Komplexitätscontrolling - Camelot

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Rücken 16,3 mm
Der Controlling-Berater
Der Controlling-Berater
Komplexität auf das
­Notwendige reduzieren
Herausgeber: Gleich/Klein
Produkte und Prozesse nachhaltig vereinfachen
Band 29
Viele Unternehmen stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits sollen
differenzierte Kundenwünsche erfüllt werden, andererseits steigt der Kostendruck. Zudem sind Ursachen und Kosten der Komplexität ohne geeignete Instrumente nur schwer zu erfassen.
Dieser Band befasst sich zunächst mit den Herausforderungen und Charakteristika
von Komplexität. Anschließend werden Konzepte und Praxisbeispiele für die Erfassung, Bewertung, Vermeidung, Reduzierung und Beherrschung von Komplexität vorgestellt.
Band-Herausgeber:
Ronald Gleich
Das Buch beantwortet die folgenden zentralen Fragen:
Komplexitätscontrolling
> Was ist unter Komplexität zu verstehen?
> Wodurch entsteht Komplexität?
> Wie läuft der Prozess zur Komplexitätsreduzierung ab?
> Warum ist Strukturkomplexität besonders schädlich?
> Und warum ist Einfachheit besonders erfolgreich?
Der Herausgeber:
Prof. Dr. Ronald Gleich ist Vorsitzender der Institutsleitung des Strascheg Institute for
Innovation and Entrepreneurship (SIIE) sowie Leiter des Department of ­Innovation
Management and Entrepreneurship (IME) der EBS Business School. ­Darüber hinaus
ist er Leiter der Horváth Akademie in Stuttgart.
Der Controlling-Berater
> Wie lassen sich Kosten, aber auch Nutzen der Komplexität bewerten?
Komplexitätscontrolling
> Warum muss Komplexität ganzheitlich gesteuert werden?
Komplexität verstehen und beherrschen
> Gute und schlechte Komplexität unterscheiden
> Vermeiden, Reduzieren und Beherrschen als Alternativen
> Transparenz über Komplexitätskosten schaffen
> Von der Komplexität zur Einfachheit
Die Autoren sind Experten aus der Unternehmenspraxis, der Beratung und der
Wissenschaft.
Inklusive Online-Version
www.haufe.de/controlling
18217_01401-0110_BU_ConBer_Bd29_ConPer_5c_V03.indd 1
ISBN: 978-3-648-03950-2
B1401-0110
CB-Band 29
Haufe
Controlling Office
25.09.13 15:47
Rücken 16,3 mm
Der Controlling-Berater
Der Controlling-Berater
Komplexität auf das
­Notwendige reduzieren
Herausgeber: Gleich/Klein
Produkte und Prozesse nachhaltig vereinfachen
Band 29
Viele Unternehmen stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits sollen
differenzierte Kundenwünsche erfüllt werden, andererseits steigt der Kostendruck. Zudem sind Ursachen und Kosten der Komplexität ohne geeignete Instrumente nur schwer zu erfassen.
Dieser Band befasst sich zunächst mit den Herausforderungen und Charakteristika
von Komplexität. Anschließend werden Konzepte und Praxisbeispiele für die Erfassung, Bewertung, Vermeidung, Reduzierung und Beherrschung von Komplexität vorgestellt.
Band-Herausgeber:
Ronald Gleich
Das Buch beantwortet die folgenden zentralen Fragen:
Komplexitätscontrolling
> Was ist unter Komplexität zu verstehen?
> Wodurch entsteht Komplexität?
> Wie läuft der Prozess zur Komplexitätsreduzierung ab?
> Warum ist Strukturkomplexität besonders schädlich?
> Und warum ist Einfachheit besonders erfolgreich?
Der Herausgeber:
Prof. Dr. Ronald Gleich ist Vorsitzender der Institutsleitung des Strascheg Institute for
Innovation and Entrepreneurship (SIIE) sowie Leiter des Department of ­Innovation
Management and Entrepreneurship (IME) der EBS Business School. ­Darüber hinaus
ist er Leiter der Horváth Akademie in Stuttgart.
Der Controlling-Berater
> Wie lassen sich Kosten, aber auch Nutzen der Komplexität bewerten?
Komplexitätscontrolling
> Warum muss Komplexität ganzheitlich gesteuert werden?
Komplexität verstehen und beherrschen
> Gute und schlechte Komplexität unterscheiden
> Vermeiden, Reduzieren und Beherrschen als Alternativen
> Transparenz über Komplexitätskosten schaffen
> Von der Komplexität zur Einfachheit
Die Autoren sind Experten aus der Unternehmenspraxis, der Beratung und der
Wissenschaft.
