globalisierung und internationales marketing: wer treibt wen?

Werbung
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
128
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING:
WER TREIBT WEN?
von Manfred Lange*
ABSTRACT
Zwar werden von Globalisierungs-Gegnern häufig Scheiben örtlicher McDonald’sFilialen eingeworfen, doch bleibt dabei regelmäßig die Frage unbeantwortet, wer
denn eigentlich für die Globalisierung verantwortlich ist und wer sie vorantreibt:
die international tätigen Unternehmen, die ihre Aktivitäten ausschließlich zu ihrem
Nutzen auf alle Länder der Erde ausdehnen, oder die jeweiligen Regierungen, denen
das Wohl ihrer Völker am Herzen liegt?
Ausgehend von den Zielen internationaler Unternehmen einerseits und denen der
Organisationen zur Schaffung des Freihandels andererseits wird die weitgehende
Unabhängigkeit beider Bestrebungen erkennbar. Die genauere Betrachtung der Rolle
der Verbraucher in allen Teilen der Welt macht dagegen deutlich, dass diese die wahren „master of globalization“ sind.
* Dr. Manfred Lange war viele Jahre im internationalen Management der Konsumgüterindustrie
tätig, zuletzt als Vorsitzender der Geschäftsführung von Bestfoods Deutschland. Heute hält er als
Lehrbeauftragter Vorlesungen über „Internationales Marketing“ an der Universität in München sowie
in St. Gallen und ist in verschiedenen Beiräten tätig, so z.B. im Verwaltungsrat der GfK Nürnberg. Er war bis 2001 Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft e.V. in Bonn
(ZAW) und ist stellv. Vorsitzender der G-E-M, Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V.
in Wiesbaden. Zypressenweg 12, 81377 München, Tel 089-7143993, Fax 089-71019173,
E-mail: [email protected]
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
129
1.
Zur Diskussion über die Globalisierung
Bücher oder Aufsätze über die Globalisierung und deren mögliche Folgen gibt es
inzwischen in ausreichender Zahl, und dies, dem Thema angemessen, nicht nur in der
deutschen Literatur, sondern in nahezu allen Sprachen der Welt (vgl. dazu insbesondere das Buch von Naomi Klein (2000), die damit zu einer Art Leitfigur der internationalen Anti-Globalisierungs-Bewegung geworden ist).
Seltener beschäftigen sich jedoch Autoren und Globalisierungs-Gegner mit den eigentlichen Ursachen der Globalisierung oder mit der Frage, wer denn nun die Globalisierung vorantreibt: sind es die Unternehmen, die ihre Produkte in weitgehend
standardisierter Form in allen Ländern der Welt verkaufen wollen? Oder sind dafür
eher die internationalen Organisationen (wie WTO) und nationalen Regierungen
verantwortlich, die mit Hilfe von grenzüberschreitenden Abkommen die Voraussetzungen für freien Handel auf der Welt schaffen? Oder sind es gar die Verbraucher
auf den fünf Kontinenten, die unbedingt ausländische Produkte kaufen wollen, auch
wenn sie damit u.U. einheimischen Anbietern Schaden zufügen?
Um die wahren Ursachen und Treiber der Globalisierung herauszufinden, ist es
somit nicht uninteressant zu untersuchen, was einerseits die international tätigen
Unternehmen veranlasst, ihre Produkte unter ihrer Marke in möglichst vielen Ländern
der Welt anzubieten, und welche Ziele andererseits die Regierungen mit der Globalisierung anstreben. Und um zu ermitteln, ob die politischen und privatwirtschaftlichen Ziele ineinandergreifen oder möglicherweise unabhängig voneinander verfolgt
werden, ist zu fragen, ob sich die „global brands“ auch dann ausbreiten würden, wenn
es keine supranationalen Freihandelsabkommen gäbe. Die Kernfrage, die in diesem
Aufsatz beantwortet werden soll, ist somit: Wer ist bei der Globalisierung die Henne
und wer das Ei?
2.
Die Ziele der „global companies“
2.1
Wachstum
Wer wollte es irgend einem Unternehmen auf der Welt bzw. seinen Anteilseignern,
seinem Management oder seinen Mitarbeitern verübeln, dass es wachsen, den Umsatz und möglichst auch den Gewinn steigern und so die eigene Existenz dauerhaft absichern will? Gilt doch die weitgehend unbestrittene These, dass ein Unternehmen ohne Wachstum und Stabilität – ähnlich wie eine Pflanze – auf Dauer zum
Untergang verurteilt ist oder von immer stärker werdenden Wettbewerbern überrollt
wird.
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
130
Das Wachstum auf eigenem nationalen Territorium ist häufig jedoch begrenzt – seltener allerdings, als oft unterstellt wird –, in Deutschland und den meisten anderen
Ländern Europas beispielsweise zusätzlich behindert durch eine stagnierende, bald
rückläufige und zunehmend überalterte Bevölkerung. Aber da auch die Konkurrenz –
oft selbst internationaler Provenienz – nicht rastet und zusätzlichen Umsatz außerhalb
der nationalen Grenzen sucht, bieten Auslandsmärkte ganz generell eine beliebte und
oft die einzige Quelle für zusätzliches Wachstum.
„Wachstum um jeden Preis“ ist damit aber nicht gemeint, denn die „global players“
sind, auch wenn sogar sie vor gelegentlichen Fehlentscheidungen nicht verschont bleiben, typischerweise klug genug, das Wachstumstempo so zu wählen, dass ihre Existenz
dadurch nicht etwa gefährdet wird.
