11 Mittwoch, 16. September 2009 Sindelfingen/Böblingen: In der Klinik für Urologie operieren Chefarzt Prof. Dr. Thomas Knoll und sein Team Prostatakrebs / SZ/BZ-Serie „Gesund werden, gesund bleiben“ (13) Die Scheu der Männer vor dem Finger Von unserem Redakteur Hansjörg Jung Wer befasst sich schon gerne mit seinen Unterleibsgeschichten und spricht dann auch noch darüber. Männer gehören zu einem großen Teil nicht dazu. Zu ihrem eigenen Nachteil, denn: Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern, sagt Professor Dr. Thomas Knoll, Chefarzt der Sindelfinger Klinik für Urologie im Klinikverbund Südwest. Wuchern im Verborgenen „Auch wenn Prostatakrebs recht häufig ist, so führt er doch in deutlich weniger Fällen zum Tode als andere Krebsarten“, sagt der Sindelfinger Chefarzt. Dennoch ist nicht damit zu spaßen, denn auch ein Prostatakrebs kann in fortgeschrittenem Stadium seine Krebszellen streuen – vornehmlich in Lymphknoten und Knochen. Und er kündigt sich, anders als die gutartige Prostatavergrößerung, nicht durch wahrnehmbare Symptome, wie Probleme beim Wasser lassen, an. Der Krebs beeinträchtigt den Patienten zunächst nicht und wuchert im Verborgenen. Soweit muss es jedoch nicht kommen, denn es gibt Untersuchungsmethoden, den Krebs frühzeitig zu erkennen. Doch vielleicht ist es die gängige Untersuchungsmethode, die manche Männer die Augen vor der Gefahr verschließen lässt: Der behandelnde Arzt, ob niedergelassen oder in der Klinik, tastet mit dem Finger über den After die Prostata nach verdächtigen Knoten ab. Dies bezahlt die Krankenkasse im Rahmen M Selbsthilfegruppen Zwei Anlaufstellen im Landkreis Erfahrungsaustausch, jede Menge Informationen und ein offenes Ohr finden Prostatakrebs-Patienten in den Selbsthilfegruppen. Im Landkreis Böblingen haben sich zwei organisiert. In Sindelfingen trifft sich die Selbsthilfegruppe unter dem Vorsitz von Helmut Schiro jeden letzten Donnerstag des Monats um 18 Uhr im Haus Sommerhof. Kontakt: Helmut Schiro, Telefon 0 70 31/65 07 55 oder unter der E-Mail-Adresse [email protected]. Die Herrenberger Gruppe unter dem Vorsitz von Dr.-Ing: Armin Gerber trifft sich jeden ersten Dienstag des Monats im Herrenberger Restaurant Botenfischer. Kontakt: Dr.Ing. Armin Gerber, Telefon 0 70 32/ 79 94 61 oder unter der E-Mail shgprostatakrebs-herrenberg@gmx. de. ta Heute: Prosta der Krebs-Vorsorgeuntersuchung Versicherten ab 45 Jahren. jedem Kontrovers: Der PSA-Wert Indes: „Dies allein reicht nicht aus, um Krebserkrankungen früh zu erkennen“, sagt Professor Dr. Thomas Knoll und empfiehlt jedem zusätzlich den PSA-Wert untersuchen zu lassen – auf eigene Kosten, die bei 20 bis 30 Euro liegen dürften. Der PSA-Wert wird über eine Blutuntersuchung bestimmt und bezeichnet die Menge eines bestimmten Eiweißes, das von der Prostata, nicht nur, aber vor allem bei Krebserkrankungen des Organs gebildet wird. Ein erhöhter PSAWert kann also auf eine Krebserkrankung hindeuten, muss es aber nicht. „Deshalb gibt es hierzu auch eine kontroverse Diskussion“, sagte der Sindelfinger Chefarzt. Er empfiehlt die zusätzliche Diagnose-Methode dennoch. Denn gerade Tumore im Frühstadium sind meist über die Tastuntersuchung nicht zu entdecken und mehr noch als vom absoluten PSA-Wert vermag der Urologe von dessen Dynamik, wie er sich von Untersuchung zu Untersuchung verändert, abzulesen. „Es gehört schon beides zusammen. Sowohl die Tastuntersuchung als auch die PSA-Wert-Bestimmung sollte man jedes Jahr machen lassen, um den Verlauf beurteilen zu können,“ sagt Prof. Dr. Thomas Knoll. Bestehen Verdachtsmomente auf eine Erkrankung, wird der Untersuchungszeitraum verkürzt oder gar Gewebeproben von der Prostata entnommen. Dies geschieht unter lokaler Betäubung ebenfalls über den After und ist, nach Worten des Chefarztes, „nicht schlimm“. Strahlen, Spritzen, Skalpell Fällt die Diagnose positiv aus, ist eine Behandlung unumgänglich, hat der Arzt unterschiedliche Möglichkeiten zur Therapie. Je nachdem, wie weit der Krebs schon fortgeschritten und wie aggressiv er ist – aber auch abhängig vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten. Bei