Inklusive Online-Version
www.haufe.de/controlling
18217_01401-0110_BU_ConBer_Bd29_ConPer_5c_V03.indd 1
ISBN: 978-3-648-03950-2
B1401-0110
CB-Band 29
Haufe
Controlling Office
25.09.13 15:47
Inhalt
Kapitel 1: Standpunkt
Das Experten-Interview
Frank Schaum, Tobias Bayer, Christoph Munck, Mike Schulze ............... 15
Kapitel 2: Grundlagen & Konzepte
Chefsache Komplexität – die 6 zentralen Handlungsfelder des
Komplexitätsmanagements
Günther Schuh, Stephan Krumm, Wolfgang Amann, Stefan Rudolf,
Michael Schiffer .............................................................................................. 27
Komplexitätscontrolling: Komplexität erkennen, bewerten und
optimieren
Libor Kotlik, Martin Boyksen ........................................................................ 39
Triple-A-Controlling – Komplexitätsbewältigung in volatilen Zeiten
Heimo Losbichler ............................................................................................ 57
Von der Komplexität zur Einfachheit – Komplexität verstehen,
vermeiden, reduzieren und beherrschen
Dieter Brandes, Nils Brandes ........................................................................ 77
Kapitel 3: Umsetzung und Praxis
Erfolgreich mit Komplexität in (Beratungs-)Projekten umgehen
Bastian Hanisch, Andreas Wald ................................................................... 95
Performance durch aktives Management der Prozesskomplexität
steigern
Markus Brenner, Andreas Renner .............................................................. 111
Warum einfach? Es geht auch kompliziert! – Der kontrollierte
Umgang mit Komplexität
Josef Wüpping ............................................................................................... 129
Komplexitätscontrolling: Möglichkeiten und Grenzen
Wolfgang Amann, Stephan Krumm, Marcus Rennekamp,
Markus Stoffel ............................................................................................... 147
Kapitel 4: Organisation & IT
Kostentransparenz und Effizienz im Produktionsbetrieb durch
Prozesskostenrechnung steigern
Rainer Jung, Andreas Suter ......................................................................... 169
7
Steigerung der Komplexitätsbeherrschung im Controlling durch
Big Data
Michael Möhring, Rainer Schmidt, Ralf-Christian Härting ................... 189
Kapitel 5: Literaturanalyse
Literaturanalyse zum Themengebiet „Komplexitätscontrolling“
Ulf Diefenbach, Jochen Schmidt und Benedikt Schnellbächer ................. 203
Stichwortverzeichnis ................................................................................... 213
8
Komplexitätscontrolling
Komplexitätscontrolling: Komplexität
erkennen, bewerten und optimieren
n
Ein sich verschärfender Wettbewerb um Marktanteile, dynamische Markt- und
Technologieentwicklungen und die Globalisierung unternehmerischer Aktivitäten führen zu stetig wachsender Komplexität. Viele Unternehmen stehen vor
einer doppelten Herausforderung: Einerseits sollen differenzierte Kundenwünsche erfüllt werden, andererseits herrscht steigender Kostendruck. Zudem sind
Ursachen und Kosten der gestiegenen Komplexität schwer ohne geeignete
Maßnahmen zu erfassen.
n
Somit wird eine geeignete Informationsgrundlage für agile und effiziente
Managemententscheidungen unerlässlich, um auf die Anforderungen reagieren
zu können. Ein ganzheitliches Komplexitätscontrolling bildet das Fundament,
um Transparenz über Komplexitätstreiber und die zugehörigen Kosten zu
erlangen sowie Handlungsempfehlungen ableiten zu können.
n
Dieser Beitrag befasst sich zunächst mit den Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität. Anschließend wird ein konzeptioneller Rahmen
für die ganzheitliche Erfassung und Beherrschung von Komplexität vorgestellt.
Anhand eines praxisnahen Fallbeispiels werden die Funktionen, Kennzahlen und
Wirkungsweisen des Komplexitätscontrollings innerhalb dieses Rahmens
herausgestellt. Im Fazit werden schließlich Einsparpotenziale aufgezeigt und
Kernaussagen zusammengefasst.
Inhalt
Seite
1
Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität
2
Ganzheitliches Komplexitätsmanagement und
-controlling ...................................................................
Komplexitätsdiamant ......................................................
Differenzierung zwischen positiver und negativer
Komplexität ....................................................................
Konzeptioneller Rahmen des Komplexitätsmanagements ...
Ursachen erkennen .........................................................
Strategie abgleichen .......................................................
Komplexität reduzieren ...................................................
Komplexität beherrschen .................................................
Komplexität vermeiden ...................................................
43
44
45
46
46
46
47
Komplexitätscontrolling am Beispiel der chemischen
Industrie .........................................................................
Ausgangssituation und Rahmenbedingungen ...................
Rolle des Komplexitätscontrollings im Projekt ..................
47
48
48
2.1
2.2
2.3
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
2.3.5
3
3.1
3.2
41
42
42
39
Grundlagen & Konzepte
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
Erkennen ........................................................................
Strategie abgleichen .......................................................
Reduzieren ......................................................................
Beherrschen ....................................................................
Vermeiden ......................................................................
48
51
51
52
53
4
Fazit und Ausblick ..........................................................
54
5
Literaturhinweise ...........................................................
55
n
Die Autoren
Libor Kotlik, Managing Partner und Experte für Komplexitätsmanagement der Camelot Management Consultants AG in Köln.
Martin Boyksen, Berater für Komplexitätsmanagement der Camelot
Management Consultants AG in Köln.
40
Komplexitätscontrolling
1
Herausforderungen und Charakteristika von
Komplexität
Unternehmen sind kontinuierlich auf der Suche nach den nächsten
großen Trends und Wachstumschancen, seien es innovative Produkte,
neue Kunden und Märkte oder neue Vertriebskanäle. Zwar werden
dadurch neue Umsatzpotenziale erschlossen, doch führt dies i. d.R. zu
einer ständig steigenden Unternehmenskomplexität und damit verbunden zu sinkender Profitabilität.
Steigende
Komplexität
durch Wachstum
Komplexitätsinduzierte Kosten gilt es zu identifizieren, zu bewerten und
einzelnen Kostentreibern zuzuordnen. Konkret ist es wichtig zu ermitteln,
welche zusätzlichen Kosten beispielsweise durch die Einführung eines
neuen Produkts, die Belieferung eines weiteren Kunden, die Implementierung eines neuen IT-Systems oder die Aufspaltung einer Unternehmensfunktion entstehen. Die steigende Vielfalt, Dynamik und Verzweigung von Komplexitätstreibern erschweren allerdings eine transparente
Erfassung und Bewertung der Komplexität.
Ergebnisse einer Studie unter deutschen Führungskräften der Prozessindustrie bestätigen die wachsende Unternehmenskomplexität. So berichten
83 % der Manager von zu hoher Komplexität, 80 % der Befragten erwarten
zudem einen weiteren Anstieg in den kommenden Jahren. Gleichzeitig
fühlen sich nur 41 % der Studienteilnehmer ausreichend vorbereitet, um
mit den Herausforderungen wachsender Komplexität umzugehen.1
Um Transparenz über Komplexität und ihre Wirkungen zu erreichen,
bedarf es geeigneter Methoden. Das Komplexitätscontrolling liefert
hierfür Methoden, die eine kennzahlenbasierte und zielkonforme Ausrichtung von Managemententscheidungen unterstützen.2
Der vorliegende Beitrag beginnt mit einer Übersicht über Herausforderungen und generische Maßnahmen des Komplexitätsmanagements. Im Fokus steht dabei die Bedeutung des Controllings, um
Transparenz über Komplexität zu erlangen. Die Methoden und Instrumente werden anhand eines Praxisbeispiels aus der Spezialchemie
erläutert. Abschließend werden Ergebnisse und die steigende Bedeutung
ganzheitlicher und nachhaltiger Erfassung von Komplexität durch
effektive Controllingmechanismen zusammengefasst.
