TOP IDEEN, IMPULSE UND INNOVATIONEN 13 DreiDimensional im HintergrunD Das Hotel H10 an der Joachimstaler Straße 31–32 unweit des Berliner Kurfürstendamms ist ein gelungenes Beispiel für die Integration moderner handwerklicher Baukunst in ein historisch geprägtes Gebäudeensemble. Mit einem achtgeschossigen Quergebäude als Hintergrund haben Kleihues + Kleihues den denkmalgeschützten Klinkerbau aus dem Jahr 1889 abgerundet und wirkungsvoll in Szene gesetzt. Bezug zum historischen Backsteinbau mit seiner klaren horizontalen und vertikalen Gliederung erhält der scharfkantige Neubau durch das profilierte Mauerwerk mit Hagemeister-Klinker der farblich auf den Altbau abgestimmten Sortierung Nevada. Dreifach tiefenversetzt verleihen die kopfvermauerten terrakottafarbenen Klinker der großflächigen Seitenwand sowie der schlichten Lochfassade eine haptische, beinahe organische Struktur. Die dreidimensionale Gestaltung lenkt den Blick von den Fensteröffnungen auf das warmtonige Mauerwerk, das sich bescheiden im Hintergrund des historischen Backsteinbaus hält. FüR ARcHITEKTEN H 1 0 , B e r lin respeKtvolles Zusammenspiel flächen durch die Mauerwerks-Texturierung: Unterschiedlich tiefe Steine wurden bündig zur Gebäudeinnenseite vermauert, so dass nach außen eine sehr lebendige Oberfläche mit Anklängen an die historische Backsteinarchitektur entsteht.“ Mit ihrer organischen Struktur erinnern die versetzt gemauerten Ziegel an das historische Natursteinmauerwerk, das sich nicht ebenmäßig vermauern ließ. Ausgespart von dieser sehr lebendigen Fassadengestaltung bleiben lediglich die präzise ausgebildeten Fensterlaibungen und Gebäudeecken, die die klare Kubatur des Baukörpers betonen. „In enger Abstimmung mit den Handwerkern haben wir auf der Baustelle exemplarische Fassadenpartien umgesetzt“, vermittelt Jan Kleihues einen Eindruck von der Detailarbeit vor Ort. Der Aufwand hat sich gelohnt. „Das fertige Gebäude hat unsere Vorstellungen noch übertroffen. Mit seiner relieffierten Klinkerfassade sorgt der schlichte Bau vielerorts für Begeisterung“, bilanziert Jan Kleihues. »Die dreidimensionale Gestaltung der Fassade mit Klinker verdeutlicht die unzähligen Möglichkeiten, die dieses Baumaterial bietet.« Jan Kleihues Portraitfoto: © Kleihues + Kleihues, Berlin/Dülmen-Rorup Für die Nutzung des denkmalgeschützten Altbaus als 4-Sterne-Superior-Hotel haben Kleihues + Kleihues den repräsentativen Klinkeraltbau des Architekten Otto Bratring im Herzen Berlins umgebaut und mit einem Neubau erweitert. 163 Deluxe Zimmer, 7 Junior Suiten, 7 Suiten, 18 Superior Lofts, 4 Duplex Lofts sowie Konferenzräume und Beauty center stehen Besuchern des Stadt- und Businesshotels zur Verfügung. Im Erdgeschoss werden die Hotelgäste von einer lichtdurchfluteten Eingangshalle empfangen, die Alt- und Neubau verbindet. Auch in der Fassadengestaltung präsentiert sich das Ensemble des Hotels H10 als respektvolles Zusammenspiel von Neu und Alt. „Der Neubau ist sehr einfach gehalten. Er tritt bewusst in den Hintergrund des historischen „Schmuckkästchens“ mit seiner prägenden Backsteinfassade“, erläutert Jan Kleihues das Entwurfskonzept. „Auf eine horizontale und vertikale Gliederung wurde deshalb verzichtet. Struktur erhalten die großen Fassaden- Foto: © Kleihues + Kleihues, Berlin/Stefan Müller, Berlin Projektdaten H10 Berlin Architektur: Jan Kleihues, Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Bauherr: Blue Stone Berlin GmbH, Berlin Klinker: Nevada – Profiliertes Mauerwerk ARF (250 x 120 x 69 mm) Verklinkerte Fläche: 2.900 m2 Regg e f i ber, R ijssen »Architektur ist wie eine Sprache, deren Vokabeln die einzelnen Materialien sind. Mit den maßgenauen Klinkerfassaden haben wir eine klassische Vokabel in die moderne Formensprache eingebunden.