1 Grundlagen und Zahlenmengen N die Menge der natürlichen

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Grundlagen und Zahlenmengen
1
1.1
Zahlenmengen
Grundlagen und Zahlenmengen
Zahlenmengen
N die Menge der natürlichen Zahlen: {1, 2, 3, 4, . . .}
Z die Menge der ganzen Zahlen: {. . �
. , −3, −2, −1, 0, �1, 2, 3, . . .}
m
Q die Menge der rationalen Zahlen:
; m ∈ Z, n ∈ N
n
R die Menge der reellen Zahlen
C die Menge der komplexen Zahlen
Zur Veranschaulichung dient die Zahlengerade.
−2
−1
0 1/2 1
√
2 2
e3
Jedem Punkt auf der Zahlengeraden entspricht genau eine reelle Zahl, und
umgekehrt.
Höhere Mathematik
1
Grundlagen und Zahlenmengen
1.2
Summen- und Produktzeichen
Summen- und Produktzeichen
Für ganze Zahlen m ≤ n bedeutet:
n
�
j=m
aj = am + am+1 + · · · + an
n
�
j=m
aj = am · am+1 · · · an .
Für jede reelle (oder komplexe) Zahl x definieren wir x 0 := 1.
Als Sonderfall für m > n wird vereinbart:
n
�
j=m
Höhere Mathematik
aj = 0,
n
�
aj = 1.
j=m
2
Grundlagen und Zahlenmengen
1.3
Fakultät und Binomialkoeffizient
Fakultät und Binomialkoeffizient
Für n ∈ N ist
n! = 1 · 2 · 3 · · · · · n =
n
�
j
j=1
die Fakultät von n (kurz “n-Fakultät”); wir setzen außerdem 0! = 1.
Für ganzzahlige n ≥ 0 und 0 ≤ k ≤ n ist
� �
n
n!
n(n − 1) · · · · · (n − k + 1)
=
=
k
k!(n − k)!
k!
der Binomialkoeffizient n über k.
Höhere Mathematik
3
Grundlagen und Zahlenmengen
Fakultät und Binomialkoeffizient
Die Binomialkoeffizienten erfüllen die Regeln:
� � �
�
� � � �
n
n
n
n
(i)
=
; speziell
=
=1
k
n−k
0
n
� � �
� �
�
n
n
n+1
(ii)
+
=
für 0 ≤ k ≤ n − 1
k
k +1
k +1
Höhere Mathematik
4
Grundlagen und Zahlenmengen
Das Prinzip der vollständigen Induktion
Eine wichtige Beweismethode ist das folgende Prinzip.
1.4
Das Prinzip der vollständigen Induktion
Für jede natürliche Zahl n sei eine Aussage A(n) formuliert. Wenn wir beweisen
können, dass die folgenden beiden Aussagen gelten:
(i) A(1) ist wahr. (Induktionsanfang)
(ii) Wenn für eine natürliche Zahl n die Aussage A(n) wahr ist, dann ist auch
A(n + 1) wahr. (Induktionsschluss von n auf n + 1)
Dann ist bewiesen, dass die Aussage A(n) für jede natürliche Zahl n wahr ist.
Höhere Mathematik
5
Grundlagen und Zahlenmengen
1.5
Beispiele: (a) Einfache Summenformeln
Beispiele: (a) Einfache Summenformeln
Behauptung: Für jede natürliche Zahl n gilt
n
�
k=1
Höhere Mathematik
n(n + 1)
k=
.
2
6
Grundlagen und Zahlenmengen
1.6
(b) Anzahl der Permutationen
(b) Anzahl der Permutationen
Behauptung: Für jede natürliche Zahl n gibt es genau n! verschiedene
Möglichkeiten, die Zahlen 1, 2, 3, . . . , n anzuordnen.
(Anders ausgedrückt: es gibt genau n! Permutationen von n verschiedenen
Dingen.)
1.7
(c) Anzahl der Kombinationen
Behauptung: Für jede natürliche Zahl n und jede ganze Zahl 0 ≤ k ≤ n gibt es
� �
n
genau
verschiedene Möglichkeiten,
k
k verschiedene natürliche Zahlen zwischen 1 und n auszuwählen (ohne
Berücksichtigung der Reihenfolge; siehe Lotto 6 aus 49).