1
2
Vgl. Camelot Management Consultants, 2012, S. 7-8.
Vgl. Cronjäger, 2005, S. 66.
41
Studie bestätigt
zunehmende
Komplexität in
der Prozessindustrie
Grundlagen & Konzepte
2
Vernetzung von
Komplexitätstreibern
Ganzheitliches Komplexitätsmanagement und
-controlling
Unternehmenskomplexität beschreibt Koordinationsprobleme, die sich
aus der Vielfalt und Verzweigung organisatorischer Elemente wie
Produkten, Kunden, Prozessen und Geschäftspartnern ergeben, die die
Leistungsfähigkeit einer Organisation beeinflussen.3 Ursachen und
Wirkungen der Komplexität erstrecken sich also über die gesamte
Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Zudem beeinflussen sie sich
dabei häufig wechselseitig. Die Veränderung eines Komplexitätstreibers
hat also meist unmittelbaren Einfluss auf weitere Treiber.
2.1
Interne, externe
und marktgetriebene
Dimensionen der
Komplexität
Komplexitätsdiamant
Um die vielfältigen Faktoren für Komplexität zunächst verständlich
aufzuzeigen, haben wir diese strukturiert und in allen ihren Facetten
dargestellt. Der Komplexitätsdiamant (vgl. Abb. 1) kategorisiert die
zahlreichen Dimensionen und Facetten von Komplexität.
Interne
Komplexität
Marktkomplexität
Externe
Komplexität
Produktion
Vertriebskanäle
Geografien
Abb. 1: Komplexitätsdiamant
Dabei werden zunächst 3 übergeordnete Dimensionen unterschieden,
die nochmals in jeweils 5 Facetten unterteilt werden. Die interne
Dimension umfasst hierbei Faktoren, die ein Unternehmen unmittelbar
beeinflussen kann. Die richtige Ausrichtung dieser Faktoren bildet die
3
Vgl. Closs et al., 2008, S. 591.
42
Komplexitätscontrolling
Grundlage für Wertgenerierung. Allerdings beeinflussen auch Facetten
außerhalb des unmittelbaren Wirkungskreises eines Unternehmens die
Anforderungen und Erfolgspotenziale. Die externe Dimension beschreibt
daher exogene Gegebenheiten, die ein Unternehmen in operativen und
strategischen Entscheidungen mit einbeziehen muss, ohne diese jedoch
konkret steuern zu können. Die verbliebene Dimension der Marktkomplexität fasst schließlich die Faktoren zusammen, die die Befriedigung der Marktbedürfnisse und somit die Generierung von Umsätzen
determinieren. Die Kosten der Erfüllung der Marktbedürfnisse müssen
jedoch kritisch dem Nutzen gegenübergestellt werden.
Die jeweiligen Facetten der 3 Dimensionen beschreiben konkrete Treiber
der Unternehmenskomplexität, die meist zu zusätzlichen Kosten führen.
Beispiel: Prozesskomplexität
Die Facette der Prozesskomplexität beschreibt die Heterogenität angewandter
Prozesse innerhalb einer Organisation. Mit steigender Heterogenität müssen
mehr Prozesse und Aufgaben gleichzeitig ausgeführt werden, was knappe
Ressourcen bindet und zu höherem Abstimmungsbedarf, geringeren Spezialisierungseffekten und zusätzlichen Kosten führt.
Externe Regulierungen, wie etwa Exportzölle oder Einfuhrbestimmungen,
werden einem Unternehmen von außen, etwa durch eine Landesorganisation,
auferlegt und können daher nicht aktiv vom Unternehmen beeinflusst werden.
Der höhere Abstimmungsbedarf sowie die zusätzlichen Frachtkosten über
nationale Grenzen hinweg sind Folgen der regulativen Komplexität.
2.2
Differenzierung zwischen positiver und negativer
Komplexität
Ein Unternehmen ist von Natur aus ein komplexes System und als solches ist
auch ein Maß an Komplexität nicht zwingendermaßen schädlich, sondern
kann zur Differenzierung und zu Wettbewerbsvorteilen beitragen.4 Eine
breitere Angebotspalette beispielsweise kann unterschiedliche Kundenbedürfnisse bedienen, neue Märkte öffnen und zusätzliche Umsätze generieren.
Allerdings ist Komplexität i.d.R. auch mit höheren Kosten verbunden.
Übersteigen die Kosten den Nutzen, sprechen wir von negativer Komplexität.
Diese verringert Margen, mindert die Flexibilität, vereinnahmt zusätzliche
Ressourcen und Spezialisten und reduziert Skalen- und Lerneffekte.
Entscheidend ist daher die Abgrenzung zwischen wertvernichtenden
Faktoren, die reduziert werden sollten, und wertgenerierender Komplexität, die es gilt, zu beherrschen. Ziel ist, ein Optimum an Komplexität zu erlangen, das den höchsten Mehrwert generiert. Dieser
4
Vgl. Grossmann, 1992, S. 33.
43
Nutzen und
Kosten der
Komplexität
gegenüberstellen
Grundlagen & Konzepte
optimale Komplexitätsgrad befindet sich an dem Schnittpunkt der
Grenzerlöse durch zusätzliche Komplexität und der damit verbundenen
Grenzkosten.5 Die Evaluierung der komplexitätsinduzierten Kosten und
Erlöse ist Aufgabe des Komplexitätscontrollings.
2.3
Strukturierte
Vorgehensweise
um optimalen
Komplexitätsgrad
zu erreichen
Konzeptioneller Rahmen des Komplexitätsmanagements
Entsprechend der Vielzahl von Komplexitätstreibern bestimmen auch
unterschiedliche Managemententscheidungen über diverse Funktionsbereiche und über einen langfristigen Zeitraum den effektiven Umgang
mit Komplexität.6 Eine strukturierte Vorgehensweise unterstützt die
Identifikation und zielkonforme Ausrichtung optimaler komplexitätsrelevanter Entscheidungen (vgl. Abb. 2).