Gewiss gibt es auch hier Ausnahmen von der Regel, wie z.B. die erst kürzlich gescheiterte Fusion von BMW und ROVER. Derartige internationale Management-Fehler
sind sonst eher bei kleineren, mittelständischen Unternehmen zu beobachten, die sich
gelegentlich trotz mangelhafter Erfahrungen und ohne die erforderlichen Voraussetzungen in Auslandsabenteuer stürzen, die ihre gesamte Existenz gefährden oder
gar vernichten können, wie z.B. beim misslungenen USA-Engagement des in Zentraleuropa erfolgreichen Unternehmens WIENERWALD.
2.2
Die „Nr. 1 – Position“
Größe an sich, gemessen in absoluten Zahlen, ist für die „Multinationals“ zumeist
kein vordergründiges Ziel, denn ob ein derartiges Unternehmen nun 30, 50 oder
100 Mrd. $ Umsatz macht, ist für eine dominante Weltmarktposition zumeist nicht
entscheidend. Wichtiger dabei ist die relative Größe, der Umsatz im Vergleich zu den
Wettbewerbern also, und hier insbesondere das Ziel, im eigenen Kernmarkt der
Größte und Stärkste zu sein oder zu werden, möglichst sogar „Weltmarktführer“. So
verfolgt der Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler, Jürgen Schrempp, offensichtlich mit aller Kraft das Ziel, „auf Platz eins der weltweiten Autoliga vorzustoßen“
(Scholtys 2002).
Das Motiv, erster am Markt sein oder werden zu wollen, ist durchaus nachvollziehbar,
gilt doch in der Wettbewerbswirtschaft wie auch im Sport das Motto „the winner
takes it all“: Ist ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen erst einmal Marktführer, und zwar nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf ausländischen Märkten
oder gar weltweit, ist diese Marktposition selbstverstärkend, signalisiert sie den
Verbrauchern doch, hierbei müsse es sich einfach um das beste Angebot handeln, da
„so viele Verbraucher auf der ganzen Welt doch nicht irren können“. Denn auch in der
Wirtschaft gilt: „everybody loves the winner“.
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
131
Für die Auswahl der neu zu erschließenden Länder kommt das Motiv hinzu, diese
möglichst als Erster zu besetzen nach dem Motto: „second place is the first looser“.
Nach dem Fall der Mauer hat die Expansion in die zuvor abgeriegelten Staaten
Osteuropas erneut bewiesen, dass der Anbieter, der einen neuen Markt als Erster bearbeitet, sogenannte „first mover advantages“ realisieren, zum Synonym für eine ganze
Warengattung und dadurch dauerhaft zum Marktführer werden kann.
2.3
Die Multiplikation überlegener Konzepte
Bei aller Kritik an den inzwischen fast überall auf der Welt vertretenen Unternehmen
und sichtbaren Marken (wie COCA-COLA, McDONALD’S, GAP, STARBUCKS etc.)
wird gern übersehen, dass diese Firmen zumeist über ein überlegenes MarketingKonzept verfügen, das über viele Jahre zunächst ausschließlich im Heimatland
praktiziert, dann für die Übertragung in das Ausland adaptiert und ständig weiterentwickelt wurde.
Die Folge ist: Die Verbraucher kaufen die Produkte dieser Hersteller einfach lieber als
die anderer, zumeist lokaler Wettbewerber, sei es, weil sie qualitativ besser und/oder
preislich günstiger sind, weil sie innovativer und/oder schlichtweg „trendiger“ sind,
oder einfach nur: aus dem Westen (zumeist: aus den USA) stammen (vgl. Drakulic
2003).
Denn mit irgendeinem beliebigen, austauschbaren oder womöglich qualitativ unterlegenen Produkt ist es bei dem Wettbewerb, der heutzutage in fast allen Branchen
auf allen Märkten der Welt besteht, nahezu ausgeschlossen, erfolgreich zu sein. Zudem
sind Auslandsmärkte erfahrungsgemäß per se schwieriger zu erobern und zu bearbeiten als vertraute Inlandsmärkte. Die Unternehmen und ihre Angebote müssen somit
topfit sein, wollen sie möglichst überall auf der Welt Erfolg haben.
Diese Überlegenheit kann sich natürlich nicht auf alle Parameter des Angebotsbündels beziehen; niemand kann gleichzeitig „Weltmeister in allen Disziplinen“ sein.
Das „Geheimrezept“ international erfolgreicher Unternehmen ist im Gegenteil, sich
auf einige wenige Kernkompetenzen zu fokussieren, seien es …
■
konkurrenzlos billige Preise und kostengünstige Produktionsmethoden wie bei
IKEA oder HENNES & MAURITZ
■
Produkte mit Alleinstellung (wie die von McDONALD’S oder von KELLOG’S)
■
eine überlegene und äußerst massive Werbung oder Verkaufsförderung wie von
COCA-COLA oder WRIGLEY’S
■
ein unschlagbar preisgünstiges Distributionskonzept (wie das von ALDI)
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
132
■
■
eine überall auf der Welt anwendbare innovative Technologie (wie die von
MICROSOFT oder SONY)
oder „nur“ ein überlegenes Vermarktungs-Know-how (wie von UNILEVER oder
NESTLÉ), das es erleichtert, rasch und erfolgreich in neue Märkte vorzustoßen.
