Rücken 16,3 mm Der Controlling-Berater Der Controlling-Berater Komplexität auf das ­Notwendige reduzieren Herausgeber: Gleich/Klein Produkte und Prozesse nachhaltig vereinfachen Band 29 Viele Unternehmen stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits sollen differenzierte Kundenwünsche erfüllt werden, andererseits steigt der Kostendruck. Zudem sind Ursachen und Kosten der Komplexität ohne geeignete Instrumente nur schwer zu erfassen. Dieser Band befasst sich zunächst mit den Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität. Anschließend werden Konzepte und Praxisbeispiele für die Erfassung, Bewertung, Vermeidung, Reduzierung und Beherrschung von Komplexität vorgestellt. Band-Herausgeber: Ronald Gleich Das Buch beantwortet die folgenden zentralen Fragen: Komplexitätscontrolling > Was ist unter Komplexität zu verstehen? > Wodurch entsteht Komplexität? > Wie läuft der Prozess zur Komplexitätsreduzierung ab? > Warum ist Strukturkomplexität besonders schädlich? > Und warum ist Einfachheit besonders erfolgreich? Der Herausgeber: Prof. Dr. Ronald Gleich ist Vorsitzender der Institutsleitung des Strascheg Institute for Innovation and Entrepreneurship (SIIE) sowie Leiter des Department of ­Innovation Management and Entrepreneurship (IME) der EBS Business School. ­Darüber hinaus ist er Leiter der Horváth Akademie in Stuttgart. Der Controlling-Berater > Wie lassen sich Kosten, aber auch Nutzen der Komplexität bewerten? Komplexitätscontrolling > Warum muss Komplexität ganzheitlich gesteuert werden? Komplexität verstehen und beherrschen > Gute und schlechte Komplexität unterscheiden > Vermeiden, Reduzieren und Beherrschen als Alternativen > Transparenz über Komplexitätskosten schaffen > Von der Komplexität zur Einfachheit Die Autoren sind Experten aus der Unternehmenspraxis, der Beratung und der Wissenschaft. Inklusive Online-Version www.haufe.de/controlling 18217_01401-0110_BU_ConBer_Bd29_ConPer_5c_V03.indd 1 ISBN: 978-3-648-03950-2 B1401-0110 CB-Band 29 Haufe Controlling Office 25.09.13 15:47 Rücken 16,3 mm Der Controlling-Berater Der Controlling-Berater Komplexität auf das ­Notwendige reduzieren Herausgeber: Gleich/Klein Produkte und Prozesse nachhaltig vereinfachen Band 29 Viele Unternehmen stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits sollen differenzierte Kundenwünsche erfüllt werden, andererseits steigt der Kostendruck. Zudem sind Ursachen und Kosten der Komplexität ohne geeignete Instrumente nur schwer zu erfassen. Dieser Band befasst sich zunächst mit den Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität. Anschließend werden Konzepte und Praxisbeispiele für die Erfassung, Bewertung, Vermeidung, Reduzierung und Beherrschung von Komplexität vorgestellt. Band-Herausgeber: Ronald Gleich Das Buch beantwortet die folgenden zentralen Fragen: Komplexitätscontrolling > Was ist unter Komplexität zu verstehen? > Wodurch entsteht Komplexität? > Wie läuft der Prozess zur Komplexitätsreduzierung ab? > Warum ist Strukturkomplexität besonders schädlich? > Und warum ist Einfachheit besonders erfolgreich? Der Herausgeber: Prof. Dr. Ronald Gleich ist Vorsitzender der Institutsleitung des Strascheg Institute for Innovation and Entrepreneurship (SIIE) sowie Leiter des Department of ­Innovation Management and Entrepreneurship (IME) der EBS Business School. ­Darüber hinaus ist er Leiter der Horváth Akademie in Stuttgart. Der Controlling-Berater > Wie lassen sich Kosten, aber auch Nutzen der Komplexität bewerten? Komplexitätscontrolling > Warum muss Komplexität ganzheitlich gesteuert werden? Komplexität verstehen und beherrschen > Gute und schlechte Komplexität unterscheiden > Vermeiden, Reduzieren und Beherrschen als Alternativen > Transparenz über Komplexitätskosten schaffen > Von der Komplexität zur Einfachheit Die Autoren sind Experten aus der Unternehmenspraxis, der Beratung und der Wissenschaft. Inklusive Online-Version www.haufe.de/controlling 18217_01401-0110_BU_ConBer_Bd29_ConPer_5c_V03.indd 1 ISBN: 978-3-648-03950-2 B1401-0110 CB-Band 29 Haufe Controlling Office 25.09.13 15:47 Inhalt Kapitel 1: Standpunkt Das Experten-Interview Frank Schaum, Tobias Bayer, Christoph Munck, Mike Schulze ............... 15 Kapitel 2: Grundlagen & Konzepte Chefsache Komplexität – die 6 zentralen Handlungsfelder des Komplexitätsmanagements Günther Schuh, Stephan Krumm, Wolfgang Amann, Stefan Rudolf, Michael Schiffer .............................................................................................. 27 Komplexitätscontrolling: Komplexität erkennen, bewerten und optimieren Libor Kotlik, Martin Boyksen ........................................................................ 39 Triple-A-Controlling – Komplexitätsbewältigung in volatilen Zeiten Heimo Losbichler ............................................................................................ 57 Von der Komplexität zur Einfachheit – Komplexität verstehen, vermeiden, reduzieren und beherrschen Dieter Brandes, Nils Brandes ........................................................................ 77 Kapitel 3: Umsetzung und Praxis Erfolgreich mit Komplexität in (Beratungs-)Projekten umgehen Bastian Hanisch, Andreas Wald ................................................................... 95 Performance durch aktives Management der Prozesskomplexität steigern Markus Brenner, Andreas Renner .............................................................. 111 Warum einfach? Es geht auch kompliziert! – Der kontrollierte Umgang mit Komplexität Josef Wüpping ............................................................................................... 