« Stefan Ritzen I Zorica Jovanovic einzigartig vorgeFertigt Projektdaten Reggefiber, Rijssen architektur: RITZEN Architecten, Maastricht Bauherr: Bauunternehmen Wessels, Rijssen Klinker: Profilklinker „Zürich“ Fassadenklinker „New York“ WF (210 x 100 x 52 mm) Verklinkerte Fläche: 1.100 m2 Mit dem extravaganten Verwaltungsgebäude in Rijssen haben Ritzen Architecten eine repräsentative Niederlassung für Reggefiber, einen Hersteller von Glasfaserkabeln, geschaffen. Der mutige Entwurf regt die Fantasie an und ist für vielfältige Interpretationen offen: Handelt es sich um die Schwingung einer Stimmgabel? Setzt ein Kondor zum Flug an? Türmt sich eine moderne Kathedrale auf? Möglich war die Realisierung des Entwurfs durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Maastrichter Architekturbüro Ritzen und dem lokal ansässigen Bauunternehmen Wessels. Die weit gefächerte Unternehmensgruppe hat sich auf Fertigbauweise spezialisiert. Damit die einzelnen Elemente bei dem aufsehenerregenden Verwaltungsbau in Rijssen optimal zur Geltung kommen, haben Ritzen Architecten die technische Entwicklung geleitet und für die Ingenieursarbeit ihr Wissen um den feinfühligen Umgang mit Materialien eingebracht. Individuell vorgefertigte Fassadenteile aus Hagemeister Klinker in der anthrazit-glitzernden Sortierung „Zürich“, abgestimmt mit Akzenten der braunrot-silbrig changierenden Sortierung „New York“, setzen das Konzept der Architekten wirkungsvoll um. Markante Merkmale des Verwaltungsbaus sind die wellenförmige Bewegung des Daches und die säulenartige Fassadengestaltung. Aus dem quadratischen Zentrum des Gebäudes entwickeln sich über zwölf Bogenbinder elegante Rundformen, die den Bau im Eingangsbereich offen und einladend gestalten und ihn rückseitig wie eine Festung erscheinen lassen. Die per Computer erstellten Holzbögen wurden mit einer Titanbeschichtung umhüllt und vor Ort passgenau montiert. Die einzigartige Kubatur des Neubaus setzt sich aus traditionellen Elementen zusammen: Hohe schmale Rundbogenfenster und ein Dach in patinierter Zinkoptik zitieren die französische Baukunst. Die Klinkerhülle ist eine Referenz an niederländische Backsteinfassaden des 19. Jahrhunderts. Die Fenster sind außen mit hartem Aluminium verkleidet, innen mit weichem Holz. Bei der Montage der Klinkerfassaden hatte der Bauherr, die Unternehmensgruppe Wessels, nur wenige Millimeter Spielraum. Dank der maßgeschneiderten Individualanfertigung, exakt nach den Wünschen des Architekten, konnte die gesamte Fassade von gerade einmal drei Mitarbeitern angebracht werden. Das Material unterstreicht dabei die Form des Gebäudes: Der ausdrucksstarke Profilklinker nimmt die Rundungen der aufstrebenden Bauteile auf und verleiht ihnen eine fast sakrale Anmutung. Streift Licht über die Fassade, changieren die Sortierungen „New York“ und „Zürich“ zwischen abwechslungsreichen Braun- und Silber-Glanztönen. Damit fügen sich die verklinkerten Lisenen in hochwertiger Emaille-Optik harmonisch in den dunkelbraunroten Grundton der Sortierung „New York“ ein. Beide wurden von Hagemeister vorgefertigt und setzen im