Bullenmast: Karten werden weltweit neu gemischt!

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Bullenmast: Karten werden
weltweit neu gemischt!
Wie wettbewerbsfähig
sind deutsche Bullenmäster innerhalb der EU und
gegenüber den großen
Rindfleisch-Produzenten
aus Süd- und Nordamerika? Besser als erwartet,
zeigen Experten des von
Thünen-Instituts, Braunschweig, und der DLG.
Typisch für die USA und
Kanada sind so genannte
„Feedlots“, also eine
flächenunabhängige, intensive
Endmast. Feedlot-Systeme
gibt es auch in Australien und
Südafrika sowie in Italien und
Spanien, jeweils mit völlig
unterschiedlichen Rassen und
Mastendgewichten.
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H
at die Bullenmast in Deutschland
eine Zukunft? Diese Frage ist nach
Agrarreform, Prämien-Entkopplung und massiv gestiegenen Futterkosten derzeit öfter zu hören. Viele deutsche
Mäster bangen wegen der angeblich konkurrenzlos günstigen Rindfleischproduktion im europäischen Ausland und in
Übersee um die Wettbewerbsfähigkeit
ihrer Intensivmastplätze. Ist diese Sorge
gerechtfertigt?
Anworten gibt der „agri benchmarkReport 2007“ für Rindfleisch des von
Thünen-Instituts (vormals FAL) in
Braunschweig und der DLG. Dort haben
sich Experten auf den internationalen
Betriebsvergleich spezialisiert (siehe Kasten auf Seite 106). Die wichtigsten Ergebnisse:
■ Im EU-Vergleich können die deutschen Betriebe bei den Produktionskosten
pro kg Rindfleisch gut mithalten, bei den
Erlösen liegen wir dagegen im Mittelfeld.
■ Weltweit gesehen wirtschaften die
deutschen Bullenmäster zwar mit höheren Kosten, erzielen aber auch höhere
Erlöse als z. B. die Betriebe in Süd- und
Nordamerika. Außerdem verschieben
sich derzeit die Wettbewerbsverhältnisse zugunsten der einheimischen Mäster:
In vielen typischen Rindermastländern
der Welt steigen die Produktionskosten
Kennzeichnend ist z.B. für Mittel- und Nordeuropa eine Intensivmast fleischbetonter
Tiere auf Silagebasis (Ausnahme Irland) und ein Endgewicht von 600 – 700 kg LG.
überdurchschnittlich stark an.
Ursachen dafür sind in vielen Ländern
u.a. zunehmende Konkurrenz (z. B. um
Futterflächen) und die Marktbedingungen. Die wichtigsten Unterschiede in den
Produktions-Systemen, den Strukturen
und der Vermarktung zeigt der Blick hinter die Kulissen.
Bis zu 3 8/kg SG
Differenz beim Erlös
Für den internationalen Vergleich haben die Experten des Beef-Netzwerkes
für die jeweilige Region typische Rindermastbetriebe analysiert. „Typische“ Betriebe sind keine Durchschnittsbetriebe
und nicht zwingend die besten, sondern
die, die am Markt die größte Bedeutung
haben. Neben der einzelbetrieblichen
Analyse berücksichtigt der Vergleich
auch die natürlichen, wirtschaftlichen und
politischen Rahmenbedingungen heute
und in der Zukunft, z. B. die Exportmöglichkeiten für südamerikanische Rindfleischerzeuger.
Insgesamt finden sich 38 typische Rindermastbetriebe aus 16 Ländern mit ihren Zahlen aus 2006 in dem Vergleich
wieder (Kurzbeschreibung der wichtigsten Haltungssysteme unter den Fotos):
■ Drei typische Betriebe aus Bayern
(230 Tiere) und Nordrhein-Westfalen
(280 und 525 Tiere im Top-Betrieb), sowie ein Bio-Mastbetrieb aus Mecklenburg-Vorpommern,
■ 28 weitere EU-Bullenmastbetriebe
aus Frankreich, Spanien, Italien, Polen,
Großbritannien sowie ein Ochsenmastbetrieb aus Irland und
■ sechs typische Ochsenmastbetriebe
aus Kanada, USA, Argentinien, Brasilien,
Australien und Südafrika.
Die Rentabilität der Bullen- bzw. Ochsenmast in den jeweiligen Betrieben zeigt
eine Auswahl in Übersicht 1. Ein Blick
auf die Markterlöse (roter Punkt) ver-
deutlicht: Einen weltweit einheitlichen
Marktpreis für Rindfleisch gibt es nicht.
