DEPARTMENT FUR INFORMATIK PARALLELE SYSTEME Studiengang: Fach-Bachelor Informatik Wirkungsweise und Implementierung von Gamification Bachelorarbeit 21.06.2013 vorgelegt von: Jens Rauch Morgengärten 18 28279 Bremen E-Mail: [email protected] Betreuende Gutachterin: Zweiter Gutachter : PD Dr. Elke Wilkeit Dr. Hans Fleischhack Wirkungsweise und Implementierung von Gamification Jens Rauch 21. Juni 2013 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis iv Tabellenverzeichnis v 1 Einführung 1 2 Begriffsklärung Gamification 2 2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2.2 Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.2.1 Elemente von Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2.2 Spielmechaniken 9 2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3 Ziele von Gamification 12 3.1 Verhalten verstärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3.2 Verhalten ändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.3 Verhalten erwerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4 Verhaltenstheoretische Grundlagen 4.1 4.2 Motivationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.1.1 Bedürfnishierarchie nach Maslow . . . . . . . . . . . . . 18 4.1.2 Bedürfnistheorie von McClelland . . . . . . . . . . . . . 19 4.1.3 Flow-Erleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.1.4 Spiel-Elemente und Motivation . . . . . . . . . . . . . . 21 Lerntheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.2.1 Klassische Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.2.2 Operante Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.2.3 Spiel-Elemente und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 5 Entwicklung einer gamifizierenden Webapplikation 5.1 17 27 Zielanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5.1.1 Ziel und Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ii 5.2 5.3 5.1.2 Tätigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5.1.3 Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 5.2.1 Maßzahlen für Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.2.2 Auswahl von Spiel-Elementen . . . . . . . . . . . . . . . 32 5.2.3 Einsatz der Spiel-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.3.1 Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5.3.2 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.3.3 Literaturtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.3.4 Controller und Views . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 6 Diskussion 49 6.1 Chancen von Gamification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6.2 Risiken von Gamification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 7 Ausblick 52 Literaturverzeichnis 53 iii Abbildungsverzeichnis 5.1 Wisc-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.2 Datenstrukturen für Literaturtypen . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.3 Wisc-Controller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.4 Hauptseite von Wisc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.5 Ansicht einer Aufgabe in Wisc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.6 Feedback zu einer Aufgabe vom Typ A in Wisc . . . . . . . . . 47 5.7 Ansicht einer Aufgabe vom Typ P in Wisc . . . . . . . . . . . . 48 iv Tabellenverzeichnis 2.1 Kriterien für Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.2 Einige Spiel-Elemente nach Kategorien . . . . . . . . . . . . . . 8 4.1 Zuordnung von Bedürfnissen zu Spiel-Elementen . . . . . . . . . 22 5.1 Auswahl von Spiel-Elementen für die Webapplikation . . . . . . 33 5.2 Umsetzung der Spiel-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.3 Namenskonvention für Rails-Controller . . . . . . . . . . . . . . 43 5.4 Methoden des TaskPresenter-Controllers . . . . . . . . . . . . . 44 5.5 Methoden des RephraseTaskPresenter-Controllers . . . . . . . . 44 v 1 Einführung Spiele sind in den letzten Jahren mehr und mehr Bestandteil der Alltagskultur geworden. Dies reicht von durch Videospielkonsolen angeleitetem Feierabendsport über Gelegenheitsspiele auf dem Smartphone, bishin zu sogenanntem Geocaching“, eine Art Schnitzeljagd mit GPS-Geräten . Allen voran wächst ” die Beliebhteit von PC- und Videospielen deren Entwicklungsbudgets mittlerweilen die von großen Spielfilmproduktionen erreichen und schon bald den Film als Unterhaltungsmedium verdrängen könnten. Die Besonderheit von Spielen ist, dass ihre Nutzer – im Gegensatz etwa zum Lesen eines Buches, dem Fernsehen oder Veranstaltungsbesuchen – aktiv in ein Geschehen eingreifen, Problemstellungen lösen oder Kreatives leisten. Und dies tun sie freiwllig, um sich zu unterhalten. Dass inzwischen in weiten Teilen der Bevölkerung Menschen tagtäglich beim Spielen freiwillig und gerne Herausforderungen bewältigen, hat die Idee von Gamification hervorgebracht: Hauptsächlich mit Hilfe von Softwaresystemen versucht man Tätigkeiten wie Arbeit oder Einkaufen ebenfalls so zu gestalten, dass sie vergnügt und zwanglos ausgeführt werden. In dieser Arbeit soll untersucht werden, was Gamification bedeutet, wozu es eingesetzt wird und wie es funktioniert. Dazu soll das Konzept auch praktisch erprobt werden, indem eine gamifizierende Webapplikation entwickelt wird. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Im zweiten Kapitel werden Herkunft und Definition des Begriffs dargelegt. Insbesondere wird untersucht, was Spiele auszeichnet und wie sich ihre Eigenschaften isolieren lassen. Kapitel 3 befasst sich mit den zielen, die durch Gamification erreicht werden sollen. In diesem Kapitel werden auch einige Anwendungsbeispiele vorgestellt. Die verhaltenstheoretische Wirkungsweise ist Gegenstand von Kapitel 4, wobei auf Motivation und Lerntheorie einzeln eingegangen wird. Im fünften Kapitel wird die beispielhafte Entwicklung der Webapplikation vorgestellt. Mit ihr soll das Erlernen wissenschaftlichen Zitierens gamifiziert werden. Diskutiert wird das Thema im Hinblick auf Wirkungsweise und Implementierung von Gamification in Kapitel 6. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Ausblick im letzten Kapitel. 1 2 Begriffsklärung Gamification Der Begriff Gamification“ ist noch relativ jung. Er wurde erstmals in Zusam” menhang mit einer Management-Strategie für Unternehmen genannt [WH12], die beschreibt, wie ein Unternehmensziel dadurch besser erreicht werden kann, dass es als Spiel verstanden wird. Indem Mitarbeiter und Kunden zu Teilnehmern eines Spiels werden, dessen Ziel und Regeln sich mit denen des Unternehmens decken, sollen Mitarbeitermotivation und -produktivität sowie Kundenbindung und Absatz gesteigert werden. Erst seit dem Jahr 2010 erlangte Gamification aber wirklich Bekanntheit, weil Internet-Unternehmen wie Facebook“, Foursquare“ und Stack Exchange“ ” ” ” Mechanismen, die man bis dahin hauptsächlich aus Spielen kannte, zum festen Bestandteil der Interaktion mit ihren Kunden machten [Rie13]. Andere Dienstleister begannen wenig später damit, solche Spiel-Elemente unter dem Schlagwort Gamification“ als Komponenten für Software-Anwendungen zu vertrei” ben [DSN+ 11]. 2.1 Definition In Anbetracht dieser Entwicklungen wird der Begriff von Deterding und Mitarbeitern [DDKN11] wie folgt definiert: Gamification bezeichnet den Einsatz von Spiel-Elementen in Tätigkeitsbereichen außerhalb von Spielen. Gemeint ist also, dass Teile von dem, was ein Spiel ausmacht – wie zum Beispiel Spielzüge, Regeln oder Punkte – auf andere Tätigkeiten oder Lebensbereiche, die nicht als Spiele gelten – wie zum Beispiel Arbeit oder Lernen – übertragen werden. Anschaulich gesprochen: Einer Tätigkeit wird eine Schicht von Spiel-Elementen hinzugefügt. Gamification beruht also im Wesentlichen auf dem Begriff des Spiels“. In ” Bezug auf Spiele werden implizit zwei Annahmen getroffen, die in den meisten Publikationen zu Gamification stillschweigend vorausgesetzt sind. Sie rechtfertigen die Einführung des Konzepts Gamification“: ” 2 • Spiele lassen sich von anderen (menschlichen) Tätigkeiten trennen. Sonst würde Gamification diesen Tätigkeiten keine neue Qualität hinzufügen, da sie ja ohnehin etwas mit Spielen gemein haben. Das Konzept wäre dann hinfällig. • Spiele lassen sich in charakterisitische Elemente zerlegen, die vereinzelt noch kein Spiel ausmachen. Denn sonst wäre eine gamifizierte Tätigkeit nicht verschieden von einem Spiel. Das Konzept wäre dann nicht verschieden von Spieleentwicklung“. ” In jedem Fall setzt die Klärung des Begriffs Gamification“ daher eine Unter” suchung von Spielen voraus. Insbesondere ist zu klären, aus welchen Elementen sich Spiele zusammensetzen. 2.2 Spiele Spiel und Spielen sind alltägliche Begriffe, deren Bedeutung zwar jedem intuitiv einleuchtet, für die es aber keine verbindliche Definition gibt. Der Einfachheit halber bietet es sich zunächst an, Spiele auf menschliche Tätigkeiten zu beschränken, so dass man voraussetzen kann, dass es in einem Spiel (menschliche) Akteure gibt, die mit etwas interagieren1 . Eine Nennung hinreichender oder auch nur notwendiger Kriterien für alle Tätigkeiten jedoch, die sich als Spiel“ bezeichnen lassen, ist schlechthin unmöglich. In der Sprachphilosphie ” wurde von [Wit98] gezeigt, dass sich zu jedem potenziellen Kriterium ein geeignetes Gegenbeispiel finden lässt. Nach [Sch08] ist ein Spiel beispielsweise etwas, dem man mit Vergnügen nachgeht und das Überraschungen birgt. Ist ein Spiel, das keinen Spaß macht also kein Spiel? Umgekehrt kann auch Arbeit Spaß machen und Überraschungen bergen – man würde Arbeit aber nicht als Spiel bezeichnen. Tabelle 2.1 auf der nächsten Seite stellt die Kriterien gegenüber, die gemäß fünf verschiedener Autoren Spiel“ definieren. Sie illustriert, ” dass auch ein theoretischer Konsens über die Kriterien, die ein Spiel als solches definieren, bislang nicht gefunden wurde. Eine exakte Benennung von Kriterien für Spiele im Allgemeinen ist demnach an dieser Stelle nicht möglich. Deshalb kann sich Spielen hier nur über ihre Verwendung in der Alltagssprache und anhand von Beispielen angenähert werden. Tatsächlich bezieht sich Gamification aber nur auf bestimmte Spiele [DDKN11], so dass sich zumindest zwei notwendige Kriterien angeben lassen, die sie von anderen Tätigkeiten abgrenzen. 1 Das ist bereits eine Einschränkung und muss nicht zwangsläufig so sein: So gibt es das Spiel einer Spieluhr (keine Interaktion) oder Naturschauspiele (kein Akteur). 3 Kriterium [Abt87] [Hui56] Folgt Regeln x x [Cai01] Ist Wettkampf Hat ein Ziel x Ist eine Tätigkeit x Erfordert das Treffen von Entscheidungen x [Cos02] [Par99] x x x x x x x Ist unernst x Bringt keinen materiellen Vorteil Hat keinen Einfluss auf die Wirklichkeit Bringt soziale x x x x x Gruppen hervor Ist freiwillig x Besteht aus Symbolen x und Hilfsmitteln Ist eine Kunstform x Tabelle 2.1: Kriterien die in verschiedenen Definitionen von Spiel“ enthalten ” sind (modifiziert aus [SZ04]). Diese bestimmten Spiele beruhen auf der Unterscheidung von game“ und ” play“ in der englischen Sprache [Gov81], die es so unmittelbar im Deutschen ” nicht gibt. Im Gegensatz zu play“ ist game“ eine freie, erkundende, impro” ” visierte und ausdrucksstärkere Form des Spiels, die zudem eher unernst und heiter ist . Im Deutschen mögen dieser Bedeutung Begriffe wie spielerisch, Spielerei oder Herumspielen näher kommen. Ein Beispiel hierfür ist das freie Spiel eines Kindes mit einem Ball. Gaming“ hingegen ist ein zielgebundenes Spie” len, das sich an vorgegebenen Zielen, Regeln und Grenzen orientiert, wie zum Beispiel Volleyball. Spiele in diesem Sinne können auch ernst und gezwungen sein (Man denke an Turnierspiele). Offensichtlich ist die Unterscheidung zwischen play“ und game“ sehr fein, denn sobald nun etwa ein Kind versucht, ” ” einen Ball möglichst lange in der Luft zu halten, spielt es bereits im Sinne von game“, da es sich eine Regel (Der Ball darf nicht den Boden berühren) und ” ein Ziel (Der Ball soll möglichst lange in der Luft gehalten werden) setzt. Gamification bezieht sich gemäß [DDKN11] ausdrücklich auf game“, so ” dass diejenigen Spiele, deren Elementen sich Gamification bedient, aus Spielen 4 stammen, die über Regeln und Ziele verfügen. Es gibt daneben auch das von Gamification verschiedene Konzept des playful designs“, bei dem es darum ” geht, Tätigkeiten im Sinne von play spielerischer, d. h. angenehmer zu machen [Fer12]. Die Abgrenzung von Gamification zu play“ und playful design“ hat ” ” zwei Gründe: 1. Mit dem Einsatz von Gamification soll gezielt Einfluss auf das Verhalten von Menschen in Bezug auf Tätigkeiten genommen werden. Dies erfordert folglich Mechanismen, die Regeln und ein Ziel implizieren. Nur Spiele im Sinne von game“ weisen beide Elemente auf. ” 2. Oftmals ist play“ überhaupt nicht von anderen Tätigkeiten zu unter” scheiden, die keine Spiele sind, aber trotzdem mit Freude und Spaß verbunden werden (z. B. Lesen oder Ausdauersportarten). Damit wäre die erste der impliziten Annahmen für den Sinn des Begriffs in Frage gestellt (siehe Abschnitt 2.1 auf Seite 3). Im Folgenden ist nun zu untersuchen, welche Elemente Spiele im Sinne von ” game“ typischerweise aufweisen. 