Initiale
Komplexität
1
Erkennen
2
Strategie
abgleichen
3
4
Reduzieren
Beherrschen
5
Vermeiden
Optimierte
Komplexität
Abb. 2: Konzeptioneller Rahmen des Komplexitätsmanagements
5
6
Vgl. Herrmann/Peine, 2007, S. 654, sowie Schuh, 2005, S. 47-48.
Vgl. Cronjäger, 2005, S. 65.
44
Komplexitätscontrolling
2.3.1 Ursachen erkennen
Als 1. Schritt gilt es zunächst zu erkennen, wo die vielfältigen Ursachen
von Komplexität liegen können. Der Komplexitätsdiamant kann hierbei
als Anhaltspunkt benutzt werden, um sich die zahlreichen Komplexitätstreiber bewusst zu machen. Aufgrund der Vielfalt von Komplexitätstreibern muss in der Praxis meist ein „Scope“, d.h. ein Bereich für tiefere
Analysen, priorisiert werden. In Komplexitätsprojekten werden daher
i. d.R. zuerst grob der Umfang und Fokus der Komplexitätsanalyse
definiert. Hierbei sollten die Bereiche mit dem größten erwarteten
Vereinfachungspotenzial zuerst angegangen werden. Je nach Granularität
der Komplexitätsinitiative könnten sich selektierte Bereiche beziehen auf:
Priorisierung
eines „Scope“ für
tiefere Analysen
• Technologien,
• Geschäftsbereiche (Business Units),
• Regionen und
• einzelne Komplexitätstreiber.
Innerhalb des Scope müssen die fokussierten Komplexitätstreiber nun
umfassend analysiert und bewertet werden. Durch Mess- und Bewertungsmethoden soll insbesondere Komplexität identifiziert werden, die
keinen wesentlichen Mehrwert für das Unternehmen generiert.
Beispiel: Vielfältige Preis- und Konditionensysteme
In einem Beratungsprojekt wurden mehr als 100 Preis- und Konditionensysteme allein für ein Land identifiziert. Diese stellten einen erheblichen
Aufwand aufgrund der nötigen Systemhinterlegung, der Zuordnung zu Kunden
und der Überprüfung der Einhaltung dar. Die Vielfalt der Konditionen
bedeutete jedoch kaum einen Mehrwert für den Kunden. Es war daher wichtig,
zu erkennen, dass es sich hierbei eindeutig um unnötige Komplexität handelte.
Standardisierte Konditionen konnten die Komplexität erheblich verringern,
ohne dass dadurch die Kundenzufriedenheit oder Umsätze litten.
Das Beispiel zeigt, dass hier negative Komplexität erkannt, quantifiziert
und beseitigt wurde. Dieser Schritt legt jedoch auch positive Komplexität
offen. Die Erfassung und Bewertung stellen daher die Grundlage für
zielgerichtete Gegenmaßnahmen dar. Zudem kann durch die Analyse ein
„optimaler“ Komplexitätsgrad bestimmt werden, der konform mit der
strategischen Ausrichtung des Unternehmens ist.
Der Schritt des „Erkennens“ ist die zentrale Aufgabe des Komplexitätscontrollings. Das Praxisbeispiel verdeutlicht daher konkrete Methoden
zur Erfassung und Bewertung von Komplexität sowie die Rolle des
Komplexitätscontrollings für weitere Maßnahmen.
45
Erfassen und
Bewerten von
Komplexität
Grundlagen & Konzepte
Synchronisation
von Komplexitätsgrad und der
strategischer
Ausrichtung
Negative
Komplexität
proaktiv
eliminieren
Optimierung von
positiver
Komplexität
2.3.2 Strategie abgleichen
Die 2 Pole strategischer Ausrichtung sind einerseits ein hoher Grad der
Differenzierung (hoher Leistungsstandard) und andererseits die Auslegung auf geringe Kosten. Die verschiedenen Strategien erfordern
unterschiedliche Komplexitätsgrade. Für ein differenziertes Unternehmen
stellt ein breites Produktportfolio einen entscheidenden Erfolgsfaktor für
die Erfüllung individueller Kundenwünsche dar. Entsprechend wird die
Komplexität höher sein als bei einem Kostenführer, der niedrige Preise als
Wettbewerbsfaktor nur durch eine strikte Limitierung von Komplexität
und deren Kosten anbieten kann. Der Komplexitätsgrad sollte also die
strategische Ausrichtung eines Unternehmens widerspiegeln. Ein Fit
zwischen dem Komplexitätsgrad und der Strategie stellt positive Komplexität dar. Jede Abweichung vom spezifischen optimalen Fit stellt
negative Komplexität dar und sollte mit geeigneten Maßnahmen angegangen werden. Eine Entscheidung, wo und in welchem Maße Komplexität verringert oder beibehalten werden soll, muss daher konform mit
der Unternehmensstrategie sein.
2.3.3 Komplexität reduzieren
Wurde negative Komplexität erkannt, gilt es, diese zu reduzieren. Die
Reduktion zielt auf proaktive Maßnahmen ab, um überschüssige
vorhandene Komplexität zu eliminieren und damit verbundene Kosten
einzusparen.7 Produkte oder Kunden mit negativem Deckungsbeitrag
stellen typische Ziele einer Reduktion dar, aber auch ineffiziente Prozesse
und obsolete IT-Systeme sollten reduziert werden. Meist können
Substitute für die eliminierten Faktoren gefunden werden. So können
beispielsweise häufig „Exoten“ durch Standardprodukte ersetzt werden.
Ziel ist eine Verringerung der Produktkomplexität unter Erhaltung des
Umsatzes. Geeignete Maßnahmen wie etwa „Phase-out Management“
begleiten die strukturierte Eliminierung oder Substitution von Produkten oder anderen Komplexitätstreibern.
