Johann Wolfgang Goethe Faust 2 Version 1.0 Eine Werkraumtheaterproduktion 2007 FOTO & PRESSEMAPPE Mephista Mephista Faust Faust, König, Mephista Mephista, Faust Homunculus Homunculus Faust, Lynkeus, Helena Faust, Lynkeus, Mephista, Die Gesellen-Agentin Faust, Mephista, Engel Kleine Zeitung, Aviso, 15. März 2007 Faust 2, inszeniert von Franz Blauensteiner Faust 2 Version 1.0. Kristallwerk, ViktorFranz-Straße 9, Graz. Premiere: 17. 3., 20 Uhr. Weitere Aufführungen: bis 31. März. Tel. 0676789 78 99 Lysistrate. Theaterzentrum, Deutschlandsberg. Premiere: l7. 3., 20 Uhr. Weitere Aufführungen bis 31. März. Tel. (03463) 26 47 Theaterklassiker Goethes Faust, Teil 2, und „Lysistrate" von Aristophanes zeigen sich in neuem Gewand. F aust 1 ist ein „Reißer", Faust 2 gilt als quasi unspielbar. Das Werkraumtheater will das so nicht gelten lassen. Mit einer Inszenierung, die sich zwar genau an die von Goethe zugrunde gelegte Fabel hält, die aber durch textliche Komprimierung, filmische und musikalische Elemente das Verständnis erhöhen soll, will man zeigen, wie zeitgemäß, vielseitig und spielbar dieser „Faust 2" wirklich ist. Noch weiter zurück greift das Theaterzentrum Deutschlandsberg mit der antiken Komödie „Lysistrate" von Aristophanes. Julius Seyfahrth, der die Geschichte einer weiblichen Rebellion inszeniert, meint dazu: „Ich glaube an gewaltfreie Konfliktlösung und wünsche mir, dass sich mehr Menschen trauen, wie Lysistrate mutig unkonventionelle Wege einzuschlagen, um die eigenen Visionen durchzusetzen." KORSO, Kultur/ARTBox, Februar 2007 Werkraumtheater Faust II - vom Kopf auf die Füße gestellt Franz Blauensteiner, Rezka Kanzian Zen oder die Kunst Goethen gerecht zu werden: Ein Schauspieler-Paar lebt seit einem Jahrzehnt das Experiment vom eigenen Theater- und wagt sich jetzt mit Respekt und Frische an einen Stoff der Weltliteratur, um den große Häuser ängstlich einen Bogen schlagen. „Am Schnittpunkt zwischen Tradition und Avantgarde" agiere das Werkraumtheater, sagt Rezka Kanzian. Schon als Jugendliche hat sie in Kärnten in einer renommierten slowenischen Theatergruppe gespielt, dann während ihres Volkskundestudiums in Graz eine freie slowenische Laien-Theatergruppe gegründet. „Dann wollte ich mich professionalisieren." Private Schauspielausbildungen bei Dunja Tot, ihrem jetzigen Partner Franz Blauensteiner und im Ausbildungszentrum für artistisches Theater folgten. Orientierung gaben ihr das Wiener Serapionstheater (das jetzige Odeon-Theater) und Ariane Mnouchkines Theatre du Soleil, das sie während ihrer Arbeit als Au-pair in Paris erlebte. 1995 folgte die Gründung des Werkraumtheaters - „wir wollten einen theatralischen Freiraum schaffen", erzählt Franz Blauensteiner. „Ich hatte es satt, vom schwarzen Brett zu erfahren, was ich zu spielen habe." Zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht nur eine Ausbildung als Elektromechaniker, eine Graduierung in Shotokan, ein Gesangstudium am Kon-servatorium inklusive Prüfungen für Operngesang, eine Schauspielausbildung und die Ordination zum Zenmönch hinter sich, sondern auch bereits 20 Jahre Berufserfahrung als Schauspieler. Blauensteiner hatte Nebenrollen am Burgtheater gespielt, war am Akademie-theater engagiert gewesen, hatte