2.2.1 Elemente von Spielen Über welche gemeinsamen Elemente die von Gamification verwendeten Spiele abgesehen von Regeln und Zielen noch verfügen, kann mangels hinreichender Kriterien, die grundsätzlich jedes Spiel erfüllt, nicht beantwortet werden. Noch einmal zur Verdeutlichung sei folgendes Beispiel angeführt: Viele Autoren, zum Beispiel [Sch08] und [RIO10], nennen fälschlicherweise als allgemeingültiges Element von Spielen die Möglichkeit des Gewinnens bzw. Verlierens. Es gibt aber unzählige Spiele, auf die das nicht zu trifft. So zum Beispiel die VideoSpiel-Genres First-Person-Shooter und Point-and-Click-Adventure, deren Ziel es ist, sie durchzuspielen“, das heißt eine durch das Spiel erzählte Geschichte ” zu durchlaufen. Gewinnen oder Verlieren ist hier überhaupt nicht vorgesehen. An Stelle allgemeingültiger Elemente müssen daher die verschiedenen Facetten von Spielen aufgezeigt werden. Es sind also verschiedene Arten von Spielen (z. B. Brettspiele, Videospiele) oder Genres (z. B. Glücksspiele, Strategiespiele) von Spielen auf wiederkehrende Elemente zu untersuchen. Dies sind dann solche, die in vielen, aber nicht allen Spielen aufzufinden sind. Das Augenmerk in Zusammenhang mit Gamification ist hierbei natürlich auf besonders beliebte Spiele zu legen, da es ja gerade erklärtes Ziel von Gamification ist, den Erfolg von Spielen in anderen Zusammenhängen nutzbar zu machen. Es gibt eine 5 Vielzahl solcher Untersuchungen von erfolgreichen Spielen auf dem Gebiet der Spielentwicklung [RIO10], so etwa [RM03], [Sch08], [RIO10], [RR09]. Die Spielforscher [RR09] beispielsweise benennen zehn Elemente, die ge” lungene“ Spiele ausmachen: 1. Die Möglichkeit, sich selbst innerhalb des Spiels durch eine individuelle Spielfigur ( Avatar“) zu repräsentieren. ” 2. Eine räumliche (dreidimensionale) Spielwelt. 3. Eine Handlung oder Geschichte, die im Verlauf des Spiels erzählt wird ( Narration“). ” 4. Unmittelbare Rückmeldung an die Spieler über die Auswirkung ihrer Spielhandlungen auf das Spiel. 5. Eine Punkte- oder Ranghierarchie, in der man im Verlauf des Spiels oder durch besondere Spielerfolge aufsteigt. 6. Die Möglichkeit, mit Spiel-Ressourcen Handel zu betreiben. 7. Wettbewerb oder -kampf innerhalb eines Regelsystems, das streng eingehalten wird; innerhalb dieser können Spieler gewinnen oder verlieren. 8. Die Möglichkeit, dass Spieler sich zu Teams zusammenschließen. 9. Die Möglichkeit, dass Spieler sich austauschen bzw. kommunizieren können 10. Die Spieler stehen beim Spielen unter einem Zeitdruck. Eine ähnliche, jedoch abstraktere Liste von Spiel-Elementen besonders guter Spiele legt [RIO10] vor: 1. Spieler können auf unvorhersehbare Weise zum Ziel des Spiels gelangen ( Emergenz“). Das Spiel birgt also Überraschungen [Sch08]. Es kann zum ” Beispiel innerhalb des Spiels möglich sein, beliebig neue Spiel-Strategien zu entwickeln. 2. Spieler können ihre Spielziele selbst auswählen oder auch die Reihenfolge bestimmen, in der sie Spielziele anstreben ( Nicht-Linearität“). ” 3. Das Spiel bildet einen Ausschnitt der Wirklichkeit nach ( Simulation“). ” 6 4. Der Spieler erwirbt durch das Spielen bestimmte Fähigkeiten oder Kenntnisse, zum Beispiel Geschicklichkeit in der Steuerung einer Spielfigur. Diese können durchaus in ihrem Nutzen auf die Spielwelt beschränkt bleiben. Der Nachteil einer solchen bloßen Auflistung von Spiel-Elementen ist, dass sie dadurch nicht kategorisiert werden und Abhängigkeiten zwischen den Elementen im Dunkeln bleiben. Beispielsweise scheint einerseits die Gestaltung der Spielwelt kategorial verschieden zu sein von der Möglichkeit, mit Ressourcen zu handeln. Denn letzteres wirkt sich auf den Spielverlauf aus, während ersteres nur die Repräsentation des Spielverlaufs beeinflusst. Andererseits setzt etwa ein Wettkampf im Spiel voraus, dass es eine Punkte- oder Ranghierarchie gibt, anhand der der Gewinner eines Spiels bestimmt wird. Wenn Spiel-Elemente also systematisch außerhalb von Spielen eingesetzt werden sollen, müssen sie kategorisiert werden. Durchgesetzt haben sich folgende Kategorien von Spiel-Elementen [Sch08, 41–43]: Mechaniken sind die Regeln und Abläufe eines Spiels. Sie geben vor, welche Handlungen ein Spieler innerhalb des Spiels durchführen kann und bestimmen den Verlauf seiner Interaktion mit dem Spiel. Spielmechaniken müssen durch die Technologie des Spiels realisiert werden, in die Spielhandlung sinnvoll eingebettet sein und von der Spielästhetik unterstützt werden. Narrativ umfasst eine oder mehrere Geschichten, die durch die Ereignisse im Spiel erzählt werden. Die erzählten Geschichten müssen nicht linear sein, sondern können sich abhängig von den Spielerhandlungen verzweigen. Im Narrativ entfalten sich die Spielmechaniken, da die Geschichte des Spiels einen Rahmen dafür gibt, wie Spieler agieren können. Ästhetik beschreibt, wie der Spieler das Spiel erlebt, wie es also seine Sinne (Fühlen, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken) anspricht. Die Ästhetik schafft zusammen mit dem Narrativ eine Spielatmosphäre. Technologie ist das Medium, in welchem das Spiel umgesetzt wird. Welches (z. B. Spielbrett aus Pappe samt Spielfiguren) wird für das Spiel eingesetzt, welche Technologien (z. B. eine bestimmte 3D-Engine) werden verwendet? Die Technologie des Spiels transportiert dessen Ästhetik und realisiert die Mechaniken des Spiels. Von [Sch08] wird betont, dass jede Kategorie in gleichem Maße einen Beitrag zum Spiel leistet. Keine der genannten Kategorien ist also wichtiger“ für den ” 7 Kategorie Spiel-Elemente Regeln, Handel, Teams, Wettbewerb, Mechaniken Punktehierarchie, Schwierigkeit, Zeitdruck, Feedback Narrativ Ästhetik Technologie Handlung, Erzählung, Charaktere Avatare, räumliche Spielwelt, Simulation, Emergenz Würfel, Spielfeld, Game-Controller, Display, Software, Hardware Tabelle 2.2: Einige Spiel-Elemente nach Kategorien Erfolg eines Spiels als eine andere. Zwar müssen alle Kategorien in rudimentärer Weise vorhanden sein. Im Umkehrschluss können sich ihre Ausprägungen jedoch gegenseitig ausgleichen. Ein Spiel kann somit beispielsweise eine schwache Handlung mit besonders starken Mechanikelementen ausgleichen (so z. B. Schach). Bei der Entwicklung eines Spiels kann der Schwerpunkt folglich beliebig auf eine der Kategorien gelegt werden, ohne Gefahr zu laufen, ein qualitativ schlechtes Spiel hervorzubringen. Diese Erwägung spielt in Bezug auf Gamification deshalb eine entscheidende Rolle, weil im Vergleich zur reinen Spieleentwicklung einerseits nicht der Anspruch besteht, ein vollausgeprägtes Spiel zu schaffen. Denn Gamification fügt ja einer bestehenden Tätigkeit lediglich eine Schicht mit Spiel-Elementen hinzu. Andererseits gibt es aber auch keine völlig freien Gestaltungsmöglichkeiten bei der Wahl neuer Spiel-Elemente. Mit der bestehenden Tätigkeit sind bereits implizite oder explizite Elemente der Kategorien Spielmechanik, -handlung, ästhetik und -technologie durch das Tätigkeitsfeld fest vorgegeben. Diese können nicht geändert oder entfernt, sondern nur ergänzt werden. So beruht ein zu gamifizierendes Frage-Antwort-Forum (vgl. Abschnitt 3.1 auf Seite 12) auf der Technologie einer Webanwendung. Im Sinne der Spielmechanik beschränken sich sinnvolle Spiel-Handlungen auf das Schreiben, Lesen und Bewerten von Fragen und Antworten. Die Einführung eines Narrativs ergibt in diesem Umfeld zudem wenig Sinn. Dies illustriert, dass die Möglichkeiten, Spiel-Elemente hinzuzufügen sehr eingeschränkt sein kann. Wie im Abschnitt 3 auf Seite 12 zu zeigen sein wird, beschränkt sich Gamfication zumeist auf Spiel-Elemente der Kategorie Spielmechanik, weil das Hauptanliegen darin besteht, Ziele und Regeln eines Anwendungsfelds zu unterstützen. 8 2.2.2 Spielmechaniken Auch wenn die übrigen drei Kategorien von Spiel-Elementen gegenüber der Mechanik eines Spiels als gleichberechtigt anzusehen sind, kann die Mechanik als Kern eines Spiels verstanden werden. Mit ihr ist das Spielprinzip“ gege” ben, das gleich bleibt, auch wenn es in eine andere Ästhetik, Handlung oder Technologie eingebettet wird. So gibt es von dem bekannten Brettspiel Monopoly unzählige Varianten mit verschiedensten Themen (Handlungen) und in unterschiedlichsten Medien. Für Gamification werden bevorzugt Elemente der Spielmechanik eingesetzt, weshalb an dieser Stelle eine Zusammenfassung der gemäß [Sch08, 130–170] am weitesten verbreiteten Spielmechaniken gegeben wird. Raum Die meisten Spiele finden in einem begrenzten virtuellen Bereich oder Raum statt, der eine eigene diskrete oder kontinuierliche Topologie von Raummerkmalen hat. Dies sind oft Spielfelder und -bretter (z. B. Fussball, Schach) oder virtuelle bzw. imaginäre Welten (z. B. Video- , Rollenspiele). In diesen Räumen sind die Spieler oft durch Spielfiguren (oder Avatare) repräsentiert, die sich an ihrer Stelle durch die Spielwelt bewegen. Das Spiel-Element Raum kann auch in sehr abstrakter Weise vorhanden sein [Sch08, 143]: Bei einem Quiz muss etwa über frei zugängliche Anhaltspunkte ein unbekanntes Objekt im Raum möglicher Antworten aufgespürt werden. Objekte, Attribute, Zustände Innerhalb des Spielraums gibt es gewöhnlich bestimmte Objekte wie zum Beispiel Spielfiguren, Punktemarker oder Hindernisse. Im Verlauf des Spiels werden diese Objekte meist in irgendeiner Weise bezüglich ihrer Attribute bewegt oder verändert. Spielfiguren können etwa ihr Attribut Position“ ändern, ” Punktemarker ihr Attribut Wert“. Die Attribute eines Objekts nehmen also ” in Abhängigkeit von Spielereignissen verschiedene Zustände ein. Die Attribute von Spielobjekten lassen sich damit als Zustandsautomaten repräsentieren. Entscheidend ist, dass Transitionen und Zustände der Automaten in unterschiedlichen Graden versteckt sein können. Das heißt, in welchem Zustand das Attribut eines Spielobjekts sich während des Spiels gerade befindet oder sogar welche Transitionen, Ereignisse, Zustände es überhaupt für dieses Attribut gibt, kann vor dem Spieler geheim gehalten werden. Dies ist zum Beispiel bei einem gemischten und verdeckten Kartenteilstapel von Ereigniskarten der Fall. Unbekannt ist die Reihenfolge (Transitionen), aber auch, welche Karten 9 überhaupt im Spiel sind (Zustände). Züge Spielzüge sind fest vorgegebene Handlungen, die von Spielern innerhalb des Spiels durchgeführt werden können und den Spielverlauf beeinflussen. Das kann die Bewegung einer Spielfigur sein, aber auch das Geben einer Antwort in einem Quiz. Züge können mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad betrachtet werden, weil sich oftmals aus einer Menge elementarer Züge (z. B. Bewegen, Schlagen) konzeptuell höhere Züge ableiten lassen (z. B. Ausweichen, Decken). Bei einigen Spielen wird die Ausführung von Zügen in feste Abschnitte unterteilt. Die Abschnitte sind zeitlich oder durch eine gewisse Anzahl von Zügen beschränkt, die in ihnen durchgeführt werden können. Man bezeichnet diese Abschnitte dann als Runden. Regeln Dass Regeln zu den von Gamification verwendeten Spiel-Elementen gehören, wurde schon gesagt. Regeln sind gewisse Vorschriften darüber, wie das Spiel zu spielen ist. Sie geben also das Ziel des Spiels vor, welche Züge den Spielern möglich bzw. erlaubt sind und sie legen fest, wann ein Spiel gewonnen ist. Schwierigkeit Diese Spielmechanik erlaubt es Spielern, sich Fähigkeiten in Bezug auf das Spiel anzueignen und diese weiter auszuprägen. Spieler mit ausgeprägteren Fähigkeiten können durch deren Ausübung anderen Spielern in diesem Spiel überlegen sein. Die Fähigkeiten, die in einem Spiel eingeübt werden können, lassen sich in motorisch (z. B. Geschicklichkeit bei Action-Videospielen), kognitiv (z. B. Vorausberechnung beim Schach) oder sozial (z. B. Bluffen beim Poker) unterteilen. Zufall Zufall tritt als Spielmechanik dann auf, wenn der Spielverlauf durch zufällige Ereignisse mitbestimmt wird. Das ist besonders dann der Fall, wenn Spielzüge oder Attributtransitionen nicht zuverlässig vorherberechnet werden können. Zufall bewirkt oft, dass das Spiel überraschende Wendungen nimmt und Unvorhergesehenes passiert. 