Germanistische Sprachwissenschaft Zusammenfassung des Buches „Germanistische Sprachwissenschaft“ von Peter Ernst GRUNDLAGEN Das Wesen der Sprache Wenn wir uns mit Sprache beschäftigen, stehen wir vor einigen Problemen (Struktur?, Ursprung?, Beschreibung?) mit der sich die Linguistik (= Wissenschaft von der Sprache) befasst. Man kann die Sprachwissenschaft als Suche nach den in der Sprache vermuteten Strukturen (wiederkehrendes Muster/ Regelmäßigkeiten) auffassen. Im 19. Jh. erfolgte eine sprachliche Neuorientierung in Europa, der man die Erkenntnis verdankt, dass europäische und asiatische Sprachen vergleichbare Strukturen aufweisen, daher verwandt sind. Man unterscheidet in der Sprachverwandtschaft zwischen typologischer und genealogischer Sprachvergleichung. Mit dem Begriff Struktur setzen wir voraus, dass eine Sprache ein bestimmtes Muster und Regelmäßigkeiten hat, es ist aber viel komplexer in Wahrheit. Jedoch gibt es das Problem der Vorhersagbarkeit. Sollte eine Sprache statische Strukturen haben, sollten diese vorhersagbar sein. Aber eine exakte Vorhersage ist nicht möglich, da Strukturen nicht statisch, sondern dynamisch sind. Alle natürlichen Sprachen weisen Gemeinsamkeiten auf Sprachuniversalien z.B. Jede Sprache hat Wörter und sowas wie Wortgruppen; diese sind nur schwierig zu bestimmen. Man weiß nicht wie viele Sprachen es gibt, Schätzungen zeigen es gibt ca. 6700 Sprachen. Ebenfalls kann man keine Kriterien festlegen, nach denen eine Sprache gezählt wird. Man weiß nicht, wie viele Sprachen bereits ausgestorben sind. Man weiß nur, ohne den Menschen gäbe es keine Sprache. Jedoch ist sie keine bewusste und nicht von einem einzelnen geschaffene Schöpfung. Allein der Mensch verfügt über Sprache. Nur der Mensch kann mit Sprache über Sprache sprechen. (Meta- und Objektebene). Lautäußerungen von Tieren kann man nicht segmentieren. Tiere können Sprache nicht bewusst verändern (Es gab einen Versuch „Nim Chimpsky“). Eine ernst zu nehmende Lnguistik gibt es seit etwa 190 Jahren. Das Rätsel Sprache- damit verbundene Probleme: Entstehung, Ursprung, Anzahl unklar; Untersuchungsgegenstand und Beschreibungsmittel identisch, Sprache als Produkt vieler, Sprache ist heterogen (Varietäten) Theorien über die Entstehung der Sprache Weiter als hinter den Zeitpunkt von etwa 3000 – 4000 v.Chr. kommt man mit den Methoden nicht zurück. Namen verlieh Otto Jespersen den Theorien (veraltert): „Wau- Wau“- Theorie: Entstehen der Sprache durch Nachahmung von Naturlauten als Signalgebung „La- La“- Theorie: Bei Anlässen wurde mittels Sprachlauten über Gefühle geäußert. „Ho- Ruck“- Theorie: Entstehen zum Zweck der Koordinierung gemeinsamer Arbeiten „Au- Au“- Theorie: Sprache als spontane instinktive Mitteilung „Ding- Dong“- Theorie: Sprache als Reaktion der Umgebungslaute Spracherwerb Er ist die Grundvoraussetzung für die menschliche Sprachfähigkeit. 2 Gegenpositionen: Interaktionismus (Behaviorismus): Annahme, dass Sprache durch Nachahmung vom Kleinkind erlernt wird, ist veraltert (Beweis: Jedes Kind kann von Anfang an akzeptable Sätze bilden, die es noch nie zuvor gehört hat.) Nativismus: Sprachfindung ist angeboren; Kognitivismus als besondere Unterart von Jean Piaget (wir bauen kognitive angeborene Fähigkeiten zu Strukturen aus) Systematische Aufzeichnung von Spracherwerb durch Clara und Wilhelm Stern (Die Kindersprache). Weiters beschäftigt sich auch Otto Jespersen in seinem Werk Language mit dem Thema. In der Vergangenheit hat man grausame Experimente mit Kindern gemacht wie etwa Kaiser Friedrich ll. und der Schottenkönig Jakob lV. (Beide ließen Kinder ohne Kontakt zu Pflegern aufwachsen). Dieselbe von Herodot niedergeschriebene Geschichte kennt man auch von Pharao Psammetich, er ließ ein Kind isoliert aufwachsen bis es das „erste Wort“ bekos = Brot sprach. Man vermutete heute, dass dies eine Nachahmung von Ziegenlauten war. Auch Kaspar Hauser zeigte, dass Isolierung sprachliche und kognitive Einschränkung zur Folge hat. Menschen ohne Kontakt zu anderen nennt man Wolfskinder. Spracherwerbsphasen beim Kind Bevor die Fähigkeit zur Sprachproduktion entsteht, kann ein Kind von Anfang an bereits Sprachschall wahrnehmen. Ein Säugling kann gleichzeitig atmen und schlucken, da der Kehlkopf noch höher im Rachen liegt, welcher vom zweiten Monat bis zum ersten Lebensjahr noch an die richtige Stelle wandert. Man spricht bei Säuglingen von vokal- und konsonantenähnlichen Lauten. Es werden hierfür statistische Mittelwerte angenommen: Schreiphase: 7 Arten von Schreien Gurrphase: ab der 6./8. Woche Lallphase/ Babbelphase: bis etwa 10. Monat Unterscheidung von nasalen und oralen Lauten ab dem 4. Monat Nachahmung vorgesprochener Vokale zwischen dem 4. - 8. Monat 1 Silbische Phase Klosant- und Vokant- Kombinationen ab dem 4. Monat Kombination verschiedener Vokanten und Klosanten Buntes Babbeln. Überschneidung der Babbelphase und Produktion eigener Wörter zwischen dem 9. -13. Monat Erwerb der Muttersprache: Einwortäußerungen (Alter 1 Jahr- 20 Monate) Zweiwortäußerungen (18 Monate- 2 ¼ Jahre) Drei- und Mehrwortäußerungen (2- 4 Jahre) Komplexe Strukturen (4- 12 Jahre) Muttersprache: erste, als Kind erworbene Sprache; von materna lingua, durch Martin Luther verbreitet- terminologisches Problem, viele Ersatzvorschläge, am ehesten hat sich Erst- oder Primärsprache durchgesetzt. Zweitsprache (Natürlich und ungesteuert erlernt): oft nicht eindeutig unterscheidbar von Fremdsprache (Gesteuert und künstlich erlernt). Auch Begriffe Erlernen (häufig bewusst) und Erwerben (unbewusst) nicht eindeutig. Forschungsgeschichte 1772 Johann Gottfried Herder Abhandlung über den Ursprung der Sprachen: Darin besteht er darauf, der Mensch habe seine Sprache selbst geschaffen. Bis zur Aufklärung war man der Meinung, Sprache ist ein fertiges von Gott gegebenes Produkt. Man ist von einer reinen Sprache ausgegangen. Dialekte seien eine Verschmähung der Standardsprache. 1785 William Jones: Vermutung der Verwandtschaft alter europäischer Sprachen mit dem altindischen Sanskrit und somit einer nicht mehr existierenden Ursprache; Friedrich Schlegel hatte die falsche Ansicht, dass das Sanskrit die Ursprache ist. 1814 Rasmus Kristian Rask Untersuchung über den Ursprung der alten nordischen oder isländischen Sprache 1816 Franz Bopp Über das Konjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache: Beweis der Verwandtschaft verschiedener indogermanischer Sprachen ( Beginn der Neuorientierung in der Sprachwissenschaft im 19. Jh.) 1819 Jacob Grimm Deutsche Grammatik: historische Grammatik mit ähnlichen Beweis bei den germanischen Sprachen Jean Jacques- Rousseau „Zurück zur Natur“: Mensch habe Kommunikationssystem von den Tieren abgeschaut und umgeformt. Aussagen wurden objektiv nachgeforscht, Beweise wurden gesucht Wilhelm von Humboldt Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einflusss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts: 4 Sprachtypen (isolierende, flektierende, agglutinierende und inkorporierende Sprachen). Er war der Meinung, dass die menschliche Sprache nicht als fertiges Werk (griech. ergon), sondern als selbstschöpferische Kraft (energeia) zu sehen ist. Innere Sprachform (Innewohnende Kraft). Er unterrichtete Latein, Griechisch und die Muttersprache (also Deutsch) an Gymnasien. Hierbei unterscheiden sich die Humboldtianer von den Formalisten, zu denen auch der Strukturalismus zählt. Karl F. Becker: Satzgliedlehre Friedrich Bauer schrieb Grammatik, welche K. Duden überarbeitete Duden- Grammatik Ferdinand de Saussure hielt Vorlesungen: man soll sich mit der Gegenwartssprache beschäftigen, war der Begründer des Strukturalismus: Sammelbegriff für interdisziplinäre Methoden und Forschungsprogramme, die Strukturen und Beziehungsgefüge in den weitgehend unbewusst funktionierenden Mechanismen kultureller Symbolsysteme untersuchen. Kognitive Linguistik Mit der kognitiven Wende in den 60ern des 20. Jh. begann eine vermehrte Zusammenarbeit der Linguistik mit der Psychologie und der Medizin, es entstehen u.a. die Disziplinen Psycholinguistik und Sprachstörungsforschung (Beeinträchtigungen des Gebrauchs und Verstehen von Sprache), welche unter dem Begriff klinische Linguistik zusammengefasst werden. Die am besten erforschte Sprachstörung ist die Aphasie. Erkenntnis: das Grammatikverarbeitung lateralisiert ist (97% der Menschen ist linke Gehirnhälfte die sprachdominante). Bestimmte Gehirnregionen sind für bestimmte sprachliche Leistungen verantwortlich- 3 wichtige Areale: Broca- Areal (von Paul Broca entdeckt): Die Region der Großhirnrinde in der dritten Stirnwindung in der linken Hirnhemispähre ist für Wortstellung, Kasus- und andere Kongruenzen verantwortlich. Verletzung führt zur Aphasie (motorische Aphasie/ Broca- Aphasie), bei der der Patient keine zusammenhängenden Äußerungen bilden kann (Telegrammstil). Wernicke- Areal (von Carl Wernicke entdeckt): Beschädigung der Region in der ersten und zweiten Windung des Schläfenlappens führt zu Beeinträchtigung/ Ausfall des Sprachverständnisses (man kann Wörtern keine Bedeutung zuordnen= sensorische Aphasie). Gyrus angularis: Verletzung führt zu Wortfindungs- und Lesestörungen. Historisch- vergleichende Sprachforschung Während des 19. Jh. hat man Sprachwissenschaft nur im Sinne von Sprachgeschichte, außer im Gymnasium betrieben. Dort befasste man sich mit der Gegenwartssprache, sozusagen als Grundlage für die „wahre“ Sprachwissenschaft, die historische, an den Universitäten. Nach der Gründergeneration (Bopp, Rask, Grimm) versuchten u.a. August Friedrich Pott, Rudolf von Raumer, August Schleicher und Heymann Steinthal durch Vergleich historischer Sprachstufen eine gemeinsame 2 Ursprungssprache (Indogermanische/ Indoeuropäische) zu rekonstruieren. Wilhelm Scherer gilt als Wegbereiter der Junggrammatiker (er selbst ist nicht dieser Richtung zu zuordnen), nach ihm müsse man Sprachgeschichte unter den Voraussetzungen der Produktionsmöglichkeiten gesprochener Sprache betrachten. Beschreibung der realen Welt durch Untersuchung der Sprache- 2 Verfahren: Induktives Verfahren: durch Beobachtung möglichst vieler Einzelfälle Schließung auf allgemeine Merkmale. Deduktives Verfahren: man trifft eine quantitativ und räumlich begrenzte Auswahl, welche man untersucht. Das Verfahren wird deduktiv, wenn wir durch Ausschluss von All- Sätzen die Falsifikation möglich machen. Wir bilden eine wissenschaftliche Hypothese durch deduktive Vorgehensweise, welche modifiziert werden muss im Falle einer Falsifikation. Auf Grundlage von Hypothesen werden Modelle aufgestellt, welche die Wirklichkeit (Umso genauer, desto komplexer das Modell) und die Funktion von Sprache beschreiben wollen. Kommunikationsmodelle Erstes linguistisches Kommunikationsmodell von Ferdinand de Saussure Bei ihm dient Sprache (er behandelt ausschließlich die gesprochene) als Verständigungsmittel zwischen mindestens zwei Menschen. Er legt hierbei das sprachliche Zeichen zu Grunde: A sendet Lautkörper, welcher zum Ohr von B gelangt, Gehirn von B erzeugt Vorstellung, B sendet Lautkörper an A. Roman Jakobson entwickelte das Modell weiter. V.a. in der militärischen Kommunikation von Bedeutung. Klassisches Kommunikationsmodell nach Shannon& Weaver Ein Sender schickt eine Nachricht in einem Medium an einem Empfänger, anschließend wird der Empfänger zum Sender. es entsteht ein Kreislauf (nach Saussure). So wechseln sich die Kommunikationspartner ab zwischen aktiven (Sender) und passiven (Empfänger) Teil wie bei einem Funkvorgang. Bei einer realen Face- to- face- Kommunikation sind beide Teilnehmer gleichermaßen aktiv. Wir können dieses Modell erweitern: Kodierung und Dekodierung: Sprecher muss seine gedankliche Vorstellung in für den Hörer verständlichen Kode (eine Einzelsprache) umwandeln (Kodieren). Empfänger muss den Kode dekodieren. Manchmal wird zwischen semantischer, syntaktischer und phonologischer Kodierung unterschieden (s.S.33). Kanal (Übertragungsweg) sollte nicht beeinträchtigt werden, daher die Kommunikation sollte störungsfrei verlaufen (dem ist nie vollkommen so) Medium: Mittel der Sprachform (schriftlich, mündlich etc.) Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kommunikation: Vergleichbarer Erfahrungshorizont der Kommunikationspartner Vergleichbare soziale Sprachschicht (Soziolekte) Sprachliche Zeichen verfügt über allgemeine Bedeutung (Denotat) und spezielle Nebenbedeutung (Konnotat), diese sollte kodifiziert werden können. Begleitumstände/ Redekonstellation beeinflusst Kommunikation (Mimik, Gestik, Tonfall, soziale Stellung und Normen) Das Bühler´sche Organonmodell von Karl Bühler (Buch „Sprachtheorie“) Es gibt 2 Vorstellungen von der Funktion von Sprache: 1.)Sprache als Form des Handelns 2.)Sprache als Werkzeug, um damit etwas zu tun, z.B. Sprache als Fotoapparat, um damit etwas (die Welt) abzubilden (= Abbildungsfunktion). In diese Richtung geht das Bühler´sche Organonmodell: Sprache ist nicht Kommunikation, sondern dient der Kommunikation. Im Zentrum steht das sprachliche Zeichen (sprachliche Mitteilung). Das sprachliche Zeichen ist ein konkretes Schallphänomen, welches mit 3 variablen Momenten verbunden ist (3 Seiten des Dreiecks), welche wiederum mit 3 Funktionen verbunden sind. Aus der Beziehung zwischen Sender, Empfänger und Welt entstehen diese Funktionen: Ausdruckfunktion: Sender drückt persönliche Gedanken und Gefühle aus Appellfunktion: Bitte, Befehl, Wunsch etc. an Empfänger Darstellungsfunktion: Verhältnis des sprachlichen Zeichens zur realen Welt (= Gegenstände und Sachverhalte). Hier ist die Problematik von wahren und falschen Aussagen nicht behandelt. Sprachliche Zeichen: Symbol (bezogen auf Gegenstände), Symptom (bezogen auf Sender), Signal (bezogen auf Empfänger). Problematik: genaue Differenzierung bei machen Sätzen nicht möglich (Darstellung Sachverhalt oder Appell?), Falschaussagen, Vernachlässigung der Redekonstellation (Wie beeinflusst die Situation den Sprechakt? Sprechakttheorie). Die durchbrochenen Linien zwischen dem sprachlichen Zeichen und der Gegenstände und Sachverhalte symbolisieren die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens. Vergleich des Modells von Saussure und Bühler: Bei Saussure steht nicht die Kommunikation im Vordergrund, sondern das sprachliche Zeichen mit seinen beiden Komponenten Inhalt und Ausdruck. Er will zeigen, dass zwei Sprecher ständig Ausdruck und Inhalt der verwendeten 3 sprachlichen Zeichen kodieren und dekodieren. Bühler hingegen will die Funktionen des sprachlichen Zeichens (an dessen Definition durch Saussure er nichts ändern will) beschreiben und setzt es daher in Beziehung zu den Aufgaben, die es nach seiner Ansicht zu erfüllen hat, d.h. zu Sender, Empfänger und realer Welt. Interaktionsmodell Als Gegenstück zum Kommunikationsmodell und Organonmodell (beide vertreten die Abbildungsfunktion von Sprache als passives Werkzeug) sieht es Sprache als aktive Form des Handelns. (Pragmatische Wende) Beide Theorien sollte als Ergänzungen gesehen werden. Die Junggrammatiker Sie wollten in den 70ern des 19. Jh. den ihrer Ansicht nach überholten Wissenschaftsbegriff ihrer Zeit neu definieren und es den erfolgreichen Naturwissenschaften gleichtun (Minderwertigkeitskomplex der Geisteswissenschaften). Lautgesetzte sind ausnahmslos und bezeichnen eine sprachliche Entwicklung. (Eine Kategorie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.) Die Entwicklung endet irgendwann, z.B. werden im Frühneuhochdeutschen