Entwurf von Ritzen Architecten glitzernde Akzente. Der Entwurf ist ein gelungenes Beispiel, wie natürliche Baumaterialien klassische Architekturelemente in Fertigbauweise zitieren. Entstanden ist ein imposanter Neubau, der inzwischen zum Wahrzeichen der Stadt Rijssen geworden ist. Portraitfoto: © Ina Steiner, Berlin Au s bi ldu n gs zen t r u m P ROLI N , Re ha u »Der Manufakturcharakter des Klinkers passt sich perfekt an die bestehende Altbaufassade an. So konnten wir im Sinne einer Corporate Architecture die traditionellen Werte des Unternehmens aufnehmen und den Neubau an seinem Standort fest verankern.« Klaus Würschinger Fest verankert Die Alte Buntweberei aus der Jahrhundertwende, heute in Besitz der REHAU AG + Co, haben WEBERWÜRSCHINGER Architekten aus Berlin sensibel und gleichzeitig innovativ zu einem zukunftsfähigen Ausbildungszentrum erweitert und umgestaltet. Bei der Erweiterung des Gebäuderiegels nehmen die Architekten den stilprägenden Klinker im Alten Reichsformat sowie die Fassadengliederung auf. Im weiteren Verlauf mündet der Anbau in eine starke Geste mit größer werdenden Glasflächen. Mit diesem Entwurf entschieden sich WEBERWÜRSCHINGER bewusst für die zeitgemäße Fortführung der historischen Backsteintradition, statt dem Altbau einen kontrastierenden Neubau gegenüberzustellen. Als verbindendes Element kleidet rotbunter Hagemeister-Klinker in Backsteinoptik das Gebäude in eine hochwertige Fassade mit Manufakturcharakter. Eine strukturstarke Oberfläche und markante Kohlebrand-Effekte bestimmen diese Sortierung. So entsteht eine spannungsvolle Dynamik zwischen materialer Kontinuität und formal-ästhetischer Innovation. Bei der Verleihung des DETAIL Preises 2011 lobt die Jury genau diese Sensibilität: „Die Erweiterung ist ein gefühlvolles Weiterbauen im Bestand, passt sich in der Materialität an, nimmt formale Elemente des Altbaus auf und entwickelt diese weiter.“ Das neue REHAU Ausbildungszentrum Prolin bietet Raum für 120 Auszubildende aus dem technischen und kaufmännischen Bereich. Der Grundgedanke ihrer Ausbildung spiegelt sich in der Gebäudekubatur wider: Sie baut auf dem Bestehenden auf und entwickelt daraus zukunftsweisende Ideen. Das Energiekonzept basiert auf der Nutzung von Geothermie und beweist, dass sich eine charakterstarke Klinkerfassade mit moderner Energieeffizienz kombinieren lässt. Außerdem fügt sich das architektonische Konzept des Neubaus in ein großflächiges Gelände mit Bachlauf und Gewerbepark ein. Während der First der Alten Buntweberei für die Gebäudeverlängerung in einer Linie fortgeführt wird, knickt der Grundriss darunter ab und folgt dem Lauf der angrenzenden Schwesnitz, einem örtlichen Saalezufluss. Dadurch erklärt sich die expressive Geste des markanten Neubaus, der trotz der Traditionsverbundenheit eigenständig wirkt. Die Traufe steigt auf der Nordseite an, bis sie an der Gebäudeecke auf den First trifft. An der Südseite fällt sie fast um Geschosshöhe ab. Mit ihrer besonders haptischen Struktur unterstützt die Kohlebrand-Sortierung „Münsterland“ BA diese Expressivität. Die Unregelmäßigkeit des Mauerwerks bringt Leben und Wärme in die Fassade, in der sich das Sonnenlicht vielfach bricht. Im klassischen Industrierot verleiht der Klinker dem Neubau einen zeitlosen Charme und gleicht das Ausbildungszentrum Prolin dem historischen Stadtbild der oberfränkischen Kleinstadt Rehau an. Projektdaten Ausbildungszentrum PROLIN, Rehau Architektur: WEBERWÜRSCHINGER Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Bauherr: REHAU AG + Co, Rehau Klinker: Münsterland BA ARF (250 x 120 x 65 mm) Altes Reichsformat Verklinkerte Fläche: 530 m2 JATOP A , Amste rd a m »Beständigkeit durch Schönheit – diese Philosophie setzt der hochwertige Hagemeister Klinker perfekt um. Das Zusammenspiel mit den ausdrucksstarken Emblemen schafft dauerhaft attraktive Fassaden.