10 2.3 Zusammenfassung Im Rahmen von Gamification sollen die Eigenschaften von Spielen auf andere menschliche Tätigkeiten übertragen werden. Der Ansatz besteht darin, Spiele – und zwar solche, die über ein Ziel und Regeln verfügen – zunächst auf ihre Bestandteile hin zu untersuchen. Da unklar ist, wodurch sich ein Spiel genau definiert, das heißt, von anderen Tätigkeiten abgrenzt, beschränken sich viele Autoren schlicht auf Fallstudien bekannter, erfolgreicher und beliebter Spiele. Das Ergebnis dieser Untersuchungen sind Kataloge von charakteristischen Elementen von Spielen. Einzelne Spiel-Elemente, werden schließlich der zu gamifizierenden Tätigkeit hinzugefügt. Gamification greift hauptsächlich auf die Elemente der Kategorie Spielmechaniken“ zurück, da diese die Regeln und Ab” läufe eines Spiels bestimmen. Mit ihnen lassen sich nämlich gewünschte Ziele und Regeln durch Gamification in eine Tätigkeit gewissermaßen implementie” ren“. Welche Ziele verfolgt werden und wie dies im Einzelfall umgesetzt wird, ist Gegenstand des folgenden Kapitels. 11 3 Ziele von Gamification Gamification fügt Tätigkeiten, die nicht als Spiele angesehen werden, Elemente aus Spielen hinzu. Dadurch soll bewirkt werden, dass Menschen diese Tätigkeiten anders wahrnehmen und erleben, um so ihr Verhalten in Bezug auf diese Tätigkeiten nach bestimmten Vorgaben und Regeln zu beeinflussen. Es lassen sich drei Ziele unterscheiden: Verhalten soll verstärkt, verändert oder erworben werden. In diesem Kapitel werden für jedes der drei Ziele Anwendungsfelder vorgestellt und es wird dargestellt, wie Gamification darin zum Einsatz kommt. 3.1 Verhalten verstärken Die Verstärkung von Verhalten in Bezug auf eine Tätigkeit ist das am weitesten verbreitete Einsatzgebiet von Gamification. Ziel ist es, eine Tätigkeit durch Gamification attraktiver zu gestalten, so dass sie häufiger und intensiver ausgeübt wird. Dies wird im Rahmen von Gamification meist dadurch erreicht, dass eine direkte Rückmeldung über das Geleistete“ gegeben und das ” zu verstärkende Verhalten öffentlich ausgezeichnet wird. Zum Einsatz kommen also die Spiel-Elemente Unmittelbare Rückmeldung“ und Rang- bzw. ” ” Punkthierarchie“. Das Verhalten selbst wird oftmals in Züge unterteilt. Im einfachsten Fall gibt es eine Regel, nach der pro Zug eine Anzahl von Punkten gutgeschrieben wird. Ein gutes Beispiel für das Verstärken von Verhalten durch Gamification liefern die Webseiten des Netzwerks Stack Overflow“, von denen die bekann” teste Stack Exchange“ ist [Atw11]. Diese Seite ist ein Frage-Antwort-Forum ” zu Softwareentwicklung und funktioniert nach folgendem Prinzip: Wenn ein Mitglied vor einem Entwicklungs-Problem steht oder Information zu einem Thema braucht, erstellt es eine Frage. Diese kann von anderen Mitgliedern der Plattform beantwortet oder kommentiert werden. Es ist Mitgliedern möglich, vorhandene Frage, Antworten und Kommentare positiv oder negativ zu bewerten. So erhalten wichtige Fragen und gute Antworten eine hohe Bewertung. Der Gamification-Aspekt liegt nun darin, dass die Mitglieder für gute Bewertungen ihrer Beiträge, aber auch für das Bewerten selbst, Punkte erhalten. Je mehr Punkte sie haben, desto mehr Nutzer-Rechte werden ihnen 12 auf der Seite eingeräumt (z. B. dürfen sie dann die Beiträge anderer Mitglieder editieren). Darüber hinaus werden Mitglieder mit Abzeichen ( badges“) ” für besondere Leistungen ausgezeichnet, wie beispielsweise das Schreiben einer besonders häufig gelesenen Antwort. Die Ziele der Webseite Stack Exchange“ bestehen darin, eine hohe Mitglieder” Beteiligung zu erreichen, qualitativ gute Beiträge zu generieren und solche als gut zu markieren. Sie werden durch den Einsatz der Spiel-Elemente zu den Zielen der Nutzer gemacht, da diese durch ihr Mitwirken in der Punktehierarchie aufsteigen. Die Regeln bestimmen, welche Züge (Lesen, Bewerten, Schreiben, Editieren usw.) wie durch Punkte belohnt werden. Es entsteht damit auch ein Wettkampf um Punkte zwischen den Mitgliedern. Die Bewertungen geben neben Punkten aber auch jedem Mitglied Feedback über seine Spiel-Leistung“. ” Das System, Punkte und Abzeichen an Mitglieder zu vergeben, ist mittlerweile von vielen anderen Anbietern auch wegen seines Erfolgs im Stack ” Exchange“-Netzerk adaptiert worden. Es mag als Paradebeispiel für den Erfolg von Gamification beim Verstärken von Verhalten gelten [Atw11]. 3.2 Verhalten ändern Gamification wird auch dazu eingesetzt, Verhalten zu verändern. Der Unterschied zum Verstärken besteht darin, dass kein Verhalten, das von einer Zielgruppe ohnehin schon ausgeführt wird, intensiviert werden soll. Stattdessen wird versucht, erwünschtes Verhalten herbeizuführen und unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken. Hierfür liegt im Allgemeinen ein bestimmtes ZielKonstrukt zugrunde, das für die angestrebten Verhaltensänderungen leitend ist. Das kann zum Beispiel das freundliche Auftreten“ von Mitarbeitern oder ” ein gesunder Lebensstil“ sein. Das Konstrukt wird sodann in Form von Ver” haltensnormen operationalisiert: zum freundlichen Auftreten“ mag es gehören, ” ständig zu lächeln; ein gesunder Lebensstil beinhaltet den Vezicht auf Alkohol. Diese Normen werden dann als Regeln formuliert, die das erwünschte belohnen und das unerwünschte Verhalten sanktionieren. Belohnen und Sanktionieren sind hierbei im Kontext der Spiel-Elemente zu sehen, die durch Gamification hinzugefügt wurden. Sie bringen also den Spieler näher an das Spielziel oder behindern ihn dabei, es zu erreichen. Wie Verhaltensänderungen durch Gamification induziert werden können, soll an zwei Beispielen veranschaulicht werden. Das erste Beispiel ist Life Game“, ” ein Webangebot, das die Lebensführung seiner Nutzer gamifiziert [Min13]. Es wird das Ziel verfolgt, deren Verhalten so zu ändern, dass sich ihre Lebensqualität steigert. Innerhalb von Life Game“ wird das Leben der Nutzer durch ” 13 einen virtuellen Lebensbaum repräsentiert, der verschiedene Lebensbereiche, wie den eigenen Körper, das Gefühlsleben oder auch den materiellen Wohlstand bildhaft verkörpert. Ziel ist es, diesen Baum zu pflegen und weiter wachsen zu lassen. Macht ein Nutzer etwas, das zu seiner Lebensqualität beiträgt (z. B. Sport oder gesundes Essen), kann er sich in Life Game“ dafür virtu” elle Ressourcen, wie Wasser oder Saatgut, gutschreiben lassen. Diese kann er daraufhin für seinen Lebensbaum einsetzen. Den Nutzern wird außerdem die Möglichkeit geboten, mit anderen Nutzern zu kooperieren oder sich mit ihnen zu vergleichen. Im Mittelpunkt von Life Game“ steht damit ein Spielobjekt, dessen At” tribute durch Einsatz von Ressourcen durch die Nutzer in höhere Zustände gebracht werden kann. Um an die dafür benötigten Ressourcen zu gelangen, muss ein Nutzer sein Verhalten entsprechend der Vorgaben von Life Game“ ” ändern. Anders als bei Gamification-Ansätzen, die hauptsächlich mit PunkteSystemen und Abzeichen arbeiten, die den Spielmechaniken zuzuordnen sind, beruht Life Game“ auch auf Spielästhetik-Elementen. Die Erfolge der Nutzer ” werden nämlich durch einen visuell eindrucksvollen und prächtigen Lebensbaum belohnt. Das zweite Beispiel für das Ziel von Verhaltensänderung durch Gamification ist eine Maßnahme des Californischen Strom- und Gasversorgers PG&E zur Senkung des Energieverbrauchs [Atw12]. Der Ansatz beschränkt sich darauf, den Kunden regelmäßig Rückmeldung darüber zu geben, wie viel sie im Vergleich zu anderen Kunden verbrauchen. Jeder Kunde erhält alle zwei Monate eine Bewertung seiner Verbrauchsdaten, die in Bezug zu dem mittleren Verbrauch von Kunden gesetzt werden, welche in vergleichbaren Haushalten wohnen. Diese Bewertung fällt positiv oder negativ aus, je nachdem ob der Kunde mehr oder weniger als der Durchschnitt vebraucht. Schneidet ein Kunde schlecht ab, erhält er Tipps, wie er die Energieeffizienz seines Haushalts erhöhen kann. In seinem Blog berichtet [Atw12], dass diese Maßnahme einen ungeheuren Anreiz setzt, den Wettbewerb zu gewinnen“. ” Die Spiel-Elemente beschränken sich hier tatsächlich auf die Gleichsetzung von Höhe des Energieverbrauchs mit Strafpunkten und die Regel, dass ein Kunde eine Runde (einen Zeitabschnitt, für den der Verbrauchsvergleich erfolgt) gewinnt, wenn er mit seinem Verbrauch unter dem mittleren Punktestand liegt. Dieses Beispiel zeigt, dass breits der minimale Einsatz von Spielmechaniken, die Feedback in Form einer Ranghierarchie geben und dadurch Wettbewerb erzeugen, wirksam sind, um das Verhalten von Teilnehmern zu verändern. 14 3.3 Verhalten erwerben Der Erwerb von Verhalten ist hier im Sinne des Aneignens motorischer, kognitiver oder sozialer Fähigkeiten zu verstehen, die das Verhaltensrepertoire eines Menschen erweitern. Es ist damit von den beiden zuvorgenannten Zielen von Gamification qualitativ verschieden. Verhaltenserwerb geht häufig bereits implizit mit den beiden anderen Formen der Einflussnahme auf Verhalten einher. So wird mit der Veränderung von Verhalten die Kenntnis über die Änderung selbst erworben. Beispielsweise wird durch die Teilnahme an Programmen wie Life Game“ auch eingeübt, welche Regeln“ für gesunde Ernährung zu befol” ” gen sind. Wird Verhalten verstärkt, dann bewirkt dies wiederum, dass sich Teilnehmer vermehrt mit einer Tätigkeit auseinandersetzen. Dies zieht ebenso nach sich, dass dafür erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten vertieft werden. Indessen ist der Erwerb von Verhalten ein eigenständiger Aspekt von Gamification, da er auch in vielen Spielen eine zentrale Rolle spielt. Die Spielmechanik Schwierigkeit“ erlaubt es nämlich einem Spieler, durch Übung besser in einem ” Spiel zu werden. Das Spiel bietet also dem Spieler die Gelegenheit, sich die Fähigkeit zu einem bestimmten Verhalten anzueignen und sie gezielt einzuüben. Dabei tritt das Spiel in einer Doppelrolle in Bezug auf das erwerbbare Verhalten auf. Denn es wird nicht nur während des Spielens geübt. Das Spiel kann sogar selbst ein Anreiz für den Spieler sein, diese Fähigkeiten außerhalb des ursprünglichen Spielkontexts zu trainieren, da ausgeprägtere Fähigkeiten mehr Spielerfolg versprechen. Man denke hier etwa an die nachträgliche Analyse von Figurenstellungen im Schach oder das Studieren sogenannter strategy ” guides“ für Strategiespiele. Spiele, die über diese Spielmechanik verfügen, sind also Übung und Belohnung für ein Verhalten zugleich. Das macht sie zu einem besonders mächtigen didaktischen Instrument. Deshalb wird auch mit Gamification gezielt versucht, eine Zielgruppe ein vordefiniertes Verhalten erwerben zu lassen. Ein Beispiel hierfür ist die inzwischen von einigen Softwarefirmen eingeführte Gamifizierung von Nutzer-Tutorials, wie [Del12] beschreibt. Nutzer werden durch Spiel-Elemente dazu gebracht, die Features der Software und ihre Nutzungsschnittstelle auszuprobieren und zu erkunden. Es werden zum Beispiel Punkte für die Verwendung einer Tastenkombination oder die erfolgreiche Erstellung eines Diagramms vergeben, das vorgegebenen Kriterien genügt. Auf diese Weise sollen sich die Nutzer aneignen, wie sie die Software effizient bedienen. 15 3.4 Zusammenfassung Das Ziel von Gamification ist es, das Verhalten von Menschen in bestimmten Tätigkeitskontexten zu beeinflussen. Über Spiel-Elemente werden für Kunden, Nutzer oder Mitarbeiter Anreize gesetzt, Regeln zu befolgen und ein festgegelegtes Ziel innerhalb des Tätigkeitskontexts anzustreben. Dieses Ziel mag, wie bei PG&E“ [Atw12] in Life Game“ [Del12], im Interesse der Zielgrup” ” pe liegen, kann jedoch auch fremdbestimmten Interessen dienen, wie dies bei Stack Overflow“ [Atw11] der Fall ist. Stack Overflow“ liefert zwar ebenfalls ” ” einen gesellschaftlichen Mehrwert, da es als Informationsplattform konstenfrei für jeden zugänglich und nutzbar ist. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich um ein kommerzielles Webangebot handelt. Die Frage, wie und warum es gelingt, durch Spiel-Elemente entsprechende Anreize zu setzen, von denen sich Menschen tatsächlich leiten lassen, ist Gegenstand des nächsten Kapitels. 