alle Kurzvokale in offener Silbe gedehnt (geschlossene Silben bleiben kurz), Fremdwörter mit offener Silbe, die danach ins Deutsche aufgenommen worden sind, blieben kurz. Das kurze a im Mhd. in geschlossener Silbe wird nicht gedehnt Diese Dehnung ist eine Analogie zu den casus obliqui, in denen das a meist in offener Silbe steht. Vorwurf: sie würden Sprache ohne eine allgemeine Sprachtheorie betrachten (Atomismus). Mitglieder: u.a. Karl Verner, Hermann Paul, Karl Brugmann, Hermann Osthoff, Eduard Sievers, Karl Luick, Friedrich Kluge 4 Axiome der Sprachwissenschaft von Karl Bühler Grundfunktionen von Sprache sind Darstellung, Ausdruck und Appell (Organonmodell muss auch unter dem Kontext der anderen Axiome betrachtet werden.) Sprache= System aus Zeichen. Das Zeichen ist ein Etwas, was für ein anderes Etwas steht (ein Vertreter), aufgrund abstrakter Merkmale „Prinzip der abstrakten Relevanz“. Nicht die phonetischen Merkmale eines Zeichens sind wichtig, sondern jene, die es von den anderen Zeichen unterscheiden (distinktive Merkmale). Sprache bildet ein Vierfelderschema: Er fügt die Begriffe ergon und energeia (A-B) von Humboldt mit den Begriffen langue und parole (l- ll) von de Saussure zusammen. A (niedere Formalisierung) B (höhere Formalisierung) I (Subjektbezogen) Sprechhandlung Sprechakt ll (Subjektgebunden) Sprachwerk Sprachgebilde Sprache ist ein Zweiklassensystem, bestehend aus den beiden aufeinander bezogenen Ebenen der Konvention, der Wortwahl (Semantik) und dem Satzbau (Syntax). Erscheinungsformen von Sprache Sprache bildet Dialekte (räumliche Unterscheidung) und Soziolekte (gesellschaftliche Unterscheidung). Einzelsprachen sind nicht homogen (d.h. heterogen), aber in der Linguistik gehen wir von einer homogenen aus. Man unterscheidet zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, wobei die genormte Schrift (Rechtschreibung) nur eine Standardvarietät abbildet. Viele wünschen sich eine Norm, diese bleibt eine Idealisierung. Im Bezug auf den tatsächlichen Sprachgebrauch sprechen wir daher von Usus. Viele Sprachbeschreibungen verstehen sich als vorschreibend (präskriptiv) = wollen bewusst eine Norm setzen. Andere Grammatiken verstehen sich als beschreibend (deskriptiv) = wollen tatsächlichen Sprachgebrauch kodifizieren, nicht vorschreiben. Jede Sprachbeschreibung ist jedoch eine Mischung der beiden Varianten. Was versteht man unter der „deutschen Sprache“? Historisch gesehen (diachron): Gruppe verschiedener westgermanischer Sprachen, Form des Hochdeutschen Räumlicher Ausdehnung (diatoptisch): Gruppe von heutigen Mundarten des Hochdeutschen im Süden und des Niederdeutschen im Norden mit der hochdeutschen Standardsprache als übergreifende Norm. Gesellschaftliche Schichtung (diastratisch): Standardsprache- Umgangssprache- Verkehrsdialekte- Basisdialekte (fließende Übergänge) Dialektologie Dialekte aus synchroner Sicht sind primär mündlich gebrauchte Sprachsysteme mit soziologisch niedrigem Rang und räumlich geringer Verbreitung, die diachronisch aufgrund gemeinsamer Herkunft aus einem Protosystem genetisch miteinander verwandt sind und synchronisch in der Schriftsprache als gemeinsamen Bezugspunkt ihren sprachlichen Deckungsbereich besitzen. Herausbildung der Standardsprache im Frühneuhochdeutschen (ca. 1350-1650), bis dahin genau genommen nur Dialekte aufgrund des Kriteriums Bezug zu einer Standardsprache. Basisdialekt: lokal gebundene Sprachform der wenig mobilen älteren Bevölkerung im Privatgespräch Verkehrsdialekt: höher eingeschätzte Sprachform der mobilen jüngeren Bevölkerung im Privat- bis halböffentlichen Gespräch, von nahe gelegenen Verkehrszentren beeinflusst 4 Umgangssprache: vermittelnde Sprachform zwischen Dialekt und Standardsprache im Umgang mit höher Gestellten und Fremden der mittleren- höheren Sozialschicht. Standardsprache: großräumige Realisierung als Sprache der Öffentlichkeit Beschreibungsmöglichkeiten von Sprache Die Termini Linguistik und Sprachwissenschaft werden oft synonym verwendet. In Linguistik schwingt die Vorstellung strukturalistischer Sprachbeschreibung mit, weist aber auch mehr internationalen Charakter auf (engl. Sprachlich) und wird darum bevorzugt. Der Strukturalismus Der Begründer Ferdinand de Saussure hatte eigentlich als Junggrammatiker begonnen, jedoch kritisierte er an dieser Richtung das Fehlen einer allgemeinen Sprachtheorie. Er hielt Vorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft, welche später von zwei seiner Schüler überarbeitet und als „Cours de linguistique generale“ herausgegeben wurden, sie bilden die Grundlage des Strukturalismus, welcher nach Roman Jakobson so benannt wurde. Seine Zeitgenossen Georg von der Gabelnetz und Jan Baudouin de Courtenay hatten ähnliche Ideen. Saussure betrachtet Sprache ausschließlich als mündliches Verständigungssystem, Schrift ist nach ihm ein willkürliches sekundäres System. Heute sieht man dies weniger streng und geht davon aus, dass mündliche und schriftliche Sprache sich wechselseitig beeinflussen. Nach seinem Tod spaltete sich der Strukturalismus in viele Schulen aufgespalten. Kritik: Sprache wird als homogen angesehen. Varietäten (Dialekte usw.) werden vernachlässigt. Nach dieser Auffassung gibt es geschlossene = unveränderbare (Funktion der Laute) und offene Systeme (Wortschatz). Die strukturalistische Sprachbeschreibung gilt als Musterbespiel der Systemlinguistik, daher werden diese oft gleichgesetzt. Schriftgeschichte Sie beginnt zeitgleich in Mesopotamien (sumerische Keilschrift) und Ägypten (Hieroglyphen) etwa 3100 v.Chr. Die Hieroglyphen setzen sich über die Sinai- Schrift fort, die von den Phöniziern zu einer reinen Lautschrift umfunktioniert wurde. Die Griechen entwickelten die erste volle Alphabetschrift. Synchronie und Diachronie Saussure forderte eine Beschäftigung ausschließlich mit der Gegenwartssprache. Dazu machte er einen passenden Vergleich mit dem Schachspiel, wo ebenfalls nur der synchrone Zustand der Figuren wichtig ist und der diachrone für einen Moment nicht. Hermann Paul leugnete dies so: „Es ist eingewendet, dass es noch eine andere wissenschaftliche Betrachtung der Sprache gäbe, als die geschichtliche. Ich muss das in Abrede stellen.“ Mit synchronen Mitteln kann man Sprache beschreiben, mit diachronen Mitteln eher noch erklären. Langage- Langue- Parole Langage: Fähigkeit zur sprachlichen Verständigung Langue: abstraktes Einzelsprachensystem, welches für alle Sprachteilnehmer gleich sein muss, aber nicht direkt beobachtbar ist (Black- Box- Effekt: Die langue ist uns verborgen.). Die Linguistik will sie untersuchen und beschreiben. Parole: tatsächliche sprachliche Äußerung Zeichenmodell von Ferdinand de Saussure über das sprachliche Zeichen Das sprachliche Zeichen besteht aus einer materiellen Seite= Ausdruck, signifiant, image acoustique, Signifikant, Lautkörper; und einer geistigen Seite= Vorstellung, Inhalt, signifie, concept, Signifikat, Begriff. Die Verbindung beider Seiten ist willkürlich= arbiträr und beruht auf Konvention (Übereinkunft). Segmentieren- Klassifizieren Nach Saussures Lehre ist Sprache eine Struktur, welche durch die Beziehung (Regeln) der sprachlichen Einheiten zueinander gebildet wird. Es gilt die Einheiten und die Beziehungen zu beschreiben, was in zwei Schritten geschieht: Segmentieren: Feststellung der Einheiten einer Sprache Klassifizieren: Bestimmung der Funktion Dieses Prinzip wird dann bei der Minimalpaarbildung angewendet. Ein Minimalpaar wird von zwei sprachlichen Zeichen gebildet, die sich nur in einem einzigen ihrer Elemente der darunter liegenden sprachlichen Ebene unterscheiden, wie backen- packen. Eines der Elemente kann ein Nullelement ø sein, wie Maus- aus. Nun kann man den Einheiten relevante Merkmale, welche für die Unterscheidung wichtig sind, und redundante Merkmale feststellen. Die sprachlichen Ebenen sind Laut, Wort, Satz und Text. Jede Ebene konstituiert die nächsthöhere (Synthese) und durch jede Ebene kann die darunterliegende ermittelt werden (Analyse). Er versteht das sprachliche Zeichen als ex negativo: Ein sprachliches Zeichen ist durch das definiert, was die anderen sprachlichen Zeichen nicht sind. Sprachliche Ebenen und wissenschaftliche Disziplin bei Saussure: (Bedeutung) Semantik Text Textlinguistik 5 Satz Wort Laut (Schrift) Syntax Morphologie, Wortbildung, Lexikographie Phonetik, Phonologie Graphematik, Orthographie Beziehungen der sprachlichen Zeichen untereinander (bestimmen die Funktion): Syntagma (Kontrast): Die horizontale lineare Beziehung (daher auf einer Ebene) der sprachlichen Zeichen, welche voraussetzt, dass die Zeichen zeitlich aufeinander folgen und deutlich unterscheidbar sind. Paradigma (Opposition): Die vertikale Beziehung (daher auf unterschiedlichen Ebenen) bezieht sich auf die Austauschbarkeit von den Zeichen (nicht beliebig). Saussure´sche Dichotomien (Zweiteilung): Langue parole segmentieren klassifizieren relevant redundant Inhalt Ausdruck Syntagma Paradigma GRAMMATIK: SYSTEMLINGUISTIK Begriff Grammatik Weitesten Sinn meint es eine Sprachtheorie mit der Beschreibung der Struktur einer Sprache; die verbreitetsten Sprachtheorien sind die Traditionelle Grammatik (liegt der Schulgrammatik zugrunde), Valenzgrammatik (Dependenzgrammatik), Generative Grammatik (Transformationsgrammatik). Strukturen (abstraktes Regelsystem) der beschriebenen Sprache selbst (im Sinne von Saussure langue= Vergleich mit Wörterbuch). Schriftlich festgehaltene Sprachbeschreibungen (kodifizierten Regeln). Problematik: Wir müssen mit Sprache über Sprache reden, was zu Schwierigkeiten in der Terminologie führt. Wir benötigen das Wissen, dass jeder Sprachbeschreibung eine bestimmte Auffassung von Sprache zu Grunde liegt (eine Sprachtheorie). Wir haben es mit dem Paradoxon zu tun, dass wir auf Daten aufbauen, die man erst durch die Analyse zu gewinnen hofft. Phonetik & Phonologie Phonetik (griech. Laut, Stimme, Ton): Beschreibung der Laute einer Sprache (d.h. nur gesprochene Sprache); akustische Eigenschaften, Erzeugung und Wahrnehmung von Lauten (d.h. Naturwissenschaft). Phonologie: Beschäftigung mit dem Lautbestand einer Sprache (d.h. indirekt auch geschriebene Sprache); Funktion, Distribution, Veränderungen der Laute (d.h. Bestandteil der Grammatik). Phonemik: umfasst Phonologie und Prosodie ( prosodische Signale: Tonhöhe, Lautstärke, Sprechrhythmus, Phrasierung) Phonetik Transkriptionssysteme Man muss zwischen dem tatsächlichen Laut und seiner Verschriftung differenzieren. Phonetische Transkriptionssysteme schaffen ein 1:1- Verhältnis von lautlicher und schriftlicher Ebene, wobei das verbreitetste das API- System (Association Phonetique Internationale, engl. IPA) ist, welches von Daniel Jones und Paul Passy entwickelt wurde. Es bezeichnet sämtliche Sprachlaute aller Einzelsprachen der Welt (Tabellen im Buch und Mappe). Im mehrsilbigen Wort wird der Hauptakzent durch das Zeichen ['] vor der tragenden Silbe markiert. Eine Länge wird durch [:] angegeben. Zur eindeutigen Unterscheidung von Lauten/ Phonen werden diese in []-Klammern und Graphen in <>-Klammern gestellt. Zusatzzeichen nennt man Diakritika (Zusatz über/ unter dem Grundzeichen). Ein anderes Zeichensystem ist das Teuthonista- Alphabet, es wird von der deutschsprachigen Dialektologie verwendet. Geschichtliches Rudolf von Raumer wies darauf hin, dass man die schriftliche Fixierung vom materiell- physikalischen Laut streng trennen muss, während seine Zeitgenossen Laut und Buchstabe noch gleichsetzten. Wilhelm Scherer und die Junggrammatiker erkannten die Wichtigkeit der anatomischen Voraussetzungen der Lautproduktion für die Beschreibung von Sprachveränderungen. Der Begründer der wissenschaftlichen Phonetik (war anfangs nur eine Hilfswissenschaft) ist Eduard Sievers mit seinem 1876 veröffentlichten Werk Grundzüge der Lautphysiologie, zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen (später Grundzüge der Phonetik), ihm folgte Henry Sweet mit dem Handbook of Phonetics. 1876 Georg Wenker: Pilotprojekt, Dialektaufnahme Eduard Sievers: Grundzüge der Lautphysiologie Konferenz zur Herstellung größerer Einigung auf dem Gebiet der deutschen Orthographie scheitert Konrad Duden: Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache Karl Verner: Verner`sches Gesetz beweist die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze (Junggrammatiker) anhand der Stimmhaftwerdung der indogermanischen stimmlosen Reibelaute im Germanischen. August Leskiens: Deklination im Slawisch- Litauischen (Anwendung Methode Lautgesetz- Analogie) Karl Brugmann: Entdeckung der Nasalis sonans, Palatalgesetz 6 1.)Artikulatorische Phonetik Die älteste Teildisziplin untersucht die Erzeugung der Laute durch menschliche Sprechorgane (wissenschaftliche Erfassung und Beschreibung). Ablauf menschlicher Lautproduktion (Stationen nummeriert): Respiration: Erzeugung des Luftstromes durch die Atmungsorgane Die meisten Laute werden pulmonal- egressiv (durch Ausatmung) gebildet. Die Lunge (1) erzeugt den Luftstrom, der durch die Luftröhre (2) und den Kehlkopf (3) in den Rachen-, Mund- Nasenraum (gemeinsam Ansatzrohr) gelangt, wo die eigentliche Artikulation stattfindet. Verschiedene Stellungen des Ansatzrohres führen zu verschiedenen Sprachlauten. 3 Arten von Atmungen: Brust-, Rippen-, Zwerchfellatmung. Phonation: Stimmgebung durch die Stimmbänder im Kehlkopf (Larynx) Die Stimmbänder (genauer Stimmlippen) können durch die Stellknorpel bewegt werden. Stimmlose Laute: Sind die Stimmlippen gespreizt kann der Luftstrom die Glottis (Stimmritze) ungehindert passieren. Stimmhafte Laute: Liegen die Lippen aneinander werden sie vom Luftstrom in Schwingung gesetzt, was zu einer zyklischen Öffnung und Schließung führt. Der Luftstrom wird unterbrochen. Durch verschiedene Einstellungen der Glottis (3) entstehen verschiedene glottale Laute [h] durch Verengung= Reibelaut, Knacklaut [ʔ] durch kurzen Verschluss= Verschlusslaut. Nasalierung: Absperren oder Zuschalten der Nasenhöhle durch Heben oder Senken des Gaumensegels Vom Kehlkopf führt der Weg des Luftstroms weiter in die Rachenhöhle (4), wo sein weiterer Weg vom Velum (Gaumensegel, weicher Gaumen im hinteren Mundbereich) bestimmt wird gehobenes Velum versperrt Nasenzugang, Luftstrom entweicht durch Mund(5) (oraler Laut); gesenktes Velum öffnet Nasenzugang(5) (nasaler Laut= nasalen Konsonanten [m], [n], [ɱ], [ŋ]). Ein Laut, der durch Entweichung des Luftstroms gleichzeitig durch Mund und Nase erzeugt wird, nennt man Nasalvokal (z.B. im Frz.). Artikulation: Bildung der Laute durch Veränderungen des Mund- und/oder Rachenraumes Die Artikulation im engeren Sinn erfolgt im Ansatzrohr, aber v.a. im Mund durch bewegliche/ unbewegliche Sprechorgane: Lippen (labia), Zähne (dentes), Gaumenrand (alveoli), harter Gaumen (palatum), weicher Gaumen (velum), Gaumenzäpfchen (uvula), Zungenspitze (apex), Zungensaum (corona), Vorderer und hinterer Zungenrücken (dorsum), Zungenwurzel (radix). Die beweglichen Artikulationsorgane Lippen, Zunge, Unterkiefer, Velum sind die aktiven Artikulatoren, im Gegensatz zu den unbeweglichen Artikulationsorten, welche bei der Bildung von Konsonanten eine Rolle spielen. Konsonanten (Hindernislaute aufgrund eines Verschlusses oder einer Enge im Ansatzrohr) Liquide Artikulationsort (oder -stelle) Ist der Ort im Rachen-/ Mundraum, an welcher der Laut mithilfe der beweglichen Sprechorgane gebildet wird: bilabial (Ober-und Unterlippe), labiodental (Unterlippe und obere Schneidezähne), dental (Zungenspitze und obere Schneidezähne), alveolar (Zungenspitze/ Zungenkranz und oberer Zahndamm), alveopalatal (Zungenkranz und harter Gaumen), palatal (vorderer Zungenrücken und harter Gaumen), velar (hinterer Zungenrücken und weicher Gaumen), uvular (hintere Zungenrücken und Zäpfchen oder vibrieren des Zäpfchens [R]), glottal/ laryngal (Kehlkopf). Häufig können dentale Laute auch alveolar artikuliert werden. Palatale + velare Laute =gutturale/ tektale Laute. Artikulationsart (oder –modus) Ist die Art wie der Laut gebildet wird bzw. welcher Art von Hindernis vorhanden ist: Nasale: Gaumensegel gesenkt, Nasenzugang offen, Verschluss im Mundraum, immer stimmhaft Plosive =Verschlusslaute, Okklusive, Explosivlaute: Gaumensegel gehoben, Nasenzugang verschlossen, Verschluss im Mundraum wird durch Überdruck gesprengt, 3 Phasen Bildung, Halten und Sprengen des Verschlusses, Sprengen kann auch entfallen, Unterscheidung untereinander durch Eigenschaften der Stimmbeteiligung, Spannung und h h h Aspiration; stimmlos oder stimmhaft, gespannt oder ungespannt, behaucht (aspiriert) möglich [p ], [t ], [k ] = Aspirata (behauchte Laute nur bei Plosiven). Frikative= Reibelaute, Engelaute, Spiranten: Luftstrom erzeugt durch Enge im Mund-/Rachenraum Reibegeräusch, stimmhaft bzw. ungespannt oder stimmlos bzw. gespannt möglich. 