Vorkurs Mathematik für neu eingeschriebene Studierende der Chemie Bernd M. Nestmann Institut für Physikalische und Theoretische Chemie Universität Bonn 20. April 2005 1 Inhaltsverzeichnis 1 Begriff der Funktion 1.1 1 Funktionen und ihre Darstellungen . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.1 Darstellung durch eine Gleichung (explizit) . . . . . . . . 1 1.1.2 Darstellung durch eine Tabelle . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.3 Darstellung als Graphik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Weitere Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3 Verknüpfung von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3.1 I. Verknüpfung der Funktionswerte . . . . . . . . 6 1.3.2 II. Verknüpfung durch Substitution . . . . . . . . . 10 1.3.3 Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.4 1.5 1.4.1 Definition des Sinus und des Cosinus eines Winkels 14 1.4.2 Rechenregeln für Sinus und Cosinus . . . . . . . . 15 1.4.3 Tangens und Cotangens . . . . . . . . . . . . . . 16 Exponential– und Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . 17 1.5.1 Definition der Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . 17 1.5.2 Eigenschaften von exp(x) . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.5.3 Definition der Eulerschen Zahl e . . . . . . . . . . . . . 21 1.5.4 Definition und Eigenschaften der Logarithmusfunktion ln(x) 22 1.5.5 Definition von ax und loga (x) . . . . . . . . . . . . . . 22 i 2 Grenzwerte 23 2.1 Grenzwerte von Zahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Rechenregeln für Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2.1 26 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit . . . . 3 Zahlensysteme 28 3.1 Umkehrung von Rechenoperationen . . . . . . . . . . . . 28 3.2 Natürliche, ganze, rationale, reelle, komplexe Zahlen . . . 30 3.3 Darstellung und Rechenoperationen für komplexe Zahlen . 32 3.3.1 Definition der komplexen Zahlen . . . . . . . . . 32 3.3.2 Komplexe Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.3.3 Eulersche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ii 1 Begriff der Funktion 1.1 1.1.1 Funktionen und ihre Darstellungen Darstellung durch eine Gleichung (explizit) y = f (x) = 1 x Bedeutung Einer vorgegebenen Zahl x (unabh¨ angig Ver¨ anderliche) wird mittels eines fesgelegten Bildungsgesetzes f (x) (Funktion) eine Zahl y (abh¨ angig Ver¨ anderliche) zugeordnet. Definitionsbereich: Reele Zahlen6=0 Reele Zahlen6=0 Wertebereich: 1.1.2 Darstellung durch eine Tabelle x 4 2 1 y 1 4 1 2 1 2 1 4 − 14 − 12 −1 −2 −4 0 1 2 4 −4 −2 −1 − 41 − 12 − Definitionsbereich: {−4, −2, −1, − 21 , − 14 , 41 , 12 , 1, 2, 4} Wertebereich: {−4, −2, −1, − 21 , − 14 , 41 , 12 , 1, 2, 4} 1 1.1.3 Darstellung als Graphik 4 y 2 0 -2 -4 -4 -2 0 2 4 x x-Achse: Abszisse y-Achse: Ordinate Beispiel: Ohmsches