Hume-Rothery Phasen inspirierte Molekülchemie - Ruhr

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Molekulare Metallatomarchitektur
– Hume-Rothery Phasen inspirierte
Molekülchemie
Dissertation
Zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Chemie und Biochemie an der RuhrUniversität Bochum
Vorgelegt von Kerstin Freitag, M. Sc.
Oktober 2014
Diese Arbeit wurde im Zeitraum von Juli 2011 bis Oktober 2014 am Lehrstuhl für Anorganische
Chemie II, Organometallics and Materials, der Ruhr-Universität Bochum angefertigt.
Hiermit erkläre ich, die vorliegende Dissertation selbstständig angefertigt zu haben und keine
anderen Quellen und Hilfsmittel, als die angegebenen verwendet zu haben. Zudem erkläre
ich, die vorliegende Dissertation in dieser oder anderer Form nicht an einer anderen Fakultät
eingereicht zu haben.
Kerstin Freitag, Oktober 2014
Erster Gutachter: Prof. Dr. Roland A. Fischer
Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Stephan Schulz
Danksagung
An dieser Stelle gebührt mein erster und ausdrücklicher Dank Herrn Prof. Dr. Roland A.
Fischer. Die 3 ½ Jahre der Promotion, die ich in Ihrem, wissenschaftlich wie auch menschlich,
herausragendem Arbeitskreis verbringen durfte, haben meine persönliche Entwicklung in
wesentlichen Punkten geprägt. Ich hatte das Glück, ein Dissertationsprojekt durchführen zu
dürfen, das mich über all die Jahre in einem hohen Maß begeistert hat. An dieser Begeisterung
haben Sie, lieber Professor Fischer, insbesondere als Vollblut-Organometallchemiker, einen
großen Anteil. Ihre Unterstützung, auf die ich immer zählen konnte, und Ihr großes Interesse
an meinem Projekt, die Ausgeglichenheit zwischen wissenschaftlicher Freiheit und hilfreichen
wissenschaftlichen Diskussionen, haben den Grundstein für diese Forschungsarbeit geleistet.
Insbesondere möchte ich mich auch für Ihre Unterstützung außerhalb des Labors bedanken,
wie bei dem Antrag auf ein Doktorandenstipendium des Fonds der Chemischen Industrie, die
Teilnahme an dem 63. Nobelpreisträgermeeting in Lindau und vor allem ihr Engagement für
den kurzfristigen Gastgeberwechsel meines Auslandsaufenthaltes. Vielen herzlichen Dank!
Das Deckblatt dieser Dissertation trägt lediglich meinen Namen, dabei bin ich einer Vielzahl
von Leuten zu tiefstem Dank verpflichtet, die mich auf dem lehrreichen und schönen, aber
manchmal auch kraftraubenden und frustrierendem Weg der Promotion begleitet haben.
Dabei wurde dieser von fruchtbaren wissenschaftlichen Diskussionen und Hilfestellungen im
Laboralltag, aber ebenso zahlreichen privaten Momenten, in denen Erfolge gefeiert oder –
noch wertvoller – erreichte Frustrationsgrenzen vergessen gemacht wurden.
Herrn Prof. Dr. Stephan Schulz danke ich für die freundliche Übernahme des Koreferats.
Dr. Christian Gemel danke ich für das Teilen seines herausragenden organometallchemischen
Wissens, seine Begeisterung für mein Thema und im Besonderen für die Unterstützung bei
dem Verfassen verschiedener Publikationen.
Sabine Pankau möchte ich von ganzem Herzen für ihre unerschöpfliche Geduld und
Freundlichkeit danken. Egal wie hoch der Arbeitsstapel auf dem Schreibtisch ist, nimmt sich
Sabine jedem administrativen und privaten Problem an, was in keiner Weise
selbstverständlich ist. Die zahlreichen Reiseberichte mit Fernwehgefahr, sowie die
Aufarbeitung der Bundesligawochenenden, waren immer eine willkommene Pause für mich.
Ebenso möchte ich Jacinta Essling für ihre administrative Hilfe danken.
Ursula Herrmann danke ich nicht nur dafür, dass sie blind jedes gewünschte Glasteil findet,
oder es im Notfall in Kürze beschafft, sondern auch für die Vitamine aus dem Garten im
Sommer und Schokolade im Winter.
Der Laboralltag wäre ohne Dr. Mariusz Molon nicht derselbe gewesen. In fünf gemeinsamen
Jahren, in denen das Labor und Büro geteilt wurden, konnte ich immer auf seine Hilfe zählen,
egal ob bei Precursorsynthesen oder Computerproblemchen. Der Laboralltag und vor allem
die Mensabesuche waren ohne dich um einen großen Teil an unverwechselbaren Humor
ärmer, danke für die fortwährende Freundschaft Mariusz!
Besonderer Dank gilt außerdem Hung Banh. Für das Teilen der Begeisterung für die
Zinkchemie, die hervorragende Unterstützung im Labor, die er als wissenschaftliche Hilfskraft
geleistet hat, für Tieftemperatur NMR Messungen, für die Zusammenarbeit bei gemeinsamen
Publikationen, das Teilen frustrierender Labortage und für all die Wetten und die speziellen
Aufheiterungen im Labor –Stichwort KH Entsorgung-, die den Laboralltag so lebenswert
gemacht haben. Nicht zuletzt muss ich mich ausdrüchlich für die Diskussionsbereitschaft in
den letzten Monaten, bei jeglichen Fragestellungen, die das Verfassen dieser Arbeit
aufgeworfen hat, bedanken. Danke Hung für deine Freundschaft, sowie das Teilen der BlauWeißen Freuden und noch häufigeren Leiden.
Herrn Prof. Dr. Gernot Frenking und Dr. Paul Jerabek danke ich für die quantenchemischen
Analysen und die gute Zusammenarbeit im Rahmen des DFG-Projektes.
Auch Herrn Prof. Dr. Saillard und seiner Arbeitsgruppe danke ich für quantenchemische
Berechnungen und die daraus resultierende Publikation.
Herrn Prof. Dr. Philip P. Power bin ich für den dreimonatigen Forschungsaufenthalt in seiner
Arbeitsgruppe an der University of California Davis zu großem Dank verpflichtet. Es hätte
keinen besseren Gast-Doktorvater gegeben. Diese drei Monate haben zu der
erfahrungsreichsten Zeit meiner Promotion gehört, wissenschaftlich, wie auch privat.
Chemische Weisheiten wie „Reactions are a part of chemistry“, die einfach immer stimmen,
werde ich nicht vergessen. Aimee M. Bryan, Michelle A. Faust und Petra Vasko danke ich für
die freundliche Aufnahme in die Power Gruppe und die unvergessliche Zeit, die ich mit ihnen
in Kalifornien verbringen durfte.
Ich möchte mich herzlich bei Dr. Rüdiger W. Seidel für die große Hilfe beim Lösen von
Kristallstrukturen bedanken.
Bei Frau Sabine Bendix und Herrn Bernhard Linden bedanke ich mich für die Unterstützung
bei LFIDI MS Messungen.
Allen aktuellen und vorherigen Mitgliedern der Anorganischen Chemie II, danke ich ganz
herzlich für die fantastische Arbeitsatmosphäre und auch die vielen privaten Stunden beim
Grillen, bei Chemikerpartys, und allen anderen - immer gern genommenen - Anlässen.
Insbesondere danke ich der aktuellen Bürobesetzung von 2/67 für das kollegiale Verhältnis,
sowie den vorherigen Bürokollegen, die mich herzlich und hilfsbereit in den Lehrstuhl
integriert haben. An dieser Stelle möchte ich besonders Dr. Timo Bollermann, Dr. Markus
Halbherr, Dr. Sebastian Henke, Dr. Mariusz Molon, Dr. Maike Müller und Dr. Denise Zacher
hervorheben.
Herzlichen Dank an alle Beteiligten für zwei super Konferenzreisen. Hung Banh, Mariusz
Molon, Arik Puls und Jana Weßing für die gemeinsame Fahrt zur ICOMC in Lissabon, wo wir
glücklicherweise bei 36 °C im Auto keine Klimaanlage benötigten. Ganz besonderer Dank geht
an Hung Banh und Daniel Peeters für die gemeinsame Teilnahme am ACS Meeting in
Indianapolis und für den unvergesslichen anschließenden WOW Trip nach Neeeeeew
Yooooooooork!!
Daniel Peeters danke ich für seinen Blick außerhalb der organometallchemischen
Grundlagenforschung, und die erheiternde fußballerische Rivalität und seine Freundschaft.
Der Frauensportgruppe Hung Banh, Katharina Dilchert, Mariusz Molon, Daniel Peeters und
Suttipong Wannapaiboon danke ich herzlich für Spiel, Spaß und Ehrgeiz beim wöchentlichen
Badminton.
Dem Fonds der Chemischen Industrie danke ich für ein Promotionsstipdenium und ganz
besonders für das Sponsoring meiner Teilnahme am 63. Nobelpreisträgermeeting in Lindau.
Der Ruhr-Universität Research School und Research School Plus danke ich für die finanzielle
Unterstützung, insbesondere für ein Reisestipendium und einen geförderten
Auslandsforschungsaufenthalt und den unkomplizierten genehmigten Gastgeberwechsel.
Man sagt, Freundschaft, die länger als neun Jahre hält, hält ein Leben lang. Ich möchte Mara
Lena Boelhauve und Melina Eul, mit denen ich seit mittlerweile siebzehn Jahren alle Freuden,
aber auch Herausforderungen des Lebens teilen darf, auf meinem weiteren Lebensweg nicht
missen. Mädels, ihr seid die Besten!
Ricarda Wüstefeld danke ich für ihre langjährige Freundschaft seit Kindesbeinen.
Katja Preukschaft und Uwe Scheel danke ich für das treue Zusammenstehen.
Meiner Patenfamilie Alina, Ann-Christina, Katja und Ralf Loogsberg danke ich für das
Interesse an meiner Arbeit, ihre Unterstützung und Notfallbehandlungen.
Bei meinem Großeltern, Günter und Ruth Jechow möchte ich mich von Herzen für die
unbeschwerte Kindheit, die ich bei ihnen verbringen durfte, bedanken. Für die Vermittlung
von ihren Werten und die wunderschönen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit.
Aus tiefstem Herzen danke ich meinem Bruder Björn Freitag, für das liebevolle
geschwisterliche Verhältnis und dafür, dass er ausnahmslos immer für mich da ist. Außerdem
danke ich der wunderbaren Katharina Vallendar für ebenso große Unterstützung in den
letzten Jahren und eine traumhafte und unvergessliche Tour durch den wilden Westen. Meine
persönlichen Götter in Weiß seid ihr allemal, danke fürs Auffangen, wenn es mich „vorn rüber
würfelt“! In diesem Zusammenhang geht auch ein ganz lieber Dank an das gesamte Team
Brothers and Sisters. Ihr habt einen ganz speziellen Humor- und Spaßfaktor in mein Leben
gebracht, Dankeschön, ihr seid super!
Die Menschen, denen ich Unterstützung, unendliches Vertrauen in meine Person und mein
Handeln, geteilte Freude, schützende und auffangende Hände zu verdanken habe sind
Gabriele und Peter Freitag. Danke Mama und Papa!
„Whatever you do in this life,
It´s not legendary,
Unless your friends are there to see it”
(Barney Stinson in “How I met your mother”)
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... vi
Schemenverzeichnis ...................................................................................................................ix
Tabellenverzeichnis .................................................................................................................... x
Abkürzungsverzeichnis ...............................................................................................................xi
1. Einleitung ................................................................................................................................ 1
1.1 Die Chemie intermetallischer Verbindungen ................................................................... 1
1.2 Synthese intermetallischer Verbindungen ....................................................................... 1
1.2.1 Schmelzen durch Bogenentladung ............................................................................ 2
1.2.2. Induktionsschmelzen ................................................................................................ 3
1.2.3 Hilfsmetallbadtechnik ................................................................................................ 4
1.2.4 Intermetallische Dünnschichten ................................................................................ 5
1.3 Klassifizierung intermetallischer Verbindungen ............................................................... 6
1.3.1 Hume-Rothery Phasen ............................................................................................... 8
1.3.2. Stabilität von Hume Rothery Phasen ...................................................................... 11
1.3.3 Messing, eine Hume-Rothery Phase aus Kupfer und Zink ....................................... 12
1.3.4 Laves Phasen ............................................................................................................ 15
1.3.5 Zintl-Phasen ............................................................................................................. 16
1.3.6 Intermetallische Zinkphasen .................................................................................... 20
1.4 Cluster: An der Schwelle von intermetallischen zu molekularen Verbindungen ........... 22
1.5 „Top-down“ vs. „Bottom-up“ Chemie zinkreicher Verbindungen ................................. 24
1.5.1 Hochkoordinierte Zink-Übergangsmetallverbindungen: Eine neuartige
Verbindungsklasse an der Grenze von Cluster und Koordinationsverbindungen ............ 31
1.5.2 [Zn2Cp*2] – Meilenstein der niedervalenten Zinkchemie ........................................ 35
i
2. Motivation ............................................................................................................................ 45
3. Zusammenfassung ................................................................................................................ 47
4. Ergebnisse und Diskussion ................................................................................................... 53
4.1 Reaktivität von [Zn2Cp*2] – Protolytische Zn-Cp* Bindungsspaltung ............................ 53
4.1.1 Darstellung von [Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F]).................................................. 53
4.1.2 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F]
(1[BAr4F]) ........................................................................................................................... 54
4.1.3 Zusammenfassung ................................................................................................... 56
4.2 Die σ-aromatischen Komplexe [Zn3Cp*3][BAr4F] (2) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) ................ 57
4.2.1 Aromatizität ............................................................................................................. 57
4.2.2 Darstellung von [Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F])............................................................. 64
4.2.3 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Zn3Cp*3][BAr4F]
(2[BAr4F]) ........................................................................................................................... 65
4.2.4 Darstellung von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) ........................................................................ 67
4.2.5 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) ..... 68
4.2.6 Quantenchemische Analyse von [Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3)
........................................................................................................................................... 70
4.2.7 Analogie von H2 und [Zn2Cp*2]................................................................................. 73
4.2.8 Zusammenfassung ................................................................................................... 74
4.3 Zink-Zink Wechselwirkungen an Palladium-Zentren ...................................................... 75
4.3.1 Darstellung von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4)................................................................ 75
4.3.2 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4)
........................................................................................................................................... 76
4.3.3 Darstellung von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) (Cy = cyclohexyl) ....... 79
4.3.4 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µZn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) ...................................................................................................... 79
ii
4.3.5 Bindungssituation in [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µZnCp*)3] (5): Diskussion der Zink – Zink Wechselwirkungen auf Basis der strukturellen
Eigenschaften .................................................................................................................... 82
4.3.6 Zusammenfassung ................................................................................................... 87
4.4 Molekulares Messing: Cu4Zn4, ein ligandenstabilisierter „Superatom“ Cluster ........... 88
4.4.1 Darstellung und Charakterisierung von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b) ....................................................................................... 89
4.4.2 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a)
und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b) ................................................................................ 91
4.4.3 Quantenchemische Analyse von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b) und Diskussion der elektronischen Situation ............... 96
4.4.4 Fazit zur Zuordnung der Kupfer und Zinkpositionen in 6a/6b............................... 100
4.4.5 Zusammenfassung ................................................................................................. 101
4.5 Das Dizink Kation [Zn2]2+ eingeschlossen in einer homoleptischen metalloiden
Koordinationsumgebung, stabilisiert durch Dispersions-Wechselwirkungen:
[Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) ........................................................................................ 101
4.5.1 Darstellung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) ................................................. 103
4.5.2. Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2
(7[BAr4F]2) ........................................................................................................................ 103
4.5.3 Mechanistische Überlegungen .............................................................................. 107
4.5.4 Quantenchemische Untersuchungen von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) ........ 108
4.5.5 [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8) – Ein Strukturisomer von [Zn2(GaCp*)6]2+ (7) ........................ 110
4.5.6 Spektroskopische und strukturelle Untersuchung von [M8Cp*6][BAr4F]2 (M = Ga,
Zn) (8[BAr4F]2) .................................................................................................................. 111
4.5.7 Quantenchemische Analyse des hypothetischen [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4][BAr4F]2
(8[BAr4F]2) ........................................................................................................................ 115
4.5.8 Zusammenfassung ................................................................................................. 116
5. Ausblick............................................................................................................................... 118
iii
6. Experimental Teil ................................................................................................................ 120
6.1 Allgemeine Arbeitstechniken ....................................................................................... 120
6.2 Routine-Arbeitsmethoden ............................................................................................ 120
6.2.1 Kernresonanzspektroskopie (NMR) ....................................................................... 120
6.2.2 Infrarotspektroskopie (IR) ...................................................................................... 121
6.2.3 Massenspektrometrie (LIFDI MS) .......................................................................... 121
6.2.4 Elementaranalyse (EA), Atomabsorptionsspektroskopie (AAS) ............................ 122
6.2.5 Einkristall-Röntgenstrukturanalyse (XRD).............................................................. 122
6.3 Ausgangsverbindungen ................................................................................................ 122
6.4 Synthese und analytische Daten dargestellter Verbindungen ..................................... 123
6.5 Packung der dargestellten [BAr4F]-Salze 1, 2, 7 und 8 in der Elementarzelle .............. 128
6.6 Exkurs: Das Jellium Modell ........................................................................................... 130
6.7 Exkurs: Beugungsuntersuchungen mit Röntgen-, Synchrotron- und Neutronenstrahlung
zur Strukturaufklärung anorganischer Festkörper ............................................................. 134
6.7.1 Routine Einkristall-Röntgenstrukturanalyse (XRD) ................................................ 134
6.7.2 Synchrotron Röntgenstrahlung .............................................................................. 136
6.7.3 Neutronenbeugung ................................................................................................ 139
6.7.4 Gründe, warum weder Synchrotron noch Neutronenbeugungsexperimente
versucht wurden ............................................................................................................. 141
6.8 Methodik quantenchemischer Analysen ...................................................................... 141
6.8.1 Quantenchemische Analyse von [Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2CuCp*2] (3).................... 142
6.8.2 Quantenchemische Analyse von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] /
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6a/6b)............................................................................... 144
6.7.3 Quantenchemische Analyse von [Zn2(GaCp*)6]2+ (7) und [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8) ..... 144
6.9 Kristallographische Daten ............................................................................................. 146
Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 149
Anhang.................................................................................................................................... 156
iv
Posterbeiträge und Vorträge .............................................................................................. 156
Publikationen ...................................................................................................................... 157
Erstautorenschaften ....................................................................................................... 157
Co-Autorenschaften ........................................................................................................ 157
Akademischer Werdegang.................................................................................................. 159
v
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Micro Vakuum-Lichtbogenofen-Anlage. ............................................................... 2
Abbildung 2. Schematischer Versuchsaufbau des Induktionsschmelzens. ............................... 4
Abbildung 3. Periodensystem mit Einteilung der Metalle ......................................................... 7
Abbildung 4. Diagramm für die Kombination der Gruppen A1, A2, B1 und B2 ......................... 8
Abbildung 5. Nicht qualitative Zeichnung des Messing-Phasenverlaufes ............................... 10
Abbildung 6. Schematische Abbildung der Zustandsdichte der Elektronenphasen in der ersten
Brillouin-Zone (BZ) .................................................................................................................... 12
Abbildung 7. Einteilung der Kupfer-Legierungen. .................................................................... 13
Abbildung 8. Zustandsdiagramm von Messing ........................................................................ 14
Abbildung 9. Elektrische Leitfähigkeit ausgewählter Kupfer-Zink-Legierungen ...................... 15
Abbildung 10. Schematische Strukturen von Ca2Si, CaSi und CaSi2 ......................................... 17
Abbildung 11. Strukturen bekannter homoatomarer Gruppe 14 Cluster ............................... 18
Abbildung 12. Darstellung der Reaktivitätsvielfalt von Zintl-Anionen .................................... 19
Abbildung 13. Beispiele endohedraler Cluster......................................................................... 20
Abbildung 14. Koordinationspolyeder in RhZn13...................................................................... 21
Abbildung 15. Ausgewählte Clusterbeispiele ........................................................................... 23
Abbildung 16. Schematischer Aufbau der Cokondensationsanlage ........................................ 24
Abbildung 17. Molekülsturktur von [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3]. und Koordinationspolyeder des
Molybdänatoms in der Hume-Rothery Phase MoZn20.44 ......................................................... 33
Abbildung 18. Molekülstrukturen und Koordinationspolyeder zinkreicher Komplex. ............ 34
Abbildung 19. Darstellung von [{Pd(CNPh)}4(µ-GaCp*)2(µ-GaCp*)2] und [{Pd(CNPh)(µ2ZnCp*)(µ3-ZnMe)}4] .................................................................................................................. 34
Abbildung
20.
Molekülstrukturen
von
[Pd(GaCp*)2(ZnCp*)2(ZnZnCp*)2]
und
[Pd(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4]. .......................................................................................................... 40
Abbildung 21. Molekülstruktur von [Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})] ................................... 43
Abbildung 22. Übersicht der dargestellten Verbindungen oder ihrer Kationen 1-4……………..50
Abbildung 23. Übersicht der dargestellten Verbindungen oder ihrer Kationen 5-8. .............. 51
Abbildung 24. Molekülstruktur des Kations [Zn4Cp*3(Et2O)2]+ (1)........................................... 55
Abbildung 25. NICS Werte im und oberhalb des Ringzentrums von Benzol und NICS Gitterplot
von Benzene und Cyclobutadien .............................................................................................. 59
vi
Abbildung 26. Ringstromdichte-Karten von [H3]+ und [Li3]+ .................................................... 61
Abbildung 27. Kanonische MO NICS(0) Analyse im Ringzentrum von Al42- ............................. 62
Abbildung 28. Molekülstruktur von K2[Ga4(C6H3-2,6-Trip2] ..................................................... 63
Abbildung 29. Übersicht literaturbekannter σ- und π-aromatischer Dreiringe....................... 64
Abbildung 30. Molekülstruktur des [Zn3Cp*3]+ (2) Kationes. ................................................... 67
Abbildung 31. Molekülstruktur von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) ......................................................... 70
Abbildung 30. Deformationsdichten δρ. .................................................................................. 73
Abbildung 33. Analogie von H2 und [Zn2Cp*2] ......................................................................... 74
Abbildung 34. Verzerrt oktaedrischer Koordinationspolyeder in 4 ......................................... 77
Abbildung 35. Molekülstruktur von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4). ................................................ 78
Abbildung 36. [Pd3Zn6] Metallkern in [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5). ............... 81
Abbildung 37. Schematische Darstellung der {Zn4Zn5Cp*} Einheit ........................................ 81
Abbildung 38. Molekülstruktur von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) .................... 82
Abbildung 39. Ausschnitt aus [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) .......................................................... 85
Abbildung 40. Variation der Zn···Zn Wechselwirkungen in [Zn2Cp*2] und in 2, 4 und 5 ......... 88
Abbildung 41. 1H NMR Spektrum von 6a/6b ........................................................................... 92
Abbildung 42. Molekülionenpeak von 6a (m/z = 1389) und Molekülionenpeak von 6b . ...... 93
Abbildung 43. Molekülstruktur von Verbindung 6a/6b. .......................................................... 94
Abbildung 44. [Cu4Zn4] Kern in 6a/6b und Cu10Zn16 Cluster der γ – Messing Festphasenstruktur
.................................................................................................................................................. 96
Abbildung 45. Molekülorbitalschema von [(CuCNMe)4(ZnCp)4].............................................. 98
Abbildung 46. Temperatur-abhängige 1H NMR Spektren für Verbindung 7[BAr4F]2 und
Gleichgewicht der Koordinationsisomere 7A und 7B... ......................................................... 105
Abbildung 47. Molekülstruktur des [Zn2(µ-GaCp*)2(GaCp*)4]2+ (7) Kations.......................... 106
Abbildung 48. Optimierte Struktur von 7............................................................................... 109
Abbildung 49. Mögliche Isomere mit einem Ga:Zn Verhältnis von 6:2 ................................. 112
Abbildung 50. Temperaturabhängigkeit der 1H NMR Spektren von [Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2
(8[BAr4F]2) ............................................................................................................................... 113
Abbildung 51. Hypothetische Molekülstruktur des [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8) Dikations. 114
Abbildung 52. Links: Hypothetische Molekülstruktur von [Cu(ZnCp*)4(ZnZnCp*)3] ............. 118
Abbildung 53. Packung von [Zn4Cp*3(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F]) in der Elementarzelle .......... 128
Abbildung 54. Packung von [Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) in der Elementarzelle ..................... 129
vii
Abbildung 55. Packung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) in der Elementarzelle............ 129
Abbildung 56. Packung von [Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2 (8[BAr4F]2) in der Elementarzelle. ......... 130
Abbildung 57. Aufspaltmuster der p-, d- und f-Orbitale im strukturellen Jellium Modell . .. 132
Abbildung 58. Schematische Zeichnung eines Synchrotron Speicherringes ......................... 137
Abbildung 59. Veranschaulichte Darstellung des Friedel-Gesetzes....................................... 138
Abbildung 60. Anomale Röntgenstreuung von Gallium und Zink. ......................................... 139
Abbildung 61. Variation der Streufaktoren f.......................................................................... 140
Abbildung 62. Optimierte Struktur des [Zn3Cp*3]+ (2) Kations .............................................. 142
Abbildung 63. Optimierte Sturktur von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) ................................................. 143
Abbildung 64. Optimierte Strukturen der vereinfachten Modelle [(CuCNH)4(ZnCp*)4] und
[(CuCp)4((ZnCNH)4] ................................................................................................................. 144
Abbildung 65. Optimierte Struktur von [Ga2(GaCp*)4(ZnCp*)2]2+ (8) .................................... 145
viii
Schemenverzeichnis
Schema 1. Darstellung von [Zn{Co(CO)4}2] ............................................................................... 25
Schema 2. Disproportionierungs-Gleichgewicht von TM-ZnR Verbindungen ......................... 26
Schema 3. Darstellung von [(ZnCp)2Co(Cp)PPh3]. .................................................................... 26
Schema 4. Darstellung des oktaedrischen [Ni2Zn4Cp6] ............................................................ 27
Schema 5. Übersicht von Synthesestrategien zur Knüpfung von TM-ZnR Bindungen ............ 28
Schema 6. Reaktionsbedingungsabhängige Darstellung von Nb-ZnCp Komplexen. ............... 29
Schema 7. Synthese von Cu-, Zn- und β-Cu/Zn-Nanopartikeln................................................ 31
Schema 8. Darstellung von [Zn2Cp*2]....................................................................................... 36
Schema 9. Schematische Übersicht des Reaktionsverhaltens von [Zn2Cp*2].......................... 37
Schema 10. Darstellung des [Zn2Cp*2] Derivates [Zn2(Mesnacnac)2]. ..................................... 38
Schema 11. Zwei-Stufen-Synthese des basenstabilisierten Dikationes [Zn2(dmap)6]2+ .......... 39
Schema 12. Darstellung der Lewis Säure-Base Addukte [Cp*ZnZn(L)2Cp*] und deren
Umsetzung mit Cp*OH und ArMesOH ....................................................................................... 39
Schema
13.
Mögliche
mechanistische
Reaktionsschritte
zur
Bildung
von
[Pd(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4]. .......................................................................................................... 41
Schema 14. Reaktion von [Pd(tmeda)Me2] mit [Zn2Cp*2] ...................................................... 42
Schema 15. Darstellung des [Cp*3Zn4(Et2O)2]+ (1) Kations ...................................................... 54
Schema 16. Darstellung der niedervalenten Zinkkationen [Cp*3Zn4(Et2O)2]+ (1) und
[Cp*ZnZn(Et2O)3]+, sowie neuer Zugang zu dem Zinkdimer [Zn2Cp*2]75 ................................. 57
Schema 17. Darstellung des [Zn3Cp*3]+ (2) Kations ................................................................. 65
Schema 18. Darstellung von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) ..................................................................... 68
Schema 19. Darstellung von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) ............................................................ 76
Schema 20. Darstellung von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5). .............................. 79
Schema 21. Bindungsmodi von H2 an ein MLn-Fragment ........................................................ 83
Schema
22.
Darstellung
der
Cu4Zn4
Cluster
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4]
(6a)
und
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6b) ............................................................................................. 90
Schema 23. Darstellung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) .............................................. 103
Schema 24. Darstellung von [M8Cp*6][BAr4F]2 (M = Ga, Zn) (8[BAr4F]2) ................................ 111
ix
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Beispiele intermetallischer Phasen, die aus einem Metallbad kristallisieren. .......... 5
Tabelle 2. Valenzelektronenanzahl für die Anwendung der Hume-Rothery Regeln. ................ 9
Tabelle 3. Valenzelektronenkonzentrationen (VEC) für ausgewählte Hume-Rothery Phasen.
.................................................................................................................................................. 10
Tabelle 4. Ausgewählte Beispiele für Laves-Phasen ................................................................ 16
Tabelle 5. Auflistung der dargestellten Verbindungen. ........................................................... 52
Tabelle 6. Vergleich der experimentellen und berechneten Bindungslängen und –winkel in 2
und 3......................................................................................................................................... 71
Tabelle 7. EDA-NOCV Rechnungen für das [Zn3Cp*3]+ (2) Kation und [Zn2Cp*2CuCp*] (3). .... 72
Tabelle 8. Übersicht der Zn-Zn Abstände in [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µZn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) im Vergleich zu Referenzabständen. .................................................. 87
Tabelle 9. Relevante berechnete Werte für die Modelle [(MCNMe)4(M‘Cp)4] (M = Cu, M‘ = Zn
and M = Zn, M‘ = Cu). ............................................................................................................... 97
Tabelle 10. Werte der EDA Kalkulationen für die Interaktion der [Zn(GaCp*)3]+ Fragmente.
................................................................................................................................................ 110
Tabelle 11. Auflistung und Vergleich der experimentellen und optimierten MetallMetallbindungslängen in [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8). ......................................................... 116
Tabelle 12. Klassifizierung von Polyedern .............................................................................. 133
Tabelle 13. Wellenlänge der Rötgenstrahlung für verwendete Targetmaterialien. .............. 135
Tabelle 14. Berechnete Bindungslängen- und winkel in [Zn3Cp*3]+ (2). ................................ 143
Tabelle 15. Berechnete Bindungslängen- und winkel in [Zn2Cp*2CuCp*] (3). ....................... 143
x
Abkürzungsverzeichnis
Ø
Durchschnitt
AAS
Atom-Absorptions-Spektroskopie
AIM
Atoms in Molecules
ARCS
Aromatic ring current shielding
BAr4F
B{C6H3(CF3)2}4
COD
1,5-Cyclooctadien
Cp
Cyclopentadienyl-Anion
Cp*
1,2,3,4,5-Pentamethylcyclopentadienyl-Anion
Cp*H
1,2,3,4,5-Pentamethylcyclopentadienyl
Cy
Cyclohexyl
DFT
Dichte-Funktions-Theorie
Dipp
1,6-Pri2-C6H3
dmap
4-Dimethylaminopyridin
EA
Elementaranalyse
EDA
Energy Decomposition Analysis
Et
Ethyl
Pri
iso-Propyl
IPr
1,3-bis(2,6-diisopropylphenyl)imidazol-2-yliden
IR
Infrarot
LIFDI
Liquid Injection Field Desorption Ionization
Me
Methyl
Mes
2, 4, 6 - Me3C6H2
MO
Molekülorbital
MS
Massenspektrometrie
NBO
Natural-Bond-Orbitals Analysis
NICS
Nucleus Independent Chemical Shift
NMR
Kernresonanzspektroskopie
xi
Ph
Phenyl
THF
Tetrahydrofuran
TM
Übergangsmetall
tmeda
N,N,N’,N‘-Tetramethylethylendiamin
R
Organischer Rest
RE
Resonanzenergie
RT
Raumtemperatur
tBu
Tert-butyl
VE
Valenzelektronen
xii
1. Einleitung
“There is no easy road to organometallic chemistry”
(Prof. Dr. Philip P. Power)
1. Einleitung
1.1 Die Chemie intermetallischer Verbindungen
Intermetallische Materialien, die allgemein auch als Legierungen bezeichnet werden,
stellen seit mehreren tausend Jahren eine der wichtigsten und wertvollsten Materialklasse
dar. Erste Berichte über Bronze (Kupfer-Zinn Legierung, daher auch „Zinnbronze“) gehen bis
auf das dritte Jahrtausend vor Christus zurück, die gewerbsmäßige Herstellung von Bronze
begann vermutlich um 2500 v.Ch. Die große Bedeutung der Entdeckung und Verwendung von
Bronze wird in der Benennung eines gesamten Erdzeitalters, der Bronzezeit (~ 2200 – 800
v.Chr.), herausgestellt. Diese Bedeutsamkeit zog sich über die Jahrtausende bis in die heutige
Zeit, bereichert durch fortlaufende Entdeckungen und technische Entwicklungen. Mehr als 80
Elemente des Periodensystems der Elemente sind Metalle, welche eine hohe Vielfalt an
strukturellen, physikalischen und Bindungseigenschaften aufweisen. Die Kombination von
Metallen zu binären, tertiären, quartären oder sogar Mehrkomponenten-Systemen führt zu
einer nahezu unendlichen Varietät und Anzahl an intermetallischen Festphasen. Folglich
bilden Legierungen wie Stahl, Messing oder Bronze eine bedeutende Klasse an modernen
funktionellen und Konstruktions-Materialien, die breite Anwendung wie etwa in der
Fahrzeugkonstruktion, Luftfahrttechnik, der Darstellung von Form-Gedächtnis-Materialien,
Superleitern oder Batterien finden und somit Teil des alltäglichen Lebens sind. Für die
Entwicklung neuer intermetallischer Phasen und der genauen Abstimmung ihrer
Eigenschaften und Funktionen, ist die Grundlagenforschung eine unverzichtbare Quelle neuer
Erkenntnisse dieser Verbindungsklasse.1-3
1.2 Synthese intermetallischer Verbindungen
Die Synthese von Legierungen basiert zumeist auf dem Erhitzen eines der Elemente bis zum
Schmelzen, oder dem Erreichen einer effektiven Diffusionsrate (10-12 cm/s), die in etwa das
1
1. Einleitung
Erreichen von 2/3 der Schmelztemperatur des Metalls erfordert. Die einfachste Methode ist
das Erhitzen der Komponenten in Muffel- oder Röhrenöfen, die Temperaturen bis zu 1770 K
erlauben und auch unter Inertgasatmosphäre oder im Vakuum operiert werden können.
Oftmals werden jedoch Hochtemperaturverfahren oder Syntheserouten, die die Bildung von
dünnen Schichten oder Einkristallen erfordern, benötigt.3 Eine Auswahl etablierter
Synthesemethoden, in Bezug auf die in dieser Arbeit relevanten Kombinationen von
Übergangsmetallen mit Gruppe-12 (Zn) und Gruppe-13 (Ga) Metallen, wird folgend
beschrieben.
1.2.1 Schmelzen durch Bogenentladung
Temperaturen von bis zu 4000 K können durch elektrische Bögen, einem Plasma-Volumen,
das durch einen Elektronenstrahl zwischen zwei Elektronen geheizt wird, erreicht werden.
Anlagen, die sogenannten Lichtbogenofen, können für Experimente im Labormaßstab
kommerziell erworben werden (Abbildung 1). Die Elektroden solcher Anlagen besitzen
Durchmesser von 1.5-2.4 mm und bestehen aus CeO2 gedoptem Wolfram. Die zu
schmelzenden
Metalle
werden
in
wassergekühlte
Kupferzylinder
gegeben,
die
Reaktionskammer kann evakuiert und mit Argon befüllt werden, die Synthesen werden meist
unter vermindertem Argondruck von 700-800 mbar durchgeführt.3
Abbildung 1. Links: Micro Vakuum-Lichtbogenofen-Anlage, deren Operationstemperatur bis zu
~ 3500 K betragen kann. Rechts: Anlage während des Schmelzvorganges. Nachdruck mit Genehmigung
der Arcast Inc. (Oxford, Maine 04270, USA).
2
1. Einleitung
Die besten Syntheseergebnisse in Bezug auf Reinheit und Zusammensetzung werden für
Metalle mit vergleichbaren Schmelz- und Siedepunkten erreicht. Schmilzt ein Element bei
wesentlich niedrigeren Temperaturen als die andere Komponente, ist es möglich, dass
Ersteres bereits verdampft, bevor Zweiteres schmilzt, woraus Gewichtsverluste und Fehler in
der Zusammensetzung resultieren. Metalle mit niedrigen Siedepunkten und nennenswerten
Dampfdrücken können unkontrollierte Reaktionen hervorrufen und sind daher nicht für die
Synthese in Lichtbogenofen geeignet. Geeignete Elemente hingegen sind beispielsweise
Aluminium, Gallium, Indium oder Zinn.3
1.2.2. Induktionsschmelzen
Die Verwendung von Induktionsöfen hat sich besonders für den großtechnischen Maßstab
als effizient erwiesen, da bis zu 100 t Eisen, Kupfer, Stahl oder Aluminium durch die genaue
Einstellung der Temperatur ohne einen Energieverlust geschmolzen werden können. Das
Kernstück eines Induktiongenerators bildet ein Elektromagnet, durch den ein HochfrequenzWechselstrom fließt. Die Stromstärke liegt dabei in dem Bereich von 1.5 kW bis zu 15 MW und
die Frequenzen betragen 50 – 400 kHz. Diese Parameter können individuell für jedes Material,
dem verwendeten Volumen und der gewünschten Schmelzgeschwindigkeit eingestellt
werden. Generatoren, die im Labormaßstab routinemäßig verwendet werden, operieren bei
Stromstärken von 1.5 – 10 kW und Frequenzen von 30 – 300 kHz.3 Einer der möglichen
Versuchsaufbauten ist schematisch in Abbildung 2 gezeigt. Das vorgeschmolzene Metall wird
in einem gasdichten, evakuierten Siliciumrohr platziert, welches von einer wassergekühlten
Reaktionskammer umgeben ist. Das Ende des Siliciumrohres befindet sich mittig in der
Heizspirale. Ein literaturbekanntes Anwendungsbeispiel dieses Syntheseweges ist die
Darstellung der intermetallischen Verbindung Yb3Pd4Ge4.4
3
1. Einleitung
Abbildung 2. Schematischer Versuchsaufbau des Induktionsschmelzens.
1.2.3 Hilfsmetallbadtechnik
Seit über hundert Jahren ist die effiziente Hochtemperatur-Synthese von Einkristallen in
geschmolzenen Salzbädern literaturbekannt und gut erforscht. Ebenso alt ist der Gedanke,
geschmolzene Metallbäder als Reaktionsmatrix zu benutzen. Henri Moissan versuchte 1904
Diamanten durch schnelles Quenchen von Kohlenstoff in Eisenbädern zu synthetisieren,
wobei er eigens dafür einen Ofen entwickelte. Nach dem Entfernen der Reaktionsmatrix
blieben kleine, harte Kristalle zurück, von denen einige die Form eines Oktaeders aufwiesen
und die an Luft brannten.5 Der Glaube von Moissan an eine erfolgreiche Darstellung von
Diamanten konnte erst nach seinem Tod widerlegt werden, als das Reproduzieren der
Versuche in der Synthese von Siliciumcarbid resultierte. Weiterführende Forschung auf dem
Gebiet der Hilfsmetallbadtechnik demonstrierte eine effiziente Verwendung dieser für die
Darstellung intermetallischer Verbindungen, die nach der Hochtemperatursynthese durch
langsames Abkülen des Metallbades auskristallisieren. Eine Auswahl an synthetisierten
intermetallischen Phasen und der verwendeten Metallbäder und Reaktionsbedingungen ist in
Tabelle 1 aufgelistet. Die entscheidenden Faktoren, damit ein Metall als Metallbad-Matrix
dienen kann sind: 1) Das Metall sollte bei entsprechend niedrigen Temperaturen, die eine
Verwendung von Standard-Heiztechniken ermöglicht, schmelzen, 2) Schmelz- und
Siedetemperatur des Metalls sollten stark voneinander abweichen, 3) Die Matrix muss gut von
4
1. Einleitung
den gebildeten Kristallen trennbar sein, beispielsweise durch Lösen, Filtrieren im flüssigen
Zustand, oder mechanisches Entfernen und 4) Das Metallbad sollte keine stabilen binären
intermetallischen Phasen mit einem der Reaktanden bilden. Punkt 4) beinhaltet jedoch
Ausnahmen, wenn ein sogenanntes Reaktivbad verwendet wird, dessen Metall gleichzeitig
Komponente der Zielphase sein soll, wie beispielweise die Synthese von Sm12NiGa12 in einem
Galliumbad.6
Tabelle 1. Beispiele intermetallischer Phasen, die aus einem Metallbad kristallisieren.
Intermetallische
Metallbad
Temperatur
Abkühlrate
Verbindung
ReAl6
Al
1070 K, 14 d
7 K/h bis RT
Ho6Mo4Al43
Al
1070 K, 21 d
5 K/h bis RT
Sm12NiGa12
Ga
70 K bis 1170 K, 15 h
Quenchen bis auf RT
RhSn4
Sn
820 K, 2 d; 570 K, 5 d
Quenchen bis auf RT
Ti3Zn12
Zn
1120 K, 2 d
5 K/h bis 770 K
1.2.4 Intermetallische Dünnschichten
Neben Volumenmaterialien gibt es eine hohe Nachfrage an intermetallischen
Dünnschichten, die in der Materialforschung eine wesentliche Rolle spielen, wo sie als
schützende Filme oder für elektronische Miniaturbauteile Verwendung finden. Dünnschichten
besitzen ein hohes Oberflächen zu Volumen-Verhältnis, das ihre physikalischen Eigenschaften
im Vergleich zu Bulkmaterialen signifikant unterscheidet. Die einfachste Technik ist die
Galvanik, bei der eine kathodische Reduktion von Metallionen in einer wässrigen Lösung an
einer Metalloberfläche stattfindet. Ein alltägliches Beispiel eines solchen Prozesses ist die
Abscheidung von Kupfer auf Münzen. Komplexere Prozesse stellen die Chemische (CVD) und
Physikalische (PVD) Dampfabscheidung dar. In der CVD resultiert das Wachstum von
Dünnschichten auf einem Substrat aus der Zersetzung metallischer Ausgangsverbindungen,
die sich zunächst in der Gasphase befinden, wobei moderate Temperaturen und Drücke
verwendet werden. Typische Startverbindungen sind Trimethylgallium oder Diethylzink.
Durch die Kombination mehrerer Ausgangsverbindungen können binäre und tertiäre
5
1. Einleitung
Dünnschichten
in
hoher
Vakuumabscheidungstechniken
Varietät
in
gebildet
der
werden.
Physikalischen
Klassische
Beispiele
Dampfabscheidung
für
sind
Elektronenstrahlverdampfen (MBE), Ionenstrahlunterstützte Abscheidung (IBAD) oder
Sputtern. Das Ausgangmaterial liegt bei der PVD als Feststoff in einer Hochvakuumkammer
vor. Durch den Beschuss im Hochvakuum mit Elektronenstrahlen, Lasern, Ionen oder
Lichtbogenentladung wird das Ausgangsmaterial verdampft und anschließend zu den
beschichtenden Teilen geleiten, wo sie den Dünnfilm ausbilden. PVD Techniken erlauben eine
schichtweise Abscheidung, sodass die Schichtdicke einer intermetallischen Dünnschicht und
somit die physikalischen Eigenschaften regulierbar sind.3
1.3 Klassifizierung intermetallischer Verbindungen
Zunächst soll angemerkt werden, dass eine klare Trennung von Gruppen aufgrund der
hohen strukturellen Vielfalt von intermetallischen Phasen nicht möglich ist und diese oft
überschneidend ineinander übergehen. Durch die Einteilung der Metalle in Gruppen und
Kombination dieser, ist jedoch eine Abgrenzung bis zu einem gewissen Grad möglich. Dabei
werden die Metalle zunächst in die A und B Gruppe unterteilt. Metalle der Gruppe A werden
als echte Metalle bezeichnet und umfassen die Metalle von der I. Gruppe des Periodensystems
bis einschließlich der Kupfergruppe. Alle restlichen Metalle bilden Gruppe B und sind Metalle
oder Halbleiter mit zunehmend kovalenten Bindungsanteilen. Die A und B Gruppe werden
folgendermaßen weiter unterteilt (Abbildung 3):
A1: Elektropositive Metalle mit z.T. sehr großen Metallradien (Alkali- und Erdalkalimetalle)
A2: Übergangsmetalle (außer Zn. Cd, Hg) die vergleichbare Metallradien und
Elektronegativitäten enthalten, sich aber in der Anzahl der Valenzelektronen unterscheiden.
B1: Zinkgruppe, III. Hauptgruppe, (Sn) und Pb, Metalle, die stärker elektronegativ sind, in
besonderen Strukturen kristallisieren, jedoch noch nicht kovalente Wechselwirkungen
aufweisen.
B2: Si, Ge, (Sn), V. und VI Hauptgruppe, Metalle, die kovalente Wechselwirkungen aufweisen
und den Übergang zu den Nichtmetallen bilden.2, 7
6
1. Einleitung
H
He
Li
Mg
B
C
N
O
F
Ne
Na
Be
Al
Si
P
S
Cl
Ar
K
Ca
Sc
Ti
V
Cr
Mn
Fe
Co
Ni
Cu
Zn
Ga Ge As
Se
Br
Xe
Rb
Sr
Y
Zr
Nb
Mo
Tc
Ru
Rh
Pd
Ag
Cd
In
Sn
Sb
Te
I
Kr
Cs
Ba
La
Hf
Ta
W
Re
Os
Ir
Pt
Au
Hg
Tl
Pb
Bi
Po
At
Rn
Abbildung 3. Periodensystem mit Einteilung der Metalle in die Kategorien A1, A2, B1 und B2.
Neben der Einteilung der Metalle in vier Gruppen ist es ebenfalls möglich die Kombination der
Gruppen, also gebildete binäre intermetallische Phasen, zu klassifizieren. Abbildung 4
beschreibt die unterschiedlichen Phasen kurz, eine ausführlichere Diskussion ausgewählter,
relevanter Phasen erfolgt in den folgenden Unterkapiteln.8
7
1. Einleitung
A1
A2
B1
B2
∆ r klein: vollständige
Laves Phasen oder keine
Stöchiometrisch scharfe
Stöchiometrisch
Löslichkeit bei gleicher
Verbindungsbildung.
Verbindungen, Laves-
scharfe Verbindungen,
Phasen.
Laves-Phasen.