7 Affrikaten: enge Verbindung aus Verschlusslaut und homorganen (demselben od. am benachbarten A.o.) Reibelaut, stimmlos, [kx] nur in Dialekten. Laterale: Berührung des mittleren Zungenteil (außer [l] Zungenspitze) mit Zahndamm/ harter Gaumen, seitliche Zungenränder gesenkt, Luft entweicht an beiden Seiten. Vibranten: Ein bewegliches Sprechorgan (Zungenspitze, Zäpfchen) wird in Vibration versetzt, rasche Abfolge von Verschlüssen und Öffnungen, apikale Vibrant [r]= Zungenspitzen-r, uvulare Vibrant [R]= Zäpfchen-r, meist stimmhaft. Stimmtonbeteiligung (Stimmhaftigkeit) Stimmhaft: Stimmlippen vibrieren und erzeugen Stimmton, Nasale, Laterale und Vibranten sind stimmhaft= Sonoranten (bei ihnen ist das Merkmal also redundant). Stimmlos: Stimmlippen vibrieren nicht Spannung (wichtige Rolle bei der Unterscheidung der Laute) Gespannte „harte“ Konsonanten= Fortes: [p], [t], [k], [f], [s], [ʃ], [ç] haben eine höhere Muskelspannung im Ansatzrohr durch einen höheren Druck des Luftstroms, zumeist längere Dauer. Ungespannte „weiche“ Konsonanten= Lenes: [b], [d], [g], [v], [z], [ʒ], [j] Historische Sprachwissenschaft: gespannte Verschlusslaute= Tenues, ungespannte Plosive= Mediae Quantität Lange Verschlusslaute werden durch längeres Halten des Verschlusses gebildet. Lange Konsonanten (Geminaten in hist. Sprachwissenschaft) kommen nur in abgeleiteten Wörtern in der deutschen Standardlautung vor. In einfachen Wörtern sind alle Konsonanten kurz. Eine Doppelschreibung der Konsonanten zeigt die Kürze des Vokals davor in der Orthographie an. Konsonanten sind meist unsilbisch und bilden meist nur Anfang oder Ende einer Silbe (nicht Gipfel), davon sind Liquide und Nasale teils ausgeschlossen. Sonoranten: Laute ohne geräuscherzeugende Enge- oder Verschlussbildung Obstruenten: Laute mit geräuscherzeugender Enge- oder Verschlussbildung Vokale (Öffnungslaute) Durch Vibration der Stimmlippen wird ein Stimmton erzeugt, welcher im Mundraum durch die beweglichen Sprechorgane modifiziert wird. Volke sind typischerweise silbisch und bilden meist den Silbengipfel. Oralität oder Nasalität Bei gehobenem Gaumensegel entsteht ein oraler Vokal und bei gesenktem ein nasaler (= frz. Fremdwörter). Vokalqualität Sie wird durch die Veränderung des Resonanzraumes (Mund, Rachen) mit Zunge und Lippen bestimmt. Beschreibung anhand dreier Parameter: Zungenhöhe (hängt mit Öffnungsgrad des Kiefers zusammen): hohe (geschlossene), halbhohe (halbgeschlossene), mittlere, halbtiefe (halboffene), tiefe (offene) Vokale Horizontale Zungenlage: Vordere (palatale)- Zunge wird nach vorne geschoben, zentrale, hintere (velare) Vokale Lippenstellung: ungerundet (neutral oder gespreizt) oder gerundet Differenzierung zwischen I- und Ü- Lauten und Eund Ö- Lauten! Das Vokaldreieck zeigt die räumliche Anordnung der Vokalartikulationsorte in der Mundhöhle. Vokalquantität Meint die Länge (Bildungsdauer) der Vokale, d.h. Lang- und Kurzvokale. Besteht ein Zusammenhang zwischen Qualität und Quantität- hohe und mittlere Kurzvokale sind offener als hohe und mittlere Langvokale; helle [a] als „vorderes“, dunkle [a] als „hinteres“. Schwachtonige (reduzierte) Vokale („Murmellaute“) 8 e- Schwa [ə] in unbetonten Endsilben und in einigen unbetonten Vorsilben. a- Schwa [ɐ] entsteht durch Vokalisierung des r im Silbenauslaut. Diphthonge Sind vokalische Zwielaute und bestehen aus zwei aufeinander folgenden Einzellauten (Monophthongen), die zur selben Silbe gehören. Aufeinander folgende Monophthonge gehören verschiedenen Silben an. Man unterscheidet steigende (Vorderteil unsilbisch) und fallende (Vorderteil silbisch) Diphthonge. Nach der Zungenhöhe unterscheidet man öffnende und schließende. Die 3 Diphthonge der deutschen Standardlautung sind [ai]= <ei>,<ai>, [au]= <au>, [ɔy]= <eu>, <äu>! In Dialekten gibt es noch weitere fallende Diphthonge <ua>, <ia>, <oa>. Approximanten (Halbvokale) Befinden sich zwischen hohen Vokalen und Reibelauten, wobei die Zunge eine sehr hohe Stellung einnimmt und sich dem Gaumen nähert, wodurch eine Enge entsteht, welche keinen Vokal zulässt, aber zu groß für einen reibungslaut ist. Sie sind stimmhaft und unsilbisch. BSP: [j] vom engl. <yes>. Standardlautung Darunter versteht man die in den großen Aussprachewörterbüchern („Siebs“, GWDA, Duden- Aussprachewörterbuch) festgelegte Ausspracheform des Deutschen, die auf Deutlichkeit und überregionale Verständlichkeit abzielt. Umgangslautungen sind stärker regional geprägt. Die Bühnensprache ist dem Theater angepasst. Eine überdeutliche Aussprache nennt man Überlautung. 2.)Akustische Phonetik Die Bedingungen der Lautübertragung im Medium und die physikalischen Eigenschaften des Schalls wie Dauer, Tonhöhe (Frequenz) und Lautstärke sind Untersuchungsgegenstand der akustischen Phonetik. Sprachlaute sind Schallphänomene in physikalischer Hinsicht, wobei Schall durch Schwingungen (Sinuskurve) entsteht. Je höher die Frequenz (Geschwindigkeit) des Schwingungsvorgangs, desto höher der Ton. Je größer die Amplitude (Weite des Ausschwingens), desto größer die Lautstärke. Das akustische Produkt einer einfachen Schwingung ist der Ton. In der Realität überlagern sich viele einfache Schwingungen, wobei es zwei Arten von Komplexschal gibt. Sind die Frequenzen der im Komplexschall enthaltenen Einzelschwingungen ganzzählige Vielfache einer Grundfrequenz, spricht man von einem Klang, ist dies nicht der Fall, dann von einem Geräusch. Klang& Geräusch Vokale und Sonoranten haben Klangcharakter: Im Kehlkopf wird ein Basisklang (Stimmton) erzeugt. Gewisse Teiltöne werden zu Formanten verstärkt. Plosive und Frikative haben Geräuschcharakter: Das Ansatzrohr fungiert als Geräuschquelle, gewisse Teiltöne werden wieder verstärkt. Für die Kommunikation ist das relative Verhältnis der Formanten zueinander wichtig. Im Visible- Speech- Verfahren hat man Sprache erstmals in Sonagrammen (Spektogrammen) auf Papier sichtbar gemacht (heute mit Signalverarbeitungssoftware). Auditive Phonetik (Perzeptionsphonetik) Der Untersuchungsgegenstand ist die Wahrnehmung= perzeptuelle Verarbeitung der Laute durch den Hörer. Außerdem die Beschreibung der anatomischen Gestalt und der Funktionsabläufe der peripheren und zentralen Hörorgane, sowie die Beschreibung der perzeptuellen Aufnahme-, Identifizierungs- und Differenzierungsfähigkeiten (absolute Hörschwelle= minimale wahrnehmbare Intensität der Schallwellen in Dezibel, sowie Frequenz von 16Hz- 15/20 kHz) und die Beschreibung der durch Sprachschall erzeugten Wahrnehmungsqualitäten (Psychoakustik). Die Lautstärke wird in Phon (Schalldruckpegel in db bei 1 kHz) gemessen. Ablauf im Ohr bis zum Gehirn: Die Ohrmuschel fängt die Schallwellen auf und leitet diese über den Hörkanal zum Trommelfell (Membran), welches zum Schwingen gebracht wird und so die Schallwellen weiter auf das Mittelohr überträgt. Hammer, Amboss und Steigbügel übertragen die Schwingungen weiter an das ovale Schneckenfenster, wo sich der Schalldruck um 30 db verstärkt. Hier beginnt das Innenohr: Die Schnecke (cochlea) und drei Kanäle (scala vestibüli) sind mit Lymphflüssigkeit gefüllt, im Zentrum liegt das Cortische Organ. Die Lymphflüssigkeit überträgt die Schwingungen auf die Härchen des Cortischen Organs, wo diese in elektr. Pulse umgewandelt und über Nerven an das Gehirn gesandt werden. Phonologie Die Phonologie beantwortet die Frage der Funktion der Laute, dazu gehört die relative Beziehung der Laute zueinander bestimmt. Es muss eine sinnvolle Äußerung entstehen, dies kann nur in Miteinbeziehung der Bedeutung passieren. Eine sinnvolle Äußerung entsteht, wenn sich die Sprachzeichen gewissermaßen unterscheiden (syntagmatische Beziehung, Kontrast) und wenn sie in der gleichen Umgebung durch andere Zeichen ausgetauscht werden, wobei eine Sinnänderung erfolgen kann (paradigmatische Beziehung, Opposition). Kontrast und Opposition bestimmen also die Regeln, nach denen sinnvolle Äußerungen gebildet werden. /Phoneme/ 9 Werden die Phone= Laute hinsichtlich ihrer Funktion klassifiziert, ergeben sich Phoneme, welche die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Elemente der Sprache sind. Man kennt auch Nullphoneme (maus- aus). Phone, welche demselben Phonem angehören, nennt man Allophone. Diese können frei (fakultative Varianten können beliebig ausgetauscht werden) oder stellungsgebunden sein ( ausschließlichem Vorkommen/ komplementärer Distribution aufgrund artikulatorischer Erleichterung). Phoneme sind also abstrakte Einheiten, die nicht weiter segmentierbar sind. Bündel distinktiver Merkmale: Man untersucht Phoneme nach Merkmalen, in denen sie sich unterscheiden (distinktive Merkmale bewirken den Bedeutungsunterschied). Merkmale, die für die Unterscheidung nicht bedeutsam sind, nennt man redundante Merkmale. Oppositionsverhältnisse, die im System mehrmals zwischen Elemente auftreten, sind Korrelationen. Phoneminventar des Deutschen Die Notationszeichen für Phoneme ergeben sich aus der Distributionsanalyse. Zwischen // befinden sich die Basisphoneme und zwischen () die Allophone zu einem Phonem. Es fallen einerseits Symmetrien, aber auch Asymmetrien auf. Es können auch Phonemsysteme alter Sprachen erstellt werden. Die kontrastive Phonologie vergleicht Auftreten und Distribution der Phoneme zweier Einzelsprachen. Die Prager Schule Unter Vilem Mathesius entstand die Prager Schule des Strukturalismus, welcher Roman Jakobson, Serge Karcevskij und Nikolai S. Trubetzkoy angehörten. Sie hielten ihre Thesen im phonologischen Manifest fest. In der Zeitschrift Travaux du Cercle Linguistique de Prague beschäftigten sie sich auch mit diachronen Aspekten. Trubetzkoy ist der Begründer der Phonologie und schrieb das Werk Grundzüge der Phonologie. Jakobson entwickelte die Theorie der binären phonologischen Oppositionen mit der er die Generative Grammatik beeinflusste. Karl Bühler, Rudolf Carnap, andre Martinet und Frantisek Danes standen in Verbindung mit der Schule. Auslautverhärtung im Deutschen Im Deutschen werden die Obstruenten stimmlos, wenn sie in den Silbenauslaut geraten. Diese Abhängigkeitsbeziehung wird durch die Annahme einer phonologischen Regel zum Ausdruck gebracht. Binäre Phonologie Roman Jakobson und Morris Halle entwickelten eine Merkmalmatrix mit 12 Merkmalen, anhand welcher jedes Phonem Eigenschaften zugewiesen bekommen, welche es erlauben, Veränderungen im Phoneminventar (Sprachwandel) mittels Prozessen zu erklären. Das Konzept der phonologischen Regel stellt dabei Sprachlaute in eine prozessuale Beziehung zueinander. Merkmale: vokalisch- nicht vokalisch/ konsonantisch- nicht konsonantisch/ hell- dunkel/ gespanntungespannt/ stimmhaft- stimmlos/ kompakt- diffus/ nasal- oral/ kontinuierlich- abrupt/ scharfklingend- sanftklingend/ gehemmt- ungehemmt/ erniedrigt- nicht erniedrigt/ erhöht- nicht erhöht. Phonotaktik und Silbenaufbau Die Phonotaktik beschäftigt sich damit, wie Phoneme zu größeren Einheiten kombiniert werden (Silbenbau). Die Silbe steht am Übergang von Phonem zu Morphem und besteht aus einer Abfolge aus Einzellauten/ Einzelphonemen. Die Abfolge (Anfangsrand, Kern/ Gipfel, Endrand) ist streng geregelt. Silbenkern und Endrand bilden den Silbenreim. Silben ohne Anfangsrand sind nackte Silben. Silben ohne Endrand nennt man offene Silben (Endung auf Vokal/ Diphthong). Silben mit Endrand sind geschlossene Silben (Endung auf Konsonanten). Besteht End- oder Anfangsrand aus einem Konsonanten = einfach, aus mehrerern= komplex. Reihenfolge der Laute in einer Silbe wird durch ihren artikulatorischen Öffnungsrad und ihrer auditiven Sonorität bestimmt. Die Sonorität nimmt im Anfangsrand zu, erreicht im Kern ihren Höhepunkt und nimmt im Endrand wieder ab. Sonoritätshierarchie: sth. Obstrueneten- stl. Obstrueneten- Nasale- Liquide- Vokale! Das allgemeine Silbenbaugesetz bestimmt den Zusammenhang der Sonorität der Laute und ihrer Stellung in der Silbe. Bestimmte Phonemkombinationen kommen zufällig nicht vor (zufällige Lücke) und manche aus bestimmten Gründen nicht (systemische Lücke). Suprasegmentalia Suprasegmentalia sind lautübergreifende Merkmale lautsprachlicher Äußerungen wie Tonhöhe, Intonation, Lautstärke, Akzent, Sprechrythmus, Phrasierung, Sprechtempo, Pausen, Sprechausdruck und Modulation, welche nicht segmentiert werden können und auch als Prosodie bezeichnet. Silben, Wörter, Phrasen oder Sätze sind in der normalen Rede nicht segmentierbar und sind daher Suprasegmente. Intonation: Verlauf der Sprechmelodie kann terminal, interrogativ oder progredient sein (nach Otto von Essen). Akzent: Hervorhebung einer oder mehrerer Silben durch höhere Frequenz, Verwendung bestimmter Laute, größere Intensität (Lautstärke), längere Dauer usw. Im Indogermanischen gibt es den dynamischen Akzent (Intensivierung der Lautstärke im Deutschen) und den musikalischen Akzent (Veränderung der Tonhöhe im Schwedischen). Zu unterscheiden ist der Haupt- und Nebenakzent in Komposita. 4 Akzenttypen im Deutschen: normale und distinktive Wortakzente, logische und affektive Satzakzente (emphatischer Akzent). 