Innerhalb der EU reichten die Preise von
weniger als 2,20 E/kg Schlachtgewicht
(SG) in Irland und Polen bis knapp 3,90 E
pro kg SG in Italien. Dagegen erhalten
die Mäster in Südamerika umgerechnet
nur zwischen 1 und 1,25 E/kg SG und in
den anderen Nicht-EU-Ländern zwischen 2,20 und 2,50 E/kg SG. Ursachen
für diese Streuung sind Marktbarrieren
(z. B. Exportsteuer in Argentinien und
Importzoll der EU), unterschiedliche
Qualitäten (z. B. Frankreich) und ein geringer Selbstversorgungsgrad (Italien).
Die frühere Bullenprämie konnten die
Experten nur noch in Frankreich und
Spanien teilweise auf die Erlöse anrechnen. „Dank“ der Brüsseler Prämien-Entkopplung gibt es mittlerweile in der EU
kaum noch direkte staatliche Unterstützung für die Bullenmast. .
Höchste Kosten
in Frankreich
Bedeuten bessere Erlöse in Deutschland und Europa auch höhere Gewinne
für die Mäster als in anderen Ländern?
Um diese Frage beantworten zu können,
haben die Wissenschaftler auch die Kostenstrukturen in den Bullenmastbetrieben untersucht:
In den typischen deutschen Betrieben
liegen die betrieblichen Ausgaben zwischen 2,50 und 2,70 E/kg SG. Diese werden
in allen untersuchten Betrieben von den
Erlösen gedeckt. Rechnet man Abschreibung (Afa) und die so genannten Opportunitätskosten hinzu, steigen die Vollkosten dieser Betriebe auf 3,20 bis 4 E/kg SG.
Diese Kosten können nur noch die Top-
Übers.1: In Europa können wir mithalten
5/100 kg Schlachtgewicht
Deutschland
Frankreich
500
Italien
Irland
Polen
USA
Argen- Brasilien Australien
tinien
Opportunitätskosten
Abschreibung
Ausgaben
Rindfleischerlöse
400
300
200
100
Unsere Autoren
■ Dr. Claus Deblitz (vTI, Braunschweig)
■ Dr. Andreas Quiring (DLG,
Frankfurt)
0
230
280
525
70
2880
185
30
7200
2200
600
27000
Bestandsgrößen der typischen Betriebe (Anzahl Mastbullen bzw. -ochsen)
Zwar liegen die Kosten in den meisten typischen Rindfleisch-Ländern deutlich
niedriger als in Europa. Dafür fallen dort aber auch die Erlöse spürbar geringer aus.
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Betriebe knapp mit den Rindfleischerlösen
decken. Die übrigen typischen Betriebe
müssen dafür einen Teil der entkoppelten
Betriebsprämie hinzurechnen.
Allerdings ist die vollständige Einbeziehung der Opportunitätskosten in die
Vollkosten nicht unumstritten: Theoretisch könnten zwar alle Betriebsleiter Arbeit, Boden und Kapital anders einsetzen
als für die Bullenmast. Tatsächlich sind die
Möglichkeiten, z. B. einen Bullenstall kurzfristig anderweitig zu nutzen, aber begrenzt.
Rechnet man die Opportunitätskosten
nicht vollständig an, können die deutschen Mäster denn auch durchaus mit ihren europäischen Kollegen mithalten:
■ In dem französischen Betrieb fallen
die Produktionskosten rund 0,80 E pro
kg SG höher aus als in Deutschland. Ursache sind höhere Kälber- bzw. Absetzerpreise und höhere Kosten für Maschinen,
da neben Mais auch Grassilage und Heu
als Futtergrundlage dienen.
■ Die Kosten in den Feedlots (siehe Bild
S. 102) in Italien und Spanien liegen mit
3,30 bzw. 4 E/kg SG etwa so hoch wie in
Deutschland, obwohl die Jungtiere im Einkauf teurer sind als z. B. die deutschen
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Die extensive Weide-Endmast ist in Irland verbreitet. Die Produktionskosten dort
liegen aber kaum niedriger als in deutschen Intensiv-Mastbetrieben, zumal steigende
Pachtpreise für Ackerland auch die Weideflächen verteuern.
Fotos: VTI, DLG
Masttiere. In Italien werden CharolaisTiere aus Frankreich gemästet, in Spanien
verschiedene Kreuzungstiere. Das spricht
für die höhere Effizienz der Feedlots.