Da ∆ r klein: feste Lösungen
Hume-Rothery Phasen
Stöchiometrsiche
mit großen Phasenbreiten
(Elektronen-verbindungen).
Verbindungen oder
Kleinere bis mittlere
kleine Phasenbreiten.
Valenzelektronenanzahl.
A1
∆ r groß: Laves-Phasen
oder vollkommene
Entmischung.
Phasenbreiten.
A2
Bei Elementen derselben Gruppe feste Lösungen.
Ansonsten stöchiometrisch scharfe Verbindungen.
B1
Stark kovalente
Bindungsanteile.
B2
Abbildung 4. Diagramm für die Kombination der Gruppen A1, A2, B1 und B2 und daraus resultierenden
binären intermetallischen Phasen (r = Metallradius).
1.3.1 Hume-Rothery Phasen
Bei der Betrachtung von Phasendiagrammen unterschiedlicher binärer Systeme bemerkte
William
Hume-Rothery
1929
immer
gleiche
Phasenfolgen,
mit
zunehmender
Valenzelektronenzahl von links nach rechts. Daher werden Hume-Rothery Phasen auch als
Elektronenverbindungen bezeichnet, da ihre Struktur, bzw. die Bildung bestimmter Phasen,
von der Valenzelektronenkonzentration (VEC, Anzahl der Valenzelektronen pro Atom, ne/na)
und nicht der elementaren Zusammensetzung bestimmt wird. Hume-Rothery Phasen sind
folgend keine stöchiometrischen Verbindungen, sondern stellen generelle Strukturtypen in
ihren mehr oder weniger breiten Phasen dar. Folgende Werte werden für die qualitative
Abschätzung der Valenzelektronenkonzentration nach den klassischen Hume-Rothery Regeln
verwendet:7, 9
8
1. Einleitung
Tabelle 2. Valenzelektronenanzahl für die Anwendung der Hume-Rothery Regeln.
Element
Valenzelektronen
Cu, Ag, Au
1
Mg, Zn, Cd, Hg
2
Al, Ga, In
3
Si, Ge, Sn
4
Sb
5
Alle anderen Übergangsmetalle
0
Für eine veranschaulichende Beschreibung der Hume-Rothery Regeln wird als Beispiel die
Phasensequenz des Phasendiagramms von Messing (Cu-Zn) bei Raumtemperatur
beschrieben, die zusätzlich in Abbildung 5 zu sehen ist. Kupfer kristallisiert mit einer VEC von
1.0 in einem kubisch flächenzentrierten Gitter, Zink dagegen besitzt eine VEC = 2.0 und
kristallisiert in einer hexagonal dichtesten Packung. Kupfer kann mit Zink eine feste Lösung
bilden und bis zu 38 % Kupfer können unter Erhalt der α-Phase substituiert werden, wobei
sich die VEC erhöht. Wird der prozentuale Zinkgehalt darüber hinaus gesteigert, bildet sich bei
45-49 % an Zink die β-Phase mit einem fehlgeordneten kubisch raumzentrierten Gitter (bcc).
Eine geordnete Struktur nimmt dieses erst bei Temperaturen unter 740 K an. Die folgende γPhase (58-66 % Zn) wird um die Zusammensetzung Cu5Zn8 herum gebildet, welche mit 52
Atomen pro Elementarzelle eine komplexe kubische Struktur aufweist. Bei einem Zinkgehalt
von 78-86 %, die in etwa der Zusammensetzung CuZn3 enstpricht, liegt Messing in der ε-Phase,
mit fehlgeordneter bcc Struktur, vor. Im Gegensatz zu Kupfer kann Zink nur etwa 2 % an Kupfer
lösen, bei diesem prozentualen Verhältnis wird abschließend die η-Phase gebildet, welche in
einer fehlgeordneten hexagonal dichtesten Packung (hcp) kristallisiert.3
9
1. Einleitung
Abbildung 5. Nicht qualitative Zeichnung des Messing-Phasenverlaufes bei Raumtemperatur. Die
Mischphasen wurden farblich abgehoben (blau).
Gegebene Zusammensetzungen binärer Phasen können also, durch die Anwendung der
Hume-Rothery Regeln in Abhängigkeit von der VEC, die Phasen und Kristallsysteme
zugeordnet werden. Die zugehörigen VECs der Phasen sind 21/14 für β (bcc), 21/13 für die γPhase (komplex kubisch) und 21/12 für die ε-Phase (hcp). VECs für ausgewählte Hume-Rothery
Phasen sind in Tabelle 3 aufgelistet.3
Tabelle 3. Valenzelektronenkonzentrationen (VEC) für ausgewählte Hume-Rothery Phasen.
Zusammensetzung
Anzahl der
Valenzelektronen
Anzahl der
VEC
Atome
β-Phase
CuZn
1+2
2
3:2 = 21/14
Cu3Al
3+3
4
6:4 = 21/14
Cu5Zn8
5 + 16
13
21/13
Cu9Al4
9 + 12
13
21/13
CuZn3
1+6
4
7:4 = 21/12
Au5Al3
5+9
8
14:8 = 21/12
γ-Phase
ε-Phase
10
1. Einleitung
1.3.2. Stabilität von Hume Rothery Phasen
In Kapitel 1.2.1 wurde die empirische Valenzelektronen-Regel für Hume-Rothery Phasen
eingeführt. Nach dieser ergeben sich VEC von 1.4, 21/14, 21/13 und 21/12 für die α-, β-, γund ϵ-Phase. Die theoretische Annäherung an diese emprische Regel berichteten erstmals
Mott und Jones 1936, weitere theoretische Modelle folgten. Aus allen Modellen wurde jedoch
ein essentieller Faktor, der zur Stabilisierung von Hume-Rothery führt, gezogen. Dieser Faktor
ist die Wechselwirkung von der Fermi-Kugel mit der Brillouin-Zone. Um diese Wechselwirkung
qualitativ zu beschreiben, müssen zunächst einige Begriffe eingeführt werden.
Fermi-Energie: Die Fermi-Energie ist der höchste besetzte elektronische Zustand eines
Fermions in einem Vielteilchensystem im Grunzustand. Alle Zustände zwischen dem
tiefstmöglichen Niveau und der Fermi-Energie sind besetzt.
Fermi-Kugel: Die Fermi-Fläche ist eine Fläche mit konstanter Energier im reziproken Raum. Sie
wird gebildet aus den Punkten, auf die die Impulsvektoren von Elektronen mit Fermi-Energie
zeigen. Im Modell der freien Elektronen, das Mott und Jones verwenden, bildet die FermiFläche eine Kugel, deren Zustände sukzessive aufgefüllt werden.
Brillouin-Zone: Die Brillouin-Zone ist ein symmetrischer Polyeder im reziproken Gitter. Sie ist
die primitive Zelle des reziproken Gitters eines Kristalls. Nach der ersten Brillouin Zone
wiederholt sich diese periodisch, sodass die Beschreibung der Prozesse der ersten Zone
diejenigen eines Systems beschreibt.
Liegt die Fermikugel in der ersten Brillouin Zone, so können die Zustände der Fermi-Kugeln
mit Elektronen gefüllt werden, bis diese an den Rand der Brillouin Zone stößt, die Anzahl der
besetzbaren Zustände nimmt hier schnell ab. Bei weiterer Zufuhr von Elektronen müssten
Zustände sehr viel höherer Energie besetzt werden, eine zusätzliche Energie ∆E müsste
aufgebracht werden. Dieser Prozess wird energetisch jedoch nicht favorisiert. Stattdessen
wird die Struktur und damit die Phase mit steigender ne/na systematisch geändert. Die Größe
der Brillouin Zone hängt von der Kristallstruktur ab. Im Phasenverlauf findet eine
Symmetrieerniedrigung statt, die Brillouin Zone wird größer, es sind mehr besetzbare
Zustände verfügbar. Mott und Jones berechneten eine Berührung der Fermi-Kugel mit der
ersten Brillouin-Zone für α-, β- und γ-Messing bei ne/na = 1.362, 1.48 und 1.538, die
weitesgehend mit den empirischen Werten verglichen werden können. Die Verwendung des
11
1. Einleitung
Modells des freien Elektrons von Mott und Jones konnte für erweiterte quantenchemische
Analysen nicht verwendet werden, dennoch bildeten diese Erkenntnisse die eindeutige
Grundlage für nachfolgende Untersuchungen.10
Abbildung 6. Schematische Abbildung der Zustandsdichte der Elektronenphasen in der ersten
Brillouin-Zone (BZ) (N = Anzahl der Zustände).
1.3.3 Messing, eine Hume-Rothery Phase aus Kupfer und Zink
Kupfer, eines der ältesten Metalle der Menschheit, wurde bereits von den ältesten
bekannten Kulturen vor 10.000 Jahren verwendet und spielt auch heute noch eine
bedeutende und zukunftsorientierte Rolle. Dazu gehört nicht allein die Verwendung von
elementarem Kupfer als einem der nützlichsten Werkstoffe, durch das Legieren mit anderen
Metallen können dessen vielfältigen Eigenschaften zusätzlich optimiert werden. Kupfer lässt
sich mit einer Vielzahl an Metallen legieren, eine systematische Einteilung ist in Abbildung 7
zu sehen. Folgende Kupfer-Legierungen bilden die wichtigsten Legierungsfamilien: KupferZink (Messing), Kupfer-Zinn (Zinnbronze), Kupfer-Aluminium, Kupfer – max. 5 % Zusatz
anderer Elemente (Niedriglegierte Kupferwerkstoffe), Kupfer-Nickel, Kupfer-Nickel-Zink
(Neusilber), Kupfer-Zinn-Zink (Rotguss).11 Innerhalb der aufgelisteten Kupferwerkstoffe sind
Kupfer-Zink-Legierungen (Messing) die wichtigste Legierungsgruppe. Messing wurde bereits
in dem 3. Jahrtausend v. Chr. dokumentiert, hergestellt durch die Zugabe von Zinkkarbonat
bei dem Schmelzen von Kupfer. Die Anfänge einer Messingindustrie sind auf das 15. und 16.
12
1. Einleitung
Jahrhundert zurückzuführen und bis heute ist Messing fester Bestandteil des alltäglichen
Lebens.
Abbildung 7. Einteilung der Kupfer-Legierungen. Nachdruck mit Genehmigung des Deutschen
Kupferinstitutes.11
Eine große technische Bedeutung hat Messing überall, wo gleichzeitig elektrische Leitfähigkeit
und mechanische Stabilität die Anforderung an ein Material sind. Kupfer und Zink vermischen
13
1. Einleitung
sich in der Schmelze und auch bei ihrem Erstarren bleibt die gleichmäßige Verteilung von
Kupfer und Zink erhalten, wodurch Messing ein sehr homogenes Material ist. Die
gebräuchlichen Kupfer-Zink-Legierungen enthalten 5 – 45 % Zink, bei höheren Zinkgehalten
wird die γ-Phase gebildet, dessen Sprödigkeit eine technische Anwendung nicht ermöglicht.
Theoretisch kann eine nahezu unendliche Anzahl an Kupfer-Zink Legierungen gebildet werden,
in der Praxis sind jedoch 60 Sorten aufgeführt, welche die gewünschten physikalischen,
chemischen und technologischen Eigenschaften aufweisen.12
Abbildung 8. Zustandsdiagramm von Messing im technisch wichtigen Konzentrationsgebiet.
Nachdruck mit Genehmigung des Deutschen Kupferinstituts.12
Einer der wichtigsten Faktoren des Legierens von schmiedbarem und formbarem Kupfer ist
das Erlangen eines härteren Materials. Doch auch weitere Eigenschaften der Legierung sind
anwendungstechnisch von großem Interesse. Die Zusammensetzung CuZn5 weist eine
elektrische Leitfähigkeit von 33 MS/m auf und ist damit ein begehrter Werkstoff für den
14
1. Einleitung
Elektromaschinenbau. Messing zeichnet sich zudem durch thermische Leitfähigkeit und
Korrosionsbeständigkeit aus. Abbildung 8 zeigt die elektrische Leitfähigkeit einiger
ausgewählter Messingzusammensetzungen, welche stellvertretend für alle Eigenschaften die
Abhängigkeit von dem Zinkgehalt demonstriert.
Abbildung 9. Elektrische Leitfähigkeit ausgewählter Kupfer-Zink-Legierungen zwischen 0 und 200 °C.
Nachdruck mit Genehmigung des Deutschen Kupferinstitutes.12
1.3.4 Laves Phasen
Laves Phasen, benannt nach dem Mineralogen Fritz Laves, sind intermetallische
Verbindungen der generellen Zusammensetzung AB2, also der Kombination von (Erd-)
Alkalimetall und Übergangsmetall. Damit umfassen Laves Phasen ein breites Spektrum an
intermetallischen Phasen, in denen die Elektronegativitätsdifferenz zwischen den
Komponenten niedrig, aber auch sehr hoch sein kann. Aufgrund der elektronischen Vielfalt
existiert im Gegensatz zu Hume-Rothery Phasen kein elektronisches Konzept für die
Beschreibung von Laves Phasen, ein existierender Einfluss von elektronischen Eigenschaften
kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Anhaltspunkt für die Bildung von Laves Phasen
mit bestimmten Komponenten sind die jeweiligen Atomradien (r). Bei einem idealen
Verhältnis von rA/rB ≈ 1.225 bilden die Komponenten dicht gepackte Strukturen. Auch
Atomradien-Verhältnisse, die leicht von dem idealen Wert abweichen, können zur Ausbildung
von Laves Phasen führen, so sind in der Literatur Werte in einem Bereich von rA/rB = 1.1 – 1.7
bekannt. Es existieren drei unterschiedliche repräsentative Beispiele für Laves Phasen, die
15
1. Einleitung
gemeinsame Strukturmotive aufweisen. In MgCu2, MgZn2 und MgNi2 sind die
Übergangsmetallatome jeweils tetraedrisch angeordnet und unterscheiden sich nur aufgrund
ihrer Verknüpfung. Die Magnesium Atome füllen die Tetraederlücken und bilden
Überstrukturen. In dem kubisch kristallisierenden MgCu2 sind Cu-Tetraeder ausschließlich
eckenverknüpft, sodass jedes Kuper Atom eine Ecke von zwei Tetraedern ist. Die Magnesium
Überstruktur bildet einen Diamanttyp. MgZn2 bildet ein hexagonales Gitter, in dem die ZnTetraeder sowohl Ecken- als auch über die Dreiecksflächen verknüpft sind. Die Magnesium
Struktur entspricht einer hexagonalen Diamantstruktur. Der MgNi2 Strukturtyp ist der
komplexeste, da die Strukturmotive aus MgCu2 und MgZn2 simultan vorliegen. Viele der
existierenden Laves-Phasen können in die Klassen dieser drei repräsentativen Strukturtypen
eingeordnet werden. Eine kurze Auflistung ist in Tabelle 4 zu finden.3
Tabelle 4. Ausgewählte Beispiele für Laves-Phasen
MgCu2 Typ
MgZn2 Typ
MgNi2 Typ
CaAl2
CaLi2
TaCo2
CaIr2
TaFe2
ScFe2
CeCo2
CeMn2
HfMo2
ZrMo2
ZrRe2
TaZn2
1.3.5 Zintl-Phasen
Zintl-Phasen werden aus elektropositiven Metallen (Erd-)Alkalimetalle oder Metalle der
seltenen Erden) und p Block Elementen geformt. 1939 berichtete Eduard Zintl eine neue
intermetallische Klasse, die nicht mit dem Konzept der Hume-Rothery Phasen
übereinstimmte. Zintl beobachtete in NaTl, einem Prototyp der Zintl Verbindungen, und in
weiteren Beispielen wie LiAl, LiGa oder NaIn, ungewöhnliche Anordnungen der Na und Tl
Atome in der Kristallstruktur.13 Die Bindungssituation in Zintl-Phasen unterscheidet sich
deutlich von denen in Hume-Rothery und Laves-Phasen. Während in letzteren metallische,
delokalisierte Bindungen vorliegen, sind die Bindungen in den Teilgittern der Zintl-Phasen
kovalent. Die Tl Atome sind in der Diamanttyp-Struktur angeordnet, wie sie auch für Gruppe
14 Elemente gefunden wird. Im Gegensatz zu diesen besitzt Thallium jedoch nicht vier,
16
1. Einleitung
sondern lediglich drei Valenzelektronen. Folgend postulierte Zintl den Transfer eines
Valenzlektrons des Natriums zum Thallium, sodass Thallium mit vier Valenzelektronen die
favorisierte Diamantstruktur einnehmen kann, in deren Lücken sich die Natrium Ionen
einlagern. Der ionische Charakter der Zintl-Phasen, hier Na+Tl- führte auch zu der
Namensgebung „polare Intermetallverbindung“. Die resultierende Konnektivität wird von der
8-N Regel beschrieben, wobei N die Anzahl der Valenzelektronen des p-Elements ist. Um das
Zintl-Prinzip zu erläutern, eignet sich das Calcium-Silikon System, bestehend aus Ca2Si, CaSi
und CaSi2 (Abbildung 10). Die elektronenpräzise Beschreibungen lauten (2Ca2+)Si4-, Ca2+Si2- und
Ca2+(2Si-) da jedes Calcium Atom je zwei Elektronen doniert. Folglich unterscheidet sich die
Ladung der Silicium Atome signifikant. Die Si4- Anionen folgen der Oktettregel und Si-Si
Bindungen werden in der Ca2Si Struktur nicht beobachtet. Jedes Silicium Atom weist eine
dreifach verkappte trigonal prismatische Calcium Koordination auf. Die CaSi Struktur enthält
Si2- Anionen, die formal isoelektronisch zu Schwefel sind. Auch in dieser Struktur sind die
Silicium Anionen trigonal prismatisch von Calcium koordiniert, jedoch sind die Prismen
flächenverknüpft, wodurch Silicium Ketten in zick-zack Form entstehen. In CaSi2 liegen SiAnionen vor, die dreifach verbundene gewinkelte hexagonale Netzwerke bilden. Das ZintlKonzept kann basierend auf den Valenzelektronen des Zintl-Anions die vorliegende
Konnektivität, jedoch keine konkreten Strukturtypen voraussagen.3
Abbildung 10. Schematische Strukturen von Ca2Si, CaSi und CaSi2 (grün: Calcium; rot: Silicium) im
Kristall. Nachdruck mit Genehmigung von Prof. Caroline Röhr, Universität Freiburg.
17
1. Einleitung
Zintl-Phasen wurden für eine lange Zeit als außergewöhnliche intermetallische Spezies mit
unerwarteten Stöchiometrien und faszinierenden Strukturmotiven betrachtet, die jedoch von
limitierter Relevanz waren. Ein Wiederaufleben der Zintl-Ionen zog die Beobachtung, dass
vorgeformte Zintl-Ionen aus den Gittern der Zintl-Phasen extrahiert werden können und in
verwendbaren Lösungsmitteln löslich sind, nach sich. Der Übergang von Zintl-Phase zu
diskreten molekularen Zintl-Anionen ist jedoch nur für einen geringen Teil der Phasen möglich.
Gruppe 14 und 15 Elemente bilden lösliche molekulare Zintl Polyanionen (Abbildung 11). Im
Gegensatz zu Gruppe 13 Element-Clustern sind diese homoatomaren Zintl-Cluster nicht
ligandenstabilisiert und nicht nur wegen ihrer ästhetischen Schönheit, sondern vor allem
wegen ihres großen synthetischen Potentials von hohem Interesse.14
Abbildung 11. Strukturen bekannter homoatomarer Gruppe 14 Cluster. Nachdruck mit Genehmigung
von S. Scharfe, F. Kraus, S. Sregmair, A. Schier und T. E. Fässler, Angew. Chem. Int. Ed., 2011, 50, 36303670. Copyright (2011) Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim.
Ein wesentlicher Fortschritt für die Zugänglichkeit von Zintl-Anionen war der Wechsel des
Lösungsmittels vom dem ursprünglich verwendeten flüssigen Ammoniak zu Ethylendiamin
und später Dimethylformiat. Für die Gewinnung hochkristallinen Materials haben sich
Alkalimetallkomplexbildner wie zunächst Kryptanden und später Kronenether als effizient
erwiesen.15, 16 Der immense Fortschritt in der Synthese von Zintl-Anionen und die Erzeugung
von reinem, hochkristallinem Material erlaubte umfassende und detaillierte Studien der
Reaktivität von Zintl-Ionen (Abbildung 12). Polyhedrale Cluster können als Liganden in
Übergangsmetallkomplexen fungieren und zeigen dabei flexible Bindungsmodi mit einer η 1η6 Koordination. Die Zugabe von organischen Liganden führt zu der Bildung von
ligandenstabilisierten Hauptgruppenclustern, die als Baustein für die „bottom-up“ Synthese
von funktionellen Halbleitermaterialen verwendet werden und insbesondere das Erschließen
von Silicium Clustern verspricht Anwendungen in den Materialwissenschaften.14
18
1. Einleitung
Abbildung 12. Darstellung der Reaktivitätsvielfalt von Zintl-Anionen anhand ausgewählter Beispiele.
a) Ligandenstabilisierter [Ge9{Si(SiMe3)3}3]- Cluster 17 b) Zintl-Anion ÜbergangsmetallKoordinationsverbindung [{EM(CO)5}6]2- (E = Ge, Sn; M = Cr, Mo, W) 18 c) Zintl-Anion mit ligand-freien
Übergangsmetallen [(Pb9)Cd-Cd(Pb9)]6- 19 Nachdruck mit Genehmigung von S. Scharfe, F. Kraus, S.
Sregmair, A. Schier und T. E. Fässler, Angew. Chem. Int. Ed., 2011, 50, 3630-3670. Copyright (2011)
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim.
1.3.5.1 Endohedrale Zintl-Cluster
Das Einlagern interstitieller Metallatome ist für andere Verbindungsklassen, wie etwa
Fullerene, bekannt. Im Vergleich zu größeren Fullerenen haben die Zintl-Anionen der
schwereren Gruppen Homologen kein starres, stabiles σ-Bindungsgerüst, sondern
delokalisierte Bindungen, welche die Gerüstbindungen schwächen. Dies führt dazu, dass der
Hohlraum in einem Zintl-Cluster weniger gut stabilisiert ist, was durch die Einlagerung
endohedraler Atome kompensiert werden kann. Für Zintl-Cluster hat sich die Anzahl von n =
10 Atomen als Grenze für stabile, nichtgefüllte Cluster ergeben, ab einer Atomanzahl von n >
10 ist eine Einlagerung von Metallatomen und die Bildung intermetalloider Cluster zum Erhalt
der Stabilität unabdingbar.20 Der erste isolierte und ligandenfreie Gruppe 14 mit n > 10 ZintlCluster mit einem endohedralen Atom ist [Pt@Pb12]2-, der aus der Reaktion von Pb92- haltigen
Ethylendiamin Lösungen mit [Pt(PPh3)4] in Anwesenheit eines Kryptanden resultiert.21 Die
Orbitalanalyse des Systems zeigt, dass das endohedrale Platin Atom als Templat für den
elektronengenauen Cluster dient und nicht etwa als Elektronendonor oder –akzeptor fungiert.
Bis heute wurde eine beachtliche Anzahl an endohedral gefüllten Zintl-Clustern berichtet, die
vielfältige strukturelle Eigenschaften zeigen. So variiert die Clustergröße zwischen dem
kleinsten bekannten Cluster [Ni@Ge9]3- bis zu großen Clustern, wie [Pd2@E18]4- (E = Ge, Sn),
der zwei endohedrale Palladium Atome enthält. Endohedrale Zintl-Cluster sind
beeindruckende Beispiele intermetalloider Cluster und tragen in hohem Maße zu dem
Verständnis der Reaktivität und Stabilität von Zintl-Clustern bei.14
19
1. Einleitung
Abbildung 13. Beispiele endohedraler Cluster. Links: [M@Pb12]2- (M = Ni, Pd, Pt); Rechts: [Pd2@E18]421-23
Nachdruck mit Genehmigung von S. Scharfe, F. Kraus, S. Sregmair, A. Schier und T. E. Fässler,
Angew. Chem. Int. Ed., 2011, 50, 3630-3670. Copyright (2011) Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA,
Weinheim.
1.3.6 Intermetallische Zinkphasen
Elementares Zink findet in verschiedenen Komponenten vielfältige Anwendung im
alltäglichen Leben, begründet auf simplen Aspekten. Die Oberfläche von elementarem Zink ist
leicht oxidierbar und reagiert mit Reaktivgasen aus der Luft, wodurch stabile, nahezu
unlösliche Beschichtungen gebildet werden, die als lang haltender Korrosionsschutz dienen.
So wird für viele Eisen- und Stahlmaterialien Zink als überziehende Schicht genutzt.
Experimentell geschieht dies durch das Eintauchen der z.B. Eisenkomponente in ein heißes
Zinkbad. Dies resultiert zuerst in der Bildung der Fe 5Zn21, dann der FeZn10 Phase, folgend in
der zinkreichen Phase FeZn13 und abschließend wird die elementare Zinkschicht gebildet.
Neben anwendungstechnischen Aspekten sind intermetallische Zinkphasen auch für die
Grundlagenforschung von hohem Interesse, da diese eine Varietät an interessanten
strukturellen Eigenschaften aufweisen. Aufgrund der niedrigen Schmelztemperatur (692 K)
von Zink können intermetallische Zinkphasen durch die Hilfsmetallbadtechnik, die in Kapitel
1.2.3 erläutert wurde, hergestellt werden. Überschüssiges Zink kann nach der Synthese der
entsprechenden Phase mit konzentrierter Salzsäure gelöst werden, in der die
intermetallischen Phasen selbst meist unlöslich sind. Mit Messing wurde in Kapitel 1.2.2 die
bekannteste und wichtigste intermetallische Zinkphase beschrieben. Neben Cu sind wichtige
Legierungselemente für Zink Fe, Mg oder Al, aber auch weitere Übergangsmetalle bilden
stabile binäre Phasen mit Zink. Mit Alkalimetallen bildet Zink eine Vielfalt an intermetallischen
Phasen, Magnesium beispielweise reagiert mit Zink zu den binären Systemen MgZn2, Mg2Zn11,
Mg21Zn25, Mg51Zn20 und Mg4Zn7, von denen das bekannteste Beispiel die Laves-Phase MgZn2
ist. Mit zunehmendem Zinkanteil steigen die Komplexität der Strukturen, sowie die
20
1. Einleitung
Koordinationszahl des Alkalimetalls. Ähnliches wird auch für Übergangsmetall-Zink Phasen
beobachtet.3
Diese
setzen
sich
oft
aus
den
Anordnungen
verschiedener
Koordinationspolyeder zusammen, die wiederkehrend miteinander verknüpft sind. Die
Rhodiumatome in RhZn13 sind von 12 Zinkatomen koordiniert und bilden einen Rh@Zn 12
Polyeder. Das verbleibende Zinkatom ist dagegen nicht Bestandteil der Koordinationsspähre
des Rhodiums, sondern füllt die Lücken zwischen den Rh@Zn12 Ikosaedern, und ist so
ausschließlich von 12 Zinkatomen umgeben und bildet den Polyeder Zn@Zn12 (Abbildung
14).24
Abbildung 14. Koordinationspolyeder in RhZn13. Schwarz: Rhodium; Weiß: Zink. Nachdruck mit
Genehmigung von N. Gross, G. Kotzyba, B. Künnen und W. Jeitschko, Z Anorg. Allg. Chem. 2001, 627,
155-163. Copyright (2001) Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim.
Zu den zinkreichsten bekannten intermetallischen Phasen gehören ZrZn22 mit Zr@Zn16
Polyedern und MoZn20.44, die eine komplexe kubische Struktur besitzt, deren Anordnung
elektronisch und kristallographisch bis heute nicht vollständig verstanden ist. 25, 26
21
1. Einleitung
1.4 Cluster: An der Schwelle von intermetallischen zu molekularen
Verbindungen
Als F. A. Cotton 1966 den Übersichtsartikel „Transition Metal Compounds Containing
Clusters of Metal Atoms“ schrieb, herrschte lnoch bis ein Jahrzehnt zuvor die allgemeine
Überzeugung, dass das Vorliegen einer signifikanten Anzahl an Bindungen zwischen
Übergangsmetallen in einem Molekül äußerst unwahrscheinlich sei.27 Metallcluster werden
definiert als Moleküle, die eine feste Anzahl an Metallatomen enthalten, welche
ausschließlich, hauptsächlich oder mindestens in einem ausschlaggebenden Maß durch
direkte Metall-Metall Bindungen zusammengehalten werden, auch wenn Nichtmetallatome
ebenfalls Bestandteil des Clusters sein können (Originalzitat F. A. Cotton: „those containing a
finite group of metal atoms which are held together entirely, mainly, or at least to a significant
extent, by bonds directly between the metal atoms even though some non-metal atoms may
be associated intimately with the cluster“).27 Die kleinsten Cluster sind diatomar, die Anzahl
an Atomen kann jedoch bis zu mehreren zehntausend reichen. Cluster bilden die Brücke
zwischen molekularen Verbindungen und nicht molekularen Festphasen. Besonders durch das
steigende Interesse an der Entwicklung physikalischer Eigenschaften vom Metallatom, oder
deren stabilen molekularen Verbindungen wie ihren Salzen, zu einem Bulkmetall, rückten sie
in den Fokus.28 Während Metallsalze und Bulkmaterialien der Metalle bereits lang verstanden
wurden, ist es umso erstaunlicher, dass die Intermediate der Bindungsbildung oder des
Bindungsbruchs, lange Zeit unerforscht blieben. Insbesondere der experimentelle Fortschritt,
die neuen Möglichkeiten Cluster zu synthetisieren und zu analysieren, hat einen immensen
Anstieg des Wissens über diese Verbindungsklasse herbeigeführt. Den Eigenschaften von
Clustern im Übergangsbereich zwischen Molekül- und Festkörperchemie fällt eine besondere
Rolle zu, wie etwa in der Nanotechnologie. Cluster können wie folgt in drei Klassen eingeteilt
werden: 1) „Nackte“ Metallcluster, die keine Liganden in ihrer Koordinationssphäre enthalten
und unter Ultrahochvakuum Bedingungen vorliegen. Die durchschnittliche Oxidationsstufe
(nav) der Metallatome ist nav = 0, 2) Metalloide Cluster, deren Beschreibung von den
Pionierarbeiten von Schöckel geprägt ist. Diese Cluster enthalten sowohl Metallatome, die
ausschließlich Bindungen zu anderen Metallatomen eingehen, als auch solche, die an die
Nichtmetallatome der Ligandenhülle gebunden sind. Die Anzahl der Metall-Metall
Wechselwirkungen übersteigt dabei stets die der Metall-Nichtmetallwechselwirkungen. Die
Beschreibung „Metalloid“ soll außerdem die strukturellen Gemeinsamkeiten des
22
1. Einleitung
Metallkernes eines metalloiden Clusters und der Anordnung der Atome im Element selbst
ausdrücken. Die durchschnittliche Oxidationsstufe der Metalle wird für metalloide Cluster
beschrieben durch 0 < nav < nSalz, 3) Sehr große, Salz-ähnliche Cluster, wie sie zum Beispiel von
den Gruppen um Fenske und Müller beschrieben wurden, in denen nav = nSalz ist (Abbildung
15).29
Abbildung 15. Ausgewählte Clusterbeispiele. Links: „Salzartiger“ [Ag320(StBu)60S130(dppe)12] Cluster (nav
= nSalz).30 Rechts: Metalloider [Al38(AlCp*)12] (Cluster 0 < nav < nSalz).31 Nachdruck mit Genehmigung von
C. E. Anson, A. Eichhöfer, I. Issac, D. Fenske, O. Fuhr, P. Sevillano, C. Persau, D. Stalke und J. Zhang,
Angew. Chem. Int. Ed. 2008, 47, 1326-1331. Copyright (2008) Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA,
Weinheim. Nachdruck mit Genehmigung von H. Schnöckel, Chem. Rev., 2010, 110, 4125-4163.
Copyright (2010) American Chemical Society.
Auf dem Gebiet der metalloiden Cluster waren zunächst Cluster der Edelmetalle wie der
Prototyp [Au55(PPh3)12Cl6] (Schmid´scher Goldcluster) bekannt, da diese aufgrund ihrer
Stabilität und ihrem inerten Verhalten an Luft und teilweise sogar in Wasser, vergleichsweise
einfach zu synthetisieren und zu handhaben waren.32 Der erste Bericht aus dem Jahr 1997 von
Schnöckel et al. über einen metalloiden Aluminiumcluster, [Al77{N(SiMe3)2}20]2-, scheint
dagegen bis heute eine der sonderlichsten Entdeckungen der Anorganischen Chemie zu sein.33
Die Chemie metalloider Cluster kann auch aktuell keineswegs als potentielle Anwendung
betrachtet werden, umso interessanter ist diese Verbindungsklasse jedoch für die
Grundlagenforschung, in Hinblick auf ihre strukturellen und bindungstheoretischen
Eigenschaften, sowie ihren Bildungsmechanismen.29 Die Synthese metalloider Gallium- und
Aluminiumcluster erfordert ohne Zweifel anspruchsvolle Techniken (Cokondensationsanlage,
Abbildung 16), sowie synthetisches Geschick.
23
1. Einleitung
Abbildung 16. Schematischer Aufbau der Cokondensationsanlage. A = Edelstahlglocke, B =
Lösungsmitteleinlass, C = Al in Graphitzelle mit Widerstandsheizung, D = Ablaufrinne, E = Kühlschild, F
= Schlenk-Gefäß, G = Dewar-Gefäß mit Trockeneis (-78 °C), K = Kühlwasser, HX =
Halogenwasserstoffgas, HV = Hochvakuum. Nachdruck mit Genehmigung von A. Schnepf, H. Schnöckel,
Angew. Chem. Int. Ed., 2002, 114, 3682-3703. Copyright (2002) Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA,
Weinheim.
Ausgegangen wird von gasförmigen Monohalogeniden, bei 1000 °C werden metastabile
Lösungen erzeugt, aus denen sich durch Disproportionierung bei Raumtemperatur die
Elemente abscheiden würden. Durch die geeignete Wahl von Liganden R (R = N(SiMe3)3,
C(SiMe3)3, Cp* oder P(tBu)2), die als Schutzgruppen dienen, lassen sich als Intermediate auf
dem Weg von Salz zum Element molekulare Aluminium- und Galliumcluster bilden.34 Die
involvierten Mechanismen bestehen aus verschiedenen Reaktionssequenzen, wie RedoxReaktionen oder Substitutionsreaktionen und sind bis heute nicht komplett verstanden und
stellen noch immer eine große Herausforderung dar.
1.5 „Top-down“ vs. „Bottom-up“ Chemie zinkreicher Verbindungen
In Kapitel 1.2 wurden die etablierten Verfahren der Synthese von intermetallischen
Festphasen beschrieben. Diese sogenannten „Top-down“ Routen, in denen die elementaren
Komponenten einer Festphase in geeigneten Anlagen zusammengeschmolzen werden, sind
äußerst effizient und zweifelsohne die Methode erster Wahl. Die reiche Chemie der Vielfalt
an zinkhaltigen Festphasen, die auf diesem Weg dargestellt wird, findet wenig Vergleich auf
24
1. Einleitung
molekularer Ebene. In molekularen Verbindungen, wie Nanopartikeln oder definierten
Übergangsmetall-Zink-Verbindungen, müssen die Metall-Metall Bindungen auf dem
Syntheseweg von „Bottom-up“ Reaktionen geknüpft werden. Die richtige Kombination an
Startverbindungen ist dabei ausschlaggebend, woraus sich eine starke Abhängigkeit von den
elektronischen und sterischen Eigenschaften dieser, die durch das Metallzentrum selbst,
sowie die Ligandenspähre bestimmt werden, ergibt. Die wenigen literaturbekannten Beispiele
an Übergangsmetall-Zink-Verbindungen, sowie die große Vielfalt an zur Verfügung stehenden
Übergangsmetallstartverbindungen, stellen daher eine hohe synthetische Anforderung an die
Koordination von Zink-Organyl-Liganden an Übergangsmetallzentren. Erste Berichte über
Zink-Organyle gehen bereits auf das Jahr 1849 zurück, als Edward Frankland als Gast in dem
Labor von Robert Bunsen die Isolierung von Ethylradikalen erforschte und er stattdessen in
seinen Studien erfolgreich Diethylzink isolieren konnte.35 Diese Entdeckung bildete den
Grundstein für die weiterführenden Untersuchungen von Zink-Organylen und insbesondere
deren heutige breite Verwendung als Reagenzien in der organischen Synthesechemie. Bis zu
der ersten dokumentierten Synthese einer Übergangsmetall-Zink Bindung verging dagegen
nahezu ein Jahrhundert. 1942 erhielten Hieber et al. durch die Reaktion von CoX (X = Br, I) mit
Zink, unter einer CO Hochdruck Atmosphäre, Zugang zu dem bimetallischen Komplex
[Zn{Co(CO)4}2] (Schema 1).36
Schema 1. Darstellung von [Zn{Co(CO)4}2].
In Folge wurde das Syntheseschema auf weitere zinkhaltige Carbonylkomplexe, wie etwa
[(CO)4Fe(ZnCl)2] übertragen, die zumeist terminale oder verbrückende ZinkhalogenidLiganden enthalten.37 Inspiriert von diesen ersten Resultaten, beschäftigten sich verschiedene
Gruppen mit der Synthese bimetallischer Übergangsmetall-Zink Verbindungen, in denen
Organyle wie Methyl-, Ethyl-, oder Cyclopentadienylgruppen an die Zinkliganden koordiniert
sind, mit dem Ziel, ungewöhnliche Metall-Metall Bindungseigenschaften und strukturelle
Besonderheiten in den Komplexen zu beobachten. Die Reaktionsstrategien die auf dem Gebiet
25
1. Einleitung
der TM-ZnR (R = Et, Me, Cp, Cp*) Bindungsknüpfung existieren, sind facettenreich und die
verschiedenen Mechanismen wie Hydrid-Abstraktion, Eliminierung substitutionslabiler
Liganden an Übergangsmetallzentren, Salzeleminierung oder oxidative Additionsprozesse
demonstrieren die Komplexitivität der Reaktionen, die teilweise kompetetiv verlaufen.38 Aus
konkurrierenden Teilreaktionsschritten resultiert für die „Bottom-up“ Knüpfung von
molekularen TM-Zn Bindungen ein unvorhersehbarer Reaktionsverlauf und somit ist auch die
Produktbildung nicht transparent, worin der große Unterschied zwischen der Darstellung von
molekularen
Übergangsmetall-Zinkverbindungen
und
zinkhaltigen
intermetallischen
Festphasen liegt. Schnell zeigte sich, dass neben Zink-Organylen mit kleinen Resten wie
Ethylgruppen, insbesondere sterisch anspruchsvolle Liganden wie die CyclopentadienylGruppe, Übergangsmetallzentren mit terminal koordinierten ZnCp-Liganden stabilisieren. Die
Cp-Gruppe unterdrückt durch ihre stabilisierende Wirkung auf ds elektrophile Zinkzentrum die
häufig auftretende und unerwünschte Disproportionierung von TM-ZnR Verbindungen in ZnR2
und [TM2Zn] (Schema 2).38
Schema 2. Disproportionierungs-Gleichgewicht von TM-ZnR Verbindungen.
Das
erste
Besipiel
einer
strukturell
charakterisierten
TM-ZnR
Verbindung,
[(CpZn)2Co(Cp)PPh3], wurde aus der Reaktion von [Co(H)(N2)(PPh3)3] mit 2 Equivalenten
ZnCp2, die unter Abspaltung von N2, CpH und PPh3 verläuft, synthetisiert (Schema 3).39 Der
Reaktionsverlauf involviert unter anderem einen Transfer der Cp Gruppe von dem
Zinkzentrum in ZnCp2 auf das Cobaltzentrum. Dies geschieht durch die protolytische Spaltung
der Zn-Cp Bindung und dem simultanen Co-H Bindungsbruch, resultierend in CpH
Eliminierung.
Schema 3. Darstellung von [(ZnCp)2Co(Cp)PPh3].
26
1. Einleitung
Die Bindungslänge der Co-Zn Bindung (2.289(1) Å), sowie der Co-Zn Abstand in Hiebers
[Zn{Co(CO)4}2] (2.305(2) Å), sind im Rahmen der Genauigkeit erwartbar ähnlich, unterscheiden
sich jedoch aufgrund der unterschiedlichen Koordinationsumgebungen.36 Ebenfalls unter der
Verwendung von ZnCp2 als Zinkquelle gelang es der Gruppe um Boersma und van der Kerk
1983, die erste zinkhaltige Clusterverbindung, [Ni2Zn4Cp6], darzustellen (Schema 4).40
Augegangen wird in der Reaktion von [Ni(cod)2] (cod = 1, 5-Cyclooctadien), in dem die codLiganden labil an das Nickelzentrum gebunden sind.
Schema 4. Darstellung des oktaedrischen [Ni2Zn4Cp6].
Für die Bildung der oktaedrisch angeordneten Verbindung postulieren die Autoren den
Bildungsmechanismus einer zweifachen oxidativen Addition von ZnCp 2 an ein Nickelzentrum,
unter der Bildung der Intermediate [CpNiZnCp] und [Cp 2Ni(Cp)(ZnCp)2]. Abspaltung des CpLiganden führt anschließend zu der Bildung des ungesättigten [CpNi(ZnCp)2], welches
schließlich zu dem Produkt [Ni2Zn4Cp6] dimerisiert.41 Der oktaedrische Komplex enthält acht
Ni-Zn Bindungen mit Bindungslängen von 2.398(2) Å, die Zink-Zink Distanzen betragen
2.854(1) – 4.050(2) Å, zwischen den Zinkatomen liegen keine bindenden Wechselwirkungen
vor. Dies wird aus den bekannten kovalenten Referenzwerten der Zn-Zn Abstände in
metallischem Zink (2.644-2.912 Å) und dem molekularen Zinkdimer [Zn2Cp*2] (2.305(3) Å)
abgeleitet.2,
42
Eine Übersicht weiterer Synthesestrategien zur Knüpfung von TM-ZnR
Bindungen ist in Schema 5 abgebildet.
27
1. Einleitung
Schema 5. Übersicht von Synthesestrategien zur Knüpfung von TM-ZnR Bindungen.
Die Komplexität der Reaktionen, die zur Darstellung von TM-ZnR Komplexen führen, liegt nicht
nur in den unterschiedlichen Synthesestrategien und den teilweise kompetetiv verlaufenden
Mechanismen, sondern auch in der Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen wie
stöchiometrischen Mengen der Zinkquelle, Lösungsmitteln und Temperaturen. Die starke
Abhängigkeit der Produktbildung von Reaktanden und Reaktionsbedingungen wurde
insbesondere in den Reaktionen von frühen Übergangsmetallhydriden wie [Cp 2NbH3] und
[Cp’TaH3] (Cp‘ = C5H4Me) mit ZnCp2 demonstriert.43, 44 So wird der Bis-(Übergangsmetall)Zinkkomplex [{Cp2NbH2}2Zn] durch die Verwendung geringer stöchiometrischer Megen an
ZnCp2 dargestellt, wohingegen das Erhöhen dieser zu Nb-ZnCp Komplexen in verschiedenen
Graden der Hydridsubstitution resultiert.43 Eine Übersicht der Reaktionen von [Cp2NbH3] mit
ZnCp2 ist in Schema 6 abgebildet.
28
1. Einleitung
Schema 6. Reaktionsbedingungsabhängige Darstellung von Nb-ZnCp Komplexen.
Die genaue Betrachtung der diskutierten Beispiele literaturbekannter LM-ZnR (L = Co-Ligand)
Komplexe lässt einen eindeutigen Trend der Anzahl an koordnierten Zink-Organyl Liganden
erkennen. Während Komplexe des Typs LxMaZnb mit x = 4 und b = 1 wie [Cp2NbH2(ZnCp)]
vielzählig zu finden sind, sind Co-Liganden freie Komplexe, die eine vollständige Zink-Organyl
Koordinationssphäre aufweisen wie in [Ni2Zn4Cp6], in denen also x = 0 und a < b sind, eine
Seltenheit. Noch seltener sind in der Literatur Verbindungen mit x = 0 und a << b, streng
genommen waren diese bis vor kurzem gänzlich unbekannt und werden in Kapitel 1.4.1
eingeführt. Trotz der effektiven Synthesestrategien, die in diesem Kapitel beschrieben
wurden, ist die Anzahl an literaturbekannten Übergangsmetall-Zinkorganyl-Verbindungen
überschaubar.
Dies
ist
dadurch
begründet,
dass
eine
entsprechende
Übergangsmetallstartverbindung zum einen reaktiv genug sein muss, um mit einer Zinkquelle
eine Reaktion einzugehen, die elektronischen und sterischen Eigenschaften des TMKomplexes andererseits einen Komplex mit neu geknüpften TM-Zn Bindungen stabilisieren
können müssen, um eine Disproportionierung der Zinkverbindung zu unterdrücken. Die
Limitierungen und synthetischen Herausforderungen der „Bottom-up“ Synthese von TMZinkkomplexen werden am Beispiel von Cu/Zn Systemen verdeutlicht. Während Messing eine
der bekanntesten und wichtigsten Legierungen ist, sind molekulare Verbindungen mit einem
29
1. Einleitung
definierten CuaZnb Verhältnis gänzlich unbekannt. Kupfersalze wie Nitrate, Chloride, Sulfate
oder Acetate
existieren hinreichend, diese reagieren jedoch mit Zinkquellen zu den
entsprechenden Zinksalzen, eine Ausbildung von Cu-Zn Bindungen findet nicht statt.
Dahingegen sind nur wenige Kupferkomplexe mit substitutionslabilen Liganden bekannt.
Diese Tatsache ist auf die Stabilität der abgeschlossenen d-Schale des Kupfers zurückzuführen,
die eine starke π-Rückbindung aus gefüllten dπ-Orbitalen des Kupfers in π* Orbitale von
Liganden wie der Carbonylgruppe verhindert. So existieren mono- und dinukleare
Kupfercarbonylkomplexe beispielsweise nur unter Matrixisolationsbedingungen.45, 46 Aus den
Halogeniden des einwertigen Kupfers wie CuCl (gilt auch für CuBr und CuI) werden mit
donierenden Liganden L Komplexe des Typs [L4Cu]+Cl- (L z.B. C5H5N, PR3, R3PO), [L3CuCl] (L z.B.