lokal begrenzten Tumoren ist meist eine operative Entfernung der Prostata, alternativ dazu auch eine Bestrahlung, erforderlich. Dies bedeutet für den Patienten im Normalfall eine Woche Krankenhausaufenthalt und anschließend zwei Wochen am Blasenkatheter. Ist der Tu- Informationen zur Urologieklinik am Sindelfinger Krankenhaus 1850 stationäre Patienten pro Jahr Die Klinik für Urologie ist am Sindelfinger Krankenhaus angesiedelt. Das Behandlungsspektrum umfasst die gesamte urologische Diagnostik und Therapie, besondere Schwerpunkte sind die Behandlung von urologischen Tumorerkrankungen, minimal-invasive Therapieverfahren, Blasenfunktionsstörungen und Harninkontinenz und rekonstruktive Eingriffe. Zum Ärzteteam gehören Chefarzt Prof. Dr. Thomas Knoll, der leitende Oberarzt Dr. Gunnar Wendt-Nordahl, die Oberärzte Dr. Patrick Honeck, Dr. Winmar Jöckl, Dr. Roland Steiner drei Fachärzte und drei Assistenzärzte. Das Team behandelt jährlich rund 1850 Patienten stationär und 1500 ambulant. Die Klinik verfügt über 40 Betten. Sprechstunden finden nur nach Vereinbarung unter Telefon 0 70 31/ 98 12 501 statt. – fs – Das Interview: Chefarzt Prof. Dr. Thomas Knoll Die Potenz nach Prostatakrebs Von unserem Redakteur Hansjörg Jung Mehr als um ihren Prostatakrebs machen sich manche Männer Gedanken um ihre Männlichkeit nach der Operation. Dabei gilt in vielen Fällen: Man soll die Hoffnung nicht hängen lassen. Über männliche Sexualität nach der teilweisen Entfernung der Prostata sprach die SZ/BZ mit Chefarzt Professor Dr. Thomas Knoll. Manche Männer fürchten bei der Krebsoperation an der Prostata auch ihre Manneskraft zu verlieren. Zurecht? Dr. Thomas Knoll (Bild: z): „Wenn bei der Operation die Prostata und die Samenblase entfernt werden müssen, wird auch der Samenleiter durchtrennt und es kann nicht mehr zum Samenerguss kommen. Während wir die Inkontinenz nach der Operation heute in den Griff bekommen haben, gestaltet sich dies bei der Potenz des Mannes schwieriger. Verantwortlich dafür sind die Nervengefäßbündel, die seitlich an der Prostata verlaufen. Sie sind verantwortlich für die sexuelle Stimulation. Werden sie durchtrennt, ist eine Erektion nicht mehr möglich. Bei begrenzten Tumoren können diese Nervenfaserbündel bei der Operation geschont werden. Dann bleiben gut zwei Drittel aller Patienten potent – wenn sie es auch vor der Operation waren. Doch nirgendwo wird so viel gelogen wie in dieser Frage.“ Gibt es einen Zusammenhang zwischen sexueller Aktivität und Prostatakrebs – im positiven wie im negativen Sinne? Dr. Thomas Knoll: „Da ist die Studienlage wackelig, weshalb ich davon ausgehe, dass es keinen Zusammenhang gibt. Fest steht nur, dass Eunuchen nie unter Prostatakrebs leiden. Dies liegt aber nicht an ihrer sexuellen Enthaltsamkeit, sondern an ihrem niedrigen Testosteron-Spiegel, der durch die Hodenentfernung vor der Pubertät verursacht ist.“ Unter der Harnblase sitzt die Prostata. mor dagegen fortgeschritten und hat eventuell schon gestreut, können Hormonspritzen das Wachstum bremsen. Radioaktiv vor Ort Künftig soll im Sindelfinger Krankenhaus eine besondere Form der Bestrahlung praktiziert werden, die vor allem bei gering aggressiven Tumoren Vorteile bietet. Bei dieser Methode werden kleine radioaktive Teilchen in M Zum Thema Gutartige Prostatavergrößerung Jeder Mann bekommt im Laufe seines Lebens eine gutartige Vergrößerung der Prostata. Ein sicheres Erkennungszeichen: Der Urinstrahl wird schwächer, weil die Prostata die Harnröhre umschließt und mit ihrem Wachstum verengt. Das ist zunächst nur unangenehm, kann aber gefährlich werden, wenn sich die Blase nicht mehr genügend entleeren kann und deshalb Risiken für Blase und Nieren entstehen. In einem frühen Stadium kann man die Blasenentleerung mit Medikamenten verbessern. Ist eine Operation notwendig, so erfolgt diese heute fast immer über einen minimal-invasiven Eingriff durch die Harnröhre, bei dem mit einer elektrischen Schlinge die Prostata ausgeschabt wird. Als Alternative dazu kann auf dem gleichen Weg auch ein Laser eingesetzt