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Die Genetik von Asthma
Wie bei anderen Volkskrankheiten weiß man heute auch im Falle von
Asthma, dass für seine Entstehung weder die Gene noch die Umwelt alleine
verantwortlich zu machen sind. Durch Fortschritte bei der Entzifferung des
menschlichen Genoms können heute Gene, die eine Schlüsselfunktion für die
Entstehung von Asthma haben, identifiziert werden.
Foto: Fotolia/Falko Matte
1. Entstehung von Asthma
Bei Asthma handelt es sich um eine komplexe Erkrankung. Sie ist
das Resultat eines Zusammenspiels einiger Haupt-Gene und vieler
untergeordneter Gene, die den Patienten für eine Asthmaerkrankung anfällig machen. Erst wenn wichtige Umweltfaktoren auf
einen genetisch vorbelasteten Organismus Einfluss nehmen, kann
ein Asthmaanfall ausgelöst werden. Ob dies durch körperliche Anstrengung, Allergene (Pollen, Hausstaub), Infekte oder Luftschadstoffe geschieht, beruht wiederum auf der Vererbung spezifischer
Gene. In der Häufigkeit von Asthma innerhalb einer Bevölkerungsgruppe finden sich je nach geographischer Region und ethnischer
Zugehörigkeit große Unterschiede. Zum Beispiel tritt Asthma in
Industrieländern sehr viel häufiger auf als in „Dritte-Welt“-Ländern.
Ursächlich dafür sind wahrscheinlich umweltbedingte Faktoren wie
Schadstoffe und Lebensgewohnheiten. Es lassen sich jedoch auch
Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit von zwei ethnischen
Gruppen innerhalb derselben Umwelt beobachten. Zum Beispiel leiden in Singapur Chinesen sehr viel seltener unter Asthma als Inder
und Malaien. Bei den isoliert lebenden Inselbewohnern von Tristan
Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/fugs
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da Cunha, den Malediven und den Westlichen Karolinen-Inseln beträgt die Asthmahäufigkeit bis zu 30 Prozent. Dort leben alle Menschen in einer vergleichbaren Umgebung und nutzen ähnliche Materialien für ihre Unterkünfte. Hier können also nicht Umweltfaktoren
für das Auslösen von Asthma verantwortlich gemacht werden. Die
Ursache wird klar bei einem Blick auf den Stammbaum der Inselbewohner: Alle 282 Einwohner der Insel Tristan da Cunha lassen sich
auf 15 Vorfahren zurückführen, unter denen sich zwei Asthmatiker
befanden. Demnach sind auch die Gene, die für Asthma vorprägen,
in dieser Bevölkerung häufiger anzutreffen als sonst.
2. Zusammenspiel zwischen Umwelt und Genen
Das Risiko eines Neugeborenen, an Asthma zu erkranken, ist um
das Dreifache erhöht, wenn einer der beiden Elternteile Asthmatiker
ist. Sind beide Eltern betroffen, steigt das Risiko für das Kind sogar
auf das Siebenfache an. Ebenfalls erhöht sich die Wahrscheinlichkeit
zu erkranken, wenn Geschwister oder weiter entfernte Verwandte
an Asthma leiden. Untersuchungen von eineiigen und zweieiigen
Zwillingen bestätigen die familiäre Komponente. Im Falle von Asthma wird bei eineiigen Zwillingen mit einem erkrankten Zwilling
in bis zu 80 Prozent der Fälle auch das Geschwisterkind Asthma
entwickeln, wohingegen bei zweieiigen Zwillingen nur in 5 –20
Prozent der Fälle auch das Geschwisterkind Asthma bekommt. Da
dies im Falle von Asthma wiederum „nur“ in 80 Prozent der Fälle so
ist, sind für die restlichen 20 Prozent individuelle Umweltfaktoren
oder zufällige Änderungen des Erbguts, die eineiige Zwillinge voneinander unterscheiden, von großer Bedeutung. Ergebnisse von
Analysen des Vererbungsmusters von Asthma werfen jedoch viele
Fragen auf. Mit Hilfe sogenannter Segregationsanalysen konnten
autosomal rezessive, dominante, kodominante und polygene Vererbungen für Asthma nachgewiesen werden. Eine mögliche Erklärung dafür ist die genetische Heterogenität in den verschiedenen
untersuchten Populationen. Zudem unterliegen den Studien häufig
differierende Diagnosekriterien sowie eine Anhäufung möglicher
Asthmasubtypen. Denn Asthma ist nicht gleich Asthma. Bei vielen
Asthmatikern werden die Anfälle durch harmlose Stoffe wie Hausstaub oder Pollen ausgelöst, wobei das Immunsystem überreagiert.
Sie leiden oft zusätzlich an Neurodermitis und haben Heuschnupfen.