Gesetz Spannung U = IR U werde festgehalten, Widerstand R werde ver¨ andert, Strom I wird in Abh¨ angigkeit von R betrachtet: I = f(R) Ohmsches Gesetz in obiger Form liefert implizite Darstellung von f(R): U = f(R) R =⇒ explizite Darstellung von f(R): I = f(R) = 2 U . R 1.2 Weitere Beispiele Beispiel 1 Für eine rechteckige Fl¨ ache sei die l¨ angere Seite b √ 2 mal so lang wie die kürzere Seite a. Wie berechnet sich die Fl¨ ache F aus a ? F = a·b √ b= 2a ) √ √ 2 =⇒ F(a) = a 2 a = 2 a ≈ 1.414 a2 Die kürzere Seite sei 0.5 m =⇒ a = 0.5 √ F(0.5) = 2 · 0.52 = 0.35355, d.h. die Fl¨ ache betr¨ agt 0.35355 m2. Beispiel 2 Eine Glasscheibe habe obige Form. Der Preis P setze sich zusammen aus = 14 EUR/m2 PG : Preis für das Glas PZ : Preis für den Zuschnitt = 12 EUR/m (Schnittl¨ ange=Umfang U) also P = PG + PZ = 14 F + 12 U 3 Die L¨ ange der kürzeren Seite sei wieder a. Was kostet die Glasscheibe ? F = U = √ 2 2a = √ = 2 (1 + 2) a, P(a) = 2a + 2b √ 2a + 2 2 a 14 √ √ 2 a + 12 · 2 (1 + 2) a 2 Die kürzere Seite sei 2 m =⇒ P(2) = 14 √ √ 2 4 + 12 · 2 (1 + 2)2 = 79.20 + 115.88 = 195.08 d.h. die Glasscheibe kostet 195.08 EUR. Beispiel 3 Es stehen 100 EUR zur Verfügung, wie groß darf die Glasscheine sein ? gegeben: P gesucht: a P = A · a2 + B · a mit A = 14 √ 2 ≈ 19.80 √ B = 12 · 2 (1 + 2) ≈ 57.94 4 Auflösen der Gleichung nach a: A · a2 + B · a − P = 0 B P a2 + a − = 0 A A r B2 P B + a = − ± 2 2A 4A A s 4PA B B2 1+ 2 = − ± 2A 4A2 B s B B 4PA = − ± 1+ 2 2A 2A B ! r B 4PA = ± 1+ 2 −1 2A B Nur positive Lösungen interessieren =⇒ ! r 4A B 1+ 2P −1 a(P) = 2A B √ ≈ 1.463 1 + 0.02359 P − 1 Probe: P=195.08 √ a(195.08) = 1.463 5.602 − 1 = 1.463 · 1.367 = 2.000 Obiges Problem √ a(100) = 1.463 2.359 + 1 − 1 = 1.463 · 0.833 = 1.219 d.h. die kürzere Kante darf höchstens 1.219 m lang sein. 5 1.3 Verknüpfung von Funktionen 1.3.1 I. Verknüpfung der Funktionswerte Beispiel: Sei 1 , x g(x) = x2, f (x) = h(x) = f (x) + g(x). =⇒ x f(x) g(x) h(x) 0.25 4 0.5 2 0.25 2.25 1 1 1 2 2 0.5 4 4.5 4 0.25 16 16.25 -1 -1 1 0 0.0625 4.0625 Aus der Identität y = f (x) = x lassen sich durch derartige Verknüpfungen folgende Klassen von Funktionen erzeugen: Potenzfunktionen y = xn Potenzieren der Identit¨ at. Polynome y = a n xn + · · · + a 1 x + a 0 Multiplizieren der Potenzfunktionen mit Konstanten und Addition. a m xm + · · · + a 1 x + a 0 Rationale Funktionen y = Division von Polynomen. b n xn + · · · + b 1 x + b 0 Grad eines Polynoms (in x): größter auftretender Exponent von x. 6 Bemerkung Summe, Differenz und Produkt von Polynomen sind wieder Polynome. Der Grad des Produkt-Polynomen ist gleich der Summe der Grade der Faktoren. Beispiel P1(x) = x3 + 3 · x2 + 3 · x + 1 P2(x) = x2 − 4 P1(x) ∗ P2(x) = = x2 −4 ·(x3 + 3 · x2 ·(x3 + 3 · x2 x5 + 3 · x +1) + 3 · x +1) + 3 · x4 + 3 · x3 +x2 −4x3 − 12 · x2 + 12 · x +4. x5 x4 x3 1 3 x2 3 x 1 1 -4 -12 -12 -4 1 3 -1 -11 -12 -4 P1(x) ∗ P2(x) = x5 + 3 · x4 − x3 − 11 · x2 − 12 · x − 4 Beispiel (x + 1)2 = x2 + 2x + 1 (x + 1)3 = x3 + 3x2 + 3x + 1 (x + 1)4 = x4 + 4x3 + 6x2 + 4x + 1 ... n n n n n n (x + 1)n = x + xn−1 + xn−2 + · · · + x+ n n−1 n−2 1 0 7 n · (n − 1) · · ·(n − m + 1) n n! = = m! · (n − m)! 