2.3.4 Komplexität beherrschen
Die Beherrschung von Komplexität befasst sich mit dem Optimierungspotenzial für positive Komplexität. Diese wurde als Wettbewerbsfaktor
identifiziert und sollte somit nicht eliminiert werden. Die Kosten für
diese Komplexität können dennoch verringert werden. Die Harmonisierung von Prozessen und Produktionsstrategien kann z.B. Komplexitätskosten reduzieren, ohne die vom Kunden wahrgenommene Vielfalt
einzuschränken. Standardisierte Produktarchitekturen oder die Verlagerung des Variantenbestimmungspunkts verringern beispielsweise die
7
Vgl. Syska, 2006, S. 76, sowie Wildemann, 1999, S. 33-34.
46
Komplexitätscontrolling
Kosten durch Zwischenprodukte, jedoch nicht die Auswahl der verkauften Endprodukte. U. U. kann sogar eine Steigerung von Komplexität
eine legitime Strategie sein. Innovative Produkte können zusätzliche
Umsätze und Gewinne generieren, auch wenn sie die Unternehmenskomplexität zunächst einmal erhöhen. Entscheidend ist das Wachstum
mit profitablen Produkten. Diese zeichnen sich meist durch geringe
Komplexitätskosten, etwa durch die Verwendung bestehender Technologien und Verpackungen, und hohe zusätzliche Umsätze durch die
Bedienung neuer Kunden mit hohem Absatzvolumen aus. Die „Beherrschung“ zielt also letztlich darauf ab, einen maximalen Beitrag zum
Kundennutzen bei gleichzeitiger Erhaltung der Effizienz zu erreichen.8
2.3.5 Komplexität vermeiden
Die beschriebenen Maßnahmen können zu einem optimierten Grad an
Komplexität führen. Durch dynamische Marktveränderungen sehen sich
Unternehmen allerdings gezwungen, sich ständig an neue Herausforderungen anzupassen.9 Dies erfordert auch eine Anpassung der Komplexität.
Die Vermeidung zielt darauf ab, die Entstehung neuer negativer Komplexität präventiv zu verhindern.
Geeignete Überwachungsmechanismen des Controllings verfolgen kontinuierlich die Dynamik aller Komplexitätstreiber. Dedizierte Key Performance Indicators (KPIs) beispielsweise ermöglichen die Messung von
Komplexitätstreibern und stellen so wichtige Warnmechanismen dar.
Messen sie eine Überschreitung der evaluierten Höchstgrenzen, können
wiederum Gegenmaßnahmen implementiert werden, um der stetig
wachsenden Komplexität nachhaltig entgegenzuwirken. Somit entsteht
ein Kreislauf aus der kontinuierlichen Analyse von Komplexität und dem
permanenten Ableiten zielgerichteter Maßnahmen.
3
Komplexitätscontrolling am Beispiel der chemischen
Industrie
Im Folgenden werden Problemstellungen und Lösungsmethoden des
Komplexitätsmanagements an einem praxisorientierten Fallbeispiel eines
Spezialchemieunternehmens erläutert. Anhand der beschriebenen Struktur (vgl. Abb. 2) wird die Funktion des Komplexitätscontrollings in den
jeweiligen Phasen praxisnah erläutert.
8
9
Vgl. Seuring et al., 2004, S. 180, sowie Schuh/Schwenk, 2001, S. 34.
Vgl. Jacobs/Swink, 2011, S. 677, sowie Denk/Pfneissl, 2009, S. 25.
47
Komplexität
nachhaltig
durch einen
kontinuierlichen
Prozess meistern
Grundlagen & Konzepte
3.1
Globale
Reichweite und
Diversifikation
fördern
Komplexität
Ausgangssituation und Rahmenbedingungen
Mit einem Umsatz von mehreren Mrd. EUR stellt der untersuchte
Unternehmensbereich der Feinchemie die größte Division eines Großkonzerns der Spezialchemie dar. Die mehr als 20.000 Mitarbeiter decken in
ihren global verteilten Unternehmensstandorten nahezu alle Ländermärkte
ab. Charakteristisch für viele Chemieunternehmen ist die hohe Anzahl an
Endprodukten. Als Haupttreiber hierfür stellten sich die differenzierten
Kundenanforderungen heraus. Marginale Unterschiede bei angeforderten
Spezifikationen der Verpackung, Dosierung oder Formulierung führen zu
einem erheblichen Anstieg des Produktportfolios. Die Kunden- und
Produktkomplexität sind daher häufig entscheidende Komplexitäts- und
Kostentreiber in der chemischen Industrie.
Eine detaillierte Ursachenanalyse identifizierte eine Reihe von Indizien
für gestiegene negative Komplexität und Effizienzeinbußen:
• leicht steigende Umsatzzahlen, aber rückläufige Margen,
Produkt- und Kundenportfolio: >1.800 SKUs ; >3.500
• breites
Kunden,
• heterogene Organisationsstrukturen und Prozesse,
Kommunikation zwischen Funktionen entlang der Supply
• verzögerte
Chain und
Markt- und Kundenanforderungen für verschiedene
• divergierende
Marken und Geografien.
10
Ein Pilotprojekt in einer Business Unit in Europa sollte Transparenz
schaffen und individualisierte Gegenmaßnahmen entwickeln. Diese
Unternehmenseinheit umfasste 6 Werke in 4 Ländern und erzielte einen
jährlichen Nettoumsatz von rund 400 Mio. EUR.
3.2
Fokus auf
Geschäftseinheit
mit geringster
Effizienz
Rolle des Komplexitätscontrollings im Projekt
3.2.1 Erkennen
Aufgrund der Größe der Unternehmensdivision wäre in der Praxis keine
simultane Durchführung der Komplexitätsinitiative über alle globalen
Geschäftseinheiten durchführbar gewesen. Mittels einer Grobanalyse
wurde daher zunächst der „Scope“ des Projekts definiert. Aus 5
Geschäftsbereichen mit vergleichbaren Umsätzen in Top-3-Märkten
Europas wurde ein Geschäftsbereich für das Pilotprojekt ausgewählt. In
einem internen Benchmarking von Daten aus dem Controllingsystem
wurde für diesen der niedrigste durchschnittliche Deckungsbeitrag pro
SKU und Kunde identifiziert. Zusätzlich hatte der Geschäftsbereich die
10
SKU = Stock Keeping Unit (lagergeführter Artikel).