129 Komplexitätscontrolling: Möglichkeiten und Grenzen Wolfgang Amann, Stephan Krumm, Marcus Rennekamp, Markus Stoffel ............................................................................................... 147 Kapitel 4: Organisation & IT Kostentransparenz und Effizienz im Produktionsbetrieb durch Prozesskostenrechnung steigern Rainer Jung, Andreas Suter ......................................................................... 169 7 Steigerung der Komplexitätsbeherrschung im Controlling durch Big Data Michael Möhring, Rainer Schmidt, Ralf-Christian Härting ................... 189 Kapitel 5: Literaturanalyse Literaturanalyse zum Themengebiet „Komplexitätscontrolling“ Ulf Diefenbach, Jochen Schmidt und Benedikt Schnellbächer ................. 203 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 213 8 Komplexitätscontrolling Komplexitätscontrolling: Komplexität erkennen, bewerten und optimieren n Ein sich verschärfender Wettbewerb um Marktanteile, dynamische Markt- und Technologieentwicklungen und die Globalisierung unternehmerischer Aktivitäten führen zu stetig wachsender Komplexität. Viele Unternehmen stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits sollen differenzierte Kundenwünsche erfüllt werden, andererseits herrscht steigender Kostendruck. Zudem sind Ursachen und Kosten der gestiegenen Komplexität schwer ohne geeignete Maßnahmen zu erfassen. n Somit wird eine geeignete Informationsgrundlage für agile und effiziente Managemententscheidungen unerlässlich, um auf die Anforderungen reagieren zu können. Ein ganzheitliches Komplexitätscontrolling bildet das Fundament, um Transparenz über Komplexitätstreiber und die zugehörigen Kosten zu erlangen sowie Handlungsempfehlungen ableiten zu können. n Dieser Beitrag befasst sich zunächst mit den Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität. Anschließend wird ein konzeptioneller Rahmen für die ganzheitliche Erfassung und Beherrschung von Komplexität vorgestellt. Anhand eines praxisnahen Fallbeispiels werden die Funktionen, Kennzahlen und Wirkungsweisen des Komplexitätscontrollings innerhalb dieses Rahmens herausgestellt. Im Fazit werden schließlich Einsparpotenziale aufgezeigt und Kernaussagen zusammengefasst. Inhalt Seite 1 Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität 2 Ganzheitliches Komplexitätsmanagement und -controlling ................................................................... Komplexitätsdiamant ...................................................... Differenzierung zwischen positiver und negativer Komplexität .................................................................... Konzeptioneller Rahmen des Komplexitätsmanagements ... Ursachen erkennen ......................................................... Strategie abgleichen ....................................................... Komplexität reduzieren ................................................... Komplexität beherrschen ................................................. Komplexität vermeiden ................................................... 43 44 45 46 46 46 47 Komplexitätscontrolling am Beispiel der chemischen Industrie ......................................................................... Ausgangssituation und Rahmenbedingungen ................... Rolle des Komplexitätscontrollings im Projekt .................. 47 48 48 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 3 3.1 3.2 41 42 42 39 Grundlagen & Konzepte 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 Erkennen ........................................................................ Strategie abgleichen ....................................................... Reduzieren ...................................................................... Beherrschen .................................................................... Vermeiden ...................................................................... 48 51 51 52 53 4 Fazit und Ausblick .......................................................... 54 5 Literaturhinweise ........................................................... 55 n Die Autoren Libor Kotlik, Managing Partner und Experte für Komplexitätsmanagement der Camelot Management Consultants AG in Köln. Martin Boyksen, Berater für Komplexitätsmanagement der Camelot Management Consultants AG in Köln. 40 Komplexitätscontrolling 1 Herausforderungen und Charakteristika von Komplexität Unternehmen sind kontinuierlich auf der Suche nach den nächsten großen Trends und Wachstumschancen, seien es innovative Produkte, neue Kunden und Märkte oder neue Vertriebskanäle. Zwar werden dadurch neue Umsatzpotenziale erschlossen, doch führt dies i. d.R. zu einer ständig steigenden Unternehmenskomplexität und damit verbunden zu sinkender Profitabilität. Steigende Komplexität durch Wachstum Komplexitätsinduzierte Kosten gilt es zu identifizieren, zu bewerten und einzelnen Kostentreibern zuzuordnen. Konkret ist es wichtig zu ermitteln, welche zusätzlichen Kosten beispielsweise durch die Einführung eines neuen Produkts, die Belieferung eines weiteren Kunden, die Implementierung eines neuen IT-Systems oder die Aufspaltung einer Unternehmensfunktion entstehen. Die steigende Vielfalt, Dynamik und Verzweigung von Komplexitätstreibern erschweren allerdings eine transparente Erfassung und Bewertung der Komplexität. Ergebnisse einer Studie unter deutschen Führungskräften der Prozessindustrie bestätigen die wachsende Unternehmenskomplexität. So berichten 83 % der Manager von zu