� �
n
Mit anderen Worten: Eine Menge mit n Elementen hat genau
Teilmengen
k
mit k Elementen.
Höhere Mathematik
7
Grundlagen und Zahlenmengen
1.8
(d) Binomischer Satz
(d) Binomischer Satz
Für alle a, b ∈ R und n ∈ N gilt
(a + b)n =
n � �
�
n
j=0
Höhere Mathematik
j
aj b n−j .
8
Grundlagen und Zahlenmengen
1.9
(e) Geometrische Summenformel
(e) Geometrische Summenformel
Für beliebiges a ∈ R, a �= 1, und n ∈ N ∪ {0} gilt
n
�
k=0
Höhere Mathematik
1 − an+1
a =
.
1−a
k
9
Grundlagen und Zahlenmengen
1.10
(f) Varianten des Induktionsbeweises
(f) Varianten des Induktionsbeweises
Als Induktionsanfang beweist man A(n0 ) für ein n0 ∈ Z. Gilt dann der
Induktionsschluss von n nach n + 1 für jedes n ≥ n0 , so ist die Aussage A(n)
für alle n ≥ n0 bewiesen (siehe Übungen).
Als Voraussetzung für den Induktionsschluss von n nach n + 1 darf man
verwenden, dass A(k) wahr ist für alle n0 ≤ k ≤ n.
Höhere Mathematik
10
Grundlagen und Zahlenmengen
1.11
Beweise
Beweise
Direkter Beweis
Wir wollen beweisen, dass eine Aussage A wahr ist.
Der direkte Beweis würde A aus einer (bekanntermassen) wahren Aussage B
herleiten oder A äquivalent in eine wahre Aussage B überführen
Schema 1: wahre Aussage B =⇒ Aussage A
Schema 2: Aussage A ⇐⇒ wahre Aussage B
Widerspruchsbeweis
Man bezeichnet mit ¬A das Gegenteil der Aussage A.
Schema : (¬A =⇒ Widerspruch zu ¬A)=⇒ A wahr
Da aus etwas Wahrem nichts Falsches folgen kann, muss ¬A falsch sein und damit
A wahr.
Höhere Mathematik
11
Grundlagen und Zahlenmengen
Beweise
Indirekter Beweis
Ist die Aussage B als wahr bekannt, und hat man ¬A =⇒ ¬B, so ist A wahr.
(B wahr und (¬A =⇒ ¬B)=⇒ A wahr
Diese Methode beweist man mit dem Widerspruchsbeweis:
Ist A falsch, dann ist ¬A wahr, und damit auch ¬B. Dann müsste B falsch sein,
was aber der Voraussetzung B wahr widerspricht.
Höhere Mathematik
12
Grundlagen und Zahlenmengen
1.12
Beispiele
Beispiele
Behauptung: Sei n eine ganze Zahl und n2 durch 3 teilbar.
Dann ist n durch 3 teilbar.
Irrationale Zahlen
Behauptung: Es gibt reelle Zahlen, die nicht rational (also keine Brüche ganzer
Zahlen) sind. Solche Zahlen heißen irrational.
Höhere Mathematik
13
Grundlagen und Zahlenmengen
Beispiele
Achtung: Das Aufstellen des Gegenteils der Aussage A ist häufig schwierig
(“Negation”).
Höhere Mathematik
14
Grundlagen und Zahlenmengen
(R, +, ·) ist ein Körper
Die Eigenschaften der reellen Zahlen
1.13
(R, +, ·) ist ein Körper
Für die Addition reeller Zahlen gilt:
(A1) Zu je zwei reellen Zahlen a, b gibt es genau eine reelle Zahl a + b, die
Summe von a und b.
Für alle reellen Zahlen a, b, c gilt:
(A2)
a+b =b+a
(A3)
(a + b) + c = a + (b + c)
(Kommutativität)
(Assoziativität)
(A4) Es gibt genau eine reelle Zahl 0 mit der Eigenschaft:
a + 0 = 0 + a = a für jede reelle Zahl a.