PR3, AsR3), [L2CuCl]2 (L z.B. Ph2NH) und [LCuCl]4 (L z.B. PR3, AsR3) gebildet. Diese werden in
Folgereaktionen durch Reduktion, beispielsweise [PH3PCuCL]4 mit BH(OMe)3- zu [Ph3PCuH]6,
oder Salzmethathese, z.B. [CNtBuCuCl]4 mit NaCp zu [CNtBuCuCp] zu einer Reihe an
Kupferstartverbindungen weiter reagiert.2,
47, 48
Die Herausforderung liegt nun darin, für
Komplexe des Typs LxCuaZnb (L = Co-Ligand) mit a, b > 1 und x < a+b ein Reaktionsprinzip mit
geeigneten Startverbindungs-Kombinationen zu etablieren. Dabei müssen die an den
gewählten Kupferkomplex koordinierten Liganden die Funktion einer, unter milden
Reaktionsbedingungen abspaltbaren, Schutzgruppe einnehmen. Die L-Cu Bindung muss labil
genug sein, um in Anwesenheit einer Zinkquelle gebrochen werden zu können, damit ZnRLiganden an das intermediär ungesättigte Kupferzentrum koordiniert werden können, um
bimetallische Cu/Zn Komplexe zu synthetisieren. In der Vergangenheit hat sich für die
Darstellung von Cu/Zn Nanopartikeln ein Reaktionsprinzip als effizient erwiesen, das auf der
Verwendung von Kupferverbindungen des Typs [CpCuL] basiert. Die Schutzgruppen Funktion
wird dabei zum einen von der etablierten Cyclopentadienyl-Gruppe erfüllt, die
bekanntermaßen durch sterische und elektronische Effekte Metallzentren in ungewöhnlichen
Oxidationsstufen stabilisieren kann, zum anderen aber zum Beispiel unter protolytischen oder
hydrogenolytischen Bedingungen abgespalten werden kann. Durch die Wahl des Co-Liganden
L können die elektronischen und sterischen Eigenschaften des Komplexes und somit die
Reaktivität weiter gesteuert werden. In den Untersuchungen von Kupfer-, Zink- und Cu/ZnNanopartikeln wurde gezeigt, dass [CpCuPMe3] und [ZnCp*2] bei vergleichbaren
Reaktionsbedingungen zu Cu(0) und Zn(0) Nanopartikeln zersetzt werden, sodass ebenfalls
eine Co-Hydrolyse beider Startverbindungen möglich ist, die in der Formation von β-Cu0.5Zn0.5
30
1. Einleitung
Nanopartikeln resultiert (Schema 7).49 Dabei führt die Co-Hydrolyse bei 150 °C in Mesitylen
unter einer H2-Atmosphäre von 3 bar zu „nackten“, agglomerierten Messing-Partikeln, wird
der Reaktion vor Beginn zusätzlich Poly(2,6-dimethyl-1,4-phenylenoxid) (PPO) zugesetzt,
werden β-Cu0.5Zn0.5/PPO Kolloide in Mesitylen gebildet. Beide Synthesewege von βMessingpartikeln sind Beispiele der wenig erforschten und literaturbekannten Nanochemie
von Cu/Zn Systemen.49, 50
Schema 7. Synthese von Cu-, Zn- und β-Cu/Zn-Nanopartikeln.
1.5.1 Hochkoordinierte Zink-Übergangsmetallverbindungen: Eine neuartige
Verbindungsklasse an der Grenze von Cluster und Koordinationsverbindungen
Einen völlig neuartigen Zugang zu Übergangsmetall-Zink-Organyl Verbindungen eröffneten
die Synthesen von [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] im Jahr 2008. Die Umsetzung des Gallium-Organyl
haltigen Komplexes [Mo(GaCp*)6] mit einem Überschuss an Dimethylzink resultiert
überraschenderweise in der Formation dieses ungewöhnlich hoch koordinierten Komplexes.51
In der klassischen Koordinationschemie, basierend auf den umfassenden Untersuchungen von
Alfred Werner, ist die höchste Koordinationszahl für monodentate Liganden neun.52 Die in
31
1. Einleitung
[Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] vorliegende Koordinationszahl von 12 für das Molybdänzentrum
schließt den Komplex von der Definition einer klassische Koordinationsverbindung aus. In
welche Verbindungsklasse lässt sich [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] also einteilen? In Kapitel 1.2.4
wurde die Klasse der Zintl-Anionen beschrieben, die endohedral eingelagerte Metallatome
aufweisen können, wie beispielsweise in [Ir@Sn12]2-, was für [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] eine
ähnliche Beschreibung als [Mo@Zn12] nahelegt.53 Die Beschreibung, als eine solche
Clusterverbindung, sollte jedoch dann mit der Definition eines Clusters nach Cotton, nach der
die vorliegenden Metall-Metall Bindungen den Cluster signifikant stabilisieren, vereinbar sein.
Die quantenchemische Analyse von [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] zeigt eine komplexe elektronische
Struktur des Komplexes. 18 Elektronen (6 Valenzelektronen des Molybdäns und 12
Valenzelektronen der Zinkatome) stehen für die Mo-Zn und Zn-Zn Bindungen zur Verfügung.
Das Molekülorbitalkorrelations-Diagramm zeigt sechs elektronenteilende Bindungen,
bestehend aus den sechs Valenzelektronen des Molybdäns und sechs Elektronen aus den
(ZnCp*)12 Fragmenten, woraus ½ Elektronpaar für jeden Mo-Zn Kontakt resultiert. Zusätzlich
befinden sich drei Elektronenpaare in Orbitalen, die Zn-Zn Bindungscharakter besitzen. Bei 30
Zn-Zn Kontakten bedeutet dies lediglich je 1/10 Elektronenpaar für jeden Kontakt. Die Zn-Zn
Wechselwirkungen, die aus drei Elektronenpaaren, die über die gesamte Zinkhülle
delokalisiert sind, resultieren, können also als sehr schwach, aber vorhanden bezeichnet
werden. Damit trifft die Definition eines Clusters auf [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] nicht zu, es liegen
jedoch auch keine klassischen Donor-Akzeptor Wechselwirkungen zwischen Metallzentrum
und den Liganden vor, welche eine typische Koordinationsverbindung auszeichnet. 51 Mit
diesem zinkreichen, hochkoordinierten Übergangsmetallkomplex, wurde also der Prototyp
einer
neuen
Verbindungsklasse,
die
die
Lücke
zwischen
Koordinations-
und
Clusterverbindungen füllt, synthetisiert. Doch nicht nur die elektronische Struktur von
[Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] demonstriert das Füllen dieser Lücke, auch die strukturellen
Eigenschaften des perfekt ikosaedrisch angeordneten Komplexes unterstreicht die
außergewöhnliche Stellung. Erstmals wurde ein Übergangsmetall-Zinkkomplex dargestellt,
dessen Strukturmotiv in einer intermetallischen Festphase analog vorliegt. Die zinkreiche
binäre MoZn Phase MoZn20.44 besteht aus 20 verschiedenen Koordinationspolyedern, wobei
der des Molybdänatoms einer ikosadrischen Umgebung von 12 Zinkatomen entspricht
(Abbildung 17).26 [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3] kann somit als molekularer Ausschnitt einer
32
1. Einleitung
zinkreichen intermetallischen Hume-Rothery Phase beschrieben werden und bildet einen
vielversprechenden Ansatz für das Erschließen einer neuartigen Verbindungsklasse.
Abbildung 17. Links: Molekülsturktur von [Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3]. Rechts: Koordinationspolyeder des
Molybdänatoms in der Hume-Rothery Phase MoZn20.44. Nachdruck mit Genehmigung von T.
Cadenbach, T. Bollermann, C. Gemel, I. Fernandez, M. v. Hopffgarten, G. Frenking und R. A. Fischer,
Angew. Chem. Int. Ed., 2008, 47, 9150-9154. Copyright (2008) Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA,
Weinheim. Nachdruck mit Genehmigung von T. Nasch und W. Jeitschko, J. Solid State Chem. 1999, 143,
95-103. Copyright (1999) Academic Press.
Der
Bildungsmechanismus
von
[Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3]
beruht
auf
einem
Gallium/Zinkaustausch, der wiederum auf formal redox-chemischen Prozessen basiert,
vermutlich sind Radikal-Reaktionen involviert. Jeder der sechs Ga(I)Cp*-Liganden der
Startverbindung [Mo(GaCp*)6] agiert als Zwei-Elektronen-Donor. In der Reaktion mit
Zn(II)Me2 wird je ein Ga(I)Cp*-Ligand durch zwei Zn(I)R-Liganden (R = Me, Cp*), die je ein
Elektron donieren, ersetzt (R = Me, Cp*). Es findet also eine Reduktion von Zn(II) zu Zn(I) statt,
der zugehörige Oxidationsprozess wird mittels in situ NMR Studien, in denen Ga(III) Spezies
wie Me2GaCp* als Nebenprodukte der Reaktion beobachtet werden, aufgeklärt. 51 Das
Reaktionsschema wurde in umfassenden Studien zunächst erfolgreich auf weitere
homoleptisch GaCp* koordinierte Übergangsmetall Verbindungen übertragen und resultiert
in einer Vielzahl neuer zinkreicher Moleküle der generellen Formel [TM(ZnR)2n] (TM = n ≥ 4;
M = Mo, Ru, Rh, Ni, Pd, Pt; R = Me, Et, Cp*) (Schema 22). Quantenchemische Untersuchungen
zeigten auch in diesen Fällen tangentielle, schwache Zink-Zink Wechselwirkungen, jedoch
keine starken oder gar kovalenten. Es ist anzumerken, dass alle Komplexe dieser Art die 18
Valenzelektronenregel erfüllen.54
33
1. Einleitung
Abbildung 18. Molekülstrukturen und Koordinationspolyeder zinkreicher Komplexe. Von links:
[Mo(ZnMe)9(ZnCp*)3], [Ru(ZnMe)6(ZnCp*)4], [Rh(ZnMe)6(ZnCp*)3] und [Pd(ZnMe)4(ZnCp*)4].
Nachdruck mit Erlaubnis von M.Molon, Disseration 2014, Ruhr-Universität Bochum.
Nach diesen Erkenntnissen wurden die Untersuchung der Darstellung zinkreicher
Verbindungen auf heteroleptisch GaCp* koordinierte Übergangsmetall-Startkomplexe
ausgedehnt. Der erstaunliche Ga/Zn Austausch wird in diesen Reaktionen ebenfalls
beobachtet, allerdings lässt sich für heteroleptische Edukte kein generelles, allgemein gültiges
Reaktionsschema formulieren, da die Bildung der Produkte stark von den Co-Liganden
abhängt.55,
56
Beachtlicherweise
Übergangsmetall-GaCp*
Komplexe,
konnte,
eine
nach
Vielzahl
vorangehender
an
Synthese
metallreichen
neuer
mehrkernigen
Übergangsmetall-Zinkverbindungen dargestellt werden. So resultiert die Umsetzung von
[Pd(CNPh)2Me2] mit GaCp* in dem vierkernigen Palladiumkomplex [{Pd(CNPh)}4(µ-GaCp*)2(µGaCp*)2], welcher mit Dimethylzink zu der finalen Verbindung [{Pd(CNPh)(µ 2-ZnCp*)(µ3ZnMe)}4] reagiert (Abbildung 19).55
Abbildung 19. Darstellung von [{Pd(CNPh)}4(µ-GaCp*)2(µ-GaCp*)2] und [{Pd(CNPh)(µ2-ZnCp*)(µ3ZnMe)}4]. Nachdruck mit Genehmigung von M. Molon, K. Dilchert, C. Gemel, R. W. Seidel, J. Schaumann
und R. A. Fischer, Inorg. Chem. 2013, 52, 14275-14283. Copyright (2013) American Chemical Society.
34
1. Einleitung
1.5.2 [Zn2Cp*2] – Meilenstein der niedervalenten Zinkchemie
Im Jahr 2004 erfuhr die niedervalente Zinkchemie eine Bereicherung, der die Bezeichnung
„Meilenstein“ gerecht wird. Carmona et al. berichteten die erfolgreiche Synthese von
[Zn2Cp*2], der ersten Verbindung mit kovalenter Zn(I)-Zn(I) Wechselwirkung, die lediglich
durch zwei Cp*-Gruppen stabilisiert wird. Die neue Verbindung war das überraschende
Nebenprodukt der Reaktion von [ZnCp*2] und Diethylzink, in der als Hauptprodukt
[Cp*Zn(C2H5)] gebildet wird. In Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen kann [Zn 2Cp*2]
als alleiniges Reaktionsprodukt isoliert werden.42 Die favorisierte Oxidationsstufe der
Zinkgruppe ist +II und lange Zeit war das einzige Element dieser Gruppe Quecksilber, für das
die Oxidationsstufe +I für Verbindungen, die unter Normalbedingungen stabil sind,
beispielsweise in Hg2Cl2 (Kalomel), eine Rolle spielte. Für die anderen Elemente der
Zinkgruppe blieb, mit wenigen Ausnahmen, die invariable Oxidatiionsstufe +II. NMR
spektrospkopische Untersuchungen ließen die Existenz von Cd22+ in Cd2TpMe22 (Tp =
hydrotris(3,5-dimethylpyrazolyl)borat) vermuten, die Molekülstruktur konnte jedoch nie
aufgeklärt werden.57 Ebenso ist das Vorhandensein von Zn22+ Ionen in Zeolithmatrizes belegt,
vollständig strukturell und analytisch charakterisierte Beispiele von Cd(I) und Zn(I) haltigen
Molekülen blieben hingegen lange unerschlossen.58 Erst 1999 berichteten Apeloig et al. die
Synthese des dinuklearen σ-gebundenen Silylkomplexes [{(Me3SiMe2Si)3SiHg}2], der, sogar an
Luft, eine erstaunliche Stabilität zeigt.59 Die Lücke von niedervalenten Metallverbindungen der
Zinkgruppe schloss schlussendlich die Darstellung von [ArCdCdAr] (Ar = C6H3-2,6-(C6H3-2,6Pri2)2) im Jahr 2006 von der Gruppe um Power.60 Das größte Interesse dieser Reihe an
niedervalenten M2L2 (M = Zn, Cd, Hg; L = Ligand) zog gleichwohl unangefochten [Zn2Cp*2] nach
sich. Bereits ein Jahr nach Erscheinen des ersten Berichtes untersuchten Carmona et al. die
Bindungseigenschaften von [Zn2Cp*2]. Diese charakterisierten die Zn-Zn Bindung, mit einer
ermittelten Bindungsdissoziationsenergie von ≈ 60 kcal/mol, als realtiv stark, die an der
Bindung beteiligten Orbitale sind vornehmend die 4s Orbitale, die 4p Beteiligung ist lediglich
schwach. Zeitgleich veröffentlichte die Gruppe um Carmona einen neuen Syntheseweg für ihr
Reagenz, der [Zn2Cp*2] auf einem einfachen Syntheseweg zugänglich machte (Schema 8).
35
1. Einleitung
Schema 8. Darstellung von [Zn2Cp*2] auf dem alternativ von Carmona et al. berichteten Syntheseweg.
In Folge beschäftigte sich etwa eine handvoll Organometall-Gruppen mit der Erforschung der
Reaktivität und Chemie des ungewöhnlichen, im Rahmen dieser Arbeit als „Carmona Reagenz“
bezeichneten Moleküles, das seine vielfältige Chemie demonstrierte. Schulz und Roesky
fassten die Entwicklung in einem Übersichtsartikel zusammen, der nur acht Jahre nach der
Entdeckung von [Zn2Cp*2] bereits 25 Verbindungen mit intakter Zn(I)-Zn(I) Wechselwirkung
enthielt.61 Generell lassen sich zwei unterschiedliche Reaktionspfade von Carmonas Reagenz
unterscheiden. Zum einen reagiert [Zn2Cp*2] unter Erhalt der Zn22+ Einheit und
Ligandensubstitution mit verschiedenen Reagenzien, zum anderen können Reaktionen unter
Zn-Zn Bindungsbruch verlaufen. Beide Reaktionspfade werden anhand ausgewählter Beispiel
folgend erläutert.
1.5.2.1 Übersicht des Reaktionsverhaltens von [Zn2Cp*2]
Das Reaktionsverhalten von [Zn2Cp*2] wird in Schema 9 übersichtlich abgebildet, in den
folgenden Unterkapiteln werden die einzelnen Reaktionsprinzipien diskutiert.
36
1. Einleitung
Schema 9. Schematische Übersicht des Reaktionsverhaltens von [Zn2Cp*2]: a) Lewis-Säure-Base
Addukt Bildung mit anschließender protolytischer Zn-Cp* Bindungsspaltung. Das basenstabilisierte
Kation [Zn2(dmap)6]2+ (dmap = Dimethylaminopyridin) ist der erste kationische Komplex mit [Zn2]2+
Einheit. b) Protolytischer Zn-Cp* Bindungsbruch und und Austausch der sterisch anspruchsvollen Reste
Cp* und Mesnacnac (((2,4,6-Me3C6H2)N(Me)C)2CH)H) resultierend in [Zn2Mesnacnac2]. c)
Homolytische Zn-Zn Bindungsspaltung und Generierung von ZnCp* Fragmenten. Diese koordinieren in
GaCp*/ZnCp* Austauschprozessen an das Palladiumzentrum, wobei intermediär ungesättigte
Fragmente gebildet werden. ZnCp*-Liganden reagieren dann mit [Zn2Cp*2] unter Eliminierung von
[ZnCp*2] zu dem neuartigen {ZnZnCp*} Liganden und bilden die Komplexe
[Pd(GaCp*)2(ZnCp*)2(ZnZnCp*)2] und [Pd(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4]. d) Komplexe kompetitive
Reaktionsschritte wie Zn-Zn Bindungsspaltung und Austauschprozesse der organischen Reste Cp*, Me
und tmeda (tmeda = N,N,N‘,N‘- Tetrametyhlethylendiamin) resultieren in der Darstellung von
[Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})].
37
1. Einleitung
1.5.2.2 Reaktionen von [Zn2Cp*2] unter Erhalt des [Zn2]2+ Kernes
Der einfachste Reaktionsweg zur Erhaltung des Zn22+ Kerns, ist dessen kinetische
Stabilisierung. Die geeignete Wahl der Reste R und R‘ erlaubt den Austausch dieser unter
Erhalt der Zn2-Einheit. Die sterischen und elektronischen Eigenschaften der an die Zn2-Einheit
gebundenen Liganden können die Disproportionierung von Zn(I) zu Zn(II) und Zn(0)
verhindern. Beispiel einer solchen Reaktion ist die Umsetzung von [Zn2Cp*2] mit MesnacnacH
(((2,4,6-Me3C6H2)N(Me)C)2CH)H), die unter der protolytischen Abspaltung von Cp*H verläuft
und in der Bildung von [Zn2(Mesnacnacn)2] resultiert (Schema 10).62
Schema 10. Darstellung des [Zn2Cp*2] Derivates [Zn2(Mesnacnac)2].
Ein weiteres Beispiel für die Protonierung von [Zn2Cp*2] mit LH (L = sterisch anspruchsvoller
Ligand) ist [Zn2(H2C(PPh2NPh)2)2], gebildet aus Reaktion von [Zn2Cp*2] mit H2C(PPh2NPh)2)H.63
Neben Protonierungsreaktionen kann die Zn-Zn Wechselwirkung auch in komplexeren
Reaktionsverläufen erhalten werden. So reagiert [Zn2Cp*2] mit der Lewis Base 4Dimethylaminopyridin (dmap) zu dem Lewis-Saure-Base-Addukt [Cp*Zn-Zn(dmap)2Cp*], in
dem beide dmap Moleküle an dasselbe Zinkatom koordinieren. Die protoyltische Umsetzung
dieser Spezies mit [H(OEt2)2][Al{OC(CF3)3}4] führt erneut zu einer Eliminierung der Cp*Gruppen und Cp*H Bildung, das basenstabilisierte [Zn2]2+ Kation [Zn2(dmap)6][Al{OC(CF3)3}4]2
wird gebildet (Schema 11). In diesem ersten bekannten kationischen Komplex, mit einem von
Stickstoff basierten Donor-Liganden koordinierten Zn22+ Kern, ist die Zn-Zn Bindung (2.419(2)
Å) im Gegensatz zu [Zn2Cp*2] (2.305(3) Å) verlängert.64
38
1. Einleitung
Schema 11. Zwei-Stufen-Synthese des basenstabilisierten Dikationes [Zn2(dmap)6]2+.
Die Stabilisierung des Zn22+ Kernes mit sechs Stickstoff-Elektronendonor-Liganden lässt
vermuten,
dass
weitere
Stickstoff-
oder
Sauerstoff-Liganden
mit
ihren
freien
Elektronenpaaren an die Zn2-Einheit koordinieren können. Dieser Fragestellung ging 2010 die
Gruppe um Carmona in Reaktivitätsstudien von [Zn2Cp*2] gegenüber Aryl- und Alkylalkoholen
nach. Zunächst wurden mit den Lewis-Basen pyr-py (4-Pyrrolidinopyridin) und DBU (1,8diazabicyclo[5.4.0]undec-7-en) mit [Zn2Cp*2] die Lewis-Säure-Base Addukte [Cp*Zn-Zn(pyrpy)2Cp*] und [Cp*Zn-Zn(DBU)2Cp*] gebildet, die aufgrund ihrer Instabilität ausschließlich
NMR spektroskopisch nachgewiesen wurden. Bei Temperaturen von -25 °C sind beide AdduktMoleküle stabil genug, um in situ als Precursor für die ersten Sauerstoffdonor-stabilisierten
Zn-Zn Komplexe zu fungieren. Als Aryl- und Alkylalkohole wurden Cp*OH und ArMesOH (Mes =
Mesitylgruppe) verwendet.65 Die gebildeten Produkte sind in Schema 12 abgebildet.
Schema 12. Darstellung der Lewis Säure-Base Addukte [Cp*ZnZn(L)2Cp*] (L = pyr-py, DBU) und deren
Umsetzung mit Cp*OH und ArMesOH zu [{Cp*ZnZn(L)OCp*}2] und [Cp*ZnZn(L2)OArMes].
39
1. Einleitung
1.5.2.2. Reaktionen von [Zn2Cp*2] unter homolytischer Zn-Zn Bindungsspaltung
Eine zweite Art von Reaktionstypen, die [Zn2Cp*2] eingeht, verläuft unter homolytischer
Zn-Zn Bindungsspaltung und der Erzeugung zweier ·ZnCp* Fragmente. Dieser Reaktionsverlauf
wird vor allem für die Koordinationschemie von Carmonas Reagenz gegenüber
Übergangsmetallzentren beobachtet.38 So führt die Reaktion von [M(GaCp*)4] (M = Pd, Pt) mit
[Zn2Cp*2] zu der Bildung eines untrennbaren Produktgemisches aus dem verzerrt
oktaedrischen Komplex [M(GaCp*)2(ZnCp*)2(ZnZnCp*)2] und dem verzerrt dodekaedrischen
[M(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4] (Abbildung 20), wobei des Gleichgewicht der Reaktion stark auf Seiten
ersteren Komplexes liegt, in NMR Studien wurde ein molares Verhältnis von etwa 10:1
beobachtet. Im Folgenden wird die Reaktion von [Pd(GaCp*)4] mit [Zn2Cp*2] stellvertretend
für [M(GaCp*)4] (M = Pd. Pt) diskutiert.
Abbildung
20.
Molekülstrukturen
[Pd(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4] (rechts).
von
[Pd(GaCp*)2(ZnCp*)2(ZnZnCp*)2]
(links)
und
In beiden Molekülen ist erstaunlicherweise der neuartige ZnZnCp*-Ligand an das d10
Metallzentrum koordiniert, der ebenso wie ZnCp* als Einelektronendonor fungiert. In situ 1H
NMR Studien zeigen die Bildung von nicht koordiniertem GaCp* und [ZnCp* 2] als
Nebenprodukte der Reaktion. Der Reaktionsmechanismus beruht vermutlich auf einer Reihe
an Dissoziations- und Assoziationsschritten. Wahrscheinlich ist zunächst eine Dissoziation der
GaCp* Liganden und folgende Koordination von ZnCp* Fragmenten an die nun elektronisch
ungesättigten Palladiumzentren. Intermediäre Spezies des Typs [L aPd(ZnCp*)b] (L = GaCp*
oder ZnCp*) reagieren dann in Cp* Transferprozessen, mit einem weiteren Equivalent
40
1. Einleitung
[Zn2Cp*2] zu den ZnZnCp* Liganden, wobei [ZnCp*2] als Nebenprodukt gebildet wird. Der
Reaktionsmechanismus beinhaltet zudem eine Disproportionierung von Zn(I) in [Zn 2Cp*2] zu
Zn(II) ([Zn2Cp*2]) und Zn(0) ([Zn(0)Zn(I)Cp*]) (Schema 13).
Schema 13. Mögliche mechanistische Reaktionsschritte zur Bildung von [Pd(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4].
Zusammenfassend lassen sich aus der Synthese der ersten TM-ZnR (TM = Übergangsmetall, R
= Cp*) Verbindungen, in der Carmonas Reagenz als ZnR Quelle dient,
verschiedene
interessante Aspekte hervorheben. Zum einen stellte sich [Zn2Cp*2] erstmals als effiziente und
wertvolle Quelle für ZnR und ZnZnR Liganden, die an Übergangsmetallzentren koordiniert
werden heraus. Zum anderen zeigen die Ergebnisse, dass Gallium-Organyl haltige
Startkomplexe wie [Pd(GaCp*)4] nicht nur mit Dimethylzink GaCp*/ZnCp* Austauschprozesse
eingehen, sondern auch die Reaktion mit [Zn2Cp*2] diese hervorruft. Die beobachteten
Prozesse für zweitere Reaktionen sind jedoch weitaus komplexer in ihrem Reaktionsverlauf
und nicht voraussagbar. Erstmals konnte zudem der neuartige ZnZnCp*-Ligand mit intakter
Zn-Zn Wechselwirkung an ein Metallzentrum koordiniert werden. Dadurch kommt es zu der
Ausbildung penta-atomarer Metallketten (Cp*ZnZnPdZnZnCp*), die lediglich von zwei Cp*Gruppen an beiden Enden stabilisiert werden. Das Vorliegen solcher unstabilisierten
Metallketten ist für einige wenige Beispiele wie [Hg3(AsF6)2] oder [Hg4(AsF6)2] bekannt, findet
jedoch kaum Analogie auf molekularer Ebene.66-68 Aufgrund des untrennbaren
Produktgemisches, das eine analytische Charakterisierung nur sehr schwierig bis gar nicht
realisieren lässt, die Koordinationschemie von [Zn2Cp*2] an Übergangsmetallzentren jedoch
großes synthetisches Potential verspricht, wurden den ersten Reaktivitätsstudien folgend,
GaCp* haltige Startkomplexe durch substitutionslabile Übergangsmetallverbindungen ersetzt,
wodurch ein Zugang zu weiteren zinkreichen Molekülen eröffnet wurde. Die Reaktion des
Komplexes [Pd(tmeda)Me2] (tmeda = N, N, N‘, N‘-Tetramethyl-ethan-1,2-diamin), der bereits
41
1. Einleitung
erfolgreich für die Synthese metallreicher Moleküle wie [Pd3(InCp*)8] als Edukt verwendet
wurde, mit [Zn2Cp*2] demonstriert die reiche Koordinationschemie, jedoch auch Komplexität
dieser Reaktionstypen.69 Als Hauptprodukt dieser Reaktion werden gelbe Kristalle der
Zusammensetzung [Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})] isoliert. Neben dieser siebenfachkoordinierten Palladiumverbindung werden jedoch als Nebenprodukte in kleinen Mengen
auch [ZnCp*2], [Cp*Pd(ZnCp*)3] und der bekannte Komplex [Pd(ZnMe)4(ZnCp*)4] gefunden
(Schema
14).54
Aufgrund
der
unterschiedlichen
Löslichkeit
von
[Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda)}] im Vergleich zu den Nebenprodukten ist eine Trennung und
somit analytische Charakterisierung des Hauptproduktes möglich.
Schema 14. Reaktion von [Pd(tmeda)Me2] mit [Zn2Cp*2].
Die Bildung dreier verschiedener Produkte lässt vermuten, dass kompetitive Reaktionsschritte
einen komplexen Reaktionsverlauf bilden, der nicht eindeutig aufgeklärt werden kann.
Offensichtlich werden Zn-Cp* und Zn-Zn Bindungen heterolytisch gespalten und
Austauschprozesse der organischen Reste Cp* und CH3 sind involviert. Überraschenderweise
beinhalten diese Ligandenaustauschprozesse auch die tmeda-Gruppe, die im Reaktionsverlauf
von dem Palladiumzentrum auf eines der Zinkatome übertragen wird. Dadurch ist das
Palladiumatom in [Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})] von drei verschiedenen ZnR-Liganden (R =
Me, Cp*, tmeda) koordiniert (Abbildung 21).
42
1. Einleitung
Abbildung 21. Molekülstruktur von [Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})].
Die Koordination des Zn{tmeda}-Liganden beeinflusst nicht nur die strukturellen
Eigenschaften, sondern auch die elektronischen und bindungstheoretischen Eigenschaften
des Komplexes. [Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})] kann als siebenfach koordinierte
strukturelle Variante von [Pd(ZnMe)4(ZnCp*)4] betrachtet werden, in dem zwei ZnMeLiganden als Einelektronen-Donoren durch einen Zn{tmeda}-Liganden substituiert werden.
Dieser
müsste
somit
als
Zweielektronen-Donor
agieren,
damit
[Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})] die 18 Valenzelektronenregel erfüllt, für die in Bezug auf
zinkreiche Übergangsmetallkomplexe noch keine Ausnahme beobachtet wurde. Konsequenz
daraus ist die Betrachtung des Zinkatoms in dem Zn{tmeda}-Ligand als formales Zn(0), die
auch von quantenchemischen Kalkulationen unterstützt wird.70 Die Isolierung des zinkreichen
Komplexes
[Pd(ZnMe)2(ZnCp*)4(Zn{tmeda})]
demonstriert
die
vielfältige
Koordinationschemie von [Zn2Cp*2] die besonders bei Betrachtung und Analyse der
komplexen Reaktionspfade Fragen aufwirft, die auf der anderen Seite aber auch die Tür für
die Synthese und Untersuchung weiterer zinkreicher Systeme aufstößt und den Status von
[Zn2Cp*2] als effiziente Quelle für Zn(I)-Organyl Liganden hervorhebt. Für das
Reaktivitätsverhalten von [Zn2Cp*2] gegenüber Übergangsmetallzentren lassen sich die
folgenden Prinzipien festhalten: [Zn2Cp*2] kann a) Cp*-Gruppen auf andere Metallzentren
transferieren; b) Austauschprozesse mit anderen organischen Resten eingehen; c) durch
homolytische Zn-Zn Bindungsspaltung ZnCp* Fragmente generieren, die an TM-Zentren
koordiniert werden. Diese können weitere Reaktionen eingehen, z.B. mit einem weiteren
43
1. Einleitung
Equivalent [Zn2Cp*2] unter Eliminierung von [ZnCp*2] den neuartigen {ZnZnCp*} Liganden
bilden; d) durch Disproportionierung in [Zn2Cp*] und Zn(0) Zinkatome in der formalen
Oxidationsstufe 0 zur Verfügung stellen, die als Zinkbausteine für zinkreiche Moleküle dienen
können.
44
2. Motivation
2. Motivation
Die Chemie der Metalle ist aufgrund ihres häufigen Vorkommes (über 80 % der natürlich
vorkommenden Elemente sind Metalle oder Halbmetalle) und ihrer Vielfalt für ein breites
Spektrum, von dem alltäglichen Leben, bis zu der fundamentalen Grundlagenforschung, von
hohem Interesse. Die Spanne an unterschiedlichsten strukturellen, bindungstheoretischen
und physikalischen Eigenschaften der einzelnen Metalle ist bereits außerordentlich hoch, zu
binären, tertiären oder Mehrkomponentensystemen in intermetallischen Festphasen vereint,
eröffnet sich die Möglichkeit, von einer nahezu unendlichen Anzahl an elementaren und
strukturellen Zusammensetzung. Dadurch variierbare Eigenschaften wie Härte, elektrische
Leitfähigkeit oder Korrosionsbeständigkeit machen Legierungen, wie ihre bekanntesten
Beispiele
Stahl,
Messing
oder
Bronze,
zu
essentiellen
Münz-,
Schmuck
oder
Konstruktionsmaterialien, aber auch modernen Funktionsmaterialien.3 Die breite alltägliche
Verwendung metallischer Materialien geht Hand in Hand mit ihrer detaillierten Erforschung,
die insbesondere auf molekularer Ebene erstrebenswert ist, um die Eigenschaften von MetallMetall Bindungen auf kleinster Ebene analysieren und zu verstehen. Zwischen den weit
erforschten und gut verstandenen Prinzipien intermetallischer Festphasen und deren raren
molekularen Analoga, liegt wissenschaftlich jedoch eine weite Kluft. Dies liegt, wie in der
Einleitung
beschrieben,
intermetallischer
an
Komplexe.
der
komplexen
Effektive
„Bottom-up“
Bausteine,
in
Form
Synthese
von
molekularer
metallhaltigen
Startverbindungen, für die Synthese metallreicher Moleküle zu determinieren, stellt bei der
Komplexität
der
organometallchemischen
Forschung
eine
hohe
synthetische
Herausforderung dar. Existieren für die Darstellung von intermetallischen Festphasen
etablierte
Verfahren
und
Syntheserouten,
aus
denen
Phasen
gewünschter
Zusammensetzungen resultieren, so sind Reaktionen auf molekularer Ebene weitaus
komplexer und selten vorhersehbar. Faktoren wie die Oxidationsstufe eines zentralen,
komplexierten Metallatoms, Co-Liganden, die spezifische sterische und elektronische
Eigenschaften aufweisen, welche sich auf die Eigenschaften des gesamten Komplexes
auswirken, aber auch Reaktionsbedingungen wie verwendete Lösungsmittel, Temperaturen
und Reaktionszeiten beeinflussen den Reaktionsverlauf und die Produktbildung entscheidend.
Aufgrund der aufgezählten Faktoren sind die Reaktionsmechanismen oftmals komplex und
kompetetiv, was einerseits in teilweise schwer nachvollziehbaren Reaktionspfaden resultiert,
45
2. Motivation
andererseits die Grundlage neuartiger und ungewöhnlicher Komplexe ist. Ziel dieser Arbeit
war es, molekulare Bausteine, aus denen neuartige metallreiche Verbindungen dargestellt
werden können, zu evaluieren und anhand der gebildeten Komplexe reaktionsmechanistische
und strukturelle Gemeinsamkeiten zu untersuchen, aus denen Konzepte der Synthese solcher
Systeme abgeleitet werden können, um die Kluft zwischen dem Verständnis intermetallischer
Phasen und entsprechender molekularer Verwandten ein kleines Stück zu verkleinern.
46
3. Zusammenfassung
3. Zusammenfassung
Lehr- und Fachbücher lehren und diskutieren Konzepte, die etabliert sind und an denen ein
großes wissenschaftliches Interesse besteht. Diese Konzepte müssen nicht unangefochten
sein, das Beispiel der Aromatizität (Kapitel 4.2.1) zeigt, dass sie zum Teil, selbst nach vielen
Jahren, durch immer neue Erkenntnisse, kontrovers diskutiert werden.
Zwei übergeordnete Forschungsthemen, die für diese Arbeit von entscheidender Relevanz
sind, sind „Metalle“ und „intermetallische Phasen“, beide sind vielfältig nachschlagbar. So ist
für die strukturelle Anordnung von Metallatomen bekannt, eine dichteste Kugelpackung zu
bilden. Fast alle Metalle kristallisieren in den Strukturtypen der kubisch innenzentrierten
Packung (bcc, z.B. Alkalimetalle, Cr, Mo, W), der hexagonal dichtesten Kugelpackung (hcp, z.B.
Zn und Cd) oder der kubisch dichtesten Kugelpackung (fcc, z.B. Ni, Pd, Pt, Cu, Ag, Au). Ebenso
wie ein tiefes Verständnis der Metalle und ihrer Eigenschaften ist hinreichend bekannt, unter
welchen Bedingungen und in welchen Verfahren sich Metalle zu binären, tertiären oder
Mehrkomponentensystemen zusammenschmelzen lassen, wie es in der Einleitung dieser
Arbeit erläutert ist.
Fachliteratur stößt an dem Punkt an seine Grenzen, an dem die fundamentale
Grundlagenforschung jeden Tag im Labor anschließt. Die Untersuchung neuartiger Systeme,
die keinen Vergleich finden und weitere Erforschung erfordern, um verglichen werden zu
können. Wie knüpft man Bindungen, wie eine Kupfer-Zink Bindung auf molekularer Ebene, die
bislang nicht existieren? Was begründet die Entscheidung, bei einer erstmaligen Reaktion von
zwei, oder 24 Stunden Rührzeit? Wann ist es lohnenswert, einen dunkelbraunen
Reaktionsrückstand aufzuarbeiten, wann ihn zu verwefen? Findet man in der Literatur
vielleicht den einen oder anderen Hinweis zur Beantwortung dieser Fragen, bleibt es allein der
synthetische Anspruch, aus einem enormen Reichtum an Optionen die richtigen Bausteine in
Form von Startverbindungen zu finden und deren Reaktivität einanander gegenüber unter
verschiedenen Bedingungen auszumachen. Ebensolche Untersuchungen der letzten drei Jahre
haben in der Darstellung der Verbindungen 1-8 (Abbildung 22 und Abbildung 23) resultiert.
Die umfassende Charakterisierung dieser, durch komplementäre analytische und
quantenchemische Methoden lässt sie zu Konzepten vereinen.
47
3. Zusammenfassung
Strukturell fällt auf, dass, mit Ausnahme von 1, alle geometrischen Anordnungen der
Komplexe (3, 4, 5, 6a/6b) oder ihrer metallhaltigen Kationen (2, 7, 8) durch einzelne Dreiecke
und deren Verknüpfung beschrieben werden. Sofern drei Atome nicht linear angeordnet sind,
ist die einzige strukturelle Möglichkeit eine trigonale Anordnung, wie sie in den σaromatischen Dreiringen [Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) nahezu perfekt vorliegt
(Kapitel 4.2). Diese geometrische Anordnung kann eingenommen werden, da [Zn2Cp*2] unter
Erhalt der Zn-Zn Wechselwirkung (quantenchemische Analyse) an die ungesättigten
Fragmente [ZnCp*]+ und CuCp* koordiniert.
Das Reaktionsprinzip wurde auf ungesättigte Übergangsmetallfragmente übertragen und
resultiert auch in [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) in trigonalen {Zn2Pd} Einheiten (Kapitel 4.3). Auch
wenn quantenchemische Rechnungen im zeitlichen Rahmen nicht möglich waren, lassen
kurze Zn-Zn Bindungsabstände (2.595(2) und 2.609(2) Å) zusammen mit einer verzerrten
oktaedrischen Anordnung und Haptizitäten der Cp*-Liganden von η2 - η4 auf Zn···Zn
Wechselwirkungen schließen. Somit zeigen 2,3 und 4 nicht nur gemeinsame strukturelle
Bausteine, sondern auch vergleichbare Reaktionsprinzipien. Diese demonstrieren eine
Analogie zwischen [Zn2Cp*2] und H2, das mit ungesättigten Metallfragmenten DiwasserstoffKomplexe bildet.
Dieser Analogie schließt sich der Metallreiche Cluster [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3]
(5) an, indem ein elektronenreiches Ligandensystem sowie sterische Einflüsse einen Zn-Zn
Bindungsbruch hervorrufen (Kapitel 4.3). Dieser führt zu der Koordination Palladiumverbrückender ZnCp*-Liganden, die somit in den {Pd2Zn} Einheiten erneut das trigonale
Strukturmotiv aufgreifen. Auch die Ausbildung einer pseudo-hexagonalen Ebene aus drei Zinkund zwei Palladium-Atomen um ein Palladiumzentrum, wird von Dreiecksflächen beschrieben.
Der Metallkern in [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] / [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6a/6b) bildet einen
inneren [Cu4] Tetraeder und einen äußeren [Zn4] Tetraeder, resultierend in der Struktur eines
tetraedrischen Sterns (Kapitel 4.4). Dieser ist invers aus einer γ-Phase des Messings bekannt.
Die Synthese von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) hat gezeigt, dass Kupfer und Zink molekulare Bindungen
eingehen. Analog zu dem rein zinkhaltigen [Zn3Cp*3]+ (2) und dem gemischtmetallischen
[Zn2Cp*2CuCp*] (3), sind die Bauteile des tetraedrischen Sterns in 6a/6b, {Cu3} und {Cu2Zn}
Einheiten, die bindene Interaktionen eingehen.
48
3. Zusammenfassung
Die Kristallstruktur von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) zeigt für zwei der GaCp*-Liganden
eine verbrückende Position und somit eine trigonale {Zn 2Ga} Einheit, deren geometrische
Anordnung im Kristall, vermutlich durch Packungseffekte, die stabilste Struktur zu sein scheint
(Kapitel 4.5). In Lösung nehmen dagegen alle Liganden terminale Positionen ein. Mögliche
Auswirkungen von Packungseffekten auf die strukturelle Anordnung des intermetalloiden
Kations spannen den gedanklichen Bogen zwischen Metallen und metallreichen Molekülen.
Ein solcher Packungseffekt wird in [Zn2Ga6(Cp*)2][BAr4F]2 (8[BAr4F]2], dessen Kation ein
strukturelles Isomer von Kation 7 darstellt, nicht beobachtet (Kapitel 4.5). Jedoch sind die
beiden zentralen Metallatome tetraedrisch koordiniert, sodass auch hier trigonale Flächen zu
finden sind, die den strukturellen „roten Faden“ der dargestellten metallreichen Moleküle
bilden.
49
3. Zusammenfassung
Abbildung 22. Übersicht der dargestellten Verbindungen oder ihrer Kationen: 1 (oben rechts), 2 (oben
rechts), 3 (unten links), 4 (unten rechts).
50
3. Zusammenfassung
Abbildung 23. Übersicht der dargestellten Verbindungen oder ihrer Kationen: 5 (rechts oben), 6a
(rechts oben), 7 (lnks unten), 8 (rechts unten).
51
3. Zusammenfassung
Tabelle 5. Auflistung der dargestellten Verbindungen.
Verbindung
Klassifikation
Kapitel
[Zn4Cp*3(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F])
Kationischer, niedervalenter ZinkTrippeldecker-Komplex
4.1
[Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F])
σ-aromatischer Zink-Dreiring, „side-on“
koordiniertes [Zn2Cp*2]
4.2
[Zn2Cp*2CuCp*] (3)
σ-aromatischer Cu/Zn-Dreiring, „side-on“
koordiniertes [Zn2Cp*2]
4.2
[Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4)
Zink-Zink Wechselwirkungen an
Palladiumzentren, [Zn2Cp*2] – H2 Analogie
4.3
[Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µZnCp*)3] (5)
Zink-Zink Wechselwirkungen an
Palladiumzentren, [Zn2Cp*2] – H2 Analogie
4.3
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] /
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6a/6b)
Molekulares Messing
4.4
[Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2)
Metalloide Stabilisierung des [Zn2]2+ Kernes,
Dispersionswechselwirkungen
4.5
[Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2 (8[BAr4F]2)
Metalloide Stabilisierung des [Zn2]2+ Kernes,
Problematik der Besetzung von Ga/Zn
Positionen.
4.5
52
4. Ergebnisse und Diskussion
4. Ergebnisse und Diskussion
4.1 Reaktivität von
Bindungsspaltung1
[Zn2Cp*2]
–
Protolytische
Zn-Cp*
Die Reaktionsprinzipien, die [Zn2Cp*2] eingeht wurden bereits eingehend in der Einleitung
erläutert. Insbesondere die Synthese des ersten kationischen Komplexes, [Zn2(dmap)6]2+ der
basenstabilisiert ist und die [Zn2]2+ Einheit enthält, lenkt den Fokus auf die Synthese weiterer
kationischer, niedervalenter Zinkkomplexe.64 Protolytische Zn-Cp* Bindungsspaltung wurde
nicht nur in der Synthese von [Zn2(dmap)6]2+ demonstriert, sondern auch von Braun et al. für
[Zn2Cp*3][BAr4F] berichtet.71 Dieser Trippeldecker-Komplex resultiert aus der Umsetzung von
[ZnCp*2] mit dem Brookharts Säure [H(Et2O)2][BAr4F]. In den folgenden Unterkapiteln wird die
Synthese
und
Charakterisierung
des
niedervalenten
Trippeldecker-Komplexes
[Zn4Cp*3(Et2O)2][BAr4F] (1), der zwei intakte Zn2-Einheiten aufweist, beschrieben. Verbindung
1 ist somit ein weiteres Beispiel der Verwendung der Pentamethylcyclopentadienyl-Gruppe
als reaktive, abspaltbare Schutzgruppe. Die Anwesenheit von [H(Et2O)2][BAr4F] bewirkt eine
protolytische Spaltung der Zn-Cp* Bindung, Cp*H wird unter Bildung von 1 eliminiert.
4.1.1 Darstellung von [Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F])
Die Umsetzung von [H(Et2O)2][BAr4F] mit zwei Equivalenten [Zn2Cp*2] in Fluorbenzol bei
-25 °C führt zu der Bildung des neuen kationischen Zink-Trippeldeckerkomplexes
[Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F]) (Schema 15). Fällen des Produktes mit n-Hexan führt zu dem
Ausfall von Verbindung 1[BAr4F] als weißer, pulvriger Feststoff in Ausbeuten von ~ 70 %.
Farblose Einkristalle von 1[BAr4F] · 2C6H5F werden durch langsames Diffundieren von n-Hexan
in die gesättigte Fluorbenzollösung bei -30 °C erhalten. Die isolierten Kristalle von Verbindung
1[BAr4F] sind unter einer Inertgasatmosphäre bei -30 °C für mehrere Wochen stabil, zersetzen
sich jedoch innerhalb weniger Stunden bei Raumtemperatur. [Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F] ist in
polaren Lösungsmitteln wie Fluorbenzol und Dichlormethan gut löslich, jedoch auch in Lösung
bei Raumtemperatur instabil. Die Zersetzung in Lösung ist durch Metallausfall innerhalb
weniger Minuten sichtbar.
1
K. Freitag, H. Banh, G. Chelladurai, C. Gemel, R. W. Seidel, R. A. Fischer, Dalton Trans. 2013, 42, 10540.
53
4. Ergebnisse und Diskussion
Schema 15. Darstellung des [Cp*3Zn4(Et2O)2]+ (1) Kations.
4.1.2
Spektroskopische
und
F
[Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4 ] (1[BAr4F])
strukturelle
Charakterisierung
von
Verbindung 1[BAr4F] wurde mittels 1H NMR Spektrometrie, IR Spektroskopie und Liquid
Injection Field Desorption Ionization (LIFDI) Massenspektrometrie analytisch charakterisiert.