am Wiener Schauspielhaus den Arthur in Genets „Balkon" und den König Uhu am Münchner TiK gespielt - und in „Kotfan ermittelt"; er hatte vier Semester lang körperliche Gestaltung an der Grazer Hochschute für Musik und darstellende Kunst unterrichtet und war am Münchner Theater der Jugend und am Residenztheater aufgetreten, hatte gespielt, produziert und gecoacht. Abseits von Lobbyismus, Networking und „kreativwirtschaftlichem" Dumbing down. „Das Werkraumtheater war unser beider Versuch, nicht länger entfremdet arbeiten zu müssen“, sagt Blauensteiner. „Seine Gründung war gleichzeitig auch ein politischer Akt", ergänzt Kanzian: „Wir wollten uns damit auch gesellschaftspolitisch wichtigen Themen stellen." Ganzheitliche, nicht entfremdete Arbeit am Theater heißt natürlich auch, bis zum Kostüm alles selbst zu machen - „aber davon bewegen wir uns gerade wieder ein bisschen weg und gehen wieder in Richtung mehr Spezialisierung". Politisch sind die Stücke des Werkraumtheaters immer - aber deswegen um nichts weniger eine sinnliche Erfahrung; so etwa eine der jüngsten Produktionen, die moderne Orestie „Die Götter sind tot - es leben die Götter" (Uraufführung April 2005), eine Auseinandersetzung über das Thema „Macht und Gerechtigkeit" in einem Land, wo die Gerichte nicht mehr funktionieren und das Einzige, was zählt, die Lobby ist ... Hier bestehen durchaus Verbindungen zum zeitgenössischen Kulturbetrieb und der freien Theaterszene: Wer erfolgreich sein will, tut gut daran permanent Kontakt zu potenten Fürsprechern zu halten. Das ist nicht unbedingt Sache der Werkraumtheater-Crew: „Ich hasse Lobbyismus“, gesteht Kanzian freimütig, „ganz abgesehen davon, dass es nicht möglich ist, ernsthaft Theaterarbeit zu leisten und gleichzeitig Networking zu betreiben." Das mag einer der Gründe dafür sein, wieso Stadt und Land dem Werkraumtheater trotz höchster Professionalität und gut besuchter Aufführungen Unterstützungen an der Wahrnehmbarkeitsgrenze gewähren. Der zweite Grund dafür liegt sicher in der unbeugsamen Haltung von Kanzian & Blauensteiner gegenüber den „kreativwirtschaftlichen Trends“: „Weder das Wühlen in der Depression noch die zeitgenössische Spaßkultur werden den realen Verhältnissen gerecht - ohne sich dem Markt zu entziehen gibt es keine Entwicklung." Das stößt nicht immer auf Verständnis: Bei der von der Stadt Graz verordneten Evaluierung der freien Theaterszene fragte eine Mitarbeiterin des Evaluierungsteams bei der Durchsicht der Finanzen des Werkraumtheaters fassungslos: „Warum hören Sie nicht einfach auf, wenn Sie so wenig Geld bekommen?" Von Harlekinen und Anarchisten. Dabei ist die Verbindung aus traditionellem Theater und avantgardistischen Elementen keineswegs unzugänglich - im Gegenteil die auf Figuren und Bauprinzipien der Commedia dell´ Arte beruhenden Stücke wie „Arlecchino und Co" (2001) und „Das Schlamass'l" (2006) demaskieren gesellschaftliche Verhältnisse auf anschauliche - manchmal durchaus grobe - Weise und zeigen auch Möglichkeiten des Widerstands. Einen herausragenden Platz nimmt das Dokumentarstück „Fall eines Anarchisten - Dr. Otto Gross" ein, das Blauensteiner für das Rahmenprogramm der OttoGross-Ausstellung des Grazer Stadtmuseums im Kulturhauptstadtjahr 2003 