hoher Komplexität, 80 % der Befragten erwarten zudem einen weiteren Anstieg in den kommenden Jahren. Gleichzeitig fühlen sich nur 41 % der Studienteilnehmer ausreichend vorbereitet, um mit den Herausforderungen wachsender Komplexität umzugehen.1 Um Transparenz über Komplexität und ihre Wirkungen zu erreichen, bedarf es geeigneter Methoden. Das Komplexitätscontrolling liefert hierfür Methoden, die eine kennzahlenbasierte und zielkonforme Ausrichtung von Managemententscheidungen unterstützen.2 Der vorliegende Beitrag beginnt mit einer Übersicht über Herausforderungen und generische Maßnahmen des Komplexitätsmanagements. Im Fokus steht dabei die Bedeutung des Controllings, um Transparenz über Komplexität zu erlangen. Die Methoden und Instrumente werden anhand eines Praxisbeispiels aus der Spezialchemie erläutert. Abschließend werden Ergebnisse und die steigende Bedeutung ganzheitlicher und nachhaltiger Erfassung von Komplexität durch effektive Controllingmechanismen zusammengefasst. 1 2 Vgl. Camelot Management Consultants, 2012, S. 7-8. Vgl. Cronjäger, 2005, S. 66. 41 Studie bestätigt zunehmende Komplexität in der Prozessindustrie Grundlagen & Konzepte 2 Vernetzung von Komplexitätstreibern Ganzheitliches Komplexitätsmanagement und -controlling Unternehmenskomplexität beschreibt Koordinationsprobleme, die sich aus der Vielfalt und Verzweigung organisatorischer Elemente wie Produkten, Kunden, Prozessen und Geschäftspartnern ergeben, die die Leistungsfähigkeit einer Organisation beeinflussen.3 Ursachen und Wirkungen der Komplexität erstrecken sich also über die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Zudem beeinflussen sie sich dabei häufig wechselseitig. Die Veränderung eines Komplexitätstreibers hat also meist unmittelbaren Einfluss auf weitere Treiber. 2.1 Interne, externe und marktgetriebene Dimensionen der Komplexität Komplexitätsdiamant Um die vielfältigen Faktoren für Komplexität zunächst verständlich aufzuzeigen, haben wir diese strukturiert und in allen ihren Facetten dargestellt. Der Komplexitätsdiamant (vgl. Abb. 1) kategorisiert die zahlreichen Dimensionen und Facetten von Komplexität. Interne Komplexität Marktkomplexität Externe Komplexität Produktion Vertriebskanäle Geografien Abb. 1: Komplexitätsdiamant Dabei werden zunächst 3 übergeordnete Dimensionen unterschieden, die nochmals in jeweils 5 Facetten unterteilt werden. Die interne Dimension umfasst hierbei Faktoren, die ein Unternehmen unmittelbar beeinflussen kann. Die richtige Ausrichtung dieser Faktoren bildet die 3 Vgl. Closs et al., 2008, S. 591. 42 Komplexitätscontrolling Grundlage für Wertgenerierung. Allerdings beeinflussen auch Facetten außerhalb des unmittelbaren Wirkungskreises eines Unternehmens die Anforderungen und Erfolgspotenziale. Die externe Dimension beschreibt daher exogene Gegebenheiten, die ein Unternehmen in operativen und strategischen Entscheidungen mit einbeziehen muss, ohne diese jedoch konkret steuern zu können. Die verbliebene Dimension der Marktkomplexität fasst schließlich die Faktoren zusammen, die die Befriedigung der Marktbedürfnisse und somit die Generierung von Umsätzen determinieren. Die Kosten der Erfüllung der Marktbedürfnisse müssen jedoch kritisch dem Nutzen gegenübergestellt werden. Die jeweiligen Facetten der 3 Dimensionen beschreiben konkrete Treiber der Unternehmenskomplexität, die meist zu zusätzlichen Kosten führen. Beispiel: Prozesskomplexität Die Facette der Prozesskomplexität beschreibt die Heterogenität angewandter Prozesse innerhalb einer Organisation. Mit steigender Heterogenität müssen mehr Prozesse und Aufgaben gleichzeitig ausgeführt werden, was knappe Ressourcen bindet und zu höherem Abstimmungsbedarf, geringeren Spezialisierungseffekten und zusätzlichen Kosten führt. Externe Regulierungen, wie etwa Exportzölle oder Einfuhrbestimmungen, werden einem Unternehmen von außen, etwa durch eine Landesorganisation, auferlegt und können daher nicht aktiv vom Unternehmen beeinflusst werden. Der höhere Abstimmungsbedarf sowie die zusätzlichen Frachtkosten über nationale Grenzen hinweg sind Folgen der regulativen Komplexität. 2.2 Differenzierung zwischen positiver und negativer Komplexität Ein Unternehmen ist von Natur aus ein komplexes System und als solches ist auch ein Maß an Komplexität nicht zwingendermaßen schädlich, sondern kann zur Differenzierung und zu Wettbewerbsvorteilen beitragen.4 Eine breitere Angebotspalette beispielsweise kann unterschiedliche Kundenbedürfnisse bedienen, neue Märkte öffnen und zusätzliche Umsätze generieren. Allerdings ist Komplexität i.d.R. auch mit höheren Kosten verbunden. Übersteigen die Kosten den Nutzen, sprechen wir von negativer Komplexität. Diese verringert Margen, mindert die Flexibilität, vereinnahmt zusätzliche Ressourcen und Spezialisten und reduziert Skalen- und Lerneffekte. Entscheidend ist daher die Abgrenzung zwischen wertvernichtenden Faktoren, die reduziert werden sollten, und wertgenerierender Komplexität, die es gilt, zu beherrschen. Ziel ist, ein Optimum an Komplexität zu erlangen, das den höchsten Mehrwert generiert. Dieser 4 Vgl. Grossmann, 1992, S. 33. 43 Nutzen und Kosten der Komplexität gegenüberstellen Grundlagen & Konzepte optimale Komplexitätsgrad befindet sich an dem Schnittpunkt der Grenzerlöse durch zusätzliche Komplexität und der damit verbundenen Grenzkosten.5 Die Evaluierung der komplexitätsinduzierten Kosten und Erlöse ist Aufgabe des Komplexitätscontrollings. 