« Köther | Salman | Koedijk zeitlos schöne Patina Im Rahmen der „Zukunftsvision Parkstadt“ haben Köther, Salman, Koedijk Architekten mit dem Wohnkomplex JATOPA im Westen von Amsterdam eine ehemalige Gartenstadt in einen urbanen Raum mit vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten verwandelt. Dabei wagen sie das Spiel mit Gegensätzen. Bunte Hagemeister-Klinker in den Sortierungen „Rostock“, „Liverpool“, „Witten“ und „Holsten“ sowie kunstvolle Ornamente umspielen die nüchternen Formen der Blockbebauung. Durch individuelle Höhen der acht Gebäude wirkt der in sich geschlossene Komplex gleichzeitig offen und transparent. Um mehr als zehn Geschosse ragt das höchste Gebäude des Blocks aus seiner Umgebung heraus. Schon von weitem markiert es die Kreuzung zwischen Jan Evertsenstraat und Jan Tooropstraat und damit den Übergang in das beliebte Stadtviertel Overtoomseveld. Aus der Kombination beider Straßennamen resultiert der Projektname „JATOPA“. Im Gegensatz zum strikten Funktionalismus des 20. Jahrhunderts bringt JATOPA Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeitgestaltung auf engem Raum zusammen. Im stilvollen Ambiente der zeitlosen Klinkerfassaden und umgeben von Ornamenten des Künstlerkollektivs Studio Job, die an traditionelle Zunft- und Gildenzeichen der alten Handelsstadt erinnern, entfaltet sich ein vielseitiges Leben im Westen von Amsterdam. Durch die individuelle Fassadengestaltung erhält jedes Gebäude der Blockbebauung mit insgesamt 240 Apartments seinen eigenen Charakter. „Die Wertigkeit des Fassadenklinkers in reizvoller Patina-Optik schafft eine zeitlose Gebäudehülle. Klinker und Ornamente ergänzen sich ideal und sorgen mit ihrem Charme für eine urbane Umgebung, in der sich die Nutzer auf Anhieb wohlfühlen“, beschreibt Architekt Pim Köther die Bedeutung der Klinker für seinen Entwurf. Ob sandgelb und dunkelbraun wie bei den mit anthrazit- farbenem Kohlebrand akzentuierten Sortierungen „Rostock“ und „Liverpool“ oder rot-braun und in markantem Dunkelrot wie bei den Sortierungen „Witten“ und „Holsten“ – in allen vier Varianten verleiht Hagemeister Klinker den Fassaden Individualität und kleidet sie in eine hochwertige Hülle. Die feinen Farbnuancen der Steine mit unterschiedlichen Schattierungen steigern diese Vielfalt zusätzlich und sorgen für visuelle Spannung bis ins Detail. Der farblichen Vielfalt der Fassaden steht eine formale Einheit gegenüber. Als verbindendes Element präsentieren sich alle acht Gebäude im schlichten Läuferverband und betonen dadurch die bildkräftigen Embleme an den Balkon- und Fenstersturzen. Mit mehr als 50 verschiedenen Motiven von der Arche Noah über Maschinen, Uhrwerke und Sportarten bis hin zu Ikonen des Sozialismus sind die Betonornamente des Eindhovener Künstlerkollektivs Studio Job so vielfältig wie das gesamte Viertel und seine Einwohner. Korrespondierend mit den Ornamenten erscheint jeder Stein in der Fassade als ein kleines Kunstwerk. Im schlanken Waalformat greifen die Klinkerfassaden den Charme des