werden. Der Vorteil dabei: Die Operation ist unblutig und der Patient kann das Krankenhaus zwei bis drei Tage früher verlassen. Die Nachteile: Für sehr große Prostatas ist der Laser weniger geeignet. Dazu steht dem Arzt nach der Operation kein Gewebe zur Verfügung, das auf Krebszellen untersucht werden könnte. Bei sehr großen Prostatas oder grenzwertig erhöhtem PSA-Wert wird daher mit der klassischen Methode, der elektrischen Schlinge, operiert. – jj – Skizze: z die Prostata gesetzt, um den Tumor gezielt zu bestrahlen. Der Vorteil dabei: Die Bestrahlungsquelle sitzt direkt am Tumor und muss nicht durch den halben Unterleib zu ihm hindurchdringen. So werden vor allem Nachbarorgane weniger in Mitleidenschaft gezogen. Bei dieser Art der Therapie ist ein rund dreitägiger Krankenhausaufenthalt notwendig. Und es gibt noch eine weitere Möglichkeit, dem Krebs zu begegnen: das kontrollierte M Zuwarten. „Dabei leben die Patienten mit ihrem Krebsbefund und warten die Entwicklung ab“, sagt Professor Dr. Thomas Knoll und fügt hinzu: „Das machen aber nicht viele mit – ich könnte das vermutlich auch nicht.“ Der Vorteil dieser Vorgehensweise: Der Patient kommt möglicherweise um eine Therapie herum, weil der Tumor nur langsam fortschreitet und die Gefahr der Streuung, bei wenig aggressiven Tumoren, gering ist. Stichwort Die Prostata – Lage und Funktion Die Prostata oder auch Vorsteherdrüse ist ein etwa kastaniengroßes Drüsenorgan, welches am Blasenausgang ringförmig um die Harnröhre liegt. An der Stelle, an der die Prostata die Harnröhre umgibt, münden die Samenleiter in die Harnröhre. In ihrer Form gleicht die Prostata einem halbierten Apfel. Beim erwachsenen Mann wiegt sie etwa 20 Gramm. In ihrer Funktion als Drüsenorgan produziert die Prostata ein milchiges Sekret, das beim Samenerguss den größten Teil der Flüssigkeit bildet. Dieses Sekret sichert die Ernährung und die Fortbewegungsfähigkeit der Samenzellen. Neben ihrer sekretorischen Funktion hat die Prostata noch weitere Aufgaben zu erfüllen. So sorgt sie zusammen mit dem Blasenschließmuskel dafür, dass beim Sa- M menerguss das Ejakulat (Samenflüssigkeit oder Sperma) nicht in die Blase fließt, sondern durch die Harnröhre über den Penis nach außen befördert wird. Umgekehrt verhindert sie durch ihren ventilartigen Verschluss, dass beim Wasserlassen Urin in die Samenwege gelangen kann. Als Geschlechtsdrüse nimmt die Prostata ihre eigentliche Funktion erst zum Zeitpunkt der Geschlechtsreife auf, das heißt bis dahin ist sie ein „stummes“ Organ. Eine ähnliche Parallele gibt es beim Mädchen, dessen Gebärmutter bis zur Pubertät gleichermaßen „stumm“ ist. Während der Geschlechtsreife entwickelt sich die Prostata zu einem funktionstüchtigen Organ. Deshalb treten erst von diesem Zeitpunkt an mögliche Erkrankungen der Prostata auf. (Quelle:Prostata-Info/GlaxoSmithKline) SZ/BZ-Serie „Gesund werden, gesund bleiben“ Keinen Artikel verpassen Ohne Gesundheit ist alles nichts. 2001 belegten Studien des Forschungsinstituts Allensbach, dass 50 Prozent der Deutschen bei dem Wörtchen Glück spontan an Gesundheit dachten. Je älter der Mensch, desto mehr setzt er sich mit seiner Gesundheit auseinander. Wichtigster Ansprechpartner sind da die Ärzte. Welche Fachrichtungen decken die Krankenhäuser Sindelfingen und Böblingen ab? Wie verläuft die Behandlung, wie erkennt der Laie, dass er betroffen ist, und was kann er selbst tun? Antworten finden Sie in der SZ/BZ-Sommerserie von August bis Ende September. Mitt- wochs und freitags informiert die SZ/BZ mit Lesegeschichten, Interviews und Informationskästen über die Kliniken an den Krankenhäusern Sindelfingen und Böblingen. Zur Serie bietet die SZ/BZ Abonnements unter den Mottos „Zehn Wochen lesen, fünf Wochen sparen“ und „Vier Wochen lesen, zwei Wochen sparen“ an. Sie können diese unter Telefon 0 70 31 /862 252 oder unter www.szbz.de im Internet bestellen. In der nächsten Folge geht es um die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie. 70 000 Menschen erkranken pro Jahr an Dick- und Mastdarmkrebs. Die Klinik ist als Darmzentrum anerkannt. – fs –