2.3 Strukturierte Vorgehensweise um optimalen Komplexitätsgrad zu erreichen Konzeptioneller Rahmen des Komplexitätsmanagements Entsprechend der Vielzahl von Komplexitätstreibern bestimmen auch unterschiedliche Managemententscheidungen über diverse Funktionsbereiche und über einen langfristigen Zeitraum den effektiven Umgang mit Komplexität.6 Eine strukturierte Vorgehensweise unterstützt die Identifikation und zielkonforme Ausrichtung optimaler komplexitätsrelevanter Entscheidungen (vgl. Abb. 2). Initiale Komplexität 1 Erkennen 2 Strategie abgleichen 3 4 Reduzieren Beherrschen 5 Vermeiden Optimierte Komplexität Abb. 2: Konzeptioneller Rahmen des Komplexitätsmanagements 5 6 Vgl. Herrmann/Peine, 2007, S. 654, sowie Schuh, 2005, S. 47-48. Vgl. Cronjäger, 2005, S. 65. 44 Komplexitätscontrolling 2.3.1 Ursachen erkennen Als 1. Schritt gilt es zunächst zu erkennen, wo die vielfältigen Ursachen von Komplexität liegen können. Der Komplexitätsdiamant kann hierbei als Anhaltspunkt benutzt werden, um sich die zahlreichen Komplexitätstreiber bewusst zu machen. Aufgrund der Vielfalt von Komplexitätstreibern muss in der Praxis meist ein „Scope“, d.h. ein Bereich für tiefere Analysen, priorisiert werden. In Komplexitätsprojekten werden daher i. d.R. zuerst grob der Umfang und Fokus der Komplexitätsanalyse definiert. Hierbei sollten die Bereiche mit dem größten erwarteten Vereinfachungspotenzial zuerst angegangen werden. Je nach Granularität der Komplexitätsinitiative könnten sich selektierte Bereiche beziehen auf: Priorisierung eines „Scope“ für tiefere Analysen • Technologien, • Geschäftsbereiche (Business Units), • Regionen und • einzelne Komplexitätstreiber. Innerhalb des Scope müssen die fokussierten Komplexitätstreiber nun umfassend analysiert und bewertet werden. Durch Mess- und Bewertungsmethoden soll insbesondere Komplexität identifiziert werden, die keinen wesentlichen Mehrwert für das Unternehmen generiert. Beispiel: Vielfältige Preis- und Konditionensysteme In einem Beratungsprojekt wurden mehr als 100 Preis- und Konditionensysteme allein für ein Land identifiziert. Diese stellten einen erheblichen Aufwand aufgrund der nötigen Systemhinterlegung, der Zuordnung zu Kunden und der Überprüfung der Einhaltung dar. Die Vielfalt der Konditionen bedeutete jedoch kaum einen Mehrwert für den Kunden. Es war daher wichtig, zu erkennen, dass es sich hierbei eindeutig um unnötige Komplexität handelte. Standardisierte Konditionen konnten die Komplexität erheblich verringern, ohne dass dadurch die Kundenzufriedenheit oder Umsätze litten. Das Beispiel zeigt, dass hier negative Komplexität erkannt, quantifiziert und beseitigt wurde. Dieser Schritt legt jedoch auch positive Komplexität offen. Die Erfassung und Bewertung stellen daher die Grundlage für zielgerichtete Gegenmaßnahmen dar. Zudem kann durch die Analyse ein „optimaler“ Komplexitätsgrad bestimmt werden, der konform mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens ist. Der Schritt des „Erkennens“ ist die zentrale Aufgabe des Komplexitätscontrollings. Das Praxisbeispiel verdeutlicht daher konkrete Methoden zur Erfassung und Bewertung von Komplexität sowie die Rolle des Komplexitätscontrollings für weitere Maßnahmen. 45 Erfassen und Bewerten von Komplexität Grundlagen & Konzepte Synchronisation von Komplexitätsgrad und der strategischer Ausrichtung Negative Komplexität proaktiv eliminieren Optimierung von positiver Komplexität 2.3.2 Strategie abgleichen Die 2 Pole strategischer Ausrichtung sind einerseits ein hoher Grad der Differenzierung (hoher Leistungsstandard) und andererseits die Auslegung auf geringe Kosten. Die verschiedenen Strategien erfordern unterschiedliche Komplexitätsgrade. Für ein differenziertes Unternehmen stellt ein breites Produktportfolio einen entscheidenden Erfolgsfaktor für die Erfüllung individueller Kundenwünsche dar. Entsprechend wird die Komplexität höher sein als bei einem Kostenführer, der niedrige Preise als Wettbewerbsfaktor nur durch eine strikte Limitierung von Komplexität und deren Kosten anbieten kann. Der Komplexitätsgrad sollte also die strategische Ausrichtung eines Unternehmens widerspiegeln. Ein Fit zwischen dem Komplexitätsgrad und der Strategie stellt positive Komplexität dar. Jede Abweichung vom spezifischen optimalen Fit stellt negative Komplexität dar und sollte mit geeigneten Maßnahmen angegangen werden. Eine Entscheidung, wo und in welchem Maße Komplexität verringert oder beibehalten werden soll, muss daher konform mit der Unternehmensstrategie sein. 2.3.3 Komplexität reduzieren Wurde negative Komplexität erkannt, gilt es, diese zu reduzieren. Die Reduktion zielt auf proaktive Maßnahmen ab, um überschüssige vorhandene Komplexität zu eliminieren und damit verbundene Kosten einzusparen.7 Produkte oder Kunden mit negativem Deckungsbeitrag stellen typische Ziele einer Reduktion dar, aber auch ineffiziente Prozesse und obsolete IT-Systeme sollten reduziert werden. Meist können Substitute für die eliminierten Faktoren gefunden werden. So können beispielsweise häufig „Exoten“ durch Standardprodukte ersetzt werden. Ziel ist eine Verringerung der Produktkomplexität unter Erhaltung des Umsatzes. Geeignete Maßnahmen wie etwa „Phase-out Management“ begleiten die strukturierte Eliminierung oder Substitution von Produkten oder anderen Komplexitätstreibern. 2.3.4 Komplexität beherrschen Die Beherrschung von Komplexität befasst sich mit dem Optimierungspotenzial für positive Komplexität. Diese wurde als Wettbewerbsfaktor identifiziert und sollte somit nicht eliminiert werden. Die Kosten für diese Komplexität können dennoch verringert werden. Die Harmonisierung von Prozessen und Produktionsstrategien kann z.B. Komplexitätskosten reduzieren, ohne die vom Kunden wahrgenommene Vielfalt einzuschränken. Standardisierte Produktarchitekturen oder die Verlagerung des Variantenbestimmungspunkts verringern beispielsweise die 7 Vgl. Syska, 2006, S. 76, sowie Wildemann, 1999, S. 33-34. 