historischen Amsterdams auf und prägen gleichzeitig die Neugestaltung des Stadtteils Overtoomseveld. Das Mauerwerk ist im Fugenglattstrich verfugt. Der Mörtel wurde dabei in einer Tiefe von acht Millimetern abgestrichen. Dadurch treten die einzelnen Steine aus der Fassade hervor und setzen in ihrer industriellen Anmutung klare Akzente. Mit JATOPA haben Köther, Salman, Koedijk Architekten einen zeitgemäßen Wohnkomplex geschaffen, der durch langlebige Materialien und ein harmonisches Zusammenspiel von Gegensätzen belegt, wie ein Neubau als geschlossener Block den Charme traditioneller Amsterdamer Baukunst versprüht. Projektdaten JATOPA, Amsterdam Architektur: Köther | Salman I Koedijk Architecten BV, Amsterdam Bauherr: Far West i.s.m Kristal Klinker: Rostock, Liverpool, Witten, Holsten WF (210 x 100 x 51 mm) Verklinkerte Fläche: 8.000 m2 Animation + Foto: © Architekturbüro Thiel So lar s i edl ung , Münste r »Klinker ist ein zu wertvolles Material, um es nur als Witterungsschutz zu verwenden. Durch die spezielle Komposition der Klinkersortierungen erzeugen wir eine einzigartige Fassadenstimmung.« christoph Thiel scHütZenDe passivHausfassaDe Im Schnorrenburgviertel in Münster, umgeben von Bahnlinien und in unmittelbarer Nachbarschaft zu Backsteingebäuden der 30er Jahre, hat das Architekturbüro christoph Thiel die Solarsiedlung am Wismarweg mit insgesamt 39 Wohnungen geplant und realisiert. Drei nach Süden ausgerichtete Gebäuderiegel und Nordfassaden in zweischaligem Klinkermauerwerk verbinden die energetischen und funktionalen Anforderungen der Passivhausbauweise mit anspruchsvoller Architektur. Die fünffarbig gestreiften Fassaden mit Hagemeister Klinker der Sortierungen „Sahara“, „Augsburg“, „Limburg“, „Verona“ und „Arktis“ prägen das unverwechselbare Erscheinungsbild der Siedlung und schützen es dauerhaft vor Wind und Wetter. Das energetische Konzept basiert auf zentralen Wohnungslüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Sonnenkollektoren auf den Dächern bereiten 60 Prozent des Warmwasserbedarfs auf. Den Restwärmebedarf für einen warmtonig gestreiften Mantel. Er verleiht den Wohnhäusern einen unverwechselbaren charakter und fügt sie in die Umgebung der benachbarten Backsteingebäude ein. Der ungewöhnliche Farbmix von Hagemeister Klinkern der klassisch roten Sortierung „Augsburg“ mit dem terrakottafarbenen „Verona“, orangebeigem Klinker „Limburg“, weißen Akzenten der Sortierung „Arktis“ und sandfarbenem Klinker „Sahara“ erinnert an eine warmtonige Holzmaserung. Im Läuferverband vermauert unterstreicht die Klinkerschale den horizontalen charakter der Gebäuderiegel und verleiht ihnen Stabilität. Die Wege zwischen den Gebäuderiegeln und der kleine Platz als Treffpunkt der Siedlung sind mit Hagemeister Pflasterklinker der Sortierung „Odensé“ und „Siena“ gestaltet. Das robuste Tonpflaster führt den hellgelben Farbton der Fassadengestaltung fort und rundet das einheitliche Erscheinungsbild der beliebten Wohnsiedlung ab. Heizung und Warmwasser stellt eine umweltfreundliche Holzpelletanlage sicher. Der städtebauliche Entwurf orientiert sich an einem sozialen Konzept, das die Mischung von Jung und Alt ermöglicht: Die ErdgeschossWohnungen sind barrierefrei und seniorengerecht ausgestattet, die darüber liegenden Etagen an den Bedürfnissen von Familien orientiert mit direktem Zugang zur eigenen Gartenfläche. Nach Norden präsentieren sich die Häuser in zweischaligem Mauerwerk