16 4 Verhaltenstheoretische Grundlagen Im vorherigen Kapitel wurde gezeigt, wie durch den Einsatz von Spiel-Elementen versucht wird, das Verhalten von Menschen innerhalb bestimmter Anwendungsfelder gezielt zu beeinflussen. Man geht davon aus, dass sich mit den Spiel-Elementen auch die Freude am Spielen auf andere Bereiche übertragen lässt. Spiel-Elementen wird demnach eine belohnende Funktion zugeschrieben, mit der sich Verhalten sowohl verstärken, als auch verändern und erlernen lässt. Es stellen sich demnach folgende Fragen: 1. Was macht eine Belohnung aus? 2. Wie wirken sich Belohnungen auf das Verhalten aus? 3. Wieso werden Spiel-Elemente als belohnend erlebt? Die Antworten auf diese Fragen berühren sowohl Theorien des Lernens, als auch Motivationstheorien. Motivationstheorien liefern ein Erklärungsmodell für den grundsätzlichen Antrieb menschlichen Verhaltens. Sie erklären, wann und wieso Umweltreize oder Interaktion mit der Umwelt als belohnend für einen Menschen auftreten. Klassische Lerntheorien begründen darauf aufbauend, wie Zusammenhänge zwischen Reizen und Interaktion in der Umwelt durch Menschen erlernt“ werden. Sie erklären also, wie Erwartungen und Ver” halten durch das Auftreten belohnender Reize geformt werden. 4.1 Motivationstheorie Motviationstheorien versuchen, die Beweggründe für menschliches Verhalten zu erklären. Es wird davon ausgegangen, dass Lebewesen über eine Bedürfnisstruktur verfügen, die sie durch zielgerichtete Interaktion mit der Umwelt – also durch Verhalten – befriedigen müssen. Bedürfnisse sind also grundlegende Verhaltensmotivatoren. Die Befriedigung eines Bedürfnisses wird als Belohnung erlebt [HH06]. Eine Belohnung muss aber nicht unbedingt am Ende einer 17 Verhaltenssequenz stehen, denn auch das Verhalten selbst kann ein Bedürfnis befriedigen und daher belohnend sein. Bedürfnisse werden im Allgemeinen hierarchisch angeordnet, da es gewisse Grund-Bedürfnisse gibt, die zunächst gedeckt sein müssen, bevor höhere Bedürfnisse auftreten. Zunächst lassen sich Bedürfnisse in eher physiologisch und eher psychisch unterteilen [Mur07]. Die eher physiologischen Bedürfnisse nach Nahrungsaufnahme, körperlicher Unversehrtheit, Sicherheit und Sexualität sind als solche für Gamification uninteressant, da sie durch Spiele nicht befriedigt werden. Die eher psychologischen Bedürfnisse sind hierarchisch gesehen höher angeordnet und machen sich demnach erst bemerkbar, wenn alle eher physiologischen Bedürfnisse gedeckt sind. Es ist davon auszugehen, dass diese höheren Bedürfnisse nahezu ausnahmslos durch das Spielen angesprochen werden. Ähnlich den Spiel-Elementen gibt es auch für Bedürfnisse unzählige Aufzählungen und Klassifikationen. Im Folgenden werden drei Ansätze herausgegriffen, die nach Ansicht des Verfassers das Spektrum an menschlichen Bedürfnissen hinlänglich abdecken und einen geeigneten Erklärungsrahmen für die Wirkweise von Spiel-Elementen liefern: Die Bedürfnishierarchie von Maslow [MFF70], die Bedürfnistheorie von McClelland [McC88] und Csı́kszentmihályis [NC02] Flow-Theorie. 4.1.1 Bedürfnishierarchie nach Maslow Maslow beschreibt in seiner erweiterten Fassung der Bedürfnishierarchie [MFF70] insgesamt fünf Bedürfnisse, die als eher psychologische Bedürfnisse für Gamification relevant sind. Ihre Anordnung besagt wiederum, dass in der Hierarchie tiefer liegende Bedürfnisse zumindest teilweise erfüllt sein müssen, bevor höher liegende Bedürfnisse auftreten. Es ist jedoch festzuhalten, dass ein Verhalten durchaus durch mehrere Bedürfnisse zugleich motiviert sein kann, die Hierarchie demnach nicht starr ist. Die von Maslow beschriebenen Bedürfnisse – begonnen beim unteren Teil der Hierarchie – sind folgende: Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe und deren Akzeptanz. Dies beschreibt den Wunsch, von anderen Menschen wahrgenommen zu werden, von ihnen Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erhalten sowie die Teilnahme an gemeinsamen Tätigkeiten. Erreicht wird dies etwa dadurch, dass ein Mensch mit anderen in Kontakt tritt, ein Austausch oder gegenseitige Unterstützung stattfindet und er Rücksichtnahme erfährt. Bedürfnis nach Status, Wertschätzung und Achtung innerhalb einer Grup18 pe. Dies geht über die bloße Zugehörigkeit zu einer Gruppe hinaus, denn es wird angestrebt, in ihr eine für die anderen Mitglieder wichtige Rolle einzunehmen. Es bedarf hierfür bestimmter Eigenschaften, Errungenschaften oder Fähigkeiten, die von anderen Mitgliedern anerkannt oder gar bewundert werden. Bedürfnis, zu verstehen, erkunden und begreifen. Hierbei geht es darum, Zusammenhänge in der Umwelt zu verstehen um sie zu meistern“ und ” Vorhersagen treffen zu können. Dieses Bedürfnis wird erfüllt, wenn die gewonnenen Erkenntnisse erfolgreich zur Bewältigung eines Hindernisses oder zum Erreichen eines Ziels eingesetzt werden; sich Vermutungen über Regeln und Gesetze also bestätigen. Bedürfnis nach ästhetischer Erfahrung. Dies betrifft das sinnliche Erleben der Umwelt und das Erfahren neuer Eindrücke. Erreicht wird dies, indem ein Mensch neue Orte und Situationen aufsucht. Bedürfnis zur Selbstverwirklichung. Selbstverwirklichung kann verstanden werden als die Weiterentwicklung der jeweils eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten hin zu einem Ideal [RH79]. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass jemand seine Talente entfaltet oder eine eingenommenen Rolle innerhalb einer Gruppe ausfüllt. Es ist im Gegensatz zu den anderen Bedürfnissen daher auch individuell verschieden ausgeprägt. Zwischen diesen fünf beschriebenen Bedürfnissen und den Eigenschaften der in Kapitel 2.2.1 auf Seite 5 vorgestellten Spiel-Elementen deuten sich bereits Parallelen an. Bevor darauf jedoch genauer eingegangen werden kann, sind zwei weitere motivationstheoretische Ansätze vorzustellen, die die Bedürfnishierarchie von Maslow ergänzen. 4.1.2 Bedürfnistheorie von McClelland Während Maslows Hierarchie eine allgemeine Bedürfnisstruktur beschreibt, die für jeden Menschen Gültigkeit hat, wendet sich McClellands Theorie der Frage zu, wie sich Menschen hinsichtlich ihrer psychischen Bedürfnisse unterscheiden. McClelland geht davon aus, dass es drei voneinander unabhängige Bedürfnisse gibt, die jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt sein können [McC88]: Leistungsbedürfnis Dies beschreibt das Bedürfnis, gesetzten Anforderungen gerecht zu werden und schwierige Aufgaben erfolgreich zu lösen. Es geht also darum, sich als kompetent und leistungsfähig zu erfahren. Wichtig für dieses Bedürfnis ist es besonders, Feedback über das Erreichte zu 19 erhalten. In der Maslowschen Hierarchie ist es zum Teil dem Bedürfnis zu verstehen zuzuordnern, aber auch dem Bedürfnis nach Status, da eine höhere Leistungsfähigkeit auch einen höheren Status nach sich zieht. Anschlussbedürfnis Dies beschreibt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Nähe zu Anderen. Menschen mit einer hohen Ausprägung des Anschlusbedürfnisses bedürfen vieler vertrauter und konfliktfreier Beziehungen. In der Maslowschen Bedürfnishierarchie ist es hauptsächlich dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit zuzuordnen. In Teilen entspricht es aber auch dem Bedürfnis nach Status, da Anerkennung durch Andere für das Anschlussbedürfnis ebenfalls wichtig sind. Machtbedürfnis Dies beschreibt das Bedürfnis danach, Einfluss auf das Verhalten Anderer zu haben oder Kontrolle über sie auszuüben. Innerhalb einer Gruppe geht es also darum, eine machtvolle Position einzunehmen. Demnach ist dieses Bedürfnis als der zum Anschlussbedürfnis komplementäre Teil des Maslowschen Bedürfnisses nach Status anzusehen. Die Bedürfnistheorie von McClelland ergänzt damit die Maslowsche Bedürfnishierarchie um Anteile, die zwischen Menschen variieren und untereinander unabhängig sind. 4.1.3 Flow-Erleben Die Theorie des Flow-Erlebens unterscheidet sich von den vorherigen beiden Anstäzen, da sie weniger versucht, Triebkräfte des Verhaltens zu identifizieren, sondern die Bedingungen eines optimalen Erlebnis-Zustands charakterisiert, in welchem eine Tätigkeit aus sich heraus als belohnend empfunden wird. Dieser Zustand wird als Flow“ bezeichnet und kennzeichnet sich durch folgende ” Merkmale [NC02]: • Intensive, konzentrierte Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit • Verschmelzung von Denken und Handeln • Verlust der Selbstreflexion • Vollständiges Kontrollgefühl über die eigenen Handlungen • Ziele oder Ergebnisse der Tätigkeit rücken in den Hintergrund • Verlust des Zeitgefühls 20 Die Bedingungen dieses Zustands sind zum einen eine Herausforderung oder Handlungsmöglichkeit, die weder die eigenen Fähigkeiten übersteigt, noch diese unausgeschöpft lässt. Eigenes Können und die Anforderungen der Tätigkeit müssen also auf einander abgestimmt sein, so dass die Tätigkeit in einem Bereich zwischen Über- und Unterforderung ausgeführt wird. Zum anderen muss der Tätigkeit ein klares Ziel gegeben sein und unmittelbares sowie stetiges Feedback über den Fortschritt während des Ausübens der Tätigkeit erfolgen. Das Flow-Erleben scheint auf den ersten Blick die Bedingungen zu präzisieren, die gegeben sein müssen, um das Leistungsbedürfnis erfüllen. Tatsächlich aber kann Flow-Erleben bei jedem Bedürfnis auftreten. Die Fähigkeiten, die im Flow angesprochen werden, beschränken sich nicht allein auf Leistungsfähigkeit, sondern können auch die Fähigkeit zur Empathie, zu ästhetischem Genuss oder zur Ausübung von Macht betreffen. Auch in diesen Bereichen können Menschen unter- oder überfordert werden. Feedback als Voraussetzung besagt, dass es beim Flow-Erleben auch darum geht, die Wirksamkeit der eigenen Handlungen zu erfahren. Das Verhalten muss in erfahrbarer Weise das Ziel der Tätigkeit näher bringen. Selbstbelohnendes Verhalten heißt also, im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen in wirksamer Weise mit der Umwelt zu interagieren und diese Wirksamkeit zu erfahren. 4.1.4 Spiel-Elemente und Motivation Mit den vorgestellten Ansätzen zur Motivationstheorie konnten bis hierhin bereits zwei der drei zu Anfang dieses Kapitels 4 auf Seite 17 aufgeworfenen Fragen beantwortet werden: 1. Etwas wird als belohnend erlebt, wenn es eines oder mehrere der eigenen Bedürfnisse in erfahrbarer Weise erfüllt. 2. Spiele sind belohnend, weil ihre Elemente und Mechaniken bestimmte Bedürfnisse direkt ansprechen. Tabelle 4.1 auf der nächsten Seite ordnet den meisten Spiel-Elementen aus Abschnitt 2.2.1 auf Seite 5 den Bedürfnissen von Maslow und McClelland zu. Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, das von den behandelten Motiven in der Maslowschen Hierarchie am höchsten steht, ist hier nicht aufgeführt, da es eine Sonderrolle einnimmt: Wird durch eine Tätigkeit wie das Spielen das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung erfüllt, so betrifft dies die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit. Die Selbstverwirklichung eines professionellen Schachspielers etwa kann nicht auf isolierte Spiel-Elemente des Schachspiels zurückgeführt 21 Maslow Zugehörigkeit Status Verstehen Ästhetik McClelland Anschluss Macht Leistung – Spiel-Elemente Kommunikation Teams Regeln, Handel Punktehierarchie, Wettbewerb Schwierigkeit, Zeitdruck, Feedback Narrative und ästhetische Elemente, Avatare, Raum, Zufall Tabelle 4.1: Zuordnung von Bedürfnissen zu Spiel-Elementen werden, sondern ist Ergebnis des Gesamtzusammenhangs von Spiel-Elementen und Spielkontexten, wie einzelnen Partien, Gegnern und Turnieren. Bezogen auf Gamification heißt das, dass eine Tätigkeit oder (Software-)Anwendung erst dann dieses Bedürfnis erfüllt, wenn sie eine zentrale und wichtige Rolle im Leben einer Person einnimmt. Die Zuordenbarkeit von Bedürfnissen und Spiel-Elementen liefert neben der Erklärung der Wirkungsweise von Gamification auch einen Ansatz für ihre Durchführung. Denn untersucht man Tätigkeiten darauf, welche Bedürfnisse sie gegebenenfalls ansprechen und welche nicht, können durch die Hinzunahme bestimmter Spiel-Elemente die ansonsten vernachlässigten Bedürfnisse ebenfalls angesprochen werden. Idealerweise wird durch Gamification das gesamte Bedürfnisspektrum angesprochen. Nach McClelland muss bei der Auswahl von Spiel-Elementen jedoch auch den individuellen Bedürfnisausprägungen einer Zielgruppe Rechnung getragen werden. Unterstellt man etwa, dass Informatiker ein hohes Leistungsbedürfnis und ein niedriges Machtbedürfnis haben, sind Spiel-Elemente wie Wett” bewerb“ oder Schwierigkeit“ auszuwählen, die ersteres besonders ansprechen ” (vgl. [BBH+ 08]). Spiel-Elemente wie Teams“ oder Handel“, bei denen andere ” ” Teilnehmer geführt oder beeinflusst werden müssen, eigenen sich in diesem Fall dagegen weniger. Csı́kszentmihályis Flow-Theorie belehrt darüber hinaus über die außerordentliche Rolle von Spiel-Elementen, die Feedback geben und dass die Fähigkeiten der Teilnehmer nicht dauerhaft unter- oder überfordert werden dürfen, wenn eine Anwendung oder Tätigkeit attraktiv gestaltet sein soll. 22 4.2 Lerntheorie Im vorangegangenen Abschnitt konnte geklärt werden, wie durch die Übertragung von Spiel-Elementen auf andere Tätigkeiten diese mit zusätzlichen belohnenden Anteilen versehen werden. Dass somit gamifizierte Tätigkeiten beliebter werden und häufiger ausgefürt werden, liegt auf der Hand und erklärt schon im Ansatz, wie die Ziele Verhalten verstärken“ und Verhalten ” ” verändern“ erreicht werden. Allerdings ist die Beziehung zwischen Belohnen und Verhalten nicht trivial. Die Forschung zur klassischen Lerntheorie hat hier zum Teil äußerst komplexe Zusammenhänge nachgewiesen [BF00]. Im Zentrum steht die Frage, wie Belohnen – also die Befriedigung eines Bedürfnisses – Verhalten formt“. ” 4.2.1 Klassische Konditionierung Die Klassiche Konditionierung beschreibt zwar für sich allein noch nicht Verhaltensformung, ist aber das Ausgangsparadigma für die verhaltenswirksame Operante Konditionierung 4.2.2 auf der nächsten Seite und spielt auch eine Rolle im Zusammenhang mit Gamification. Klassische Konditionierung beschreibt, wie einfache Reizzusammenhänge von Lebewesen erlernt werden. Das Grundprinzip besteht darin, dass wiederholt ein Reiz (z. B. Lichtblitz), der bei dem Lebewesen eine natürliche, physiologische Reaktion (z. B. Wimpernschlag, Schreckreaktion) hervorruft, gepaart mit einem zweiten, irrelevanten Reiz (z. B. Ton) dargeboten wird. Nach einer ausreichenden Anzahl von Wiederholungen löst auch der irrelevante Reiz die Reaktion aus, selbst wenn der ursprüngliche Reiz ausbleibt [PA27]. Erst nach mehrfacher Darbietung des irrelevanten Reizes, ohne den relevanten Reiz, wird diese Assoziation wieder verlernt“ . ” Dieses Prinzip ist beim Menschen in analoger Weise auch für Gefühle, Emotionen und Erwartungen [Dom09] wirksam. Es ist nicht nur beschränkt auf einzelne Reize, sondern wurde auch für situative Kontexte nachgewiesen [Dom09]. Dies hat auch Implikationen für Gamification: Wird eine Tätigkeit mit SpielElementen versehen, die die Ausführenden plötzlich ein Gefühl der Freude oder Befriedigung erleben lassen, dann kann sich diese Empfindung durch das Prinzip der Konditionierung auf die gesamte Tätigkeit oder gar den Tätigkeitskontext übertragen. Diese werden dann ebenfalls mit Freude oder Befriedigung assoziiert, auch wenn sie für diese Gefühle nicht ursächlich sind. Dem Prinzip nach könnten sie nun auch, zumindest zeitweise, allein durch die nichtgamifizierte Tätigkeit ausgelöst werden. 23 4.2.2 Operante Konditionierung Während die Klassische Konditionierung das Erlernen von Assoziationen zwischen Reizen ohne Zutun des Lernenden beschreibt, befasst sich das Paradigma der Operanten Konditionierung mit Assoziationen zwischen Reizen und Verhalten. Ausgehend von der Klassischen Konditionierung werden zwei weitere Faktoren ins Spiel gebracht: Die Interaktion eines Lebewesens mit einem Reiz oder innerhalb eines Reizkontexts (Verhalten) und das Auftreten eines FolgeReizes. Operante Konditionierung bedeutet, dass bei Darbietung eines bestimmten Reizes (z. B. der Anblick eines Schalters) oder innerhalb eines Reizkontexts (z. B. ein Seminarraum) ein Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen einem Verhalten (z. B. Drücken des Schalters) und einem Ergebnis (z. B. Licht erlischt) erlernt wird [Dom09]. Wie bei der Klassichen Konditionierung wird ein solcher Zusammenhang durch wiederholtes, möglicherweise zuerst zufälliges, gemeinsames Auftreten von Reiz, Verhalten und Ergebnis gelernt. Wenn das auftretende Ergebnis belohnenden oder bestrafenden Charakter hat, kann es sich massiv auf die Häufigkeit des Verhaltens auswirken. Deshalb wird es in der Literatur oftmals auch als Verstärker“ bezeichnet. ” Damit ergibt sich die Operante Konditionierung als ein Kernprinzip von Gamification. In Abschnitt 4.1 auf Seite 17 wurde herausgearbeitet, dass Belohnen als das Erfüllen von Bedürfnissen verstanden werden kann und Spiel-Elemente bestimmte menschliche Bedürfnisse ansprechen. Umgekehrt ist Bestrafung vereinfacht das Versagen oder Entziehen von Bedürfnisbefriedigung. Gamification ist die Hinzunahme von Spiel-Elementen nach exakt vorgegebenen Regeln und Zielen. Der Spiel-Erfolg“ stimmt mit diesen Vorgaben überein. Folglich ” belohnen die Spiel-Elemente genau dann (z. B. mit Anerkennung durch andere Teilnehmer, Lösung einer gestellten Aufgabe, Beeinflussung anderer usw.), wenn Teilnehmer in ihrem Verhalten den Vorgaben nachkommen. Die Operante Konditionierung liegt folglich den Zielen Verhalten verstär” ken“ und Verhalten verändern“ maßgeblich zugrunde. In Zusammenhang mit ” Gamification besonders interessant sind Befunde, die besagen, wann sehr starke Assoziationen zwischen Reizkontext, Verhalten und Erwartung des Ergebnisses gebildet werden. Dies ist der Fall, wenn das Ergebnis nach dem Verhalten nicht-deterministisch auftritt. Das Verhalten muss also unvorhersehbar oft wiederholt werden, um das erwartete Ereignis auszulösen. Diese Bedingung trifft besonders auf die Spiel-Elemente Schwierigkeit“ und Zufall“ zu, da sie Fehl” ” versuche und überraschende Erfolge zum Bestandteil einer Tätigkeit machen. Für das Ziel Verhalten erwerben“ hält die Operante Konditionierung eben” 24 falls ein Erklärungsmodell bereit: das sogenannte Shaping“ [Dom09]. Komple” xe Verhaltensabläufe – wie eine Bewegunsabfolge (z. B. das Tippen auf einer Tastatur) oder regelbestimmte kognitive Tätigkeiten (z. B. die Anwendung einer Berechnungsvorschrift) – lassen sich Schritt für Schritt durch Operante Konditionierung einüben. Dabei wird der Verhaltensablauf in einfache Einzelschritte zerlegt, von denen jeder nach erfolreicher Durchführung eine Belohnung gewährt. Im Hinblick auf selbstbestimmtes Lernen, wie beim Erlernen einer Programmiersprache, erscheint dieses Prinzip trivial. Der Lernende tastet sich nach und nach vor und weiß, dass er voran kommt, solange das Programm wie gewünscht funktioniert. Interessant ist allerdings, dass Shaping auch ohne Wissen des Lernenden erfolgen kann [Reb96]. Der Lernende erwirbt also allmählich einen Verhaltensablauf, ohne dass es ihm bewusst wird. Dies ist auch durch den Einsatz von Gamification denkbar. 4.2.3 Spiel-Elemente und Lernen Die klassische Lerntheorie erklärt wie sich Belohnen auf Verhalten und Erwartungen von Menschen auswirkt. Da Spiel-Elemente als belohnend erlebt werden, ergeben sich für Gamification folgende Schlüsse: • Durch einzelne Spiel-Elemente lassen sich ganze Tätigkeitsbereiche aufwerten, da dem situativen Kontext belohnende Eigenschaften zugeschrieben werden, wenn wiederholt belohnt wird. • Die durch Spiel-Elemente vorgegebenen Ziele und Regeln können das Verhalten von Teilnehmern innerhalb einer Tätigkeit effektiv in eine bestimmte Richtung lenken. Auf diese Weise kann auch komplexes Verhalten geformt“ werden und dies sogar ohne Mitwissen der Teilnehmer. ” Zusammengefasst kommt Spiel-Elementen innerhalb von Gamification die Aufgabe zu, unmittelbares diskriminatives Feedback zu leisten. Viele Tätigkeitsbereiche (z. B. das Schreiben von Texten oder das Durchführen einer Berechnung) haben die Eigenschaft, dass ihnen unmittelbares Feedback über ihr Gelingen fehlt: Ein Text muss von Anderen gelesen und beurteilt werden, bevor ersichtlich wird, ob er gelungen ist; eine Berechnung kann sich nachträglich als falsch erweisen, weil eine damit getroffene Vorhersage nicht eintrifft. Daraus folgt, dass der Handelnde sich erst verzögert anpassen oder Irrtümer erkennen kann. Anders gesagt, tritt der Lerneffekt“ erst sehr spät ein. Spiel-Elemente zeichnen ” sich dagegen dadurch aus, dass sie unmittelbares und auch eindeutiges Feedback geben: Ein schlechter Spielzug im Schach wird schnell durch Figurverlust 25 bestraft, eine Unaufmerksamkeit in einem Videospiel führt zu Punkteverlust oder Spielende. Mit diesem Schluss ist auch wieder eine Brücke zum Flow-Erleben geschlagen. Das Erlernen neuer Zusammenhänge und Fähigkeiten wird nicht nur durch Belohnungen angeleitet, sondern kann auch aus sich selbst heraus eine belohnende Tätigkeit sein. 26 5 Entwicklung einer gamifizierenden Webapplikation Gamification ist zwar nicht auf Software und moderne Informationsverarbeitung angewiesen, weil Spiel-Elemente auch durch einfachste analoge Technologien (etwa die Ausgabe von Punktemarken aus Papier) realisiert werden können. Die oben vorgestellten Anwendungsbeispiele verweisen darauf, dass der von Internetunternehmen geprägte Begriff ein Phänomen des IT-Zeitalters ist. Erst dank des allgegenwärtigen Interneta und des Aufkommens von Smartphones und Sozialen Netzwerken ist es möglich geworden, den Alltag mit Software zu durchdringen. Für Spiele, die alltägliche Tätigkeiten begleiten und beeinflussen sollen, muss nicht erst in aufwändiger Weise eine Infrastruktur geschaffen werden, die den Fortschritt der Spieler und die Einhaltung von Spielregeln überwachen kann (Punktemarken etwa müssen gedruckt, verteilt, aufbewahrt und eingetauscht werden). Sie ist bereits durch die internetfähigen Medien gegeben, die inzwischen ohnehin viele Lebensbereiche wie Arbeit, Kommunikation, Konsum und Unterhaltung beherrschen. Diese Infrastruktur muss also nur noch mit der entsprechenden Gamification-Software zum rule enforcement“ ausgestattet wer” den. Der Einsatz von Software in Zusammenhang mit Gamification kann zwei Formen annehmen: 1. Mit Software werden Tätigkeiten gamifziert, die außerhalb des Einsatzbereichs der Software liegen. Beispiele: Life Game“ [Del12], Abrechnung ” von PG&E [Atw12] 2. Softwareanwendungen selbst werden gamifiziert. Beispiele: Stackover” flow“ [Atw11], Nutzer-Tutorials [Del12] Letzteres ist einfacher umzusetzen, da die Software lediglich erweitert werden muss. Nutzer können sich den Spiel-Elementen zudem nur schwer entziehen und sind somit gezwungen, mitzuspielen“. Gamification von anderen Tätigkeiten ” mit Hilfe von Software stellt dagegen eine größere Herausforderung dar. Es 27 muss ein entsprechendes System neuentwickelt werden und potenzielle Nutzer sind erst von Zweck und Nutzen der Gamification-Software zu überzeugen. In diesem Kapitel geht es darum, die zuvor erarbeiteten Konzepte praktisch zu erproben. Indem eine Softwareanwendung implementiert wird, die einen Tätigkeitsbereich gamifiziert, sollen folgende Fragen exemplarisch beantwortet werden: 1. Wie können Ziel und Regeln eines vorgegebenen Tätigkeitsbereichs auf Spielziel und Spielregeln abgebildet werden? 2. Wie kann das Ziel des Tätigkeitsbereichs durch Spiel-Elemente implementiert werden? 3. Wie können die verschiedenen Bedürfnisse mit Spiel-Elementen konkret angesprochen werden? Begonnen wird daher mit einer Zielanalyse, die klärt, welche Tätigkeit gamifiziert werden soll, mit welchem Ziel und welche Regeln dieser Tätigkeit zugrunde liegen. Es ist dann ein Konzept für den Einsatz der Spiel-Elemente zu bilden und festzulegen, wie diese in Einklang mit Ziel und Regeln der Tätigkeit gebracht werden können. Im letzten Abschnitt wird die technische Implementierung dokumentiert. 5.1 Zielanalyse Mit der Zielanalyse soll ermittelt werden, welches das Ziel des GamificationAnsatzes ist, was den Tätigkeitsbereich auszeichnet und welches einzuhaltende Regeln sind. 5.1.1 Ziel und Zielgruppe Es soll eine Software entwickelt werden, die das Erlernen wissenschaftlich korrekten Zitierens gamifiziert. Zielgruppe sind Informatikstudenten der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Das Ziel besteht folglich darin, die Studenten dazu zu befähigen, später in eigenen Texten gemäß vorgegebenen Zitierrichtlinien andere Veröffentlichungen zu zitieren. 