10 Morphologie und Wortbildung Wortbegriff Keine allgemeinanerkannte Wortdefinition, aber 5 Merkmale: Graphematisch: Zwischenräume im Schriftbild Phonetisch- phonologisch: kleinste, durch phonetische Merkmale theoretisch isolierbare Lautsegment mit eigenständiger Bedeutung Morphologisch: Kennzeichnung durch Flexion, nicht variabel Lexikalisch- semantisch: kleinste, relativ selbstständige Bedeutungsträger Syntaktisch: kleinste verschiebbare und ersetzbare Einheit des Satzes Ein Wort ist ein Bündel dieser Merkmale, von welchen immer stets mehrere zugleich zutreffen. Ein Wort im modernen Sinn ist eine mentale Einheit, eine Variable (Vater). Wortdefinition von Leonard Bloomfield als akzeptierte Arbeitshypothese: Ein Wort ist eine minimale freie Form. Das Wort wird dabei primär durch sein Vorkommen bestimmt (Distributionalismus). Wortarten Traditionelle Grammatik TG kennt 8-10 Wortarten (Duden- Grammatik 9): Verb wird konjugiert Substantiv wird dekliniert Autosemantika: tragen Sinn in sich selbst Adjektiv wird dekliniert Adverb Artikel Pronomen (Fürwort): ich, du, mein, usw. Konjunktion (Bindewort) Synsemantika: erhalten Sinn erst mit Präposition (Verhältniswort): an, in, vor, ohne usw. anderen Wörtern im Satz Interjektion (Ausrufewort) Konjugation + Deklination = Flexion Wortartenklassifikation erfolgt nach folgenden Kriterien: formal (morphologisch), semantisch, funktional, syntaktisch (Versuch der Wortarteneinteilung von Karl E. Heidolph, Walter Flämig, Walter Jung im Buch) Morph, {Morphem}, Nullmorphem Das kleinste bedeutungstragende Element der Sprache ist ein Morphem, wobei diese Bedeutung nicht nur gegenständlich/ lexikalisch sein muss. Ein Morph ist ein rein segmentiertes, aber nicht nach seiner Funktion klassifiziertes Element (hat noch keine Bedeutung). Man arbeitet wieder mit Minimalpaarbildung, wobei auch Nullmorpheme vorkommen können. Morpheme Lexikalisch freie Morpheme (Lexeme): {haus}, {baum}, usw. Lexikalisch gebundene Morpheme: {sams-}, {heidel-}, usw. Unikale Morpheme als Untergruppe der lexikalisch gebundenen Morpheme, da sie nur in einer einzigen Kombination vorkommen können Grammatisch freie Morpheme: {sie}, {dass}, usw. (Pronomina, Konjunktionen, Präpositionen, usw.) Grammatisch gebundene Morpheme: {-e}, {-st}, {ge- -en}, usw. Homonyme Morphe Aufgrund der Polyfunktionalität gibt es Morpheme mit gleicher Gestalt (sind homonym), aber unterschiedlicher Bedeutung. z.B.: Lach l en – Infinitiv, (wir) Lach l en – 1.P., Plural, Indikativ Präsens Allomorphe Verschiedene Morpheme, die dieselbe Bedeutung haben, z.B.: {-er} Kind- Kinder, {-s} Auto – Autos Diskontinuierliches Morphem Morphem aus mehreren Teilformen, z.B. {ge- -en} e- Apokope: Tilgung im Auslaut nur bei e-i- Wechsel im Präsens etymologisch ich gebe, du gibst- gib! Synkope: Tilgung im Inlaut Kritik Es taucht das Problem auf, wenn man die morphologische Segmentierung konsequent anwendet, dass es beinahe nur gebundene lexikalische Morpheme gibt und keine freien. Man müsste genaugenommen alle Verb-, Substantiv-, Adjektivund Pronominalstämme als gebunden klassifiziert werden. Bloomfield findet eine Lösung indem er Wörter wie Hammer als primäres Wort Hamm- und primäres Affix –er einteilt. Primäre Wörter sollen in gebundene und freie Stämme eingeteilt werden. Morphonologie Sie ist eine Zwischenebene zwischen Phonologie und Morphologie, welche die gegenseitigen Einflüsse beschreibt, welche bereits Trubetzkoy erkannte. 11 Wortbildung Die Wortbildungslehre beschäftigt sich mit der Struktur komplexer Wörter und den Gesetzmäßigkeiten bei der Bildung neuer Wörter und den sprachlichen Mitteln. Sie ist älter als der Strukturalismus und verwendet den Termini Wort trotz Schwierigkeiten (paradigmatische Veränderungen im Wortstamm, Suppletivformen, zusammengesetzten Wörtern und Wortgruppen) weiter, da diese Einheit von jedem Sprachteilnehmer intuitiv erfasst wird. Amerikanischer Strukturalismus In den USA entwickelte sich eine eigene Ausprägung des Strukturalismus, welche es sich zur Tradition machte nordamerikanische Indianersprachen zu untersuchen. Dieser Richtung gehörten Franz Boas (Handbook of American Indian Languages), Edward Sapir und Leonard Bloomfield (Language) an. Strukturalistische Wortbildungslehre Als neuen Maßstab untersucht man die Morpheme anhand ihrer Fähigkeit, Wörter zu bilden. Zur Bildung neuer Morpheme fungieren die Grund-/Basismorpheme/ Stämme (immer lexikalisch). Mit Hilfe der Wortbildungsmorpheme entstehen neue Wörter, außerdem wirken diese klassenbildend. Die Flexionsmorpheme haben als Unterart der Wortbildungsmorpheme eine grammatische Funktion. Ein Wort kann vorne und/oder hinten eine oder mehrere Wortbildungsmorpheme haben. Wörter und Sachen Semasiologische Weg: diesen bestieg Georg Wenker und die Sprachatlanten, welche erforschten, welche Inhalte mit bestimmten Ausdrücken verbunden werden. Onomasiologische Weg: bestieg Franz Dornseiff, welcher erforschte, welche Wörter man für das Ausdrücken bestimmter Inhalte verwendet. Rudolf Meringer gründete die Zeitschrift Wörter und Sachen. Bereits Johann Andreas Schmeller erkannte Die Sache führt zu den Namen. Weitere Mitglieder waren Wilhelm Meyer- Lübke und Hugo Schuchardt. Der berühmte Artikel „die Heugabel und ihre Bezeichnungen“ stammt aus der Zeitschrift. Traditionelle Wortbildungslehre Der Wortsatz des Deutschen kennt einfache Wörter (Simplicia), zusammengesetzte Wörter (Komposita), abgeleitete Wörter und Mischtypen. Die Wortbildung wird oft als Grenzbereich zwischen Wörtern und Sätzen angesehen, da Satzglieder durch Nebensätze und umgekehrt ersetzbar sind. Hauptarten der Wortbildung: Kompositionen (Zusammensetzung) sind Substantiv-, Adjektiv- und Verbkomposita, wobei lexikalische Morpheme oder Wortstämme miteinander kombiniert werden: Additivkompositum: Wörter werden additiv (parataktisch) kombiniert (z.B. süß-sauer), beide Glieder gleichwertig Determinativkompositum: Wörter werden determinativ (hypotaktisch) kombiniert, erste Glied (Bestimmungswort) bestimmt das zweite Glied (Grundwort) näher (nicht gleichwertige Glieder): Bildung ohne Flexionsfuge (echte/ eigentliche Komposita): z.B. Schauspiel, Waschtag Bildung mit Flexionsfuge (unechte/ uneigentliche Komposita): aus vorangestellten Genitiv + Nominativ; schwache Flexionen mit –(e)n Zungenbrecher, starke Flexionen mit –(e)s wie Tageslicht. Possesivkompositum (Pars- pro- toto- Bildung): Komposita, die zur Benennung, den Teil eines Ganzen heranziehen Satznamen (imperativische Namen): Tunichtgut, Taugenichts, Vergissmeinnicht Derivationen (Ableitung) sind Kombinationen eines Wortstammes mit einem Affix, welches ein Präfix (Vorsilbe), Suffix (Nachsilbe) oder einen Zirkumfix (z.B. unwillig) sein kann. Es können auch mehrere Präfixe oder Suffixe an einen Wortstamm treten. Durch die Suffigierung wird der Übertritt einer Wortart in eine andere möglich (Substantiv aus Substantiv, Adjektiv oder Verb und Adjektiv aus Substantiv, Verb oder Adjektiv; BSP: Schlauheit, Freundschaft, Erlebnis, usw.) Konversion (Nullableitung); dabei wird ein Wort ohne eigene morphologische Kennzeichnung erweitert oder gekürzt: a) Wort bleibt formal gleich, aber wechselt Wortart (Anmachen aus anmachen) b) Bildung desubstantivischer Verben durch Hinzufügung oder Tilgung des Suffix (-en) (Kauf aus kaufen, fischen aus Fisch) Kürzung Verschmelzung (Wortkreuzung): Kurlaub = Kur + Urlaub Kürzung: Uni von Universität Abkürzung: Wort- Silbenanlaute; LGH von Landesgerichtshof Kurzwörter Akronyme (Initialwörter werden als Wörter ausgesprochen): Kripo von Kriminalpolizei Phraseologie (Idiomatik) und Sprichwörterkunde (Parömiologie) Phraseologie ist die Gesamtheit der festen Wortverbindungen einer Sprache, die im System und Satz der Funktion und Bedeutung einzelner Wörter übernehmen können. Phraseologismen (Idiome, Redewendungen) sind Fertigteile der Sprache, 12 die der Erweiterung des Wortschatzes und der Ausdruckmöglichkeit dienen. Formal bestehen sie aus mind. zwei Wörtern. Semantische Merkmale sind: Metaphorik (übertragene Bedeutung), Lexikalität (Idiom ist mit allen Komponenten im Lexikon kodifiziert), Polylexikalität (Bestehen aus mehr als einem Wort), Stabilität (feste Komponenten), Reproduzierbarkeit (nur in dieser Form verwendbar), Idiomatizität (Gesamtbedeutung ist nicht aus der Bedeutung der einzelnen Wörter erschließbar; Teil- und Vollidiomatizität). Sprichwörterkunde beschäftigt sich mit Sprichwörtern, Wellerismen, Antisprichwörter, Aphorismen, Sentenzen, Geflügelte Wörter, Zitate usw. Syntax Linguisten können nur tatsächlich gemachte Äußerungen analysieren, dazu müssen sie den eigenen Sprachgebrauch und den sprachlichen Output von Kindern beobachten um an Daten zu kommen. Die Syntax untersucht traditioneller Weise geschriebene Sprache, erst in den letzten 20 Jahren bekommt die gesprochene Sprache mehr Aufmerksamkeit. Sie befasst sich mit der Struktur von Sätzen, welche wir als Ordnung verstehen können. Es werden Anleitungen/ Regeln gesucht, nach denen man regelhaft Sätze bilden kann. Dafür ist man sich bewusst, dass der Satz aus kleineren Einheiten, die über das Wort hinausgehen, besteht. Diese heißen in der Traditionellen Grammatik Satzglieder, in der Valenzgrammatik Aktanten/ Angaben und in der Generativen Grammatik Phrasen. Es gibt auch für den Satz keine allgemein anerkannte Definition, aber er ist eine Sinn-, Formen- und Intonationseinheit. Diese Kriterien dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern sollten kombiniert werden, da sie voneinander abhängen. Intonationseinheit Gesprochene Sätze weisen eine charakteristische Stimmführung/ Tonhöhenverlauf auf, welcher oftmals die Satzart (Aussage-, Ausruf- oder Fragesatz) bestimmt. Aussagesatz: terminale Stimmführung (gleichmäßiges An- und Absteigen) Fragesatz: Entscheidungsfragen: interrogativ (gehoben am Satzende) Ergänzungsfragen: terminal oder interrogativ (gehobene Stimmführung am Ende) Ausrufesatz: Hebung oder Senkung der Tonhöhe am Satzende sprunghaft (sprunghaft terminal oder interrogativ) Nebensatz: führt Tonhöhe des Hauptsatzes weiter, Stimmführung demnach progredient (weiterführend) Formeinheit Jeder Satz weist eine bestimmte Anordnung der Wörter zu Wortgruppen (Satzglieder) auf, welche eine gliedernde Aufgabe haben. Die Verteilung ist jedoch nicht beliebig, sondern es gibt wiederkehrende Formtypen (Stellungsfelder) nach Erich Drach, bei denen das finite Verb eine Schlüsselposition einnimmt: Verbzweitsatz (Kernform): Besteht aus Vorfeld (genau ein Satzglied), finite Verb (Prädikat an zweiter Stelle) und das Nachfeld. Durch Linkversetzung kann ein Vorvorfeld gebildet werden. Die Form ist neutral und kann als Aussage-, Ausruf- oder Fragesatz (entscheidungs- und Ergänzungsfragen) realisiert werden. Ist das Prädikat zwei- oder Mehrteilig entsteht eine Satzklammer (links/ rechts), dazwischen befindet sich ein Mittelfeld. Die Wortfolge/ Satzgliedfolge im Mittel- und Nachfeld ist nicht beliebig, wobei eine theoretisch unbegrenzt große Anzahl von Satzgliedern möglich ist. Verberstsatz (Stirnform): Besteht in der Spitze vom finiten Verb und Nachfeld. Diese Form gibt es für Entscheidungsfragen, Ausrufesätze oder uneingeleitete Nebensätze. Verbendsatz (Spannform): Das Verb steht am Satzende, was bei eingeleiteten Nebensätzen der Fall ist. Das Einleitewort steht an der Spitze, was den Spannungsbogen bis zum Ende aufrecht erhält. Der Nebensatz führt also die Tonhöhe des Hauptsatzes weiter (progredient). Sinneinheit Auch sogenannte Ein- Wort- Sätze (Hilfe!) bilden eine semantische Abgeschlossenheit. Jeder Ein- Wort- Satz kann als Verkürzung eines formal vollständigen Satzes verstanden werden und dementsprechend ergänzt werden. Traditionelle Grammatik Die TG leitet ihren Namen aus der griechisch- lateinischen Grammatiktradition ab, obwohl sie wesentlich im 19. Jh. geprägt wurde. Damals besann man sich unter Humboldt auf den Unterricht der eigenen Muttersprache am Gymnasium und richtete die Grammatik auf die Bedürfnisse der Schule aus, daher auch der Name Schulgrammatik. Allerdings wurde die deutsche Sprache unter philosophischen Reflexionen der Antike gelehrt. Vor allem Hegel wirkte sich mit seiner dialektischen Betrachtung der Welt auf die Schulgrammatik aus: Gegensätze Sein- Tun finden sich bis heute im Gegensatz Subjekt- Prädikat. Nach der TG gibt ein Satz einen vollständigen Gedanken im Sinn eines Geschehens in der realen Welt wieder, demnach richtet sich die Satzgliedlehre: Subjekt ist der Geschehensträger (Agens), Prädikat ist das Geschehen (Aktion), Objekt ist Ziel oder Beteiligter des Geschehens (Patiens) und die Adverbiale sind die näheren Umstände des Geschehens. Die Einheiten der Sprache bilden die Wortarten und Satzglieder, die Regeln hingegen die Satzbaupläne. Das Satzglied stellt dabei eine Zwischenebene zwischen Satz und Wort dar und wird als logisch- semantischer Baustein des Satzes aufgefasst. Ein Satz ist grammatisch, wenn er den grammatischen Regeln folgt. Ein Satz ist akzeptabel, wenn er nicht 13 grammatisch wohlgeformt ist, trotzdem im Usus verwendet wird. Ein Satzglied kann der Form nach ein Einzelwort, eine Wortgruppe oder ein Gliedsatz sein. Klassisches Satzgliedermodell der TG Prädikat: finites Verb Subjekt: Satzglied im Nominativ (in der klassischen TG kann es nur ein Satzglied im Nominativ geben, d.h. alles andere wurde als Verbzusatz gesehen bzw. heute gibt es Gleichsetzungs- Nominativ, Gleichsetzungs- Akkusativ) Objekt: Genitiv- O2, Dativ- O3, Akkusativobjekt O4; präpositional pO2, pO3, pO4 Adverbiale: Lokal-, Temporal-, Modal- und Kausaladverbiale Attribute: auch Attribute 2. Ordnung (Attribut im Attribut) Gleichsetzungs- Nominativ: Gleichsetzung mit Subjekt Gleichsetzungs- Akkusativ: Gleichsetzung mit Akkusativobjekt Verfahren zur Ausmachung der Bildung semantischer Wortgruppen: Verschiebeprobe (Permutation): Zusammengehörende Worte können nur als Ganzes verschoben werden als Wortgruppe. Das Prädikat befindet sich an zweiter Stelle. ( X Prädikat Y) Ändert sich die Position des Prädikats, ändert sich auch die Satzart, Ausnahme bei Doppelung der Satzglieder. Ersetzungsprobe (Substitution): Zusammengehörende Wortgruppen können nur als Ganzes ersetzt werden. Das Prädikat lässt sich nur durch eine Tempustransformation ersetzen. Weglassprobe (Elimination): Es werden solange Wörter/ Wortgruppen eliminiert, bis das syntaktisch- strukturelle Minimum des Satzes übrig bleibt. Verblose Sätze kommen in der Umgangssprache oder in literarischen Texten auch vor, daher ist es nicht gut, wenn eine Grammatik an der Satzgrenze Halt macht. Erweiterungsprobe (Adjunktion): Überprüfung ob sich Satzglieder durch einen Nebensatz ersetzen lassen, außer das Prädikat. Frageprobe (Interrogativtest): Jedes Satzglied muss sich durch die Verbform des Prädikats erfragen lassen. Das Prädikat lässt sich nur durch tun erfragen. Sonderstellung des Prädikats: Die TG besitzt keine genaue Operation um die Stellung des Prädikats im System exakt zu erfassen. Satzbaupläne (Satzmodelle/ Satzmuster) sind der Kern der TG und untersuchen die Struktur von Sätzen. Der komplexe (zusammengesetzte) Satz: aus mind. 2 Sätzen, mind. 1 HS Vollsatz vs. Teilsatz Teilsätze/ Nebensatz: Gliedsätze (können für ein Satzglied eintreten), Nebensätze (stehen nicht für ein Satzglied) Endstellung des finiten Verbs. Hauptsatz vs. Nebensatz/ Teilsatz Satzreihe (Parataxe): mind. 2 HS Satzgefüge (Hypotaxe): 1 HS, mind. 1 NS Duden- Grammatik In den Grundzügen der Neuhochdeutschen Grammatik folgte Friedrich Bauer den Schulgrammatiken Karl Ferdinand Beckers. Die Bauer- Grammatik wurde von Konrad Duden bearbeitet und herausgegeben, welche dann von Otto Basler als Grammatik der deutschen Sprache in die Reihe Der große Duden aufgenommen wurde. Unter Paul Grebe konnte der zeitgenössische Anschluss der Grammatik erfolgen. Besonders die 3. Auflage wird als die klassische Version der Traditionellen Grammatik angesehen. Valenzgrammatik (Dependenzgrammatik) Valenz nennt man die Fähigkeit von Wörtern, auf Grund ihrer Semantik (Inhalt) Beziehungen zu anderen Wörtern herzustellen. Bereits Humboldt, Charles Sanders Pierce und Karl Bühler beschäftigten sich mit der Valenz. Lucien Tesnière gilt mit seinem Werk Elèments de syntaxe structurale als Begründer. Die Valenzgrammatik galt schon damals unter dem Siegeszug der Generativen Grammatik als veraltert. Vertreter waren Klaus Welke, Ulrich Engel, Wolfgang Schenkel usw. Tesnière verglich den Satz mit einem Drama, denn das finite Verb legt fest, welche Satzteile durch die Eröffnung