46 Komplexitätscontrolling Kosten durch Zwischenprodukte, jedoch nicht die Auswahl der verkauften Endprodukte. U. U. kann sogar eine Steigerung von Komplexität eine legitime Strategie sein. Innovative Produkte können zusätzliche Umsätze und Gewinne generieren, auch wenn sie die Unternehmenskomplexität zunächst einmal erhöhen. Entscheidend ist das Wachstum mit profitablen Produkten. Diese zeichnen sich meist durch geringe Komplexitätskosten, etwa durch die Verwendung bestehender Technologien und Verpackungen, und hohe zusätzliche Umsätze durch die Bedienung neuer Kunden mit hohem Absatzvolumen aus. Die „Beherrschung“ zielt also letztlich darauf ab, einen maximalen Beitrag zum Kundennutzen bei gleichzeitiger Erhaltung der Effizienz zu erreichen.8 2.3.5 Komplexität vermeiden Die beschriebenen Maßnahmen können zu einem optimierten Grad an Komplexität führen. Durch dynamische Marktveränderungen sehen sich Unternehmen allerdings gezwungen, sich ständig an neue Herausforderungen anzupassen.9 Dies erfordert auch eine Anpassung der Komplexität. Die Vermeidung zielt darauf ab, die Entstehung neuer negativer Komplexität präventiv zu verhindern. Geeignete Überwachungsmechanismen des Controllings verfolgen kontinuierlich die Dynamik aller Komplexitätstreiber. Dedizierte Key Performance Indicators (KPIs) beispielsweise ermöglichen die Messung von Komplexitätstreibern und stellen so wichtige Warnmechanismen dar. Messen sie eine Überschreitung der evaluierten Höchstgrenzen, können wiederum Gegenmaßnahmen implementiert werden, um der stetig wachsenden Komplexität nachhaltig entgegenzuwirken. Somit entsteht ein Kreislauf aus der kontinuierlichen Analyse von Komplexität und dem permanenten Ableiten zielgerichteter Maßnahmen. 3 Komplexitätscontrolling am Beispiel der chemischen Industrie Im Folgenden werden Problemstellungen und Lösungsmethoden des Komplexitätsmanagements an einem praxisorientierten Fallbeispiel eines Spezialchemieunternehmens erläutert. Anhand der beschriebenen Struktur (vgl. Abb. 2) wird die Funktion des Komplexitätscontrollings in den jeweiligen Phasen praxisnah erläutert. 8 9 Vgl. Seuring et al., 2004, S. 180, sowie Schuh/Schwenk, 2001, S. 34. Vgl. Jacobs/Swink, 2011, S. 677, sowie Denk/Pfneissl, 2009, S. 25. 47 Komplexität nachhaltig durch einen kontinuierlichen Prozess meistern Grundlagen & Konzepte 3.1 Globale Reichweite und Diversifikation fördern Komplexität Ausgangssituation und Rahmenbedingungen Mit einem Umsatz von mehreren Mrd. EUR stellt der untersuchte Unternehmensbereich der Feinchemie die größte Division eines Großkonzerns der Spezialchemie dar. Die mehr als 20.000 Mitarbeiter decken in ihren global verteilten Unternehmensstandorten nahezu alle Ländermärkte ab. Charakteristisch für viele Chemieunternehmen ist die hohe Anzahl an Endprodukten. Als Haupttreiber hierfür stellten sich die differenzierten Kundenanforderungen heraus. Marginale Unterschiede bei angeforderten Spezifikationen der Verpackung, Dosierung oder Formulierung führen zu einem erheblichen Anstieg des Produktportfolios. Die Kunden- und Produktkomplexität sind daher häufig entscheidende Komplexitäts- und Kostentreiber in der chemischen Industrie. Eine detaillierte Ursachenanalyse identifizierte eine Reihe von Indizien für gestiegene negative Komplexität und Effizienzeinbußen: • leicht steigende Umsatzzahlen, aber rückläufige Margen, Produkt- und Kundenportfolio: >1.800 SKUs ; >3.500 • breites Kunden, • heterogene Organisationsstrukturen und Prozesse, Kommunikation zwischen Funktionen entlang der Supply • verzögerte Chain und Markt- und Kundenanforderungen für verschiedene • divergierende Marken und Geografien. 10 Ein Pilotprojekt in einer Business Unit in Europa sollte Transparenz schaffen und individualisierte Gegenmaßnahmen entwickeln. Diese Unternehmenseinheit umfasste 6 Werke in 4 Ländern und erzielte einen jährlichen Nettoumsatz von rund 400 Mio. EUR. 3.2 Fokus auf Geschäftseinheit mit geringster Effizienz Rolle des Komplexitätscontrollings im Projekt 3.2.1 Erkennen Aufgrund der Größe der Unternehmensdivision wäre in der Praxis keine simultane Durchführung der Komplexitätsinitiative über alle globalen Geschäftseinheiten durchführbar gewesen. Mittels einer Grobanalyse wurde daher zunächst der „Scope“ des Projekts definiert. Aus 5 Geschäftsbereichen mit vergleichbaren Umsätzen in Top-3-Märkten Europas wurde ein Geschäftsbereich für das Pilotprojekt ausgewählt. In einem internen Benchmarking von Daten aus dem Controllingsystem wurde für diesen der niedrigste durchschnittliche Deckungsbeitrag pro SKU und Kunde identifiziert. Zusätzlich hatte der Geschäftsbereich die 10 SKU = Stock Keeping Unit (lagergeführter Artikel). 