(A5) Für jede reelle Zahl a gibt es genau eine reelle Zahl −a mit der Eigenschaft:
a + (−a) = (−a) + a = 0.
Höhere Mathematik
15
Grundlagen und Zahlenmengen
(R, +, ·) ist ein Körper
Für die Multiplikation reeller Zahlen gilt:
(M1) Zu je zwei reellen Zahlen a, b gibt es genau eine reelle Zahl a · b (geschrieben
ab), das Produkt von a und b.
Für alle reellen Zahlen a, b, c gilt:
(M2)
ab = ba
(M3)
(ab)c = a(bc)
(D)
(a + b)c = ac + bc
(Kommutativität)
(Assoziativität)
(Distributivität)
(M4) Es gibt genau eine reelle Zahl 1 mit der Eigenschaft:
a · 1 = 1 · a = a für jede reelle Zahl a
(M5) Für jede reelle Zahl a �= 0 gibt es genau eine reelle Zahl a−1 (geschrieben 1a )
mit der Eigenschaft: a · a−1 = a−1 · a = 1.
Höhere Mathematik
16
(R, +, ·) ist ein Körper
Grundlagen und Zahlenmengen
Bemerkungen:
Schreibweise der Subtraktion:
a + (−b) = a − b
Schreibweise der Division und Brüche: ab −1 = a/b = ba , falls b �= 0.
Das 2. Distributivgesetz a(b + c) = ab + ac folgt aus (D) und (M2).
Höhere Mathematik
17
Die Axiome der Anordnung in R
Grundlagen und Zahlenmengen
1.14
Die Axiome der Anordnung in R
(O1) Es gibt eine Relation “ < ”(kleiner) in R, so dass für je zwei reelle Zahlen
a, b genau eine der drei folgenden Aussagen gilt:
a < b,
a = b,
oder
b<a
Die Relation “ < ”hat die folgenden Eigenschaften:
(O2) Aus a < b und b < c folgt
a<c
(O3) Aus a < b folgt für alle reellen c :
(Transitivität)
a+c <b+c
(O4) Aus a < b folgt für alle reellen c mit 0 < c :
ac < bc
Schreibweisen: b > a (b größer a) bedeutet a < b, entsprechend a ≤ b (a kleiner
oder gleich b) und b ≥ a (b größer oder gleich a)
Höhere Mathematik
18
Grundlagen und Zahlenmengen
1.15
Rechenregeln für Ungleichungen
Rechenregeln für Ungleichungen
Für reelle Zahlen a, b, c, d folgt aus den Axiomen (O1) bis (O4):
(a)
a<b
∧
c<d
=⇒
a+c <b+d
(b)
a<b
∧
c<0
=⇒
ac > bc
(c)
1>0
(d)
0<a<b
(e)
ab > 0
ab < 0
=⇒
⇐⇒
⇐⇒
1
1
0< <
b
a
(a > 0 ∧ b > 0) ∨ (a < 0 ∧ b < 0)
(a > 0 ∧ b < 0) ∨ (a < 0 ∧ b > 0)
(f)
Für jede reelle Zahl a �= 0 ist a2 > 0.
(g)
Für a > 0 und b > 0 gilt:
Die Symbole
Höhere Mathematik
a<b
⇐⇒
a2 < b 2
∧ (“und”), ∨ (“oder”) sind Verknüpfungen aus der Aussagenlogik.
19
Grundlagen und Zahlenmengen
Archimedisches Axiom
Die Charakterisierung der reellen Zahlen
1.16
Archimedisches Axiom
Zu jeder reellen Zahl a gibt es eine Zahl n ∈ N mit a < n.
Oder gleichbedeutend damit: Zu jeder reellen Zahl � > 0 gibt es eine natürliche
Zahl n mit 0 < n1 < �.
1.17
Vollständigkeitsaxiom, “Dedekindscher Schnitt”
Die Mengen A und B seien nichtleere Mengen reeller Zahlen. Für jedes a ∈ A und
jedes b ∈ B gelte a ≤ b (anschaulich: A liegt links auf der Zahlengeraden von B.)