schrieb. Die Geschichte des die Fesseln bürgerlicher Sexualmoral sprengenden Originalgenies, das aufgrund seiner psychiatrischen und psychoanalytischen Ausbildung auch das theoretische Rüstzeug für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen besaß und sich ohne Rücksicht auf Verluste gegen die totalitäre Ökonomisierung des menschlichen Wesens stemmte, war einer der ganz großen Erfolge des Werkraumtheaters. Der heuer folgenden „Faust 2 - Produktion, die ihre Uraufführung am 17. März im Grazer „Kristallwerk" erleben wird, darf zumindest ähnliche Resonanz vorausgesagt werden. Die Antithese zur Impro-Show. Seit zwei Jahren beschäftigt sich Blauensteiner mit einem der spannendsten Stoffe der Weltliteratur, mit dem zweiten Teil des Dr. Faustus, ohne den der erste nichts anderes wäre als ein gut gemachtes bürgerliches Trauerspiel mit ein paar magischen Elementen. Sekundärliteratur wurde durchgeackert, die Gespräche Goethes mit Eckermann, um eine authentische Interpretation zu gewinnen - „am Anfang muss immer die Recherche stehen, die Annäherung an die Aussageabsicht des Autors durch die verschiedenen historischen und literaturwissenschaftlichen Quellen", sagt Blauensteiner. Impro-Show ist das keine, so viel ist klar - sondern eine Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Stoff, die großen Bühnen gut anstehen würde. Und die Proben zeigen: Hier wird großes Theater mit den beschränkten Mitteln der freien Szene auf eine kleine Bühne gebracht, ohne dass ein Quäntchen der Wirkungsabsicht verloren geht. Das ist zum einen zweifellos der klugen Entscheidung geschuldet, den Originaltext zwar zu kürzen und vorsichtig sprachliche Anachronismen zu entfernen, sich aber sonst keine Freiheiten damit zu erlauben. Zum Zweiten liegt es wobt auch an der schauspielerischen Brillanz der Mitwirkenden - an erster Stelle von Mephista Rezka Kanzian und Faust Franz Blauensteiner, aber auch des restlichen Ensembles (Christine Scherzer, Thomas Bergner, Michael Spiess). Zum Dritten macht die Regie von Blauensteiner/Kanzian, die sich auf zurückhaltende Weise, aber eben doch aktueller technischer Hilfen bedient, einige Be-schränkungen der kleinen Bühne wett. An allererster Stelle ist die Qualität der Produktion aber – und hier schließt sich der Kreis - auf das tiefe Verständnis für das Werk zurück-zuführen, das sich das Ensemble erarbeitet hat. Zenmeister Goethe. Nach den zwei Jahren Beschäftigung mit dem Stoff habe er, sagt Blauensteiner, keinen Hinweis für die Richtigkeit einer freimaurerischesoterischen, christlich-mystischen oder anderweitig transzendenten Interpretation des Faust gefunden - wie sie noch immer kursieren. „Wie später Sartre sagt Goethe eigentlich nichts anderes, als dass man kein erlösendes Wissen vermitteln kann: Weder durch Philosophie noch wie der Helena-Handlungsstrang zeigt - durch Liebe oder Kunst.