48 Komplexitätscontrolling höchste Anzahl an Rohmaterialien und Auftragspositionen, die weitere Indizien für hohe Komplexität darstellen. Die geringere Effizienz suggerierte daher das größte Einsparpotenzial aller verglichenen Geschäftsbereiche. Als wesentliche Stellhebel für eine Komplexitätsreduktion wurden Produkte und Kunden identifiziert, weil diese entscheidende Kostentreiber in der chemischen Industrie darstellen. Eine Zeitreihenanalyse über die letzten 4 Geschäftsjahre bestätigte den Verdacht deutlich gestiegener Komplexität dieser Facetten: • Die SKUs stiegen in dem Zeitraum um mehr als 95 %. • Die Kundenanzahl stieg um mehr als 80 %. • Gleichzeitig sank der Profit pro SKU um mehr als 12 %. Weitere Facetten des Komplexitätsdiamanten (vgl. Abb. 1) haben zudem unmittelbare Kostenwirkungen auf die beiden Stellhebel. Es galt daher im nächsten Schritt, wesentliche Komplexitätstreiber aufzudecken, die einen Kosteneffekt auf die Produkte und Kunden hatten und daher die Profitabilität verringerten. Die Erfassung wesentlicher Symptome sowie die Messung ausgewählter Komplexitäts-KPIs (vgl. Abb. 3) stellten Transparenz über funktionsübergreifende Einflussfaktoren der Produkt- und Kundenkomplexität her. Produktentwicklung KomplexitätsKPI Symptome der Komplexität Entwicklungsprojekte Produkttests Technischer Service Verpackungsentwicklung # Technologien # Produkteinführungen # F&E Standorte # Regulierungen Zu viele Materialien und Zulieferer Administrativer Aufwand Hohe Transaktionskosten Geringere Einkaufsrabatte # Rohmaterialien # Zulieferer Lagerhaltung & Logistik Produktion Einkauf Qualitätskontrolle Reinigung/ Changeover Hoher Ausschuss Geringere Auslastung Längere Durchlaufzeiten # SKUs # Formulierungen # Verpackungsformate & Labels Geringere Verfügbarkeit von Produkten Lagerhaltung Supply Chain Planungsaufwand Zusätzliche Lagerstandorte # SKUs # Lagerstandorte # Lieferungen Ø Bestellmengen Ø Bestellwert Abb. 3: Auswahl von Symptomen und Komplexitäts-KPIs 49 Vertrieb & Marketing Ineffektiver Vertrieb Prognosefehler bei Absatzplanung Teurer Kundenservice Umsatzkannibalisierung # Kunden # Kundenspezifische Produkte Grundlagen & Konzepte Zum einen wurde somit durch die Messung der KPIs ein konkreter Komplexitätsgrad bestimmt. Dieser wurde mit den jeweiligen Referenzwerten (durchschnittliches Ergebnis der 5 untersuchten Geschäftsbereiche) verglichen. Überproportionale Komplexität einzelner Treiber in der fokussierten Geschäftseinheit, beispielsweise eine Vielzahl an Entwicklungsprojekten, wurde aufgedeckt und konnte in den anschließenden Phasen gezielt angegangen werden. Verursachungsgerechte Zuordnung von Komplexitätskosten Zum anderen wurden die vielfältigen Kosten der Produkt- und Kundenkomplexität erfasst, die durch die Symptome entstanden. Die tatsächliche Verursachung dieser Kosten beispielsweise durch einzelne Produkte war jedoch noch unklar. Viele Gemeinkosten wurden ursprünglich pauschal auf Produkte umgelegt. Überproportional hohe Kosten pro SKU und damit auch geringere Profitabilität konnte so nicht akkurat bestimmt werden. Für die Erfassung implementierte das Controlling daher ein vereinfachtes Activity Based Costing, eine Kostenkalkulation, um Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette verursachungsgerecht einzelnen Produkten zuzuordnen. Abb. 4 zeigt einen vereinfachten Ausschnitt des kumulierten adjustierten Deckungsbeitrags nach der Zuordnung der Komplexitätskosten. Umsätze/Aufwendungen in EUR 1000 Vereinfachtes Projektbeispiel Verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten zu einzelnen Produkten 295.000 404.000 25.000 109.000 31.000 Netto Umsatzerlöse Umsatzaufwendungen Deckungsbeitrag SC & Logistik Abb. 4: Schema des produktspezifischen Activity Based Costing 50 Sales & Marketing 41.000 2.000 R&D/ Anwendungstechnik Deckungs Deckungs- beitrag beitrag adjustiert adjustiert Komplexitätscontrolling Eine SKU-spezifische Zuweisung von Kosten zu Produkten wurde vor dem Projekt nur bezogen auf Umsatzaufwendungen (Cost of goods sold, Material-, Fertigungskosten etc.) durchgeführt. Das Activity Based Costing erfasste und allokierte zusätzliche Kosten von 58 Mio. EUR quer durch Supply Chain & Logistik, Sales & Marketing und Entwicklung & Anwendungstechnik und ordnete diese einzelnen Produkten zu. Kosten, die nicht eindeutig zugewiesen werden konnten, wurden über neue präzisere Allokationsschlüssel umgelegt. Allgemeine Vertriebskosten wurden beispielsweise im Verhältnis der Anzahl der Kundenaufträge für ein Produkt umgelegt. Weitere Kostenarten wurden im Verhältnis zu Nettoumsätzen pro SKU oder andere Kriterien allokiert. Aufgrund der Transparenz über die tatsächlichen Komplexitätskosten der Produkte und Kunden war es möglich, gute Komplexität mit einem positiven adjustierten Deckungsbeitrag von wertvernichtender Komplexität zu unterscheiden. Auf dieser Informationsgrundlage setzten die nachfolgenden Strategien und Maßnahmen des Komplexitätsmanagements auf. 3.2.2 Strategie abgleichen Durch die Quantifizierung der Komplexität durch das Controlling war es möglich, konkrete Zielwerte für den Komplexitätsgrad von Treibern zu bestimmen. Die Zielwerte richteten sich wiederum nach der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Für die analysierte Geschäftseinheit ist lediglich eine moderate Differenzierung als strategische Stoßrichtung vorgesehen. Die durch das Controlling ermittelte Vielfalt an Kunden, Produkten und Services sowie die hohen Produktionskosten bewies eine Abweichung von der geplanten strategischen Ausrichtung. Nötig war deshalb eine Reduktion der angebotenen Produkte und Services, um wieder Konformität zur Strategie herzustellen. Das Controlling bestimmte einen Zielwert für die Komplexitätsreduktion. Dieser ergab sich aus dem durchschnittlichen Verhältnis von Umsätzen zu SKUs der 5 Geschäftseinheiten, die als Referenzwert dienten. Höhere Umsätze pro SKU deuten auf geringere Komplexität hin. Rund 90.000 EUR pro SKU sollten mindestens als Zielwert erreicht werden. Somit wurde ein konkretes Ziel abgeleitet, um den Fit zwischen Komplexität und strategischer Ausrichtung wiederherzustellen. 