1 · 2 · · ·m m z.B. 4 4·3 = 2 1·2 Pascalsches Dreieck 0 0 1 1 0 1 2 2 2 = 0 1 2 3 3 3 3 0 1 2 3 4 4 4 4 4 0 1 2 3 4 ... 1 1 1 1 1 Definition: 1 2 3 4 1 3 6 ... 1 4 1 n+1 n n = + m+1 m m+1 n n n! 0! = 1, =⇒ = = = 1 n 0 0! · n! 8 Bemerkung Summe, Differenz, Produkt und Quotiont rationaler Funktionen ergeben wieder eine rationale Funktion. Regel: Seien P1(x) und P2(x) zwei Polynome in x vom Grade m und n, mit m > n. Dann gibt es die Zerlegung: P1(x) P10 (x) f (x) = = P0 + , P2(x) P2(x) wobei P0 und P10 eindeutig bestimmte Polynome vom Grade m − n und m0 mit m0 < n sind. P0 und P10 erh¨ alt man durch Polynom-Division. Beispiel P1(x) = x3 + 3x2 + 3x + 1 P2(x) = x − 1 x3 + 3 · x2 + 3 · x + 1 :(x − 1) = x2 + 4 · x + 7 - x3 - - x2 4 · x2 + 3 · x + 1 4 · x2 - 4 · x 7·x + 1 7·x - 7 8 x3 + 3 · x 2 + 3 · x + 1 8 = x2 + 4 · x + 7 + x−1 x−1 Probe: Es muss gelten P1(x) = P2(x) P0(x) + P10 (x), also x3 + 3x2 + 3x + 1 = (x − 1) (x2 + 4 · x + 7) + 8 . 9 1.3.2 II. Verknüpfung durch Substitution Sei 1 , x z = g(y) = y2, y = f (x) = =⇒ durch Substitution von y in g(y) durch f (x): 2 1 . z = h(x) = g ( f (x)) = x f(x) g(y) y z x h(x ) = g( f( x )) Weiteres Beispiel Gerade in der (x,y)-Ebene durch den Punkt (x0, y0) mit dem Anstieg a: y = f (x) = a (x − x0) + y0 =⇒ (y − y0) = a (x − x0). Gerade in der (y,z)-Ebene durch den Punkt (y0, z0) mit dem Anstieg b: z = g(y) = b (y − y0) + z0 =⇒ (z − z0) = b (y − y0). Substitutions von y in g(y) durch f (x): z = g( f (x)) = b a (x − x0) + z0 =⇒ Gerade in der (x,z)-Ebene durch den Punkt (x0, z0) mit dem Anstieg a b. 10 Anwendung Sei f (x) eine Funktion mit f (x0) = y0 und der Tangente y = a (x − x0) + y0 an der Stelle x0. y y=a(x−x0)+y0 y0 y=f(x) η ξ 0 x0 a =η/ξ = df/dx|x x 0 Sei g(y) eine Funktion mit g(y0) = z0 und der Tangente z = b (y − y0) + z0 an der Stelle y0. Dann ist z = b a (x − x0) + z0. die Tangente der Funktion g( f (x)) an der Stelle x0: “Bildung der Tangente vertauscht mit Substitution” =⇒ d f (y) d f (x) d f (g(x)) = ba = dx x=x0 dy y=y0 dz x=x0 (“Substitutionsregel”) 11 Beispiel h(x) = sin(x2), f (x) = x2, g(y) = sin y, d f (x) = 2 x, dx dg(y) = cos y = cos(x2), dy dh(x) dg( f (x)) = = 2x cos(x2). dx dx Es gilt allgemein: Substitution der unabh¨ angig Ver¨ anderlichen in einem Polynom durch ein Polynom ergibt wieder ein Polynom, in einer rat. Funkt. durch eine rat. Funkt. ergibt wieder eine rat. Funkt. 1.3.3 Umkehrfunktion Es gelte: g( f (x)) = x für alle x aus dem Definitionsbereich von f und f (g(y)) = y für alle y aus dem Definitionsbereich von g, dann heißt f Umkehrfunktion von g, und g Umkehrfunktion von f . 