“ Und dass der aufgeklärte Goethe die Erlösung durch in den Himmel auffahrende Putten, die sich hinter dem Rücken des Unaussprechlichen handstreichartig der verkauften Seele bemächtigen, ernst gemeint haben könnte, ist schon allein deswegen unwahrscheinlich, weit die einschlägige Szene mehrfach ironisch gebrochen ist. „Nein, was bleibt, ist : ´Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.' Das ist eine Aussage aus dem tiefsten Geist der Humanität - die auch von einem alten Zen-Meister stammen könnte“, lächelt Blauensteiner. Und so dürfen wir uns auf eine Inszenierung freuen, die Faust II vom Kopf auf die Füße steht. Christian Stenner Produktionen des WERKRAUMTHEATERS (Auswahl) 1995 Der Froschkönig - ein modernes Psychodrama für Kinder 1996 Kuge, Blumen der Leerheit - ein Solo zu dritt Woman I - modernes No 1997 Woman II - modernes No 1998 Schubert - Report eines unvollendeten Lebens - eine dramatische Sinfonie 1999 Mediasokles - eine moderne Orestie 2000 Kinder des Olymp - Theaterstück 2001 Arlecchino & Co - Komödie Kn´ampf - Komödie 2002 Arlecchino in Love - Burleske im Stil der Commedia dell´ Arte Blanche & Noir - Clownerie 2003 Fall eines Anarchisten - Dr. Otto Gross - Dokumentarstück 2004 Kinder des Olymp - Neubearbeitung 2005 Die Götter sind tot - es Leben die Götter – eine moderne Orestie 2006 Das Schlamass'l - eine Hausgemeinheit in 3 Aufzügen 2007 Faust 2 Version 1.0 Falter, 12/07 „Eine ziemlich gute Fabel" Wer einmal im Leben „Faust 2" sehen will, hat derzeit Gelegenheit dazu. Das Grazer Werkraumtheater wagt eine komprimierte Fassung. HERMANN GÖTZ Entstanden ist die Idee vor zwei Jahren", erzählt Franz Blauensteiner. Der Reiz, sich an diesen Text zu wagen, ist als geradezu trotziger Reflex zu verstehen, „vor dem Hintergrund mangelnder Ressourcen und der Tendenz vieler freier Gruppen, sich auf Ein- oder Zweipersonenstücke zurückzuziehen". Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian sind das Grazer Werkraumtheater, wechselnde Mitarbeiter, die sich für eine Runde im Selbstausbeutungskarussell anschließen, nicht mitgezählt. „Mediasokles", „Die verlorenen Kinder des Olymp", „Schubert", „Der Fall Otto Gross", jetzt „Faust 2 Version 1.0" - die Stücktitel verraten eine unbescheidene Kunst, wobei Blauensteiner auch als Autor wirkt, in entlegenen Winkeln der Geistesgeschichte wühlt, tüftelt, philosophiert. Wenn Ernst M. Binder im Falter-Gespräch den permanenten Produktionsdruck kritisiert, der der freien Szene den Atem für große Projekte raubt, spricht er Kanzian/ Blauensteiner aus der Seele. Denn die haben sie ganz in ihre Kanzian, Blauensteiner: viel Seele großen Arbeiten gelegt, selbst wenn jedes Werkraum-Wahnsinnsprojekt Gefahr läuft, das letzte zu sein. Auch das aktuelle. Für „Faust 2" waren es zwei Jahre Vorbereitung im Windschatten einer komödiantischen Schmalspurproduktion („Das Schlamassl"), die Publikum und Geldgeber bei Laune halten sollte. Entstanden ist eine komprimierte FaustFassung, Videoeinspielungen ersetzen ein aufwendiges Bühnenbild und stellen Zusammenhänge her. Ein Einkaufswagen fährt durch alle Szenen und macht deutlich, dass der von teuflischen Versprechungen gehetzte Faust ein sehr aktueller Konsumenten-Held ist. Rollen werden radikal gekürzt und auf wenige Schauspieler aufgeteilt (wobei Neuzugang Christine Scherzer als echte Entdeckung auffällt). „Goethe ist ja ein recht guter Theaterautor", meint Blauensteiner und schiebt ein Lachen nach, „hinter jeder Szene gibt's eine ziemlich gute Fabel. Das Konzept war, Szene für Szene zu analysieren, sie auf diese Fabel zu reduzieren und dann zu überlegen: Was brauche