3.2.3 Reduzieren In diesem Schritt ging es darum, wertvernichtende Komplexitätstreiber zu eliminieren. Um diese jedoch erst einmal zu identifizieren, bedarf es aussagekräftiger Kennzahlen, die das Komplexitätscontrolling ermittelt und analysiert. Entsprechend identifizierte das Projekt mittels ABC51 Strategiekonforme Entscheidungen ableiten Kandidaten zur Eliminierung identifizieren Grundlagen & Konzepte Analysen Produkte und Kunden mit geringem oder negativem adjustiertem Deckungsbeitrag. Die Analysen ergaben, dass 62 % der SKUs und 65 % der Kunden nur 5 % der Deckungsbeiträge generierten. Die Analyse der Profitabilität wurde mit einer Evaluierung von strategischen Werten komplementiert. Diese wurden auf die Faktoren • Marktanteil, • Wachstumspotenzial, • technologische Substituierbarkeit und • Beitrag zur Kundenloyalität evaluiert. Expertenbefragungen und Kennzahlen des Controllings, beispielsweise der „Wachstumsrate der Nettoumsätze pro SKU in den letzten 4 Jahren (Wachstumspotenzial)“ bildeten die Grundlage der Bewertung. SKUs mit geringer Profitabilität und geringem strategischem Wert wurden als potenzielle Kandidaten einer Eliminierung erfasst. Zudem konnten strategische Kunden mit hohem Deckungsbeitrag deutlicher fokussiert werden. Kostentreiber nach einer Reduktion eliminieren oder umverteilen Bestimmung von Mindestpreisen Nach einer Reduktion von SKUs wird die Kostenentwicklung nachgehalten. Zusätzlich zu geringeren Umsatzkosten werden Ressourcen entlang der Wertschöpfungskette frei. Frei gewordene Ressourcen können für andere wertschöpfende Aktivitäten eingesetzt oder ebenfalls eliminiert werden, um weitere Kosten einzusparen. Das Komplexitätscontrolling begleitet die Kostenreduktion bzw. Kostenumverteilung der Ressourcen, um Transparenz aufrechtzuerhalten und kennzahlenbasierte Entscheidungen zu gewährleisten. 3.2.4 Beherrschen In dieser Phase extrahierte das Controlling Informationen darüber, welche Kostentreiber vermindert werden können, ohne Wettbewerbsvorteile durch wertgenerierende Komplexität zu verlieren. Vor einer endgültigen Eliminierung wurden in dem Projekt Produkte mit geringem oder negativen adjustierten Deckungsbeiträgen weiter analysiert. Produkte mit mangelnder Profitabilität, aber hohem strategischem Wert, beispielsweise aufgrund ihres hohen Kundennutzens, wurden identifiziert. Eine Preisadjustierung ermöglicht das Ausnutzen des strategischen Werts und einen Anstieg der Profitabilität. Das Komplexitätscontrolling evaluierte hierfür pro Produkt einen Mindestpreis, der erforderlich ist, um Kosten auszugleichen und zusätzlich eine Mindestmarge zu erreichen. Für Kunden wurde auf ähnliche Weise eine Mindestabnahmemenge determiniert, ab der die verursachungsgerechten Bestellkosten durch ihre Umsätze übertroffen werden. Bei einer Unterschreitung der Abnahmemenge wurde ein Preisaufschlag vereinbart. Ein Anreiz für 52 Komplexitätscontrolling konsolidierte Bestellungen und standardisierte Produkte mit höheren Abnahmemengen wurde gesetzt. Die Komplexität durch angebotene Produkte und bediente Kunden wurde also zwar nicht verringert, aber die Profitabilität sichergestellt. Das Komplexitätscontrolling hält mittels KPIs zudem den Grad des Zugriffs von Produkten auf gemeinsame Technologien und Ressourcen nach. Der Vergleich der Anzahl an SKUs, insbesondere zu der Anzahl Technologien, Rohmaterialien und Verpackungs- und Dosierungsformate, gab Aufschluss über die Standardisierung der Produkte. Im Vergleich zu den internen Benchmarks wurden rund 25 % mehr Verpackungen und 10 % höhere Rohstoffvielfalt im Vergleich zu Endprodukten identifiziert. Das Controlling konnte konkrete Zielwerte (beispielsweise #SKUs/ #Rohmaterialien interner Benchmark & 0,94) für die Verringerung dieser Kostentreiber ableiten. Durch Standardisierung der Vorprodukte wurde die Komplexität verringert, ohne die am Markt wahrgenommene Vielfalt zu mindern. 3.2.5 Vermeiden Um nach dem eigentlichen Projektende einer Rückkehr zu alten komplexen Mustern entgegenzuwirken, wurde ein strukturierter Controllingprozess beschlossen. Die kontinuierliche Erhebung und Auswertung von Komplexitätskennzahlen in spezifischen Funktionsbereichen (vgl. Abb. 5) gewährt durchgängige Transparenz. Signifikante Abweichungen von definierten Richtwerten werden daher schnell erkannt, und Gegenmaßnahmen können eingeleitet werden, bevor sich die negative Komplexität auch negativ in den Bilanzen bemerkbar macht. Zielwerte für den Grad an Standardisierung Nachhaltig Transparenz gewährleisten Strategische Planung/ Portfolio-LebenszyklusManagement Anzahl SKU Anzahl neue SKU Anzahl eliminierte SKU Komplexitätstrichter Entwicklung und Beschaffung Anzahl Lieferanten Materialgruppen Anzahl A-Rezepturen Anzahl Rezepturen gesamt Anzahl B-Rohstoffe Produktion und Logistik Anzahl Fertigungsaufträge Anzahl Chargen Anzahl Rezepturen Anzahl Hauptfertigungsstraßen Anzahl Rohstoffe je Werk Anzahl SKU Ø Anteil Vertriebskosten ∆ EBIT Anzahl Kunden Umsatz je Zielgruppe ∆ Anzahl der SKU Marketing und Vertrieb Abb. 5: Selektive Komplexitätskennzahlen 53 Grundlagen & Konzepte Zusätzlich treffen sich quartalsweise Verantwortliche für Marken und Funktionen entlang der Wertschöpfungskette, um Entwicklungen der Komplexität zu besprechen. Die Kennzahlen des Controllings dienen hierbei als Informationsgrundlage, um Potenziale weiterer funktionsübergreifender Maßnahmen abzuschätzen. IT-Systeme funktionsübergreifend planen und abstimmen So wurden im Nachgang an die eigentliche Komplexitätsinitiative