Dann gibt es mindestens eine reelle Zahl c, so dass für alle a ∈ A und alle b ∈ B
gilt
a ≤ c ≤ b.
Die Körperaxiome 1.13, Anordnungsaxiome 1.14, sowie die beiden letzten Axiome
charakterisieren die Menge R; d.h. R ist der einzige vollständige, archimedische
angeordnete Körper.
Frage: Q ist ein archimedischer angeordneter Körper. Man finde ein Beispiel von
Mengen A, B ⊂ Q, die zeigen, dass das Vollständigkeitsaxiom für Q nicht gilt.
Höhere Mathematik
20
Grundlagen und Zahlenmengen
Ungleichung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel
Wichtige Ungleichungen der Analysis
1.18
Ungleichung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel
Sind a und b positive reelle
Zahlen, so gilt
√
ab ≤
Höhere Mathematik
a+b
.
2
r
�
��
a
a+b
=
√ 2
h = ab
r
h
�� �� �
b
21
Grundlagen und Zahlenmengen
1.19
Bernoullische Ungleichung
Bernoullische Ungleichung
Für alle x ∈ R mit x ≥ −1 und alle n ∈ N gilt
(1 + x)n ≥ 1 + nx.
Höhere Mathematik
22
Grundlagen und Zahlenmengen
1.20
Cauchy-Schwarz Ungleichung
Cauchy-Schwarz Ungleichung
Für beliebige reelle Zahlen a1 , a2 , . . . , an und b1 , b2 , . . . , bn gilt
n
�
i=1
Höhere Mathematik
ai bi ≤
�
�
a12 + · · · + an2 b12 + · · · + bn2
23
Grundlagen und Zahlenmengen
1.21
Absolutbetrag und Signumsfunktion
Absolutbetrag und Signumsfunktion
Für jede reelle Zahl a definieren wir
(i) den Absolutbetrag
(ii) das Signum (Vorzeichen)
�
, wenn a ≥ 0,
|a| =
, wenn a < 0.


, wenn a > 0,
1
sign(a) = 0
, wenn a = 0,


−1 , wenn a < 0.
a
−a
Der Absolutbetrag |a| ist der Abstand auf der Zahlengeraden von a zum
Nullpunkt.
Der Abstand von zwei Zahlen a und b auf der Zahlengeraden ist |a − b|.
√
Für alle a ∈ R gilt |a| = a2 .
Höhere Mathematik
24
Grundlagen und Zahlenmengen
1.22
Rechnen mit Beträgen
Rechnen mit Beträgen
Für alle reellen Zahlen a, b gilt
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
|a| ≥ 0,
und (|a| = 0 ⇔ a = 0);
|ab| = |a| |b|;
� a � |a|
� �
,
� �=
b
|b|
falls b �= 0;
|a + b| ≤ |a| + |b|
�
�
|a + b| ≥ �|a| − |b|�
(|a| = |b| ⇔ a2 = b 2 ),
(Dreiecksungleichung)
(|a| < |b| ⇔ a2 < b 2 )
Für reelle Zahlen aj , 1 ≤ j ≤ n, folgt aus (d) per Induktion die verallgemeinerte
Dreiecksungleichung
�
�
��
�
n
� n � �
�
aj �� ≤
|aj |
�
� j=1 � j=1
Höhere Mathematik
25
Definition von C
Grundlagen und Zahlenmengen
Die komplexen Zahlen
Die quadratische Gleichung x 2 + 1 = 0 hat keine reelle Lösung, denn für jede
reelle Zahl x gilt x 2 + 1 > 0 (nach 1.15(c),(f)).
1.23
Definition von C
Zu den reellen Zahlen fügen wir die “Zahl”i (=“imaginäre Einheit”) hinzu, für die
gilt i 2 = −1.
Dann ist die Menge
C = {a + bi
mit
a, b ∈ R}
der komplexen Zahlen abgeschlossen bezüglich der Addition und Multiplikation:
Für komplexe Zahlen z = a + bi und w = c + di setzen wir
Höhere Mathematik
z +w
=
(a + bi) + (c + di) = (a + c) + (b + d)i,
zw
=
(a + bi)(c + di) = (ac − bd) + (ad + bc)i.