5.1.2 Tätigkeitsbereich Der Tätigkeitsbereich, der mit dem System gamifiziert werden soll, ist nicht das Zitieren selbst, denn dieses erfolgt erst während des Verfassens eigener wissenschaftlicher Texte durch die Studenten. Es geht also nicht darum, häufiger 28 oder anders zu zitieren, da davon auszugehen ist, dass vielen Studenten die Praxis des Zitierens anfangs noch nicht geläufig ist. Vielmehr soll das Erlernen des Zitierens gamifiziert werden. Mit Blick auf Abschnitt 3 auf Seite 12 ist die Zielsetzung des Systems daher als Verhalten erwerben“ zu klassifizieren. ” 5.1.3 Regeln Die Regeln des Tätigkeitsbereichs sind über Richtlinien des korrekten Zitierens gegeben. Es gibt drei Aspekte, die durch Zitierrichtlinien vorgegeben werden: Syntax definiert die korrekte Reihenfolge der Quellenangaben im Text und im Literaturverzeichnis. Dies umfasst das richtige Setzen von Leerzeichen und Interpunktion, sowie die richtige Reihenfolge der Elemente (Autor, Titel, Jahr, usw.) und das Verwenden von Kürzeln. Korrektheit Literaturangaben müssen korrekt sein, das heißt Namen, Titel, Seiten und Datum müssen richtig wiedergegeben werden. Vollständigkeit Literaturangaben müssen vollständig sein, das heißt die Informationen und Daten, die zu einer Publikation zur Verfügung stehen, müssen sich im Literaturverzeichnis wiederfinden. Da es keine einheitlichen Richtlinien gibt, sondern eine Vielzahl von Zitiersystemen (z. B. MLA, APA, ISO 609), die sich in ihrer Syntax unterscheiden, muss an dieser Stelle eine Auswahl getroffen werden. In deutschen Publikationen der Informatik ist das Zitiersystem aus [Mit07] sehr verbreitet und soll daher auch hier Anwendung finden. Dieses System gibt folgende Syntax vor. Im Text ist eine Literatur-Quelle durch ein Kürzel in eckigen Klammern zu zitieren. Das Kürzel setzt sich zusammen aus vier Anfangsbuchstaben der Namen der Autoren und den letzten zwei Ziffern der Jahreszahl der Publikation, z. B. [AAAA00]. Das Buchstabenkürzel ist wie folgt zu bilden: • Ein Autor: Die ersten vier Buchstaben des Nachnamens (Meier → [Meie13]). • Zwei Autoren: Jeweils die ersten zwei Buchstaben beider Autoren (Meier und Müller → [MeMü13]). • Drei Autoren: Die ersten zwei Buchstaben des Erstautors, gefolgt von den Anfangsbuchstaben der anderen Autoren (Meier, Müller und Schmidt → [MeMS13]). • Mehr als drei Autoren: Jeweils die Anfangsbuchstaben der ersten vier Autoren (Meier, Müller, Schmidt und Fischer → [MMSF13]). Im Literaturverzeichnis ist je nach Art der Publikation zu zitieren: 29 Monographie Nachname, Vornameinitialien[; Nachname, Vornameinitialien]: Titel. [n. Auflage, ]Erscheinungsort: Verlag, Erscheinungsjahr. Herausgeberwerk Nachname, Vornameinitialien[; Nachname, Vornameinitialien]: Titel. In: HerausgeberNachname, Vornameinitialien[; Herausgeber-Nachname, Vornameinitialien] (Hrsg.) [n. Auflage,]: Herausgeberwerk. Erscheinungsort: Verlag, Erscheinungsjahr, Seiten. Zeitschriftenartikel Nachname, Vornameinitialien[; Nachname, Vornameinitialien]: Titel. Zeitschriftentitel, [Heftnummer, ]Jahrgang, Seiten. Internetquelle Nachname, Vornameinitialien[; Nachname, Vornameinitialien]: Titel. Jahr, URI, Datum des Abrufs. 5.2 Konzept Aus der Zielanalyse ergibt sich, dass drei Fähigkeiten in gamifizierter Weise vermittelt werden sollen: 1. Die Studenten sollen die Syntax des Zitiersystems beherrschen und Quellenverweise im Text und für das Literaturverzeichnis entsprechend formulieren können. 2. Die Studenten sollen wissen, wo sie die notwendigen Daten zu einer Publikation finden und diese für das Literaturverzeichnis korrekt angeben. 3. Die Studenten sollen Zitate in sprachlich angemessener Weise paraphrasieren können. Wenn Studenten wissenschaftliche Texte schreiben, brauchen sie diese Fähigkeit. Daher bietet es sich an, die Situation des Zitierens zu simulieren: Die Software legt dem Studenten einen Auszug einer Publikation vor, der die notwendigen Daten für das Zitat enthält. Der Student soll anhand dessen das zugehörige Zitat oder den Quellenverweis formulieren. Dies stellt die Grundidee 30 der gamifizierenden Softwareanwendung dar, die um weitere Spiel-Elemente anzureichern ist. Aus der klassischen Lerntheorie und den Voraussetzungen zum Flow-Erleben ergibt sich, dass die Spiel-Elemente unbedingt Feedback darüber geben müssen, wie gut ein Student darin ist, die geforderten Fähigkeiten auszuüben. Das setzt allerdings die Messbarkeit der Fähigkeiten voraus. Zunächst ist also die wichtige Frage zu klären, wie die Leistung eines Studenten gemessen werden kann. 5.2.1 Maßzahlen für Feedback Wenn Belohnung in Abhängigkeit vom Grad einer Fähigkeit erfolgen soll, muss die Fähigkeit zuvor quantifiziert werden. Für die obigen drei Fähigkeiten sind deshalb Maße festzulegen, anhand derer bestimmt werden kann, wie gut ein Student über sie verfügt. • Die Syntax eines Zitiersystems zu beherrschen heißt, keine Syntaxfehler zu machen. Je weniger Syntaxfehler ein Student macht, desto besser beherrscht er diese Fähigkeit. Da die Grundidee der Software vorsieht, jeweils einen Quellenverweis, also einen einzigen syntaktischen Ausdruck zu formulieren, reduziert sich das Maß für die Syntax auf eine Ja/Nein-Entscheidung: Entweder der Ausdruck ist syntaktisch korrekt oder nicht. Ist er korrekt, beherrscht ein Student die Syntax des Zitiersystems für die zugehörige Aufgabe. • Die Daten einer Publikation zu ermitteln und anzugeben, heißt sie fehlerfrei und vollständig wiedergeben zu können. Je weniger inhaltliche Fehler und Auslassungen ein Student macht, desto besser beherrscht er diese Fähigkeit. Hier können also einfach Fehler gezählt werden. Quellenverweise unterteilen sich in Blöcke für Autoren, Titel, usw., so dass hier für jeden Bereich getrennt zurückgemeldet werden kann. Da mit längeren Verweisblöcken (z. B. bei vielen Autoren) die Fehlerwahrscheinlichkeit ansteigt, ist um die Zeichenlänge des jeweiligen Blocks zu normieren. Sei li die erwartete Länge und Fi die Fehleranzahl des i-ten Blocks, dann sei der Score S für das Korrektheitsmaß bei N Blöcken definiert als: $ S= N 100 X (li − Fi ) N i=1 li % Der Score nimmt Werte in {0, .., 100} an und kann als Prozentwert interpretiert werden. Jeder Block fließt mit gleichem Gewicht in den Score 31 ein. Die Teilsummen können als Teilscores für die Blöcke verwendet werden. Die Fehleranzahl Fi wird an dieser Stelle als nach Boehmer und Rees [Dmi13] modifzierte Damerau-Levenshtein-Distanz [Dam64] operationalisiert. Sie ermittelt, wie viele zeichenweise Einfüge-, Lösch- und Vertauschoperationen für einen Eingabetext gemacht werden müssen, um einen Vergleichstext (hier der korrekte Verweisblock) zu erhalten. Eine Operation zählt demnach als ein Fehler. Beispiele: // Initialien vertauscht d("Peters, A.M.", "Peters, M.A.") = 1 (Teilscore = 91% ) // Autor vergessen d("Meyer, G.; Cohen, S.", "Meyer, G.") = 11 (Teilscore = 55% ) Wird ein (Gesamt-)Score von 60% erreicht, dann gelte die Leistung im Hinblick auf die Fähigkeit der korrekten Wiedergabe der Publikationsdaten als ausreichend. • Für die sprachliche Güte einer Formulierung kann kein objektives Maß benannt werden, da es keine verbindlichen Kriterien darüber gibt, ob ein Sachverhalt angemessen wiedergegeben wird. Deshalb wird diese Fähigkeit in einer Art Peer-Review bewertet: Jeder Student soll ein eigenes Zitat pro Aufgabe formulieren und kann die Formulierungen seiner Kommilitonen bewerten. Hierzu werden jeweils drei ausgewählte Formulierungen zufällig ausgewählt, die dann vom bewertenden Studenten in eine Rangreihenfolge gebracht werden. Die als am besten eingestufte Formulierung wird mit fünf, die zweitplatzierte mit drei und die letzte mit null Punkten bewertet. Im Weiteren sind nun Spiel-Elemente auszuwählen und im Hinblick auf die Maßzahlen einzusetzen. 5.2.2 Auswahl von Spiel-Elementen Gemäß den Ausführungen zur Motivationstheorie sollten Spiel-Elemente so ausgewählt werden, dass möglichst alle Bedürfnisse beim Erlernen genannter Fähigkeiten durch die zu entwickelnde Software angesprochen werden. Besonderes Augenmerk ist auf die Eigenheiten der Zielgruppe zu legen. So deuten eine Vielzahl von in [BBH+ 08] zusammengetragenen Untersuchungen zur 32 Maslow Zugehörigkeit Status McClelland Anschluss Macht Verstehen Ästhetik Leistung – Spiel-Elemente Kommunikation Teams Regeln, Handel Punktehierarchie, Wettbewerb Schwierigkeit, Zeitdruck, Feedback Narrative und ästhetische Elemente, Avatare, Raum, Zufall Tabelle 5.1: Auswahl von Spiel-Elementen für die Webapplikation. Die durchgestrichenen Spiel-Elemente wurden verworfen. Motivationsstruktur darauf hin, dass Informatiker ein stark ausgeprägtes Leistungsbedürfnis, aber nur ein geringes Bedürfnis nach Anschluss haben. SpielElemente, die das Leistungsbedürfnis ansprechen, sollte in dieser Fallstudie also vorrangig eingesetzt werden, da sie vermutlich von den Studenten als besonders belohend empfunden werden. Tabelle 5.1 zeigt die Auswahl der Spiel-Elemente für die Softwareanwendung. Es wurden alle Spiel-Elemente ausgewählt, die das Leistungsbedürfnis ansprechen. Die Elemente Teams und Handel wurden gestrichen, da sie nicht zum Simulationsszenario oder zur Zielsetzung (dem Erwerb von Fähigkeiten) passen. Narrative Elemente wurden nicht umgesetzt, da ihre Konzeption äußerst aufwendig ist. Avatare kommen für die Anwendung zwar durchaus in Frage, wurden aber aufgrund ihres als gering eingeschätzten Beitrags zur Ästhetik der Anwendung ebenfalls verworfen. 5.2.3 Einsatz der Spiel-Elemente Das Ziel der Anwendung, Verhalten zu vermitteln, setzt voraus, dass sie überhaupt von den Studenten benutzt wird. Generell soll daher die Benutzung der Software verstärkt werden, indem bereits die Bedienung und Optik der Softwareanwendung in ansprechender Weise gestaltet ist und so die Lernum” gebung“ als angenehm empfunden wird. Hierfür eignet sich der Einsatz ästhetischer Elemente, wie zum Beispiel von Farben und symmetrische Formen, die die Navigation durch die Anwendung begleiten. Aber auch die Auszüge aus den Publikationen werden in ästhetischer Weise präsentiert: Titelblatt und erste Seiten werden angezeigt, so dass idealerweise das Bedürfnis nach Ästhetik durch jeweils neue Eindrücke bedient wird. Um nun das Erlernen der Fähigkeiten effektiv zu gamifizieren, müssen ent33 sprechend der Lerntheorie die Studenten durch die Spiel-Elemente umso mehr belohnt werden, je besser sie die aufgeführten Fähigkeiten beherrschen. So wird der Anreiz gesetzt, sich die geforderten Fähigkeiten anzueignen bzw. sie zu üben. Auf dieser Grundlage wurden Regeln für die Anwendung formuliert. Es gibt zwei Aufgabentypen: Typ A Aufgaben zu Literaturverweisen, für die ein automatisches Feedback gegeben werden kann. Typ P Aufgaben zur sprachlichen Formulierung von Zitaten, bei denen mangels objektiver Kriterien ein Peer-Review stattfindet. Die Aufgaben sind in Kategorien ( Ebenen“) unterteilt, zum Beispiel Zitie” ” ren von Monographien im Literaturverzeichnis“ oder Formulieren von Zita” ten“. Sie ordnen die Aufgaben inhaltlich. Jede Kategorie enthält entweder nur Aufgaben vom Typ A oder nur vom Typ P . Regeln für Aufgaben vom Typ A 1. Die Aufgaben bestehen aus einem Bereich, in dem ein Auszug einer Literaturquelle (PDF- oder HTML-Format) dargestellt wird und einem Textfeld, in welchem der Student den zugehörigen Literaturverweis eingeben muss. 2. Die Aufgaben sind innerhalb ihrer Kategorien nach ansteigender Schwierigkeit angeordnet. Die Schwierigkeit ergibt sich aus der Menge an Publikationsdaten (z. B. Anzahl Autoren, Verlagsdaten), die berücksichtigt werden muss und der Schwierigkeit, diese wiederzugeben (z. B. schwer auffindbar, nicht eindeutig). 3. Ein Student kann die Aufgaben einer Ebene nur beginnend mit der ersten bearbeiten. Jede weitere wird erst freigeschaltet, wenn er die vorherige Aufgabe erfolgreich gelöst hat. 4. Ein Teil des Literaturverweises ist bereits vorgegeben und muss ergänzt werden. Welche Teile zu ergänzen sind, wird zufällig bestimmt. 5. Während der Bearbeitung wird die Zeit angezeigt, die der Student zur Lösung der Aufgabe benötigt. 6. Eine Aufgabe kann nur dann gelöst werden, wenn die Syntax korrekt ist. Während der Eingabe wird dem Studenten visuell sofort zurückgemeldet, ob die Eingabe syntaktisch korrekt ist. 34 7. Der Student kann sich während der Bearbeitung die Syntax des Zitiersystems anzeigen lassen. Die Zeit läuft jedoch weiter. 