12 x g(y) f(x) y Notwendige Bedingung für f (x) eine Umkehrfunktion zu besitzten: f (x) muss umkehrbar eindeutig sein, d.h.: aus f (a) = f (b) folgt a = b. Paare von Umkehrfunktionen f (x) Def.Ber. von f g(y) y b ax+b reelle Zahlen für a 6= 0 : − a a 1 1 reelle Zahlen 6= 0 x y √ x2 reelle Zahlen ≥ 0 y √ x2 reelle Zahlen ≤ 0 − y n√ xn reelle Zahlen ≥ 0 y π π sin x − ≤x≤ arcsin y 2 2 cos x 0≤x≤π arcsin y π π tan x − <x< arctan y 2 2 ex reelle Zahlen ln y ln y ax reelle Zahlen für a > 0 : ln a 13 Def.Ber. von g reelle Zahlen reelle Zahlen 6= 0 reelle Zahlen ≥ 0 reelle Zahlen ≥ 0 reelle Zahlen ≥ 0 −1 ≤ y ≤ 1 −1 ≤ y ≤ 1 reelle Zahlen reelle Zahlen > 0 reelle Zahlen > 0 1.4 1.4.1 Trigonometrische Funktionen Definition des Sinus und des Cosinus eines Winkels voller Kreis: α = 2 π, e us ten po y H c α b a Ankathete zu α Gegenkathete zuα Gegeben sei ein rechtwinkliges Dreieck mit den beiden anderen Winkeln π α und − α 2 α sei als Bogenmaß gegeben π rechter Winkel: α = , 2 Halbkreis: α = π, Gegenkathete a = Hypotenuse c Ankathete b cos α = = Hypotenuse c sin α = Darstellung am Einheitskreis y 1 π/2−α α −sin α −1 −cos α sin α −1 14 1 cos α x 1 cosα sinα 0.5 0 -0.5 -1 -4 -2 0 2 4 α 1.4.2 Rechenregeln für Sinus und Cosinus Pythagoras =⇒ sin2 α + cos2 α = 1 =⇒ cos α = sin α = p p 1 − cos2 α 1 − sin2 α Darstellung am Einheitskreis =⇒ sin(−α ) = − sin α (ungerade Funktion), cos(−α ) = cos α (gerade Funktion), sin(α + n 2π ) = sin α (n ganzzahlig;Periodizit¨ at, Periode: 2π ), cos(α + n 2π ) = cos α , sin α = cos(π /2 − α ), cos α = sin(π /2 − α ). 15 Additionstheoreme: sin(α + β ) = cos α sin β + sin α cos β , cos(α + β ) = cos α cos β − sin α sin β . 1.4.3 Tangens und Cotangens Definition des Tangens tan α = Gegenkathete sin α = . Ankathete cos α Darstellung am Einheitskreis =⇒ tan(α + π ) = sin(α + π ) − sin α = tan α (Periode π ). = cos(α + π ) − cos α 4 tanα 2 0 -2 -4 -4 -2 0 2 4 α Definition des Cotangens cot α = Ankathete cos α π = (tan α )−1 = − tan(α − ). = Gegenkathete sin α 2 16 Umkehrfunktion zu tan α : 1.5 1 0.5 α arctan x 0 -0.5 -1 -1.5 -4 -2 0 2 4 x 1.5 1.5.1 Exponential– und Logarithmusfunktion Definition der Exponentialfunktion Es werde am Jahresanfang ein Guthaben G0 auf die Bank eingezahlt. Dieses Guthaben werde mit einem Jahreszins z verzinst. Guthaben nach: einem Jahr: G 1 = G0 + z · G 0 = zwei drei n G0 · (1 + z) Jahren: G2 = G1 + z · G1 = G1 · (1 + z) = G0 · (1 + z)2 Jahren: G3 = G2 + z · G2 = G2 · (1 + z) = G0 · (1 + z)3 G0 · (1 + z)n Jahren: Gn = z.B.: z = 0.07 (= 7%) : 17 Jahre Guthaben 0 1 · G0 1.07 · G0 1 2 1.1449 · G0 3 1.2250 · G0 5 1.4026 · G0 8 1.7182 · G0 Verzinsung 2 1.5 1 0.5 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Jahre Der Jahreszins (z = 7%) und der Zeitraum (1 Jahr) seien festgehalten , die Abrechnungszeitr¨ aume ver¨ anderlich. Zeitraum Anzahl/Jahr V ermehrung am Jahresende Jahr 1 Halbjahr 2 Monat Tag Stunde Grenzwert 12 365 8760 lim n→∞ 1+z z (1 + )2 2 z 12 (1 + ) 12 z 365 (1 + ) 365 z 8760 ) (1 + 8760 z (1 + )n n 18 = 1.07 = 1.071225 = 1.072290 = 1.072501 = 1.072508 = 1.072508 Wachstum des Guthabens in einem Jahr bei Jahreszins z und beliebig kleinen Abrechnungszeitr¨ aumen: z n exp(z) := lim 1 + n→∞ n Wachstum des Guthabens in t Jahren bei Jahreszins z und beliebig kleinen Abrechnungszeitr¨ aumen: t z n exp(t z) := lim 1 + n→∞ n Bedeutung von z in exp(zt) Der Zinssatz z gibt den Wachstumsfaktor des Guthabens pro Zeiteinheit an z exp(zt) = d exp(zt) dt d.h. exp(zt) beschreibt ein konstantes relatives Wachstum, bzw einen konstanten relativen Zerfall mit der Wachstums- bzw. Zerfallsrate z. Insbesondere gilt (z = 1, t = x) exp(x)0 = exp(x). Seien t1 und t2 zwei aufeinanderfolgende Zeitr¨ aume. Dann ist der Wachstumsfacktor der Guthabens über den Gesamtzeitraum zum einen gleich exp(z (t1 + t2) = exp((zt1) + exp(zt2)), exp(zt1) exp(zt2), zum anderen gegeben durch also gilt exp((zt1) + (zt2)) = exp(zt1) exp(zt2). 19 1.5.2 Eigenschaften von exp(x) Es gilt 1. (wie eben demonstriert) exp(x1) · exp(x2) = exp(x1 + x2) 2. 0 exp(0) = lim 1 + n→∞ n n = lim 1 = 1 n→∞ 3. exp(x1 − x2) · exp(x2) = exp(x1) =⇒ exp(x1) = exp(x1 − x2), exp(x2) und insbesondere 1 = exp(−x) . exp(x) 4. Für x > 0 gilt: x n exp(x) = lim 1 + ≥ (1 + x) > 1 =⇒ n→∞ n 1 < 1 =⇒ 0 < exp(−x) = exp(x) Definitionsbereich: alle reellen Zahlen, Wertebereich: alle positiven Zahlen. 5. x2 > x1 =⇒ exp(x2) = exp(x1) · exp(x2 − x1) > exp(x1) 20 d.h. exp(x) ist streng monoton wachsend. 6. · · + x}) =⇒ exp(x)m = exp(x) · · · exp(x) = exp(x| + ·{z {z } | m mal m mal exp(x)m = exp(m · x) 1.5.3 Definition der Eulerschen Zahl e e := exp(1) = lim 1 + n→∞ Folgerungen 1 n n = 2.718282 1. exp(m) = exp(m · 1) = exp(1)m = em, 2. m 1 1 1 e = exp(1) = exp +···+ = exp , =⇒ m m m | {z } m−mal √ 1 1 = m e = em . exp m 3. Schreibweise: ex := exp(x) ist im Einklang mit (ganzzahligen) Potenzen und Wurzeln von e. 21 1.5.4 Definition und Eigenschaften der Logarithmusfunktion ln(x) Die Logarithmusfunktion ist die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion: eln(x) = x für positive x, ln(ey) = y für beliebige reelle y. Eigenschaften 1. Die Logarithmusfunktion ist als Umkehrfunktion der Exponentialfunk- tion nur für positive Zahlen erkl¨ art. 2. ln(x) > 0 für x > 1 = 0 für x = 1 < 0 für 0 < x < 1 3. Mit y1 = ln(x1), y2 = ln(x2) erh¨ alt man: ln(x1 · x2) = ln(ey1 · ey2 ) = ln(ey1+y2 ) = y1 + y2 = ln(x1) + ln(x2) . 