wird betont
• familienorientiert
•kindzentrierte Elternsitzungen parallel zu Kindersitzungen
durch gleichen Therapeuten
•Achtung für kulturelle Werte
TF-KVT: Komponenten
Wöchentlich eine Doppelstunde unter Einbezug einer nicht
misshandelnden, vertrauensvollen Bezugsperson
Komponenten:
1.
Psychoedukation & Elternfertigkeiten
2.
Entspannung
3.
Ausdruck und Modulation von Affekten
4.
Kognitive Verarbeitung und Bewältigung
5.
Trauma Narrativ
6.
Kognitive Verarbeitung und Bewältigung II
7.
In vivo Bewältigung von traumatischen Erinnerungen
8.
Gemeinsame Eltern-Kind Sitzungen
9.
Förderung künftiger Sicherheit und Entwicklung
Color your body
Erstellen des Trauma-Narrativs
Überschrift
1. Kapitel: Steckbrief des Kindes
2. Kapitel: „Vorher“, wie war die Beziehung zum Täter, bevor das Trauma
begann; oder wie das Leben vor dem traumatischen Ereignis verlief
3. Kapitel: Traumabezogenes Narrativ: „erzählen was passiert ist“
Erstellen des Trauma-Narrativs
In folgenden Sitzungen die Erzählung des Kindes erneut durchgehen und
schrittweise ergänzen:
Details anreichern, konkretisieren
traumabezogene Gedanken und Gefühle integrieren
das Kind desensibilisieren über das Geschehene zu reden
„hot spots“ oder „schlimmste Momente“ identifizieren
Belastung vor, während und nachher einschätzen
Erstellen des Trauma-Narrativs
4. Kapitel: worst memory – was das Kind niemandem erzählen wollte,
die schlimmste Erinnerung
5. Kapitel: „Was ist nun anders und was habe ich gelernt?“
Was würdest Du anderen Kindern sagen oder raten, die das Gleiche
erlebt haben?
Wie hast Du Dich verändert, seit x passiert ist, seit Du die
Behandlung begonnen hast?
„…Jetzt gibt es bei uns keine
Gewalt mehr ...
Ich habe noch ein bisschen
Angst, dass es wieder passiert.
Aber gegen die Angst helfen mir
die Entspannungsübungen, und
dass ich an etwas Schönes
denke oder daran, dass uns die
Polizei hilft.
…
Ich wünsche mir, dass ich auch
mal Polizist werde und dass ich
nicht so Alkohol trinke wie mein
Vater und nicht rauche. „
EMDR
Eye Movement Desensitization and Reprocessing
(nach Francine Shapiro)
„Eine EMDR-Sitzung ist vergleichbar mit einer Zugreise: Die
Patientinnen und Patienten fahren noch einmal an dem
Geschehen vorbei – aber aus sicherer Distanz und in Begleitung
ihrer Therapeutinnen bzw. Therapeuten. Im weiteren Verlauf der
Sitzung verblasst die belastende Erinnerung Stück für Stück und
die Symptome des Traumas werden aufgelöst.“
(www.emdria.de)
EMDR
• Bei bilateraler
alternierender
Stimulierung:
• Amygdala
Aktivierung erhöht
• DLPFC Aktivierung
herabgesetzt
Herkt et
al., 2014
Psychopharmakotherapie: Erwachsene
Frühintervention
– Keine gesicherte Wirksamkeit. Keine Benzodiazepine
Vollbild
– TCA: Amitryptilin, Imipramin
– MAO Hemmer
– Phenelzin, Moclobemid
– SSRI
– Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin
– SNRI: Venlafaxin
– Mirtazapin
– Stimmungsstabilisatoren: Carbamazepin, Lamotrigin
Frommberger et al., 2014
Review von MetaAnalysen und
Leitlinien:
Für Erwachsene
SSRIs als first line
Stein et al., 2009
Psychopharm. Strategien zur PTBS
Behandlung
ADs:
– SSRIs: Keines das anderen überlegen ist
– Mirtazapin, Trazodon und Venlafaxin: kleinere Studien
mit positiven Ergebnissen
– Buspiron: nicht signifikante Besserung im Vgl. mit Pbo:
Wirkung auf Intrusionen und autonome Hyperaktivität
Kapfhammer, 2014
Psychopharm. Strategien zur PTBS
Behandlung: Empfehlungen
SSRI: first line
SSNRI, Mirtazapin, Trazodon: second line
APs od. Phasenprophylaktika. Add-on
Benzodiazepine wenn überhaupt dann nur kurz
Längerfristige Therapie. 6-12 Monate
Kapfhammer, 2014
com.can
• Praxisforschung
• Aus-, Fort- und Weiterbildungszentrum
• Prävention und Intervention bei Vernachlässigung,
Misshandlung und sexuellem Missbrauch
Transdisziplinäre Traumaforschung in Ulm
Fazit
• Nach sexuellem Missbrauch können unterschiedliche
Traumafolgestörungen eintreten. Es gibt aber auch
Verläufe, wo Betroffene ohne diagnostizierbare Probleme
weiterleben können (Resilienz).
• Bei manchen Betroffenen zeigen sich im Laufe der
Entwicklung und zu ganz unterschiedlichen Zeiten (z.B.
Entwicklungsschwellen wie Pubertät) Folgen, die die
Betroffenen in Verbindung mit Missbrauch bringen.
• Im 3., 4. und 5. Lebensjahrzehnt scheint die
Mitteilungsbereitschaft über erlebten Missbrauch
am höchsten zu sein.
• Soziales Entschädigungsrecht muss Akutfälle
(Frühintervention) von Zuständen mit Spätfolgen
unterscheiden.
Fazit
Kausalität, problematisches Konstrukt, da Missbrauch
gerade in der Familie oder vor einer Fremdunterbringung häufig
mit anderen Formen der Misshandlung und Vernachlässigung
vergesellschaftet ist
Bei Spätfolgen ist Kausalität oft schwierig zu bewerten.
Unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten:
• strenge Subtraktion wie im Zivilrecht oder
• Plausibilität wie bei anerkannten Berufskrankheiten
Fazit
Intervention und Therapie
Im Kindes- und Jugendalter ist Frühintervention und
evidenzbasierte Therapie erfolgversprechend.
Solche Angebote stehen flächendeckend nicht zur Verfügung.
Chronische Langzeitfolgen zeigen sich in ganz unterschiedlichen
Lebens-, Arbeits- und Gesundheitskontexten.
Das Gesundheitswesen muss traumasensibler werden.
Problematik:
Zusammenhang Chronifizierung des Störungsbildes und
Anspruchsbegründung.
Kein geeignetes Verfahren bei Spätfolgen bei Typ-II-Traumata
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
„Es gibt keine großen Entdeckungen
und Fortschritte, solange es noch
ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“
Albert Einstein
* 1889 Ulm
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /
Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm
Steinhövelstraße 5
89075 Ulm
www.uniklinik-ulm.de/kjpp
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert
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