■ Die eher extensive Endmast auf der
Weide in Irland führt überraschenderweise nicht zu entsprechend geringeren
Produktionskosten. Vor der Entkopplung stellten dort vor allem die Prämien aus Brüssel für die zwei Altersklas-
Übersicht 2: Schwerere Schlachttiere
in Europa
Gewicht in kg Lebendgewicht
800
Deutschland
Frank- Italien Irland Polen USA Argen- Bra- Ausreich
tinien silien tralien
700
600
500
400
300
200
100
0
230 280
525
Anfangsgewicht
70 2880 185 30 7200 2200 600 27000
Bestandsgrößen
Die größeren
Mastendgewichte von
teilweise über
700 kg sind
u.a. der Grund
für höhere
Kosten der
Bullenmast in
Europa als in
anderen Teilen
der Welt.
Grafiken:
Breithaupt,
Orb
Endgewicht
sen der Ochsen die Rentabilität sicher.
■ In Polen hat Rindermast keine Tradition. Die Kosten sind zwar mit 2,75 E/kg im
EU-Vergleich am geringsten, die Erlöse
fallen aber mit rund 2,10 E/kg für die Hol-
stein-Tiere enttäuschend aus und bewegen
sich auf nordamerikanischem Niveau.
Und das heißt: Die Unterschiede zwischen deutschen und anderen EU-Rindermästern sind gar nicht so groß, wie
manche Skeptiker vermuten. Innerhalb
der EU müssen sich deutsche Intensivmäster hinsichtlich der Kosten nicht
verstecken.
Argentinien: Rückgang
der Rindermast
Etwas anders sieht der Vergleich allerdings mit den wichtigsten Akteuren am
Weltmarkt aus: In den USA und Kanada,
aber auch in Australien und Südafrika
wird Rindfleisch zu Vollkosten von rund
2,40 E/kg SG erzeugt. Neben geringeren
Futterkosten nutzen diese Betriebe ihre
Betriebsgröße und Klimavorteile (geringe Gebäudekosten) aus. Eine wichtige
Rolle in diesen exportorientierten Ländern spielt auch der Wechselkurs. Der
schwache US-Dollar beschert den Mästern derzeit einen spürbaren Produktionskostenvorteil gegenübern ihren EUKollegen. Allerdings: Dieser Vorteil
könnte schnell wieder schwinden, wenn
der US-Dollar wieder stärker und Exporte damit teurer würden.
Noch günstiger kann Rindfleisch mit
Kosten von zum Teil unter 1,60 E/kg SG
nur in Südamerika erzeugt werden. Ar-
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Markenzeichen Südamerikas ist bisher die extensive Weidemast. Durch die gestiegene Rentabilität von Getreide und Ölsaaten geraten aber Mäster in Brasilien und in
Argentinien wegen des immensen Flächenbedarfs unter wirtschaftlichen Druck.
gentinien und Brasilien gewinnen den
Leistungsvergleich in puncto Produktionskosten, weil dort bislang günstige Weideflächen die Futterkosten niedrig hielten.
In beiden Ländern müssen die Mäster
aber derzeit mit zusätzlichen Hindernissen und überproportionalen Kostensteigerungen klarkommen:
■ Während Argentinien die RindfleischExporte künstlich bremst, um die Verbraucherpreise im Inland niedrig zu halten, kommt Brasilien auf einigen Märkten nicht zum Zug, weil das Land u.a. die
Maul- und Klauenseuche (MKS) nicht in
den Griff bekommt.
■ Durch die geringen Tageszunahmen
und die niedrige Flächenintensität (nur
etwa 120 kg/ha Fleischzuwachs) schlagen
die Flächenkosten z. B. in Argentinien
schon jetzt mit rund 55 Cent je kg SG zu
Buche. Fruchtbare Flächen sind durch die
Hausse bei Weizen und Soja heiß begehrt
und damit für die extensive Rindermast
zu teuer geworden. Die wachsende Konkurrenz durch Marktfrüchte macht
fruchtbares Land für die argentinische
Rindermast fast unbezahlbar.
Die gebremsten Exporte und die steigenden Kosten haben zusammen bereits
in Argentinien zu einem Rückgang der
Rindermast geführt.
„Feedlots“ als Rettung?
Um künftige Kostensteigerungen
kompensieren zu können, sind Intensitätssteigerungen daher dringend erforderlich und werden z. B. von der argentinischen Regierung finanziell unterstützt.