Letztlich sind es weniger die angebotenen Produkte oder die Dienstleistungen alleine,
die einen Wettbewerbsvorteil konstituieren (einen „Hamburger“ kann jeder leicht herstellen und verkaufen), sondern die gesamte, unerhört effiziente Wertschöpfungskette der Leistungserstellung (von der Idee über den Einkauf und die Produktion
bis hin zum endgültigen Produkt oder zur Dienstleistung sowie der Art und Weise
ihrer Vermarktung), die nur schwer imitiert werden kann.
Dazu führte Dieter Brandes, ehemaliger ALDI-Manager, auf dem 28. Münchener Marketing-Symposium aus: „… es ist für Außenstehende schwierig, hinter die Kulissen
(von ALDI, Anm. d. Verf.) zu schauen. Man kann in die Läden gehen, sich die Preise
anschauen, die Sortimente und die Kittel der Verkäuferinnen, vielleicht die LKW beim
Entladen beobachten, aber das war es dann eigentlich schon“. (Brandes, 2002, S. 36).
Die eigentlichen Erfolgsrezepte jedenfalls lassen sich so nicht entschlüsseln.
2.4
Synergien
Um sich das Ausmaß der theoretisch möglichen (und bis heute erst im Ansatz weltweit ausgenutzten) Kosten- und Ertrags-Synergien international tätiger Unternehmen
plastisch vor Augen zu führen (vgl. Lamparter 2003), braucht man sich nur für einen
Moment vorzustellen, ein Unternehmen bestünde aus einer großen Vielzahl von komplett ausgestatteten, unterschiedliche Sortimente unter diversen Marken produzierenden und eigene Strategien verfolgenden Niederlassungen. Im Vergleich dazu stelle man
sich eine straffe, zentral gesteuerte Organisation mit einem einheitlichen Sortiment
unter nur einer Marke vor. Die durch eine derartige Standardisierung und zentrale
Führung möglichen Kosten- und Vermarktungsvorteile sind im Vergleich zu dem
davor geschilderten Unternehmen erheblich größer, als man sie sich gemeinhin vorzustellen vermag.
Derartige Synergieeffekte entstehen ...
■ durch räumliche Zusammenlegung dislozierter Organisations-Einheiten und
dadurch mögliche Einsparung sogenannter „overheads“
GfK
■
durch Zentralisierung der Produktion („economies of scale“)
■
durch maximale Nutzung des im Unternehmen weltweit vorhandenen Know-hows
(insbesondere über die Vermarktung in fremden Ländern)
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
133
■
durch erhebliche Zeitersparnis bei den Entscheidungsprozessen
■
und nicht zuletzt durch die Attraktivität derartiger internationaler Firmen für
hochqualifizierte Mitarbeiter, die sogenannten „Internationals“.
Diese Faktoren verschaffen den international vertretenen Firmen einen anderweitig
kaum zu erzielenden und womöglich nicht mehr einzuholenden Kosten- und Effizienzvorsprung.
Voraussetzung für eine maximale Ausschöpfung derartiger Synergien sind neben der
Konzentration der Produktion und der Zentralisierung der Verwaltung eine weitgehende Standardisierung der angebotenen Leistung (wie die Produktion, Produkte,
Distribution, Kommunikation), die – „nichts im Leben ist umsonst“ – umgekehrt aber
auch das optimale Ausschöpfen örtlicher Absatzpotenziale erschweren können.
Da derart kostengünstig zu produzierende und weltweit zu distribuierende Produkte
auf den Märkten, auf denen sie zumeist nur mit lokalen Anbietern im Wettbewerb stehen, oft nicht gleichermaßen billig verkauft werden müssen, d.h. also eine deutlich
überproportionale Wertschöpfung erzielen, können sich viele internationale Firmen
auch einen überdurchschnittlich großen Werbeetat (bis zu 25% vom Umsatz) leisten
und gleichzeitig hohe Gewinne erwirtschaften. Diese Überschüsse können folglich,
sofern sie nicht als Dividende an die Shareholder ausgeschüttet werden müssen, beliebig in die weitere Expansion und zur Bekämpfung örtlicher Wettbewerber investiert werden.
2.5
Die Steigerung des „Shareholder Values“
Die Ausweitung der geschäftlichen Tätigkeit auf immer mehr Länder der Erde steigert
einerseits den Wert eines Unternehmens, werden dadurch doch der Umsatz und seine
Existenzbasis deutlich ausgeweitet. Andererseits erfordert diese Expansion einen
hohen Finanzbedarf, und zwar in exponentiell zunehmendem Maße, da man unterstellen kann, dass die am schnellsten, einfachsten und preiswertesten zu erobernden
Märkte vorgezogen werden, während die als kompliziert oder riskant eingeschätzten
Länder erst später „besetzt“ werden.
So ist es nicht überraschend, dass die meisten „global players“ börsennotierte Unternehmen sind und in der Mehrzahl an der Wallstreet gehandelt werden. Denn mit
Bankkrediten, Anleihen oder ähnlich teuren Finanzierungsquellen wäre ein derartiges
Expansionsprogramm vermutlich nicht zu bewerkstelligen, weshalb – abgesehen von
der Eigenfinanzierung aus einbehaltenen Gewinnen – die Finanzierung über die
Börse für die globalen Gesellschaften unverzichtbarer Bestandteil ihrer Expansionsstrategien ist.