mit horizontal gestreifter Klinkerschale. „Um Verwitterung und Veralgung der Nordfassade zu verhindern, eignet sich besonders Klinker, weil er Kälte und Feuchtigkeit ohne Beeinträchtigungen standhält“, begründet Thiel sein Passivhauskonzept. Außerdem schätzt er die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des natürlichen Baumaterials. In der Solarsiedlung am Wismarweg kleidet Hagemeister Klinker die Nordfassaden in oto: © Architekturbüro Thiel Projektdaten Solarsiedlung, Münster architektur: Architekturbüro Thiel, Münster Haustechnik: KSK Ingenieurplanung, Münster Bauherr: Wohnungsverein Münster von 1893 eG Fassadenklinker: Sahara DF (240 x 115 x 52 mm) Augsburg DF (240 x 115 x 52 mm) Limburg DF (240 x 115 x 52 mm) Verona DF (240 x 115 x 52 mm) Arktis DF (240 x 115 x 52 mm) Pflasterklinker: Odensé (215 x 105 x 62 mm) Siena (200 x 100 x 62 mm) Verklinkerte Fläche: 800 m2 Gepflasterte Fläche: 1.200 m2 IDEEN, IMPULSE UND INNOVATIONEN FüR ARcHITEKTEN © BOLLES+WILSON TOP »Der Klinker muss sich nicht verändern. Man erwartet nicht, von neuen Arten oder Formaten überrascht zu werden. Er bietet Architekten viel Spielraum für eigene Interpretationen.« Peter L. Wilson, Architekt, Münster Peter L. Wilson ist Architekt und Büropartner bei BOLLES+WILSON GmbH & Co. KG in Münster. Für ihn ist Klinker eines der nachhaltigsten Baumaterialien. Denn energieeffizient zu bauen bedeutet für ihn, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Mit Blick auf Langlebigkeit könne der Klinker seine Qualitäten voll ausspielen. Was macht den Reiz des Klinkers aus? Peter L. Wilson: »Seine Solidität. Klinker ist ein absolut dauerhaftes, würdiges Material. Er ist sehr robust. Sein Reiz besteht in seiner charakteristischen Optik ebenso wie in seiner Masse.« Welche besonderen Qualitäten des Klinkers sind für Ihre Entwürfe entscheidend? Peter L. Wilson: »Etwa 40 bis 50 Prozent unserer Bauwerke bauen wir mit Klinker. Bauherren sind immer beruhigt, wenn wir Klinker einsetzen. Er hat eine allgemeine Akzeptanz, weil er ein sehr bekanntes und vertrautes Material ist. Denn Klinker altert sehr elegant. Andere Materialien müssen gepflegt werden. Klinker mit Patina ist dagegen noch schöner als neuer Klinker.« Warum prägen dann so viele Betonbauten die aktuelle Architektur? Peter L. Wilson: »In dieser Frage gilt es, kurzfristige Effekte und langfristige Qualitäten zu unterscheiden. Beton ist zurzeit sehr „in“. Aber wir alle wissen, dass Beton im Außenbereich bei weitem nicht die Langlebigkeit hat wie Klinker. Bei der Materialwahl muss man die ganze Lebensdauer des Gebäudes im Auge behalten. Deshalb verwenden wir von BOLLES+WILSON außen fast nie Sichtbeton.« Welche Formate und Oberflächen sind für Ihre aktuelle Architektur besonders interessant? Peter L. Wilson: »Wir experimentierten sehr viel mit texturhaften Oberflächen sowie Vor- und Rücksprüngen, einer Dreidimensionalität der Fassade. Ein Beispiel ist das neue Stadthaus im niederländischen Haarlem. Dort haben wir mit unterschiedlichen Verfugungsfarben sowie Vor- und Rücksprüngen der Klinkerschichten gearbeitet. Dadurch ist eine Art textiler Oberfläche entstanden, die uns absolut Portraitfoto: © Fotograf Thomas Rabsch »KlinKer altert elegant.