Aktuell versucht man die Rindermäster
zu überzeugen, auf die so genannten
Feedlots umzustellen. Dieses Intensiv-
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mast-System ist flächenunabhängig, da
die Tiere in riesigen Freiluft-Buchten gehalten und per Futtermischwagen gefüttert werden (siehe Bild S. 102). Zudem erreichen die Bullen wesentlich höhere Tageszunahmen als bei der Weidehaltung.
Nachteil: Die gestiegenen Futterpreise
schlagen in dieser Haltungsform sofort
voll auf die Kosten durch. Dies gilt spezi-
Weltweiter
Betriebsvergleich
agri benchmark ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern rund um
den Globus. „Benchmark“ bedeutet
Vergleich mit anderen Betrieben. Ziel
ist eine standardisierte Beschreibung
der für die jeweiligen Regionen typischen Betriebe. Neben Kosten und Erlösen werden auch Produktionsbedingungen und -prozesse erfasst. Grundlage sind Betriebsdaten ähnlich
gelagerter Betriebe der Region und
das Expertenwissen von Beratern und
Praktikern vor Ort.
agri benchmark wird von der DLG
und dem Institut für Betriebswirtschaft (Prof. F. Isermeyer) des Johann
Heinrich von Thünen-Instituts, Braunschweig (der früheren FAL) koordiniert. Neben der Rindermast werden
in ähnlicher Form auch die Mutterkuhhaltung und die Erzeugung von Marktfrüchten („cash crops“) erfasst.
Weitere Informationen finden Sie
unter www.agribenchmark.org.
ell in den USA und Kanada, wo die größeren Betriebe meist vollständig auf Zukauffutter angewiesen sind. Ob sich die
Feedlots auch in Südamerika durchsetzen,
ist damit noch längst nicht sicher. Zumal
besonders in Brasilien offenbar noch große Grünlandreserven vorhanden sind.
Für Bullenmäster in Europa dürfte ohnehin viel wichtiger sein, wie stark sich die
rasant gestiegenen Preise für Mais, Getreide und Ölsaaten auf die Rentabilität auswirken. In den Futterrationen der hier betrachteten deutschen Intensivbetriebe
führt eine Erhöhung der Kraftfutter- und
Getreidepreise um 30 % zu einer Kostensteigerung von 0,20 bis 0,30 E/kg SG. Ein
Plus bei den Pachtpreisen um 20 % hätte
einen Anstieg der Kosten um 5 – 10 Ct pro
kg zur Folge. In sehr intensiv wirtschaftenden Betrieben, wie z. B. dem deutschen
Top-Betrieb mit 7 GV/ha, schlägt dieser
Effekt allerdings weniger stark durch.
Andererseits macht die Verteuerung
von Ackerflächen, Mais und Getreide auf
den ersten Blick die Rindermast oder die
Vormast auf Grünlandstandorten, z. B. in
Ostdeutschland interessanter als bisher.
Wie groß dieses Potenzial tatsächlich ist,
sollen aktuelle agri benchmark-Untersuchungen herausfinden.
Wir halten fest
Der weltweite Vergleich von Rindermastbetrieben macht einige Überraschungen sichtbar: Bei den Kosten und Erlösen
können andere Haltungsverfahren, wie
z. B. in Südeuropa oder Irland, keinen
deutlichen Vorteil gegenüber der deutschen Intensivmast erzielen. Vor allem die
schlank organisierte Intensivmast auf Silomaisbasis hat Potenzial. Maximale Flächenverwertung und optimale Mastleistungen sind die Voraussetzungen für hohe
Effizienz. Das gilt besonders, wenn die
Opportunitätskosten – über 60 % entfallen auf Familienarbeitskräfte – durch Rationalisierung und Wachstum weiter gesenkt werden können.
Für den Weltmarkt ist es weiter entscheidend, Rindfleisch möglichst kostengünstig zu erzeugen. Vor allem in Südund Nordamerika werden die Karten
derzeit neu gemischt. Steigende Futterkosten schlagen in den Feedlots zu Buche, während höhere Grünlandkosten
die extensive Weidemast in Südamerika
weniger rentabel machen.
Allerdings: Europäische Rindermäster
berührt die Entwicklung in Übersee aktuell nur bedingt. Die EU ist mittlerweile
Netto-Importeur und durch einen mittelfristig noch sehr hohen Außenschutz können Importe in größerem Umfang sogar
verhindert werden. Steigende Inflation
und steigender Euro lassen die Barriere
aber „schmelzen“.
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