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
134
Der Nachteil dieser relativ preiswerten Expansionswährung ist allerdings, dass die
Börsen auch mitspielen müssen, was voraussetzt, dass sie (d.h. die Analysten, die
Aktionäre, die Medien u.a.) von der Vorteilhaftigkeit der jeweiligen globalen Expansionsstrategie überzeugt sein müssen und die damit verbundenen Risiken geringer
einschätzen als die dadurch realisierbaren Chancen. Sollten sich also eines Tages die
Risiken einer internationalen Expansion, z.B. aufgrund politischer oder kriegerischer
Auseinandersetzungen, deutlich verstärken, kann bzw. wird es dieselbe Wallstreet
sein, die der weiteren Globalisierung börsennotierter Unternehmen einen Riegel vorschiebt. Die kontinuierliche Steigerung des „Shareholder values“ (d.h. die in einer
Periode erzielte Kurssteigerung plus ausgeschüttete Dividende) bei gleichzeitig
begrenzt erscheinendem Risiko sind für diese Unternehmen daher eine „conditio sine
qua non“.
Ein anderer Weg, die für die weltweite Expansion erforderlichen Mittel zu beschaffen
oder zu begrenzen, sind Franchise- und Lizenzmodelle, wie sie beispielsweise von
McDONALD’S oder COCA-COLA praktiziert werden: Hier wird die notwendige
„hardware“, sprich: die Anlageinvestitionen (in Absatzstellen, Zentralläger, Produktionsstätten u.a.) zumeist von den Franchise- oder Lizenznehmern finanziert, während
die Namens- und Konzeptgeber nur die „software“ liefern, d.h. die Rezepturen, die
Werbeideen, das Produktions-Know-how etc., wofür typischerweise ein geringerer
Kapitalbedarf erforderlich ist.
2.6
Die Nutzung internationaler Medien
Ein zusätzliches Motiv internationaler Unternehmen, möglichst rasch und möglichst
breit auf dem ganzen Globus distribuiert zu werden, ist die nur solchermaßen aufgestellten Unternehmen gebotene Möglichkeit, Werbung in den (im Verhältnis zur
Anzahl erreichbarer Kontaktpersonen) relativ preiswerten internationalen Medien
(wie CNN, MTV) zu schalten oder international per TV übertragene Events wie z.B.
Weltmeisterschaften auszunutzen.
Wenn beim Endspiel der Fußballweltmeisterschaft in Seoul im Jahre 2002 über
1 Milliarde Zuschauer vor dem Fernseher saßen, dann konnten diese aktuellen oder
potenziellen Kunden per Bandenwerbung einfach und preiswert mit den internationalen Markennamen bekannt gemacht oder zumindest daran erinnert werden. Und in
der Tat las sich die Liste der bei diesem Anlass vertretenen Markenfirmen wie ein „Who
is Who?“ der global agierenden Unternehmen. Nur national oder nur auf einzelnen
Kontinenten distribuierenden Marken ist diese Art der Werbung wegen der damit verbundenen hohen Streuverluste verwehrt.
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
135
2.7
Weitere Ziele
Natürlich gibt es neben den aufgeführten noch weitere Motive, eine globale Positionierung anzustreben, wie z.B. …
■ der Ehrgeiz mancher Manager, ihr Unternehmen und damit auch sich selbst zum
„Größten auf der Welt“, zur Nummer eins also, zu machen, ob sich dies nun
betriebswirtschaftlich rechnet oder nicht (was im Falle von DaimlerChrysler ja noch
zu beweisen ist)
■ ein der gewachsenen Größe und der Internationalität des Unternehmens angepasstes
Managergehalt beziehen zu können (was im Falle derselben Firma bereits gelungen
ist)
■ Macht über Rohstoffquellen zu erzielen
■ Kunden zu folgen, die aufgrund ihrer eigenen Internationalität nicht mit vielen
örtlichen Lieferanten oder Dienstleistern (z.B. Werbeagenturen oder Marktforschungsinstituten) arbeiten wollen, sondern einen Ansprechpartner bevorzugen,
mit dem sie überregional zusammenarbeiten können
■ oder steuerliche Optimierungen vornehmen zu können, indem Gewinne – durchaus legal – in solche Länder transferiert werden, in denen die geringsten Steuersätze
erhoben werden (vgl. Strauss 2000).
Derartige, in der Zielhierarchie eines Unternehmens eher untergeordnete, teilweise
rein emotionale oder gar irrationale Motive mögen den o.a. betriebswirtschaftlich
nachvollziehbaren Zielen zumindest implizit oft ebenfalls zugrunde liegen, doch sind
sie für sich allein keine ausreichende Voraussetzung für eine weltweit erfolgreiche
Expansion. Eine weder betriebswirtschaftlich sinnvolle noch marketingpolitisch überzeugende Zielsetzung war gleichwohl oft genug Anlass, nur, um groß zu sein oder zu
erscheinen, heterogene Unternehmen zu einem bloßen Konglomerat aneinanderzureihen. Eine derartige Imponier-Strategie stellt sich zumeist recht schnell nicht als eine
Problemlösung, sondern eher als die Ursache eines (neuen) Problems heraus (wie z.B.
bei VIVENDI oder AOL-TimeWarner).
3.