Das 1H NMR Spektrum zeigt die erwarteten Signale für das [BAr4F]- Anion δ = 7.57 25 (s, 4H)
and 7.73 (s, 8H) ppm) sowie ein zusätzliches Signal der Cp* Liganden bei der chemischen
Verschiebung von δ = 2.06 (s, 45H) ppm. Ebenso ist wie erwartet im 19F NMR Spektrum das
Signal der CF3-Gruppen des Anions sichtbar (δ = 62.9 ppm). Die Aufnahme eines
13C
NMR
Spektrums war aufgrund der raschen Zersetzung von Komplex 1[BAr4F] in Lösung bei
Raumtemperatur nicht möglich. Auch ein Tieftemperatur
13C
NMR Spektrum konnte nicht
erfolgreich aufgenommen werden, da [Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F]) bei Temperaturen
unter -30 °C aus der NMR Lösung auskristallisiert. Die Absorptionsbanden der Cp*-Liganden
sind im FTIR Spektrum bei 2955, 2887 und 2844 cm-1 zu sehen, zusätzlich können die C-F
Schwingungen des [BAr4F]- Anions bei einer Wellenzahl von 1260 cm-1 ausgemacht werden.
Das LIFDI MS Spektrum zeigt Signale bei m/z = 668, was die Abspaltung der zwei koordinierten
Diethylethermoleküle zeigt, sowie zwei weitere Signale bei m/z = 603 und 539, die je den
Verlust eines Zinkatomes indizieren.
Verbindung 1[BAr4F] · 2C6H5F kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/C mit vier
Molekülen in der Einheitszelle. Während Zn1 und Zn4 jeweils mit einer Haptizität von η5 an
die terminalen Cp* Ring gebunden sind, sind Zn2 und Zn3 lediglich im η 3 Bindungsmodus
54
4. Ergebnisse und Diskussion
koordiniert. Daraus resultiert eine abgewinkelte geometrische Koordination für das gesamte
Molekül (Abbildung 24). Der verbrückende Cp* Ligand sowie terminal an Zn1 gebundene Ring
sind je über zwei Seiten fehlgeordnet.
Abbildung 24. Molekülstruktur des Kations [Zn4Cp*3(Et2O)2]+ (1) im Kristall 1[BAr4F] ·2C6H5F.
Thermische Ellipsoide werden mit 30 % Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome und
Fehlordnung der Cp* Ringe sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht abgebildet. Ausgewählte
Bindungslängen (Å) und Winkel (°): Zn1-Zn2 2.310(1), Zn3-Zn4 2.307(1), Zn2-O2 2.204(4), Zn3-O1
2.234(4), Zn2-C31 2.442(3), Zn2-C32 2.256(4), Zn2-C33 2.402(3), Zn3-C33 2.572(3), Zn3-C43 2.316(4),
Zn3-C35 2.412(4), Zn1-Cp*centroid 1.935, Zn4-Cp*centroid 1.899; Cp*centroid-Zn1-Zn2 165.86, Cp*centroid-Zn3Zn4 170.92. Kristallographische Daten: a = 14.6497(2) Å, b = 14.8155(2) Å, c = 18.8823(3) Å, α =
75.670(10) °, β = 69.094(2) °, γ = 87.907(10) °, V = 2703.27(10) Å3, Rint = 0.0575, Goof = 1.016, R1 [I>2σ(I)]
= 0.0583, wR2 (alle Daten) = 0.1740, CCDC 928866. Die vollständigen Daten, sowie die Packung von
1[BAr4F] in der Elementarzelle sind in Kapitel 6 zu finden.
Die Zn-Zn Abstände sind mit Bindungslängen von 2.310(1) Å (Zn1-Zn2) und 2.307(1) Å nahezu
identisch und sehr gut mit der für [Zn2Cp*2] (2.305 Å) und vergleichbaren [Zn2R2]
Verbindungen wie [Zn2TpMe2] (Tp = tris(3,5-dimethylpyrazolyl)hydridoborate) gefundenen
Distanzen vergleichbar.42, 72 Die Zn-Cp*centroid Bindungslängen der terminalen Liganden (Zn1Cp*centroid 1.93 Å, Zn4-Cp*centroid 1.89 Å) sind im Vergleich zur Startverbindung [Zn2Cp*2] (2.04
Å) leicht verkürzt, im Vergleich zu dem bekannten [Cp*3Zn2]+ Trippeldecker (1.828 und 1.830
Å) jedoch geringfügig verlängert.42, 71 Die Zn2-CCp* und Zn3-CCp* Bindungslängen in Verbindung
55
4. Ergebnisse und Diskussion
1 variieren stark zwischen 2.256(3)-2.451(3) Å, hervorgerufen durch die η3 Koordination der
Zinkatome an den Cp* Ring. Das gleiche kann für das [Cp*3Zn2]+ Kation von Braun et al.
beobachtet werden, indem ein η1 Bindungsmodus zwischen dem verbrückenden Cp*
Liganden und den Zinkatomen beobachtet werden kann und die Zn-CCp* Abstände in dem
Bereich von 2.049(3)-2.396(3) Å liegen.71 Beide Zn-OEt2 Bindungen (Zn2-O2 2.204(4) Å, Zn3O1 2.234(4) Å) in Komplex 1 sind gegenüber literaturbekannten Zn-OEt2 Bindungslängen, die
zwischen 1.997 Å und 2.163 Å liegen, verlängert, was eine schwache Zn-OEt2 Wechselwirkung
indiziert.73,
74
Die Zn-Zn-Cp*centroid Winkel zeigen mit Werten von 165.86(4) ° (Zn2-Zn1-
Cp*centroid) und 170.92(4) ° (Zn3-Zn4-Cp*centroid) eine signifikante Abweichung von einer
linearen Anordnung, was vermutlich auf sterischen Faktoren begründet ist. Vergleichbare
Komplexe, die Donor-Liganden an einem der Zinkatome der {ZnZnCp*} Einheit aufweisen
zeigen
ähnlich
gewinkelte
Zn-Zn-Cp*centorid
Anordnungen.
Beispiel
hierfür
sind
[Zn2Cp*(OArMes)(pyr-py)2] (175.6°) oder [Zn2Cp*(μ-OC5Me5)(pyr-py)]2 (167.2°).65
4.1.3 Zusammenfassung
Die Zn-Cp* Bindung in [Zn2Cp*2] lässt sich unter protolytischen Reaktionsbedingungen
spalten, wobei unter Cp*H Eliminierung der kationische Zink-Trippeldeckerkomplex
[Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F]) gebildet wird, welches die zweite literaturbekannte
niedervalente kationische Zinkverbindung ist. Das Ergebnis schließt sich dabei an eine Reihe
von Untersuchungen, die die flexiblen Eigenschaften des Cp*-Liganden als reaktive
Schutzgruppe, die unter milden Bedingungen entfernt werden kann, herausstellten, an.
[Cp*3Zn4(Et2O)2][BAr4F]
ist
für
zukünftige
Synthesen
von
Übergangsmetall-
Organozinkverbindungen eine potentielle Quelle des {ZnZnCp*} Fragmentes. Die in Kapitel 4.1
vorgestellten Untersuchungen sind Teil der Publikation „Cp* as Removable Protecting Group:
Low Valent Zn(I) Compounds by Reductive Elimination, Protolytic and Oxidative Cleavage of
Zn-Cp*“ (K. Freitag, H. Banh, C. Ganesamoorthy, C. Gemel, R. W. Seidel, R. A. Fischer, Dalton
Trans. 2013, 42, 10540). Im Rahmen dieser gemeinsamen Publikation wurden im Zuge der
Masterarbeit von M. Sc. Hung Banh und dem Postdoc Projekt von Dr. Chelladurai
Ganesamoorthy weitere Untersuchungen zu dem Cp* Ligand als labile Schutzgruppe gemacht.
Resultat dieser Untersuchungen ist, dass die Zn-Cp* in [Zn2Cp*2] Bindung ebenfalls durch
oxidative Entfernung des Cp*-Ringes gebrochen werden kann, wobei der kationische
56
4. Ergebnisse und Diskussion
Halbsandwichkomplex [Cp*ZnZn(Et2O)3]+ gebildet wird.
Zuletzt etablierten die in der
Publikation diskutierten Reaktivitätsstudien einen neuen Zugang zu [Zn 2Cp*2], der in hohen
Ausbeuten von ~ 60 % reproduzierbar ist. Die Reaktionen und Ergebnisse der
gemeinschaftlichen Veröffentlichung sind in Schema 16 zusammengefasst.
Schema 16. Darstellung der niedervalenten Zinkkationen [Cp*3Zn4(Et2O)2]+ (1) und [Cp*ZnZn(Et2O)3]+,
sowie neuer Zugang zu dem Zinkdimer [Zn2Cp*2].75
4.2 Die σ-aromatischen Komplexe [Zn3Cp*3][BAr4F] (2) und
[Zn2Cp*2CuCp*] (3)
4.2.1 Aromatizität
Seit Einführung des Konzepts der Aromatizität von August Kekulé im Jahr 1865 ist dieses,
zu einem der am meisten untersuchten, aber auch diskutierten Konzepte geworden.76 Dieses
Interesse führt bis heute zu einer Anzahl an über 300 000 Publikationen, die sich mit
Aromatizität befassen. Gleich zu Beginn dieses Kapitels ist anzumerken, dass Aromatizität ein
virtuelles Charakteristikum ist, das quantitativ nicht direkt messbar ist. Aromatizität wird
indirekt auf der Basis von strukturellen, magnetischen, energetischen oder spektroskopischen
Kriterien evaluiert. Mit der stetigen Entwicklung quantenchemischer Analysemethoden,
spielen auch diese eine zunehmende Rolle für die Charakterisierung aromatischer Systeme.
Die indirekten Messverfahren bilden die Grundlage der kontroversen Diskussion, die auf der
Wahl
von
geeigneten
Referenzssystemen
und
widersprüchlichen
Ergebnissen
unterschiedlicher Verfahren bei denselben Systemen begündet ist. Ursprünglich wurde das
Konzept der Aromatizität für konjugierte, zyklische Systeme, die eine außergewöhnliche
57
4. Ergebnisse und Diskussion
Stabilität aufweisen, verwendet. Dabei galt die von Erich Hückel aufgestellte Hückel-Regel,
dass Systeme mit (4n+2) π-Elektronen aromatisch sind, Systeme mit 4n π-Elektronen hingegen
antiaromatische Eigenschaften aufweisen.77 In den letzten Dekaden wurde das Konzept
jedoch auf eine hoch diverse Anzahl heterozyklischer Verbindungen erweitert. Für die
Beschreibung
aromatischer
Systeme
haben
sich
vier
verschiedene
Kriterien
herauskristallisiert. Diese sind 1) Strukturelle Kriterien, die die Alteration von Bindungslängen
in aromatischen Systemen beschreiben. Einheitliche Bindungslängen einer Verbindung
können jedoch nicht als einziges Kriterium für Aromatizität verwendet werden, da Systeme
mit gleichen Bindungslängen existieren, die nicht aromatisch sind. Dies ist beispielsweise der
Fall in Borazin, welches isoelektronisch zu Benzol ist, ebenfalls sechs π-Elektronen besitzt,
diese sind jedoch hauptsächlich an den Stickstoffatomen lokalisiert, woraus eine lediglich sehr
schwache Aromatizität resultiert. 2) Energetische Kriterien, die die Resonanzenergien (RE)
eines Moleküls und die aromatische Stabilisierungsenergie (ASE) umfassen. Die publizierten
energetischen Abschätzungen variieren teilweise stark, je nach Verwendung von Gleichungen
und Referenzmolekülen. So sind für Benzol für die RE Werte zwischen -36 und -50 kcal/mol zu
finden. 3) Reaktivitäts Kriterien, wie das Eingehen von charakteristischen Reaktionsprinzipien
z.B. elektrophile aromatische Substitution, wurden lange Zeit als ein wichtiges Kriterium
aromatischer Systeme betrachtet. Die mitterweile große Anzahl an Ausnahmen des
Reaktionsverhaltens schwächt die Bedeutung dieses Kriteriums deutlich. 4) Magnetische
Kriterien, die experimentell an 1H NMR Verschiebungen gemessen werden können. Durch das
Anlegen eines externen Magnetfeldes an ein aromatisches Molekül wird durch die Migration
delokalisierter π-Elektronen ein zweites Feld induziert. Dies hat zur Folge, dass Protonen, die
außerhalb des aromatischen Ringes lokalisiert sind, entschirmt werden, da beide
magnetischen Felder in dieselbe Richtung gerichtet sind. Die Protonen im Inneren des
aromatischen Ringes sind dagegen abgeschirmt, da die magnetischen Felder sich hier
entgegen wirken. So sind die äußeren Ringprotonen des Annulens Tieffeld-verschoben (δ =
9.28 ppm) wohingegen die abgeschirtmen inneren Ringprotonen Hochfeld-verschoben sind (δ
= -2.99 ppm).77-79 Die unpräzise Beschreibung des Aromatizitätskonzept hat das Interesse an
einer simplen und effizienten Methode für eine quantitative Definition geweckt. In Folge
wurden verschiedene theoretische Techniken entwickelt, zu denen die Berechnung von
Ringstromdichte-Karten, die aromatische Ringstromabschirmung (ARCS = aromatic ring
current shielding), und die Kern-unabhängige chemische Verschiebung (NICS = nucleus
58
4. Ergebnisse und Diskussion
independent chemical shift) oder Berechnung der Resonanzenergie (RE) gehören. Aus allen
Methoden hat sich NICS seit dem ersten Bericht von Schleyer et al. 1996 als einfachste und
effektivste Probe für Aromatizität ergeben.78, 80, 81
4.2.1.1 NICS
Die Entwicklung der NICS Methode ging aus den Ringstromeffekten von Li+ NMR
Verschiebungen, sowie dem NMR spektroskopischen Verhalten von verbrückenden
Wasserstoffatomen über aromatischen Ringen und innerhalb großer Annulene hervor. Die
Idee, die absolute Abschirmung eines virtuellen Kerns zu berechnen, um ein System auf
Aromatizität zu testen, entstand. Berechnete NICS Werte sind revers zu familiären NMR
Verschiebungskonventionen. Negative NICS Verschiebungen demonstrieren Aromatizität,
antiaromatische Systeme weisen positive NICS Verschiebungen auf und eine NICS
Verschiebung von 0 wird einem nicht aromatischen System zugewiesen. Typischerweise wird
NICS in dem Zentrum eines aromatischen Ringes, an verschiedenen Punkten oberhalb des
Ringes, oder als Gitterplot berechnet (Abbildung 25). Die Vorteile dieser Methode sind 1) Es
werden keine Referenzsysteme benötigt 2) NICS ist nicht von der Ringgröße abhängig 3) Gute
Korrelation mit anderen energetischen oder magnetischen Kriterien und 4) Die
quantenchemische Berechnung ist simpel und mit Standardprogrammen durchführbar.
Abbildung 25. Links: NICS Werte im und oberhalb des Ringzentrums von Benzol. Die roten Punkte
zeigen diatropischen (aromatischen) Charakter, die Größe der Punkte entspricht der Größenordnung
der NICS Werte. Rechts: NICS Gitterplot von Benzene (oben) und Cyclobutadien (unten). Rote Punkte
zeigen diatropischen (aromatischen), grüne Punkte paratropischen (antiaromatischen) Ringstrom.
Nachdruck mit Genehmigung von Z. Chen, C. S. Wannere, C. Corminboeuf, R. Puchta und P. v. R.
Schleyer, Chem. Rev. 2005, 105, 3842-3888. Copyright (2005) American Chemical Society.
59
4. Ergebnisse und Diskussion
Die Verwendung von NICS Rechnungen zur Bestimmung von Aromatizität sind nicht auf
zyklische Systeme beschränkt, sondern werden auch bei der Untersuchung von
Übergangsmetallkomplexen, drei-dimensionalen Clustern etc. angewendet. Die Limitierung
der Methode liegt besonders darin, dass NICS ein lokaler und kein globaler Index für
Aromatizität ist. In polyzyklischen Systemen werden die einzelnen Ringe und nicht die GesamtAromatizität eines Moleküles bestimmt.78, 81
4.2.1.2 σ-Aromatizität
σ-Aromatizität wurde erstmals von Michael J. S. Dewar im Jahr 1979 vorausgesagt.82 Diese
Aussage resultierte aus Untersuchungen der anormalen energetischen und magnetischen
Eigenschaften von Cyclopropan. Das Molekül besitzt eine extreme Ringspannung und reagiert
chemisch wie Doppelbindungen in Olefinen. Es geht Interaktionen mit benachbarten
Doppelbindungen sowie Cycloadditionen ein und bildet Metallkomplexe. Um den Unterschied
der Ringspannung von Cyclopropan und Cyclobutan zu begründen, schlug Dewar eine
Erweiterung der Hückel-Regel vor, nach der 4n+2 Gerüstelektronen von σ-Aromatizität
stabilisiert werden und im Umkehrschluss 4n Gerüstelektronen σ-antiaromatisch sind.82, 83
Während umfassende Studien zur σ-Aromatizität von Cyclopropan bis heute keine Aufklärung
liefern und widersprüchliche Ergebnisse berichtet werden, wurde das Konzept der σAromatizität auf weitere Dreiringe, sowie Systeme mit sp-Hauptgruppen Elementen und sogar
d-Block Elementen erweitert, und gilt heute als etabliert und anerkannt.79,
80, 84
In σ-
aromatischen Verbindungen tragen lediglich s-Atomorbitale zu den Bindungen bei, die σBindungen bilden und charakteristische aromatische Kriterien werden erfüllen. Beispiel einer
solchen Verbindung ist [H3]+, das 4n+2 Gerüstelektronen aufweist. Unter Hinzuziehen von
berechneten Ringstromdichte-Karten, die eindeutig einen diatropischen Ringstrom zeigen
und somit das magnetische Kriterium für Aromatizität erfüllen, und NICS Berechnungen, die
einen stark negativen Wert von NICS(0) = -33.6 ppm ermittlen, kann das [H3]+ Kation als σaromatisch bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu, ist die Analyse des schwereren
Gruppenhomologes [Li3]+ kontorvers. Elektronenzählen und ein NICS(0) von -11.2 ppm lassen
auf σ-Aromatizität schließen, die Berechnung von Ringstromdichte-Karten zeigt jedoch keinen
globalen Strom (Abbildung 26), sodass unter dem magnetischen Kriterium σ-Aromatizität
nicht bestätigt werden kann.85
60
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 26. Ringstromdichte-Karten von [H3]+ (links) und [Li3]+ (rechts). Nachdruck mit Genehmigung
von R. W. A. Havenith, F. De Proft, P. W. Fowler, P. Geerling, Chem. Phys. Lett. 2005. 407, 391-396.
Copyright (2005) Elsevier B. V.
4.2.1.3 Metall-Aromatizität
Aromatizität in einem rein metallischen Molekül wurde erstmals von Boldyrev et al. im Jahr
2001 berichtet. Die bimetallischen ionischen Systeme MAl4- (M = Li, Na, Cu) wurden mittels
Laser
Verdampfung
generiert
und
mit
Photoelektronen
Spektroskopie
und
quantenchemischen Analysen charakterisiert. Die stabilste Koordinationsstruktur der MAl4Spezies ist quadratisch pyramidal, wobei die vier Aluminium Atome ein perfektes Quadrat
bilden. Daneben existiert ein vollständig planares Isomer, in dem das M+ Kation eine Kante
des Aluminium Quadrats verbrückt. Die Analyse der Valenzorbitale zeigt eine doppelte
Besetzung des HOMOs, das ein delokalisiertes π-Orbitals ist. Die anderen Orbitale sind
bindende σ-artige Orbitale oder freie Elektronenpaare sind. Ebenso weist das Al 42-Anion ein
delokalisiertes π HOMO auf. Damit ist die (4n+2) π Elektronen Regel für aromatische
Verbindungen erfüllt. Auch die perfekt quadratische Struktur, die auch für Al 42- existiert und
die Erhaltung dieser bei Koordination eines Metallkationes, sind Indikatoren für
Aromatizität.86 Ausdehnung der Untersuchungen von Al42- haben eine deutlich kompliziertere
Beschreibung der Aromatizität der Spezies ergeben. Havenith et al. zeigten in ihren
Valenzbindungs-Kalkulationen, dass die Beiträge zweier unabhänger delokalisierter σSysteme, die je der (4n+2) Regel folgen, zur allgemeinen Aromatizität in Al 42- höher sind, als
die Beiträge der π-Aromatizität.87 Die berechneten NICS Werte betragen NICS(0) = -35.8 ppm
und NICS(1) = -26.7 ppm. Eine von Schleyer et al. entwickelte Methode, für jedes kanonische
Molekülorbital individuell NICS zu berechnen, belegt die vorhandene multiple (σ + π)
61
4. Ergebnisse und Diskussion
Aromatizität. Die Berechnungen ergeben für die π-Aromatizität einen Beitrag von NICS(0) =
-17.8 ppm und für die σ-Aromatizität einen NICS(0) = -11.4 ppm (Abbildung 27).88
Abbildung 27. Kanonische MO NICS(0) Analyse im Ringzentrum von Al42-. Nachdruck mit Genehmigung
von Z. Chen, C. Corminboeuf, T. Heine, J. Bohmann und P. v. R. Schleyer, JACS 2003, 125, 13930-13931.
Copyright (2003) American Chemical Society.
Das erste Beispiel von Metallaromatizität in einem vollständig metallischen System zeigt
somit, dass multiple Aromatizität (σ + π) in metallischen Verbindungen zu einer komplexeren
aromatischen Beschreibung führt.
Den ersten aromatischen organometallchemischen Komplex berichteten Robinson et al im
Jahr 1995 mit [(Mes2C6H3)Ga]3, das einen π-aromatischen Dreiring aus drei Gallium-Atomen
besitzt.89 Nach dem ersten Bericht des ungewöhnlichen Moleküles vertiefte die Gruppe um
Robinson selbst die Untersuchung der Aromatizität desselben und ermittelte negative NICS
Werte als Bestätigung der ersten Vermutung, die auf Elektronenzählen und der Anordnung
der Gallium-Atome in 60 ° Winkeln begründet war.90, 91 Nur wenig später synthetisierten
Power et al. den außergewöhnlichen Komplex K2[Ga4(C6H3-2,6-Trip2)2] [Trip = C6H2-2,4,6-Pri3],
in dem die Gallium-Atome in einem nahezu perfekten Quadrat angeordnet sind. Die
quantenchemische Analyse der Bindungssituation des Systems zeigt zwei delokalisierte π
Elektronen und suggeriert so Aromatizität. Die weitere Betrachtung zeigt außerdem, dass das
Ga4 Quadrat nicht genügend Elektronen besitzt, um vier 2z2e Bindungen auszubilden, lediglich
62
4. Ergebnisse und Diskussion
acht σ-Elektronen stehen zur Verfügung, die das System als σ-antiaromatisch charakterisieren.
In diesem Fall würde jedoch keine nahezu perfekt quadratische Anordnung der GalliumAtome vermutet werden. Das diese trotzdem ausgebildet wird, resultiert aus der
Wechselwirkung zweier Gallium-Atome mit den Kohlenstoffatomen der Liganden, die der σAntiaromatizität entgegenwirkt (Abbildung 28). Das ungewöhnliche Molekül von Power et al.
ist das erste Beispiel eines Metallclusters, der zugleich π- Aromatizität und σ-Antiaromatizität
aufweist, in erster Linie basierend auf Elektronenzählregeln.80, 92
Abbildung 28. Molekülstruktur von K2[Ga4(C6H3-2,6-Trip2]. Nachdruck mit Genehmigung von B.
Twamley und P. P. Power, Angew. Chem. Int. Ed., 2000, 39, 3500-3503. Copyright (2000) Wiley-VCH
Verlag GmbH, Weinheim.
Die Erforschung von zyklischen, aromatischen Organometall-Verbindungen resultierte in
weiteren trinuklearen Verbindungen, von denen eine Auswahl in Abbildung 29 gezeigt ist.
Nennenswerte Beispiele sind das π-aromatische [{(SAr‘)(Par3)Pd}3]+, das als erstes
Edelmetallanalog von [C3H3]+ betrachtet werden kann und [(IPrAu)3]+ als isolobales [H3]+
Analog, zu dem jedoch keine Analyse des aromatischen Charakters durchgeführt wurde. 93, 94
Diesem Fokus schließt sich der Rest dieses Kapitels an, in dem die Synthese und
Charakterisierung der σ-aromatischen, zinkhaltigen Dreiringe [Zn3Cp*3][BAr4F] (2) und
[Zn2Cp*2CuCp*] (3) beschrieben wird.
63
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 29. Übersicht literaturbekannter σ- und π-aromatischer Dreiringe.
4.2.2 Darstellung von [Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F])
Werden equimolare Mengen an [Zn2Cp*2], [ZnCp*2] und [H(Et2O)2][BAr4F] in Fluorbenzol
bei Raumtemperatur zur Reaktion gebracht, entsteht augenblicklich eine gelbe
Reaktionslösung. Nach Rühren dieser Lösung für die Zeit von einer Stunde und langsamer
Diffusion von n-Hexan bei -30 °C, bilden sich gelbe, nadelförmige Einkristalle, deren
Zusammensetzung,
die
mittels
Einkristall-Röntgenstrukturanalyse
bestimmt
wurde,
[Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) entspricht (Schema 17). Die Ausbeute an analytisch reinen
Kristallen entspricht ~ 56 %. Als nicht kristallines, analytisch reines Produkt kann Verbindung
2[BAr4F] in Ausbeuten von ~ 80 % als intensiv gelber pulvriger Feststoff durch Zugabe von nHexan aus der Reaktionslösung gefällt werden. Dieser wurde vor der spektroskopischen
Charakterisierung mit n-Hexan gewaschen und im Vakuum getrocknet.
64
4. Ergebnisse und Diskussion
Schema 17. Darstellung des [Zn3Cp*3]+ (2) Kations.
In einer Inertgasatmosphäre bei -30 °C ist Verbidung 2[BAr4F] für mehrere Wochen stabil. Das
isolierte Produkt zersetzt sich jedoch sowohl als pulvriger Feststoff, als auch als Einkristall
innerhalb eines Tages bei Raumtemperatur. In polaren Lösungsmitteln wie Dichlormethan,
Fluorbenzol oder Tetrahydrofuran ist [Zn3Cp*3][BAr4F] löslich. Jedoch erfolgte auf ein Lösen
des isolierten Produktes eine sofortige Entfärbung der Lösung, wodurch Instabilität und
folgende Zersetzung von 2[BAr4F] in Lösung indiziert wird. Das Verhalten von Verbindung
2[BAr4F] in Lösung wurde mittels 1H NMR Spektrometrie untersucht, die Diskussion der
Ergebnisse erfolgt im nächsten Kapitel.
4.2.3
Spektroskopische
[Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F])
und
strukturelle
Charakterisierung
von
[Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) wurde unter Hinzuziehen von 1H NMR Spektrometrie, InfrarotSpektroskopie, Elementar (C,H) Analyse sowie Atom-Absorptionsspektroskopie (AAS)
analytisch
charakterisiert.
Die
mittels
CH
und
AAS
Analyse
bestimmte
Elementzusammensetzung weicht nur leicht, aufgrund der thermischen Instabilität von
2[BAr4F], von der berechneten prozentualen Elementzusammensetzung ab (Berechnet für
Zn3C65H59.5BF24.5 (%): C: 51.72, H: 3.98, Zn: 12.72; gefunden: C: 49.47, H: 3.93, Zn: 11.03). Das
aufgenommene FTIR Spektrum enthält die erwarteten, charakteristischen Banden der Cp*
Gruppen (2900 cm-1) sowie des [BAr4F]- Anions (ν(C-F) = 1264 cm-1). Bei dem Abfüllen der NMR
Probe in der Glovebox, wurde bei den verfügbaren deuterierten Lösungsmitteln d 8-THF,
CD2Cl2 und einer Mischung an C6D6 mit 5 % Fluorbenzol eine Entfärbung der zunächst gelben
65
4. Ergebnisse und Diskussion
NMR Lösung in Sekundenschnelle, sowie der Ausfall eines weißen Niederschlages in THF,
beobachtet, wodurch eine Zersetzung von 2[BAr4F] in Lösung angenommen werden kann. Das
1H
NMR Spektrum, aufgenommen in CD2Cl2 zeigt ein Singulett bei 2.14 ppm, das dem Produkt
zugeordnet werden kann, zusätzlich sind die Resonanzen für [Zn2Cp*2], [ZnCp*2] und B(ArF)3Spezies sichtbar, die eine Zersetzung, welche auf Arylgruppen-Transfer von dem [BAr4F]- Anion
auf das elektrophile Zn3 Kation basieren, vermuten lässt. Das integrale Verhältnis suggeriert
eine sponatne Zersetzung von 60 % der Probe, die mit der Zeit langsamer fortschreitet. Dieser
Zersetzungsmechanismus ist nicht vollständig aufgeklärt und verstanden, es kann jedoch
spekuliert werden, dass Anionen und Kationen in Lösung von Lösungsmittelmolekülen
stabilisiert werden.
Verbindung 2[BAr4F] ·0.5 C6H5F kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/c mit 8
Molekülen in der Einheitszelle. Daher enthält die asymmetrische Einheit zwei unabhängige
Moleküle. Ausgewählte Bindungslängen und –winkel beider Kationen sind in der Unterschrift
von Abbildung 30 aufgeführt, im Folgenden werden ausschließlich die Bindungsverhältnisse
eines der Kationen diskutiert, da sich diese in beiden nicht signifikant unterscheiden. Die drei
Zinkatome sind in einem nahezu perfekt symmetrischen Dreiring angeordnet, in dem die ZnZn Bindungen Längen von 2.430(1) (Zn1-Zn2), 2.463(1) (Zn1-Zn3) und 2.418(1) Å (Zn2-Zn3)
aufweisen und die Zink Bindungswinkel 61.06(2) (Zn3-Zn1-Zn2), 59.23(2) (Zn1-Zn2-Zn3) und
59.71(2)° betragen. Die Zn-Zn Bindungslängen sind im Vergleich zu der Ausgangsverbindung
[Zn2Cp*2] (2.305(3) Å), vermutlich hervorgerufen durch die Ringspannung, leicht verlängert.42
Ähnliche Effekte werden für Ethan, in dem die C-C Bindung 1.54 Å beträgt und Cyclopropan,
mit einer C-C Bindungslänge von 1.51 Å, beobachtet. Die Zn-Cp*centroid Bindungslängen (ø =
1.85 Å) sind dagegen im Vergleich zu [Zn2Cp*2] geringfügig kürzer, aber gut mit anderen
Dizink-Spezies vergleichbar.75
66
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 30. Molekülstruktur des [Zn3Cp*3]+ (2) Kationes in dem Kristall von 2[BAr4F]. Thermische
Ellipsoide werden mit 50 % Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Das [BAr4F]- Anion und
Wasserstoffatome sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht abgebildet. Die asymmetrische Einheit
enthält zwei unabhängige Moleküle, zur Verdeutlichung der Kationenstruktur ist lediglich eines
abgebildet. Ausgewählte Bindungslängen (Å) und Winkel (°) werden für beide Kationen angegeben:
Zn1-Zn2 2.430(1), Zn1-Zn3 2.418(1), Zn2-Zn3 2.463, Zn4-Zn5 2.432(1), Zn4-Zn6 2.432(1), Zn5-Zn6
2.407(1), Zn1-Zn2-Zn3 59.22(1), Zn1-Zn3-Zn2 59.91(1), Zn3-Zn1-Zn2 61.06(1), Zn6-Zn4-Zn5 59.47(1),
Zn6-Zn5-Zn4 60.02(2), Zn5-Zn6-Zn4 60.50(2). Kristallographische Daten: a = 21.3975(2) Å, b =
25.5256(2) Å, c = 24.6367(2) Å, α = 90 °, β = 95.055(1) °, γ = 90 °, V = 13403.8(2) Å3, Rint = 0.0233, Goof
= 1.050, R1 [I>2σ(I)] = 0.0448, wR2 (alle Daten) = 0.1218, CCDC: 1013576 . Die vollständigen Daten,
sowie die Packung von 2 in der Elementarzelle sind in Kapitel 6 zu finden.
4.2.4 Darstellung von [Zn2Cp*2CuCp*] (3)
Das ungesättigte CuCp* Fragment kann bei -78 °C durch die Reaktion von CuCl und LiCp*
in THF in situ stabilisiert werden. Die Zugabe einer equimolaren Menge an [Zn2Cp*2] führt zu
der Bildung eines blassgelben mikrokristallinen Niederschlages. Entfernen des Lösungsmittels
in der Kälte und anschließende Rekristallisation aus Toluol bei -30 °C resultiert in gelben,
nadelförmigen Einkristallen des Adduktes [Zn2Cp*2CuCp*] (3) (Schema 18) in Ausbeuten von
35 %.
67
4. Ergebnisse und Diskussion
Schema 18. Darstellung von [Zn2Cp*2CuCp*] (3).
Verbindung 3 ist in polaren Lösungsmitteln wie THF und Toluol löslich, in unpolaren
Lösungsmittel wie n-Hexan wird eine schlechte Löslichkeit beobachtet. Gelagert unter einer
Inertgasatmosphäre bei -30 °C, ist 3 für mehrere Wochen stabil, zeigt jedoch thermische
Instabilität und Zersetzung bei Temperaturen oberhalb von 20 °C innerhalb weniger Minuten.
Dahingegen lässt sich in Lösung über die Zeit von 24 Stunden keine Zersetzung von Verbindung
3 beobachten, wodurch [Zn2Cp*2CuCp*] neben IR Spektroskopie, LIFDI Massenspektrometrie,
CHN Analyse und AAS mit Hilfe von NMR Spektrometrie analytisch charakterisiert wurde.
Aufgrund der Tatsache, dass Kupfer und Zink mittels Einkristall-Röntgenstrukturanalyse nicht
unterschieden werden können, da sie als benachbarte Elemente des Periodensystems eine
nahezu
identische
Elektronendichte
aufweisen,
sind
die
hinzugezogenen
Charakterisierungsmethoden für die Bestimmung der elementaren Zusammensetzung von 3
essentiell. Die Auswertung dieser Ergebnisse wird im Folgenden diskutiert.
4.2.5 Spektroskopische und strukturelle Charakterisierung von [Zn2Cp*2CuCp*]
(3)
Der mit Atom-Absorptionsspektroskopie bestimmte Kupfer und Zink Gehalt (Cu: 11.22 %,
Zn: 21.96 %) entspricht einem Cu/Zn Verhältnis von 2:1. Die gefundenen prozentualen Werte
weichen leicht von den berechneten Werten (Cu: 10.59 %, Zn: 21.79 %) ab, was auf die
thermische Instabilität von 3 zurückgeführt werden kann. Das
1H
NMR Spektrum,
aufgenommen bei Raumtemperatur, zeigt entsprechend der Festkörperstruktur von 3 zwei
Signale für zwei chemisch nicht equivalente Cp* Gruppen im integralen Verhältnis von 2:1 (δ
68
4. Ergebnisse und Diskussion
= 2.07 (30H, ZnC5Me5) und δ = 2.23 (15H, CuC5Me5) ppm) und auch das 13C NMR Spektrum
weist das erwartete Set an Signalen auf (δ = 10.91 (s, ZnC5Me5), 12.18 (s, CuC5Me5), 104.65 (s,
CuC5Me5), 110.35 (ZnC5Me5) ppm). Der Molekülionenpeak von Verbindung 3 wird im LIFDI
Massenspektrum nicht beobachtet, aufgrund der Instabilität von 3 und vermutlichen
Gasphasenreaktionen werden jedoch Peaks für das Dimer [Zn2Cp*2CuCuZn2Cp*2] (m/z = 927)
und die Fragmente [Zn4Cu3Cp*3] (m/z = 1128), sowie [Zn3CuCp*3] (m/z = 660) detektiert.
Damit demonstriert das Massenspektrum, dass in dem System Aggregate möglich sind und
unter geeigeneten Reaktionsbedingungen Clusterwachstum denkbar ist. Die Bildung höher
nuklearer Komplexe basiert vermutlich auf M-Cp* Bindungsspaltung und anschließender
Reaktionen ungesättigter Fragmente. Im FTIR Spektrum sind die charakteristischen
Absorptionsbanden der Cp* Gruppen zu finden (2936, 2878 und 2832 cm-1).
Verbindung 3 kristallisiert in der triklinen Raumgruppe P-1 mit zwei Molekülen in der
Elementarzelle. Die Metallatome in Verbindung 3 sind in einem nahezu perfekten Dreieck
angeordnet, das durch Bindungswinkel von 60.34(3) (Zn1-Zn2-Cu1), 59.33(2) (Zn1-Cu1-Zn2)
und 60.34(3)° (Zn2-Zn1-Cu1) beschrieben wird (Abbildung 31). Die Zn-Cu Bindungen weisen
mit 2.381(1) Å die gleiche Länge auf, wohingegen die Zn1-Zn2 Bindung (2.357(1) Å) im
Vergleich leicht verkürzt ist. Die drei Metall-Metall Bindungen sind allesamt gegenüber der ZnZn Bindung in [Zn2Cp*2] (2.305(3)) Å verlängert, jedoch kürzer als die Zn-Zn Bindungen in
Verbindung 2 (2.481(1) – 2.463(1) Å) und liegen eindeutig im Bereich kovalenter
Wechselwirkungen.42 Gegenüber der Cu-Zn Bindung in [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (2.498(2) Å) (6a,
Kapitel 3.4) sind die Metall-Metall Bindungen in 3 deutlich verkürzt.95 Die M-Cp*centroid (1.88
Å) Bindungen sind kürzer als diejenigen in [Zn2Cp*2] (2.04 Å), aber gut mit den
durchschnittlichen in der Literatur berichteten Zn-Cp*centroid (1.83-2.19 Å) und Cu-Cp*centroid
(1.82 – 1.96 Å) Bindungen vergleichbar.
69
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 31. Molekülstruktur von [Zn2Cp*2CuCp*] (3). Thermische Ellipsoide werden mit 50 %
Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht
abgebildet. Zn1-Zn2 2.357(1), Zn1-Cu1 2.381(1), Zn2-Cu1 2.381(1), Zn1-Cp*centroid 1.883, Zn2-Cp*centroid
1.884 , Cu1-Cp*centroid 1.893, Zn1-Zn2-Cu1 60.34(3), Zn1-Cu1-Zn2 59.33(2), Zn2-Zn1-Cu1 60.34(3),
Cp*centroid-M-M 149.91 (ø). Kristallographische Daten: a = 10.7504(6) Å, b = 10.8001(6) Å, c =
15.0565(10) Å, α = 75.547(6) °, β = 72.00(6) °, γ = 60.399(6) °, V = 1435.68(18) Å3, Rint = 0.0273, Goof =
1.091, R1 [I>2σ(I)] = 0.0416, wR2 (alle Daten) = 0.1092, CCDC: 1013577. Die vollständigen Daten sind in
Kapitel 6 zu finden.
4.2.6 Quantenchemische Analyse von [Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) und
[Zn2Cp*2CuCp*] (3)2
Die quantenchemischen Analysen, die folgend diskutiert werden, wurden von der
Arbeitsgruppe von Prof. Dr. G. Frenking, Philipps-Universität Marburg, im Besonderen von Dr.
P. Jerabek durchgeführt. Dies erfolgte im Rahmen einer gemeinschaftlichen Publikation mit
dem Arbeitstitel „Embryonic Brass: The σ-aromatic Clusters [Zn3]+ und [Zn2Cu]“, Manuskript
in Vorbereitung. Die quantenchemischen Daten, sowie Abbildungen wurden mit
Genehmigung von Prof. Dr. G. Frenking verwendet. Die geometrische Struktur des [Zn3Cp*3]+
(2) Kations und des isoelektronischen Homologs [Zn2Cp*2CuCp*] (3) wurden unter
Verwendung eines meta-GGA funktionellem M06-L, welches Dispersionswechselwirkungen
2
Der nachfolgende Abschnitt zitiert/paraphrasiert die entsprechenden Stellen in der Dissertation des
Kooperationspartners Paul Jerabek (Philipps-Universität Marburg, 2014) und in K. Freitag, C. Gemel, P. Jerabek,
I. Oppel, R. W. Seidel, G. Frenking, H. Banh, K. Dilchert, R. A. Fischer, Angew. Chem. 2015, DOI:
10.1002/anie.201410737R1 und 10.1002/ange.201410737R1. Die hier wiedergegebenen Ausführungen sind für
die zusammenfassende Darstellung des Projektes in dieser Dissertation erforderlich.
70
4. Ergebnisse und Diskussion
berückstigt, mit TZVPP Basissätzen optimiert. Zusätzlich wurden die Bindungseigenschaften
mit EDA analysiert. Tabelle 6 zeigt den Vergleich von experimentellen und berechneten
Bindungslängen. Die Betrachtung zeigt, dass eine gute Übereinstimmung für [Zn 3Cp*3]+ (2)
erzielt wird, die berechneten Zn-Zn Bindungsabstände sind lediglich leicht, im Vergleich zu den
experimentellen Werten, verlängert.
Tabelle 6. Vergleich der experimentellen und berechneten Bindungslängen und –winkel in 2 und 3.
Bindung / Winkel
Experimenteller Wert
Berechneter Wert
(XRD)
+
[Zn3Cp*3] (2)
Zn1-Zn2
2.430(1) Å
2.465 Å
Zn1-Zn3
2.418(1) Å
2.465 Å
Zn2-Zn3
2.463(1) Å
2.465 Å
Zn1-Zn2-Zn3
59.22(1) °
60 °
Zn1-Zn3-Zn2
59.91(1) °
60 °
Zn3-Zn1-Zn2
61.60(1) °
60 °
Zn1-Zn2
2.357(1) Å
2.531 Å
Zn1-Cu1
2.381(1) Å
2.355 Å
Zn2-Cu1
2.381(1) Å
2.355 Å
Zn1-Zn2-Cu1
60.34(3) °
57.2 °
Zn1-Cu1-Zn2
59.33(2) °
65.0 °
Zn2-Zn1-Cu1
60.34(3) °
57.2 °
[Zn2Cp*2CuCp*] (3)
Im Gegensatz dazu werden größere Unterschiede zwischen experimentellen und berechneten
Werten für die Bindungslängen und –winkel in [Zn2Cp*2CuCp*] (3) beobachtet. Auch die
Wiederholung der Kalkulationen mit Einbezug von Dispersionskräften zeigt keine bessere
Übereinstimmung mit den experimentellen Daten. Die experimentellen Werte der Zn-Cu
Bindungen (2.381(1) Å) liegen in dem selbern bereich, wie die berechneten Bindungen (2.355
V). Während die experimentellen der Zn-Zn Bindung (2.357(1) Å) ebenfalls in diesem Bereich
liegt, ist die berechnete Zn-Zn Bindung mit 2.531 Å stark verlängert. Alle Variationen der
theoretischen Methoden zeigen den Trend d(Zn-Zn) > d(Zn-Cu). Die Optimierung der
geometrischen Struktur mit eingefrorener Zn-Zn Bindungslänge bei 2.357 Å ergibt Cu-Zn
71
4. Ergebnisse und Diskussion
Bindungen von 2.327/2.323 Å, die noch immer kürzer als die Zn-Zn Bindungslänge sind. Ist ist
anzumerken, dass letztere Struktur nur 0.7 kcal/mol höher in Energie ist, als das vollständig
optimierte Molekül. Basierend auf diesen Ergebnissen wird suggeriert, dass der signifikant
verlängerte Zn-Zn Abstand der optimierten [Zn2CuCp*3] indikativ für eine „side-on“
gebundene σ(Zn-Zn) Einheit ist, die Elektronendichte zu dem elektronen-defizienten [CuCp*]
Fragment doniert. Verbindung 3 kann somit auch als Komplex mit der Formel [Cp*Cu(η2Cp*Zn-ZnCp*)] beschrieben werden. Die Eigenschaften der Metall-Metall Bindungen in 2 und
3 wurden mittels Energy Decomposition Analyses (EDA) untersucht. Die intrinsische
Bindungsinteraktion zwischen [Zn2Cp*2] und dem [ZnCp*]+ Fragment ist mit ∆Eint = -83.2
kcal/mol relativ stark (Tabelle 7). Der größte Anteil der Orbitalwechselwirkungen (∆Eorb = -59.1
kcal/mol) ist die σ-Donierung [Zn2Cp*2]  [ZnCp*]+ in das formal leere 4s Valenzorbital des
Zinks. Die Bindungssituation in [Zn2Cp*2CuCp*] ist eine etwas Andere. Die intrinsische
Bindungsinteraktion ∆Eint = -54.9 kcal/mol ist etwas schwächer im Vergleich zu Kation 2,
möglicherweise, da das Akzeptor Fragment in 2 ein Kation ist, in 3 hingegen eine neutrale
Spezies. Dies erklärt ebenso das Vorhandensein von zwei Orbitalwechselwirkungen in
[Zn2Cp*2CuCp*] (3). Die σ-Donierung [Zn2Cp*2] → [CuCp*] (-21.8 kcal/mol) ist lediglich etwas
stärker als die [Zn2Cp*2] ← [CuCp*] π-Rückbindung (-16.5 kcal/mol). Abbildung 32
demonstriert den Ladungsfluss der Orbitalwechselwirkungen in 2 und 3.
Tabelle 7. EDA-NOCV Rechnungen für das [Zn3Cp*3]+ (2) Kation und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) auf dem
BP86/TZ2P+/M06-L/TZVPP Level. Die wechselwirkenden Fragmente sind [ZnCp*]+ und [Zn2Cp*2] in 2
und [CuCp*] und [Zn2Cp*2] in 3. Die Energiewerte sind in kcal/mol angegeben.
[Zn3Cp*3]+ (2)
[Zn2Cp*2CuCp*] (3)
∆Eint
-83.2
-54.9
∆EPauli
81.6
99.6
∆Eelstat
-74.0 (44.9 %)
-105.4 (68.3 %)
∆Eorb
-90.8 (55.1 %)
-49.0 (31.8 %)
∆Eorb, σ
-59.1 (61.1 %)
-21.8 (44.5 %)
∆Eorb, π ║
-7.9 (8.7 %)
-16.5 (33.7 %)
∆Eorb, π 
-3.2 (3.5 %)
-2.7 (5.5 %)
∆Eorb, rest
-20.6 (22.7 %)
-15.4 (31.3 %)
72
4. Ergebnisse und Diskussion
(a) ∆E = -59.1 kcal/mol
(b) ∆E = -21.8 kcal/mol
(c) ∆E = -16.5 kcal/mol
Abbildung 32. Deformationsdichten δρ die mit den paarweisen Orbitalwechselwirkungen in 2 und 3
assoziiert sind. (a) [Zn2Cp*2] → [ZnCp*]+ σ-Donierung. (b) [Zn2Cp*2] → [CuCp*] σ-Donierung. (c)
[Zn2Cp*2] ← [CuCp*] π-Rückbindung. Die Richtung des Ladungsflusses ist rot → blau.