26
Grundlagen und Zahlenmengen
1.24
Die Gaußsche Zahlenebene
Die Gaußsche Zahlenebene
Jede komplexe Zahl z = a + bi entspricht genau einem geordneten Paar (a, b)
reeller Zahlen, mit a = Re (z) und b = Im (z).
Dieses Paar (a, b) wird als Punkt in der Ebene dargestellt. Dabei sind (a, b) die
kartesischen Koordinaten von z = a + bi.
1.25
Addition in C
Die Addition z + w komplexer Zahlen entspricht der “Vektoraddition”:
(a + bi) + (c + di) = (a + c) + (b + d)i
∼
(a, b) + (c, d) = (a + c, b + d)
Im z
(a + c, b + d)
C
Im z = 1
z =2+i
(a, b)
(c, d)
1
Höhere Mathematik
Rez = 2
Re z
27
Grundlagen und Zahlenmengen
Die Gaußsche Zahlenebene
Es sei z = a + bi eine komplexe Zahl, a, b ∈ R.
a = Re (z) heißt Realteil von z,
b = Im (z) heißt Imaginärteil von z.
Zwei komplexe Zahlen sind gleich, wenn Realteil und Imaginärteil
übereinstimmen.
z = a − bi heißt die konjugiert komplexe Zahl (sprich “z-quer”).
Es gilt Re (z) = 12 (z + z), Im (z) = 2i1 (z − z).
√
|z| = a2 + b 2 √
heißt der Absolutbetrag von z.
Es gilt |z| = zz.
Für z �= 0 ist |z| > 0. Durch die Gleichung
z
z · 2 = 1 (= 1 + 0i).
|z|
ist der Kehrwert von z �= 0 definiert als z −1 =
1
z
=
z
|z|2 .
Bemerkung: R ⊂ C wird durch die Identität a = a + 0i geklärt. Also ist z ∈ C
genau dann reell, wenn z = z gilt.
Höhere Mathematik
28
C ist Körper
Grundlagen und Zahlenmengen
1.26
C ist Körper
Die Menge C der komplexen Zahlen mit der Addition und Multiplikation aus 1.23
ist ein Körper.
Das heißt im Einzelnen:
es gelten die Kommutativ-, Assoziativ- und Distributivgesetze,
das neutrale Element der Addition ist 0 = 0 + 0i, das der Multiplikation ist
1 = 1 + 0i,
zu z = a + bi ist −z = −a − bi; falls z �= 0, so ist
z −1 =
Höhere Mathematik
b
1
z
a
= 2 = 2
−
i.
2
2
2
z
|z|
a +b
a +b
29
Grundlagen und Zahlenmengen
1.27
Beispiele
Beispiele
(a) Berechnen von Real- und Imaginärteil:
3+i
3+i
3+i
z=
=
=
(1 − 3i)2
1 − 6i − 9
−8 − 6i
(b) Es gilt |z| = 1 ⇔
Höhere Mathematik
1
z
= z.
30
Weitere Rechenregeln in C
Grundlagen und Zahlenmengen
1.28
Weitere Rechenregeln in C
Für alle z, w ∈ C gilt
(a)
(b)
(c)
0 · z = z · 0 = 0 und (zw = 0 ⇔ z = 0 ∨ w = 0).
�z�
z
z + w = z + w , zw = z w ,
=
w
w , falls w �= 0.
|z| = 0
⇐⇒
z = 0.
�z�
� � = |z| , falls w �= 0.
w
|w |
(d)
|zw | = |z| |w |,
(e)
|z + w | ≤ |z| + |w |
�
�
�
|z ± w | ≥ |z| − |w |�
(f)
Höhere Mathematik
(Dreiecksungleichung)
31
Polarkoordinaten in C
Grundlagen und Zahlenmengen
Für die Multiplikation, Division, Potenzen und Wurzeln eignet sich eine andere
geometrische Beschreibung der komplexen Zahlen besser.