48
Komplexitätscontrolling
höchste Anzahl an Rohmaterialien und Auftragspositionen, die weitere
Indizien für hohe Komplexität darstellen. Die geringere Effizienz
suggerierte daher das größte Einsparpotenzial aller verglichenen Geschäftsbereiche.
Als wesentliche Stellhebel für eine Komplexitätsreduktion wurden
Produkte und Kunden identifiziert, weil diese entscheidende Kostentreiber in der chemischen Industrie darstellen. Eine Zeitreihenanalyse
über die letzten 4 Geschäftsjahre bestätigte den Verdacht deutlich
gestiegener Komplexität dieser Facetten:
• Die SKUs stiegen in dem Zeitraum um mehr als 95 %.
• Die Kundenanzahl stieg um mehr als 80 %.
• Gleichzeitig sank der Profit pro SKU um mehr als 12 %.
Weitere Facetten des Komplexitätsdiamanten (vgl. Abb. 1) haben zudem
unmittelbare Kostenwirkungen auf die beiden Stellhebel. Es galt daher
im nächsten Schritt, wesentliche Komplexitätstreiber aufzudecken, die
einen Kosteneffekt auf die Produkte und Kunden hatten und daher die
Profitabilität verringerten.
Die Erfassung wesentlicher Symptome sowie die Messung ausgewählter
Komplexitäts-KPIs (vgl. Abb. 3) stellten Transparenz über funktionsübergreifende Einflussfaktoren der Produkt- und Kundenkomplexität
her.
Produktentwicklung
KomplexitätsKPI
Symptome der
Komplexität
Entwicklungsprojekte
Produkttests
Technischer
Service
Verpackungsentwicklung
# Technologien
# Produkteinführungen
# F&E Standorte
# Regulierungen
Zu viele
Materialien und
Zulieferer
Administrativer
Aufwand
Hohe Transaktionskosten
Geringere
Einkaufsrabatte
# Rohmaterialien
# Zulieferer
Lagerhaltung &
Logistik
Produktion
Einkauf
Qualitätskontrolle
Reinigung/
Changeover
Hoher Ausschuss
Geringere
Auslastung
Längere
Durchlaufzeiten
# SKUs
# Formulierungen
# Verpackungsformate & Labels
Geringere
Verfügbarkeit von
Produkten
Lagerhaltung
Supply Chain
Planungsaufwand
Zusätzliche
Lagerstandorte
# SKUs
# Lagerstandorte
# Lieferungen
Ø Bestellmengen
Ø Bestellwert
Abb. 3: Auswahl von Symptomen und Komplexitäts-KPIs
49
Vertrieb &
Marketing
Ineffektiver
Vertrieb
Prognosefehler
bei Absatzplanung
Teurer
Kundenservice
Umsatzkannibalisierung
# Kunden
# Kundenspezifische
Produkte
Grundlagen & Konzepte
Zum einen wurde somit durch die Messung der KPIs ein konkreter
Komplexitätsgrad bestimmt. Dieser wurde mit den jeweiligen Referenzwerten (durchschnittliches Ergebnis der 5 untersuchten Geschäftsbereiche) verglichen. Überproportionale Komplexität einzelner Treiber in der
fokussierten Geschäftseinheit, beispielsweise eine Vielzahl an Entwicklungsprojekten, wurde aufgedeckt und konnte in den anschließenden
Phasen gezielt angegangen werden.
Verursachungsgerechte
Zuordnung von
Komplexitätskosten
Zum anderen wurden die vielfältigen Kosten der Produkt- und Kundenkomplexität erfasst, die durch die Symptome entstanden. Die tatsächliche Verursachung dieser Kosten beispielsweise durch einzelne Produkte
war jedoch noch unklar. Viele Gemeinkosten wurden ursprünglich
pauschal auf Produkte umgelegt. Überproportional hohe Kosten pro
SKU und damit auch geringere Profitabilität konnte so nicht akkurat
bestimmt werden. Für die Erfassung implementierte das Controlling
daher ein vereinfachtes Activity Based Costing, eine Kostenkalkulation,
um Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette verursachungsgerecht
einzelnen Produkten zuzuordnen. Abb. 4 zeigt einen vereinfachten
Ausschnitt des kumulierten adjustierten Deckungsbeitrags nach der
Zuordnung der Komplexitätskosten.
Umsätze/Aufwendungen in EUR 1000
Vereinfachtes Projektbeispiel
Verursachungsgerechte Zuordnung der
Kosten zu einzelnen Produkten
295.000
404.000
25.000
109.000
31.000
Netto
Umsatzerlöse
Umsatzaufwendungen
Deckungsbeitrag
SC &
Logistik
Abb. 4: Schema des produktspezifischen Activity Based Costing
50
Sales &
Marketing
41.000
2.000
R&D/
Anwendungstechnik
Deckungs
Deckungs- beitrag
beitrag
adjustiert
adjustiert
Komplexitätscontrolling
Eine SKU-spezifische Zuweisung von Kosten zu Produkten wurde vor
dem Projekt nur bezogen auf Umsatzaufwendungen (Cost of goods sold,
Material-, Fertigungskosten etc.) durchgeführt. Das Activity Based
Costing erfasste und allokierte zusätzliche Kosten von 58 Mio. EUR
quer durch Supply Chain & Logistik, Sales & Marketing und Entwicklung & Anwendungstechnik und ordnete diese einzelnen Produkten zu.
Kosten, die nicht eindeutig zugewiesen werden konnten, wurden über
neue präzisere Allokationsschlüssel umgelegt. Allgemeine Vertriebskosten wurden beispielsweise im Verhältnis der Anzahl der Kundenaufträge
für ein Produkt umgelegt. Weitere Kostenarten wurden im Verhältnis zu
Nettoumsätzen pro SKU oder andere Kriterien allokiert.
Aufgrund der Transparenz über die tatsächlichen Komplexitätskosten
der Produkte und Kunden war es möglich, gute Komplexität mit einem
positiven adjustierten Deckungsbeitrag von wertvernichtender Komplexität zu unterscheiden. Auf dieser Informationsgrundlage setzten die
nachfolgenden Strategien und Maßnahmen des Komplexitätsmanagements auf.