Die Ziele der Regierungen und der internationalen Organisationen
3.1
Freihandel, Friede, Demokratie
Unbestritten ist, dass Menschen, die miteinander Handel treiben, die gegenseitig
Investitionen, Kapitalbeteiligungen oder Finanzierungen zulassen, sich auch persönlich und politisch näherkommen. Dadurch kann auch das Risiko kriegerischer Aus-
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
136
einandersetzungen vermieden oder zumindest verringert werden. Der Friede auf der
Welt kann sicherer werden, und die sich öffnenden politischen Systeme geraten unter
den Druck, sich demokratischer zu organisieren. Deshalb ist es nahezu gleichgültig,
ob die Schaffung von Frieden und Demokratie nun Hauptziel der Liberalisierung der
Märkte ist, wie sie von den internationalen Organisationen (wie IWF, WTO) oder
nationalen Regierungen vorangetriebenen wird, oder „nur“ eine erhoffte, quasi automatische Folge dieses Prozesses darstellt.
So war das wesentliche Motiv der Urväter der europäischen Union die Aussöhnung
nach dem 2.Weltkrieg, zumal die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion ex ante nicht eindeutig nachzuweisen war und erst
später durch den „Cecchini-Bericht“ im Sinne von Opportunitätskosten im Falle einer
Nichteinigung nachzuweisen versucht wurde. Spätestens mit der Einführung einer einheitlichen Währung glaubten sie, die Einigung Europas irreversibel machen und
dadurch dauerhaft Frieden zwischen den beteiligten Ländern schaffen zu können.
Auch können die Einhaltung der Menschenrechte und die Realisierung demokratischer Staatsformen von den internationalen Gremien besser kontrolliert werden, wenn
mit den fraglichen Ländern Geschäftsbeziehungen bestehen. Wenn dann auch noch die
internationalen Konzerne auf Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards bei der
Produktion der von ihnen weltweit vertriebenen Waren drängen, sind zusätzliche positive Einflüsse auf die soziale Lage gewisser Teile der Bevölkerung sowie auf die Umwelt zu erwarten.
3.2
Wohlstand
Ähnlich wie die zwangsläufig in ihrem eigenen Interesse handelnden Unternehmen
versuchen natürlich auch die Regierungen, für ihre eigenen Nationalstaaten oder für
ihre Staatengemeinschaft die Voraussetzungen dafür zu schaffen oder zu verbessern,
durch zunehmende Exporte (und möglichst wenige Importe) …
■
Wachstum in ihren Volkswirtschaften zu erzeugen
■
dadurch mehr Beschäftigung zu bewirken
■
Arbeitslosigkeit zu verhindern oder zu verringern
■
zusätzliches Einkommen der Bevölkerung zu generieren
■
und letztlich auch die Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu erhöhen.
Umgekehrt wäre auch kaum vorstellbar, dass Regierungen Abkommen mit anderen
Ländern schließen, die ausschließlich oder weitgehend zu Lasten ihrer eigenen Volkswirtschaften gingen. Eine derartige Umverteilung des Wohlstandes weg von den rei-
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
137
chen hin zu den ärmeren Ländern wird zwar öffentlich gelegentlich beschworen, aber
offiziell kaum angestrebt, zumal in einer auch für die sog. „Geberländer“ nicht ganz
rosigen wirtschaftlichen Situation (vgl. Vorholz 2003). Eher erhofft man sich vom freien
Welthandel ein „win-win“-Ergebnis für alle beteiligten Partner.
Und da auch die in den Freihandel zu integrierenden LDCs („low developed countries“)
ihren eigenen Vorteil verfolgen und nicht gezwungen sind, für sie möglicherweise
nachteilige Abkommen zu unterschreiben, ist zu erwarten, dass zumindest die Planbilanz dieser Verträge ein mehr oder weniger ausgeglichenes Verhältnis aus angestrebten Vorteilen (durch mögliche Exporte) und unumgänglichen Nachteilen
(durch hinzunehmende Importe) ausweist.
Aber auch ohne internationale Freihandelsabkommen können einzelne Länder
überdurchschnittlich positive wirtschaftliche Entwicklungen realisieren; ein vertraglich vereinbarter Freihandel ist für sie nicht die einzige Voraussetzung für ein wachsendes Sozialprodukt. So haben internationale Studien ergeben, dass es nicht wenige
Länder auf der Welt gibt, die aufgrund ganz anderer Faktoren (wie ausgiebige
Bodenschätze, stabile Wechselkurse, eine günstige geographische Lage, hohe Produktivität, niedrige Transportkosten, Verhinderung von Korruption etc.) zu Blüte und
Wohlstand gekommen sind und erst im Laufe der Zeit ihre Märkte für die internationale Konkurrenz geöffnet haben. „Die Liberalisierung des Handels war (für diese Länder,
Anm. des Verf.) weniger Ursache als Folge des Wachstums“ (Uchatius, 2002).
3.3
Weitere Ziele
Wie bei den Unternehmen gibt es auch staatlicherseits zusätzliche Motive, die Globalisierung weiter voranzutreiben oder zuzulassen. So ist der Erhalt von Krediten des IWF
und der Weltbank natürlich ebenso ein wirksames Lockmittel für die Öffnung der
Märkte, wie es legitim ist, an die Vergabe klassischer Entwicklungshilfe nach dem
Motto „wer zahlt, schafft an“ Bedingungen knüpfen, wie z.B. die Liberalisierung der
eigenen Volkswirtschaft voranzutreiben, die Menschenrechte zu beachten, die Umwelt
zu schonen, ein demokratisches System zu schaffen und letztendlich den Binnenmarkt
für die Geberländer zu öffnen.