1.29
Polarkoordinaten in C
Die komplexe Zahl z = a + bi hat die Polarkoordinaten
�
r = |z| = a2 + b 2 Betrag
Das ist der Abstand zu 0
|z| =
√
ϕ Argument
Das ist der Winkel zwischen der
positiven reellen Achse und der
Strecke von 0 zu z.
Dabei ist −π < ϕ <= π
a2 + b 2
ϕ
z = a + bi
b = |z| sin ϕ
a = |z| cos ϕ
z = a − bi
Die Darstellung von z in Polarkoordinaten lautet
z = |z|(cos ϕ + i sin ϕ).
Höhere Mathematik
32
Polarkoordinaten in C
Grundlagen und Zahlenmengen
Hierbei ist zu beachten:
alle Winkel werden im Bogenmaß (Einheit rad) gemessen, wobei π rad dem
Winkel 180o entspricht. Umrechnung:
απ
αo (α Grad)
entspricht
ϕ=
rad
180
Die Zuordnung
(a, b) ←→ (r , ϕ)
ist für (a, b) �= (0, 0) eineindeutig. Die Umrechnungen lauten
a
b
=
=
r
=
ϕ
=
r cos ϕ
r sin ϕ
√
2
2
a + b
arccos(a/r ), falls b ≥ 0,
− arccos(a/r ), falls b < 0.
Hierbei wird der Hauptwert des Arcus-Cosinus mit Werten 0 ≤ arccos x ≤ π
verwendet.
Höhere Mathematik
33
Rechenoperationen in C
Grundlagen und Zahlenmengen
1.30
Rechenoperationen in C
Für z, w ∈ C mit ϕ = arg (z), ψ = arg (w ), gilt:
Multiplikation:
z · w = |z| |w | (cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)) .
(Multiplikation der Beträge und Addition der Argumente)
Division für w �= 0:
z
|z|
=
(cos(ϕ − ψ) + i sin(ϕ − ψ)) .
w
|w |
(Division der Beträge und Subtraktion der Argumente)
Konjugation:
z = |z| (cos ϕ − i sin ϕ) = |z| (cos(−ϕ) + i sin(−ϕ)) .
(Spiegelung an der reellen Achse)
Höhere Mathematik
34
Rechenoperationen in C
Grundlagen und Zahlenmengen
z = 1 + 2i
2i
z ·w
i
1
2
w =1−i
Höhere Mathematik
3
Mit z · w = (1 + 2i)(1 − i) = 3 + i
ist
√
|z| = 5, ϕz ≈ 63◦
√
|w | = 2, ϕw = −45◦
√
|zw | = 10, ϕzw ≈ 18◦
35
Grundlagen und Zahlenmengen
1.31
Eulersche Formel
Eulersche Formel
Wir setzen zunächst nur formal (als Kurzschreibweise)
e iϕ := cos ϕ + i sin ϕ,
wobei e die Eulersche Zahl (≈ 2.7182...) ist.
Dann ist durch
z = |z|e iϕ ,
w = |w |e iψ
=⇒
z · w = |z| |w |e i(ϕ+ψ)
bereits eine Eigenschaft der “Exponentialfunktion” ausgedrückt, die wir später
noch allgemein herleiten werden. Die Exponential-Schreibweise erleichtert den
Umgang mit den Polarkoordinaten (verwende die üblichen Potenzgesetze).
Höhere Mathematik
36
Grundlagen und Zahlenmengen
Moivresche Formel
Als direkte Folgerung der Multiplikationsregel ergibt sich:
1.32
Moivresche Formel
Für z = |z|(cos ϕ + i sin ϕ) = |z|e iϕ und n ∈ N gilt
�
�
n
n
z = |z| cos(nϕ) + i sin(nϕ) = |z|n e inϕ .
Höhere Mathematik
37
Grundlagen und Zahlenmengen
Die n-ten Einheitswurzeln
Die komplexen Zahlen vom Betrag 1 haben die Form e iϕ = cos ϕ + i sin ϕ. Für
spezielle Winkel ergeben sich die sogenannten Einheitswurzeln.