Die Bindungssituation der Metall-Metall Bindungen in den Dreiringen [Zn3Cp*3]+ (2) und
[Zn2Cp*2CuCp*] (3), welche lediglich zwei Elektronen für die Bindungen innerhalb der Ebene
besitzen, ist in Bezug auf die kontroverse Diskussion der σ-Aromatizität in [Li3]+ von Interesse.
Die Bindung in [Li3]+ kann mit den Metall-Metallbindungen in den Verbindungen 2 und 3
verglichen werden, wenn die Effekte der gefüllten d-Schale und die M-Cp* Bindungen
vernachlässigt werden. Die berechneten NICS(0) Werte von [Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2Cp*2CuCp*]
(3), im Zentrum des Ringes auf M06-L/TZVPP Level berechnet, sind mit -38.0 ppm für 2 und
-42.3 ppm für 3 stark negativ und im Vergleich zu [Li3]+ (-11.2 ppm).
4.2.7 Analogie von H2 und [Zn2Cp*2]
Die konzeptionelle Analogie von ZnR Fragmenten und dem Wasserstoffradikal, in Bezug auf
ihre Koordination an Übergangsmetallzentren, wurde in der Vergangenheit demonstriert.
[Zn2Cp*2], das isolobal zu H2 ist, koordiniert an ungesättigte Metallfragmente [LnM] und bildet
Komplexe des Typs [LnM(ZnCp*)2].70, 96, 97 Dieses Reaktionsprinzip ist von H2, das oxidativ an
Metallkomplexe addiert und so Dihydridkomplexe des Ryps [LnM(H)2] bildet, bekannt. Zum
anderen ist seit den umfassenden Studien von Kubas bekannt, dass unter bestimmten
Reaktionsbedingungen Diwasserstoffkomplexe gebildet werden, in denen H2 unter Erhalt der
73
4. Ergebnisse und Diskussion
H-H Bindung an ungesättigte Metallfragmente koordiniert. Das Pionierbeispiel solcher
Komplexe ist [M(CO)3(PR3)2(H2)] (M = Mo, W; R = Cy, Pri).98-100 Die Synthese von
[Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) und [Zn2Cp*2(CuCp*)] (3) demonstrieren erstmals das analoge
Reaktionsverhalten von [Zn2Cp*2], das an die Fragmente [ZnCp*]+ und CuCp* addiert, wobei
die Zn-Zn Bindung intakt erhalten bleibt. Die Analogie von H2 und [Zn2Cp*2] wird in Abbildung
33 verdeutlicht.
Abbildung 33. Analogie von H2 und [Zn2Cp*2].
4.2.8 Zusammenfassung
Die Addition von [Zn2Cp*2] an die ungesättigten Fragmente ZnCp* und CuCp resultiert in der
Darstellung zweier Dreiringe, die Metallanaloga von [H3]+ repräsentieren. Die Bildung von 2 und 3 kann
mit der Formation von Diwasserstoffkomplexen [LnM(H2)] verglichen werden, in denen H2 an
ungesättigte Metallzentren koodiniert. Breite Studien dieser Spezies zeigen, dass essentielle Kriterien
der Stabilisierung solcher Komplexe positiv geladene Metallzentren, weniger elektronen-reiche
Metalle der ersten und zweiten Reihe, sowie eine Ausgeglichenheit zwischen σ-Hinbindung und πRückbindung sind. Die Synthese von 2 und 3 demonstriert die Übertragbarkeit auf „side-on“
koordinierte [Zn2Cp*2] Komplexe, da für beide Verbindung mindestens zwei der Kriterien erfüllt
werden.
74
4. Ergebnisse und Diskussion
4.3 Zink-Zink Wechselwirkungen an Palladium-Zentren
Carmonas
Reagenz
[Zn2Cp*2]
besitzt
eine
vielfältige
Koordinationschemie
an
Übergangsmetallzentren, die in den letzten Jahren zunehmend erforscht und berichtet
wurde.61 Oftmals wurde in der Synthese neuer zinkreicher Moleküle auf ein einheitliches
Reaktionsschema zurückgegriffen, der Reaktion zwischen [Zn2Cp*2] und elektronisch
gesättigten 18 Valenzelektronen-Übergangsmetallstartverbindungen, in denen die Liganden
labil an das Metallzentrum koordiniert sind und unter milden Bedingungen abgespalten
werden können.96 Die homolytische Spaltung der Zn-Zn Bindung generiert in diesem
Reaktionsverlauf zwei ·ZnCp* Fragmente, worauf in Ligandenaustauschprozessen eine
Koordination dieser Fragmente an das jeweilige Metallzentrum erfolgt. So resultiert
beispielsweise die Umsetzung von [Pd(tmeda)Me2] (tmeda = N, N, N‘, N‘ –
Tetramethylethylendiamin) mit [Zn2Cp*2] in konkurrierenden Reaktionsmechanismen in dem
Produktgemisch [Pd(ZnMe)2(ZnCp*4){Zn(tmeda)}], [Cp*Pd(ZnCp*)3] und [Pd(ZnMe)4(ZnCp*)4].
Die Bildung dieser indiziert mechanistische Komplexitäten, die jedoch für alle gebildeten
Produkte auf einem initialen Zn-Zn Bindungsbruch, sowie Transfer der Ligandengruppen (Cp*,
Me, tmeda) beruhen.70 Die in Kapitel 4.2 dargelegten und diskutierten Ergebnisse
demonstrieren dagegen einen bisher unbekannten Koordinationsmodus von [Zn2Cp*2]. Unter
Erhaltung der kovalenten Zn-Zn Wechselwirkung koordiniert es an die koordinativ und
elektronisch ungesättigten ZnCp* und CuCp* Fragmente. Die zinkhaltingen Dreiringe
[Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) werden isoliert. Beide Dreiringe erfüllen zumindest je
zwei der essentiellen Kriterien, für H2-Komplexe.98,
99
Die Ausdehnung dieses
Reaktionsschemas auf weitere Übergangsmetallkomplexe, deren zentrale Metallatome
koordinativ und elektronisch ungesättigt sind, verspricht ein vielfältiges synthetisches
Potential und wurde daher im Rahmen dieser Arbeit untersucht. Die Reaktivität von [Zn2Cp*2]
mit [{Pd(CNtBu)2}3] und [Pd(PCy3)2] resultierenden Ergebnisse wird nachfolgend erläutert und
diskutiert.
4.3.1 Darstellung von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4)
Die Reaktion von [{Pd(CNtBu)2}3] und [Zn2Cp*2] führt in n-Hexan bei Raumtemperatur
bereits nach 10 Minuten zu der Bildung eines orangen, mikrokristallinen Niederschlages,
75
4. Ergebnisse und Diskussion
welcher nach einer Stunde via Kanule isoliert wird. Nach Umkristallisation in Toluol bei -30 °C
bilden sich gelbe, kubische Einkristalle, deren Zusammensetzung mittels EinkristallRöntgenstrukturanalyse als [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) bestimmt wurde (Schema 19).
Schema 19. Darstellung von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4).
Verbindung 4 ist in gängigen polaren Lösungsmitteln wie Benzol oder Toluol gut löslich und in
einer Inertgasatmosphäre bei -30 °C für mehrere Wochen stabil. Auch bei Raumtemperatur
sind bei dem isolierten Material und in Lösung innerhalb eines Tages keine Spuren von
Zersetzung erkennbar.
4.3.2
Spektroskopische
[Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4)
und
strukturelle
Charakterisierung
von
Die prozentuale Elementzusammensetzung von 4 wurde mittels CHN und AAS Analyse
bestimmt und stimmt gut mit den berechneten Werten überein. Das 1H NMR Spektrum weist
die erwarteten Signale der Methylgruppen des tert-butylisonitril-Liganden (δ = 1.18, s, 18H)
sowie zwei Signale für die chemisch nicht equivalenten Cp* Gruppen (δ = 2.10, s, 30H; δ =
2.27, s, 30H) auf. Ebenso treten im
13C
NMR Spektrum die Signale aller Liganden bei den
erwarteten chemischen Verschiebungen auf. Die C-N und C≡N Schwingungen rufen
Absorptionsbanden im FTIR Spektrum hervor, die bei Wellenzahlen von 1188 und 1092 cm-1
auftreten. Zusätzlich sind die charakteristischen Banden der C-H Valenzschwingungen der Cp*
Gruppen sichtbar (2950, 2878, 2832 cm-1). Verbindung 4 kristallisiert in der orthorhombischen
Raumgruppe Pbca mit vier Molekülen in der Elementarzelle und zwei unabhängigen
Molekülen in der asymmetrischen Einheit. Ausgewählten Bindungslängen und –winkel
werden im Verlauf dieses Kapitels für lediglich ein Molekül diskutiert, da keine signifikanten
Abweichungen beider Moleküle beobachtet werden. Die sechs Liganden sind in einer stark
76
4. Ergebnisse und Diskussion
verzerrten oktaedrischen Koordination um das Palladiumzentrum angeordnet (Abbildung 34
und Abbildung 35).
Abbildung 34. Verzerrt oktaedrischer Koordinationspolyeder in 4.
Die Palladium-Zink Bindungen liegen in dem engen Längenbereich von 2.428(1) - 2.484(1) Å
und entsprechen literaturbekannten Werten für Pd-Zn Bindungen, z.B. wie denen in
[Pd(ZnMe)4(ZnCp*)4] vergleichbar.54 Ebenso weisen die Pd-CNtBu Bindungen (2.019(1) und
2.034(1) Å) Abstände in dem erwarteten Bereich auf.55 Erstaunlicherweise befinden sich je
zwei der vier Zinkatome in einem vergleichsweise kurzen Abstand zueinander, mit
Bindungslängen von 2.595(2) (Zn1-Zn2) und 2.609(2) Å (Zn3-Zn4). Die Zn-Zn Bindungen in 4
sind damit 13 % länger als die Zn-Zn Bindung in [Zn2Cp*2] (2.395(3) Å) und lediglich um 7 %
gegenüber den Zn-Zn Bindungen in [Zn3Cp*3][BAr4F] (3[BAr4F]) verlängert, deren kovalenter
Bindungscharakter durch DFT Rechnungen belegt wurde. Im Vergleich zu metallischem Zink
(2.644-2.912 Å) sind die Zn-Zn Abstände in 4 leicht verkürzt, wodurch ZnZn
Wechselwirkungen für Komplex 4 suggeriert werden. Zudem sind die Zn-Zn Bindungslängen
in Verbindung 4 um 5 % kürzer, als der kürzeste Zn-Zn Abstand in [Ni(ZnMe)4(ZnCp*)4] zu
dessen Stabilisierung schwache tangentiale Kontake der Zinkhülle beitragen, die durch DFT
Kalkulationen bestimmt wurden.54 Die Abstände nicht bindender Zn···Zn Wechselwirkungen
sind dagegen größer als 3 Å, beispielsweise in [Cp*Pt(ZnCp*)3] (3.099(3) – 3.14(3) Å).96 Die
Vermutung zweier signifikanter Zink-Zink Wechselwirkungen in [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) wird
durch einige auffällige Bindungswinkel weiter gestützt. Die Pd-Zn-Cp*centroid Winkel (144.22 –
150.17 °) weichen stark von einer linearen Anordnung ab, vermutlich hervorgerufen durch die
Annäherung zweier Zinkpärchen (Zn1/Zn2, Zn3/Zn4). Daraus resultierende sterische
77
4. Ergebnisse und Diskussion
Abstoßung der Cp* Ringe, bedingt die Abweichung von der η5-Koordination: η2 (Zn2), η3 (Zn1,
Zn3) und η4 (Zn4). Ein weiteres Indiz für ZnZn Wechselwirkungen sind die Zn-Pd-Zn
Bindungswinkel, die allesamt stark von einem perfekten Oktaederwinkel von 90 ° abweichen.
Insbesondere für die Winkel Pd / Zn1 / Zn2 (63.76(3), 59.19(3) und 55.05(3) °) und Pd / Zn3 /
Zn4 (64.24(3), 57.37(3) und 58.40(3) °), liegt eher ein Vergleich mit den Winkeln eines
perfekten Dreiecks (60 °), als der Vergleich mit den Bindungswinkeln in einem Oktaeder nah.
So ist mit den Einheiten {Zn1 / Zn2 / Pd} und {Zn3 / Zn4 / Pd} also das aus den zinkhaltigen
Dreiringen 2 und 3, die kovalente Zn-Zn Wechselwirkungen enthalten, bekannte
Strukturmotiv in Komplex 4 wiederzufinden. Auf die anderen {Zn2Pd} Einheiten trifft die
Beschreibung mit Winkeln von 78.90(3) (Zn2-Pd-Zn3) und 99.37(3) ° (Zn1-Pd-Zn3) nicht zu.
Abbildung 35. Molekülstruktur von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4). Thermische Ellipsoide werden mit 50 %
Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht
abgebildet. Ausgewählte Bindungslängen (Å) und Winkel (°):Pd-Zn1 2.484(1), Pd-Zn2 2.428(1), Pd-Zn3
2.439(1), Pd-Zn4 2.468(1), Zn1-Zn2 2.595(2), Zn3-Zn4 2.609(2), Pd-C 2.019(1) and 2.034(1), Zn1-PdZn2 63.76(3), Zn3-Pd-Zn4 64.24(3), Pd-Zn1-Cp*centroid 147.28, Pd-Zn2-Cp*centroid 144.63, Pd-Zn3Cp*centroid 144.22, Pd-Zn4-Cp*centroid 150.17, N-C-Pd 172.9(7) and 174.0(7)°. Kristallographische Daten:
a = 25.6662(6)Å, b = 25.5792(6) Å, c = 35.0005(8) Å, α = 90 °, β = 90 °, γ = 90 °, V = 2298.10(9) Å3, Rint =
0.1063, Goof = 1.084, R1 [I>2σ(I)] = 0.0371, wR2 (alle Daten) = 0.1054. Die vollständigen Daten sind in
Kapitel 6 zu finden.
78
4. Ergebnisse und Diskussion
4.3.3 Darstellung von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) (Cy =
cyclohexyl)
Die Reaktion des koordinativ ungesättigten [Pd(PCy3)2] mit einer doppelten molaren
Menge an [Zn2Cp*2] in Toluol führt zu der sofortigen Bildung einer roten Lösung. Diese wurde
für die Dauer von einer Stunde auf 80 °C erhitzt, anschließend konzentriert und bei -30 °C
gelagert. Dunkelrot bis schwarze, kubische Einkristalle wuchsen nach zwei Tagen aus der
gesättigten Toluollösung (Schema 20).
Schema 20. Darstellung von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5).
Verbindung 5 ist in gängigen polaren Lösungsmitteln wie Benzol und Toluol gut löslich. Die
isolierten Kristalle sind in einer Inertgasatmosphäre bei Raumtemperatur für 24 Stunden
stabil, bei -30 °C erfolgt auch nach wenigen Wochen keine Zersetzung.
4.3.4
Spektroskopische
und
strukturelle
[Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5)
Charakterisierung
von
Die Elementzusammensetzung von Verbindung 5 wurde anhand von CN und AAS Analysen
bestimmt, die gemessenen prozentualen Anteile von C, H, Pd und Zn stimmen gut mit den
berechneten Werten des Solvats 5·C7H8 ein. Die NMR Spektren (1H,
13C
und
31P
) von 5
resultiert in Spektren, zeigen die Resonanzen für alle Liganden im erwarteten chemischen
Verschiebungsbereich. So ist im 31P NMR Spektrum ein Signal für die PCy3-Liganden bei δ =
52.26 ppm zu erkennen, das 1H NMR Spektrum zeigt ein Dublett (δ = 2.30) korrespondierend
zu den Protonen der Cp*-Gruppen, sowie ein Multiplett (δ = 1.72) hervorgerufen durch die
Tricyclohexylphosphin-Liganden. Auch die Auswertung des 13C NMRs führt zu dem erwarteten
Set an Signalen (δ = 115.25 (s, C5Me5), 111.01 (s, C5Me5), 34.44 (PCy3), 32.14 (PCy3), 28.22
(PCy3), 27.20 (PCy3), 13.13 (C5Me5), 12.45 (C5Me5) ppm). Die Absorptionsbanden der Cp*79
4. Ergebnisse und Diskussion
Gruppen (ν = 2898 und 2827 cm-1) sowie die P-Cyclohexyl Schwingung (ν = 1433 cm-1) sind im
FTIR Spektrum zu erkennen.
Verbindung 5 kristallisiert in der triklinen Raumgruppe P-1. Der Metallatomkern des
Komplexes wird von einer [Pd3Zn6] Einheit gebildet, wobei Pd3 das Zentralatom des
oligonuklearen Clusters ist (Abbildung 36 und Abbildung 38). Drei Zinkatome (Zn1, Zn2, Zn3)
gehören zu ZnCp*-Liganden, zwei weitere Zinkatome (Zn4, Zn5) bilden eine {Zn2Cp*} Einheit,
in der der Cp* Ring über zwei Seiten fehlgeordnet ist und dadurch sowohl an Zn4 als auch an
Zn5 bindet. Dahingegen liegt Zn6 als „nacktes“, ligandenfreies Zinkatom vor. Das Zentralatom
Pd3 sitzt im Zentrum eines aus abwechselnd drei Zink- und zwei Palladiumatomen
bestehenden pseudo-Hexagons, in dem eine der Ecken unbesetzt bleibt. Diese
Koordinationslücke beruht vermutlich auf sterischer Abschirmung dieser Position. Während
das „nackte“ Zn6 zwischen zwei PdPCy3 Einheiten koordiniert ist, befindet sich die nicht
besetzte Position des pseudo-Hexagons zwischen zwei ZnCp* Einheiten, die das zentrale
Palladiumatom aufgrund ihres sterischen Anspruches nahezu vollständig abschirmen und so
wohl eine Besetzung der sechsten Ecke verhindern. Werden die drei Palladiumatome in eine
Ebende gelegt, liegen Zn1, Zn3 und Zn6 nahezu in derselben Ebene. Die Abweichungen
betragen: Zn1 0.186 Å, Zn3 0.336 Å und Zn6 0.093 Å. Die Bindungswinkel weichen jedoch stark
von den idealen Winkeln eines Hexagons ab, in dem die äußeren 120 ° und die inneren Winkel
60 ° messen würden. Aus der beschriebenen Anordnung der sechs Metallatome ergeben sich
für die Liganden (Zn1)Cp* und (Zn3)Cp* zweifach-palladiumverbrückende Positionen,
wohingegen Zn6 alle drei Palladiumatome verbrückt. (Zn2)Cp* liegt oberhalb der pseudohexagonalen Ebene und besetzt ebenfalls eine verbrückende Position, ebenso wie Zn4 und
Zn5, die an dieselbe Cp*-Gruppe gebunden sind und unterhalb der aufgespannten [Pd 3Zn3]
Ebene liegen.
80
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 36. [Pd3Zn6] Metallkern in [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) in zwei verschiedenen
Projektionen. Drei Zinkatome (Zn3, Zn6, Zn1) sowie zwei Palladiumatome (Pd2, Pd1) bilden eine
„hexagonale“ Ebene um das zentrale Palladiumatom (Pd3), wobei die Position zwischen Zn1 und Zn3
unbesetzt bleibt. Die verbleibenden Zinkatome (Zn2, Zn4, Zn5) liegen unter- und oberhalb der Ebene
und besetzen palladiumverbrückende Positionen.
Die Palladium-Palladium Bindungen weisen Längen von 2.723(1) und 2.669(1) Å auf und liegen
somit im Bereich literaturbekannter Pd-Pd Abstände wie in [Pd2(µ-GaCp*)3GaCp*)2] (2.609(1)
Å oder [Pd2Zn6Ga2(Cp*)5Me3] (2.668 Å), in denen Pd-Pd Bindungspfade vorliegen (DFT
Kalk.).101, 102 Die Pd-Zn Abstände von 2.471(1) – 2.563(1) Å sind im Gegensatz zu terminal an
Palladiumzentren gebundenen ZnR-Gruppen (R = Me, Cp*) leicht verlängert, entsprechen aber
mit Pd-Zn Bindungslängen verbrückender ZnR-Liganden, beispielsweise in [Pd2(ZnCp*)(µZnMe)3(PMe3)5] (2.435(1) – 2.580(1) Å).56 Die Pd-P Bindungen sind mit 2.307(1) und 2.309(1)
Å im typischen Bereich (2.27 Å). Für die Zink-Zink Abstände finden sich größere Werte als 2.9
Å. Signifikante Zn···Zn Wechselwirkungen sind nicht zu vermuten. Lediglich die {Zn2Cp*}
Einheit, die aus Zn4 und Zn5 sowie der zugehörigen Cp*-Gruppe besteht, bildet eine
Ausnahme.
Abbildung 37. Schematische Darstellung der {Zn4Zn5Cp*} Einheit.
81
4. Ergebnisse und Diskussion
Mit einem Bindungsabstand von 2.729(1) ist die Zn4-Zn5 Distanz gegenüber allen anderen ZnZn Abständen deutlich verkürzt. Damit werden keine kurzen Zn-Zn Distanzen auf Niveau von
Verbindung 4 (2.595(2) und 2.609(2) Å) erreicht, dennoch ermöglicht die Annäherung von Zn4
und Zn5 in Komplex 5 es einem der Cp* Ringe über eine zweiseitige Fehlordnung sowohl an
Zn4, als auch an Zn5 zu binden. Dabei ist die stärker besetzte Cp* Position an η1 an Zn4
gebunden und weist den kürzeren Bindungsabtsand auf (2.178(5) Å), die niedriger besetzte
Position der Cp* Gruppe koordiniert η1 an Zn5 (2.265(2) Å). Damit liegt in der {Zn2Cp*} Einheit
ein Grenzfall zwischen den Zn(I)Cp* Liganden für Zn1-Zn3 und Zn6 vor.
Abbildung 38. Links: Molekülstruktur von [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5). Thermische
Ellipsoide werden mit 50 % Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome sind aus
Gründen der Übersichtlichkeit nicht abgebildet. Die Fehlordnung des an Zn4 und Zn5 gebundenen Cp*
Ringes wird in Form eines transparenten niedriger besetzten Parts gezeigt. Ausgewählte
Bindungslängen (Å) und Winkel (°):Pd1-Pd3 2.723(1), Pd2-Pd3 2.669(1), Pd1-Zn1 2.551(1), Pd3-Zn1
2.563(1), Pd3-Zn2 2.555(1), Pd2-Zn2 2.628(1), Pd2-Zn3 2.531(1), Pd3-Zn3 2.555(1), Pd3-Zn4 2.457(1),
Pd1-Zn4 2.471(1), Pd2-Zn5 2.498(1), Pd3-Zn5 2.478(1), Pd1-Zn6 2.512(1), Pd2-Zn6 2.504(1), Pd3-Zn6
2.494(1), Pd1-P1 2.309(1), Pd2-P2 2.307(1), Zn4-Zn5 2.729(1), Pd1-Pd2-Pd3 115.22(2).
Kristallographische Daten: a = 12.2816(3) Å, b = 13.0205(4) Å, c = 29.8246(8) Å, α = 100.247(2) °, β =
97.965(2) °, γ = 90.646(2) °, V = 4644.8(2) Å3, Rint = 0.0436, Goof = 1.013, R1 [I>2σ(I)] = 0.0349, wR2 (alle
Daten) = 0.1063. Die vollständigen Daten, sind in Kapitel 6 zu finden. Rechts: Abbildung der
ungewöhnlichen Bindung in der {Zn4Zn5Cp*} Einheit in 5.
4.3.5 Bindungssituation in [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µZn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5): Diskussion der Zink – Zink Wechselwirkungen auf Basis
der strukturellen Eigenschaften
Die strukturelle Charakterisierung und Diskussion der Bindungslängen und –winkel in
Verbindung 4 und 5 erschließt neue erstaunliche Erkenntnisse in Bezug auf die
82
4. Ergebnisse und Diskussion
unterschiedlichen Bindungsmodi, die [Zn2Cp*2] gegenüber Übergangsmetallzentren eingehen
kann. Zinkorganyl-Liganden sind isolobal zu H-Liganden. Das Reaktionsverhalten von H2 an
Übergangsmetallzentren wurde in den letzten Jahrzehnten umfassend erforscht, dabei
leistete insbesondere die Gruppe um G. J. Kubas Pionierarbeiten.98, 99 Dass unter oxidativer
Addition der H-H Bindung Übergangsmetall-Dihydrid-Komplexe gebildet werden können,
wurde bereits in den frühen 1980er Jahren dokumentiert und die bahnbrechende Entdeckung
auf diesem Gebiet erfolgte wenig später. Kubas et al. synthetisierten 1984 mit
[W(CO)3(PR3)2(H2)] den ersten Komplex, in dem intaktes H2 in einem „side-on“ Bindungsmodus
an ein Übergangsmetall koordiniert wurde.100 Erstaunlicherweise donieren die zwei σElektronen des H2, die bereits stark gebunden sind, Elektronendichte in ein unbesetztes
Metallorbital und bilden so eine nicht klassische 2-Elektronen-3-Zentrenbindung, wie sie aus
anderen Elektronenmangelverbindungen wie etwa B2H6 bekannt ist. Die bis dahin allgemeine
Überzeugung, Wasserstoff könne als intaktes Molekül nicht stabil an ein anderes Atom
gebunden werden, ohne dass ein H-H Bindungsbruch erfolgt und ein Dihydrid-Komplex
gebildet wird, wurde damit widerlegt und eröffnete ein weites Forschungsfeld in der
Organometall-/Komplex-Chemie. Dieses wurde im Anschluss weit erschlossen, was bis heute
zu einer Vielfalt von mehreren hundert H2-Komplexen der allgemeinen Form LnM-H2 (L =
Ligand, n = Anzahl der Liganden, M = Metall) führte. In den umfassenden Studien hat sich eine
starke Abhängigkeit der Aktivierung von H2 von der elektronischen Struktur der
Startverbindungen ergeben. Die variierenden H-H Distanzen und somit unterschiedlichen
Bindungsmodi, sind in Schema 21 zusammengefasst.98
Schema 21. Bindungsmodi von H2 an ein MLn-Fragment: a) molekulares H2 (0.74 Å) b) „echter“ H2Komplex (0.8 – 1.0 Å) c) verlängerter H2-Komplex (1.0 – 1.3 Å) d) gestauchter Dihydrid-Komplex (1.3 1.6 Å) e) Dihydrid-Komplex (> 1.6 Å).
83
4. Ergebnisse und Diskussion
Als entscheidende Faktoren für die Stabilisierung der H2 Bindung und Vermeidung der
Oxidativen Addition zu Hydrid-Komplexen haben sich die folgenden vier Eigenschaften
herauskristallisiert: (1) Elektronen-ziehende Liganden, wie beispielsweise CO, (2) Partial
positiv, und positiv geladene Metallzentren, wie in kationischen Komplexen, (3) weniger
elektronenreiche Metallzentren der ersten oder zweiten Reihe des Periodensystems und (4)
Hybridisierung der Grenzorbitale, die beispielsweise für eine oktaedrische Koordination
existiert. Generell muss die Bindungssituation von H2-Komplexen als Überlagerung zwischen
σ-Hinbindung und Rückbindung beschrieben werden. Elektrophile Fragmente oder
Metallzentren bilden zwar eine σ-Hinbindung, liegt allerdings eine zu hohe Elektrophilität vor,
so findet favorisiert eine heterolytische H-H Bindungsspaltung gegenüber der Stabilisierung
eines H2-Komplexes statt. Ist auf der anderen Seite die Rückbindung im Vergleich zu der
Hinbindung signifikant stärker, beispielsweise bewirkt durch die Anwesenheit Elektronendonierender Co-Liganden, erfolgt eine Dehnung der H-H Bindung, die wiederum im Extremfall
zu einem Bindungsbruch führen kann.99 Die in diesem und dem vorherigen Kapitel
vorgestellten Resultate der Koordinationschemie von [Zn2Cp*2] an ungesättigte Fragmente
lassen sich mit der Koordinationschemie von H2-Komplexen vs. Dihydridkomplexen weit
überschneidend vergleichen. Nachdem bereits vielzählige Komplexe, in deren Bildung eine ZnZn Bindungsspaltung initiiert wird und die mit Dihydridkomplexen vergleichbar sind, berichtet
wurden, zeigt Kapitel 4.2 die ersten Beispiele der Koordination des intakten [Zn2Cp*2]
Moleküles, analog zu einem H2-Komplex. Lediglich die Lücke, die in Schema 21 für die
Koordination von H2 als „verlängerter“ H2-Komplex, sowie „gestauchter“ Dihydrid-Komplex
beschrieben wird, blieb für [Zn2Cp*2] Komplexe bisher bestehen und lässt sich nun mit
[Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) füllen. Die Zn-Zn
Abstände in 4 (2.595(2) und 2.609(2) Å) liegen zwischen den Zn-Zn Bindungslängen in dem
[Zn3Cp*3]+ Kation (3) (2.418(1) - 2.463(1) Å), die eindeutig als kovalent sind, und den
Abständen in [Ni(ZnCp*)4(ZnMe)4] (2.746(1) – 2.912(1) Å), welche als sehr schwache
tangentiale Wechselwirkungen innerhalb der Zinkhülle charakterisiert wurden.54 Da im
zeitlichen Rahmen dieser Arbeit eine quantenchemische Betrachtung der Bindungssituation
und speziell der Zn···Zn Wechselwirkungen in 4 und 5 nicht möglich war, erfolgt die Diskussion
ausschließlich aufgrund signifikanter Bindunslängen und –winkel, die in Kapitel 4.3.2
beschrieben wurden. Insbesondere die nicht lineare Anordnung der Pd-Zn-Cp*centroid (144.22 150.17 °) und die Zn-Pd-Zn Bindungswinkel sind neben den zwei angenäherten Zink-Pärchen
84
4. Ergebnisse und Diskussion
ausschlaggebend für die stark verzerrt oktaedrische Koordination von 4. Diese legt für die {Zn1
/ Zn2 / Pd} und {Zn3 / Zn4 / Pd} Einheiten eher den Vergleich mit den Bindungswinkeln eines
Dreieckes nah (Abbildung 39), das dem Strukturmotiv der zinkhaltigen Dreiringe 2 und 3
entspricht.
Abbildung 39. Ausschnitt aus [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) in zwei verschiedenen Projektionen. Für Zn1 /
Zn2 / Pd (63.76(3), 59.19(3) und 55.05(3) °) und Pd / Zn3 / Zn4 (64.24(3), 57.37(3) und 58.40(3) °)
weichen die Bindungswinkel nur leicht von denen einer perfekten dreieckigen Anordnung ab, wodurch
zweimal dasselbe Strukturmotiv entsteht, wie es in [Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) vorliegt.
Aus diesen charakteristischen strukturellen Eigenschaften wird postuliert, dass auch für
[Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) eine „side on“ Koordination von [Zn2Cp*2], unter Erhaltung
signifikanter Zn-Zn Wechselwirkungen, an ein koordinativ ungesättigtes Metallzentrum
erfolgt. Verbindung 4 kann somit als „verlängerter Wasserstoffkomplex“ (Schema 21 c))
beschrieben werden. Im Gegensatz dazu enthält Verbindung 5 ([Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µZnCp*)3]) lediglich eine {Zn2Cp*} Einheit, in der die Zn-Zn Distanz deutlich kürzer ist, als die
restlichen Zn-Zn Abstände. Die Länge beträgt hier 2.723(1) Å und ist somit mit denen in
[Ni(ZnCp*)4(ZnMe)4] vergleichbar. Schwache Wechselwirkungen dieser Art könnten eindeutig
jedoch nur mit umfassenden Kalkulationen belegt oder ausgeschlossen werden. Der
Unterschied zwischen den Startverbindungen, die für die Darstellung von Verbindung 4 und 5
verwendet wurden, liegt in dem Ligandensystem. Während [{Pd(CNtBu)2}3] den
elektronenarmen und -ziehenden tert-butylisonitril-Liganden in seiner Koordinationssphäre
enthält, weist [Pd(PCy3)2] das elektronenreiche Tricyclohexylphosphin als Liganden auf. Damit
85
4. Ergebnisse und Diskussion
folgt die Koordination von [Zn2Cp*2] auch hier dem Trend, der die Stabilisierung von H2Komplexen beschreibt: Elektronenziehende Co-Liganden tragen zu einer solchen bei,
wohingegen elektronenreiche Systeme eine Dehnung der H-H Bindung bis zu ihrem Bruch
erwirken und die Bildung von Dihydrid-Komplexen favorisiert erfolgt. Im Fall von Verbindung
5 ist jedoch nicht nur eine Zn-Zn Bindungsspaltung zu beobachten. Im Reaktionsverlauf wird
Zn(I) aus [Zn2Cp*2] zu einem formalen Zn(0) (Zn6) und zwei formalen Zn(+1/2) (Zn4, Zn5)
reduziert. Dies ist Teil der Disproportionierung von Zn(I), da in situ NMR Studien die
Entstehung von [ZnCp*2] (Zn(II)) zeigen. Die Synthese von [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und
[Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) kann in den Kontext der Nickel-basierten Komplexe
[Ni(ZnCp*)(ZnMe)(PMe3)3]
und
[Ni(ZnCp*)2(ZnMe)2(PMe3)2]
eingeordnet
werden
(Dissertation M. Molon, Ruhr-Universität Bochum 2014).103 Die Zn-Zn Abstände in diesen
Verbindungen sind im Vergleich zu Verbindung 4 teilweise noch einmal verkürzt und betragen
2.525(1) und 2.718(1)-2.811(1) Å (Tabelle 8). Die Zinkquelle ist hier nicht [Zn2Cp*2], sondern
ZnMe2, das in Gallium- / Zinkaustauschprozessen mit GaCp* haltigen Startverbindungen
reagiert. Im Gegnsatz zu [Zn2Cp*2], für das ein H2 analoger „side on“ Bindungsmodus postuliert
werden kann, entsteht die Zn-Zn Wechselwirkung hier also erst in Form eines hypothetischen
[Cp*Zn-ZnMe] während der Koordination an das Nickelzentrum. Die in diesem
Zusammenhang kürzeste Zn-Zn Distanz von 2.525(1) Å schließt sich erneut sehr gut der
Analogie von H2 und Zn2R2 (R = Cp*, Me) an. Nickel ist als d10 Metall der ersten Reihe des
Periodensystems elektronenärmer und stabilisiert als solches Zn-Zn Wechselwirkungen,
analog zu H2-Komplexen, im Vergleich zu dem elektronenreicheren Palladium effizienter. Der
Rückbindungscharakter von Nickel ist höher und erlaubt eine ausgewogene Mischung
zwischen Hin- und Rückbindung, was für die Erhaltung der H-H Bindung, oder hier der Zn-Zn
Wechselwirkung, ein entscheidender Faktor ist.
86
4. Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 8. Übersicht der Zn-Zn Abstände in [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µZnCp*)3] (5) im Vergleich zu Referenzabständen.
Verbindung
Zn-Zn Abstand
[Zn2Cp*2 ]
2.305(3) Å
[Ni(ZnCp*)(ZnMe)(PMe3)3]
2.525(1) Å
[Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4)
2.595(2) – 2.609(2) Å
[Ni(ZnCp*)2(ZnMe)2(PMe3)2]
2.718(1) - 2.811(1) Å
[Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5)
2.723(1) Å
[Ni(ZnCp*)4(ZnMe)4]
2.746(1) - 2.912(1) Å
4.3.6 Zusammenfassung
Nachdem die Synthese der Dreiringe [Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) erste Analogien
zwischen der Koordination von [Zn2Cp*2] und H2 an koordinativ und elektronisch ungesättigte
Komplexe gezeigt hat, schließt sich die Darstellung von [Pd(CN tBu)2(ZnCp*)4] (4) und
[Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5) nahtlos an den Vergleich an (Abbildung 40). Die
Reaktion zwischen [{Pd(CNtBu)2}3], das den elektronenziehenden CNtBu-Liganden enthält,
resultiert in der Darstellung von Komplex 4, in dem sich je zwei Zinkpärchen durch kurze ZnZn Distanzen strukturell herausstellen und Zn···Zn Wechselwirkungen suggerieren. Ergänzend
wird 4 durch einen stark verzerrten okatedrischen Koordinationspolyeder beschrieben,
dessen Bindungswinkel die Vermutung intakter Wechselwirkungen zwischen Zn1-Zn2 und
Zn3-Zn4 verstärken. Im Gegensatz dazu resultiert die Umsetzung des koordinativ
ungesättigten [Pd(PCy3)2] mit [Zn2Cp*2] in dem metallreichen Komplex 5. Das
elektronenreiche Ligandensystem trägt nicht zu einer Stabilisierung eines „side on“
gebundenen [Zn2Cp*2] Liganden mit intakter Zn-Zn Wechselwirkung bei, sondern ruft einen
Zn-Zn Bindungsbruch hervor. Diese starke Ligandenabhängigkeit ist ebenfalls für H2 Komplexe
bekannt und die Vielzahl an literaturbekannten Beispielen lässt hier eine Formulierung von
Trends zu, die in Kapitel 4.3.3. beschrieben wurden und folgend wurden die Analogien
zwischen der Koordinationschemie und den Koordinationsmodi von H2 und [Zn2Cp*2]
diskutiert.
87
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 40. Variation der Zn···Zn Wechselwirkungen in [Zn2Cp*2] und den Verbindungen 2, 4 und 5.
4.4 Molekulares Messing:
„Superatom“ Cluster 3
Cu4Zn4,
ein
ligandenstabilisierter
Kupfer-Zink Legierungen (Messing) sind eine der am längsten bekannten und erforschten,
sowie weit verbreitetsten Legierungen und stellen ein klassisches Beispiel einer Hume Rothery
Phase dar. Besonders breite Anwendung findet Messing aufgrund von erhöhter
Wärmeleitung, Härte, und Korrosionsresistenz im Vergleich zu elementarem Kupfer. In den
letzten Jahrzehnten rückte die Synthese von Metallnanopartikeln, sowie binären
intermetallischen Nanopartikeln und die Untersuchung ihrer physikalischen Eigenschaften,
mit daraus resultierenden potentiellen Anwendungen, mehr und mehr in den
Forschungsfokus.104, 105 So sind beispielsweise Studien von Au-Ag oder Au-Cu Nanopartikeln
3
K. Freitag, H. Banh, C. Gemel, R. W. Seidel, S. Kahlal, J.-Y. Saillard, R. A. Fischer, Chem. Commun. 2014, 50,
8681.
88
4. Ergebnisse und Diskussion
hinlänglich bekannt, wohingegen die „bottom-up“ Cu-Zn Nanochemie weitesgehend
unerforscht blieb. Lediglich einige wenige Berichte, wie die nasschemische Synthese von CuZn Nanopartikel sind erschienen.49, 50, 106 Hier werden beispielsweise auf dem Syntheseweg
der Precursor-Route die Kupfer- und Zinkstartverbindungen [CpCu(PMe3)] (Cp = C5H5, Me =
CH3)
und
[ZnCp*2]
(Cp*
=
C5Me5)
Co-hydrogenolisiert,
wodurch
stabilisierte
Messingnanopartikel gebildet werden. Während auf diesem Gebiet der Cu-Zn Nanopartikel
noch einige wenige Berichte zu finden sind, wurden analoge molekulare Beispiele von
definierten Messingclustern einer generellen Zusammensetzung [CuaZnb] bislang nicht
beschrieben. Die Verbindung [Zn2Cp*2CuCp*] (3) (Kapitel 4.2) ist die einzig bekannte
Verbindung, die eine nicht weiter stabilisierte, kovalente Cu-Zn Bindung enthält und
strukturell sowie analytisch charakterisiert werden konnte. Die flexible und reiche
Koordinationschemie von Carmonas Reagenz [Zn2Cp*2], zur Bildung von Übergangmetall-Zink
Bindungen, wurde in der Vergangenheit vielfältig demonstriert und so wurde im Rahmen
dieser
Arbeit
die
Reaktivität
von
[Zn2Cp*2]
gegenüber
verschiedenen
Kupfer-
Startverbindungen untersucht und im Folgenden vorgestellt.
4.4.1 Darstellung und Charakterisierung von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b)
Wird [CpCuCNtBu] mit einer equimolaren Menge an [Zn2Cp*2] in Toluol zur Reaktion
gebracht, kommt es zur augenblicklichen Dunkelrotfärbung der Lösung. Aus der
konzentrierten Lösung bilden sich bei -30 °C farblose, hellgelbe und dunkelrote, kubische
Einkristalle. Letztere bilden einen Mischkristall, in dem in einem molaren 1:1 Verhältnis die
beiden Verbindungen [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b) Cokristallisieren (Schema 22). 6a/6b sind isostrukturell mit Ausnahme der CyclopentadienylLiganden. Während Komplex 6a vier Cp*- (Pentamethylcyclopentadienyl) Liganden aufweist,
wird in 6b einer dieser Liganden durch einen Cp- (Cyclopentadienyl) Liganden substituiert
(Schema 22). Die isolierten Kristalle 6a/6b sind unter einer Inertgasatmosphäre bei -30 °C für
mehrere Wochen stabil, zersetzen sich jedoch bei Raumtemperatur innerhalb weniger Tage.
In Lösung sind die Cluster 6a/6b bis zu einer Temperatur von 80 °C stabil, bei höheren
Temperaturen ist die Zersetzung in Form von Ausfall eines metallischen Niederschlages
sichtbar. In n-Hexan sind 6a/6b nahezu unlöslich und auch in anderen unpolaren
89
4. Ergebnisse und Diskussion
Lösungsmitteln, wie Toluol und Benzol, zeigen die isolierten Kristalle ein schlechtes
Lösungsverhalten.
Schema 22. Darstellung der Cu4Zn4 Cluster [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)]
(6b). Die Abbildung verdeutlicht die tetraedrische Anordnung der Cu4 und Zn4 Tetraeder und steht
dabei nicht mit der tatsächlichen Bindungssituation im Cluster in Einklang.
Zur Charakterisierung der entstehenden Nebenprodukte wurden in situ 1H NMR Studien
durchgeführt, in denen [ZnCp*2], [ZnCp*Cp], unreagiertes [Zn2Cp*2] sowie [Cp*CuCNtBu]
anhand ihrer chemischen Verschiebungen identifiziert werden konnten. Außer letzterem
konnten alle entstehenden Nebenprodukte durch Waschen des Rohproduktes mit n-Hexan
abgetrennt werden. Alle Versuche, das Hauptnebenprodukt [Cp*CuCN tBu] von Verbindung
6a/6b zu separieren, scheiterten, wobei unterschiedliche Lösungsmittel zur Umkristallisation
oder dem Waschen der Produkt- / Nebenproduktmischung verwendet wurden und versucht
wurde, eine Trennung durch Sublimation oder Säulenchromatographie zu erzielen. Die
naheliegende Substitution von [CpCuCNtBu] durch [Cp*CuCNtBu] als Startverbindung der
Reaktion
wurde
ebenfalls
untersucht.
Ein
analoges
Reaktionsverhalten
beider
Kupferkomplexe gegenüber [Zn2Cp*2] konnte jedoch nicht beobachtet werden. In situ 1H NMR
Studien zeigen, dass [Cp*CuCNtBu] und [Zn2Cp*2] bei Raumtemperatur nicht miteinander zur
Reaktion gebracht werden können und sich beide Verbindungen bis zu ihrer Zersetzung
simultan im gasdichten NMR-Röhrchen erhitzen lassen. Um die Komplexe 6a/6b analytisch
charakterisieren zu können, wurden die dunkelroten kubischen Kristalle daher manuell unter
einem optischen Mikroskop in der Glovebox von den blassgelben [Cp*CuCNtBu] Kristallen
getrennt. Die Präsenz von Zn(II) Spezies als Nebenprodukte in Form von ZnR2 (R = Cp, Cp*)
indizieren einen Bildungsmechanismus für 6a/6b, der auf redox-chemischen Prozessen
90
4. Ergebnisse und Diskussion
basiert. Dabei wird Zn(I) aus [Zn2Cp*2] zu Zn(II) oxidiert und Cu(I) aus [CpCuCNtBu] zu Cu(0) in
6a/6b reduziert. Wird die Reaktion in Abwesenheit des Isonitril-Liganden durchgeführt,
können redox-chemische Prozesse interessanterweise nicht beobachtet werden. Die bereits
in Kapitel 2 beschriebene Reaktion, des bei tiefen Temperaturen in situ gebildeten CuCp*· mit
[Zn2Cp*2] resultiert nicht in einem definierten Cu-Zn Cluster, sondern in dem Addukt
[Zn2Cp*2CuCp*] (3). Die Entstehung mehrerer Nebenprodukte zeigt, dass die Bildung von
6a/6b nicht stöchiometrisch verläuft und konkurrierende Ligandenaustausch-Prozesse
stattfinden. Außerdem scheint eine starke Anhängigkeit der Reaktion von denen an das
Kupferzentrum koordinierten Liganden zu bestehen. Neben [Cp*CuCN tBu] wurden weitere
Kupferstartverbindungen der generellen Formel [LCuX], wobei L und X potentiell labil
gebundene, abspaltbare Liganden sind, auf ihre Reaktivität gegenüber [Zn2Cp*2] getestet. Die
Reaktionen mit [CpCuPMe3], [Cp*CuPMe3] und [HCuPPh3] zeigen in 1H NMR Studien jedoch
keine oder nicht definierte Reaktionen.