ich von der Goetheschen Sprache, um das Stück auf die Bühne zu bringen. Goethe hat ein Psychodrama geschrieben, ein Stationendrama über einen Wahrheitssucher. Wenn man durch die Sprachgewalt durch ist, sind das ganz verständliche Lebensstationen." Dass der Werkraum seine Wurzeln in der Commedia dell' Arte hat, verleugnet er auch hier nicht, die Masken und Rollenwechsel des Faust legen das sogar nahe. Blauensteiner spielt den Faust selbst. Die Rolle allerdings verblasst neben der seines komödiantisch weit raffinierteren Begleiters: Rezka Kanzian gibt den Teufel als Mephista zwischen Vamp und Business-Lady, auch wenn das Kapital für echten PradaAufputz fehlte. „Der Teufel kann nur eine Frau sein", ruft Franz Blauensteiner, „aber es ist ja ein sympathischer Teufel." Rezka Kanzian lacht. Kleine Zeitung, 19. März 2007 FAUST - Tragödie, Teil 2, Wohnzimmerversion GRAZ. Bücherregal, Sofa, TV, fünf Schauspieler: Reduziert nähert sich das Werkraumtheater unter Teamregie „Göthes" Gelehrtentragödie. In der rund drei-stündigen „Faust 2" Version kristallisieren wunderbar Tragik, Gedankenfülle, Versklang. Neben Franz Blauensteiner Rezka als Kanzian Faust leistet Großartiges. „Mephisto" Beachtlich Christine Scherzer als u. a. Homunculus, „Kaiser" Michael Spiess sowie „Kanzler" Thomas Bergner. Filmsequenzen, Musik und Soundeffekte intensivieren die von Schuld durchzogene Lebensreise. EWS Faust 2 Version 1.0. Werkraumtheater, TTZ Kristallwerk, Viktor-Franz-Straße 9: 19., 20., 22., 23., 24., 26. bis 31.3. Tel. 0676 - 78 97 899. Heute, 27. März 2007 Faust 2 Version 1.0. Faust I gelesen, nur Teil zwei noch nicht geschafft? Das Werkraumtheater hat sich dem komplexen Stoff angenommen und teuflisch gut umgesetzt. Viktor-Franz-Str. 9, 0676 / 789 78 99, 20.00 Heute, 22. März 2007 Faust 2, Version 1.0. Faust I gelesen, nur Teil zwei noch nicht geschafft? Das Werkraumtheater hat sich des komplexen Stoffes angenommen und ihn solide gemeistert. Viktor-Franz-Straße 9, 0676 / 789 78 99, 20.00 Heute, 20. März 2007 Faust 2 Version 1.0. Habe nun ach schon „Faust I" gelesen ... Teil zwei des GoetheStücks nahm sich nun das Werkraumtheater an. Eine teuflisch gu-te Aufbereitung. Viktor-Franz-Str. 9, 0676/78 97 899, 20.00 Heute, 19. März 2007 Faust 2. Version 1.0. Ein bewundernswerter Kraftakt der Theaterkunst, der vom Werkraumtheater geboten wird: Goethes Faust II – in spannender Les- und Spielart: Viktor-Franz-Str. 9, 0676/789 78 99, 20.00 Die bunte Zeitung • APRIL - MAI - JUNI 2007 CULTURE CORNER GRAZ WERKRAUMTHEATER Ein Fest der Identifikation Das 1995 gegründete Werkraumtheater in Graz, das sich selbst als "Uraufführungstheater und künstlerisches Forschungslabor" betitelt, verarbeitet aktuell den als unspielbar geltenden Faust II - "Version 1.0". VON RUUD VAN WEERDENBURG IDENTIFIKATIONSBEREIT - Faust 2 Version1.0 ist auf dieser Leiste gefertigt. Nicht herablassend mit der Aufführung eines ehrfurchtgebietenden Klassikers protzen, sondern den Besucher zur Teilhabe anregen und zum Mitgestalten. Und der Schuster hält sich drei Stunden lang getreu und fachmännisch an seine Leiste. Beim Werkraumtheater ist gut Fuß zu fassen für den Abend und nachher. Besucher und Charaktere fließen naturgetreu ineinander. Die 23 Rollen, von