3.2.2 Strategie abgleichen
Durch die Quantifizierung der Komplexität durch das Controlling war es
möglich, konkrete Zielwerte für den Komplexitätsgrad von Treibern zu
bestimmen. Die Zielwerte richteten sich wiederum nach der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Für die analysierte Geschäftseinheit ist lediglich eine moderate Differenzierung als strategische
Stoßrichtung vorgesehen. Die durch das Controlling ermittelte Vielfalt
an Kunden, Produkten und Services sowie die hohen Produktionskosten
bewies eine Abweichung von der geplanten strategischen Ausrichtung.
Nötig war deshalb eine Reduktion der angebotenen Produkte und
Services, um wieder Konformität zur Strategie herzustellen. Das Controlling bestimmte einen Zielwert für die Komplexitätsreduktion. Dieser
ergab sich aus dem durchschnittlichen Verhältnis von Umsätzen zu
SKUs der 5 Geschäftseinheiten, die als Referenzwert dienten. Höhere
Umsätze pro SKU deuten auf geringere Komplexität hin. Rund
90.000 EUR pro SKU sollten mindestens als Zielwert erreicht werden.
Somit wurde ein konkretes Ziel abgeleitet, um den Fit zwischen
Komplexität und strategischer Ausrichtung wiederherzustellen.
3.2.3 Reduzieren
In diesem Schritt ging es darum, wertvernichtende Komplexitätstreiber
zu eliminieren. Um diese jedoch erst einmal zu identifizieren, bedarf es
aussagekräftiger Kennzahlen, die das Komplexitätscontrolling ermittelt
und analysiert. Entsprechend identifizierte das Projekt mittels ABC51
Strategiekonforme
Entscheidungen
ableiten
Kandidaten zur
Eliminierung
identifizieren
Grundlagen & Konzepte
Analysen Produkte und Kunden mit geringem oder negativem adjustiertem Deckungsbeitrag. Die Analysen ergaben, dass 62 % der SKUs und
65 % der Kunden nur 5 % der Deckungsbeiträge generierten. Die
Analyse der Profitabilität wurde mit einer Evaluierung von strategischen
Werten komplementiert. Diese wurden auf die Faktoren
• Marktanteil,
• Wachstumspotenzial,
• technologische Substituierbarkeit und
• Beitrag zur Kundenloyalität
evaluiert. Expertenbefragungen und Kennzahlen des Controllings, beispielsweise der „Wachstumsrate der Nettoumsätze pro SKU in den
letzten 4 Jahren (Wachstumspotenzial)“ bildeten die Grundlage der
Bewertung. SKUs mit geringer Profitabilität und geringem strategischem
Wert wurden als potenzielle Kandidaten einer Eliminierung erfasst.
Zudem konnten strategische Kunden mit hohem Deckungsbeitrag
deutlicher fokussiert werden.
Kostentreiber
nach einer
Reduktion
eliminieren oder
umverteilen
Bestimmung von
Mindestpreisen
Nach einer Reduktion von SKUs wird die Kostenentwicklung nachgehalten. Zusätzlich zu geringeren Umsatzkosten werden Ressourcen
entlang der Wertschöpfungskette frei. Frei gewordene Ressourcen
können für andere wertschöpfende Aktivitäten eingesetzt oder ebenfalls
eliminiert werden, um weitere Kosten einzusparen. Das Komplexitätscontrolling begleitet die Kostenreduktion bzw. Kostenumverteilung der
Ressourcen, um Transparenz aufrechtzuerhalten und kennzahlenbasierte
Entscheidungen zu gewährleisten.
3.2.4 Beherrschen
In dieser Phase extrahierte das Controlling Informationen darüber,
welche Kostentreiber vermindert werden können, ohne Wettbewerbsvorteile durch wertgenerierende Komplexität zu verlieren. Vor einer
endgültigen Eliminierung wurden in dem Projekt Produkte mit geringem oder negativen adjustierten Deckungsbeiträgen weiter analysiert.
Produkte mit mangelnder Profitabilität, aber hohem strategischem Wert,
beispielsweise aufgrund ihres hohen Kundennutzens, wurden identifiziert. Eine Preisadjustierung ermöglicht das Ausnutzen des strategischen
Werts und einen Anstieg der Profitabilität. Das Komplexitätscontrolling
evaluierte hierfür pro Produkt einen Mindestpreis, der erforderlich ist,
um Kosten auszugleichen und zusätzlich eine Mindestmarge zu erreichen. Für Kunden wurde auf ähnliche Weise eine Mindestabnahmemenge determiniert, ab der die verursachungsgerechten Bestellkosten
durch ihre Umsätze übertroffen werden. Bei einer Unterschreitung der
Abnahmemenge wurde ein Preisaufschlag vereinbart. Ein Anreiz für
52
Komplexitätscontrolling
konsolidierte Bestellungen und standardisierte Produkte mit höheren
Abnahmemengen wurde gesetzt. Die Komplexität durch angebotene
Produkte und bediente Kunden wurde also zwar nicht verringert, aber
die Profitabilität sichergestellt.
Das Komplexitätscontrolling hält mittels KPIs zudem den Grad des
Zugriffs von Produkten auf gemeinsame Technologien und Ressourcen
nach. Der Vergleich der Anzahl an SKUs, insbesondere zu der Anzahl
Technologien, Rohmaterialien und Verpackungs- und Dosierungsformate, gab Aufschluss über die Standardisierung der Produkte. Im
Vergleich zu den internen Benchmarks wurden rund 25 % mehr
Verpackungen und 10 % höhere Rohstoffvielfalt im Vergleich zu
Endprodukten identifiziert. Das Controlling konnte konkrete Zielwerte
(beispielsweise #SKUs/ #Rohmaterialien interner Benchmark & 0,94)
für die Verringerung dieser Kostentreiber ableiten. Durch Standardisierung der Vorprodukte wurde die Komplexität verringert, ohne die am
Markt wahrgenommene Vielfalt zu mindern.