8. Nach erfolgter Eingabe (und bei korrekter Syntax) kann der Student die Lösung prüfen lassen. Er erhält Feedback darüber, wie viele Punkte er für welchen Bereich des Literaturverweises erreicht hat. Die Punkte sind der in Abschnitt 5.2.1 auf Seite 31 definierte Score. 9. Erreicht der Student mindestens 60 Punkte, dann gilt die Aufgabe als gelöst und die nachfolgende Aufgabe wird freigeschaltet. 10. Erreicht der Student nicht die erforderliche Punktzahl kann er an der Aufgabe weiterarbeiten. Die Zeit wird durch die Lösungsprüfung nicht angehalten und läuft während der weiteren Versuche weiter. 11. Nach erfolgreicher Bearbeitung kann der Student die Aufgabe erneut bearbeiten, wenn er sein Ergebnis (Punkte, benötigte Zeit) verbessern möchte. 12. Es gibt eine Bestenliste pro Aufgabe. Sie ist geordnet nach Punkten. Haben zwei Studenten gleiche Punkteanzahl, dann ist derjenige höher in der Bestenliste, der weniger Zeit zur Lösung benötigt hat. Regeln für Aufgaben vom Typ P 1. Die Aufgaben bestehen aus einem Bereich, in dem ein Textauszug aus einer Literaturquelle angezeigt wird, einem Hinweis, was inhaltlich zitiert werden soll sowie einem Eingabefeld für eine eigene Formulierung und drei Formulierungen, die von anderen Studenten eingegeben wurden (sofern mindestens drei vorhanden sind). 2. Der Student kann eine Formulierung für ein Zitat eingeben. Hierfür erhält er einmalig fünf Punkte. 3. Für das Bewerten von drei zufällig ausgewählten Formulierungen seiner Kommilitonen erhält der Student drei Punkte. Er kann dies beliebig oft tun. Die Bewertung erfolgt, wie in 5.2.1 auf Seite 32 beschrieben: Der Autor der besten Formulierung erhält fünf Punkte und der zweite drei. 4. Einem Studenten wird seine eigene Formulierung nicht zur Bewertung vorgelegt. 5. Es gibt eine aufgabenübergreifende Bestenliste nach Punkten. 35 6. Da auch die besten Formulierungen einer jewiligen Aufgabe einsehbar sein sollen, gibt es auch für sie eine Bestenliste. Hierzu wird pro Erstplatzierung eine Formulierung mit zwei Punkten, pro Zweitplatzierung mit einem Punkt bewertet. 7. Die Aufgaben sind innerhalb einer Kategorie wieder nach Schwierigkeit angeordnet. Die Schwierigkeit ergibt sich aus dem wiederzugebenden Sachverhalt (z. B. Umfang des Textauszugs, Komplexität, unbekannte Terminologie). 8. Studenten können nach Belieben Aufgaben bearbeiten; sie müssen nicht erst durch Lösen vorheriger Aufgaben freigeschaltet werden, wie bei Typ A. Tabelle 5.2 zeigt, wie durch die Regelsysteme der beiden Aufgabentypen die Spiel-Elemente eingesetzt werden. Die weiteren Abschnitte dieses Kapitels widmen sich der technischen Implementierung des Konzepts. Spiel-Elemente Typ A Typ P Kommunikation – Gegenseitige Bewertung Punktehierarchie Bestenliste Wettbewerb Bestenliste Schwierigkeit Anordnung der Aufgaben Zeitdruck Zeitmessung – Feedback Lösungsauswertung Zitat-Bestenliste Raum Aufgabenfreischaltung Unterteilung in Aufgaben Zufall Lösungsvorgabe Zitatauswahl Tabelle 5.2: Umsetzung der Spiel-Elemente 5.3 Implementierung Da die Gamification-Anwendung als Mehrbenutzer-System konzipiert ist, in welchem mehrere Studenten gegebenfalls gleichzeitig Aufgaben bearbeiten können, wurde sie als Webapplikation realisiert. Die Wahl eines geeigneten Webapplication-Framework fiel auf Ruby on Rails 3.2., da sich hiermit vergleichsweise schnell und intuitiv komplexe Webanwendungen realisieren lassen und keine Lizenzen erworben werden müssen [Atw13]. Die Programmiersprache Ruby bringt zudem wenig syntaktischen Ballast mit sich, im Gegensatz zum Beispiel zu Java und gilt als sehr gut lesbar. 36 Für eine hohe Bedienfreundlichkeit und zur Realisiserung dynamischer Elemente wurde auf Javascript und AJAX zurückgegriffen. Hierfür kamen die Javascript-Bilbiotheken jQuery 1.10 und jQuery UI 1.10 zum Einsatz. Die Bibliothek jQuery vereinfacht es Document Object Model-Elementen der durch Rails generierten HTML-Dokumente zu manipulieren und AJAX zu nutzen [CS10]. Beides wird benötigt, wenn die angezeigte Webseite verändert werden soll, ohne sie neuzuladen, zum Beispiel bei der sich laufend aktualisierenden Zeitanzeige, der Syntaxüberprüfung oder dem Aufgabenfeedback. Mit jQuery UI [CS10] bietet sich eine Sammlung von Userinterface-Komponenten, wie Tabs und Schaltflächen, so dass ohne viel Aufwand eine ansprechende Benutzungsoberfläche gestaltet werden kann. Außerdem wurde das Script Facebox 1.3 [Wan08] eingesetzt, mit dem sich eine dynamische Box mit HTML-Inhalt erzeugen lässt, die sich über die derzeit angezeigte Seite legt. Sie wird für das Aufgabenfeedback wie für Hinweistexte verwendet. Die Applikation wird im Folgenden Wisc“ genannt, was sich von Wissen” ” schaftliches Schreiben“ herleitet, da ihr Ziel ist, die hierzu erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. 5.3.1 Architektur Rails-Applikationen folgen der Model-View-Controller-Softwarearchitektur (MVC) [BK07], welche die drei Bereiche Datenhaltung, -repräsentation und Nutzerinteraktion trennt. Nach dieser Architektur unterteilt sich die Software in drei Objektklassen: Modelle, Controller und Views [LR01]: Modelle sind Datenstrukturen, die in erster Linie als Informationsträger fungieren. In Rails sind dies Ruby-Klassen. Beispielsweise gibt es eine Klasse für Aufgaben vom Typ A. Alle Instanzen dieser Klassen sind zudem persistent, das heißt sie werden in der Datenbank der Applikation dauerhaft gespeichert. Views definieren eine Darstellung der in Modell-Objekten repräsentierten Information. Views sind von Modellen getrennt, da mehrere Darstellungsformen von Modellobjekten erforderlich sein können. Ein Administrator soll Aufgaben etwa editieren können. Hierfür benötigt er eine andere Ansicht auf Aufgaben als ein Student. Views können direkt lesend auf Modellobjekte zugreifen, sie erhalten aber auch vorverarbeitete Daten von Controllern. Controller haben die Aufgabe, die Interaktion zwischen Benutzer und System zu steuern. Je nachdem, welche Aktionen (z. B. eine Aufgabe abrufen 37 oder lösen) ein Benutzer anfordert, liefert oder aktualisisert der verantwortliche Controller die zugehörigen Views und bereitet für diese Daten vor. Außerdem verarbeiten Controller Nutzereingaben, bevor diese von der View an ein Modell übergeben werden. 5.3.2 Modelle In Abbildung 5.1 auf der nächsten Seite sind die Modelle von Wisc als UML2.0-Klassen-diagramm dargestellt. Ebenen von Aufgaben wurden als Levels modelliert, die die Aufgaben enthalten. Aufgaben vom Typ A sind Instanzen der Klasse Task, Aufgaben vom Typ P sind Instanzen der davon abgeleiteten Klasse RephraseTask. Jede Level-Instanz hat einen Verweis auf die erste Aufgabe. Die Aufgaben verweisen auf ihren jeweiligen Nachfolger next_task. Aufgaben vom Typ A einer Ebene sind zunächst für den Nutzer User bis auf die erste gesperrt. Erst nachdem ein Nutzer sie erfolgreich bearbeitet hat, wird der jeweilige Nachfolger über ein TaskUnlock-Objekt für ihn freigeschaltet. Punkte und benötigte Zeit für Task-Objekte, eines Nutzers werden in Score-Objekten gespeichert. Aufgaben vom Typ A unterscheiden sich in Abhängigkeit davon, welcher Literaturtyp zu zitieren ist. Deshalb enthalten Task-Objekte ein Feld citation_type. Die zugehörigen Datenstrukturen werden im nächsten Abschnitt behandelt. Das Feld problem_url verweist auf eine Publikations-Datei (in der Regel PDF), die dem Nutzer für die Bearbeitung dieser Aufgabe angezeigt wird. Eine entsprechende Datei muss im Ordner /app/public/pdfs/ der Applikation liegen. Die Zitate, die ein Nutzer für eine Aufgaben vom Typ P geschrieben hat, werden als Rephrase-Objekte instanziiert. Diese Objekte speichern im Feld points, wie sie bewertet wurden. Die Punkte, die ein Nutzer in einer Ebene von Aufgaben vom Typ P erzielt hat, sind als RephraseScore-Objekte repräsentiert. 5.3.3 Literaturtypen Für Aufgaben des Typs A, in denen nach korrekter Syntax ein Literaturverweis zu schreiben ist, wurden eigene Datenstrukturen erstellt, in denen die Syntaxüberprüfung und die Berechnung der Punkte implementiert ist. Da diese hauptsächlich Berechnungsvorschriften enthalten und ihre Instanzen nicht persistent sind, gehören sie nicht zu den Modellen der Applikationen, sondern bilden eine eigene von der übrigen Applikation unabhängige Bibliothek. Die Datenstrukturen sind in Abbildung 5.2 auf Seite 41 gezeigt. Jede Objektklasse enthält eine Methode regex_s(), die die Syntax dieses 38 Abbildung 5.1: Wisc-Modelle 39 Literaturtypen in Form eines regulären Ausdrucks zurückgibt. Die regulären Ausdrücke kommen an zwei Stellen der Applikation zum Einsatz. Einerseits werden sie in der View für die Aufgaben verwendet, um den Studenten während der Eingabe unmittelbar zurückzumelden, ob diese syntaxkonform ist. Andererseits findet anhand des regulären Ausdrucks ein Parsing der Eingabe statt, so dass vorgegebene Lösung und Eingabe des Studenten einzeln für die Literaturverweisblöcke (Autoren, Titel, Jahr, etc.) abgeglichen und bepunktet werden können. Die Literaturtypen werden durch den TaskPresenterController (siehe unten) entsprechend des Felds citation_type der Modellklasse Task instanziiert, wenn ein Student beginnt eine Aufgabe zu bearbeiten. In der Methode score() ist der Algorithmus aus Abschnitt 5.2.1 auf Seite 31 implementiert, der die Punkte für eine Aufgabenlösung berechnet. Jede Objektklasse verfügt über eine eigene Implementierung dieser Methode, da sich Anzahl und Benennung der Blöcke ihrer Literaturverweise unterscheiden. Die Methode distance() gibt die Fehleranzahl Fi (siehe 5.2.1) zurück. Gemäß des Konzepts ist dies eine modifizierte Damerau-Levenshtein-Distanz, die durch das externe, in [Dmi13] beschriebene Ruby-Modul berechnet wird. Aufgaben vom Typ A geben einen zufälligen Teil der Lösung vor. Dieser Teil wird über die beiden Methoden random_incomplete_authors() und random_incomplete_blocks() aus der richtigen Lösung erzeugt. Die erste Methode löscht zufällig entweder einen der Autoren oder die Vornamen-Initialien aller Autoren. Die zweite Methode löscht n übrige Verweisblöcke, zum Beispiel den Titel oder Seitenzahlen. Die Zahl n ist für die Literaturtypen zwischen 1 und 3. 5.3.4 Controller und Views Jede View wird in Rails von mindestens einer Controller-Methode aufgerufen, so dass die Controller und Views von Wisc hier zusammen beschrieben werden. Eine Übersicht über sämtliche Controller der Applikation gibt Abbildung 5.3 auf Seite 42. Controller des Unterverzeichnisses admin bilden das Backend der Applikation, also den Bereich, auf den nur Nutzer mit Administrationsrechten (Feld super_user in Modellklasse User) zugreifen können. Mit den BackendControllern können Ebenen, Aufgaben und Benutzer verwaltet werden. Sie entsprechen weitestgehend den Default-Rails-Controllern. Die Namenskonvention von Rails ist in Tabelle 5.3 auf Seite 43 verzeichnet. Demgemäß existieren zu den Backend-Controllern nur Views für die Methoden index(), show(), new() und edit(). Die Methoden create(), update() und destroy() die40 Abbildung 5.2: Datenstrukturen für Literaturtypen 41 nen dazu, aus diesen Views Nutzereingaben entgegen zu nehmen und für die zugeörigen Modelle zu verarbeiten. Sie leiten danach zu einer anderen Methode weiter. Abbildung 5.3: Wisc-Controller Eine Besonderheit ergibt sich jedoch daraus, dass Aufgaben in Ebenen geschachtelt sind. Deshalb kann auf die Funktionen des TasksController nur über einen LevelsController zugegriffen werden und die Methoden index() und show() dieses Controllers fehlen. Der LevelsController bietet außerdem die Funktion, die Reihenfolge der Aufgaben einer Ebene zu editieren. Dies geschieht über dessen View. Das Frontend der Applikation wird durch die übrigen Controller gebildet. Der ApplicationController ist Superklasse aller anderen Controller und stellt über die Methode authorize() sicher, dass nur eingeloggte Benutzer die Anwendung benutzen können. Sie wird vor jeder anderen Controller-Methode aufgerufen und leitet, wenn erforderlich, zur Login-Seite weiter. Login- und Logout-Vorgänge werden über den SessionsController durchgeführt. Dessen Methoden folgen der Namenskonvention aus Tabelle 5.3 auf der nächsten 42 Seite. Session-Objekte sind allerdings nicht persistent und existieren nur für die Dauer, die ein Nutzer eingeloggt ist. Der LevelmapController stellt die View zur Überscht über alle Ebenen, Aufgaben und deren Bestenlisten für eingeloggte Benutzer über die Methode index() bereit und gewährt Administratoren Zugang zum Administrationsbereich (siehe Abbildung 5.4 auf Seite 45). Welche Aufgaben ein Student bearbeiten möchte, kann er hier anwählen. Während der Bearbeitung von Aufgaben vom Typ A interagieren Benutzer mit dem TaskPresenterController. Die Methode show() zeigt entsprechend der Rails-Namenskonvention eine angeforderte Aufgabe an. Die View, die zurückgegeben wird, enthält zwei Javascript-Funktionen, die lokal im Browser des Benutzers ausgeführt werden: Die dynamische Überprüfung der Syntax während der Lösungseingabe durch den Benutzer und die Anzeige des Timers. Beide Funktionen werden zuvor vom Controller initialisiert. Die übrigen Funktionen des TaskPresenterController sind in Tabelle 5.4 auf der nächsten Seite gesondert dokumentiert. Die Methoden submit(), instructions() und time() beantworten AJAX-Anfragen der View, die dem Benutzer durch show() angezeigt wird. Sie verändern also die Anzeige einer Aufgabe dynamisch, ohne sie neu im Browser zu laden. Abbildung 5.5 auf Seite 46 zeigt die Darstellung einer Aufgabe nach Aufruf von show(). In Abbildung 5.6 ist exemplarisch zu sehen, wie nach einem AJAX-Aufruf von submit() das Aufgabenfeedback eingeblendet wird. Die Nutzerinteraktion mit Aufgaben vom Typ P steuert der RephraseTaskPresenterController, der eine abgeleitete Klasse des TaskPresenterController ist. Die zugehörige View verfügt über zwei Modi: Entweder können gegebene Formulierungen anderer Nutzer nach Güte sortiert werden oder es kann eine eigene Formulierung eingegeben werden. Weil in beiden Fällen kein unmittelMethode Bedeutung index() Liefert die View für eine Liste aller Modell-Instanzen show() Liefert die View für eine Modell-Instanz new() Liefert die View für die Erstellung Modell-Instanz edit() Liefert die View für die Bearbeitung einer Modell-Instanz create() Nimmt Daten für eine neue Modell-Instanz entgegen update() Nimmt Daten zur Bearbeitung einer Modell-Instanz entgegen destroy() Löscht eine Modell-Instanz Tabelle 5.3: Namenskonvention Controller-Methoden in Rails 43 Methode Bedeutung index() Weiterleitung zur ersten Aufgabe instructions() Zeigt Lösungshinweise per AJAX time() Synchronisiert Client-Timer per AJAX submit() Nimmt Lösung entgegen und gibt Feedback per AJAX next() Leitet zur Folgeaufgabe der Ebene weiter Tabelle 5.4: Besondere Methoden des TaskPresenterControllers, der die Nutzerinterkation für Aufgaben vom Typ A steuert. Methode Bedeutung submit_order() Nimmt sortierte Formulierungen und lädt Aufgabe neu submit() Nimmt Lösungseingabe entgegen und lädt Aufgabe neu scores() Zeigt beste Formulierungen per AJAX Tabelle 5.5: Besondere Methoden des RephraseTaskPresenterController, der die Nutzerinteraktion für Aufgaben vom Typ P steuert. bares Feedback nach submit() oder submit_order() erfolgt, verfügt dieser Controller über eine Methode scores(), die eine Bestenliste von Formulierungen per AJAX abruft und anzeigt. Überschriebene und ergänzte Methoden dieses Controllers zeigt Tabelle 5.5. Abbildung 5.7 auf Seite 48 zeigt die Darstellung einer Aufgabe vom Typ P im Modus Formulierungen sortieren“ an. ” Die Erkenntnisse aus der Implementierung der Webapplikation werden neben kritischen Aspekten von Gamification im Allgemeinen im folgenden Kapitel diskutiert. 44 Abbildung 5.4: Hauptseite von Wisc. Aufgaben werden gegliedert nach Ebenen angezeigt. 45 Abbildung 5.5: Ansicht einer Aufgabe in Wisc 46 Abbildung 5.6: Feedback zu einer Aufgabe vom Typ A in Wisc 47 Abbildung 5.7: Ansicht einer Aufgabe vom Typ P in Wisc 48 6 Diskussion Aus dem theoretischen Teil dieser Arbeit ergab sich, dass Gamification den Zweck hat, Menschen unmittelbar zurück zu melden, ob sie sich wie ge” wünscht“ verhalten. Dies geschieht, indem ihr Bedürfnissystem gezielt angesprochen wird. Die Beteiligten richten ihr Verhalten dann so aus, dass sich ihre Aussicht maximiert, mit Erfolg, Gewinn oder Vorankommen belohnt zu werden. Es wurde gezeigt, dass Gamification durch dieses Prinzip Verhalten verstärken, verändern und erwerben lassen kann. Gamification soll in diesem Kapitel im Hinblick auf alle drei Punkte kritisch diskutiert werden. Die Erkenntnisse aus der Implementierung fließen in den dritten Punkt ein, da es das Hauptziel der Webapplikation Wisc ist, Studenten die Fähigkeit erwerben zu lassen, richtig zu zitieren. 6.1 Chancen von Gamification Gamification birgt überall dort Chancen, wo Nutzer darin unterstützt werden, ihren eigenen Interessen gemäß zu handeln. Wichtig zu beachten ist, dass Interessen hier nicht mit Bedürfnissen gleichzusetzen sind. Denn nicht selten besteht ein Widerspruch zwischen kurzfristig belohnenden Tätigkeiten (z. B. Rauchen) und langfristigen Interessen (z. B. ein gesunder Lebensstil). Gamification kann dazu dienen, absehbare langfristige Konsequenzen des eigenen Verhaltens durch unmittelbares Feedback zu vergegenwärtigen. Dies wird beispielsweise in Life Game“ erreicht, indem Nutzer für Tätigkeiten, die sich ” erst dauerhaft positiv bemerkbar machen, sofort belohnt werden. Umgekehrt werden sie für schlechte Angewohnheiten, die sich nicht unmittelbar negativ auswirken, sofort bestraft. Aktives Lernen, fällt unter die Kategorie von Tätigkeiten die meist mühsam sind, weil sie keine kurzfristigen belohnenden Konsequenzen in Aussicht stellen. Sie wirken sich erst langfristig gesehen belohnend aus. Für viele Fähigkeiten, die Menschen aktiv lernen, lassen sich feste Regeln angeben, die zu erlernen und einzuüben sind. Dies können Grammatiken ( Korrekt zitieren“), ” Algorithmen ( Einen minimal spannenden Baum konstruieren“) oder Funkti” 49 onsvorschriften ( Vokabeln einer Fremdsprache übersetzen“) sein. Da Gamifica” tion Spiel-Elemente einsetzt, die nach Regeln belohnen, lässt sie sich sozusagen in natürlicher“ Weise für einen besseren Lernerfolg dort einsetzen, wo positives ” Feedback andernfalls nur sporadisch erfolgt. Gamification kann dort in einfacher Weise umgesetzt werden, wo sich Regeln für richtiges“ Verhalten eindeutig definieren lassen. Dies hat sich auch während ” der Entwicklung der Webapplikation Wisc gezeigt. Ein Zitiersystem schreibt verbindlich vor, welche Daten zu einer Publikation wie anzugeben sind. Da das Ziel darin bestand, Studenten zu befähigen, diese Regeln anzuwenden, waren Spiel-Elemente so einzusetzen, dass regelkonformes Verhalten (in Form von Status und Leistungsurteil) belohnt wird. Zu beachten war außerdem, dass weder zu selten noch zu oft belohnt wird – also der Schwierigkeitsgrad für positives Feedback zu Beginn gering ist und im Verlauf zunimmt. Schwieriger umzusetzen erwies es sich, Feedback darüber zu geben, ob ein Zitat gut formuliert ist. Denn hierfür fehlen eindeutige Regeln, mit denen sich die Güte der Formulierung bestimmen und automatisch zurückmelden lässt. Stattdessen musste auf ein Peer-Review-Verfahren zurück gegriffen werden, bei dem sich die Studenten gegenseitig Punkte für gelungene Zitate geben können. Der Belohnungeffekt ergibt sich hier aus der Anerkennung, die sich die Studenten dadurch untereinander aussprechen. Es muss allerdings vorausgesetzt werden, dass die vergebenen Punkte im Mittel ein verlässliches Urteil über die Qualität von Formulierungen widerspiegeln. Ob dieses Verfahren tatsächlich funktioniert, bleibt empririsch zu belegen. 6.2 Risiken von Gamification Die Kehrseite von Gamification liegt darin, dass Spiel-Elemente auch verfüh” ren“ können, indem sie kurzfristig belohnen. Hier muss unbedingt das ge” wünschte“ Verhalten, das die Spiel-Elemente belohnen, hinterfragt werden. Dies wird über das Regelsystem durch die Autoren oder Auftraggeber eines Gamifi-cation-Vorhabens festgelegt und kann den Interessen der Zielgruppe durchaus zuwiderlaufen. In solchen Fällen ist von Manipulation zu sprechen, wenn Anwender den kurzfristigen Belohnungen nicht widerstehen können oder die Ziele hinter Gamification nicht durchschauen. Ein Beispiel für letzteres bieten mehrere in [Ahn12] vorgestellte Programme, die dazu ausgelegt sind, Routinearbeiten, wie das semantische Labeling von Bildern, an Spieler“ auszulagern. Die Nutzer dieser Programme profi” tieren, abgesehen von der Freude an den Spiel-Elementen, in keiner Weise, während der Softwareanbieter kostenfrei Arbeit verrichten lässt. Der Anbieter 50 argumentiert, dass es eine Art Spieltrieb gibt, der ohnehin befriedigt werden müsse und viele alternative Spiele, die sonst gespielt werden, überhaupt keinen Wert schaffen. Dem ist entgegen zu halten, dass ein solches Spiel auch Suchtpotential aufweist, wie [Ahn12] selbst berichtet. Einigen Spielern fällt es schwer, dem Spiel zu widerstehen und wenden einen viel größerem Teil ihrer Freizeit dafür auf sich spielend kurzfristig zu belohnen, als sie eigentlich möchten. So gesehen, wendet sich diese Art von Gamification natürlich gegen die Nutzer, die sich im Nachhinein über die verlorene Zeit ärgern. Es gibt natürlich auch manipulative Fälle, in denen gewisse Unternehmensziele durch Gamification versteckt durchgesetzt werden sollen. Häufig werden Kunden Preisnachlässe oder Prämien versprochen, wenn sie ihre Daten preisgeben oder regelmäßig ihr Kaufverhalten erheben lassen (zum Beispiel [Sch10]). Sie werden jedoch im Glauben gelassen, dass es sich nur darum handelt ihre Kundentreue zu belohnen, obwohl vielmehr ihre Daten gesammelt und analysiert werden sollen. Das schwerstwiegende Risiko des Gamification-Trends besteht nach Ansicht des Verfassers darin, durch Verhaltensverstärkung suchtähnliches Verhalten auszulösen. Dieses Riskio lässt sich einerseits kaum begrenzen, erscheint aber andererseits sehr gering, wenn man von Glückspielsucht absieht [Dyc13]. Manipulative Absichten dagegen bleiben eher auf den gamifizierten Tätigkeitskontext (z. B. Konsum) beschränkt, da nur in ihm entsprechende Reize gesetzt werden, das Verhalten anzupassen. Ihnen kann selbstverständlich mit Aufklärung begegnet werden. 51 7 Ausblick Es stellt sich zum Abschluss die Frage, Gamification überhaupt notwendig ist um ein bestimmtes Verhalten zu belohnen. Warum sollen ausgerechnet SpielElemente hierfür eingesetzt werden, wenn ihr motivierender Effekt doch auch nur darauf beruht, dass sie Belohnungen versprechen? Es mag eine praktische und eine konzeptuelle Antwort auf diese Frage geben. Aus praktischer Sicht geben Spiele eine Vielfalt von Feedbackmechanismen an die Hand, die die Bedürfnisstrukturen in unterschiedlichster Weise ansprechen. Spieleentwickler erfinden laufend neue Mechanismen. Aufwendig gestaltete, räumlich erkundbare Fantasiewelten, wie sie für 3D-Actionspiele geschaffen werden, spechen beispielsweise ästhetische Bedürfnisse nach Erkunden und Erfahren in zuvor nicht gekanntem Maße an. Dergleichen lässt sich selbstverständlich durch Gamification direkt übernehmen. Die erste Antwortet lautet also: Spiel-Elemente liefern vorgefertigte Belohnungsmechanismen. Die konzeptuelle Antwort betrifft den Begriff Gamification. Gamification beschreibt im Grunde nur ein durch Webanwendungen bekannt gewordenes Phänomen und keine systematische Methode. Gamification ist eher eine Heuristik dafür, Tätigkeiten belohnend zu gestalten. Es werden bewährte Mechanismen, wie es die Funktionsweisen von Spielen sind, übernommen. Die Beschränkung auf Spiele ist an sich unbegründet. Man könnte genauso gut Elemente anderer beliebter Tätigkeiten hinzu ziehen, wie Sport oder künstlerische Betätigung. Dennoch bietet es eine gewisse Perspektive auf eine Tätigkeit, wenn man von Spiel-Elementen spricht. Spiele sind mit Vergnügen, Unernst und Zeitvertreib assoziiert. Die zweite Antwort lautet daher: Gamification wertet eine Tätigkeit allein dadurch auf, dass sie danach erklärtermaßen etwas von einem Spiel hat und vielleicht als solches verstanden wird. 52 Literaturverzeichnis [Abt87] Abt, Clark C.: Serious games. University Press of Amer, 1987 [Ahn12] Ahn, Luis von: Human Computation. In: Google TechTalks (2012) [Atw11] Atwood, Jeff: The Gamification. http://www.codinghorror. com/blog/2011/10/the-gamification.html, 2011 [Atw12] Atwood, Jeff: For a Bit of Colored Ribbon. http://www.codinghorror.com/blog/2012/11/ for-a-bit-of-colored-ribbon.html, 2012 [Atw13] Atwood, Jeff: Why Ruby? http://www.codinghorror.com/ blog/2013/03/why-ruby.html, 2013 [BBH+ 08] Beecham, Sarah ; Baddoo, Nathan ; Hall, Tracy ; Robinson, Hugh ; Sharp, Helen: Motivation in Software Engineering: A systematic literature review. 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