4.4.2
Spektroskopische
und
strukturelle
Charakterisierung
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b)
von
Die Cu4Zn4 Cluster 6a/6b wurden mittels 1H NMR Spektrometrie, LIFDI MS und FTIR
Spektroskopie analytisch charakterisiert. Der Kupfer- und Zinkgehalt wurde außerdem mit
Atom-Absorptions-Spektroskopie (AAS) bestimmt. Ergänzende Analysemethoden wie
13C
NMR Spektrometrie oder Elementar Analyse konnten aufgrund der schlechten
Zugänglichkeit zu den sauberen Kristallen von 6a/6b nicht durchgeführt werden. Der für
Kupfer und Zink bestimmte Metallgehalt (kalk. Cu: 18.77, Zn: 19.31 %; gefunden Cu: 19.32, Zn
20.51 %) stimmt mit den kalkulierten Werten für die Mischzusammensetzung 6a/6b überein
Das 1H NMR Spektrum von 6a/6b, aufgenommen in C6D6 bei Raumtemperatur, zeigt ein
molares Verhältnis von 1:1 für beide Verbindungen, alle auftretenden Signale können den
erwarteten chemischen Verschiebungen von Verbindung 6a und 6b zugeordnet werden. Der
Cluster 6a besitzt Td Symmetrie, die in je einem Signal für die tert-butylisonitril- Liganden (δ =
1.24 ppm (s, 36H)) und die Cp*- Gruppen (δ = 2.37 ppm (s, 60H)) resultiert. Verbindung 6b
weist hingegen C3v Symmetrie auf, die sich in zwei Signalen für die tert-butylisonitril- Liganden
sowie Signalen der Cp*- und Cp- Liganden widerspiegelt (δ = 1.31 ppm (s, 9H), δ = 1.32 (s,
27H), δ = 2.36 (s, 45H), δ = 6.37 ppm (s, 5H)) (Abbildung 41).
91
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 41. Oben: 1H NMR Spektrum von 6a/6b aufgenommen bei Raumtemperatur in C6D6. Unten:
Vergrößerung des relevanten Bereiches, zur besseren Darstellung der Cp*- und CNtBu- Signale.
Das AT-FTIR Spektrum von 6a/6b zeigt die charakteristischen Absorptionsbanden der Cp*Gruppen (2937, 2880, 2829 cm-1) und CNtBu-Liganden (2104 cm-1). Im LIFDI-MS Spektrum
können die [M]+ Molekülionpeaks beider Verbindungen 6a (m/z = 1389) und 6b (m/z = 1319)
beobachtet werden, wobei die Isotopenmuster beider Molekülionenpeaks gut mit den
berechneten Mustern übereinstimmen (Abbildung 42). Zusätzlich sind zahlreiche
92
4. Ergebnisse und Diskussion
Fragmentierungen, hervorgerufen durch konsekutive Abspaltung der Liganden, im LIFDI MS
Spektrum sichtbar.
Abbildung 42. Oben links: Molekülionenpeak von 6a (m/z = 1389). Oben rechts: Molekülionenpeak
von 6b (m/z = 1319), überlagert mit [6a-CNtBu]+ (m/z = 1306). Unten links: Berechnetes
Isotopenmuster für [6a]+. Unten rechts: Überlagertes berechnetes Isotopenmuster von [6b] und [6aCNtBu]+.
Die Auswertung der analytischen Daten zeigt zusammenfassend ein molares 1:1 Verhältnis
von 6a und 6b im Kristall. Auf dieser Basis wurde die Verfeinerung der Einkristallstruktur
vorgenommen. Kupfer und Zink können, aufgrund ihrer nahezu gleichen Elektronendichte,
mittels Einkristall-Röntgenstrukturanalyse unter Verwendung von CuKα – Strahlung nicht
unterschieden werden. Aufgrund der Td Symmetrie des Clusters, die durch das 1H NMR
Spektrum belegt wurde, sind jedoch nur zwei verschiedene Isomere für 6a/6b chemisch
möglich. Zum einen ist die Liganden-Verteilung ZnCp*(Cp) und Cu(CNtBu) möglich, zum
anderen ist auch die inverse Koordination Zn(CNtBu) und CuCp*(Cp) wissenschaftlich denkbar.
Um eine eindeutige Zuordnung vornehmen zu können, wurden DFT Kalkulationen
durchgeführt, die in Kapitel 4.4.3 diskutiert werden. Jedoch lässt sich auch durch die
Auswertung der spektroskopischen Daten auf die Besetzung der Kupfer- und Zinkpositionen
93
4. Ergebnisse und Diskussion
schließen. Die ν(CN) Streckschwingung, die bei einer Wellenzahl von 2104 cm -1 beobachtet
wird, kann gut mit denen für andere CuCNtBu Verbindungen berichteten Banden, wie der für
[CpCuCNtBu] (2144 cm-1), verglichen werden.48 Die ν(CN) Schwingung des nicht koordinierten
tert-butylisonitriles (2138 cm-1) ist ebenfalls in demselben Wellenzahlenbereich zu finden,
wohingegen die wenig berichteten ZnCNtBu Gruppen eine deutliche Verschiebung zu höheren
Wellenzahlen zeigen (2218-2244 cm-1).107
Abbildung 43. Molekülstruktur von Verbindung 6a/6b. Thermische Ellipsoide der Metallatome werden
mit 30 % Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome und Fehlordnung der Cp* Ringe
sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht abgebildet. Aufgrund des hohen Grades an Fehlordnung
konnten die Nichtmetallatome nicht anisotrop verfeinert werden und werden daher nicht als Ellipsoide
dargestellt. Ausgewählte Bindungslängen (Å) und Winkel (°): Cu-Cu 2.471(4), Cu-Zn 2.498(2), Cu-C1
1.892(1), Zn-Cp*centroid 2.055, Cu-Cu-Cu 59.99(1), Cu-Zn-Cu 59.29(11), Zn-Cu-Cu 60.35(5).
Kristallographische Daten: a = 16.8803(5) Å, b = 16.8803(5) Å, c = 16.8803(5) Å, α = 90 °, β = 90 °, γ =
90°, V = 4810.0(4) Å3, Rint = 0.1838, Goof = 1.045, R1 [I>2σ(I)] = 0.0678, wR2 (alle Daten) = 0.2042. Die
vollständigen Daten sind in Kapitel 6 zu finden.
Die vier Kupferatome in 6a/6b weisen eine Td-symmetrische Anordnung auf und bilden die
Ecken eines Cu4 Tetraeders mit Cu-Cu-Cu Bindungswinkeln von 59.99(1)°, welche einem
94
4. Ergebnisse und Diskussion
nahezu perfekten Tetraederwinkel entsprechen. (Abbildung 43). Die Cu-Cu Bindungslängen
von 2.471(4) Å sind länger als die für [(IPrCuH)2] (IPr = 1, 3-bis(2,6-diisopropylphenyl)imidazol2-ylidene) (2.305(1) Å) berichteten Cu-Cu Abstände, welches die kürzeste literaturbekannte
Cu-Cu Bindung ist, liegen aber im Bereich anderer Cu-Cu Bindungslägen, die für molekulare
Verbindungen bekannt sind (2.305(1) – 3.424(2) Å).108-110 Jede Cu4 Tetraederfläche wird von
einer ZnCp* Einheit verbrückt, wodurch ein äußerer Zn4Tetraeder gebildet wird. Neben
[Zn2Cp*2CuCp*] (3) sind Verbindungen 6a/6b die ersten molekularen Verbindungen, die eine
nicht weiter stabilisierte Cu-Zn Bindung (2.498(2) Å) aufweisen. Im Vergleich zu Verbindung 3
(2.357(1) – 2.381(1) Å) ist die Cu-Zn Bindung in 6a/6b leicht verlängert.
Der einzig
literaturbekannte Komplex mit Cu⋅⋅⋅Zn Wechselwirkung ist [Zn{(p-CH3CO2)(salpd-µ-O,O´)Cu}2]
(salpd = propane-1,3-diylbis(salicylideneiminate)) mit einem Cu-Zn Abstand von 3.038(2) Å),
welcher eindeutig eine nicht kovalente Wechselwirkung indiziert.111 Die Cp/Cp*-Liganden in
6a/6b sind hochgradig fehlgeordnet. Die Zn-Cp*centroid / Zn-Cpcentroid Bindungslängen (2.05 Å)
stimmen gut mit den denen der Startverbindung [Zn2Cp*2] (2.04 Å) überein.42 Der Cu-C1
Abstand von 1.89(1) Å ist mit der durchschnittlichen Länge bekannter Cu-CNtBu Verbindungen
vergleichbar (ø = 1.91 Å). Lediglich eine Verbindung mit Zn-CNtBu Bindung konnte bislang
charakterisiert werden, in der die Zn-C Bindungslänge 2.31 Å misst und somit die für 6a/6b
vorgenommene Zuordnung der Cu- und Zn- Positionen unterstützt.107 Der [Cu4Zn4] Kern in
6a/6b bildet einen tetraedrischen Stern. Interessanterweise wird ein ebensolches
Strukturmotiv in der bekannten γ – Messingphase Cu5Zn8 gefunden, in der ein innerer Zn4
Tetraeder von einem äußeren Cu4 Tetraeder umgeben wird, welches das inverse Motiv zu dem
[Cu4Zn4] Kern in 6a/6b darstellt (Abbildung 44).112 Die Bindungslängen der γ – Messingphase
betragen 2.704(1) Å für den inneren Zn4 Tetraeder, 4.319(1) Å für den äußeren Cu4 Tetraeder
und 2.611(2) Å für die Cu-Zn Bindungen. Diese Abstände sind im Vergleich zu denen in
Verbindung 6a/6b deutlich verlängert. Das inverse Strukturmotiv in 6a/6b zeigt eindeutig die
Präferenz der Koordination von CNtBu an die Kupferzentren, wohingegen die Cp* Gruppe
präferiert an die Zinkzentren koordiniert wird. Dieser Trend lässt sich auch in der Diskrepanz
zwischen den in der Literatur gut bekannten Cu-CNtBu haltigen Komplexen und nur einem
strukturell charakterisierten Zn-CNtBu Komplex einordnen.48,
107
Diese Präferenz führt
aufgrund der Sterik in 6a/6b zu der inversen Anordnung. Die Cp*-Gruppen weisen im
Vergleich zu den Isonitril-Liganden einen größeren sterischen Anspruch auf und bilden, an die
Zinkatome koordiniert, so den äußeren Tetraeder.
95
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 44. Links: [Cu4Zn4] Kern in 6a/6b mit innerem Cu4 Tetraeder (rot) und äußerem Zn4
Tetraeder (grün). Rechts: Cu10Zn16 Cluster der γ – Messing Festphasenstruktur mit inversen
Strukturmotiv eines inneren Zn4 Tetraeders (grün) und äußerem Cu4 Tetraeder (rot).
4.4.3 Quantenchemische Analyse von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3ZnCp)] (6b) und Diskussion der elektronischen Situation4
Kupfer und Zink sind, aufgrund ihrer nahezu identischen Elektronendichte als benachbarte
Elemente
im
Periodensystem,
mittels
Einkristall-Röntgenstrukturanalyse
nicht
unterscheidbar. Deshalb wurden zur Unterstützung der spektroskopischen Daten DFT
Rechnungen durchgeführt, um eine eindeutige Zuordnung der Kupfer- und Zinkpositionen in
6a/6b vornehmen zu können. Mögliche Isomere sind aufgrund der vorliegenden Td
Symmetrie, die aus dem 1H NMR Spektrum abgeleitet werden kann, [(CuCNtBu)4(ZnR)4] (R =
Cp*, Cp) und [(CuR)4(ZnCNtBu)4]. In den Modellrechnungen wurden anstelle der tBu-Gruppen
des
tert-butylisonitril-Liganden
Methylgruppen
(Me)
und
einheitlich
für
alle
Cyclopentadienylgruppen C5H5 (Cp)-Liganden verwendet. Die Auswertung der Rechnungen
zeigt, dass das Isomer [(CuCNMe)4(ZnCp)4] um 2.05 eV stabiler ist als [(ZnCNMe)4(CuCp)4].
Auch die berechneten Bindungslängen und IR Schwingungsbanden des [(CuCNMe) 4(ZnCp)4]
4
Der nachfolgende Abschnitt zitiert/paraphrasiert die entsprechenden Stellen in K. Freitag, H. Banh, C. Gemel,
R. W. Seidel, S. Kahlal, J.-Y. Saillard, R. A. Fischer, Chem. Commun. 2014, 50, 8681. Die hier wiedergegebenen
Ausführungen sind für die zusammenfassende Darstellung des Projektes in dieser Dissertation erforderlich.
96
4. Ergebnisse und Diskussion
Modells stimmen mit den experimentellen Daten von Verbindung 6a/6b gut überein (Tabelle
9).
Tabelle 9. Relevante berechnete Werte für die Modelle [(MCNMe)4(M‘Cp)4] (M = Cu, M‘ =Zn and M =
Zn, M‘ = Cu) mit Cp* substituiert durch Cp und CNtBu substituiert durch CNMe.
[(CuCNMe)4(ZnCp)4]
[(ZnCNMe)4(CuCp)4]
(S4)
(D2d)
Relative Energie (eV)
0.00
2.05
HOMO-LUMO gap (eV)
3.57
3.47
M-M
2.513 (0.102)
2.562 (0.104)
M-M‘
2.574 (0.151)
2.531 (0.179)
M-C
1.891 (0.316)
2.051 (0.166)
M’-(Cp centroid)
2.040
1.921
M
0.21
0.73
M’
0.73
0.16
υ(CN) (cm-1)
2268
2317
Bindungslängen in (Å) Wiberg
Indizes in Klammern :
Natürliche Atomladungen:
Innerhalb des Cu4Zn4 Clusters können signifikante kovalente Bindungspfade gefunden
werden. Diese bestehen weitesgehend aus acht metallischen σ-artigen Hybriden mit 4s
Charakter, welche sich in vier besetzte, bindende Gerüstorbitale und vier leere, anitbindende
Orbitale aufteilen (Abbildung 45). Daraus resultiert ein mit 3.57 eV großer HOMO-LUMO
Abstand, der einen closed-shell Zustand hervorruft.
97
4. Ergebnisse und Diskussion
a1*
a2
b1
a1
e (0.94)
"t2"
b2
b2*
b1
e*
"t2*"
a1
a2
b1
a1
b2
b2 (0.94)
e
b2(1.07)
e
e
e
b2
"t2"
a1(0.78)
pCp
a1 (1.33)
"t2"
(1.09)
pCp
3d(Cu)
3d(Cu)
a1
[(CuCNM e) 4] 4+
[(CuCNM e) 4(Z nCp) 4]
[(Z nCp) 4] 4-
Abbildung 45. Molekülorbitalschema von [(CuCNMe)4(ZnCp)4] in D2d Symmetrie. Die vier
[(CuCNMe)4]4+ Gerüstorbitale [a1 (bonding) + „t2“ (antibonding)] interagieren mit den vier nichtbindenden [(ZnCp)4]4- Kombinationen (a1 + „t2“) und bilden vier besetzte bindende Gerüstorbitale (a1
+ „t2“) und vier leere antibindende Gerüstorbitale (a1 + „t2*“). Die Werte in Klammern indizieren die
Besetzung der [(CuCNMe)4] und [(ZnCp)4] Fragmentorbitale in dem [(CuCNMe)4(ZnCp)4] Cluster.
Dieser wird auch beibehalten, wenn die CNMe-Liganden des Modells entfernt werden,
wodurch indiziert wird, diese als neutrale Liganden im Jellium Modell, das zum
Elektronenzählen in Clustern dient, zu betrachten.113, 114 Folglich bilden vier Elektronenpaare
ein delokalisiertes Elektronensystem entlang der 16 Metall-Metall Kontakte. Das Jellium
Modell hat sich als nahezu ideales vereinfachtes Modell für die Beschreibung von Clustern der
s/p Metalle herauskristallisiert. Es ist einerseits einfach genug, um die Clusterstrukturen und
98
4. Ergebnisse und Diskussion
Stabilitäten von Clustern mit bis zu mehreren tausend Atomen zu beschreiben. Andererseits
lassen sich trotz des vereinfachten Ansatzes Parameter eines Clusters bestimmen, die diesen
mit Bulkmaterialien oder ebenen Metalloberflächen vergleichbar machen. Als besonders
wertvoll hat sich das Jellium Modell in Bezug auf die Beschreibung der „super shell“ Strukturen
großer Alkalimetallcluster gezeigt. Die Vereinfachung des Modells liegt in der Missachtung der
ionischen Struktur eines Clusters. Stattdessen wird ein N atomiger Cluster durch eine Sphäre
angenähert, deren Radius sich aus dem Volumen von N Bulkatomen errechnet. Die als
delokalisiert betrachteten Valenzelektronen bewegen sich in einem sphärischen,
symmetrischen effektiven Potential, das durch N positiv geladene Metallkerne entsteht. Lösen
der Schrödinger Gleichung führt zu, nach dem Pauli Prinzip besetzen, Orbitalen. Aufgrund der
sphärischen Symmetrie ist die Degenerierung der Eigenzustände dieses Modells dieselbe, wie
die des Wasserstoffatoms. Das Aufbauprinzip für sogenannte Superatom Orbitale leitet sich
aus den degenerierten Zuständen des Jellium Modells (1S2 | 1P6 | 1D10 | 2S2 1F14 | 2P6 1G18
| … mit S-P-D-F-G- als Spin-Charakter) ab und führt zu außergewöhnlicher elektronischer
Stabilität für molekulare Cluster der generellen Form {[Mm]L5Xn}q (q = Ladung; L = elektronisch
neutraler, schwach koordinierender Ligand; X = elektronegativer, elektronenziehender
Ligand) mit einer Valenzelektronenanzahl von n = 2, 8, 18, 34, 58… . Eine kurze Erläuterung
des Jellium Modells ist in Kapitel 6.6 zu finden. Wird dieses Modell auf Verbindung 6a/6b
angewendet, so ist Cp* als Ein-Elektronen-ziehender Ligand mit X gleichzusetzen und CNtBu
ist als neutraler Ligand gleich L. Für Kupfer wird die effektive Valenzelektronenzahl von eins
angenommen, zwei für Zink. Durch folgende Formel
4 (4 × 1 𝐾𝑢𝑝𝑓𝑒𝑟 𝑉𝑎𝑙𝑒𝑛𝑧𝑒𝑙𝑒𝑘𝑡𝑟𝑜𝑛) + 8 (4 × 2 𝑍𝑖𝑛𝑘𝑣𝑎𝑙𝑒𝑛𝑧𝑒𝑙𝑒𝑘𝑡𝑟𝑜𝑛𝑒𝑛) −
4(4 × (−1)𝐶𝑝 ∗ 𝐿𝑖𝑔𝑎𝑛𝑑𝑒𝑛 − 0 (𝑛𝑒𝑢𝑡𝑟𝑎𝑙𝑒 𝐶𝑁 𝑡 𝐵𝑢 𝐿𝑖𝑔𝑎𝑛𝑑𝑒𝑛 = 8
wird eine Clustervalenzelektronenanzahl von 8 errechnet, welche einem Superatomcluster
mit abgeschlossenen Schalen entspricht. Der elektronische 1S21P6 Zustand entspricht mit Td
Symmetrie der elektronischen Konfiguration a12 t26, welche ebenfalls für Verbindung 6a/6b
berechnet wurde und in dem Molekülorbitalschema (Abbildung 45) verdeutlich wird. Für
einen Td symmetrischen Cluster mit 8 Clustervalenzelektronen wird ein vierfachverkappter
99
4. Ergebnisse und Diskussion
Tetraeder als stabilste Struktur vorausgesagt, welche dem Strukturmotiv in 6a/6b entspricht,
womit die Cluster [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6b) als
ligandenstabilisierter Superatom-Cluster bezeichnet werden können.
4.4.4 Fazit zur Zuordnung der Kupfer und Zinkpositionen in 6a/6b
Die Zuordnung der Kupfer- und Zinkpositionen in 6a/6b erfolgte durch das Hinzuziehen
komplementärer Charakterisierungsmethoden. Darauf zurückzugreifen ist notwendig, da eine
direkte
Bestimmung
der
Besetzungen
Einkristallröntgenstrukturanalyse
zur
in
den
Molekülen
Verfügung
mit
stehenden
den
für
Kupfer-
die
und
Molybdänröntgenquellen nicht vorgenommen werden kann. Kupfer und Zink sind im
Periodensystem benachbarte Elemente und die Aufnahme ihrer Elektronendichtekarten lässt
beide Elemente nicht voneinander unterscheiden. Wie Kupfer und Zink experimentell
zugeordnet werden könnten wird in Kapitel 6.7 erläutert. In dem vorliegenden Fall haben
insbesondere die Kombination quantenmechanischer Analysen und Infrarot-Spektroskopie zu
der Postulation der Positionsbesetzung geführt. Im IR Spektrum ist die Bande der ν(CN)
Streckschwingung bei 2104 cm-1 zu sehen. Somit liegt sie im selben Wellenzahlenbereich wie
die vergleichbare Schwingung des Eduktes [CpCuCNtBu] (2144 cm-1).48 Während an
Kupferzentren koordinierte tert-Butylisonitril Gruppen in der Literatur vielfältig bekannt sind,
gibt es lediglich eine Handvoll bekannter Zn-CNtBu Verbindungen. In diesen ist die ν(CN)
Streckschwingung deutlich zu höheren Wellenzahlen verschoben (2218-2244 cm-1).107
Denselben Trend zeigen die berechneten Wellenzahlen für die Modelle [(CuCNMe)4(ZnCp)4]
(2268 cm-1) und [(ZnCNMe)4(CuCp)4] (2317 cm-1), in denen die ν(CN) für Zn-CNtBu eine Bande
bei ebenfalls höheren Wellenzahlen zeigt. Neben dem Heranziehen von Infrarotspektroskopie
wurden die beiden Modelle [(CuCNMe)4(ZnCp)4] und [(ZnCNMe)4(CuCp)4], die die einzig
möglichen
Isomere
darstellen,
bindungstheoretisch
analysiert.
Die
berechneten
Bindungslängen des Modells [(CuCNMe)4(ZnCp)4] zeigen dabei eine bessere Übereinstimmung
mit den experimentell gefunden Cu-Cu, Cu-Zn, Cu-C und Zn-Cp*centorid Bindungslängen. Die
berechneten Bindungsabstände des Modells [(ZnCNMe)4(CuCp)4] zeigen hingegen
durchgehend verlängerte Bindungslängen (Tabelle 9). Desweiteren ist das Modell des Isomers
[(CuCNMe)4(ZnCp)4] um 2.05 eV stabiler als das von [(ZnCNMe)4(CuCp)4]. Die geschlossene
Betrachtung der verschiedenen Charakterisierungsmethoden liefert damit die analytische
100
4. Ergebnisse und Diskussion
Unterstützung des Postulats von [(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)]
(6b).
4.4.5 Zusammenfassung
Die in Kapitel 4 beschriebenen und diskutierten Verbindungen [(CuCN tBu)4(ZnCp*)4] (6a)
und [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6b) sind die ersten literaturbekannten molekularen Cu-Zn
Cluster, die kovalente Kupfer-Zink Bindungen aufweisen, welche nicht weiter stabilisiert sind.
Das strukturelle Motiv eines inneren Cu4 Tetraeders, der flächenverbrückend von einem Zn4
Tetraeder umgeben ist, wodurch ein tetraedrischer Stern gebildet wird, wird „invers“ in der
intermetallischen γ-Messingfestphase Cu5Zn8 gefunden. Diese Analogie erlaubt die
Beschreibung von 6a/6b als molekulares Messing. Das Superatomkonzept, welches auf dem
Jellium Modell beruht, kann auf 6a/6b angewendet werden und führt zu einem 1S21P6
geschlossenen Zustand mit einer Clustervalenzelektronenanzahl von 8, welches in Bezug auf
Superatomcluster eine „magische Zahl“ ist, mit der eine außergewöhnliche elektronische
Stabilität verknüpft ist. Die Synthese von 6a/6b weist eine hohe Abhängigkeit der an das
Kupferzentrum
koordinierten
Liganden
auf.
So
wurden
unterschiedliche
Kupfer
Startverbindungen der generelle Formel LCuX, wobei L und X variiert wurden (L = Cp, Cp*, H;
L = CNtBu, PMe3, PPh3) auf ihre Reaktivität gegenüber [Zn2Cp*2] untersucht, wobei lediglich
die Verwendung von [CpCuCNtBu] zu einer definierten Synthese neuer Komplexe (6a/6b)
führte.
4.5 Das Dizink Kation [Zn2]2+ eingeschlossen in einer homoleptischen
metalloiden Koordinationsumgebung, stabilisiert durch DispersionsWechselwirkungen: [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2)5
Der erste Bericht von Carmona et al. über ihre außergewöhnliche Verbindung [Zn2Cp*2]
stieß nicht nur Reaktivitätsuntersuchungen an, sondern inspirierte allgemein Studien an
niedrig koordinierten Verbindungen des Typs [M2R2] (M = Mg, Zn; R = sterisch anspruchsvoller
Ligand).61,
115
Die für [Zn2Cp*2] demonstrierten Reaktionsmechanismen, wie das selektive
5
K. Freitag, H. Banh, C. Gemel, P. Jerabek, R. W. Seidel, G. Frenking und R. A. Fischer, „The Dizinc Cation [Zn 2]2+
Trapped In A Homoleptic Metalloid Coordination Environment Stabilizes by Dispersion Forces:
[Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2”, Inorg. Chem., eingereicht, Oktober 2014.
101
4. Ergebnisse und Diskussion
Abspalten der Cp*-Gruppen durch Protolyse oder Oxidation, aber auch die vielfältige
Koordinationschemie von [Zn2Cp*2] gegenüber Übergangsmetallzentren indizieren die
Vorteile der Verwendung des Cp*-Liganden in Kontrast zu anderen, unflexiblen sterisch
anspruchsvollen Liganden wie Ar‘ (C6H3-2,6-(C6H3-2,6-iPr2)2). Letztere sind insbesondere unter
milden Reaktionsbedingungen nicht, oder nicht selektiv, abspaltbar.64,
70, 75, 96, 97
Diese
Vorarbeiten und die der Darstellung der zinkreichen Moleküle [TM(ZnR)2n] (TM = n ≥ 4; M =
Mo, Ru, Rh, Ni, Pd, Pt; R = Me, Et, Cp*), deren Zugang durch die Reaktionen GaCp* haltiger
Komplexe [TM(GaCp*)n] mit ZnR2 (R = Et, Me) erschlossen wurde, legten auch nahe, die
Koordinationschemie von GaCp* an Zinkzentren zu erforschen.51, 54 Eine erste Ga-Zn Bindung
im Molekül wurde für den Komplex [Zn(GaCp*)4]2+ beschrieben. Die Komplexierung von Zn2+
erfolgt durch Protolyse von ZnMe2 mit [H(Et2O)2][BAr4F] und nachfolgender GaCp* Zugabe.116
Interessanterweise verhalten sich [Zn2Cp*2] und GaCp* einander gegenüber vollkommen
inert. Dieses inerte Verhalten lässt sich unter Bezug auf die Verbindungen [Zn 3Cp*3][BAr4F]
(2[BAr4F]) und [Zn2Cp*2CuCp*] (3) erklären. Die Addition von dem Zwei-Elektronen-Donor
GaCp* an [Zn2Cp*2] würde in dem Dreiring [Zn2Cp*2GaCp*] resultieren. Unter Erhalt der ZnZn Wechselwirkungen wäre das allerdings ein 4 Elektronensystem, das „anti-aromatisch“ ist,
bzw. antibindende MOs würden besetzt werden, wodurch das System nicht stabil ist. Im
Gegensatz dazu wären die Systeme [Ga(ZnCp*)3] (analog zu GaH3) und [Cp*Ga(ZnCp*)2] ohne
eine Zn···Zn Wechselwirkung stabil. In situ NMR Studien zeigen jedoch keine Anzeichen der
Bildung solcher Spezies. Das bekannte Reaktionsverhalten von [Zn2Cp*2] gegenüber
Übergangsmetallzentren wie homolytische Zn-Zn Bindungsspaltung und Koordination von
ZnCp* Fragmenten kann also nicht ohne weiteres auf Hautgruppenmetallzentren übertragen
werden. GaCp* wurde daher durch [Ga2Cp*][BAr4F] als Reaktionspartner für [Zn2Cp*2]
substituiert. Das [Ga2Cp*]+ Kation kann als synthetisches Equivalent eines Substituentenfreien, „nackten“ Ga+ betrachtet werden, welches stark Lewis-azides und redox-labiles Ga+ auf
elektronenreiche Metallzentren transferiert. So resultiert besipielsweise aus der Umsetzung
von [Pt(GaCp*)4] mit [Ga2Cp*][BAr4F] das penta-koordinierte Pt(0) Kation [GaPt(GaCp*)4]+.117
Daher wird mit [Zn2Cp*2] als Reaktionspartner die Darstellung von Spezies wie eines
kationischen [{GaZn2}Cp*2]+ (eine Ga+ verbrückte Zn-Zn Bindung) oder eines neutralen
[Ga(ZnCp*)3] (ein RZn Analog von GaH3) erwartet.
102
4. Ergebnisse und Diskussion
4.5.1 Darstellung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2)
Die Reaktion von [Zn2Cp*2] mit einer equimolaren Menge an [Ga2Cp*][BAr4F] in Fluorbenzol
führt augenblicklich zu der Bildung einer intensiv gelben Lösung, aus der sich ein metallischer
Niederschlag bildet. Die Trennung der Lösung von diesem Niederschlag, anschließendes
Konzentrieren der Lösung im Vakuum und Lagerung bei -30 °C führt zu der Bildung gelber,
kubischer Einkristalle der Zusammensetzung [Zn2(µ-GaCp*)2(GaCp*)4][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) in
Ausbeuten von ~ 26% (Schema 23). Es ist anzumerken, dass die Ausbeute durch Variation des
stöchiometrischen Eduktverhältnisses nicht erhöht werden kann.
Schema 23. Darstellung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2).
Die isolierten Kristalle sind in einer Inertgasatmosphäre bei -30 °C für mehrere Wochen stabil,
zersetzen sich jedoch bei Raumtemperatur innerhalb einiger Stunden und zeigen ebenso
schnell Anzeichen von Zersetzung in Lösung. Aufgrund des ionischen Charakters ist
Verbindung 7[BAr4F]2 gut in polaren Lösungsmitteln wie Fluorbenzol und Dichlormethan
löslich.
4.5.2. Spektroskopische und
[Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2)
strukturelle
Charakterisierung
von
Die Zuordnung der Gallium- und Zinkpositionen in Kation 7 hat sich, begründet auf der
Ununterscheidbarkeit
von
Gallium
und
Zink
in
der
Standard-Einkristall-
Röntgenstrukturanalyse, als kompliziert erwiesen, weshalb nur indirekt, durch die
Auswertung verschiedener analytischer Charakterisierungsmethoden und dem Hinzuziehen
quantenchemischer Berechnungen, auf die Molekülstruktur in [Zn2(GaCp*)6]2+ (7) geschlossen
werden konnte. Der Metallgehalt wurde mittels Atom-Absorptionsspektroskopie (AAS)
bestimmt (Zn 3.57 %, Ga 10.81 %) und weicht leicht von den berechneten Werten für die
103
4. Ergebnisse und Diskussion
Summenformel C148H134B2F52Ga6Zn2 (7[BArF]2 · 4C6H5F) (Zn 3.77 %, Ga 12.05 %) ab, vermutlich
durch die thermische Instabilität von Verbindung 7[BAr4F]2 bei Raumtemperatur begründet.
Trotz der Abweichung entspricht das gefundene Ga/Zn Verhältnis gut dem vermuteten Gehalt
beider Metalle. Das 1H NMR Spektrum von 7[BAr4F]2, aufgenommen bei Raumtemperatur in
CD2Cl2, zeigt neben den Resonanzen der [BAr4F]- Anionen lediglich ein weiteres Signal bei der
chemischen Verschiebung δ = 2.05 ppm (90H) und indiziert damit das Vorhandensein
chemisch
equivalenter
Cp*-Liganden,
oder
schnelle
Cp*
Austauschprozesse
bei
Raumtemperatur. Bei niedrigeren Temperaturen beginnt das Signal zu dekoaleszieren, bei -60
°C sind zwei breite Singuletts bei δ = 1.92 und 1.88 ppm sichtbar, das integrale Verhältnis ist
unerwartet 1:5. Auch bei -90 °C werden beide Signale nur wenig schärfer. Das erwartete
integrale Verhältnis für eine statische Struktur mit zwei verbrückenden und vier terminalen
GaCp*-Liganden wäre 1:2. Eine plausible Erklärung für die Abweichung des erwarteten und
beobachteten integralen Verhältnisses ist das Vorhandensein zweier Isomere in Lösung, eines
mit verbrückenden und terminalen Liganden (7B), in Einklang mit der Festkörperstruktur und
eines mit ausschließlich terminalen Liganden (7A) (Abbildung 46). Zwei der erwarteten drei
Signale dieser Isomeren-Mischung überlagern, resultierend aus der sehr kleinen Differenz der
chemischen Verschiebung koordinierter GaCp*-Liganden. Die überlagernden Signale spiegeln
sich außerdem in der Breite der Signale bei -90 °C wieder. Die temperaturabhängigen NMR
Spektren sind reversibel und reproduzierbar, wodurch partielle Zersetzung während der
Messung ausgeschlossen wird. Eine weitere Erklärung für das temperaturabhängige NMR
Verhalten ist die Dissoziation von GaCp* in Lösung und ein schnelles Assoziations/Dissoziationsgleichgewicht bei höheren Temperaturen. Auch wenn diese Möglichkeit nicht
vollständig ausgeschlossen werden kann, ist kein Signal für freies GaCp* in CD2Cl2 (2.04 ppm)
sichtbar.
104
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 46. Oben: Temperatur-abhängige 1H NMR Spektren für Verbindung 7[BAr4F]2. Unten:
Gleichgewicht der Koordinationsisomere 7A und 7B. Bei -90 °C sind für beide Isomere Resonanzen im
1
H NMR sichtbar. Dabei korrespondieren die zehn isomer-übergreifenden terminalen GaCp*-Liganden
(dunkel blau) zu der chemischen Verschiebung bei δ = 1.88 ppm, die verbrückenden GaCp*-Liganden
von Isomer 7B (hell blau) entsprechen dem Signal bei δ = 1.92. Das integrale Verhältnis von 150:30
Protonen entspricht der jeweiligen Anzahl der equivalenten Cp* Gruppen.
In Ergänzung zeigt das
13C
NMR Spektrum von 7[BAr4F]2 bei Raumtemperatur Signale der
[BAr4F] Anionen und einer Cp* Spezies. Zusätzlich ist die beginnende Zersetzung von Komplex
7 in Lösung aus der Bildung von Cp*H und eines metallischen Niederschlages ersichtlich.
105
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 47. Molekülstruktur des [Zn2(µ-GaCp*)2(GaCp*)4]2+ (7) Kations. Thermische Ellipsoide
werden mit 50 % Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome sind aus Gründen der
Übersichtlichkeit nicht abgebildet. Ausgewählte Bindungslängen (Å) und –winkel (°) :Zn1-Zn1‘ 2.411(1),
Zn1-Ga1 2.456(1), Zn1-Ga2 2.459(1), Zn1-Ga3 2.585(1), Zn1-Ga3‘2.511(1), Ga-Cp*centroid ø = 1.909, Ga1Zn1-Ga2 103.55(2), Ga1-Zn1-Ga3 108.19(2), Ga2-Zn1-Ga3 108.85(2), Zn1-Ga1-Cp*centroid 162.46, Zn1Ga2-Cp*centroid 170.10, Zn1-Ga3-Cp*centroid 135.64, Zn1-Ga3’-Cp*centroid 166.64. Kristallographische
Daten: a = 14.6492(2) Å, b = 14.8155(2) Å, c = 18.8823(3) Å, α = 75.670(10) °, β = 69.094(2) °, γ =
87.907(10) °, V = 2703.27(10) Å3, Rint = 0.0575, Goof = 1.016, R1 [I>2σ(I)] = 0.0583, wR2 (alle Daten) =
0.1740. CCDC: 1023640. Die vollständigen Daten, sowie die Packung von 7 in der Elementarzelle sind
in Kapitel 6 zu finden.
Die aufgrund spektroskopischer Daten vorgenommene Zuteilung der Gallium und Zink
Positionen in 7, kann mittels Routine XRD weder bestätigt noch widerlegt werden. Ein
Vertauschen der Positionen während der Verfeinerung der Kristallstruktur, sowie gemischte
Besetzungen der acht Metallpositionen, führen zu keinen signifikanten Änderungen der
essentiellen Parameter wie Temperaturfaktoren, Ausdehnung der thermischen Ellipsoide,
oder R-Werten. Die Struktur von Kation 7 besitzt einen [Zn2]2+ Kern, in dem Zn(I) in eine
homoleptische Hülle aus GaCp* 2-Elektronendonoren eingefasst ist (Abbildung 47). Damit ist
[Zn2(GaCp*)6]2+ (7) ein Analog des Zn(II) Komplexes [Zn(GaCp*)4]2+ und ein metalloides Analog
klassicher Donor-Akzeptor Komplexe [Zn2L6]2+ (z.B. L = dmap).64, 116 Verbindung 7[BAr4F]2 · 2
C6H5F kristallisiert in der triklinen Raumgruppe P-1 mit einem Molekül in der Elementarzelle.
Der [Zn2]2+ Kern ist von sechs GaCp*-Liganden umgeben, von denen zwei verbrückende
Positionen besetzen, während die restlichen Liganden terminal koordiniert sind. Die Zn-Zn
106
4. Ergebnisse und Diskussion
Bindungslänge des Kernes von 7 (2.412(1) Å) ist im Vergleich zu [Zn2Cp*2] verlängert, kann
aber gut mit den Zn-Zn Abständen in dem ebenfalls kationischen [Zn 3Cp*3]+ (2)
(2.418-2.463 Å) verglichen werden.42 Zwischen dem Kern und den terminalen GaCp*-Liganden
betragen die Bindungslängen 2.456(1) und 2.459(1) Å und liegen damit im Bereich der
wenigen literaturbekannten Ga-Zn Abstände (2.321(1) - 2.463(1) Å).116, 118 Im Vergleich dazu
sind die Ga-Zn Bindungen aufgrund ihrer verbrückenden Positionen erwartungsgemäß leicht
verlängert (2.511(1) und 2.585(1) Å). Die Ga-Cp*centroid Distanzen (ø = 1.909 Å) sind
vergleichweise kurz (Ga-Cp*centroid ø = 1.962) und lassen somit auf elektrophile Galliumzentren
schließen, die für einen zweifach positiv geladenen Komplex auch angenommen werden
können. Dieser Effekt wurde bereits noch stärker in [Zn(GaCp*)4]2+ mit Ga-Cp*centroid
Abständen von 1.850 und 1.861 Å beobachtet.116 Beide Zinkatome des Kernes in 7 befinden
sich in einer tetraedrischen Koordinationsspähre von vier GaCp*-Liganden. Zwei der Ga-Zn-Ga
Bindungswinkel ((Ga1-Zn1-Ga3 103.55(2) °, Ga2-Zn1-Ga3 108.19(2) °) weichen nur leicht von
einem perfekten Tetraederwinkel (109.5 °) ab, wohingegen der Ga1-Zn1-Ga2 Winkel
(103.55(2) °) eine größere Abweichung zeigt, vermutlich durch den sterischen Einfluss der
Zink-Zink Bindung. Das strukturelle Motiv der trigonalen Anordnung, analog zu [Zn3Cp*3]+ (2)
und [Zn2Cp*2(CuCp*)] (3), ist mit zwei zentralen {Zn2Ga} Einheiten zu finden. Die
Bindungswinkel weichen mit Winkeln von 56.47(2) (Zn1-Ga3-Zn1‘), 60.22(2) (Ga3-Zn1‘-Zn1)
und 63.31(2) ° (Zn1‘-Ga3-Zn1) leicht von den perfekten Winkeln in einem Dreieck ab. Die Zn1Ga-Cp*centroid Winkel weisen keine lineare Anordnung auf und liegen im Bereich von 135.64170.10 °. Für Ga1 und Ga2 ist dies möglicherweise auf sterische Aspekte, für Ga3 auf die
verbrückende Position im Molekül, zurückzuführen.
4.5.3 Mechanistische Überlegungen
Auch wenn die Reaktionsmechanismen, die zur Bildung von Kation 7 beitragen, nicht
vollständig aufgeklärt werden können, sollen die Auswertungen der spektroskopischen Daten
in Bezug auf mögliche Reaktionspfade kurz zusammengefasst werden. Es ist anzunehmen,
dass initial ein Ga+ Transfer von [Ga2Cp*]+ auf [Zn2Cp*2], möglicherweise durch elektrophilen
Angriff auf die Zn-Zn Bindung, stattfindet. Übergangsmetallverbindungen mit liganden-freiem
Ga+, also Strukturmotive des Typs [(µ2-Ga)M2] sind aus der Literatur bekannt (Dissertation M.
Halbherr, Ruhr-Universität Bochum 2011).68, 119 Anschließend könnte ein Cp* Transfer von
107
4. Ergebnisse und Diskussion
einem Zinkatom auf ein Galliumzentrum stattfinden, die gebildeten GaCp*-Liganden an
ungesättigte Zinkzentren koordinieren. Ga+ würde sich so analog zu H+ verhalten, welches
bekanntermaßen die ungeschützte [Zn2]2+ Einheit durch Cp*H Eliminierung generiert. Der
gebildete metallische Niederschlag (Ga:Zn 24:1), also die Bildung von Spuren Zn(0) und
reichlich Ga(0), zeigen redox chemische Prozesse. Sowohl für [Ga2Cp*]+ als auch für [Zn2Cp*2]
sind Disproportionierungen bekannt, in diesem Fall können jedoch keine Ga(III) oder Zn(II)
Spezies als Nebenprodukte beobachtet werden. Anzumerken ist allerdings, dass solvatisierte
Ga3+ und Zn2+ Kationen gebildet werden können, die im 1H NMR nachzuweisen sind. [ZnCp*2]
und [Ga2Cp*]+ reagieren nicht unter Bildung einer neuen gemischt metalischen Ga/Zn Spezies.
Das in situ 1H NMR Spektrum der Mischung zeigt lediglich eine Resonanz bei δ = 1.99 ppm,
auch nach längerem Erhitzen der Reaktionsmischung im NMR Rohr ist keine Veränderung zu
sehen. Das Koaleszenzsignal wird durch schnellen Cp* Gruppen Transfer zwischen [ZnCp*2]
und [Ga2Cp*]+ hervorgerufen. Dadurch kann eine Disproportionierung von [Zn2Cp*2] in
Zink(0)metall und [ZnCp*2], vor der Reaktion mit [Ga2Cp*]+ ausgeschlossen werden. Eine
effizientere Syntheseroute ist möglicherweise eine klassische Ligandensubstitution, in der
[Zn2L6]2+ Komplexe (L = substitutionslabiler Ligand) mit einem Überschuss an GaCp* reagiert
werden, der Zugang zu solchen Spezies ist bisher allerdings limitiert.
4.5.4 Quantenchemische
(7[BAr4F]2)6
Untersuchungen
von
[Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2
Für die Bestimmung der Gallium- und Zinkpositionen und der Bindungssituation in 7
wurden Dichtefunktionstheorie (DFT) Kalkulationen auf BP86/TZVPP Level mit D3(BJ)
Korrektion von Grimme durchgeführt. Für die Geometrieoptimierung wurde die
Röntgenstruktur von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) als Ausgangspunkt gewählt, während
den Berechnungen haben die verbrückenden GaCp*-Liganden der Festkörperstruktur
terminale Positionen eingenommen, verschiedenste Berechnungen wurde keine energetische
Minimumstruktur der Festphasenstruktur ermittelt. Die berechnete Kationenstruktur von 7
ist in Abbildung 48 zu sehen und stimmt mit der Struktur in Lösung, wie sie in 1H NMR
6
Der nachfolgende Abschnitt zitiert/paraphrasiert die entsprechenden Stellen in der Dissertation des
Kooperationspartners Paul Jerabek (Philipps-Universität Marburg, 2014) und in K. Freitag, H. Banh, C. Gemel, P.
Jerabek, R. W. Seidel, G. Frenking, R. A. Fischer, Inorg. Chem., DOI: 10.1021/ic502532g. Die hier wiedergegebenen
Ausführungen sind für die zusammenfassende Darstellung des Projektes in dieser Dissertation erforderlich.
108
4. Ergebnisse und Diskussion
Untersuchungen identifiziert wurde, überein. Die dikationische Festphasenstruktur mit zwei
verbrückenden Liganden wird vermutlich durch die [BAr4F]- Anionen sowie Packungseffekte
im Kristall stabilisiert.
Abbildung 48. Optimierte Struktur von 7. Die Bindungslängen beziehen sich auf Werte auf BP86D3(BJ)/TZVPP Level, die entsprechenden Werte ohne Dispersionswechselwirkungen sind in eckigen
Klammern gegeben. Die experimentellen Werte des verbrückenden Isomers sind in runden Klammern
aufgelistet, alle Bindungslängen werden in Å angegeben: Zn1-Zn2 2.361 [2.461] (2.411), Ga1-Zn1 2.498
[2.601] (2.459), Ga2-Zn1: 2.456 [2.598] (2.456), Ga3-Zn1 2.517 [2.603] (2.585), Ga4-Zn2 2.515 [2.603]
(2.585), Ga5-Zn2 2.461 [2.598] (2.456), Ga6-Zn2 2.487 [2.601] (2.459).
Die berechneten Ga-Zn Bindungslängen der optimierten Struktur stimmen mit den für das
Isomer 7B experimentell bestimmten terminalen Abständen überein. Die optimierte Struktur
weist für die beiden Zn(GaCp*)3 Fragmente Ga-Zn Abstände von 2.456-2.517 Å und 2.4612.515 Å. Zwei kurze Ga-Zn Bindungen mit 2.456 und 2.459 Å, sowie eine verlängerte Bindung
mit 2.585 Å zeigt die experimentelle Struktur. Die gute Übereinstimmung der berechneten
und experimentellen Bindungswerte demonstriert die signifikante Auswirkung von
Dispersionswechselwirkungen, unter denen die berechneten Ga-Zn Bindungen stark verkürzte
Werte aufweisen. Der Einfluss der Dispersionskräfte
rückt außerdem bei der
quantenchemischen Betrachtung der Zn-Zn Bindung in den Vordergrund, welche mittels EDA
(Energy Decompositon Analysis) untersucht wurde. Tabelle 10 zeigt die EDA Berechnungen für
die Interaktion der zwei [Zn(GaCp*)3]+ Fragmente, mit und ohne Dispersions-Korrektur.
109
4. Ergebnisse und Diskussion
Tabelle 10. Werte der EDA Kalkulationen in kcal/mol für die Interaktion der [Zn(GaCp*)3]+ Fragmente,
mit (BP86-D3(BJ)/TZ2P+) und ohne (BP86/TZ2P+) Dispersionswechselwirkungen (DW). Die
[Zn(GaCp*)3]+ Fragmente wurden im elektronischen Dublett-Zustand berechnet.