der Leerstellen hinzukommen. Dependenzgrammatik bezeichnet die hierarchisch aufgebauten Abhängigkeitsverhältnisse. Valenzgrammatik bezeichnet die Fähigkeit des Regens, Leerstellen zu eröffnen. Baumdiagramm Das finite Verb eröffnet im Satz eine Leerstelle, welche durch bestimmte Satzteile ausgefüllt werden kann. Über Form und Inhalt des Satzteiles= Aktant, der die Leerstelle ausfüllen wird, wissen wir schon im Vorhinein Bescheid (BSP: zum Verb lacht passt nicht willkürlich irgendein Satzteil). Die Kraft der Leerstelle stellt das Abhängigkeitsverhältnis (Dependenz) zwischen den Satzteilen her. Im Satz Sie lacht., steht lacht über Sie, da es die Leerstelle eröffnet. Die Abhängigkeiten werden durch Striche= Kanten in den Baumdiagrammen (Stemmata) symbolisiert. Stellen an denen mehrere Kanten 14 zusammenlaufen sind Konten. Das regierende Element an oberster Stelle ist das Regens, das abhängige Element das Dependens. Die Wertigkeit des Verbs wird auch Valenz genannt. Je nach Zahl der gebundenen Aktanten unterscheidet man ein-, zwei-, dreiwertige Verben. Übertragene Redeweise In der Grammatik gehen wir davon aus, dass Sprache in nicht übertragener Verwendung vorliegt. Ein Satz wie Der Hund lacht. Ist nicht möglich. Die Bedeutungsübertragung (Metaphern, Vergleiche usw.) ist eines der produktivsten sprachlichen Mittel. Über die Art der Valenz herrschen verschiedene Ansichten vor: Begriff der Valenz wird in manchen Grammatiken nur auf das Verb bezogen, andere dehnen den Begriff auf andere Wortarten aus, z.B.: im Verhältnis von Substantiv und Artikel. Wenn man jedem sprachlichen Element Valenz zusprechen würde, wäre dies eine phonologische und morphologische Valenz. Stellung des Subjekts wird einerseits als gleichwertig betrachtet und andererseits nimmt es eine Sonderstellung ein, da es für einen vollständigen Satz immer nötig ist. Das finite Verb bestimmt daher den Satzstellenplan (Form, Inhalt und Anzahl der Aktanten). Obligatorische Aktanten sind Leerstellen, welche unbedingt besetzt werden müssen, damit der Satz vollständig ist. Fakultative Aktanten sind Leerstellen, welche nicht unbedingt besetzt werden müssen. Freie Angaben sind nicht an ein spezielles Verb gebunden (besetzen keine Leerstelle) und daher nicht im Stellenplan des Verbs verankert (ändern auch dessen Valenz nicht), z.B.: Sie trennten sich 1997. Freie Angaben können theoretisch beliebig bei jedem Verb stehen (sofern die semantische Verträglichkeit gegeben ist). Jedoch gibt es wie immer das Problem der exakten Trennung dieser Kategorien. Geht man davon aus, dass ein Satz eine kognitive Repräsentation (Tiefenstruktur vom finiten Verb bestimmt) und eine tatsächlichen Ausprägung (Oberflächenstruktur) aufweist, so sollten freie Angaben in eigene Sätze umformuliert werden können (sie sind nicht in der Tiefenstruktur des Satzstellenplanes enthalten) und Aktanten nicht. z.B.: Der Fluss war nachmittags angeschwollen. > Der Fluss war angeschwollen. Das war nachmittags. ABER: Peter war im Urlaub. > Peter war. Das geschah im Urlaub. – ergibt keinen Sinn. Somit sind fakultative Aktanten und freie Angaben in der Oberflächenstruktur eliminierbar und obligatorische nicht. Valenz und Distribution Man muss auch Form (Kasus, Verbindung mit Präpositionen u.a.m.) und Inhalt (Person, Sachverhalt?) der Aktanten (nicht nur Anzahl) kennen. Unter Distribution versteht man in der Valenzgrammatik die Summe aller semantischen Umgebungen, in denen ein Aktant vorkommt. Man unterscheidet zwischen grammatischer Struktur und lexikalischer Selektion. Vorläufer der Generativen Transformationsgrammatik Die Generative Grammatik GG entstammt den Strukturalismus, welcher versucht mit einer einzigen Methode (Segmentieren und Klassifizieren) alle sprachlichen Ebenen zu beschreiben, was demnach auch auf die Satzebene anzuwenden sein müsste. Auch die GG geht von einer homogenen Sprache so wie der Strukturalismus aus und hält an der Wortartenklassifizierung aus. Ein Satz besteht aus Morphemgruppen, welche durch Minimalpaarbildung (bzw. Ersetzungsprobe) ermittelt werden. Eine beliebige Anordnung der Morpheme ist nicht möglich, da die lineare Anordnung eine Struktur bildet, die von der Grammatik vorgegeben ist. Die Segmentierung ermittelt die einzelnen Elemente der Sprache. Die Klassifizierung dieser Elemente zeigt uns deren Stellenwert im Satz. Der Permutationstest zeigt, welche Elemente Morphemgruppen bilden, die nur als Ganzes verschiebbar sind. Ein Satz wird von zusammengehörenden Morphemgruppen konstituiert und Morphemgruppen von zusammengehörenden Morphemen (Hierarchie!), wobei diese Einheiten nicht einfach als „Satzglieder“ und „Wörter“ bezeichnet werden dürfen. Die strukturalistische Syntax zerlegt den Satz schrittweise in seine konstituierenden EinheitenKonstituentenstrukturanalyse: 1.Schritt: Zerlegung des Satzes in unmittelbare Konstituenten Subjekt + Objektgruppe! Das Verb liegt in der Objektgruppe, da diese Phrase als Ganzes ersetzt werden kann. 2.Schritt: Zerlegung der unmittelbaren Konstituenten in unmittelbare Konstituenten der Konstituente = Konstituenten der zweiten Ebene (Verb wird vom Rest getrennt). Weitere Grammatiken, die dieses Prinzip verfolgen: Konstituentenstrukturgrammatik, Phrasenstrukturgrammatik, ICGrammatik. Durch diese Analyse kommt man zu verschiedenen Kernsatztypen. Komplexe Sätze können auch auf diese Kernsatztypen zurückgeführt werden. Es werden nur bereits geäußerte Sätze untersucht. Dieses Verfahren bleibt aber nur an der Oberfläche der Sätze und ist rein statisch. Dem Strukturalismus folgend, müsste ein Sprecher alle Sätze auswendig gelernt haben, weil Entwicklungsprozesse im Strukturalismus nicht vorgesehen sind. Darum entwickelte Zellig S. Harris ein Verfahren um diese Prozesse (Transformationen) zu beschreiben, welches von seinem Schüler Chomsky weiter entwickelt wurde, dem Begründer der Generativen Grammatik. Generative Grammatik (Generative-/ Transformationsgrammatik) 15 Für die GG besteht eine Sprache aus der endlichen Menge der geäußerten und theoretisch noch äußerbaren Sätze. Sie möchte im Gegensatz zur Konstituentenstrukturgrammatik auch beschreiben, wie ein Sprecher die Möglichkeit erwirbt, neue Sätze zu bilden. Sie geht davon aus, dass ein Sprecher über ein internes Programm besitzt, das grammatische Sätze formt. Ein Phänomen der Menschheit ist es, dass der Mensch von Kleinkindesalter an trotz eines ungrammatischen Satzes, die Aussage dahinter versteht und den Satz grammatisch umformen kann. Durch den Blackbox- Effekt kann man nicht erklären, warum das so ist. Um fehlerhafte Sätze auszuschließen, geht der Linguist von einem idealen Sprecher aus: „Der Gegenstand einer lingusitsichen Theorie ist in erster Linie ein idealer Sprecher- Hörer, der in einer völlig homogenen Sprachgemeinschaft lebt, seine Sprache beherrscht und bei Anwendung seiner Sprachkenntnis in der aktuellen Rede von grammatisch irrelevanten Bedingungen wie begrenztes Gedächtnis, Zerstreutheit und Verwirrung, Verschiebung in der Aufmerksamkeit und im Interesse sowie zufällige oder typische Fehler nicht beeinträchtigt wird.“ Noam Chomsky Distributionalismus Entstand in den USA als besondere Spielart des Strukturalismus, welcher sich auf die äußere Seite der Sprache ohne die Bedeutung konzentrierte ( Meaning- Feindlichkeit). Zellig S. Harris arbeitete in seinem Buch Methods in Structural Linguistics seine Distributionsanalyse aus. Gegenstand ist die mündliche Rede, aufgezeichnet in einer finiten Menge von Äußerungen (utterances) „Jedes Stück Rede einer Person, vor und nach dem diese Person schweigt“. Harris und Bloomfield gelten als die Begründer. Der Distributionalismus will die sprachlichen Elemente allein aus ihrer Distribution (Umgebung/ Verteilung) erkennen und beschreiben. Die Segmentierung erfolgt mithilfe der Substitution. Die Bedeutung schleicht sich jedoch irgendwann wieder ein (Nachteil!), außerdem ist es nicht möglich, das Vorkommen eines Elements in jeder Umgebung zu untersuchen, darum arbeitet man mit Arbeitshypothesen. Kompetenzbegriff Er meint die Fähigkeit des Sprecher- Hörers, sprachliche Äußerungen zu kodieren und zu dekodieren. Die Kompetenz ist nicht mit Saussures langue deckungsgleich, da die Kompetenz auf das Individuum bezogen ist. Sie ist die Fähigkeit langage auf eine langue anzuwenden. Performanzbegriff Er meint den tatsächlichen Gebrauch, den der Sprecher- Hörer von seiner abstrakten Sprachfähigkeit, der Kompetenz, macht. Entwicklungen der Generativen Grammatik Hat sich rund um Noam Chomsky entwickelt, gewandelt und aufgespalten Modell der Syntactic Struktures von Chomsky als Kampf gegen den Behaviorismus Bloomfields und den gegenteiligen Nativismus Skinners Aspects oft the theory of syntax Aspekt-/ Standardtheorie weiterentwickelt zur Revidierten Erweiterten Standardtheorie Government and Binding Rektions- Bindungstheorie weiterentwickelt zur Barrierentheorie The Minimalist Programm Minimalismus (derzeit aktuell) mit der Optimalitätstheorie Kritik von George Lakoff und Paul M. Postal, sie spalteten sich mit der Generativen Semantik ab, die die Sprache auf rein semantische Voraussetzungen aufbauten. Modell von 1957 Der Satz S zerfällt in eine Nominalphase NP, deren Kern von einem Nomen gebildet wird, und eine Verbalphase VP, deren Kern ein Verb ist. S NP + VP. Die Ersetzungs-/ oder Substitutionsregeln beschreiben die systematische Ersetzung von syntaktischen Elementen durch ihre unmittelbaren Konstituenten. In der nächsten Stufe zerfällt VP in Verb V und eine weitere NP. Die NP, deren Kern ein Nomen bildet, ist beispielsweise ein Pronomen PRON. Die NP, welche sich von der VP abgespalten hat, zerfällt in weitere Teile z.B.: NP NP + KONJ + NP. Die NPs zerfallen in ARTikel oder DETerminator, ADJektiv und NOMen. Im nächsten Schritt, nachdem der Satz vollständig zerlegt wurde, werden die Platzhaltersymbole durch die tatsächlich vorhandenen Elemente des Korpus ersetzt, z.B.: PRON er, V trägt, usw. Die Wörter derselben Wortart können in derselben Menge zusammengefasst werden. Die vollständige Zerlegung nennt man Baumdiagramm. Die strukturalistische Syntax arbeitet mit Wörtern und Wortarten, dabei werden die Wortartenkategorien der traditionellen Grammatik herangezogen. Allerdings werden die Wortarten durch ihre Distribution (Verteilung, Vorkommen) definiert. Die Distributionsbestimmungen legen die Wortarten fest. Nach Erstellung des Baumdiagrammes dreht man die Formeln einfach um, wodurch man die Bildung neuer Sätze mit den Mitteln des vorhandenen Sprachmaterials erreichen will. Man gelangt also von der Analyse zur Synthese: NP ART ADJ NOM ART ADJ NOM NP1 NP ART ADJ NOM ART ADJ NOM NP2 S NP VP NP4 VP S Usw. Im letzten Schritt werden die Platzhaltersymbole durch die lexikalischen Elemente ersetzt. Die Varianten, z.B. einer NP { PRON, NOM, EN (Eigenname), usw.} werden in geschwungene Klammern gestellt. 16 Schwachstellen: Nichteinhaltung der formalen Kongruenz, sinnlose Ergebnisse Vermeidung: durch Erweiterung des Grundmodells durch Sicherung der formalen und semantischen Kompatibilität. Modell von 1965 (Standardtheorie, Aspektmodell) Damit Fehlerergebnisse nicht mehr passieren können, werden also die Faktoren GK (Grammatische Kennzeichnung) und AUX (Auxiliarkomplex) eingefügt. GK und AUX müssen immer übereinstimmen. GK in der NP: Genus, Kasus und Numerus der Substantive sowie Genus, Numerus und Person der Pronomina und Artikel AUX bei VP: Modus, Tempus, Numerus Die Elemente müssen aber auch semantisch aufeinander abgestimmt sein, Noam Chomsky selbst konstruierte den sinnlosen Satz: Farblose grüne Ideen schlafen wütend; um dies zu veranschaulichen. Um die Ungrammatikalität eines Satzes zu beweisen, gehen wir davon aus, dass Restriktionen bei der Kombinierbarkeit von bestimmten Morphemgruppen bestehen (bestimmte Verben sind an Menschen gebunden). Es können also nur Elemente bestimmter Klassen kombiniert werden. Subkategorisierung Wörter werden in semantische Subkategorien (Merkmale) mit binärem Charakter eingeteilt: BSP: Stein [+NP] [+GN (Gattungsname)] [+konkret] [-menschlich] [-belebt] [+zählbar]. Für die Nichtanwendbarkeit eines Merkmals ist das Zeichen ± üblich. Weisen Elemente dieselben Elemente auf, können sie kombiniert werden. Jedoch gibt es bis heute keine Einigkeit über Wesen, Anzahl und hierarchische Ordnung der Subkategorien. Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur Oft sind Sätze mehrdeutig und ermöglichen daher mehr Interpretationen. 1.Möglichkeit: S NP VP, VP V PP1 PP2 (PP= Präpositionalphrase) 2.Möglichkeit: S NP VP, VP V PP1, PP1 PP2 PP3 Bevor ein Satz entsteht, geht die GG davon aus, dass dieser erst in den mentalen Repräsentationen des Sprechers (in einem mentalen Lexikon) erst gebildet werden muss (Kompetenz). Ein Satz besitzt eine Tiefenstruktur (Deep Structure DS, Kompetenzebene) und eine Oberflächenstruktur (Surface structure SS, Performanzebene). Die Tiefenstruktur kann durch Transformation sichtbar gemacht werden. Es ist möglich, dass ein Satz zwei Tiefenstrukturen hat oder mehrere Oberflächenstrukturen. Die Oberflächenstrukturen sind untereinander durch Transformationen vernetzt. Hypotaktische Satzverbindungen (Haupt- und Nebensätze) werden in der GG in einfache Sätze aufgelöst. Bei einem uneingeleitetn Nebensatz sieht die Schreibweise so aus S NP, S, S NP, VP, usw. Satzverbindungen (Konjunktoren KONJ) stellen eine Verbindung zwischen Haupt- und Nebensätzen dar S NP, KONJ, S. Die Ersetzungsregeln können auf sich selbst angewendet werden, wodurch eine Rekursivität (Rekursion) entsteht, d.h. der Output einer Ersetzung wird wiederum zum Input. Die Satzerzeugung wird heute oft mit dem Erwerb der Sprache gleichgesetzt. Textgrammatik Die sprachliche Einheit Text (lat. Textus= Geflecht) steht seit der pragmatischen Wende wieder mehr im Vordergrund. Als Oberbegriff für jede Art von Kommunikation, sei sie schriftlich oder mündlich, steht der Termini Diskurs. Texte können im Rahmen der Textlinguistik nach der Grammatik, der Pragmatik und der Semantik untersucht werden. Häufig wird die antike Rhetorik als Ausgangspunkt der Textlinguistik angegeben, dies ist falsch. Die Textgrammatik untersucht sprachliche Strukturen, die über den Satz hinausgehen und hatte ihre Anfänge im Strukturalismus. Ein Text ist etwas tatsächlich Geäußertes, demnach ist jede sprachliche Äußerung ein Text. Wenn wir aus allen realen Texten gemeinsame Merkmale filtern und daraus eine allgemeine Textdefinition erstellen, gehen wir induktiv vor. Texte bestehen also aus Einheiten, welche in einem semantischen Zusammenhang stehen. Eine willkürliche Anhäufung von sprachlichen Aussagen ist kein Text. Will man den Text zuerst theoretisch erfassen, geht man deduktiv vor. Es werden Merkmale gesucht, die als Anforderungen und als Kriterien für einen Text fungieren. Beispielsweise die Forderung nach der kommunikativen Aufgabe nach de Beaugrande/ Dressler. Ein Text wird von einem/ mehr Textproduzenten unter bestimmten Regeln, die nicht direkt beobachtbar sind (nur über den Umweg bereits gemachter Äußerungen) erzeugt. Der Text wird von Empfängern rezipiert. Die Erzeugung muss auf die Rezipienten und die Umstände der Rezeption Rücksicht nehmen. Drei- Ebenen- Konzeption/ Dreistufenmodell von Frantisek Danes Gilt als Vorläufer der Textlinguistik und behandelt die Begriffe Thema (Bekannte einer Mitteilung) und Rhema (Unbekannte einer Mitteilung), welche Hermann Ammann prägte. Die 3 Ebenen der Grammatik