3.4
Kompatibilität mit den Zielen der „global companies“
Es wäre zu kurz gegriffen, würde man den internationalen Organisationen, die für
die Globalisierung gleichsam „qua Amt“ zuständig sind, unterstellen, sie würden
die Freihandelsabkommen nur deshalb anstreben, um für die global agierenden
Unternehmen als eine Art „Steigbügelhalter“ zu dienen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Lobbyisten dieser Unternehmen für sie nachteilige Import-
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
138
restriktionen zu unterbinden versuchen, doch spielen die „global players“ in den Verhandlungen um freie Märkte nur eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund der
Freihandelsabkommen stehen eher homogene Güter wie landwirtschaftliche Produkte, Rohstoffe oder Halbfertigprodukte und eben nicht Fertigprodukte wie Softdrinks (wie die von COCA-COLA), Möbel (wie die von IKEA) oder Turnschuhe (wie
die von NIKE).
Die international tätigen Markenartikel-Hersteller verfügen ihrerseits über derart flexible Strategien, dass sie weitgehend auch ohne derartige supranationale Abkommen
auskommen und ihre Strategien situativ an die jeweilige Rechtslage vor Ort anpassen
können. Gibt es in einem Land beispielsweise hohe Import-Zölle, können sie diese
mit örtlicher Produktion umgehen; existieren Einschränkungen beim Kapitaltransfer,
können sie auf Lizenz- oder Franchise-Abkommen ausweichen.
Insofern ist die Schnittmenge der Motive der politisch und der unternehmerisch vorangetriebenen Globalisierung relativ klein, man kann eher von weitgehend unabhängig voneinander angestrebten Zielsetzungen sprechen. Die Gegner der Globalisierung, die nach wie vor bevorzugt international bekannte Marken an den Pranger stellen, erkennen nicht oder wollen nicht zugeben, dass die Ausbreitung dieser Produkte
ganz anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt und nur unwesentlich vom Abbau der
Zölle oder Importrestriktionen im Außenhandel abhängt, hingegen sehr viel stärker
vom Verhalten der Verbraucher, auf das im Folgenden näher einzugehen ist.
4.
Die Rolle der globalen Verbraucher
4.1
Präferenzen
Bis auf die wenigen Ausnahmen ausgesprochener Not- oder Zwangssituationen kann
kein Verbraucher auf der Welt gezwungen werden, gegen seinen Willen irgendein
Produkt zu kaufen, das er nicht benötigt oder das ihm, insbesondere im Vergleich zu
anderen, konkurrierenden Angeboten, nicht besser gefällt. Dies gilt auch bzw. besonders dann, wenn es sich bei den Angeboten um solche ausländischer Anbieter handelt
und parallel dazu ein vergleichbares Angebot inländischer Anbieter verfügbar ist.
Ihm gefallen oder schmecken aber offenbar die ausländischen Angebote wie die von
McDONALD’S, COCA-COLA, NIKE, BENNETON etc. einfach besser als vergleichbare Angebote, und oft sind diese wegen der genannten „economies of scale“
schlichtweg preiswerter. Und dass sich die Geschmäcker und Präferenzen auf der
Welt zunehmend annähern, ist ein über nahezu alle Branchen hinweg zu beobachtendes Phänomen, so z.B. bei Nahrungsmitteln (vgl. Schümer, 2002), in der Mode (vgl.
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
139
o.V. 2002), bei elektronischen Geräten, Sportgeräten oder wie schon seit
Jahrzehnten bei Automobilen.
Oft kann sich der Verbraucher mit internationalen Produkten einfach besser identifizieren, z.B. weil sie westlichen Lebensstil verkörpern. Dieser „american way of life“
wurde in den letzten Jahrzehnten durch Satelliten-TV, Hollywood-Filme, Pop-Musik
und das Internet in die hintersten Ecken der Welt ausgestrahlt und verspricht gegenüber der bisherigen, eher tradierten Lebensweise derart viel Spaß und Lebensfreude,
dass man sich ihrer Wirkung, besonders wenn man jung ist, kaum entziehen kann.
4.2
„Everybody loves the winner“
Ist ein Angebot marktführend geworden oder kann es womöglich mit der Auszeichnung „Weltmarktführer“ werben, fällt es den Verbrauchern noch leichter, sich
dafür zu entscheiden, nach dem Motto: „Millionen von Verbrauchern können nicht
irren!“. So wirbt denn beispielsweise McDONALD’S in den USA auch mit dem Slogan
„Billions and billions served“.
Denn wer will schon zurückstehen, wenn man ein Produkt kaufen kann, das in dieser
oder ähnlichen Form überall auf der Welt geschätzt und/oder gekauft wird. Die Internationalität selbst ist für viele Verbraucher ein nicht zu unterschätzendes Kaufmotiv.
Dass es traditionelle Globetrotter möglicherweise in ihrem Weltbild bzw. Kulturempfinden stört, wenn sie als Konsequenz dieser „Globalisierung der Präferenzen“
im tiefsten Busch Eingeborene antreffen, die Baseball-Kappen mit der Aufschrift
„TEXACO“ tragen, ist, wie Toynbee nachweist, sehr einseitig gedacht (vgl. Toynbee
2001). Denn warum sollte weniger entwickelten Völkern versagt werden, was reicheren Menschen tägliches Vergnügen bereitet?
Ob aber die Welt durch die globale Verbreitung von Markenartikeln kulturell total
vereinheitlicht wird, ist ohnehin sehr umstritten. „Werden sich ein fundamentalistischer Muslim und ein gottloser westlicher Hedonist schon deshalb ähnlicher, weil sie
die gleiche Zahnpasta benutzen?“, fragt Fischermann und bezweifelt, dass in Zukunft
durch eine einheitliche Verwendung internationaler Konsumgüter auch weitere kulturelle Wurzeln und Verschiedenheiten eliminiert bzw. angeglichen werden (Fischermann
u.a. 2000).