1.5.5 Definition von ax und loga (x) Wegen a = e ln a x definiert man a := e ln a x = ex ln a. Sei umgekehrt y gegeben, mit y = ax , dann gilt wegen obiger Definition: ln y = x ln a, ln y x = , ln a 22 also ist loga(y) := ln y die Umkehrfunktion zu ax. ln a 23 2 Grenzwerte 2.1 Grenzwerte von Zahlenfolgen Beispiele für unendliche Zahlenfolgen 1. Natürliche Zahlen: 1, 2, 3, 4, · · · , n, · · · 1 1 1 1 2. Reziproke der natürlichen Zahlen: 1, , , , · · · , , · · · 2 3 4 n (n−1) 5 19 65 211 2 3. Geometrische Reihe: 1, , , , ,··· , · · · , a(n−1) + 3 9 27 81 3 (an ist das n-te Glied der Folge), 4. Alternierende Folge: 1, −1, 1, −1, · · · , (−1)(n−1), · · · Folge 2. hat den Grenzwert 0, Folge 3. den Grenzwert 3. Die Folgen 1. und 4. haben keinen Grenzwert. Unendliche Zahlenfolge: {an} = a1, a2, a3, · · · , an, · · · d.h. zu jeder natürlichen Zahl n gibt es eine Konstruktionsvorschrift f ür an. Definition a = lim an: n→∞ Zu jedem beliebig (klein) vorgebbaren ε > 0 existiert eine nat ürliche Zahl nε , daß für alle n ≥ nε stets |an − a| < ε gilt. Man sagt dann, Folge {an} konvergiert gegen den Grenzwert a Beispiel: an = n−1 1 2 3 4 , , , , ··· , ,··· 2 3 4 5 n Behauptung: lim an = 1. n→∞ 24 Sei ein beliebig kleines ε > 0 vorgegeben . 1 1 1 1 W¨ ahle nε > =⇒ < ε . Für n > nε folgt < < ε . Somit gilt ε nε n nε n − 1 |an − 1| = − 1 n 1 = 1 − − 1 n 1 = n < ε, für n > nε und damit n−1 = 1. n→∞ n Andere Definition der Konvergenz einer Folge: lim {an} ist konvergent, wenn zu jedem beliebig (klein) vorgebbaren ε > 0 eine natürliche Zahl nε existiert, daß für beliebiges m > nε stets |anε − am| < ε gilt. Bemerkung: Der Grenzwert a kommt in dieser Definition nicht vor, sie wird deshalb auch zur Einführung der reellen Zahlen verwendet: jede reelle Zahl l¨ aßt sich als Folge rationaler Zahlen darstellen, die obiges Kriterium erf üllt. 2.2 Rechenregeln für Grenzwerte lim an = a, lim (an ± bn) = a ± b, n→∞ lim (an · bn) =⇒ n→∞ lim bn = b, an n→∞ lim n→∞ bn n→∞ 25 = = a · b, a , falls bn, b 6= 0. b Beispiele: 1 = 0, n→∞ n lim a = a, lim n→∞ n−1 1 = lim (1 − ) = 1, n→∞ n n→∞ n für an > 0 : √ √ √ lim an = lim ( an · an) = ( lim an)2 =⇒ n→∞ n→∞ n→∞ q √ lim an = lim an, n→∞ n→∞ ! 1 1 p = x lim x p n→∞ 1 + x2/n2 lim 1 + x2/n2 lim n→∞ = xq = xq 1 lim (1 + x2/n2) n→∞ 1 1 + x2( lim 1/n)2 n→∞ = x Definition: Beispiele: Eine nicht konvergente Folge heißt divergent. {(−1)n}, {n} 26 2.2.1 Grenzwerte von Funktionen und Stetigkeit Definition Sei eine Funktion f (x) in einem Intervall I um die Stelle x0 aber nicht notwendig in x0 selbst definiert. Man betrachtet nun Zahlenfolgen {xn} mit den Eigenschaften: 1. xn ∈ I für alle n, 2. xn 6= x0 für alle n, 3. lim = 0. n→∞ Gilt für alle Folgen mit diesen Eigenschaften: lim f (xn) = a, n→∞ so schreibt man lim f (x) = a. x→x0 y f(x f(x32 )) f(x1 ) f(x) x0x3x2 x1 27 x Beispiel sin(x) für x 6= 0. Man kann zeigen: x lim f (x) = 1. f (x) = x→0 1 sin(x) x 0.5 y 0 -0.5 -1 -4 -2 0 2 4 x Definition Sei eine Funktion f (x) in einem Intervall I um die Stelle x0 definiert. f (x) heißt stetig in x0 wenn gilt: lim f (x) = f (x0) x→x0 Insbesondere gilt für eine konvergente Folge {xn}, mit lim = x0 f (x) xn →∞ stetig ist: lim f (xn) = f ( lim xn) (= f (x0)), n→∞ n→∞ sofern f (x) in x0 stetig ist; d.h.: der Grenzübergang ist mit der Funktion vertauschbar. 