sind die Ebene der grammatischen Struktur, der semantischen Struktur von Sätzen und die Ebene der Organisation der Äußerung (kommunikative Gliederung durch Suprasegmentalia, welche von Kommunikationssituation und Kontext abhängt) nach Danes. Funktionale Satzperspektive nach Danes 17 Ein Text wird zu einem kohärenten Ganzen, wenn zwischen den thematischen Strukturen seiner Sätze Relationen thematische Progression bestehen. Es versucht den Phänomen Text nach seiner inneren Struktur zu verstehen. Die ThemaRhema- Konzeption hinterlässt Spuren bei der pragmatischen Sprachbeschreibung ( Begriff Fokus: mitteilungswerte Information). Grundlage ist die Ansicht, dass ein Text aus bekannten und unbekannten Informationen strukturiert ist. Einfache lineare Progression: Thema der ersten Äußerung wird Rhema der nächsten. Progression mit durchlaufendem Thema: Thema der ersten Äußerung wird in der nächsten aufgenommen. Progression mit abgeleitetem Themen: Ein Hyperthema verbirgt sich hinter den Themen der Äußerungen. Entwicklung eines gespaltenen Rhemas: Ein Rhema, das mehrere Elemente enthält, wird folglich jeweils ein Teil als Thema aufgenommen. Progression mit einem thematischen Sprung: Ein Glied der thematischen Kette wird ausgelassen, kann aber leicht aus dem thematischen Kontext abgeleitet werden. Satzdefinition Bloomfields: Jeder einzelne Satz stellt eine unabhängige Form dar, die nicht in eine größerer sprachliche Form eingebettet ist. Textkonstituenten (Merkmale, die einen Text von anderen linguistischen Einheiten unterscheiden): Voraussetzung: Wir wissen was ein Satz ist und sagen, ein Text besteht aus mind. 2 Sätzen. Semantische Kohärenz: sinngemäßes Zusammenpassen von Syntax, Semantik und Pragmatik der Sätze im Text Semantische Kohäsion: sprachliche Mittel, welche einzelne Sätze/ Elemente semantisch aneinander binden Rekurrenz/ Wiederholung (Wortwiederholung, Endreim, Stabreim, paralleler Satzbau) Paraphrase/ Umschreibung (paraphrasierende Elemente= Proformen referieren alle auf denselben Inhalt) Koreferenz: sprachliche Kraft, dass Morpheme/ Wörter usw. auf identischen Bedeutungsinhalt verweisen (vorwärtsverweisend/ Kataphorisch, rückwärtsweisend/ anaphorisch oder beides gleichzeitig möglich) Semantische Kontiguität: Bestimmte Wörter verweisen auf dasselbe Thema Syntaktische Textkonnektoren: Konjunktionen, Adverbia, Relative Anschlüsse, Parataxe vs. Hypotaxe, Wortstellung, Satzgliedstellung usw. Tempus und Modus (Indikativ/ Konjunktiv; Erzählzeit/ zeitlicher Verlauf) Hervorhebungen und Textverweise (auf sich selbst oder andere Texte, Diskurs- oder Textdeixis), z.B. Linksversetzung Sprechabsicht und Hörererwartung: Textproduzent muss geeignete Textkonstituenten finden, Textrezipient hat eine Erwartungshaltung (kann auch bewusst enttäuscht werden- Werbung) Textsortenproblematik Bis heute Problematik bei der Einteilung von Textsorten, da Merkmale in bestimmten Texten umgehen/ ersetzen kann. Einen Versuch machte Barbara Sandig, deren Textsortenmatrix auf der einen Achse eine Auswahl an Textsorten besitzt und auf der anderen Achse Textkonnektoren aufweist. In typisch strukturalistischer Manier wird mit + - oder ± eingeteilt. Man muss, bevor man so eine Einteilung machen kann, ein bestimmtes Vorwissen über Texte haben (Problem!). Semantik: Schnittstelle zwischen Sprache und realer Welt Während die Systemlinguistik sprachinterne Merkmale untersucht, konzentrieren sich die Semantik und Pragmatik auf die Beziehung der sprachlichen Einheiten zu Sprachexternen. Der ältere Begriff Semasiologie wurde von Michel Brèals Begriff Semantik ersetzt, was die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen meint. Sie ist ein Teilgebiet der Semiotik, der Lehre der Zeichen Allgemein. Es wird zwischen verbalen und nonverbalen Zeichen unterschieden. Das sprachliche Zeichen Bei Ferdinand de Saussure Besteht aus einem Inhalt (geistige Seite) und einem Ausdruck (materielle Seite), wobei die Verbindung beider Seiten willkürlich= arbiträr ist und der Bezug zur realen Welt fehlt, daher wurde es von Ogden und Richards erweitert. Bei Charles Kay Ogden und Ivor Armstrong Richards In ihrem Buch Die Bedeutung der Bedeutung stellen sie ihr semiotisches Dreieck vor, welches einen Referenzbezug aufweist. Das sprachliche Zeichen verweist über den Umweg der Vorstellung auf außersprachliche Objekte. Ein Symbol (Ausdruck) symbolisiert einen Gedanken/ Inhalt (Referenz), welcher auf einen realen Gegenstand (Referent) referiert. Abstrakte Begriffe haben keine Referenz. Das Modell verwirft daher die Vorstellung, dass sprachliche Begriffe für Dinge stünden. Die Bedeutung kann als Funktion des Ausdrucks und die Referenz als Funktion des Gebrauchs gesehen werden. Bei Charles Sanders Peirce (Begründer des philosophischen Pragmatismus) 3 Arten von sprachlichen Zeichen Ikonen: Zeichen mit Abbildverhältnis zum Bezeichneten (Piktogramme= Bildschriftzeichen, onomatopoetische Ausdrücke wie miau). Onomatopoetikon: schallnachahmendes Zeichen, nicht mit Naturlaut identisch Index/ Symptome: Zeichen mit Ursache- Folge- Verhältnis, Reaktion auf ein Element (Rauch für Feuer) Symbole: willkürliche Zeichen wie Laut-/ Schriftzeichen (Grenze zwischen Ikonen und Symbolen oft nicht eindeutig) 18 Bei Charles William Morris Der Namensgeber der Wissenschaft der Zeichen (-> Semiotik), greift in seiner Foundation oft the Theory of Signs das dreistufige Zeichenmodell von Peirce auf und prägte darin den Ausdruck Pragmatik. Bezugspunkte des sprachlichen Zeichens: a)Beziehung der Zeichen untereinander (Syntax) b)Beziehung der Zeichen zu den Gegenständen (Semantik) c)Beziehung der Zeichen zu den Zeichenverwendern (Pragmatik) Im Zeichenprozess (Semiose) fungiert etwas als Zeichen, wobei dieser aus 4 Komponenten besteht (Zeichen, Designat, Interpretant- Effekt, der beim Rezipienten bewirkt wird, Zeichenverwender). In seinem Werk Signs, Language and Behavior versucht er seine Zeichentheorie im Sinne von Semantik, Syntaktik und Pragmatik zu interpretieren. Bei Leonard Bloomfield Er kritisierte Saussures Zeichenbegriff als zu einfach. Phoneme, Morpheme, Sememe, Episememe, Taxeme, Tagmeme stellen nach ihm Aspekte des sprachlichen Zeichens dar. Er sieht die Bedeutung als etwas Sprachexternes an und stellt den Zeichenverwender in den Mittelpunkt, wodurch er als Wegbereiter der Sprachpragmatik gilt. Sprachliche Zeichengebung kennt zwei Arten von bedeutungstragenden Elementen, nämlich lexikalische Formen aus Phonemen und grammatische Formen aus Tagmemen: (1)Kleinste und bedeutungslose Einheit sprachlicher Zeichengebung: Phemem (a)lexikalisch: Phonem (b)grammatisch: Tagmem (2)Kleinste bedeutungstragende Einheit sprachlicher Zeichengebung: Glosem (Bedeutung des Glosems ist ein Noem) (a)lexikalisch: Morphem (Bedeutung ist ein Semem) (b)grammatisch: Tagmem (Bedeutung ist ein Episemem) (3)Bedeutungstragende Einheit sprachlicher Zeichengebung, minimal oder komplex: sprachliche Form (Bedeutung einer sprachlichen Form ist eine sprachliche Bedeutung) (a)lexikalisch: lexikalische Form (lexikalische Bedeutung) (b)grammatisch: grammatische Form (grammatische Bedeutung) Der Eigenname Er ist eine besondere Art des sprachlichen Zeichens und ein Antonym zum Appellativum (Gattungsnamen). Gattungsnamen (Abstrakta) und Eigennamen (Konkreta) gelten als Subkategorien des Substantivs. Als Abgrenzungskriterium zum Appellativ gilt die eindeutige Benennung von Personen und Objekten. Bei Saussure bedeutet das, dass der Ausdruck eines Namens mit der Vorstellung eines Individuums verbunden ist. Bis heute ist keine zufriedenstellende Theorie der Eigennamen begründet worden. Herman Paul hat versucht den Eigennamen als Übergang von der okkasionellen (besonderen) zur usuellen (allgemeinen) Bedeutung zu sehen. Eigennamen werden also bis heute als Identifikationsmittel für reale Personen verwendet und mit ihnen werden Objekte als Individuen aufgefasst. Jeder Eigenname war einmal ein Gattungsname, es können aber auch Eigennamen zu Appellativa werden. Es existieren auch in diesem Bereich die Trias Namensmorphologie, Namensbedeutung und Namenverwendung. Abgrenzungskriterien der Eigennamen gegenüber Appellativa: Der Schreibung (teils altertümliche Schreibungen) Der Lautung (teils dialektale abweichende Lautungen festgehalten) Der Morphologie (teils anders flektiert) Der Syntax (teils Gebrauch ohne Determinatoren) Der Norm (teils amtlich eingegrenzt) Wortsemantik Asymmetrie des sprachlichen Zeichens Das Verhältnis zwischen Ausdruck und Inhalt ist nicht 1:1 Synonymie: mehr Ausdrücke (Synonyme) existieren für einen Inhalt, wobei die Verwendung der Synonyme räumlichgeographisch oder sprachsoziologisch eingeschränkt sein kann. Homonymie: mehr Inhalte existieren für einen Ausdruck (Homonyme), wobei man zwischen etymologisch eigenständigen Wörtern aus diachroner Sicht und Wörtern, die irgendwann mehrere Bedeutungen bekommen haben, unterscheiden muss. Hyperonymie: Überordnung enthält Oberbegriffe/ Hyperonyme Hyponymie: Unterordnung enthält Unterbegriffe/ Hyponyme Antonymie: enthält Gegensatzbegriffe/ Antonyme Inhaltsbezogene Grammatik Leo Weisgerber bezieht sich in seinem Werk Muttersprache und Geistesbildung auf die innere Sprachform Humboldts. Er sieht Sprache als Kulturgut an. Die Analyse dessen, was eine Sprachgemeinschaft ausmacht, nennt er „Sich-selbst-insGesicht-Sehen“ durch den Spiegel anderer Sprachen und formulierte in seinem Werk Von den Kräften der deutschen Sprache. Er unterscheidet 4 Ebenen der Sprache als menschliche Sprachbegabung, als Kulturbesitz einer Gemeinschaft, als 19 individueller Sprachbesitz und als Form der Verwendung, wobei diese gleichwertig anzusehen sind und die Muttersprache als Hauptfunktion heraustritt. Er belegte die Begriffe Humboldts neu, denn er beschreibt Sprache als wirkende Kraft und innere Form, die eine bestimmte Weltansicht enthält. Die Verbindung mit Saussure ist ihm nicht gelungen. Die Weltansicht der Sprache und die innere Sprachform ergeben das Weltbild. Die Lautgebundenheit und Sachbezogenheit das muttersprachliche Weltbild, die Zwischenwelt. Sie befindet sich zwischen den Dingen der Außenwelt und einer Sprachgemeinschaft und ergibt sich aus dem Zusammentreffen von Außenwelt und menschlicher Innenwelt. Wortfeldtheorie Im Gegensatz zur Wortfamilie ist ein Wortfeld eine Gruppe von partiellen Synonymen. Jost Trier baute die Bedeutung des Wortes weiter aus. An die Stelle des sich in der Bedeutung ändernden einzelnen Wortes tritt das Wortfeld und statt der Bedeutungsänderung eines einzelnen Wortes sind die Bedeutungsumglieder eines ganzen Feldes zu betrachten. Das Wortfeld ist eine Zwischendimension zwischen Einzelwörtern und gesamten Sprachinhalt. Der Begriff des Wortfeldes wurde oft anders interpretiert. Komponenzielle Semantik Die Wurzeln der Wortschatzbeschreibung liegen im Strukturalismus, der seine Methode des Segmentierens/ Klassifizierens auch auf den Wortschatz anwendete. Die Lexik ist im Gegensatz zur Phonologie/ Morphologie ein offenes System, also flexibel bei Veränderungen. Man arbeitete mit Minimalpaarbildung, wo Wortfelder entstanden. Vertreter dieser Richtung waren die Kopenhagener Schule und Algirdas J. Greimas. Die Ausdrücke eines Wortfeldes wurden in einer Matrix zusammengestellt und die Bedeutungsunterschiede zwischen ihnen wurden notiert. + für zutreffende Merkmale, - für nicht zutreffende Merkmale und ø für die Nichtanwendung eines Merkmals bzw. ? für Unsicherheit der Anwendung. Dabei bildet ein Sem eine minimale Bedeutungskomponente (ein einziges Merkmal) und ein Semem die Gesamtheit aller Seme eines sprachlichen Ausdrucks. Dabei ergab sich die Schwierigkeit der Heterogenität der Merkmale, denn man kommt zu solchen Merkmalen nur durch die Sprachkompetenz des einzelnen. Man wird nie alle Merkmale finden, mit denen man das gesamte Lexikon einer Sprache beschreiben könnte. Kopenhagener Schule und Glossematik Louis Hjelmslev und E. Viggo Brøndal gründeten die Schule. Hjelmslev entwickelte mit Hans- Jørgen Uldall die Glossematik und versuchte die Sprache durch ein System von Substanzen und Formen zu definieren. Die Glossematik wurde nach den kleinsten nicht weiter analysierbaren unteilbaren Einheiten der Sprache, den Glossemen, benannt. Prototypensematik von Eleanor Rosch (Standardtheorie) Sie geht davon aus, dass die mit einem Begriff verbundenen Vorstellungen individuell sind. In einer Vorstellung produzieren wir individuelle Inhalte, welche gemeinsame Merkmale aufweisen, welche dann die Kategorie des vorgestellten Inhalts bilden. Die einzelnen vorgestellten Inhalte sind die Vertreter ihrer Kategorie. Der Prototyp ist das beste Exemplar einer Kategorie. Die Elemente einer Kategorie werden je nach Zahl der Nennungen in eine Repräsentativitätsskala eingeordnet. Dabei ist eine horizontale (Innere Struktur der Elemente innerhalb einer Kategorie) und eine vertikale Gliederung (Beziehungen der einzelnen Kategorien zueinander) gegeben. Für Konkreta ist der Prototyp leichter zu ermitteln als für abstrakte Begriffe, außerdem für Substantive besser als für andere Wortarten. Lexikologie und Lexikographie Die Lexikologie beschäftigt sich mit dem Wortschatz, genauer mit dem Wort als sprachliche Einheit, wortübergreifende Einheiten, Aufbau und Zusammensetzung des Wortschatzes, Wortbildung, Wortfeldern und der Etymologie (Herkunft und Entwicklung eines Wortes). Berührungspunkte mit der Sprachpragmatik ergeben sich durch Untersuchung des Sprachkontakts, Übersetzungswissenschaft, Varietäten, Historizität und Sprachphilosophie. Die Lexikographie ist die Wissenschaft von der Wörterbuchherstellung, wobei jede Bedeutungsangabe eine metasprachliche Umschreibung ist. Übersetzungen sind Verwendungsverweise. Weiters werden Begriffe im Wörterbuch mit anderen Begriffen umschrieben. Wörterbücher können deskriptiv oder präskriptiv sein. Es gibt Alltags-, Fachbereichs-, Muttersprachen-, Fremdsprachenwörterbücher usw. Diachrone Wörterbücher werden v.a. zur Erschließung eines Phonemsystems einer historischen Sprache erstellt. Satzsemantik In Sätzen verselbstständigt sich die Bedeutung, d.h. Satzstrukturen enthalten Bedeutungen, die nicht als Summe der Einzelwortbedeutungen erklärt werden können. Verschiedene Bedeutungsvarianten bei Wörtern können durch die Satzebene durch den Kontext deutlich werden. Es können aber auch ganze Satzglieder oder Teile davon mehrdeutig= ambig sein (Ambiguität!). Bei ambigen Sätzen stellt die Textebene die Eindeutigkeit des Gemeinten her. Wahrheitswerte und formale Semantik Sprache kann, wenn sie ein Werkzeug sein soll, auch zweckentfremdet werden. Die Satzsemantik kann sich mit dem Wahrheitsgehalt von sprachlichen Äußerungen befassen, indem sie Aussagen (Prämissen, Behauptungen, Urteile, Propositionen), die keine deiktischen Elemente wie ich, du, hier, jetzt usw. enthält, eine Wahrheitsdefinitheit/ 20 Wahrheitswert (+ wahr, - falsch) anhand der Wahrheitstafeln zuordnet. Die Wahrheit einer Aussage wird gemäß der Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen in den Tafeln festgelegt. Auf dieser Grundlage, welche auf Vorarbeiten der Mathematik (George Boole, Gottlob Frege) basiert, entstand die Formale Logik (zu dieser zählt die Formale und Logische Semantik). Mit Hilfe von Aussagen als Prämissen sind dann Schlussfolgerungen (Konklusionen) möglich. Thetarollen (Thematische Relationen) der Kasusgrammatik von Charles J. Fillmore Sie versuchen die semantische Struktur eines Satzes zu