4.3
Internationale Kommunikation
Bei der Schaffung und Stärkung der Verbraucherpräferenzen spielt natürlich auch die
Werbung der „global brands“ eine wesentliche Rolle, wobei für die Werbung dasselbe
gilt wie für den oben angeführten Kaufzwang: Diesen gibt es einfach nicht, und auch
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
140
die internationale Werbung wirkt nur dann, wenn sie auf ein latent vorhandenes
Bedürfnis der Verbraucher trifft. Denn dass Werbung manipulieren könne in dem
Sinne, die Menschen zu bewegen, etwas zu kaufen, was sie gar nicht benötigen oder
eigentlich nicht kaufen wollen, ist eine schon seit Jahrzehnten widerlegte Behauptung.
Dabei muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass die Werbung für die „global
brands“ zumeist nicht nur quantitativ überlegen (s.o.), sondern regelmäßig auch
inhaltlich sehr beeindruckend ist. Sie tritt zumeist in englischer Sprache auf und
unterstellt somit beim Verbraucher von vorne herein eine kosmopolitische Ader.
Sie spricht oft große Gefühle an und verfehlt somit nicht ihre Wirkung auf Verbraucher, die zur Weltgemeinschaft aufgeklärter und moderner Verbraucher schlichtweg dazugehören wollen.
4.4
Branding
Welche Rolle die Markierung der Produkte bei der Präferenzbildung des Konsumenten spielt, und zwar im heimischen wie auf dem internationalen Markt, wird,
obwohl es Markenartikel schon seit über 100 Jahren gibt, erst jetzt mehr und mehr
bewusst. Ursächlich dafür sind einerseits die zunehmende Anonymisierung der Marktbedingungen und andererseits eine derart heillose Überflutung der Verbraucher mit
Reizen, Impulsen und Kontakten, dass bekannte Marken dabei helfen, die eigene
Identität zu definieren und eine Auswahl aus der quälenden Vielfalt zu treffen.
Vielleicht ahnen die Verbraucher auch, dass sich die „brand owners“ des ihnen entgegengebrachten Vertrauens permanent würdig erweisen müssen, wollen sie nicht
riskieren, eben diese Markenpräferenz von heute auf morgen zu verlieren – womöglich
weltweit. Eine Marke wirkt für den Verbraucher somit auch wie eine immerwährende
Qualitäts-Garantie, die man von lokalen, oft nicht einmal markierten Produkten
nicht generell erwarten kann.
5.
Globalisierung und Marketing: Wer treibt wen?
Die Frage nach den eigentlichen Treibern bzw. nach „dem Huhn oder dem Ei“ der
Globalisierung kulminiert somit in der Frage, ob die Unternehmen ihre internationale Expansion auch dann vorantreiben würden oder könnten, wenn es die staatlicherseits
geschaffenen Voraussetzungen für freien Welthandel nicht gäbe.
Die Antwort darauf fällt ziemlich eindeutig aus: Abgesehen von den immer seltener
werdenden Fällen, in denen der Import oder die inländische Vermarktung ausländischer Produkte ausdrücklich verboten ist, lassen sich im Übrigen die weltweiten
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
141
Verbraucher immer weniger daran hindern, diese globalen Produkte nachzufragen,
wie sich die internationalen Unternehmen davon abhalten lassen, ihre internationalen Expansionsstrategien fortzusetzen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass sich
überlegene Marketing-Konzepte angesichts offener Kommunikations-Mittel wie
Internet, Mobilfunk oder Satelliten-TV ohnehin kaum noch geheim halten lassen („die
Gedanken sind frei“).
Somit sind es weniger die staatlichen oder supranationalen Organe, die den „global
brands“ den Weg öffnen oder versperren können, sondern die lokalen Verbraucher,
die der Globalisierung Dynamik verleihen, was sie, wie ausgeführt, aus den vielfältigsten Gründen nach wie vor gerne tun (vgl. Deckstein 2002).
Diese entscheidende Voraussetzung für das Internationale Marketing macht aber auch
deutlich, wie fragil internationale Marketingstrategien sein können und wie instabil die Globalisierung selbst werden kann. Denn wenn sich, z.B. wegen politischer,
religiöser oder gar kriegerischer Auseinandersetzungen, die für eine globale Expansion erforderlichen lokalen Verbraucher-Präferenzen möglicherweise gegen internationale Produkte wenden und die örtlichen Verbraucher sich wieder auf lokale
Angebote rückbesinnen, nützen auch noch so bekannte internationale Marken oder
noch so starke Werbekampagnen nichts.
Eric Schlosser, der kürzlich ein sehr lesenswertes Buch über die „Fast Food-Generation“
herausgebracht hat, betont denn auch, dass z.B. die globale Fast Food-Industrie schneller zusammenbrechen könne als man glaube, beruhe ihre Macht letztlich doch nur auf
dem Verhalten ihrer Kunden (vgl. Schlosser 2002).
6.