Mit DW
Ohne DW
(BP86-D3(BJ)/TZ2P+)
(BP86/TZ2P+)
ΔEint
-51.5
-3.6
ΔEPauli
145.4
145.4
ΔEelstat
-49.2 (25.0%)
-49.2 (33.0%)
ΔEorb
-99.8 (50.7%)
-99.8 (67.0%)
ΔEdisp
-48.0 (24.4%)
-
Die kalkulierten Werte für die intrinsische Interaktion ∆Eint zwischen den positiv geladenen
Fragmenten [Zn(GaCp*)3]+ mit starren Geometrien sind attraktiv, die Anziehung beruht jedoch
in hohem Maß auf Dispersionskräften. Während die intrinsische Zn-Zn Bindung lediglich
∆Eint = -3.6 kcal/mol beträgt, ist der totale Wert der Anziehung ∆Eint = -51.5 kcal/mol. Ähnliche
Beobachtungen
wurden
jüngst
von
Grimme
und
Schreiner
für
substituierte
Hexaphenylethane, welche von sterisch anspruchsvollen Liganden an den Phenylgruppen
stabilisiert werden, resultierend in dem Molekül Ar3C-CAr3, welches ausschließlich von
Dispersionskräften zusammengehalten wird, gemacht.120 Aufspalten der Interaktionsenergie
∆Eint zeigt, dass die Hälfte der attraktiven Wechselwirkungen aus Orbitalwechselwirkungen
(∆Eorb = 51%) resultieren, 25 % fallen auf elektrostatische Interaktion (∆Eelstat) zurück und zu
24 % tragen Dispersionskräfte (∆Edisp) bei.
4.5.5 [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8) – Ein Strukturisomer von [Zn2(GaCp*)6]2+ (7)
Aus den Überlegungen der mechanistischen Reaktionsschritte, die zur Bildung von Kation
7 führen wurde bereits resümiert, dass eine effektivere Syntheseroute möglicherweise die
Reaktion von GaCp* mit substitutionsslabilen [Zn2L6]2+ Komplexen ist. Der Zugang zu diesen
niedervalenten Zinkkomplexen ist bisher begrenzt ist, allerdings ist mit [Cp*Zn2(Et2O)3][BAr4F]
ein Komplex des Typs [Cp*ML3]+ bekannt, welcher auf seine Reaktivität gegenüber GaCp*
getestet wurde. Die Reaktion beider Startmaterialien führt in einem molaren Verhältnis von
110
4. Ergebnisse und Diskussion
1:6 bei -15 °C in Diethylether zu der Bildung eines gelben, mikrokristallinen Niederschlags.
Nach Routineaufarbeitung und Rekristallisation aus Fluorbenzol bei -30°C wachsen innerhalb
von 24 Stunden gelbe, kubischen Einkristalle in Ausbeuten von ~ 44 %, die mittels
Röntgenstrukturanalyse untersucht wurden. Dies ergab für Kation 8 eine Konnektivität eines
[M2]2+ Kernes, der von sechs terminalen MCp*-Liganden (M = Ga, Zn) umgeben ist, die sich
somit von der Festkörperstruktur von 7 unterscheidet (Schema 24). Auch die ermittelten
Einheitszellen weichen in einem signifikanten Maß voneinander ab, sodass angenommen
werden kann, dass die Kationen 7 und 8 zwei unabhängige, unterschiedliche
Komplexekationen darstellen.
Schema 24. Darstellung von [M8Cp*6][BAr4F]2 (M = Ga, Zn) (8[BAr4F]2).
Als mikrokristallines Pulver ist Verbindung 8[BAr4F]2 in einer Inertgasatmosphäre bei -30 °C
für mehrere Wochen stabil, zeigt jedoch bei Raumtemperatur innerhalb eines Tages Spuren
von Zersetzung. Wie Verbindung 7[BAr4F]2 ist [M8Cp*6][BAr4F]2 (8[BAr4F]2) in polaren
Lösungsmitteln wie Dichlormethan und Fluorbenzol gut löslich.
4.5.6 Spektroskopische und strukturelle Untersuchung von [M8Cp*6][BAr4F]2
(M = Ga, Zn) (8[BAr4F]2)
Analog zu Verbindung 7[BAr4F]2 kann auch für Komplex 8[BAr4F]2 nur indirekt, durch die
Kombination unterschiedlicher analytischer Charakterisierungen, auf die Zusammensetzung
und Verteilung der Gallium- und Zinkpositionen geschlossen werden. Der Metallgehalt wurde
mittels AAS Analyse bestimmt. Die gefundenen prozentualen Werte (Zn 4.62, Ga 12.64)
stimmen auch für Verbindung 8[BAr4F] mit den berechneten Werten derselben
Summenformel C124H114B2F48Ga6Zn2, die für 7[BAr4F]2 gefunden wurde, überein (Zn 4.24, Ga
13.55). Somit besitzt Kation 8 dieselbe elementare Zusammensetzung wie Kation 7, weist aber
111
4. Ergebnisse und Diskussion
eindeutig eine andere Festkörperstruktur auf und wird daher zunächst als [Zn2Ga6(Cp*)6]2+
beschrieben, das weiter analytisch charakterisiert wurde. Insgesamt existieren fünf
unterschiedliche strukturelle Isomere, die in Abbildung 49 gezeigt werden und der
elementaren Zusammensetzung von 8 entsprechen.
Abbildung 49. Mögliche Isomere mit einem Ga:Zn Verhältnis von 6:2. Nachdruck mit Genehmigung
von Hung Banh, Masterarbeit 2013, Ruhr-Universität Bochum.
Im Rahmen der Dichtefunktionstheorie von 7 wurden alle weiteren stabilen Isomere
derselben Zusammensetzung berechnet. Diese Rechnungen ergaben kein lokales Minimun für
Isomer e) (Abbildung 49), dieses wird folglich in die weitere Diskussion der Gallium- und
Zinkpositionen nicht einbezogen. Für alle weiteren Isomere konnten energetische Minima
berechnet werden, welche in Summe vier sind, wovon eines einen Zn2 Kern besitzt (a)) und
somit der Struktur von Kation 7 in Lösung entspricht, zwei einen Ga2 Kern besitzen (b) und d))
und eines einen gemischt metallischen Ga/Zn Kern (c)). Im 1H NMR Spektrum von 8[BAr4F]2 ist
bei Raumtemperatur neben der Resonanzen der [BAr4F]- Anionen lediglich ein Signal im
charakteristischen Bereich für Cp* Gruppen sichtbar (δ = 2.04 ppm). Damit ist das NMR
spektroskopische Verhalten von 8[BAr4F]2 dem von 7[BAr4F]2 bei Raumtemperatur sehr
ähnlich. Dahingegen zeigt 8[BAr4F]2 bereits ab -40 °C Dekoaleszenz des Signales, welches
eindeutig in zwei Singuletts (δ = 1.92 und 1.96 ppm), mit einem integralen Verhältnis von 30:60
Protonen, aufspaltet (Abbildung 50). Damit zeigt 8[BAr4F]2 ein signifikant anderes
Dekoaleszenzverhalten als 7[BAr4F]2 und demonstriert das Vorliegen zweier unterschiedlicher
112
4. Ergebnisse und Diskussion
Isomere der Kationen. Um das Vorhandensein einer einzigen Verbindung absolut
auszuschließen, wurde ein 1H NMR Spektrum der Mischung von Verbindung 7[BAr4F]2 und
8[BAr4F]2 bei -90 °C aufgenommen. In diesem Spektrum liegen drei Signale im Cp* Bereich vor
(integrales Verhältnis 15:75:90), die allesamt breit sind, vermutlich durch Cp*
Austauschprozesse der verschiedenen Spezies, und aufgrund der sehr ähnlichen chemischen
Verschiebungen überlagern.
Abbildung 50. Temperaturabhängigkeit der 1H NMR Spektren von [Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2 (8[BAr4F]2)
im Bereich von -80 - 25 °C. Nachdruck mit Genehmigung von Hung Banh, Masterarbeit 2013, RuhrUniversität Bochum.
Aus den durchgeführten NMR Studien kann interpretiert werden, dass Isomer b),
[Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+, experimentell der Konnektivität von Kation 8 entspricht, wobei
insbesondere das integrale Verhältnis von 2:1 der Signale im 1H NMR Spektrum bei tiefen
Temperaturen diese Annahme unterstützt. Für den Reaktionsverlauf, der zu Bildung von 8
führt, würde dies bedeuten, dass von einem Edukt mit einem [Zn2]2+ Kern ausgegangen wird,
dessen Zn-Zn Bindung bricht und durch komplexe Cp* Austauschprozesse ein Komplex mit
[Ga2]2+ Kern gebildet wird, der von zwei terminalen ZnCp*- und vier terminale GaCp*-Liganden
abgeschirmt ist. Der genaue Reaktionsmechanismus zur Bildung von [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+
(8) konnte bislang jedoch nicht aufgeklärt werden. Für die Verfeinerung der EinkristallröntgenStruktur-Daten wurde aufgrund der analytischen Charakterisierung die Besetzung der
Gallium- und Zinkpositionen [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8) entsprechend vorgenommen
(Abbildung 51). Es ist jedoch zu beachten, dass diese Zuordnung auf indirekten Methoden
basiert und die tatsächliche Besetzung abweichen kann. Genaue Diskussionen dazu erfolgen
in Kapitel 6.7.
113
4. Ergebnisse und Diskussion
Abbildung 51. Hypothetische Molekülstruktur des [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8) Dikations (Zuordnung
der Metallpositionen vgl. NMR Spektroskopie). Thermische Ellipsoide werden mit 50 %
Aufenthaltswahrscheinlichkeit gezeigt. Wasserstoffatome und Fehlordnung der Cp* Ringe sind aus
Gründen der Übersichtlichkeit nicht abgebildet. Ausgewählte Bindungslängen (Å) und –winkel (°): Ga1Ga1’ 2.386(1), Ga1-Ga3 2.487(1), Ga1-Ga2 2.529(1), Ga1-Zn1 2.480(1), Ga3-Cp*centr. 1.920, Ga2-Cp*centr.
= 1.910, Zn1-Cp*centr. 1.924; Ga1’-Ga1-Zn1 125.28(4), Ga1’-Ga1-Ga2 110.59(4), Ga1’-Ga1-Ga3
123.95(4), Ga1-Zn1-Cp*centr. 171.31, Ga1-Ga2-Cp*centr. 153.05, Ga1-Ga3-Cp*centr. 159.91.
Kristallographische Daten: a = 14.5654(4) Å, b = 14.7873(4) Å, c = 19.0284(5) Å, α = 67.586(2) °, β =
77.587(2) °, γ = 87.029(2) °, V = 3698.14(18) Å3, Rint = 0.0784, Goof = 1.030, R1 [I>2σ(I)] = 0.0648, wR2
(alle Daten) = 0.2025. Die vollständigen Daten, sowie die Packung von 8[BAr4F]2 in der Elementarzelle
sind in Kapitel 6 zu finden.
Unter der vorläufigen Annahme, der Zuordnung der Ga/Zn-Positionen wird die folgende
Strukturdiskussion gegeben.
Verbindung 8[BAr4F]2 ·2(C6H5F) kristallisiert in der triklinen Raumgruppe P-1, mit einem
Inversionszentrum, das mittig auf der [Ga2]2+ Achse lokalisiert ist. Die Ga-Ga Bindung des
Kernes weist mit 2.385(1) Å eine Bindungslänge auf, die im Bereich literaturbekannter Ga(II)Ga(II) Bindungen liegt, wie beispielsweise in [Ga2{(N(SiMe3)CH2)2CMe2}2] (2.385(1) Å).121 Die
Ga1-Zn1 Distanz beträgt 2.480(1) Å und kann damit mit denen der terminal an das [Zn2]2+
Zentrum in 7 gebundenen GaCp* Liganden (2.456(1) und 2.459(1) Å) verglichen werden. Die
Ga1-Ga2/3 Abstände sind im Gegensatz zu der Ga1-Zn1 Bindung leicht verlängert (2.487(1)
und 2.529(1) Å) und liegen im Bereich literaturbekannter Ga-Ga Bindungsabstände.122, 123
Ebenso wie in 7 ist der durchschnittliche Ga-Cp*centroid Abstand (ø = 1.922 Å) vergleichweise
114
4. Ergebnisse und Diskussion
kurz, was auf elektrophile Galliumzentren innerhalb des dikationischen Komplexes schließen
lässt. Dieselbe Eigenschaft ist für die Zn-Cp*centroid Bindung (1.910 Å) zu finden, die eine
wesentlich kürzere Länge im Vergleich mit den entsprechenden Bindungen in [Zn 2Cp*2]
(1.910 Å) aufweist, mit denen in kationischen Komplexen wie Verbindung 1[BAr4F] (1.899 und
1.935 Å) aber gut übereinstimmt.42,
75
Beide Galliumzentren in Kation 8 sind von einer
tetraedrischen Koordinationsspähre, aus einem Zink- und drei Galliumatomen bestehend,
umgeben. Die GaKern-GaKern-E Bindungswinkel (E = Ga terminal, Zn) liegen in dem Größenbereich
von 110.62(3) – 125.26(3) ° und weichen damit von einem perfekten Tetraederwinkel (109.5
°) wenig bis signifikant ab, vermutlich hervorgerufen durch sterische Abstoßung der sechs
terminalen ECp* (E = Ga, Zn) Liganden. Übereinstimmend damit sind die Ga Kern-E-Cp*centroid
Anordnungen nicht linear, sondern weisen Bindungswinkel von 153.04 – 171.28 ° auf.
4.5.7
Quantenchemische
Analyse
F
F 7
[Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4][BAr4 ]2 (8[BAr4 ]2)
des
hypothetischen
Analog zu 7 wurden auch für das hypothetische Kation [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8)
quantenchemische Berechnungen des Systems durchgeführt. In ersten Untersuchungen
konnte für die vorgeschlagene Konnektivität von 8 eine energetische Minimum Struktur
ermittelt werden, die der durch AAS gefundenen elementaren Zusammensetzung entspricht,
und ebenso wie die Molekülstruktur des Dikationes im Kristall von 8 ein Inversionszentrum
besitzt. Die weitere Bindungsanalyse von [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8) zeigt jedoch signifikante
Diskrepanzen zwischen experimenteller und theoretischer Molekülstruktur. Die berechneten
und experimentellen Bindungslängen sind in Tabelle 11 zusammengefasst.
7
Siehe Fußnote 6.
115
4. Ergebnisse und Diskussion
Tabelle
11.
Auflistung
und
Vergleich
der
experimentellen
und
optimierten
Metall-
Metallbindungslängen in [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8).
Bindung
Experimentelle
Bindungslänge (Å)
Quantenchemisch optimierte
Bindungslänge (Å)
Ga1-Ga1‘
2.386(1)
2.425
Ga1-Zn1
2.480(1)
2.356
Ga1-Ga2
2.529(1)
2.517
Ga1-Ga3
2.487(1)
2.491
Insbesondere die Abweichungen zwischen der optimierten und experimentell gefundenen
Länge der Ga1-Ga1‘ Distanzen, sowie dem Ga1-Zn1 Abstand lassen, auch mit Berücksichtigung
von Messungenauigkeiten, wissenschaftlich keinen Rückschluss auf die Verteilung der
Metallatome auf die acht Positionen des [M8Cp*6]2+ (Ga, Zn) Dikationes, wie sie tatsächlich
vorliegt, zu. Es kann festgehalten werden, dass die Reaktion von [Cp*Zn2(Et2O)3]+ mit GaCp*
zu der Synthese eines strukturellen Isomeres von Verbindung 7 der Zusammensetzung
[Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2 (8[BAr4F]2) führt. Die Auswertung der NMR Studien lässt auf ein
hypothetisches [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+ (8) schließen, dessen Molekülstruktur in Bezug auf
Metall-Metallbindungslängen mit literaturbekannten Komplexen vergleichbar ist. Die
quantenchemische Analyse dieses Dikationes führt zu Widersprüchlichkeit experimenteller
und theoretischer Daten in einem Ausmaß, das die Formulierung von [Ga2(ZnCp*)2(GaCp*)4]2+
(8) schlüssig nicht stützt. Wie eine experimentell belegte Zuordnung der richtigen Gallium- und
Zinkpositionen in 8 erfolgen könnte, die im Rahmen dieses Dissertationsprojektes nicht
möglich war, wird in Kapitel 6.7 diskutiert.
4.5.8 Zusammenfassung
In Verbindung mit gegenwärtigen Studien zur Koordinationschemie niedervalenter
Gruppe-12 und -13 Organyle an Übergangsmetallzentren wurde der neue Zn/Ga „Cluster“
7[BAr4F]2 beschrieben, welcher aus der Reaktion von [Zn2Cp*2] und [Ga2Cp*][BAr4F] resultiert.
Die richtige Kombination von Gallium und Zink Startmaterialien führt zu der Bildung des
gemischt metallischen Dikations [Zn2(GaCp*)6]2+ (7), das ein weiteres Beispiel der seltenen
116
4. Ergebnisse und Diskussion
Koordinationschemie an Zn(I) repräsentiert und das erste Beispiel eines homoleptisch
metalloid-koordinierten
[Zn2]2+
Kernes
ist.
Interessanterweise
besitzt
7
zwei
Koordinationsisomere 7A und 7B. Während in der Festkörperstruktur vier GaCp*-Liganden
terminal koordiniert sind und zwei GaCp*-Liganden verbrückende Positionen einnehmen (7B),
liegt ein Lösung ein zweites Isomer 7A, das vollständig von terminalen GaCp* Liganden
umgeben ist, vor. Quantenchemische Rechnungen ergeben lediglich ein Minimum für Isomer
7B. Die Bindungsanalyse dieses sagt einen starken Einfluss von Dispersionskräften, die das das
Molekül zusammenhalten, aus. Für das verbrückte Isomer 7B konnte keine energetische
Minimunstruktur berechnet werden. Isomer 7B wird im Festkörper vermutlich durch
Packungseffekte und Wechselwirkungen mit den Gegenionen favorisiert. Da der Zugang zu
Komplexen des Typs [Zn2L6]2+ (L = Substitutionslabiler Ligand) als Startverbindung für
Substitutionsreaktionen mit
GaCp* noch nicht etabliert
ist, wurde
stattdessen
[Cp*Zn2(Et2O)3][BAr4F] als Ausgangskomplex für die Reaktion mit GaCp* gewählt. Diese
resultiert in der Darstellung des Komplexes [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8), dessen elementare
Zusammensetzung mittels AAS bestimmt werden konnte. NMR spektroskopische
Untersuchungen zeigen, dass 8 ein Strukturisomer von 7 ist, das sowohl im Festkörper, als
auch in Lösung einen [M2]2+ Kern enthält, der von sechs terminalen MCp* (M = Ga, Zn)
Liganden koordiniert ist. Die analytischen Charakterisierungen lassen experimentell auf eine
Konnektivität [Ga2(GaCp*)4(ZnCp*)2]2+ (8) schließen. Quantenchemische Rechnungen
ergeben für das entsprechende Isomer eine energetische Minimunstruktur, die optimierten
Metall-Metall Bindungen weichen jedoch signifikant von den experimentellen mit XRD
ermittelten Werten der Molekülstruktur ab. Daher kann für Kation 8 keine defnitive und
endgültige Besetzung der Gallium- und Zinkpositionen vorgenommen werden.
117
5. Ausblick
5. Ausblick
Der Fokus dieser Forschungsarbeit lag in der Evaluierung synthetischer Bausteine, die
vereint in der Darstellung neuer metallreicher Moleküle, mit neuartigen strukturellen,
meachnistischen und bindungstheoretischen Eigenschaften, resultieren. Als Zinkquelle wurde
dabei [Zn2Cp*2] verwendet, sodass der zweite Fokus der Arbeit gleichzeitig die
Reaktivitätsuntersuchung des ungewöhnlichen Moleküles waren. Die Koordinationschemie
von
[Zn2Cp*2]
befindet
sich
erst
seit
einigen
wenigen
Jahren
im
aktuellen
Forschungsblickpunkt und beinhaltet daher noch großes synthetisches Potential.
Substitutionslabile Komplexe sind für nahezu alle Übergangsmetalle bekannt und so bleibt es
auch in Zukunft eine große Herausforderung, für [Zn2Cp*2] die richtige Kombination als
Reaktionspartner auszumachen. Das verbleibende Potential deutet die Synthese von
[Cu(ZnCp*)4(ZnZnCp*)] (Abbildung 52) an. Die Reaktion des in situ generierbaren KupferDimers [{IPrCu(µ-H}2] mit [Zn2Cp*2] resultiert in diesem Komplex, der das Gruppe-11 Homolog
zu [M(ZnCp*)4(ZnZnCp*)4] (M = Ni, Pd, Pt) darstellt.97 Der literaturbekannte Syntheseweg der
Kupfer Startverbindung involviert die Bildung von nicht identifizierten Nebenprodukten, auch
die Ausbeute des in situ geformten [{IPrCu(µ-H}2] ist nicht bekannt.
Abbildung 52. Links: Hypothetische Molekülstruktur von [Cu(ZnCp*)4(ZnZnCp*)3] (thermische
Ellipsoide mit 50 % Aufenthaltswahrscheinlichkeit, Wasserstoffatome werden aus Gründen der
Übersichtlichkeit nicht gezeigt). Rechts: [CuZn10] Kern in [Cu(ZnCp*)4(ZnZnCp*)3].
118
5. Ausblick
Diese Tatsachen machen einen sauberen Reaktionsverlauf mit [Zn2Cp*2] nicht möglich, und
die Charakterisierung von [Cu(ZnCp*)4(ZnZnCp*)] konnte im zeitlichen Rahmen dieser Arbeit
nicht abgeschlossen werden und wird lediglich als erfolgsversprechender Ausblick der
weiteren Koordinationschemie von [Zn2Cp*2] an Übergangsmetallzentren erwähnt. Das
andere Hauptziel ist, neben der Darstellung zinkreicher Moleküle, das Reaktionsverhalten von
[Zn2Cp*2] in seinen Mechanismen detaillierter zu untersuchen und zu verstehen. Die
Koordinationschemie von H2 an Übergangsmetallzentren und die essentiellen Faktoren, die zu
der Stabilisierung von Diwasserstoffkomplexen führen oder in einem H-H Bindungsbruch
resultieren sind gut erforscht und verstanden.98, 99, 124 Carmonas Reagenz [Zn2Cp*2] ist isolobal
zu H2, ein analoges Reaktionsverhalten der beiden Moleküle wurde jedoch im Rahmen dieser
Arbeit erstmals untersucht. Tatsächlich konnte mit den Darstellungen von [Zn 3Cp*2]+ (2),
[Zn2Cp*2CuCp*] (3), [Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) und [Pd(PdPCy3)2(Zn)(µ-Zn2Cp*)(µ-ZnCp*)3] (5)
Apsekte der Koordinationschemie von H2 auf [Zn2Cp*2] übertragen werden. Die Erkenntnisse
über das zum Teil analoge Reaktionsverhalten von H2 und [Zn2Cp*2] beinhaltet für zukünftige
Reaktionen einen Anteil an Vorhersehbarkeit, ob ein „side-on“ koordinierter [Zn2Cp*2]
Komplex gebildet werden kann, oder eine Reaktion unter homolytischer Zn-Zn
Bindungsspaltung verläuft. Die Auswahl der TM-Startkomplexe kann so in Zukunft mit mehr
Bedacht gewählt werden.
119
6. Experimental Teil
6. Experimental Teil
6.1 Allgemeine Arbeitstechniken
Alle beschriebenen, durchgeführten Synthesen wurden unter striktem Ausschluss von Luft
und Feuchtigkeit unter inerten Schlenktechniken durchgeführt. Alle verwendeten
Schlenkgefäße wurden vor Gebrauch ausgeheizt und die Glaswände der Gefäße dabei mit
siedendem 1, 1, 1, 3, 3, 3 – Hexamethyldisilazan silyliert, der Überschuss wurde im Vakuum
entfernt. Alle dargestellten Verbindungen wurden in einer Glovebox bei Sauerstoff- und
Wasserwerten ˂0.5 ppm gelagert, temperaturempfindliche Substanzen wurden zudem in
einem Gefrierschrank der Glovebox bei -30 °C gelagert. Bei dem verwendeten Inertgas
handelte es sich um nachgereinigtes Argon, das sowohl über einem beheizten KupferKatalysator, als auch über aktiviertes Molekularsieb geleitet wurde. Gängige Lösungsmittel
wie n-Pentan, n-Hexan, Toluol, Tetrahydrofuran und Diethylether wurden mittels einer
Lösungsmittel-Trocknungsanlage der Firma MBraun getrocknet. Mit Hilfe von Argonüberdruck
werden hier die Lösungsmittel hintereinander durch zwei Säulen gepresst, die
lösungsmittelabhängig mit Aluminiumoxid, Molekularsieb oder einem Kupferkatalysator
befüllt waren. Alle weiteren verwendeten Lösungsmittel wie Fluorbenzol, Benzol oder
Dirchlormethan wurden durch literaturbekannte, gängige Methoden getrocknet. Der
Wassergehalt der Lösungsmittel wurde mit Hilfe von Karl-Fischer Titration überprüft, welcher
ausschließlich bei einem Gehalt ˂5 ppm lag.
6.2 Routine-Arbeitsmethoden
6.2.1 Kernresonanzspektroskopie (NMR)
Die Aufnahme der Kernresonanzspektren wurde an einem Bruker Advance 200 MHzSpektrometer, sowie einem Bruker Advance 250 MHz-Spektrometer durchgeführt. Die NMR
Proben wurden in der Glovebox vorbereitet, wobei die verwendeten deuterierten
Lösungsmittel über Molekularsieb getrocknet und mit Argon gesättigt wurden. Bei den NMRRöhrchen handelte es sich um verschraubbare, gasdichte J-Young-NMR-Röhrchen. Die
Resonanten der Restsignale der deuterierten Lösungsmittel dienen als interner Standard
(C6D6: 1H: 7.15 ppm,
13C:
128.06 ppm, CD2Cl2: 1H: 5.32 ppm,
13C
53.84 ppm). Alle
13C
NMR
120
6. Experimental Teil
Spektren sind protonenbreitbandentkoppelt. Für die Angaben der Multiplizitäten wurden
folgende Abkürzungen verwendet: s = Singulett, d = Dublett, t = Triplett, m = Multiplett und
br = breites Signal. Die erhaltenen Daten wurden mittels der Software MestReNova
(Mestrelab Research S. L.) in der Version 7.0.1 bearbeitet.
6.2.2 Infrarotspektroskopie (IR)
Die Infrarotspektren wurden mit abgeschwächter Totalreflexion (ATR) an einem Alpha
FTIR-Spektrometer der Firma Bruker gemessen. Die Messungen wurden in einer Glovebox
durchgeführt. Die Daten wurden mit Hilfe der Software OPUS 6.5 (Bruker Optik GmbH)
aufgenommen und bearbeitet.
6.2.3 Massenspektrometrie (LIFDI MS)
Die massenspektrometrischen Messungen wurden an einem LCT Gerät der Firma Waters
durchgeführt. Das Massenspektrometer war dabei mit einer Liquid Injection Field Desorption
Ionization (LIFDI) Ionenquelle der Firma Linden CMS GmbH ausgestattet. Die zu
untersuchenden Substanzen wurden in Vorbereitung zu der Messung in der Glovebox in
geeigneten Probengläschen mit Septum in Toluol, n-Hexan oder Dichlormethan gelöst. Die
verwendete Ionisierungsmethode eignet sich insbesondere für die Analyse luftempfindlicher
und labiler Komplexe. Die gelöste Probe wird zunächst über eine Kapillare auf einen mit
Kohlenstoff bedampften Wolframdraht geleitet. Auf diesem so genannten Emitter verteilt sich
die Probe äußerst fein und das überschüssige Lösungsmittel verdampft im Vorvakuum. Durch
eine Spannungserzeugung von 10 kV zwischem dem Emitter, der als eine Elektrode fungiert
und der Gegenelektrode werden die Probenmoleküle ionisiert und aufgrund von Coulomb
Wechselwirkungen und Abstoßung zur Gegenelektrode geleitet und anschließend zum
Detektor beschleunigt. Für eine energetische Anregung und höhere Mobilität der Moleküle
auf den Dendriten des Emitters kann dieser durch eine Heizrampe von bis zu 80 mA erhitzt
werden. Die gemessenen Daten wurden mittels der Software MestReNova (Mestrelab
Research S. L.) in der Version 7.0.1 bearbeitet.
121
6. Experimental Teil
6.2.4 Elementaranalyse (EA), Atomabsorptionsspektroskopie (AAS)
Die Elementzusammensetzungen wurden in dem Labor für Mikroanalytik und
Thermoanalyse an der Universität Duisburg/Essen (Gerät vom Typ EURO EA Elemental
Analyzer der Fa. EURO VECTOR, und einem Gerät der M-Serie der Fa. Thermo Electron) sowie
dem Mikroanalytischen Laboratorium Kolbe, Mühlheim an der Ruhr, (Gerät vom Typ
Elemental CHNOS-Analyzer (Vario EL) und einem Gerät der Firma Perkin-Elmer (AAS Model
Analyst 200)).
6.2.5 Einkristall-Röntgenstrukturanalyse (XRD)
Die Einkristall-Röntgenstrukturanalysen erfolgten an einem Oxford Xcalibur Diffraktometer
mit einem Sapphire CCD Detektor, sowie an einem Oxford Supernova Diffraktometer mit Atlas
Detektor. Verwendet wurden entweder MoKα-Röntgenstrahlen (λ = 0.71073 Å) mit einem
Graphit-Monochromator oder CuKα-Röntgenstrahlung (λ = 1.54184 Å) mit einem
Spiegelsystem als Monochromator. Zur Vorbereitung der Messung wurden die Einkristalle mit
perfluoriertem Öl benetzt und unter dem Mikroskop auf einen Glasfaden oder eine
Nylonschlaufe gesetzt. Die Bestrahlung erfolgte in einem Stickstoffstrom von 100 K. Die
Datensammlung wurde mit der Software CrysAlisPro (kontinuierlich aktualisiert) der Firma
Agilent durchgeführt. Absorptions Korrekturen basierend of mehrfach gescannten
Reflektionen wurden wenn nötig mit ABSPACK in CrysAlisPro durchgeführt. Die
Molekülstrukturen wurden mit dem Programm SHELXS-97 gelöst und mit SHELXS-97 gegen F2
mit der Full-Matrix-Least-Squares Methode verfeinert. Stark fehlgeordnete co-kristallisierte
Lösungsmittelmoleküle, die nicht verfeinert werden konnten, wurden mit der SQUEEZE
Routine, im Programmpaket PLATON enthaöten, aus den Beugungsdaten entfernt.
6.3 Ausgangsverbindungen
Die verwendeten Ausgangsverbindungen wurden handelsüblich kommerziell erworben
und, sofern nicht anders angegeben, ohne zusätzliche Reinigung eingesetzt. Folgende
Ausgangsmaterialien wurden nach Literaturvorschriften synthetisiert.
122
6. Experimental Teil

[Zn2Cp*2]125

[H(Et2O)2][BAr4F]126

[CpCu(CNtBu)]48

[{(NHC)Cu(µ-H)}2]108

[{Pd(CNtBu)2}3]127

[Pd(PCy3)2]128

[ZnCp*2]129

[Ga2Cp*][BAr4F]130

[Cp*Zn2(Et2O)3]75

GaCp*131
6.4 Synthese und analytische Daten dargestellter Verbindungen
[Zn4Cp*3(Et2O)2][BAr4F] (1). Eine Mischung aus 100 mg [Zn2Cp*2] (0.249 mmol) und 126
mg [H(Et2O)2][BAr4F] (125 mmol) wurde bei -25 °C in 3 mL Fluorbenzol gelöst, wobei die Lösung
sich sofort über helles orange und gelb, tief orange färbte. Die Lösung wurde für 30 Minuten
bei -25 °C gerührt. Anschließend wurde das Produkt durch die Zugabe von 16 mL n-Hexane
gefällt. Die farblose, mikrokristalline Substanz wurde bei -25 °C isoliert, dreimal mit 4 mL nHexane gewaschen und im Vakuum getrocknet. Farblose Einkristalle bilden sich durch
Überschichten der Fluorbenzollösung mit 9 mL n-Hexane und Lagerung bei -30 °C nach sechs
Tagen. Ausbeute: 284 mg (0.169 mmol, 68 % d. Th.)
Elementanalytik (%) berechnet für C70H77BF24O2Zn4: C 50.08, H 4.62, Zn 15.58; Gefunden: C
47.69, H 4.21, Zn 15.02
1H
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm): 7.73 (br, 8H, BAr4F), 7.57 (br, 4H, BAr4F), 3.36 (m, 8H, CH3CH2O),
2.06 (s, 45H, C5Me5), 1.22 (m, 12H, CH3CH2O)
19F
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm): 62.9 (CF3)
LIFDI-MS (m/z): 536 ([M -2(Et2O) -2Zn]+), 602 ([M -2(Et2O) -Zn]+), 668 ([M -2(Et2O)]+)
IR (cm-1): 2887, 2844, 1598, 1376, 1342, 1260, 1157, 1108, 1037, 877, 831, 816, 783, 737, 707,
674, 662, 600, 577, 499, 478, 443, 422
123
6. Experimental Teil
[Zn3Cp*3][BAr4F] (2). 100 mg [Zn2Cp*2] (0.249 mmol), 84 mg [ZnCp*2] (0.249 mmol) und 252
mg [H(Et2O)2][BAr4F] wurden in 3 mL Fluorbenzol gelöst. Die sich bildende gelbe Lösung wurde
eine Stunde bei Raumtemperatur gerührt und das Lösungsmittel anschließend im Vakuum
entfernt. Der ölige gelbe Rückstand wurde mit 2 mL n-Hexan versetzt, wobei sich ein gelber
pulvriger Feststoff bildet. Dieser wurde erneut mit 2 mL n-Hexan gewaschen und im Vakuum
getrocknet. Gelbe, nadelförmige Einkristalle bildeten sich durch Überschichten der
Fluorbenzollösung mit 9 mL n-Hexan und langsame Diffusion bei -30 °C. Ausbeute: 289 mg
(0.197 mmol, 79 %)
Elementanalytik (%) berechnet für C65H59.5BF24.5Zn3 (2 · 0.5 C6H5F): C: 51.72, H: 3.98, Zn: 12.72;
Gefunden: C: 49.47, H: 3.93, Zn: 11.03
IR (cm-1): 2900, 1596, 1443, 1401, 1375, 1342, 1264, 1108, 997, 925, 879, 831, 738, 706, 675,
663, 578, 500, 443
[Zn2Cp*2CuCp*] (3) 50 mg CuCl (0.498 mmol) wurden in 2 mL THF suspendiert, auf -78 °C
gekühlt und zu einer Suspension von 71 mg LiCp* (0.498 mmol) in 3 mL THF, die ebenfalls auf
-78 °C gekühlt wurde, gegeben. Zu der Reationsmischung, die das in situ geformte CuCp*
enthält, wurden bei -78 °C 200 mg [Zn2Cp*2] (0.498 mmol) in 3 mL THF gegeben, wobei
augenblicklich ein blass gelber, mikrokristalliner Feststoff ausfiel. Die Mutterlösung wurde
mittels Kanule entfernt und der Rückstand bei -78 °C in 8 mL Toluol aufgenommen. Kühlen der
Lösung auf -30 °C über Nacht führt zu der Bildung gelber, prismenförmiger Einkristalle. Für
weitere analytische Charakterisierungen wurden diese in der Kälte isoliert, bei – 30 °C dreimal
mit 3 mL n-Hexan gewaschen und im Vakuum getrocknet. Ausbeute: 104 mg (0.174 mmol, 35
% d. Th.)
Elementanalytik (%) berechnet für C30H45CuZn2: C: 60.05, H: 7.55, Cu: 10.59, Zn: 21.79;
Gefunden: C: 58.68, H: 7.36, Cu: 11.22, Zn: 21.96
1H
NMR (C6D6, 298 K, ppm): δ = 2.23 (s,15H, CuC5Me5), 2.07 (s, 30H, ZnC5Me5)
13C
NMR (C6D6, 298 K, ppm): δ = 110.35 (ZnC5Me5), 104.65 (s, CuC5Me5), 12.18 (s, CuC5Me5),
10.91 (s, ZnC5Me5)
LIFDI-MS: m/z = 1128 ([Zn4Cu3Cp*5]+), 927 ([Zn2Cp*2CuCuZn2Cp*2]+), 660 ([Zn3CuCp*3]+)
IR (cm-1): 2936, 2878, 2832, 1407, 1371, 1250, 1175, 1082, 1032, 906, 881, 855, 791, 744
124
6. Experimental Teil
[Pd(CNtBu)2(ZnCp*)4] (4) Zu einer Mischung aus 130 mg [{Pd(CNtBu)2}3] (0.040 mmol) und 384
mg [Zn2Cp*2] (0.956 mmol) wurden 5 mL n-Hexan gegeben. Zunächst bildete sich eine klare,
rote Lösung, aus der nach 10 Minuten ein orangener, mikrokristalliner Niederschlag ausfiel.
Das Reaktionsgemisch wurde für eine Stunde bei Raumtemperatur gerührt. Anschließend
wurde das Produkt mittels Kanule isoliert und dreimal mit je 3 mL n-Hexan gewaschen. Gelbe,
kubische Einkristalle wurden durch Umkristallisation aus 6 mL Toluol bei -30 °C erhalten.
Ausbeute: 159 mg (0.148 mmol, 31 % d. Th)
Elementanalytik (%) berechnet für C50H78N2PdZn4: C: 55.85, H 7.31, N 2.61, Pd 9.89, Zn 24.33;
Gefunden: C 55.35, H 6.89, N 2.61, Pd 10.98, Zn 23.85
1H
NMR (C6D6, 298 K, ppm): δ = 2.27 (s, 30H, C5Me5), 2.10 (s, 30H, C5Me5), 1.18 (s, 18H, CNtBu)
13C NMR (C D , 298 K, ppm): δ = 109.71
6 6
(s, C5Me5), 109.30 (s, C5Me5), 55.94 (s, CNCMe3), 30.54
(s, CNCMe3), 11.78 (s, C5Me5)
IR (cm-1): 2950, 2878, 2832, 2092 (C≡N), 1769, 1461, 1427, 1409, 1366, 1220, 1188 (C-N), 1023,
851, 790, 724, 689, 603, 583, 498, 460
[Pd3Zn6(PCy3)2(Cp*)4] (5) 100 mg [Pd(PCy3)2] (0.150 mmol) wurden zusammen mit 126 mg
[Zn2Cp*2] (0.315 mmol) in 5 mL Toluol gelöst, wobei sich eine klare, rote Lösung bildete. Diese
wurde für eine Stunde auf 80 °C erhitzt. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur wurde die
Reaktionslösung auf 2 mL eingeent und bei -30 °C gelagert. Tiefrote, prismatische Einkristalle
wurden über Nacht aus der Lösung erhalten. Aubeute: 47 mg (0.026 mmol, 17 % d. Th.)
Elementanalytik (%) berechnet für C86H134P2Pd3Zn6 (5·C7H8): C 52.31, H 7.08, Pd 16.75, Zn
20.59; Gefunden: C 53.17, H 7.18, Pd 16.72, Zn 20.40
1H
NMR (C6D6, 298 K, ppm): 2.30 (d, 60 H, C5Me5), 1.72 (m, 66H)
13C
NMR (C6D6, 298 K, ppm): 115.25 (s, C5Me5), 111.01 (s, C5Me5), 34.44 (PCy3), 32.14 (PCy3),
28.22 (PCy3), 27.20 (PCy3), 13.13 (C5Me5), 12.45 (C5Me5)
31P
NMR (C6D6, 298 K, ppm): 52.26
IR: 2898, 2827, 1643, 1597, 1433, 1343, 1265, 1111, 993, 925, 879, 831, 738, 722, 706, 688,
667, 614, 444
125
6. Experimental Teil
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) / [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6b) Eine Mischung aus 150 mg
[CpCuCNtBu] (0.708 mmol) und 285 mg [Zn2Cp*2] (0.708 mmol) wurde in 4 mL Toluol gelöst,
wobei sich eine tiefrote, klare Lösung bildete. Diese wurde für eine Stunde bei
Raumtemperatur gerührt und das Lösungsmittel anschließend im Vakuum entfernt. Der
orangene Rückstand wurde zweimal mit 3 mL n-Hexan gewaschen und anschließend
getrocknet. Aufnahme des Rückstandes in 2 mL Toluol und Lagerung der roten Lösung bei -30
°C führt zur Bildung von tiefroten, kubischen Einkristallen der Mischzusammensetzung
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4] (6a) / [(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6b) sowie gelben Prismen, die mittels
XRD als [Cp*CuCNtBu] identifiziert werden konnten. Für analytische Charakterisierungen
wurden die Einkristalle der Verbindungen 6a/6b manuell unter einem Mikroskop in der
Glovebox von dem Nebenprodukt getrennt. Die Ausbeute wurde nicht bestimmt.
Elementanalytik (%) berechnet für (C57.5H91N4Cu4Zn4): Cu 18.77, Zn 19.31; Gefunden: Cu 19.32,
Zn 20.52
1H
NMR (C6D6, 298 K, ppm): δ = 6.37 (5H, Cp (6b)), 2.37 (60H, C5Me5 (6a)), 2.36 (45H, C5Me5
(6b)), 1.32 (27H, CNtBu (6b)), 1.31 (9H, CNtBu (6b)), 1.24 (36H, CNtBu (6a))
LIFDI-MS: m/z = 1424 ([6a + Cu]+), 1389 ([6a]+), 1319 ([6b]+), 1306 ([6a – CNtBu]+), 1188 ([6a–
ZnCp*]+, [6b – ZnCp]+), 1170 ([6a – CNtBu – Cp*]+), 1091 ([6b – Cu(CNtBu) – CNtBu)]+), 1040
([6a – Cu(CNtBu) – ZnCp*]+, [6b – Cu(CNtBu) – ZnCp]+), 1022 ([6b – Cu(CNtBu) – CNtBu – Cp]+,
), 956 ([1b – Cu(CNtBu) - CNtBu – ZnCp]+], 893 ([6a – 2Cu(CNtBu) – ZnCp*]+, [6b – 2Cu(CNtBu)
– ZnCp]+), 809 ([6b – Cu(CNtBu) – 2CNtBu – ZnCp*]+), 746 ([6a – 3Cu(CNtBu) – ZnCp*]+, [6b –
3Cu(CNtBu) – ZnCp]+), 694 ([6a – 2Cu(CNtBu) – 2ZnCp*]+, [6b – 2Cu(CNtBu) – ZnCp* - ZnCp]+),
282 ([Cp*CuCNtBu]+)
IR (cm-1): 2937, 2880, 2829, 2104, 1462, 1415, 1385, 1358, 1249, 1192, 1076, 1006,853, 790,
744, 723, 690, 582, 545, 501, 461, 442
[Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7) 50 mg [Zn2Cp*2] (0.199 mmol) wurden zusammen mit 227 mg
[Ga2Cp*][BAr4F] (0.199 mmol) in 5 mL Fluorbenzol gelöst, wobei sich die Lösung gelb färbte
und sofortiger Metallausfall zu beobachten war. Die Reaktionsmischung wurde für 1.5
Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Anschließend wurde für 45 min bei 2000 rpm
zentrifugiert und die klare gelbe Lösung via Kanule von dem Metallrückstand getrennt.
Einengen der Lösung auf 2 mL und Lagerung dieser bei -30 °C führt zu der Bildung von gelben,
126
6. Experimental Teil
kubischen Einkristallen. Zur weiteren Charakterisierung wurden die Kristalle isoliert, mit drei
Portionen (je 3 mL) n-Hexan gewaschen und getrocknet. Ausbeute: 161 mg (26 % d. Th.)
Elementanalytik (%) berechnet für C148H134B2F52Ga6Zn2 (7[BArF]2 · 4C6H5F): C 51.21, H 3.89, Zn
3.77, Ga 12.05; Found: C 47.19, H 3.05, Zn 3.57, Ga 10.81
1H
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm) δ = 7.72 (s, 8H, BAr4F), 7.56 (s, 16H, BAr4F), 2.05 (s, 90H,C5Me5)
1H
NMR (CD2Cl2, 208 K, ppm) δ = 7.72 (s, 16H, BAr4F), 7.52 (s, 32H, BAr4F), 1.92 (s, 30H, C5Me5),
1.88 (s, 150H, C5Me5)
13C
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm) δ = 162.18 (q, JC-B = 51.9 Hz, BAr4F), 135.29 (s, BAr4F), 129.39 (q,
JC-F = 31.6 Hz, BAr4F), 124.97 (q, JC-F = 272.1 Hz, CF3), 117.97 (C5Me5), 116.95 (s, BAr4F), 9.86 (s,
C5Me5)
19F
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm): δ = -62. (s, CF3)
IR (cm-1): 2903, 1596, 1446, 1401, 1379, 1341, 1265, 1102, 939, 922, 888, 877, 831, 789, 738,
707, 676, 662, 578, 444, 406
[Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2 (8) Eine Lösung von 150 mg [Cp*(Zn2Et2O)3][BAr4F] (0.111 mmol) in 5
mL Fluorbenzol wurde auf -15 °C gekühlt und 140 mg GaCp* (0.686 mmol) wurden zugegeben.
Die Reaktionsmischung wurde für eine Stunde bei -15 °C gerührt wobei ein gelber Feststoff
ausfällt. Dieser wurde isoliert, mit n-Hexan gewaschen (dreimal je 3 mL) und im Vakuum
getrocknet. Gelbe Einkristalle konnten durch Umkristallisation des Produktes in Fluorbenzol
bei -30 °C erhalten werden. Ausbeute: 150 mg (44 % d. Th.)