erfassen, auf ähnliche Weise wie es die Valenzgrammatik durch die Wertigkeit des Verbes versuchte. Agens: belebter Verursacher/ Handlungsträger Zeit: Handlungszeitpunkt Patiens: belebter Handlungsbetroffener Source: Handlungsausgangspunkt Experiencer: belebtes von der Handlung bewegtes Objekt Goal: Richtungskasus Objekt/ Thema: belebtes/ unbelebtes Objekt einer Handlung Possessor: belebtes Wesen, was etwas besitzt Instrument: Unbelebte Ursache/ Instrument der Handlung Lokativ: Ort In einem Satz müssen nicht alle Rollen vorhanden sein. Das Agens des Aktivsatzes, wird zum Patiens des Passivsatzes. Grundlagenwerk von Peter von Polenz: „Deutsche Satzsemantik, Grundbegriffe des Zwischen-den- Zeilen- Lesens“ befasst sich auch mit Textsemantik Textsemantik Text kann man als sprachliche Ebene, semantische Interpretation oder pragmatische Betrachtung auffassen. Sie beschäftigt sich mit allen Bedeutungsphänomenen, welche die Wort- und Satzsemantik nicht erfassen, wobei keine festen Grenzen vorhanden sind. Entwicklung der modernen Textlinguistik In der ersten Phase (60ern) herrschten nur syntaktische Textauffassungen, dass ein Text ein aus mind. zwei Sätzen bestehender Übersatz ist. Hauptvertreter waren Weinrich, Harweg und Heidolph. Danach (70ern) entwickelte Teun von Dijk das Konzept der Makrostruktur, ein globaler abstrakter Plan, der jedem Text zugrunde liegt. Gemeinsam mit Walter Kintsch schrieb er die Strategies of discourse comprehension, welche versuchen den Prozess der Textproduktion und – rezension zu erklären. Die kommunikationsorientierte Textlinguistik versucht Sprache im Rahmen der Kommunikation zu begreifen/ beschreiben. Siegfried J. Schmidt ging von Handlungsspielen aus, die sprachliche Bestandteile der Kommunikation darstellen. Seit der pragmatischen Wende tritt die pragmatische Komponente der Textauffassung immer stärker hervor. Wolfgang U. Dressler und Robert A. de Beaugrande stellen ihren prozeduralen Ansatz vor. Hypertext und Email Diese neuen Kommunikationsformen haben auch einen Einfluss auf das Wesen von Texten. Das Internet mit den Chatrooms und Blogs bietet neue Möglichkeiten. Der Hypertext bedient sich herkömmlicher Textverarbeitungsprozesse und stellt eine neuartige nicht lineare Textorganisation dar, die verschiedene Textebenen über Links miteinander kombiniert. Das Electronic Publishing als neue Publikationsform ermöglicht wahres Interagieren auf Textebene. Ein grundlegender Wandel wird in der Leseforschung verlangt, deutlich wird die Beobachtung, dass Schrift teilweise wieder verbildlicht wird. Stilistik Systemlinguistisch orientierte Stilistiken versuchen, Stilphänomene an grammatischen Faktoren auf Lautebene (Lautung, Rhythmus), auf Wortebene (Silbenzählungen, Wortarteneinsatz, sprachliche Bilder), auf Satzebene (Länge, Satztyp, Wortstellung, Tempusformen, usw.) auszumachen. Pragmatische Annäherungen fassen Stilmerkmale als Handlungsmuster im Sinne der Sprechakttheorie auf. Das Textmodell von Dressler/ Beaugrande ist auf stilistische Merkmale anwendbar. Semantische Stilphänomene wären Wortwahl, Wiederholungen, Variation, Wechsel, Ellipsen, Klarheit, Folgerichtigkeit, Anschaulichkeit und Glaubwürdigkeit der Darstellung. Praktische Anwendung findet die Stilistik in der Forensischen Linguistik. Frametheorie Grundüberlegungen stammen aus der Gestaltpsychologie, die ihrerseits auf der Wahrnehmungspsychologie von Franz Bretanos beruht. Christian von Ehrenfels sieht dabei den Begriff der Gestalt als Wahrnehmungseinheit an, welche visuelle, raumzeitliche, dynamische, physikalische und psychische Phänomene in ihrer wechselseitigen Interaktion erfasst. Bretanos Antizipationsschema wurde weiterentwickelt und man ging von Wissensdispositionen aus. Die Berliner Schule (Wertheimer, Köhler, Koffka, Lewin) nahm diese Gedanken auf und entwickelten die Gestaltpsychologie. Diese besagt, dass menschliche Erkenntnis auf dem Phänomen des Kontrasts beruht. Kontrast besteht zwischen einer Figur im Fokus der Wahrnehmung und seinem Hintergrund. Jean Piaget wies auf die Objektkonstanz hin, der Fähigkeit Objekte unter bestimmten Transformationen konstant zu halten. Sie ist außerdem dafür verantwortlich, dass selbe Phänomene als Gleiches erkannt werden. Er und Frederic Bartlett sprechen von einem vorhandenen Schema. Den entscheidenden Schritt machte die Künstliche Intelligenz (KI/ AI), sie übertrug den Framebegriff auch die Linguistik: Eine Maschine braucht ein Vorwissen, ein Organisationszentrum um den Input eines visuellen Bildes verarbeiten zu können. Der Mensch macht dies anhand der Kompetenz (Weltwissen). Da eine Maschine nicht sozialisiert werden kann, muss die Wissensbasis aus symbolisch kodierten Texten bestehen-> Domain knowledge! 21 Der Mensch kann einen Text inhaltlich nur verstehen, wenn während des Lesens über den Text hinaus assoziierte Sachverhalte abrufbar sind, was die Frame- Konzeption gewährleistet. Es wird ein übergeordneter thematischer Frame, ausgelöst durch ein Schlüsselwort, erstellt, welcher die Erwartungshaltungen steuert und weiterer Frames abruft. Man kann sich darunter auch semantische und syntaktische Strukturen vorstellen, die von einem Lexem ausgelöst werden. Ein Frame kann als portionsweise Verarbeitung des Weltwissens verstanden werden, was für ein situationsgebundenes Verstehen einer Äußerung notwendig ist. Definition von Marvin Minsky: Ein Frame ist eine Struktur von Daten, die eine stereotype Situation repräsentieren. Jedem Frame haften bestimmte Arten von Informationen an. Der nächste Schritt wäre nach dem Zusammenhand zwischen Frame und lexikalischer Semantik zu fragen, den der FrameBegriff hat bisher nur in der Psychologie/ Philosophie Bedeutung erlangt. Man müsste Art und Zahl der Frames ermitteln und für eine linguistische Beschreibung auswerten. Pragmatik: Sprache als Handeln Pragmatik (griech. pragma= Sache, Ding, tun, handeln) ist die Wissenschaft vom menschlichen Handeln und meint heute eher eine Art der Sprachbetrachtung. Pragmalinguistik ist die Wissenschaft vom Handeln mit Sprache. Die Sprachhandlungstheorie wird oft als Gegensatz zur Abbildungsfunktion von Sprache gesehen, beide Ansichten sollen sich aber ergänzen. Sie untersucht, welchen Gebrauch die Sprachteilnehmer von den sprachlichen Zeichen machen und beschreiben Sprache in ihrer konkreten Verwendung/ Praxis. Dies kann nur unter der Analyse der Situation geschehen, wie ein Beispiel einer Erzählung des Rattenmannes (Patient von Sigmund Freud) zeigt. Die System- und Pragmalinguistik sollen als Ergänzungen gesehen werden. Weltwissen, Sprachwissen, Sprachverhalten Aus dem Modell des sprachlichen Zeichens von Saussure lässt sich annehmen, dass die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens in der Erfahrung liegt. Die Inhaltsseite bekommt ihre Auffüllung also erst durch die Erfahrung. Vorstellungen beziehen sich nicht auf die reale Welt, sondern auf unsere Erfahrung mit ihr. Das Erfahren der realen Welt bezeichnen wir als Weltwissen. Somit kennen wir die Bedeutung verschiedener Objekte, haben eine Vorstellung von einem Begriff. Das Weltwissen muss nicht auf die reale manifestierte Welt referieren. Man unterscheidet beim Weltwissen zwischen Alltagswissen (steht allen Angehörigen einer Sprachgemeinschaft offen) und individuellem Erfahrungswissen. Die Grenze ist fließend. Weltwissen= Gebrauchskontext= außersprachliche Umstände und Zusammenhänge, in denen eine außersprachliche Äußerung einen Sinn erhält. Sprachwissen ist das Wissen zur Hervorbringung einer sprachlichen Äußerung und dem Verstehen von anderen Äußerungen. Das Sprachwissen wirkt sich auf die Form sprachlicher Äußerungen aus, es kann daher auch grammatisches Wissen genannt werden, das im Zusammenhang mit sprachlicher Aktivität vonnöten ist. Es umfasst also die grammatische Kompetenz und baut auf dem Weltwissen auf. Das Sprachwissen manifestiert sich im Sprachverhalten, was den Übergang von der grammatischen zur pragmatischen Betrachtungsweise darstellt, denn es passt sprachliche Äußerungen an die Situation an. Das Sprachverhalten ist wiederum eingebettet in das Sprachwissen, denn nur auf dessen Basis ist ein angemessenes Sprachverhalten möglich. Aufgabe der Pragmalinguistik ist es nun, vom Sprachverhalten auf das Sprachwissen zu schließen. Ausgangspunkt sind singuläre Äußerungen für die Sprechakttheorie oder ganze Gespräche für die Gesprächsanalyse sowie geschriebene Texte für die Textlinguistik. Die Pragmalinguistik soll Verfahren entwickeln, die diese Rückschlüsse ermöglichen. Präsupposition und Inferenz Unser Weltwissen hilft uns Situationen in einen bestimmten Kontext zu stellen. Durch unser Weltwissen legen wir etwas in unsere Äußerungen hinein, wir inferieren. Das Weltwissen ist Grundlage der Präsuppositionen, das sind Sinnvoraussetzungen, die in Äußerungen selbst nicht angesprochen, für das Verständnis aber vorausgesetzt werden. Sie haben nichts mit dem Wahrheitsgehalt zu tun. Weltwissen Präsupposition Inferenz sprachliche Äußerung Ein Merkmal der Präsupposition ist die Negationskonstanz. Präsuppositionen können vom Sprachgebrauch gefasst werden. Die Beteiligten müssen über ein gemeinsames Weltwissen verfügen und die Äußerung muss diesem Weltwissen angemessen sein. Deixis Sprachliche Zeichen referieren (manchmal nur indirekt) auf die reale Welt und unsere Erfahrung mit ihr, denn jede Äußerung kann eine Referenz herstellen. Deiktische Ausdrücke referieren/ zeigen auf bestimmte Personen, Gegenstände oder Sachverhalte und Situationen. 22 Mit Deixis meint man die Lokation und Identifikation von Personen, Objekten, Ereignissen, Prozessen und Handlungen, über die gesprochen oder auf die referiert wird, in Relation zu dem zeitlich-räumlichen Kontext, der geschaffen und aufrechterhalten wird. John Lyons Auch andere sprachliche Mittel referieren auf die außersprachliche Welt, wie Eigennamen, nominale Kennzeichnungen und eben deiktische Ausdrücke. Es gibt aber auch Deiktika, die keinen Referenzbezug herstellen, das sind deiktische Verweise in fiktiven Welten und nennt man Deixis am Phantasma. Die Deixis stellt eine sprachliche Universalie dar, trotzdem ist es noch niemanden gelungen, eine systematische Darstellung deiktischer Verwendungsweisen herzustellen. Denn setzt man es als semantisches Phänomen an, gibt es deiktische und nicht deiktische Zeichen, aber auch Appellative haben eine gewisse Zeigefunktion. Sie lässt sich auch als Phänomen begreifen, das sich erst im Kommunikationsvorgang in einer konkreten Situation konstituiert. Sprachliche Zeichen zeigen innerhalb des Zeigfeldes, dessen Nullpunkt/ Schnittpunkt das Hier- Jetzt- Ich – Origo bildet. Es gibt Personaldeiktika (ich, du, er, usw.), Lokaldeiktika (Raumkoordinaten), Temporaldeiktika (Zeitangaben), Sozialdeiktika (Titel, Anredeformen), Diskursdeiktika (s.Folgendes, Zitat) und Situationsdeiktika (Mimik, Gestik, Intonation, usw.). Pragmatische Wende 1968 Es wurde von den Wissenschaften gesellschaftliche Relevanz eingefordert, sogenannte Orchideenfächer waren verpönt. Es etablierten sich neue Fachrichtungen und bauten sich aus: Soziolinguistik, Textlinguistik, Sprechakttheorie unter dem übergreifenden Begriff Kommunikationsforschung. Die Angewandte Linguistik untersucht Sprache in ihrer tatsächlichen Verwendung. Sprechakttheorie Der Ansicht, dass Sprache eine reine Abbildungsfunktion hat, widersprach bereits Ludwig Wittgenstein. Er meinte, die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache. John Langshaw Austin wollte sich vom Konzept, dass Sprache mit festen Vorstellungen verbunden ist, lösen. Beim Gebrauch spielt die Äußerungssituation eine große Rolle. Er stellt fest, manche sprachliche Äußerungen erfüllen die Abbildungsfunktion nicht, sondern stellen Handlungen dar (Wetten, versprechen, Taufen, Vermächtnisse). Ein Sprechakt ist eine Handlung, die nur mittels einer sprachlichen Äußerung vollzogen wird. Er unterschied Sprechakte= performative Akte mit Sprachhandlungsfunktion von den konstativen Akten mit Abbildungsfunktion. Diese zwei Klassen lassen sich aber in gewissen Fällen nicht trennen bzw. schwer eingrenzen und unterscheiden, somit musste er diese Dichotomie zugunsten einer reinen performativen Theorie aufgeben, nach der alle sprachlichen Äußerungen performativ sind, auch Feststellungen. Denn es wird eine Absicht mit der Äußerung verfolgt. Gleichzeitig ablaufende Phasen des Sprechaktes: Lokutionärer Akt: materielle Seite der sprachlichen Äußerung Phonetischer Akt- Phon: Lautäußerung Phatischer Akt- Phem: Kombination der Elemente nach grammatischen Regeln Rhetischer Akt- Rhem: Sinn+ Referenz= Bedeutung wird hinzugefügt Illokutionäre Akt: Handlungsabsicht einer Äußerung Perlokutionäre Akt: Folgewirkungen der Lokution Perlokutionäre Akt: das, was der Sprecher mit der Illokution erreichen will Perlokutionärer Effekt: das, was in der Realität eintritt Vorschlag: Einschiebung des propositionalen Gehalt/ Akt zwischen Lokution und Illokution. Er ist die Realisierung einer Proposition= in der Lokution geäußerter Sachverhalt. Neben Austin ist John R. Searle der wichtigste Vertreter der Theorie. Glücken und Gelingen Austin untersuchte die Umstände, unter denen eine sprachliche Äußerung eine Handlung darstellt. Der Sprechakt gelingt oder ist erfolgreich, wenn er zur Gänze durchgeführt wird und der perlokutionäre Effekt eintritt. Ein Sprechakt glückt, wenn die Illokution erreicht ist. Folgende Gelingensbedingungen gibt es, aus denen hervorgeht das Sprechakte Verbindungen zwischen Inner- und Außersprachlichem sind und zum Gelingen Sprecher und Hörer benötigen: Versager (Handlung kommt nicht zu Stande): Es muss ein konventionelles Verfahren mit konventionellem Ergebnis geben. Personen und Umstände müssen angemessen sein (sonst Fehlanwendung). Alle Beteiligten müssen das Verfahren korrekt und vollständig durchführen (sonst Trübung oder Lücke). Missbräuche (Handlung kommt zu Stande, ist aber unehrlich): Redlichkeit und Aufrichtigkeit müssen gegeben sein. (größte Problem!) Indirekte Sprechakte Bei direkten Sprechakten ist die illokutionäre Kraft direkt in die Satzform durch explizite Performativa eingebaut: Ich Vp (performative Verb) dir/dich (hiermit), dass S (Komplementsatz). 