28 Beispiele für nicht stetige Funktionen: x fürx 6= 0 |x| f (x) = nicht stetig in x = 0 (Sprünge), 1 fürx = 0 x f (x) = 2 nicht stetig in x = −1, 1 (Pole), x −1 f (x) = tan(x) nicht stetig in x = n π (Pole), 1 f (x) = e x nicht stetig in x = 0. Bemerkung Alle im Abschnitt 1 behandelten Funktionen sind da, wo sie definiert sind, auch stetig. 3 Zahlensysteme 3.1 Umkehrung von Rechenoperationen Umkehrung von Rechenoperationen Beispiel: Addition a + |{z} b = |{z} x |{z} bekannt Umkehrung: unbekannt a + |{z} x = |{z} b |{z} bekannt oder bekannt unbekannt bekannt x = b − a. Spezialf¨ alle: 1. a + x = a =⇒ ”x bewirkt nichts” =⇒ x = 0 2. a + x = 0 =⇒ ”x macht a rückg¨ angig” =⇒ x = −a. 29 Beispiel: Multiplikation a · x = b =⇒ x := b : a := b . a Spezialf¨ alle: 1. a · x = a =⇒ ”x bewirkt nichts” =⇒ x = 1 1 2. a · x = 1 =⇒ ”x macht a rückg¨ angig” =⇒ x = . a Rechenregeln der Bruchrechnung x und y erfüllen die Bedingungen b a · x = b, d.h. x = , a d c · y = d, d.h. y = . c 1. Multiplizieren der Gleichungen: a · c · x · y = b · d, d.h. x · y = b·d . a·c 2. Multiplizieren der ersten Gleichung mit c, der zweiten mit a, und Addieren: a·c·x+c·a·y = a · c (x + y) = b · c + a · d, d.h. 3. Sei außerdem x y · z = x, d.h. z = . y 30 b·c+a·d . a·c Durch Multiplizieren mit a · c und Ersetzen von a · x durch b und c · y durch d erh¨ alt man: a · c · y · z = a · c · x, a · d · z = b · c, d.h. x = b·c . a·d Die Rechenregeln für die Umkehroperationen ergeben sich notwendig aus denen den ursprünglichen Operationen. 3.2 Natürliche, ganze, rationale, reelle, komplexe Zahlen Das System von Zahlen B ist eine Erweiterung eines Systems von Zahlen A unter Berücksichtigung bestimmter, in A definierter Rechenoperationen und Rechenregeln, wenn 1. A Teilmenge von B ist, 2. die in A betrachteten Operationen auf B ausgedehnt werden k önnen, 3. die über A betrachteten Rechenregeln auch über B gültig sind. 31 Zahlensysteme Zahlensystem Beispiel Natürliche Zahlen 1,2,3,· · · Ganze Zahlen Rationale Zahlen Reelle Zahlen Erzeugt durch Definierte Operationen Z¨ ahlen +, · · · · ,-2,-1,0,1,2,· · · Subtrahieren +, −, · p Dividieren +, −, ·, : , p, q ganz q √ π , e, 2 Grenzwerte +, −, ·, : unendlicher Folgen 32 Komplexe Zahlen i, 1, −i, · · · Lösungen von x2 + 1 = 0 √ +, −, ·, :, x Natürliche Zahlen ⊂ ganze Zahlen ⊂ rationale Zahlen ⊂ reelle Zahlen ⊂ komplexe Zahlen. Betrachtete Rechenregeln: Kommutativgesetze: a + b = b + a, Assoziativgesetze: a·b = b·a (a + b) + c = a + (b + c), (a · b) · c = a · (b · c) Distributivgesetz: c · (a + b) = c · a + c · b Darstellung und Rechenoperationen für komplexe Zahlen 3.3 3.3.1 Definition