Elementanalytik (%) berechnet für C124H114B2F48Ga6Zn2: C 48.25, H 3.72, Zn 4.24, Ga 13.55;
Gefunden: C 47.39, H 3.85, Zn 4.62, Ga 12.64
1H
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm): δ = 7.72 (s, 16H, BAr4F), 7.56 (s, 8H, BAr4F), 2.04 (s, 60H, C5Me5)
1H
NMR (CD2Cl2, 218 K, ppm): δ = 7.71 (s, 16H, BAr4F), 7.53 (s, 8H, BAr4F), 1.96 (s, 60H, GaCp*),
1.92 (s, 30H, ZnCp*)
13C
NMR (CD2Cl2, 298 K): δ = 162.14 (q, JC-B = 49.8 Hz, BAr4F), 135.18 (s, BAr4F), 129.19 (q, JC-F =
31.5 Hz, BAr4F), 127.16 (q, JC-F = 275.3 Hz, CF3), 117.86 (s, BAr4F), 116.41 (bs, C5Me5), 9.79 (s,
C5Me5)
11B
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm): δ = -6.56 (s, BAr4F)
19F
NMR (CD2Cl2, 298 K, ppm): δ = -62.83 (s, CF3)
LIFDI-MS: m/z = 271 [GaZnCp*]+, 136 [Cp*]+
IR (cm-1) = 2899, 1342, 1266, 1106, 926, 878, 738, 677, 663
127
6. Experimental Teil
6.5 Packung der dargestellten [BAr4F]-Salze 1, 2, 7 und 8 in der
Elementarzelle
Die folgenden vier Abbildungen zeigen die Packung der Verbindungen 1[BAr4F], 2[BAr4F], 7[BAr4F]2,
und 8[BAr4F]2, in der Elementarzelle. Neben Kationen und Anionen sind auch die Co-kristallisierten
Lösungsmittelmoleküle abgebildet. Die Kreuze entsprechen fehlgeordneten, niedriger besetzten Parts
von Atomen. Die verwendeten Farben entsprechen: blau: Gallium, grau: Kohlenstoff, grün: Zink, lila:
Bor, rot: Sauerstoff, violett: Fluor.
Abbildung 53. Packung von [Zn4Cp*3(Et2O)2][BAr4F] (1[BAr4F]) in der Elementarzelle.
128
6. Experimental Teil
Abbildung 54. Packung von [Zn3Cp*3][BAr4F] (2[BAr4F]) in der Elementarzelle.
Abbildung 55. Packung von [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2 (7[BAr4F]2) in der Elementarzelle.
129
6. Experimental Teil
Abbildung 56. Packung von [Zn2Ga6(Cp*)6][BAr4F]2 (8[BAr4F]2) in der Elementarzelle.
6.6 Exkurs: Das Jellium Modell
Vor dem Jahr 1984 wurden Metallcluster entweder als kleine Mikromoleküle aus wenigen
Atomen, die mit molekular physikalischen und quantumchemischen Methoden charakterisiert
werden können, oder als kleine Partikel des mesoskopischen Bereichs, die mit Methoden der
Festphasen und statistischer Physilk beschrieben werden können, beschrieben. Eine neue Ära
wurde 1984 durch die Entdeckung von elektronischen Schalenstrukturen in freien AlkaliMetall Clustern durch Knight et al. eingeleitet. In massenspektrometrischen Untersuchungen
von Natriumclustern mit Atomanzahlen von N = 2 - 100 wurden entscheidene
Regelmäßigkeiten gefunden. So sind die Peaks für bestimmte Massen, die mit N = 8, 20, 40,
58 und 92 korrespondieren, auffallend groß und scheinen stabiler, als andere Cluster. Aus der
Betrachtung der elektronischen Struktur geht ein simples Bild hervor. So wird die Sequenz N
= 8, 20, 40, 58 und 92 mit einer elektronischen Schalenstruktur von Natriumclustern assoziiert,
die von einer großen Energielücke zwischen den verschiedenen Energieleveln bestimmt wird.
Auf die elektronische Struktur von elementaren Natrium kann das Modell quasifreier
130
6. Experimental Teil
Elektronen angewendet werden. Die 3s Valenzelektronen interagieren mit dem Potential des
Teilchens im Kasten, bestehend aus dem ionischen Pseudopotential und dem ElektronElektron Wechselwirkungspotential. Ein ähnliches Modell kann anscheinend auf Cluster
angewendet werden. Das Potential, dass das Ein-Elektron Potential beschreibt ist
𝑈(𝑟) = −
𝑈0
𝑟 − 𝑟0
exp [ 𝜖 ] + 1
Mit U0 gleich der Summe der Fermi-Energie (3.23 eV) und der Austrittsenergie (2.7 eV) des
Volumenmaterials; r0 ist der effektive Radius der Clustersphäre, angenommen als rSN1/3 mit rS
als Radius einer Sphäre, die ein Elektron im Volumenmaterial enthält (rS = 3.93 a.u. für
Natrium); ϵ ist ein Parameter, der die Variation des Potentials am Rand der Sphäre festlegt
und 1.5 a.u. beträgt. Diese Beobachtung von Knight et al. richtete den Fokus auf quantisierte
Bewegungen delokalisierter Valenzelektronen.132 Das von Knight et al. eingeführte Konzept
wird als sphärisches Jellium Modell bezeichnet, die vorrausgesagten Stabilitäten bestimmter
Cluster mit einer Atomanzhal N sind sogennante „magische Zahlen“. Das Potential U(r) ist aus
der Nuklearphysik als Woods-Saxon Potential bekannt. Ein essentieller Faktor dieses Modells
ist die Separation der Schrödinger-Gleichung in radiale und gewinkelte Anteile, die JelliumWellenfunktion kann beschrieben werden als
𝜓𝑛𝑙𝑚 = 𝑓𝑛𝑙 (𝑟)𝑌𝑙𝑚 (𝜃, 𝜙)
Ylm(θ, φ) ist die Kugelflächenfunktion und fnl(r) hängt von der Form des Potenzialfeldes ab.
Die Schrödinger Gleichung wird für jedes N nummerisch gelöst. Daraus ergeben sich diskrete
Energielevel, die durch n und ihre Drehimpuls-Quantenzahl l mit einer Degeneration von
2(2l+1) spezifiziert werden. Das Energie-Level des Einelektronen-Modells ist 1s < 1p < 1d < 2s
< 1f < 2p < 1g < 2d < 3s < 1h… Elektronisch abgeschlossene Schalen werden so bei 2, 8, 20, 32,
40, 58, 68, 70, 92… erwartet. Die guten Übereinstimmung „magischer Zahlen“ des Jellium
Modells und den Beobachtungen aus massenspektroskopischen Untersuchungen von AlkaliMetallclustern demonstrieren die Anwendbarkeit des Jellium-Modells.114 Die Annahme des
Modells, die Elektronen als Wellenfunktion des Teilchen im Kasten zu betrachten, die über
den gesamten Cluster ausgesehnt ist, den ionischen Kern eines Clusters aber als uniformen,
positiv geladenen Hintergrund zu betrachten ist ein simples Modell, das wie jedes simple
Modell Limitierungen besitzt. So wird die elektronische Struktur, die zweifelsohne Einfluss auf
131
6. Experimental Teil
Stabilität
und
Struktur
Wechselwirkungen
eines
werden
nicht
Clusters
hat
einbezogen.
völlig
Durch
missachtet,
den
Elektron-Elektron
s-Wellencharakter
der
Wellenfunktion kann das Modell gut auf Alkalimetall-Cluster sowie Cu, Ag und Au Cluster
angewendet werden, ist für andere Metallcluster jedoch nur bedingt gültig. Das Modell
berechnet zudem oftmals eine zu große Anzahl an „magischen Zahlen“, die nicht immer einem
Zustand abgeschlossener Schalen zugeordnet werden können. Diese Limitierungen haben zu
Erweiterungen des Modells geführt, wie zum Beispiel der Beachtung von Elektron-Elektron
Wechselwirkungen.113 Eines der weiterführenden Modelle ist das strukturelle Jellium Modell.
Der wichtigste Aspekt dieses Modells ist die Zerlegung des Coulomb Potentials in einen
sphärischen und einen nicht-sphärischen Anteil. Letzterer ist für die Aufspaltung der
degenerierten Orbitale der Schalen verantwortlich (Abbildung 57). Diese Aufspaltung ist
verantwortlich für die geometrischen Strukturen von Clustern mit und ohne abgeschlossene
Schalen. Stabilität von Clustern wird im Jellium Modell mit abgeschlossenen Schalen
verbunden. Ein Alkali-Metall Cluster mit der Elektronenkonfiguration 1s21p2 würde eine
prolate Struktureinnehmen, da die Stabilisierungsenergie von zwei Elektronen in p0 doppelt
so groß ist, wie das Füllen von p1. Ebenso ist ein Alkali-Metall Cluster mit sechs Elektronen,
1s21p4 oblat. Stehen acht Elektronen zur Verfügung, ist die p Schale vollständig gefüllt, der
Cluster ist sphärisch, da es keine Triebkraft für das Abweichen von einer sphärischen Struktur
gibt. Das strukturelle Jellium Modell lässt also vermuten, dass Cluster mit nicht
abgeschlossenen Schalen eine oblate oder prolate Geomtrie einnehmen, wohingegen Cluster
mit abgeschlossenen Schalen spährisch sind. Tabelle 12 enthält spezifische Beispiele dieses
Prinzips.114
Abbildung 57. Aufspaltmuster der p-, d- und f-Orbitale im strukturellen Jellium Modell. Nachdruck mit
Genehmigung von D. M. P. Mingos, T. Slee, L. Zhenyang Chem. Rev. 1990, 90, 383-402. Copyright (1990)
American Chemical Society.
132
6. Experimental Teil
Tabelle 12. Klassifizierung von Polyedern
Anzahl der Atome
Polyeder
Form
4
Tetraeder
Sphärisch
4
Quadrat
Oblat
5
Eckenverkappter Tetraeder
Prolat
5
Trigonale Bipyramide
Prolat
5
Quadratische Pyramide
Oblat
5
Pentagon
Oblat
6
Oktaeder
Sphärisch
6
Trigonales Prisma
Prolat
6
Ecken-verknüpfter Tetraeder
Prolat
6
Pentagonale Pyramide
Oblat
7
Verkappter Oktaeder
Prolat
7
Dreifach verkappter Tetraeder
Oblat
7
Pentagonale Bipyramide
Oblat
8
Würfel
Sphärisch
8
Vierfach verkappter Tetraeder
Sphärisch
8
Dodekaeder
Prolat
8
Quadratisches Antiprisma
Oblat
9
Verkapptes quadratisches Antiprisma
Prolat
9
Dreifach verkapptes trigonales Prisma
Oblat
10
Vierfach verkappter Oktaeder
Sphärisch
10
Zweifach verkapptes quadratisches
Antiprisma
Prolat
10
Pentagonales Prisma
Oblat
10
Pentagonales Antiprisma
Oblat
12
Ikosaeder
Sphärisch
Das Jellium Modell ist bis heute ein Prinzip, das erfolgreich für die Beschreibung von Clustern, wie
etwa Goldclustern verwendet wird. Untersuchungen von Schnöckel et al. demonstrierten im Jahr
2007, die Übertragung des Prinzips auf metalloide Cluster und so dessen breite Anwendbarkeit. 133-135
133
6. Experimental Teil
6.7 Exkurs: Beugungsuntersuchungen mit Röntgen-, Synchrotronund Neutronenstrahlung zur Strukturaufklärung anorganischer
Festkörper
6.7.1 Routine Einkristall-Röntgenstrukturanalyse (XRD)
Röntgenstrahlung ist elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen im Bereich von ~ 1 Å
und liegt im elektromagnetischen Spektrum zwischen γ-Strahlung (~ 0.05 Å) und
Ultravioletter-Strahlung (100 – 400 nm). Röntgenstrahlung wird durch hochbeschleunigte
Elektronen erzeugt, wobei eine angelegte Hochspannung von 30-50 kV als Energiequelle
dient, die dann auf Materie treffen. Die daraus resultierende Strahlung besteht aus einem
Anteil an weißer Strahlung und einem Anteil an Strahlung, die eine feste Wellenlänge
aufweist, die sogenannte monochromatische Strahlung. Röntgenstrahlung wird in der
Einkristall-Röntgenstrukturanalyse
als
Routinemethode
für
die
Aufklärung
von
Molekülstrukturen verwendet. Die experimentell verwendete Strahlung ist in nahezu allen
Untersuchungen monochromatische Strahlung, die erzeugt wird, indem hochbeschleunigte
Elektronen von einer Kathode in einer Hochvakuumröhre zu einer Anode (Target), die aus
einem Metall, meist Kupfer oder Molybdän besteht, beschleunigt werden. Die Energie der
Elektronen ist bei dem Auftreffen auf das Metall hoch genug, um eines der 1s Elektronen
(kernnahe K-Schale) des Metalls herauszuschlagen. Die so entstandene Lücke auf 1s Level des
Metalls wird durch ein Elektron der 2p oder 3p Schale sofort gefüllt, wobei dieses energetisch
absinkt und die Energie des Überganges frei wird und als Röntgenstrahlung emittiert wird. Die
Übergangsenergien weisen konkrete Werte auf wodurch ein charakteristisches Spektrum der
Röntgenstrahlung entsteht. Die Linien des Spektrums werden dem Übergang entsprechend
als Kα (2p  1s) und Kβ (3p  1s) bezeichnet. Um monochromatische Strahlung zu erhalten,
muss ein Teil der Strahlung gefiltert werden. Für Röntgenstrahlen, die beispielsweise durch
Kupfer emittiert werden, besitzt die Kα Linie die höchste Intensität und ist somit die effektivste
Linie für XRD Untersuchungen. Um lediglich Cu Kα-Strahlung zu verwenden wird zur Trennung
der Strahlung in der Praxis ein Filter, welcher meist aus einem Element besteht, welches eine
oder zwei Ordnungszahlen unter dem Targetmaterial liegt, oder ein EinkristallMonochromator verwendet.
Die Kα-Wellenlänge von Kupfer- und Molybdän-Strahlung,
welche beide im Rahmen dieses Dissertationsprojektes verwendet wurden, sowie
verwendbare Filter sind in Tabelle 13 aufgelistet.136, 137
134
6. Experimental Teil
Tabelle 13. Wellenlänge der Rötgenstrahlung für verwendete Targetmaterialien.
Target
Kα
Filter
Cu
1.5405 Å
Ni
Mo
0.7093 Å
Nb
Die Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie basiert auf zwei verschiedenen
Prozessen: Streuung und Absorption (mit nachfolgender Emission). Absorptions- oder
Emissionprozesse
(Röntgenfluoreszenanalyse)
spielen
für
die
Routine-Einkristall-
Röntgenstrukturanalyse theoretisch keine Rolle und werden daher hier nicht näher erläutert,
auch wenn Absorption bei der Auswertung von Röntgenstrukturanalyse Daten nicht gänzlich
außer Acht gelassen werden kann. Bei Streuprozessen ist zwischen inkohärenter Streuung und
kohärenter Streuung zu unterscheiden. Inkohärente Streuung entsteht durch Energieverlust
der Strahlung, hervorgerufen durch einen Stoßprozess zwischen einem Photon und einem
Elektron, und weist eine höhere Wellenlänge als die Eingangsstrahlung auf. Die Wellenlänge
kohärenter Streuung ist jedoch dieselbe, wie die der Eingangsstrahlung. Der Beugungsprozess
resultiert in diesem Fall nicht in einem Energieverlust. Die Entstehung kohärenter Streuung
bei der Wechselwirkung von Röntgenstrahlung und kristalliner Materie ist die experimentelle
Grundlage der Röntgenstrukturanalyse. Der entscheidende Faktor ist nun, dass die
Röntgenstrahlung beim Auftreffen auf die einzelnen Ebenen eines Einkristalls an den
Elektronen der Moleküle gebeugt wird. Durch den einfallenden Röntgenstrahl wird ein
Elektron zu einer gezwungenen Schwingung angeregt und emittiert Strahlung, die kohärent
zu der Eingangsstrahlung ist. Somit dienen die Elektronen des zu untersuchenden Einkristalls
also als zweite Quelle der Röntgenstrahlung. Die emittierten Strahlen werden detektiert und
das entstehende Beugungsmuster (die Position und Intensität der verstärkten Wellenfronten,
sowie die Symmetrie des Gesamtbildes) kann ausgewertet werden, wodurch die Kristall- und
Molekülstruktur bestimmt wird. In XRD Experimenten wird also nicht die Position der Atome
im Einkristall bestimmt, sondern die Verteilung der Elektronen in der Elementarzelle, da die
Röntgenstrahlung mit der Elektronendichte in Wechselwirkung tritt. Durch diese
Wechselwirkung wird zunächst das Beugungsmuster und durch anschließende Auswertung
die Elektronendichtekarte erhalten. Aus dieser ist es dann möglich, die Molekülstruktur zu
ermitteln. Die Röntgenbeugung ist also stark von der Anzahl der Elektronen eines Moleküls
und somit der Anzahl an Elektronen der enthaltenen Elemente und dessen Ordnungszahl
135
6. Experimental Teil
abhängig.136, 137 Alle neuen Verbindungen (1-8), die in dieser Dissertation beschrieben wurden,
wurden mittels XRD Experimenten untersucht und 3, 6 und 8 eignen sich, um die Limitierung
dieser
Methode
aufzuzeigen.
Mit
[Zn2Cp*2CuCp*]
(3),
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4]
/
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6a/6b), [Zn2(GaCp*)6]2+ (7) und [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8) sind vier
Komplexe bimetallische Verbindungen, deren Metalle benachbarte Elemente im
Periodensystem der Elemente sind. Folglich unterscheiden sich Kupfer und Zink, sowie Gallium
und Zink, nur durch die Anzahl eines Elektrons, wodurch die Elementkombinationen in XRD
Untersuchungen unter der Verwendung von monochromatischer Cu Kα- oder Mo Kα-Strahlung
nicht unterscheidbar sind, da diese eine Abbildung der Elektronendichte liefern, die für Cu/Znsowie Ga/Zn- Variationen nicht signifikant voneinander abweichen. Für die Komplexe 3, 6a/6b
und
Kation
7
konnte
die
Molekülstruktur
durch
komplementäre
analytische
Charakterisierungen sowie quantenchemische Kalkulationen bestimmt werden, für Kation 8
konnten die aus den Untersuchungen gezogenen Erkenntnisse jedoch nicht in Einklang
gebracht werden, wodurch eine Besetzung der Gallium- und Zinkpositionen im Molekül nicht
vorgenommen wurde. Experimentell müsste man für eine definitive Unterscheidung der
Gallium und Zinkatome in 8 auf Synchrotron Röntgenstrahlung oder Neutronenbeugung
zurückgreifen, beide Beugungsverfahren werden folgend erläutert.
6.7.2 Synchrotron Röntgenstrahlung
Synchrotron Röntgenstrahlung wird erzeugt, wenn Elektronen sich, beschleunigt und
geleitet durch starke Magnetfelder, mit hoher Energie kreisförmig in einer Ultrahochvakuum
Röhre, dem Speicherring, des Synchrotrons bewegen (Abbildung 58). Die Geschwindigkeit der
Elektronen erreicht dabei nahezu Lichtgeschwindigkeit, woraus eine Energie von 109 eV
resultiert.137, 138
136
6. Experimental Teil
Abbildung 58. Schematische Zeichnung eines Synchrotron Speicherringes.
Als Folge wird elektromagnetische Strahlung in eine Richtung tangentiell zum Kreis emittiert.
Diese Strahlung weist eine Energieverteilung auf und der Mittelpunkt der erhaltenen
Wellenlänge (λc = kritische Wellenlänge) hängt von dem Radius R des Speicherringes (in
Metern) ab. Die Abhängigkeit kann durch folgende Gleichung beschrieben werden:
𝜆𝑐 =
5.59 𝑅
(Å) (𝐸 = 𝐸𝑛𝑒𝑟𝑔𝑖𝑒 𝑑𝑒𝑟 𝐸𝑙𝑒𝑘𝑡𝑟𝑜𝑛𝑒𝑛 𝑖𝑛 𝑒𝑉)
𝐸3
Für große Speicherringe können so Wellenlängen in dem Bereich von 0.3 – 2.5 Å erreicht
werden. Durch die Anwendung eines Monochromators kann aus diesem Bereich selektiv für
jedes Experiment monochromatische Strahlung einer gewünschten Wellenlänge extrahiert
werden, worin ein maßgeblicher Vorteil der Synchrotron Strahlung liegt. Des Weiteren ist die
Intensität der Synchrotron Strahlung um einen Faktor 102-104 höher als die charakteristischen
Linien einer Röntgenröhre, das Signal-Rausch-Verhältnis ist wesentlich besser als für
herkömmliche Quellen und die Datensammlung erfolgt in einem kürzerem Zeitraum, was
besonders für die Analyse von Makromolekülen von Vorteil ist. Für die Problemstellung, die
der Komplex [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8) in Bezug auf die Positionsverteilung der Gallium- und
Zinkatome aufwirft, ist besonders die abstimmbare Wellenlänge der Synchrotron-Strahlung
von großem Interesse. Jedes Element besitzt charakteristische Absorptionskanten und die
Streuamplitude f eines gegebenen Elementes kann modifiziert werden, wenn Strahlung mit
einer Wellenlänge, die nah an dessen Absorptionskante liegt, eingestrahlt wird. Die
streuenden Atome einer Struktur schwingen normal als elektrische Dipole in Gegenphase zu
der anregenden, primären Röntgenwelle. Es gilt das Friedel-gesetz (Abbildung 59).
137
6. Experimental Teil
Abbildung 59. Veranschaulichte Darstellung des Friedel-Gesetzes.
Diese phasengleiche Streuung tritt allerdings nicht mehr auf, wenn ein Kristall, Atome enthält,
deren Absorptionskante nah an der eingestrahlten Wellenlänge liegt. Aufgrund der intensiven
Wechselwirkung zeigen die von den betreffenden Atomen ausgehenden Streuwellen eine
spezifische Phasenverschiebung, es wird von anomaler Streuung gesprochen. Die
resultierenden Resonanzeffekte werden durch folgende Gleichung beschrieben
𝑓 = 𝑓 0 + 𝑓 ′ + 𝑓 ′′
Wobei f0 die Anzahl der Elektronen des jeweiligen Elementes sind, f‘ und f‘‘ der Realteil und
Imaginärteil des Terms der anomalen Streuung sind. f‘ und f‘‘ tragen bei einem wesentlichen
Energieunterschied zwischen der einfallenden Röntgenstrahlung und der Absorptionskante
eines Elementes kaum zu der Streuamplitude f bei, beeinflussen diese hingegen stärker am
Rand der Absorptionskante (Abbildung 60). Aufgrund dieser Abhängigkeit ist es möglich, durch
Auswahl der Wellenlänge und Variation dieser in unterschiedlichen Experimenten,
benachbarte Elemente des Periodensystems und sogar unterschiedliche Valenzen desselben
Elementes, durch die Einstrahlung von Synchrotron-Röntgenstrahlung zu unterscheiden. Bei
einer Wellenlänge nah der Zink-Absorptionskante (λ = 1.2854 Å, entspricht 9.64 keV) ist
f0 = 30 Elektronen, f‘ und f‘‘ sind -6.31 und 0.49 Elektronen, wohingegen die entsprechenden
Werte für Gallium 31, -2.37 und 0.60 Elektronen entsprechen. 138, 139
138
6. Experimental Teil
Abbildung 60. Anomale Röntgenstreuung von Gallium und Zink. Schematisches Diagramm der
Abhängigkeit von f‘ und f‘‘ von der eingestrahlten Wellenlänge.140
So kann die anomale Streuung auch genutzt werden, um Gallium und Zink in Festkörpern zu
unterscheiden, wie es in Multiwellenlängen Synchrotron-Röntgenstrukturanalyse Studien für
die Zink-Gallium-Phosphat Netzwerke [C7H14N][ZnGa3(PO4)4], (C5H6N][ZnGa2(PO4)3] und
[C6H14N2]2[Zn4Ga5(PO4)9]
gezeigt
wurde.139
Zur
Strukturbestimmung
wurden
zwei
Experimente bei unterschiedlichen Wellenlängen durchgeführt, zum einen nah an der Zr K α
Absorptionskante (0.6912 Å), bei der weder Gallium und Zink signifikante anomale Streuung
aufweisen, und zum anderen nah an der Zn Kα Absorptionskante (1.2857 Å), wodurch es
Chippindale et al. gelang, die Struktur der Netzwerke aufzuklären.
6.7.3 Neutronenbeugung
Neutronen sind ladungsfreie Elementarteilchen, wobei die Welleneigenschaften eines
Neutronenstrahles die Durchführung von Beugungsexperimenten erlauben. Dies wurde
bereits 1939, nur kurze Zeit nach der Entdeckung des Neutrons, von Halban und Preiswerk an
MgO Kristallen gezeigt, wobei eine Radium-Berrylium Quelle genutzt wurde.141 Heute werden
Neutronen meist in nuklearen Reaktoren oder durch Spallation von Metallen, die als Target
mit hochenergetischen (500 MeV) Protonen beschossen werden, erzeugt. Die Wellenlänge
von Neutronenstrahlung liegt im Bereich von 0.5-3 Å und kann durch einen Monochromator
für
jedes
Experiment
selektiv
eingestellt
werden.
Die
Wechselwirkung
von
139
6. Experimental Teil
Neutronenstrahlung mit Materie wird durch drei Prozesse beschrieben: 1) Kernstreuung
resultiert aus der Wechselwirkung eines Neutrons mit den Atomkernen; 2) Magnetische
Streuung entsteht durch die Wechselwirkung des magnetischen Moments µ n des Neutrons
mit den magnetischen Momenten der ungepaarten Valenzelektronen des zu untersuchenden
Materials und 3) inelatische Streuung wird durch die Wechselwirkung mit der
Gitterschwingung des Kristalles hervorgerufen.136,
137
Für eine potentielle Aufklärung der
Struktur von Kation 8 ist nur die Wechselwirkung der Neutronenstrahlung mit Atomkernen
von signifikanter Bedeutung. Die Neutronenbeugung eines Elementes ist eine Kerneigenschaft
und hängt somit nicht von der Ordnungszahl des Elementes ab und die Streufaktoren f der
Elemente sind über das Periodensystem verteilt, worin ein großer Vorteil gegenüber der
Röntgenbeugung liegt (Abbildung 61). Durch das Auftreffen eines Neutrons auf einen
Atomkern wird dieser angeregt und die relativen Energieniveaus des angeregten Kernes
bestimmen die Streuamplitude der Resonanzstreuung. So besitzen auch im Periodensystem
benachbarte Elemente (f (Gallium) = 7.288 10-13 cm, f (Zink) = 5.680 10-13 cm), oder Isotope
eines
Elements
signifikant
unterschiedliches
Streuvermögen
und
können
in
Neutronenbeugungsexperimenten unterschieden werden.142
Abbildung 61. Variation der Streufaktoren f mit zunehmendem molekularem Gewicht M. 143
Ein literaturbekanntes Anwendungsbeispiel für die Neutronenbeugung ist die Untersuchung
von MgAl2O2 Spinell-Kristallen. Durch ihre Oxidationsstufen weisen Mg2+ und Al3+ dieselbe
140
6. Experimental Teil
Anzahl an Elektronen auf und können mit Standard Röntgenbeugungsexperimenten nicht
differenziert werden.144 Aufgrund ihrer stark variierenden Streufaktoren (f (Mg) = 5.38 10-13
cm, f (Al) = 3.45 10-13 cm) können beide Elemente jedoch mittels Neutronenbeugung
erfolgreich zugeordnet werden.
6.7.4
Gründe,
warum
weder
Neutronenbeugungsexperimente versucht wurden
Synchrotron
noch
Die Übertragung der beschriebenen Experimente auf die Untersuchung von [Zn2Ga6(Cp*)6]2+
(8) ist denkbar, ist in der Praxis jedoch im zeitlichen Rahmen dieses Dissertationsprojektes
nicht möglich. Die Zugänglichkeit von Synchrotron und Neutronenbeugungsanlgen ist
begrenzt und als besonders erschwerende Faktoren kommen die Luftempfindlichkeit von
Komplex 8[BAr4F]2, die Kristallisationsbedingungen von – 30 °C und die Kristallqualität hinzu.
Der Nachteil der Neutronenbeugung ist die geringe Intensität der Strahlung, die eine Größe
der zu untersuchenden Einkristalle von ~ 1 mm3 erfordert. Diese wurde für die Einkristalle von
Komplex 8[BAr4F]2 nicht erreicht.
6.8 Methodik quantenchemischer Analysen
Die quantenchemischen Analysen wurden von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Gernot
Frenking Philips-Universität Marburg, Deutschland, für die Verbindungen 2[BAr4F], 3,
7[BAr4F]2, und 8[BAr4F]2, im Rahmen des Dissertationprojektes Von Dr. Paul Jerabek gemacht.
Für Verbindung 6a/6b wurden Rechnungenvon der Gruppe um Prof. Dr. Jean-Yves Saillard
(Samia Kahlal), Institut des Scienes Chimiques de Rennes, Frankreich vorgenommen. Die
verwendeten Methoden werden für die entsprechenden Verbindungen kurz umfasst. Der
nachfolgende Abschnitt zitiert/paraphrasiert die entsprechenden Stellen in der Dissertation
des Kooperationspartners Paul Jerabek (Philipps-Universität Marburg, 2014). Die hier
wiedergegebenen Ausführungen sind für die zusammenfassende Darstellung des Projektes in
dieser Dissertation erforderlich.
141
6. Experimental Teil
6.8.1 Quantenchemische Analyse von [Zn3Cp*3]+ (2) und [Zn2CuCp*2] (3)
Die optimierten Strukturen der Moleküle wurde mit Hilfe des Softwarepakets TURBOMOLE
V6.3.1 optimiert. Der verwendete Basissatz ist def2-TZVPP. Stationäre Punkte der
Geometrieoptimierungen konnten mit Hilfe der Hesse-Matrix und dem Befehl Aoforce
nachgewiesen werden. Dispersions-Wecheselwirkungen wurden mit Grimmes D3 Korrektion
hinzugezogen, das DFT Level wird dann als BP86(D3)/TZVPP bezeichnet. Zusätliche DFT
Optimierungen wurden mit der M06-L Funktion des Programmpaketes Gaussian 09 auf dem
M06-L/SVP Level durchgeführt.
Die NBO Ladungen wurden mit dem Programm NBO 3.1, das in Gaussian 09 enthalten ist,
erhalten.
Die EDA-NOCV Berechnungen wurden mit dem Programmpacket ADF(2012.02) auf
BP86/TZ2P+ Level gemacht. Die EDA-NOCS-Analyse teilt die Bindungsenergie zwischen zwei
Fragmenten ∆Eint
in drei Beiträge, die Pauliabstoßung (∆EPauli), die quasi-klassiche
elektrostatische Wechselwirkung (∆Eelstat) und den kovalenten Orbitalbeitrag (∆EOrb). Der
letzte Beitrag setzt sich aus ∆Eσ und ∆Eπ zusammen
Abbildung 62. Optimierte Struktur des [Zn3Cp*3]+ (2) Kations (BP86(D3)/TZVPP und M06-
L/TZVPP).
142
6. Experimental Teil
Tabelle 14. Berechnete Bindungslängen- und winkel in [Zn3Cp*3]+ (2).
BP86(D3)/TZVPP
M06-L/TZVPP
X-Ray
E1-E2
2.415
2.465
2.425
E2-E3
2.414
2.464
2.424
E3-E1
2.416
2.465
2.443
*
1.852
1.832
1.838
*
E2-Cp (c)
1.852
1.832
1.849
E3-Cp*(c)
1.856
1.832
1.842
E1-E2-E3
60.0
60.0
60.5
E2-E3-E1
60.0
60.0
59.8
E3-E1-E2
60.0
60.0
59.7
E1-Cp (c)
Abbildung 63. Optimierte Sturktur von [Zn2Cp*2CuCp*] (3) (BP86(D3)/TZVPP und M06-L/TZVPP).
Tabelle 15. Berechnete Bindungslängen- und winkel in [Zn2Cp*2CuCp*] (3).
BP86(D3)/TZVPP
M06-L/TZVPP
X-Ray
E1-E2
2.315
2.355
2.381
E2-E3
2.318
2.359
2.381
E3-E1
2.490
2.531
2.357
E1-Cp*(c)
1.936
1.906
1.888
E2-Cp*(c)
1.825
1.809
1.896
E3-Cp*(c)
1.930
1.908
1.884
E1-E2-E3
65.0
65.0
59.3
E2-E3-E1
57.4
57.2
60.3
E3-E1-E2
57.6
57.2
60.3
143
6. Experimental Teil
6.8.2
Quantenchemische
Analyse
t
[(CuCN Bu)4(ZnCp*)3(ZnCp)] (6a/6b)
von
[(CuCNtBu)4(ZnCp*)4]
/
DFT optimierte Strukturen der Moleküle wurden mit dem Programmpaket Gaussian 09,
dem PBE0 Funktional und Def2-TZVP Basissatz optimiert. NBO Rechnungen wurden mit dem
Programm NBO 5.0 durchgeführt. Das MO Diagramm wurde aus Punkt-Berechnungen auf
PBE0/TZVP Level mit dem Programm ADF 2013 gemacht.
Abbildung 64. Optimierte Strukturen der vereinfachten Modelle [(CuCNH)4(ZnCp*)4] (links) und
[(CuCp)4((ZnCNH)4] (rechts) ((PBE0/TZVP).
6.7.3 Quantenchemische Analyse von [Zn2(GaCp*)6]2+ (7) und [Zn2Ga6(Cp*)6]2+
(8)
Die Strukturen der Moleküle wurden auf BP86/def2-TZVPP Level mit dem Programm
TURBOMOLE V6.4.2. optimiert. Stationäre Punkte der Geometrieoptimierungen konnten mit
Hilfe der Hesse-Matrix und dem Befehl Aoforce nachgewiesen werden. DispersionsWecheselwirkungen wurden mit Grimmes D3 Korrektion hinzugezogen. Die EDA
Kalkulationen wurden auf BP86 Level mit TZ2P+ Funktion sowie mit und ohne D3(BJ) Korrektur
mit dem Programm ADF(2013.01) durchgeführt. Das Level wird dann als BP86-D3(BJ)/TZ2P+
bezeichnet.
144
6. Experimental Teil
Abbildung 65. Optimierte Struktur von [Ga2(GaCp*)4(ZnCp*)2]2+, das ein mögliches
Koordinationsisomer von [Zn2Ga6(Cp*)6]2+ (8) darstellt. Die berechneten Bindungslängen sind
in Klammern zu finden. (Die optimierte Struktur von [Zn2(GaCp*)6]2+ (7) ist in Kapitel 4.5.4
abgebildet.).
145
6. Experimental Teil
6.9 Kristallographische Daten
1[BAr4F] · 2(C6H5F)
2[BAr4F] · 0.5C6H5F
Summenformel
C83H87BF26Zn4
C65H59.5BF24.5Zn3
C30H45CuZn2
Molgewicht (g mol-1)
1870.81
1513.04
599.94
Temperatur (T)
110(2)
112(2)
112(2)
Wellenlänge (Å)
0.71073
1.54178
1.54178
Kristallgröße (mm3)
0.34  0.25  0.22
0.122 x 0.087 x 0.036
0.057  0.041  0.037
Kristallsystem
Monoklin
Monolklin
Triclinic
Raumgruppe
P21/c
P21/c
P-1
a (Å)
14.0958(2)
21.3975(2)
10.7504(6)
b (Å)
23.3198(3)
25.5256(2)
10.8001(6)
c (Å)
26.1788(4)
24.6367(2)
15.0565(10)
α (°)
90.00
90
75.546(6)
b (Å)
92.926(2)
95.055(1)
72.000(6)
γ (°)
90
90
60.399(6)
Zellvolumen (Å3)
8594.0(2)
13403.8(2)
1435.62(18)
Z
4
8
2
ρ ber. (g cm3)
1.446
1.500
1.388
µ (mm1)
1.203
2.208
2.894
F (000)
3816
6120
628
Messbereich 2θ (°)
50
148.33
148.33
Anzahl der Reflexe / Unabhängige
Reflexe
15097 / 10706
53357 / 26409
9633 / 5646
Rint
0.1132
0.0233
0.0273
Parameters / restraints
420 / 0
1744 / 751
313 / 0
Goodness-of-fit geg. F2
1.062
1.050
1.091
R1 [I>2σ(I)]
0.0763
0.0448
0.0416
wR2 (alle Daten)
0.1893
0.1218
0.1092
Restelektronendichte (e Å3)
0.773 / 0.559
1.004 / 0.686
0.566 / 0.512
3
146
6. Experimental Teil
4 · C7H8
5 · 3(C7H8)
6a/6b
Summenformel
C57H86N2PdZn4
C97H150P2Pd3Zn6
C57.5H91N4Cu4Zn4
Molgewicht (g mol-1)
1167.15
2089.52
1353.98
Temperatur (T)
100(2)
100(2)
110(2)
Wellenlänge (Å)
0.71073
1.54178
0.71073
Kristallgröße (mm3)
0.26  0.24  0.23
0.11  0.09  0.08
0.23  0.09  0.08
Kristallsystem
Orthorhomisch
Triclinic
Kubisch
Raumgruppe
Pbca
P-1
I-43m
a (Å)
25.6662(6)
12.2816(3)
16.8803(5)
b (Å)
25.5792(6)
13.0205(4)
16.8803(5)
c (Å)
35.0052(8)
29.8246(8)
16.8803(5)
α (°)
90
100.247(2)
90
b (Å)
90
97.965(2)
90
γ (°)
90
90.646(2)
90
Zellvolumen (Å3)
22981.0(1)
4644.8(2)
4810.0(4)
Z
16
2
2
ρ ber. (g cm3)
1.349
1.494
0.935
µ (mm1)
1.988
6.886
1.869
F (000)
9728
2160
1400
Messbereich 2θ (°)
57.764
148.38
57.74
Anzahl der Reflexe / Unabhängige
Reflexe
208231 / 28690
43311 / 18285
17012 / 1141
Rint
0.1063
0.0436
0.1838
Parameters / restraints
1193 / 185
1058 / 364
25 / 5
Goodness-of-fit geg. F2
1.084
1.013
1.045
R1 [I>2σ(I)]
0.0371
0.0349
0.0678
wR2 (alle Daten)
0.1054
0.1063
0.2042
Restelektronendichte (e Å3)
2.340 / 1.122
1.167 / 1.201
0.359 / 0.478
147
6. Experimental Teil
7[BAr4F]2 · 4(C6H5F)
8[BAr4F]2 · 2(C6H5F)
Summenformel
C136H124B2F50Ga6Zn2
C136H124B2F50Ga6Zn2
Molgewicht (g mol-1)
2471.22
2471.22
Temperatur (T)
110(2)
100(2)
Wellenlänge (Å)
1.54184
1.54174
Kristallgröße (mm3)
0.07  0.08  0.08
0.09 x 0.06 x 0.02
Kristallsystem
Trinklin
Trinklin
Raumgruppe
P-1
P-1
a (Å)
14.6497(2)
14.5654(4)
b (Å)
14.8155(2)
14.7873(4)
c (Å)
18.8823(3)
19.0284(5)
α (°)
75.670(10)
67.586(2)
β (°)
69.094(2)
77.587(2)
γ (°)
87.907(10)
87.029(2)
Zellvolumen (Å3)
2703.27(10)
3698.14(18)
Z
1
1
ρ ber. (g cm3)
1.556
1.559
µ (mm1)
2.568
2.571
F (000)
1746
1746
Messbereich 2θ (°)
149.72
147.80
Anzahl der Reflexe / Unabhängige
Reflexe
80574 / 14940
26976 / 12924
Rint
0.0575
0.0784
Parameters / restraints
947 / 245
964 / 360
Goodness-of-fit geg. F2
1.016
1.030
R1 [I>2σ(I)]
0.0583
0.0648
wR2 (alle Daten)
0.1740
0.2025
Restelektronendichte (e Å3)
1.601 / 1.123
2.860 / 0.811
148
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis
1.
G. Sauthoff, Wiley-VCH, New York, 1995.
2.
A. F. Hollemann and E. Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, De Gruyter, Berlin, 1995.
3.
R. Pöttgen and D. Johrend, Intermetallics, De Gruyter, Berlin, 2014.
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Anhang
Anhang
Posterbeiträge und Vorträge
Kerstin Freitag, Timo Bollermann, Christian Gemel, Paul Jerabek, Moritz von Hopffgarten,
Gernot Frenking, Roland A. Fischer, ´Coordination Chemistry of [Zn2Cp*2] towards Transition
Metal Centers´, Ruhr-Universität Research School Research Day 2011, Bochum, Deutschland,
November 2011 (Poster).
Kerstin Freitag, Timo Bollermann, Christian Gemel, Paul Jerabek, Moritz von Hopffgarten,
Gernot Frenking, Roland A. Fischer, ´The Versatile Chemistry of [Zn2Cp*2]: Exploration of the
Synthetic Potential in Transition Metal and Main Group Chemistry´, XXV International
Conference on Organometallic Chemistry (ICOMC), Lissabon, Portugal, September 2012,
(Kurzvortrag und Poster).
Kerstin Freitag, Christian Gemel, Roland A. Fischer, ´Reactions of [Zn2Cp*2] with electronically
non saturated palladium complexes´, 246th ACS National Meeting, Indianapolis, USA,
September 2013 (Vortrag).
Kerstin Freitag, Christian Gemel, Roland A. Fischer, ´Koordinationschemie von [Zn2Cp*2] an
elektronisch und koordinativ ungesättigten Palladiumzentren´, FCI Stipendiatentreffen, RuhrUniversität Bochum, Deutschland Dezember 2013 (Vortrag).
156
Anhang
Publikationen
Erstautorenschaften
K. Freitag, H. Banh, C. Ganesamoorthy, C. Gemel, R. W. Seidel, R. A. Fischer, “Cp* as a
removable protecting group: low valent Zn(I) compounds by reductive elimination, protolytic
and oxidative cleavage of Zn–Cp*” , Dalton Trans. 2013, 42, 10540-10544.
K. Freitag, H. Banh, C. Gemel, R. W. Seidel, Samia Kahlal, Jean-Yves Saillard, R. A. Fischer,
„Molecular brass: Cu4Zn4, a ligand protected superatom cluster“, Chem. Commun. 2014, 50,
8681-8684.
K. Freitag, H. Banh, C. Gemel, P. Jerabek, R. W. Seidel, G. Frenking, R. A. Fischer, „The Dizinc
Cation [Zn2]2+ Trapped in a Homoleptic Metalloid Coordination Environment Stabilized by
Dispersion Forces: [Zn2(GaCp*)6][BAr4F]2”, Inorg. Chem., 10.1021/ic502532g.
K. Freitag, C. Gemel, P. Jerabek, R. W. Seidel, G. Frenking, R. A. Fischer, „Embryonic Brass:
The σ-aromatic Clusters [Zn3]+ und [Zn2Cu]“, Angew. Chem., 10.1002/anie.201410737R1 und
10.1002/ange.201410737R1.
K. Freitag, M. Molon, K. Dilchert, C. Rösler, R. W. Seidel, C. Gemel, R. A. Fischer, „Modulation
of ZnZn Interactions at Nickel and Palladium Centers“, Manuskript in Vorbereitung.
Co-Autorenschaften
T. Bollermann, K. Freitag, C. Gemel, R.W. Seidel, M. von Hopffgarten, G. Frenking, R.A.
Fischer, „The Reactivity of [Zn2Cp*2]: Trapping Monovalent {ZnZnCp*} in the Metal-Rich
Compounds [(Pd, Pt)(GaCp*)a(ZnCp*)4-a(ZnZnCp*)4-a] (a = 0, 2)”, Angew. Chem. Int. Ed., 2011,
50, 772.
157
Anhang
T. Bollermann, K. Freitag, C. Gemel, R.W. Seidel, R.A. Fischer, „Reactivity of [Zn2Cp*2] toward
Transition Metal Complexes: Synthesis and Characterization of [Cp*M(ZnCp*)3] (M = Ni, Pd,
Pt)”, Organometallics 2011, 30, 4123.
T. Bollermann, K. Freitag, C. Gemel, M. Molon, R.W. Seidel, M. von Hopffgarten, P. Jerabek,
G. Frenking, R.A. Fischer, „The rich chemistry of [Zn2Cp*2]: Trapping three different types of
ligands in the unusual PdZn7 complex [Pd(ZnCp*)4(ZnMe)2(Zn{tmeda})]”, Inorg. Chem. 2011,
50, 10486.
T. Bollermann, T. Cadenbach, C. Gemel, K. Freitag, M. Molon, V. Gwildies, R.A. Fischer,
„Homoleptic Hexa and Penta Gallylene Coordinated Complexes of Molybdenum and
Rhodium”, Inorg. Chem. 2011, 50, 5808.
T. Bollermann, I. Schwedler, M. Molon, K. Freitag, C. Gemel, R.W. Seidel, R.A. Fischer, „Zincrich Compounds of Iron and Cobalt: Formation of [Fe2Znn] (n = 2-4) and [Co2Zn3] Cores”,
Dalton Trans. 2011, 40, 12570.
T. Bollermann, M. Molon, C. Gemel, K. Freitag, R.W. Seidel, M. von Hopffgarten, P. Jerabek,
G. Frenking, R.A. Fischer, „Oligonuclear Molecular Models of Intermetallic Phases: A Case
Study on [Pd2Zn6Ga2(Cp*)5(CH3)3]”, Chem. Eur. J. 2011, 18, 4909.
158
Anhang
Akademischer Werdegang
Persönliche Daten
Vorname, Name
Kerstin Freitag
Geburtstdatum
09.03.1987
Geburstort
Dortmund (Deutschland)
Staatsangehörigkeit
deutsch
Schul- und Hochschulausbildung
06/2011 – 12/2014
Promotionsstudien der Chemie, Lehrstuhl für Anorganische
Chemie II, Ruhr-Universität Bochum
10/2009 – 06/2011
Master Studium der Chemie an der Ruhr-Universität Bochum
mit Schwerpunkt Anorganische Chemie
Abschluss: Master of Science, Note: sehr gut (1.2)
10/2006 – 09/2009
Bachelor Studium der Chemie an der Ruhr-Universität Bochum
Abschluss: Bachelor of Science, Note: gut (2.0)
08/1997 – 06/2006
Mallinckrodt Gymnasium Dortmund
Abschluss: Allgemeine Hochschulreife
08/1993 – 06/1997
Augustinus Grundschule Dortmund
Auszeichnungen
04/2012 – 03/2014
Doktorandenstipendium des Fonds der Chemischen Industrie
(FCI)
09/2012
Reisestipendium der Ruhr-Universität Research School zur
Teilnahme an der „XXV International Conference on
Organometallic Chemistry (ICOMC)“, Lissabon, Portugal
07/2013
Teilnahme am „63rd Lindau Nobel Laureate Meeting“, Lindau,
Deutschland, gesponsert und finanziert vom Verband der
Chemischen Industrie (VCI)
03/2014 – 05/2014
Auslandsstipendium der Ruhr-Universität Research School Plus
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Anhang
Auslandsaufenthalt
03/2014 – 05/2014
Forschungsaufenthalt in der Gruppe von Prof. P. P. Power,
University of California Davis, Davis, USA
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