Dennoch muss sich ein lebenslanger Heuschnupfen nicht zu einem
ausgereiften Asthmaphänotyp entwickeln. Bei infektbedingtem oder
Belastungsasthma fehlen die durch das Blutbild ersichtlichen immunologischen Marker wie Immunglobulin E und Ansammlungen
von Eosinophilen, einer besonderen Form weißer Blutkörperchen.
Kinder hingegen haben meist eine Mischform aus allergischem und
infektbedingtem Asthma. Das Resultat solcher Untersuchungen: Um
zu differenzierten Aussagen über die jeweiligen asthma-relevanten
Regionen im Genom zu gelangen, müssen also weitere Diagnosekriterien einbezogen und die verschiedenen ethnischen Gruppen
unterschieden werden.
Foto: Deutsche Atemwegsliga
3. Suche nach Asthma-Genen
Die Suche nach den für Asthma verantwortlichen Genen scheint
angesichts der Vielfalt des menschlichen Genoms der Suche nach
der berühmten Stecknadel im Heuhaufen gleichzukommen. Um
so wichtiger ist eine systematische Vorgehensweise. Mit GenomHelmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
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weiten Suchstrategien wird untersucht, welche ChromosomenAbschnitte häufiger als durch Zufall an beide erkrankte Geschwister
weitergegeben werden. Empirische Studien zeigen zum Beispiel bei
spanischstämmigen Amerikanern, dass bestimmte Regionen auf
den Chromosomen 2, 12 und 21 an beide erkrankten Kinder vermehrt weitergereicht werden. Bei Afroamerikanern liegen dagegen
mögliche Asthma-Gene auf den Chromosomenabschnitten 5p, 5q,
8p und 17p. Auch andere Beispiele zeigen, dass genaues Hinsehen
Sinn macht: Bei den Hutterern, einer Volksgruppe aus Tirol, die
1870 in die USA migrierten, konnten die chromosomalen Regionen
5q und 19q mit Hilfe einer Folgestudie bestätigt werden. Japaner
dagegen zeigen für allergisches Asthma die Kopplungsregionen 4q,
5q, 6p, 12q und 13q.
Die Volksgruppe der Kaukasier, zu denen sowohl weiße Amerikaner
als auch Europäer gehören, wurde am häufigsten auf die Genetik
von Asthma untersucht. Unterschiedliche Diagnose-Kriterien und
Studiendesigns ergaben zunächst unterschiedliche Kopplungsregionen, dennoch konnten schließlich in vier der fünf Studien asthmarelevante Regionen auf den Chromosomenabschnitten 6p, 12q und
13q bestätigt werden.
Nachdem die interessanten Chromosomenabschnitte identifiziert
werden konnten, stellt sich die Frage, welches Gen oder welche
Gene dort für die Vorprägung einer Asthmaerkrankung verantwortlich sind. Denn auch die Art und Weise des Immunsystems, auf ein
Allergen zu reagieren – angefangen von Interleukinen, die für die
Feinabstimmung der Immunantwort sorgen, bis hin zu hormonellen
Regulatoren der bronchialen Muskulatur – beruht auf genetischen
Einflussfaktoren. Auf Chromosom 6p liegen in der Kopplungsregion
über 250 Gene, von denen ca. 60 Prozent aufgrund ihrer Funktion
zu den möglichen Asthma-Kandidatengenen zählen. Die Gene, die
für die Bildung der Proteine und viele andere Faktoren verantwortlich sind, werden jetzt auf geringfügige Unterschiede (Polymorphismen) bei Kranken im Vergleich zu Gesunden untersucht. Je
nach ihrer Lage im Genom sind diese Polymorphismen entweder
wirkungslos, sie können aber auch zu einer Verminderung bzw.
Erhöhung der Proteinbildung führen, oder es entsteht sogar ein
verändertes Protein mit anderen Eigenschaften. Selbst scheinbar
wirkungslose Polymorphismen sind für die Forschung von Interesse,
da sie möglicherweise zusammen mit weiteren, noch unbekannten
Varianten vererbt werden, die an der Entstehung von Asthma beteiligt sind.
Die hier vorgestellten Untersuchungen der Funktion von Genen
liefern wertvolle Beiträge zum Verständnis von Asthma. Mit diesem
Wissen könnten in Zukunft Medikamente entwickelt werden, die
spezifisch wirken und spezifisch auf den jeweiligen Patienten abgestimmt werden können.
Literaturtipp
Helmholtz Zentrum München (2002): Asthma und Allergien –Wenn
die Luft zum Atmen fehlt. – mensch+umwelt spezial 15. Ausg. Anforderung per Postkarte an: Helmholtz Zentrum München, Postfach
1129, 85758 Neuherberg oder per E-Mail unter [email protected]
Stand:
August 2002
Autorin: Dipl.biol. Nicole
Herbon
Redaktion: Ulrike Koller
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