der komplexen Zahlen Ziel: Lösbarkeit aller quadratischer Gleichungen durch Erweiterung des Bereiches der reellen Zahlen. are Einheit i, die Weg: Die rellen Zahlen werden erweitert durch die imagin¨ als Nullstelle der im reellen nicht lösbaren Gleichung: x2 + 1 = 0 gesetzt wird. =⇒ i ist keine reelle Zahl und es gilt i2 = −1. Durch Addition und Multiplikation mit reellen Zahlen (unter Beachtung obiger Rechenregeln) erh¨ alt man: - die imagin¨ are Zahlen a · i mit a reell, - die komplexen Zahlen z = a + b · i mit a, b reell. a heißt Realteil: a = ℜ(z), b heißt Imagin¨ arteil: b = ℑ(z). Die komplexen Zahlen sind gegenüber Addition, Multiplikation und deren Umkehroperationen abgeschlossen, 33 d.h. diese Operationen führen zu keiner Erweiterung der komplexen Zahlen. 3.3.2 Komplexe Zahlenebene Die komplexen Zahlen lassen sich als Punkte in einer Ebene darstellen: Im z Im(z) |z| φ =arg(z) 0 Re Re(z) z* Definition: z∗ = a − bi heißt konjugiert-komplex zu z = a + bi. Bedeutung: z, an der reellen Achse gespiegelt √ Definition: |z| = a2 + b2 heißt Betrag von z = a + bi. Bedeutung: Abstand von z von der 0. b Definition: arg z = arctan + n π heißt Argument von z = a + bi. a Bedeutung: Winkel der Verbindungsgeraden von 0 und z und der positiven Richtung der reellen Achse. Z.B. arg z = π bedeutet: z ist eine negative reelle Zahl. Weitere Beziehungen zwischen den Bestimmungsgrößen von z 1. ℜ(z) = |z| · cos(arg z). 2. ℑ(z) = |z| · sin(arg z). 34 3. |z∗| = |z|. 4. arg z∗ = − arg z. 5. Andere Darstellung des Betrags: z · z∗ = (a + bi) · (a − bi) = a2 + b2 = |z|2. 6. Inverses einer komplexen Zahl: 1 z∗ = 2. z |z| 7. Betrag des Produktes: |z1 · z2| = |z1| · |z2|. 8. Argument des Produktes: arg(z1 · z2) = arg z1 + arg z2. 9. Lösungen der Gleichung z3 = 1: 35 Im 1 z2 2/3 π −1 z1 1 Re z3 −1 3.3.3 Eulersche Formel Exponentialfunktion für komplexe Zahlen Definition z n e = lim 1 + n→∞ n z Bemerkung Der Grenzwert für komplexe Zahlenfolgen ist formal völlig gleich zum Grenzwert für reelle Folgen definiert. Man beachte allerdings die Definition von |zn − z0| im Komplexen. Eigenschaften - Für x reell gilt: eix = cos x + i sin x 36 =⇒ (Eulersche Formel) für z = a + ib gilt: ez = ea (cos b + i sinb). - Für reelle t und z = a + ib gilt: d zt d at e = e (cos(bt) + i sin(bt)) dt dt = a eat (cos(bt) + i sin(bt)) + b eat (− sin(bt) + i cos(bt)) = (a + ib) eat (cos(bt) + i sin(bt)), also d zt e = z ezt (wie für reelle z bereits gezeigt). dt |ez| = |ea| | cosb + i sinb| = ez, arg ez = b. =⇒ - Umkehrfunktion ln w: ℜ(ln w) = ln |w| ℑ(ln w) = arg w. Beispiele z 0 iπ 1 + iπ 1 + i π2 ez 1 −1 −e 37 ie Anwendung ei (φ1+φ2) = cos(φ1 + φ2) + i sin(φ1 + φ2), aber auch ei (φ1+φ2) = eiφ1 eiφ2 = (cos(φ1) + i sin(φ1)) (cos(φ2) + i sin(φ2)) = cos(φ1) cos(φ2) − sin(φ1) sin(φ2) + i (sin(φ1) cos(φ2) + cos(φ1) sin(φ2)), =⇒ Additionstheoreme. 38