« Interview Peter L. Wilson Büropartner des Architekturbüros BOLLES+WILSON GmbH & Co. KG in Münster. Peter L. Wilson hat weltweit Vorträge und Lehrveranstaltungen gehalten und hatte Gastprofessuren inne u. a. an der Kunsthochschule Weißensee/Berlin sowie der Accademia di Architettura Mendrisio. begeistert. Das Arbeiten mit Klinker ist fast wie Weberei. Jedes Mal, wenn wir mit Klinker arbeiten, machen wir ein anderes Experiment mit dem Verlegemuster oder mit der Tiefe der Fassade.« Welches Klinkerbauwerk hat für Sie herausragende Bedeutung? Peter L. Wilson: »Das chilehaus des Hamburger Architekten Fritz Höger. Es ist ein Hauptwerk des Expressionismus der 30er Jahre. Das Gebäude hat eine unglaublich schöne dekorative Ziegelfassade und natürlich eine sehr bekannte expressive Form. Wenn man das chilehaus von Nahem betrachtet, hat es eine haptische und fast lesbare Oberfläche. Ich gehe immer wieder gern vorbei, um es anzusehen.« Wie hat sich die Bedeutung des Ziegels für das Bauen gewandelt? Peter L. Wilson: »Ursprünglich hat man massiv mit dicken Wänden aus Klinker gebaut. Das war eine sehr nachhaltige Bauweise. Jetzt bauen wir mit einem Betonskelett und vorgehängter Klinkerschale mit den Problemen der Dehnfuge. Dafür muss die Ziegelfassade mit einem Streifen Silicon geteilt werden. Nach etwa zehn Jahren erfordern die Problem-Streifen dann häufig eine Erneuerung. Das steht im Gegensatz zum langlebigen Klinker, der seinen Wert erhält. Für die Zukunft wäre es sinnvoll, zurückzukehren zum Massivbau mit 60 bis 80 Zentimeter dicken Klinkerwänden. Das ist nachhaltig das Beste und verfügt über ausreichend Speichermasse. Wir Architekten kämpfen gegen die weit verbreitete Dämm-Manie. Wer massiv baut, braucht keine Kunststoffdämmung. Der Klinker selbst dämmt. Das Problem ist, dass diese Lösungen zunächst teurer sind, sich aber langfristig rechnen. Dafür benötigt man einen guten Bauphysiker, der dem Bauherrn die langfristigen Vorteile erklären kann.« Energieeinsparung und Klinker – wie passt das zusammen? Kann man energiesparend mit Klinker bauen? Peter L. Wilson: »Es gibt unterschiedliche Wege zum energiesparenden Bauen. Der eingeschlagene Weg der EnergieEinsparVerordnung mit Vorschriften zur Dämmung macht nicht besonders viel Sinn für das integere Bauen. Deshalb protestieren viele Architekten gegen die vorgeschriebene Dämmschicht. Ein anderer Weg, energieeffizient zu bauen, ist, mit Hintermauerziegel oder dickeren Wänden zu arbeiten. Dann dämmt das Material selbst, und man braucht auch keine Kunststoffdämmung. Doch dafür bedürfte es einer stärkeren Klinkerlobby in Brüssel.« Ist der Klinker ein Baustoff der Zukunft? Peter L. Wilson: »Ich denke schon, ja. Wenn wir uns für eine nachhaltige Bauweise entscheiden, wird Klinker eine sehr wichtige Rolle spielen. Denn neben den Baukosten gewinnen die „Life cycles“ von Baustoffen immer mehr an Bedeutung. Deshalb wäre es hilfreich, wenn die Klinkerindustrie in „Life cycle“-Berechnungen darlegen könnte, dass sich der Energieverbrauch im Herstellungsprozess des Klinkers mit Blick auf die Dauerhaftigkeit des Materials rechnet. Denn Klinker überdauert 50 bis 100 Jahre, Fassaden aus anderen Materialien müssen schon nach 20 bis 30 Jahren erneuert werden. Das zeigt, dass Klinker eines der nachhaltigsten Materialien ist.« Herausgeber: Hagemeister GmbH & co. KG, Klinkerwerk Buxtrup 3· D-48301 Nottuln Telefon 00 49 - 2502 8040 Telefax 00 49 - 2502 7990 [email protected] www.hagemeister.de Redaktion und Grafik-Design: presigno GmbH, Dortmund Fotos: Ulrich Metelmann, Ratingen Stefan Meyer, Berlin/Nürnberg (Rehau) Architekturbüro Thiel, Münster (Solarsiedlung)