fünf Darstellern auf der Bühne geboten, hüten die vordringlichste Intention und Fähigkeit, voll angenommen und verstanden zu werden. Kommunikation eben und keine Angeberei. Aus dieser Philosophie (eine gelenkige und risikoreiche Spielweise, die nach vielen Improvisationen ihre überzeugende Form gefunden hat) ergibt sich die Tatsache, dass der Schuh passt. Da geht es um. Da wird nicht hochmutig „Hamlet auf der Treppe" vorgeführt und kein Goethe minimiert. Mimik ist hier auffallend einflussreich - wie man erst hinterher bemerkt, wenn einer schon in einem Charakterzug „eingepackt" ist, und die ungeteilte Spielfreude ist die Spindel des Ganzes. Man trifft sich nicht irgendwo in der Mitte der Leiter zwischen Luft und Erde, Himmel und Hölle, sondern da wird auf den unterschiedlichsten Sprossen verweilt, ohne dort kleben zu bleiben. Engel, Kaiser, Furcht, Kanzler, Mutter, Baccalaureus, Knabe, Lenker, Trunkene und Plutus ... wo genau man ihnen begegnet ist, bleibt unklar, deutlich ist nur, dass es geschehen ist. Die Identifikation ist versiegelt. Der Anfang des Stückes geschieht zögernd und probeweise. Ein durchschnittlicher sterblicher Faust (Franz Blauensteiner), der Lampenfieber hat vor irgendeiner Reise… und dann eine (weibliche) Mephista (Rezka Kanzian), die man auch nicht unbedingt nur in einem Theater oder im Film bewundern kann ... Ungeschmückt ... wir zweifeln zwischen „jein" und „na". Und spüren während dessen nicht was mit uns geschieht. „Geht auch darum, das lineare Denken aufzulockern". Viel später erst kommt man dann darauf: „Der Teufel steckt im Detail". Notizen sind das ... Zum Stück und zur Umsetzung ... Christine Scherzer und Michael Spiess tasten eher begeistert als fieberhaft die zärtliche und satyrhaften Facetten der Welt und der Fantasie ab. Diese Beflügeltheit trägt bei beiden die Handschrift der Gesang-auf-der-Bühne-Erfahrung. Während Kanzian und Blauensteiner schon längst in die ernsthaften Folgen von weißer und schwarzer Magie eingezogen sind. Aber zur viert, zusammen hockend auf und rund um die Couch zum Beispiel, mit Cyberspace-Brillen durch das Publikum schauend, sind sie auch sehr stark im Hervorbringen des Erotischen Abenteuers der Antike. Auch hier findet eine Interaktion statt, die viele Assoziationen beim Besucher entstehen lässt. Steine fallen aus Kronen und werden wie nährreiche Maiskörner aufgepickt. Im TTZKristallwerk in Graz. Verdaut werden sie erst im Nachhinein. Die Art wie Mephista zum Schluss den Geist von Faust durch den Engel wegführen lasst, erinnert sehr an die Auferstehung Christus; wie es in dem Gemälde von Pierro della Fransesca gezeigt wird. Es ist immer interessant, zu sehen, wie Künstler, die sich dem Mainstream entziehen, aufgefangen werden von Kollegen aus anderen Jahrhunderten. Christus steigt auf sein eigenes Grab, während die Wächter an beiden Seiten eingeschlafen sind. Bei Faust 2. Version 1.0 spielt es sich hinter der Couch ab. Ein Teil, Mephistas Rücken - und die Couch sowieso - verbergen die Leiche von Faust, die dahinter liegt. Der weiße Engel erscheint fast unmerklich und begeleitet den scheinbar gewichtlosen Geist, nach sonst wohin ... ‚ und Mephista dreht sich zu spät und wütend um. Übergangen ... WWW.WERKRAUMTHEATER.AT