Zusammenfassung
Zusammenfassend läßt sich die Frage nach den wahren Treibern der Globalisierung
daher wie folgt beantworten:
(1) Internationale Unternehmen sind sowohl Treiber wie auch Getriebene der
Globalisierung. Einerseits treiben sie zwar die Globalisierung zu ihrem eigenen
Nutzen voran, da sie nicht ruhen, bis ihre Produkte auch in den hintersten
Winkeln der Erde angeboten werden, andererseits sind aber auch sie abhängig von
der politischen Entwicklung und der Einstellung der örtlichen Verbraucher zu
internationalen Produkten. Beide, Globalisierung und Internationales Marketing,
haben sich bis dato jedenfalls gegenseitig positiv befruchtet und angetrieben, was
aber nicht immer so bleiben muss. Beide hängen voneinander ab und beide müssen
dafür sorgen, dass ihre Aktivitäten in der örtlichen Bevölkerung auch weiterhin auf
eine Akzeptanz stoßen.
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Lange
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
142
(2) Das Expansionsstreben internationaler Großunternehmen profitiert zwar von der
zunehmenden Öffnung weltweiter Märkte. Aber auch ohne politische Abkommen
über freie Märkte können sich starke Marken und überlegene Marketing-Konzepte international durchsetzen, verfügen die internationalen Unternehmen doch
über ein ganzes Bündel an flexiblen, den jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen anpassbaren Intrumenten zur Sicherung ihrer örtlichen
Präsenz.
(3) Für die am Prozess der Globalisierung beteiligten Länder gilt, dass zwar auch sie,
zumindest sektoral, vom Abbau von Zollschranken und Importrestriktionen profitieren. Andererseits können aber auch sie selbst, unabhängig von Freihandelsabkommen, die Voraussetzungen für die Teilnahme am Welthandel schaffen
oder verbessern. Globalisierung ist dann für sie nicht Ursache nationalen Wohlstandes, sondern Folge nationaler Prosperität.
(4) Was die Akzeptanz der internationalen Angebote anlangt, macht sich auch hier die
Konsumentensouveränität – ob im positiven oder im negativen Sinne – bemerkbar. Denn letztendlich sind es die weltweiten Verbraucher selbst, die über die
Akzeptanz der internationalen Angebote entscheiden, und schon deshalb ist auch
in Zukunft nicht zu erwarten, dass auf der ganzen Welt nur noch Hamburger von
McDONALD’S gegessen und Softdrinks von COCA-COLA getrunken werden.
(5) Die wahren „Master of Globalization“ sind somit die beteiligten Menschen
selbst, ob als Verbraucher oder als Bürger ihres eigenen Landes. Sie, und nicht etwa
die Hersteller oder die Regierungen allein, treiben letztendlich, ob bewusst oder
unbewusst, die Globalisierung immer weiter voran – und könnten diese, wenn sie
es denn wollten, jederzeit auch behindern.
Literatur
Brandes, D. (2002): Konsequent einfach: Die Aldi-Erfolgsstory, in: 28. MünchenerMarketing-Symposium, FGM-Verlag, München.
Deckstein, D. (2002): Wer in Zukunft das Sagen hat, in: Süddeutsche Zeitung, 18.11.
2002.
Drakulic, S. (2003): Die Hosen des Hochmuts. Der Osten schaut nach Westen und
sonst nirgendwohin, in: Süddeutsche Zeitung, 14.2.2003.
Fischermann, Th./Heuser, U.J. (2000): Überall Marlboro-Land? Die These von der kulturellen Vereinheitlichung ist umstritten, in: Die Zeit, 6.7.2000.
Klein, N. (2000): No Logo! Der Kampf der Global Players um Marktmacht. Ein Spiel
mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern, München.
GfK
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GLOBALISIERUNG UND INTERNATIONALES MARKETING
Lange
143
Lamparter, D. H. (2003): Überall ist Mercedes drin. Jürgen Schrempps Truppe hat
Chrysler und Mitsubishi wieder auf Touren gebracht. Jetzt muß der Daimler-Chef
beweisen, dass seine Welt AG mehr ist als die Summe ihrer Teile. Ein Synergie-Report,
in: Die Zeit, 20.2.2003.
o.V. (2002): Die Modebranche sucht Sicherheit bei starken Marken. Modegeschmack
gleicht sich weltweit an, in: F.A.Z, 8.7.2002.
Schlosser, E. (2002): Fast Food Gesellschaft. Die dunkle Seite von McFood & Co.,
München.
Scholtys, F. (2002): Stern-Fahrt. DaimlerChrysler: Konzernchef Schrempp will mit der
Premiummarke Mercedes-Benz hoch hinaus, in: Manager-Magazin, 11/2002, S. 15.
Schümer, D. (2002): Spaghettisiert euch. Alle Welt beklagt den amerikanischen Einfluß,
doch die globale Leitkultur kommt aus Italien, in: F.A.Z, 24.9.2002.
Strauss, G. (2002): Study: Companies pay less in taxes, in: USA-Today, 20.10.2000.
Toynbee, P. (2001): Wer hat Angst vor einer globalen Kultur? In: Hutton,W./Giddens,A.
(Hrsg.): Die Zukunft des globalen Kapitalismus, Frankfurt, S. 231 ff.
Uchatius, W. (2002): Vergeßt die Globalisierungsdebatte! Arme Länder gelangen auf
unterschiedlichsten Wegen zu Wohlstand, in: Die Zeit, 4.7.2002.
Vorholz, F. (2003): Der Liberalisierungs-Schwindel. In den Agrarverhandlungen der
WTO bleiben die Armen auf der Strecke, in: Die Zeit, 20.2.2003.
Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 2/2003
GfK
Herunterladen