die hohen Kosten der Implementierung und des Unterhalts neuer ITSysteme über mehrere Funktionen analysiert. Eine standardisierte Systemlösung mit harmonisierten IT-Schnittstellen wurde gegenüber neuen teureren und komplexeren Individuallösungen als vorteilhafter identifiziert. Weitere Komplexitätskosten konnten also durch die Kostenanalysen des Controllings vermieden werden. Neuprodukte durch Einstellung alter Produkte kompensieren Um zudem der Komplexität des Produktportfolios und der Forschung & Entwicklung zukünftig entgegenzuwirken, hält das Controlling die Ratio von Neuentwicklungen zu eliminierten Produkten nach. Eine Regelung vermeidet die überproportionale Ausweitung des Portfolios: Ohne Sondergenehmigung darf kein neues Produkt entwickelt und vermarktet werden, wenn als Gegenmaßnahme nicht mindestens 2 obsolete Produkte eliminiert werden. 4 Fazit und Ausblick EBIT um rund 4 % gesteigert Durch die angewendeten Maßnahmen konnten erhebliche Einsparpotenziale erzielt werden. Die Portfoliobereinigung blieb zudem absolut umsatzneutral. Für die eliminierten Produkte wurden also im vollen Umfang Substitute positioniert. Die Kostenreduktion bei gleichzeitiger Erhaltung der Umsätze führte zu einer Steigerung des EBIT um ca. 4 %, was einem Gegenwert von rund 16 Mio. EUR entspricht. Als Pilotprojekt wurde das Optimierungspotenzial deutlich bestätigt. Es ist geplant, die vorgestellte Vorgehensweise auf weitere Geschäftseinheiten zu übertragen. Durch die Ausweitung der Komplexitätsinitiative sind erhebliche weitere Einsparungen zu erwarten. Da die Controllingmechanismen zudem in einem kontinuierlichen Prozess gemäß dem Schritt des „Vermeidens“ angewendet werden, sind nachhaltige Kostenreduktionen und sukzessive Optimierungen wahrscheinlich. Für valide Aussagen muss Datenqualität sichergestellt werden Die Zusammenarbeit des Controllings mit Unternehmensbereichen und -funktionen stellte sich als wichtiger Erfolgsfaktor heraus. Die für das Komplexitätsmanagement aufbereiteten Kennzahlen sicherten das Erfolgspotenzial der tatsächlichen Maßnahmen zur Reduktion. Vor Projektbeginn wurden allerdings Defizite im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit und -qualität festgestellt. Diese führten zu erheblichem Aufwand für die Datenbereinigung, bevor valide Aussagen abgeleitet werden 54 Komplexitätscontrolling konnten. Ein effektives Komplexitätscontrolling muss also schon bei der kontinuierlichen Qualitätssicherung von Daten sowie deren Auswahl und Verdichtung zu aussagekräftigen Kennzahlen beginnen. Die vorgestellte Methodologie des Komplexitätscontrollings ermöglichte die Identifikation und Messung entscheidender Komplexitätstreiber sowie die verursachungsgerechte Zuordnung von Komplexitätskosten. Die erhöhte Transparenz unterstützte dadurch die strategiekonforme Ausrichtung von Methoden des Komplexitätsmanagements, um den richtigen Komplexitätsgrad sicherzustellen. Das Komplexitätscontrolling unterstützt wesentlich die Unternehmenssteuerung bei der Adaptation an zunehmend komplexere Anforderungen und bei der Ableitung agiler kennzahlenbasierter Entscheidungen. 5 Literaturhinweise Camelot Management Consultants AG, Study Mastering Complexity, 2012. Closs/Jacobs/Swink/Webb, Toward a theory of competencies for the management of product complexity: six case studies, Journal of Operations Management, 5/2008, S. 590-610. Cronjäger, Komplexitätscontrolling am Beispiel Nutzfahrzeugbau, 2005. Denk/Pfneissl, Komplexitätsmanagement: Konzeption, Erfolgspotenziale, Praxisfälle, 2009. Grossmann, Komplexitätsbewältigung im Management – Anleitungen, integrierte Methodik und Anwendungsbeispiele. 1992. Herrmann/Peine, Variantenmanagement, in Albers/Herrmann (Hrsg.), Handbuch Produktmanagement, 3. Aufl., 2007, S. 651-679. Jacobs/Swink, Product portfolio architectural complexity and operational performance: Incorporating the roles of learning and fixed assets, in: Journal of Operations Management, 29. Jg., H. 7-8, 2011, S. 677–691. Schuh, Produktkomplexität managen – Strategien, Methoden, Tools, 2. Aufl. 2005. Schuh/Schwenk, Produktkomplexität managen – Strategien, Methoden, Tools, 2001. Seuring/Goldbach/Koplin, Managing time and complexity in supply chains: two cases from the textile industry, International Journal of Integrated Supply Management, 2/2004, S. 180-198. 55 Transparente Informationen zur Unterstützung der Unternehmenssteuerung Grundlagen & Konzepte Syska, Produktionsmanagement: Das A – Z wichtiger Methoden und Konzepte für die Produktion von heute, 2006. Wildemann, Komplexität: Vermeiden oder beherrschen lernen, Harvard Businessmanager, 6/1999, S. 31-42. 56 Das Power-Paket für Ihr Controlling! Mit Haufe Controlling Office haben Sie alle Informationen zur Hand, die Sie zum zuverlässigen Planen, erfolgreichen Steuern und sicheren Kalkulieren brauchen. Die Software informiert Sie über alle Trends und aktuellen Entwicklungen im Controlling, damit Sie Ihre Rolle als strategischer Partner im Unternehmen perfekt wahrnehmen können. Leistungsmerkmale: Haufe Controlling Office DVD-Version, inkl. Zugang zur stets aktuellen Online-Version Bestell-Nr. A01422 108,00 i zzgl. MwSt. Updates nach Bedarf à 56,00 h zzgl. MwSt. auch als Online-Version erhältlich: Bestell-Nr.: A01426VJ01 monatlich 20,75 i zzgl. MwSt. Jahresbezugspreis 249,00 h zzgl. MwSt. n Operatives und strategisches Controlling: Trends und aktuelle Entwicklungen sowie umfassende Fachbeiträge und Arbeitshilfen zur erfolgreichen Umsetzung, z. B. 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