3.2.5 Vermeiden
Um nach dem eigentlichen Projektende einer Rückkehr zu alten
komplexen Mustern entgegenzuwirken, wurde ein strukturierter Controllingprozess beschlossen. Die kontinuierliche Erhebung und Auswertung von Komplexitätskennzahlen in spezifischen Funktionsbereichen
(vgl. Abb. 5) gewährt durchgängige Transparenz. Signifikante Abweichungen von definierten Richtwerten werden daher schnell erkannt, und
Gegenmaßnahmen können eingeleitet werden, bevor sich die negative
Komplexität auch negativ in den Bilanzen bemerkbar macht.
Zielwerte für den
Grad an Standardisierung
Nachhaltig
Transparenz
gewährleisten
Strategische Planung/
Portfolio-LebenszyklusManagement
Anzahl SKU
Anzahl neue SKU
Anzahl eliminierte SKU
Komplexitätstrichter
Entwicklung und Beschaffung
Anzahl Lieferanten
Materialgruppen
Anzahl A-Rezepturen
Anzahl Rezepturen
gesamt
Anzahl B-Rohstoffe
Produktion und Logistik
Anzahl Fertigungsaufträge
Anzahl Chargen
Anzahl Rezepturen
Anzahl Hauptfertigungsstraßen
Anzahl Rohstoffe
je Werk
Anzahl SKU
Ø Anteil Vertriebskosten
∆ EBIT
Anzahl Kunden
Umsatz je Zielgruppe
∆ Anzahl der SKU
Marketing und Vertrieb
Abb. 5: Selektive Komplexitätskennzahlen
53
Grundlagen & Konzepte
Zusätzlich treffen sich quartalsweise Verantwortliche für Marken und
Funktionen entlang der Wertschöpfungskette, um Entwicklungen der
Komplexität zu besprechen. Die Kennzahlen des Controllings dienen
hierbei als Informationsgrundlage, um Potenziale weiterer funktionsübergreifender Maßnahmen abzuschätzen.
IT-Systeme
funktionsübergreifend planen
und abstimmen
So wurden im Nachgang an die eigentliche Komplexitätsinitiative die
hohen Kosten der Implementierung und des Unterhalts neuer ITSysteme über mehrere Funktionen analysiert. Eine standardisierte
Systemlösung mit harmonisierten IT-Schnittstellen wurde gegenüber
neuen teureren und komplexeren Individuallösungen als vorteilhafter
identifiziert. Weitere Komplexitätskosten konnten also durch die Kostenanalysen des Controllings vermieden werden.
Neuprodukte
durch Einstellung
alter Produkte
kompensieren
Um zudem der Komplexität des Produktportfolios und der Forschung &
Entwicklung zukünftig entgegenzuwirken, hält das Controlling die Ratio
von Neuentwicklungen zu eliminierten Produkten nach. Eine Regelung
vermeidet die überproportionale Ausweitung des Portfolios: Ohne
Sondergenehmigung darf kein neues Produkt entwickelt und vermarktet
werden, wenn als Gegenmaßnahme nicht mindestens 2 obsolete Produkte eliminiert werden.
4
Fazit und Ausblick
EBIT um rund
4 % gesteigert
Durch die angewendeten Maßnahmen konnten erhebliche Einsparpotenziale erzielt werden. Die Portfoliobereinigung blieb zudem absolut
umsatzneutral. Für die eliminierten Produkte wurden also im vollen
Umfang Substitute positioniert. Die Kostenreduktion bei gleichzeitiger
Erhaltung der Umsätze führte zu einer Steigerung des EBIT um ca. 4 %,
was einem Gegenwert von rund 16 Mio. EUR entspricht. Als Pilotprojekt wurde das Optimierungspotenzial deutlich bestätigt. Es ist
geplant, die vorgestellte Vorgehensweise auf weitere Geschäftseinheiten
zu übertragen. Durch die Ausweitung der Komplexitätsinitiative sind
erhebliche weitere Einsparungen zu erwarten. Da die Controllingmechanismen zudem in einem kontinuierlichen Prozess gemäß dem Schritt des
„Vermeidens“ angewendet werden, sind nachhaltige Kostenreduktionen
und sukzessive Optimierungen wahrscheinlich.
Für valide
Aussagen muss
Datenqualität
sichergestellt
werden
Die Zusammenarbeit des Controllings mit Unternehmensbereichen und
-funktionen stellte sich als wichtiger Erfolgsfaktor heraus. Die für das
Komplexitätsmanagement aufbereiteten Kennzahlen sicherten das Erfolgspotenzial der tatsächlichen Maßnahmen zur Reduktion. Vor Projektbeginn wurden allerdings Defizite im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit und -qualität festgestellt. Diese führten zu erheblichem Aufwand
für die Datenbereinigung, bevor valide Aussagen abgeleitet werden
54
Komplexitätscontrolling
konnten. Ein effektives Komplexitätscontrolling muss also schon bei der
kontinuierlichen Qualitätssicherung von Daten sowie deren Auswahl
und Verdichtung zu aussagekräftigen Kennzahlen beginnen.
Die vorgestellte Methodologie des Komplexitätscontrollings ermöglichte
die Identifikation und Messung entscheidender Komplexitätstreiber
sowie die verursachungsgerechte Zuordnung von Komplexitätskosten.
Die erhöhte Transparenz unterstützte dadurch die strategiekonforme
Ausrichtung von Methoden des Komplexitätsmanagements, um den
richtigen Komplexitätsgrad sicherzustellen. Das Komplexitätscontrolling
unterstützt wesentlich die Unternehmenssteuerung bei der Adaptation
an zunehmend komplexere Anforderungen und bei der Ableitung agiler
kennzahlenbasierter Entscheidungen.
5
Literaturhinweise
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2012.
Closs/Jacobs/Swink/Webb, Toward a theory of competencies for the
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Transparente
Informationen zur
Unterstützung der
Unternehmenssteuerung
Grundlagen & Konzepte
Syska, Produktionsmanagement: Das A – Z wichtiger Methoden und
Konzepte für die Produktion von heute, 2006.
Wildemann, Komplexität: Vermeiden oder beherrschen lernen, Harvard
Businessmanager, 6/1999, S. 31-42.
56
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