23 Sprechaktverben/ performative Verben z.B. warnen, wetten, taufen, versprechen, drücken die wörtliche Kraft des Sprechaktes direkt aus. Aber auch in indirekten Sprechakten wirkt die illokutionäre Kraft (haben Absichten). Zusätzlich tragen Aussage-, Frage- und Befehlssätze, die mit ihnen üblich assoziierte Kraft. Ein Befehl muss nicht notwendigerweise auch die formale Gestalt eines Befehlssatzes haben, außerdem zeigen illokutionäre Befehle eine derartig große Vielfalt, dass man nicht durch konkrete sprachliche Formulierungen eingeschränkt ist. Sprechaktklassifikation von Searle Repräsentativa: verpflichten den Sprecher zur Wahrheit Direktiva: wollen den Adressaten zu etwas bringen (Fragen= Erotetika) Kommissiva: verpflichten den Sprecher zu einer Handlung Expressiva: drücken den psychischen Zustand des Sprechers aus Deklerativa: bewirken Veränderungen am Zustand der Dinge Konversationsanalyse und Textpragmatik Diskurs ist ein aus dem englischsprachigen Raum stammender Begriff (discourse) für jede Art sprachlicher Interakton. Er bezeichnet das Handeln mit Sprache im Sinn der sprachlichen Pragmatik und ist ein Oberbegriff für die schriftliche (Text) und mündliche Sprache (Gespräch, Konversation). Eine Wissenschaft vom Gespräch entwickelte sich in den 60/70ern, in deren Mittelpunkt der Dialog steht. Das Gespräch ist der Prototyp des Sprachgebrauchs und besteht nicht nur aus der sprachlichen Äußerung selbst, sondern ist in eine Vielzahl von Komponenten (Mimik, Gestik, Umstände, Intonation, usw.) eingebettet, den Kontext. Unter einem Gespräch kann man jene bekannte und gebräuchliche Art der Unterhaltung, bei der sich zwei oder mehr Teilnehmer frei beim Sprechen abwechseln und im Allgemeinen außerhalb von besonderen institutionalisierten Kontexten stattfindet, verstehen. Stephen C. Levinson Grice´schen Konversationsmaximen Herbert Paul Grice entwickelte eine Theorie, wie wir Sprache benutzen. Die Maximen (Annahmen) steuern dabei die Gesprächsführung und sind Grundlage jeden Gesprächs: Qualitätsmaxime: Sage nichts, was du für falsch hältst und wofür du keinen Beweis hast. Quantitätsmaxime: Gestalte den Beitrag so informativ wie nötig, aber nicht informeller als nötig. Relevanzmaxime Maxime der Art und Weise: Sei klar, vermeide Unklarheit und Mehrdeutigkeit. Fasse dich kurz und sei methodisch. Das Kooperationsprinzip Gestalte deinen Beitrag zur Konversation so, wie es die gegenwärtig akzeptierte Zweckbestimmung und Ausrichtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, erfordert. Gemeinsam bilden sie die Diskurswelt= vorausgesetzte Grundlagen eines Gesprächs! Implikatur meint, das Erschließen von Informationen, die nicht im Gesagten enthalten sind. Manchmal ist der Vorgang des Implizierens selbst damit gemeint. Es sind Schlussfolgerungen, die direkt aus der Äußerung erfolgen, und sind nicht mit Präsuppositionen zu verwechseln. Die Maximen sind auf einer nicht wörtlichen Ebene zu betrachten, im Idealfall (tritt nicht ein) befolgen wir im Gespräch alle. Die Konversationsanalyse muss tatsächlich geführte Gespräche möglichst objektiv aufzeichnen und analysieren. Dazu muss man die Auswahl und den Umfang einschränken, d.h. Kriterien finden, die die Einschränkung rechtfertigen. Für die Korpussammlung verwendet man Tonbandgeräte, welche mündliche Gespräche transkribiert bzw. notiert. Eine sprachliche Äußerung ist ein Bündel komplexer audiovisueller Signale, die Sprachwissenschaft kann aber nur diskrete Einheiten untersuchen. Die sprachlichen Zeichen müssen daher identifiziert werden und mit der parole in Einklang gebracht werden. Für Lautstärke, Mimik, usw. muss man eigene Muster verwenden. Experten müssen alles kontrollieren. Notationssysteme für mündliche Gespräche wären HIAT und GAT. Von der Aufzeichnung muss man zu einer Interpretation kommen. Es erfolgt in dem Schema: Tonbandaufnahmen, schriftliche Notate mit Kommentaren, Interpretation und Auswertung. Beobachter- Paradoxon von William Labov: Man muss Menschen systematisch beobachten, um zu sehen, wie Menschen sprechen, wenn sie nicht systematisch beobachtet werden. Sprecherwechsel und Redebeitrag Der Sprecherwechsel ist Grundlage der Gesprächsanalyse. Im einfachsten Fall sprechen zwei Personen Face- to – Face miteinander. Der Sprecherwechsel strukturiert das Gespräch, dabei laufen weniger als 5% simultan ab und es gibt immer gleich kurze Pausen. Diese Regeln sind in der Nah- sowie Fernkommunikation intakt. Nach den Untersuchungen von Sacks, Schegloff und Jefferson besteht ein Gespräch aus der Komponente des Sprecherbeitrags, einer sprachlichen Äußerung, und einer des Sprecherwechsels (durch Fremd- oder Selbstwahl), der an einem Übergabeort TRP erfolgt. Regeln, eine Art 24 Verteilungssystem auf Basis minimaler Einheiten, konstruieren den Redebeitrag. Es sind syntaktische Einheiten, die mittels Prosodie als Anteile der Redebeiträge identifiziert werden. Regeln Es spricht immer nur ein Sprecher zur selben Zeit. Bei einer Überlappung, kann man voraussagen, was passiert: konkurrierender Redebeitrag/ Missverständnis Schweigen kann genau definiert werden als Lücke, Verstummen oder bedeutsames Schweigen. Ähnliche Regeln gibt es am Anfang um am Ende von Gesprächen. Man kann Gespräche sogar anhand von Signalen strukturieren Gesprächseröffnung, Binnensegmentierung und Gesprächsbeendigung. Für ein erfolgreiches Gespräch braucht man sowohl Sprecher- und Höreraktivität. Man will Merkmale der Gesprächssteuerung herausfinden. Korrektur und Reparatur Im mündlichen Gespräch kann man schneller auf Fehler reagieren, dabei ist man sich einig: ein Fehler im Gespräch ist ein Verstoß, der von beiden Gesprächspartnern als inadäquat im Bezug auf sprachliches Verhalten, Kontext, sprachliche Referenz oder sprachliche Formen selbst ist. Typische Fehler sind falsche Freunde, Transferfehler, Interferenzfehler und Übergeneralisierungen. Versprecher sind psychische Fehlleistungen. Man kann mit Korrektur auf einem Regelverstoß prinzipiell aufmerksam werden (häufig Selbstkorrektur und Fremdreparatur). Wir verwenden beide Begriffe synonym. Es sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Selbstinitiierte (Sprecher nimmt unaufgefordert Reparatur selbst vor) und fremdinitiierte Reparatur (erst nach Aufforderung des Gesprächspartners) sowie Selbst- und Fremdreparatur (oft Demütigung). Bei Korrekturketten sind die expliziten Korrekturen ineinander verschränkbar und kombinierbar (Skalierung der Explizitheit möglich). Die implizierte Korrektur ist verschlüsselt (Anspielungen, Ironie). Die Konversationsanalyse präsentiert als fruchtbarstes Gebiet der Pragmalinguistik Ergebnisse in: Therapie-, Beratungs-, Verhandlungs-, Medien-, Unterrichts-, Literarische Gespräche, im Spracherwerb und in der Metakommunikation. Saphir- Whorf- Hypothese (sprachliche Relativitätstheorie) Benjamin Lee Whorf und Edward Sapir kamen zu der Ansicht, dass Sprache selbst die Gedanken der Sprachteilnehmer programmiert. Sie verleitet dazu, die Welt in eine bestimmte Weise zu interpretieren. Daher ist das Weltbild einer Sprachgemeinschaft durch die Sprache vorgegeben, weil die Sprache selbst die Begriffe und damit die Interpretation der Welt liefert. Verschiedene Einzelsprachen führen zu verschiedenen Denkweisen und zu unterschiedlichen Weltbildern sprachlicher Determinismus. Textpragmatik Analysiert den Gebrauch und die Funktion von Texten. Dazu präsentieren de Beaugrande und Dressler ihr Textverarbeitungsmodell (prozeduraler Ansatz). Das Glücken menschlicher Kommunikation hängt zum einen von der erfolgreichen Produktion und Rezeption von Texten ab. Erfüllt er erfolgreich eine Funktion in der Kommunikation, ist er ein Text, wenn nicht, ist er ein Nichttext. Er muss also 7 Merkmale der Textualität aufweisen: Kohärenz: semantische und pragmatische Zusammenhang, Grundlage ist die Sinnkontinuität; Interferenzziehung: Vorgang der Zurückgreifung auf anwendbare Konzepte aus seinem Weltwissen und Anwendung auf die Situation, wenn im Text zu wenig Infos sind. Kohäsion: Elemente der Textoberflächenstruktur wie grammatische Kongruenz, Tempus, Aspekt, Wortwiederholungen, Umschreibungen, Rekurrenz, Paraphrase, Intonation usw. Intentionalität: kommunikativen Intentionen des Produzenten, insofern diese Form und Gestaltung mit beeinflussen. Akzeptabilität: Einstellung des Textrezipienten (Erwartung eines kohärenten und kohäsiven Textes), im Allgemeinen sind damit die Grice´schen Maximen gemeint, aber auch inhaltliche Struktur, linguistischer Code, stilistische und rhetorische Mittel; Sprecher muss wissen, was von ihm erwartet wird, Hörer weiß, dass auf seine Erwartungen Rücksicht genommen wird- erfordert beidseitige Toleranz. Informativität: bestimmt das Ausmaß des im Text dargebotenen, für den Rezipienten unbekannten Materials, Abwechslung unterschiedlicher Sequenzen der Informativität, stabiles Verhältnis zwischen Altem und Neuem. Situationalität: Faktoren, die einen Text für seine Kommunikationssituation relevant machen und über seine Angemessenheit entscheiden; z.B. Ort, Zeit, Gesprächspartner, soziale Rollen, Zweck usw., wichtig für die Auffassung sind Bedeutung, Form und Gebrauch eines Textes; sie beeinflusst Oberflächenstruktur und Kohäsionsmittel. Intertextualität: Faktoren, die die Verwendung eines Textes, seine Produktion, Integration vom Wissen der Kommunikationsteilnehmer über einen oder mehrere vorher aufgenommene Texte abhängig macht; Verknüpfung der Texte über Kommunikationsteilnehmer 25 3 regulative Prinzipien kontrollieren die Kommunikation durch Texte: Effizienz: Je geringer der Verarbeitungsaufwand, desto effizienter der Text. Effektivität: Erfordert höheren Verarbeitungsaufwand, das sie mit dem Eindruck eines Textes zusammenhängt. Angemessenheit: gegeben wenn Anforderungen durch den Kontext und die Art und Weise der Erfüllung der Textualitätskriterien übereinstimmen; Gleichgewicht zwischen Effizienz und Effektivität. -->Kritik durch Heinz Vater, an diese Prinzipien und Kriterien (ein Text ist auch dann ein Text, wenn nicht alle dieser Kriterien erfüllt werden). Ein Verstoß macht einen Text noch lange nicht nichtkommunikativ. Der prozedurale Textansatz sieht Sprache als interaktives System, dessen Komponenten nicht isoliert betrachtet werden können. Der Text wird als kybernetisches System erfasst, dessen Stabilität nicht statisch ist. Die Sprache ist ein virtuelles System, von Auswahlmöglichkeiten, die noch nicht realisiert worden sind. Ein Text ist ein aktualisiertes System, das aus realisierten Optionen gebildet wurde. Der Ansatz macht die Funktionen der Texte deutlich: jeder Text erfüllt in der konkreten Kommunikationssituation eine konkrete Aufgabe. Pragmatische Konzepte der Textlinguistik Versuch der Übertragung von sprechakttheoretischen Überlegungen auf die Textlinguistik Schnittstelle zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Es wird das Schema von John Searle über die Handlungsarten zugrunde gelegt. Die Textfunktionen von Klaus Brinker sind eine pragmatische Textbeschreibung: Informationsfunktion: Ich (der Emittent) informiere dich (den Rezipienten) über den Sachverhalt X (Textinhalt). Appellfunktion: Ich fordere dich auf, die Einstellung (Meinung) X zu übernehmen/ die Handlung X zu vollziehen. Obligationsfunktion: Ich verpflichte mich (dem Rezipienten gegenüber), die Handlung X zu tun. Kontaktfunktion: Der Emittent gibt den Rezipienten zu verstehen, dass es ihm um die personale Beziehung zum Rezipienten geht. Deklarationsfunktion: Ich bewirke hiermit, dass X als Y gilt. (Testament, Vollmacht, Bestätigung usw.) Soziolinguistik Der Strukturalismus und die Generative Grammatik gehen von einer Homogenität der Sprache aus, was falsch ist, denn Sprache ist heterogen und besitzt diatoptische (Dialekte) und sozialschichtenspezifische/ diastratische Sprachverwendung. Es herrschen diaphasische Unterschiede (verschiedene Stile/ Stillagen) vor. Das Sprachverhalten eines Individuums wird als Idiolekt, die Sprache einer Gruppe als Soziolekt bezeichnet. Fach- und Gruppensprachen sind Sonderformen der Soziolekte. Wie kann man das sprachliche Gruppeverhalten beschreiben und wie äußert es sich? Dieser Frage geht die Soziolinguistik nach. Defizit- und Differenzhypothese Bernstein-/ Defizithypothese Die Angehörigen einer Sprache werden in Unter-, Mittel- und Oberschicht eingeteilt. Basil Bernstein forderte, dass die Gesellschaft mehr in linguistische Überlegungen mit einbezogen gehört. Er teilte Schüler nach Schulbildung und Beruf der Eltern in Unterschicht und gehobene Mittelschicht ein. In den Schichten herrschte ein unterschiedlicher Sprachgebrauch vor, sie verwendeten unterschiedliche Kodes. Er nennt das Sprachverhalten der Oberschicht den elaborierten (erweiterten) Kode und den der Unterschicht restringierten (eingeschränkten) Kode. Daraus leitet er eine unterschiedliche Wahrnehmung und Denken der verschiedenen Schichten ab. Er orientierte sich dabei an den sprachlichen Determinismus der Sapir- Whorf- Hypothese. Daher ist nach ihm, das Sprachverhalten der Oberschicht besser ausgebildet und führt zu besseren beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Chancen. Die Unterschicht hat durch ein eingeschränktes Sprachverhalten ein Defizit. Sie besagt, dass man mit restringiertem Code die Wirklichkeit nicht komplett abbilden kann (man kann nicht alles ausdrücken). Folgen: geringerer Intelligenzzuschreibung der Unterschicht, Gleichsetzung der Dialekte mit restringierten Kodes Differenzhypothese von William Labov Sie besagt das der elaborierte und restringierte Kode gleichwertig sind, denn der restringierte Kode kann ebenso viel ausdrücken wie der elaborierte, nur mit anderen Mitteln. Labovs Untersuchungen ergaben, dass jede Schicht einen charakteristischen Knick im Verlauf der Stillagen aufweist. Dieser Knick markiert den Übergang von einer Rede- zu einer Leseaussprache. Häufig versucht die Mittelschicht die als vornehm geltende Aussprache der Oberschicht nachzuahmen (Hyperkorrektismen). Er zeigt wie soziale Verhältnisse sich auf die Aussprache auswirken. Feministische Linguistik 26 Frauen und Männer haben eine anders geprägte Sprachform. Jan Baudouin de Courtenay wies auf die Rolle der Geschlechter- und Kindersprachen hin. Die pragmatische Wende formierte eine eigenständige Frauenbewegung, welche als Sprachkritik begann, indem sie untersuchten, inwieweit männliche Strukturen das Sprachverhalten beeinflussen. Kritik am Sprachsystem (z.B. sekundäre Movierung von femininen Nomina Agentis), Kritik am sexistischen Sprachgebrauch (Beidnennung). Die Dominanztheorie besagt, dass sprachlich nicht wahr genommene Begriffe auch im Weltbild der Sprachteilnehmer nicht vorkommen. Man versuchte sprachliche Unterdrückungsmechanismen auszufinden. Luise Pusch ist Vertreterin der Feministischen Sprachwissenschaft. Funktiolekte Die Linguistik kann nicht genau angeben, wie viele unterschiedliche Sprachformen es in der Sprachgemeinschaft gibt. Die Graphik von Heinrich Löffler zeigt die Komplexität und Relativität jedes Einteilungsversuches der Varietäten des Deutschen: Dialekte, Funktiolekte, Mediolekte, Idiolekte, Situolekte, Alterssprachen, Sexlekte, Soziolekte. Die Übergänge sind fließend. Unterscheidung zwischen: Gesprochener und geschriebener Sprache, diese werden von 7 Großbereichen/ Lekten gebildet: Mediolekte, Funktiolekte, Dialekte, Soziolekte, Sexolekte und Geronolekte und Situolekte miteinander vernetzt. Die Soziolinguistik bildet die Überwissenschaft. Jeder Mensch verfügt über verschiedene Varietäten (Register/ Kodes), zwischen denen er wechselt Codeswitching. Die Sprache eines Menschen wandelt sich außerdem diachron. Bedingt die Sprache die Gesellschaft, oder umgekehrt? Erp- Projekt und der Mittelrheinische Sprachatlas Ammon, Oevermann, Mattheier, Schlieben- Lange, Maas u.a. begründeten die moderne Soziolinguistik im deutschen Sprachraum. Unter Werner Besch und Mattheier entwickelte sich ein Forschungsprojekt Sprachverhalten in ländlichen Gemeinden- Erp- Projekt. Untersuchung der Pendlersprache, sozialen Varietäten (Sprachlagen), Fragebogenaktion, Interviews, Beobachtung eines ganzen Ortes über mehrere Jahrzehnte Fallstudie par excellence; Verbindung zw. synchroner und diachroner Sprachveränderungsforschung und Übergang einer Sprachgemeinschaft vom agrarischen zur industriellen Gesellschaft. Mittelrheinische Sprachatlas von Günther Bellmann ist eine zweidimensionale Dialektgeographie mit einer räumlichen (horizontalen) und sozialen (vertikalen) Variation. Dritte Dimension ist eine diachrone Achse. Datenserie 1 mit Bauern und Datenserie 2 mit berufspendelnden Handwerkern/ Arbeitern ausgewertet zeigt generationsbedingte Unterschiede im Dialektgebrauch. 27