1.33
Die n-ten Einheitswurzeln
Sei n eine natürliche Zahl. Die komplexen Zahlen
ηk = e
i2πk/n
2πk
2πk
= cos
+ i sin
,
n
n
k = 0, 1, . . . , n − 1,
heißen die n-ten Einheitswurzeln; durch sie sind sämtliche komplexe Lösungen
der Gleichung
zn = 1
gegeben.
Höhere Mathematik
38
Grundlagen und Zahlenmengen
Die n-ten Einheitswurzeln
z1
z2
η2
η1
z0
η3
η0
z3
η4
η5
Die sechsten Einheitswurzeln η0 bis
η5 und die Lösungen
von z 6 = 8i.
z5
z4
Höhere Mathematik
39
Grundlagen und Zahlenmengen
1.34
Die n-ten Wurzeln in C
Die n-ten Wurzeln in C Satz:
Zu w = |w |(cos ϕ + i sin ϕ) �= 0 und n ∈ N sind sämtliche Lösungen der Gleichung
z n = w gegeben
Zahlen
� � durch die�n komplexen
�
��
ϕ 2πk
ϕ 2πk
1/n
zk = |w |
cos
+
+ i sin
+
mit k = 0, 1, . . . , n − 1.
n
n
n
n
Ist z eine beliebige Zahl mit z n = w , so sind alle Lösungen durch zk = z · ηk
gegeben.
√
Schreibweise: Die komplexe Wurzel n w oder w 1/n bezeichnet die Gesamtheit aller
n verschiedenen n-ten Wurzeln
√ von w .
(Im Gegensatz zum Reellen: 9 = 3, und nicht −3.)
1.35
Beispiel:
Die 3-ten Wurzeln von w = i = e iπ/2
Höhere Mathematik
40
Mengen und Funktionen
2
2.1
Mengen und Funktionen
Grundbegriffe der naiven Mengenlehre
(Georg Cantor 1845-1918)
Eine Menge ist die Zusammenfassung von verschiedenen Objekten (den
Elementen) zu einem neuen Objekt.
Eine Menge M wird definiert durch genaue Angabe ihrer Elemente:
aufzählende Form:
M1 = {1, 2, 3} (endliche Menge)
M2 = {2, 4, 6, 8, . . .} (unendliche Menge)
beschreibende Form (anhand eines “Prädikats”, das die Elemente
charakterisiert:
M2 = {n | n ∈ N ∧ n ist gerade}
M3 = {z | z ∈ C ∧ Re(z) > 0}
“rechte Halbebene”
Die Menge ohne Elemente heißt die leere Menge und wird mit dem Symbol ∅
bezeichnet.
Höhere Mathematik
41
Mengen und Funktionen
2.2
Mengentheoretische Begriffe
x ∈ M bedeutet “x ist Element der Menge M”;
x �∈ M bedeutet “x ist kein Element der Menge M”
Die Menge M heißt Teilmenge der Menge N (geschrieben M ⊆ N), wenn
gilt: x ∈ M ⇒ x ∈ N.
M heißt echte Teilmenge von N (geschrieben M � N), falls
M ⊆ N ∧ M �= N gilt.
Man beachte: M = N ⇐⇒ (M ⊆ N ∧ N ⊆ M).
Die Vereinigung der Mengen M und N ist
M ∪ N = {x | x ∈ M ∨ x ∈ N}
Der Durchschnitt der Mengen M und N ist
M ∩ N = {x | x ∈ M ∧ x ∈ N}
Die Mengendifferenz M “ohne”N (auch Komplement von N in M) ist
M \ N = {x | x ∈ M ∧ x �∈ N}
Höhere Mathematik
42
Mengen und Funktionen
2.3
Rechenregeln für Mengen
Für Mengen A, B, C gelten die Distributivgesetze
(A ∪ B) ∩ C = (A ∩ C ) ∪ (B ∩ C ),
(A ∩ B) ∪ C = (A ∪ C ) ∩ (B ∪ C )
sowie die de Morganschen Regeln
C \ (A ∪ B) = (C \ A) ∩ (C \ B),
Höhere Mathematik
C \ (A ∩ B) = (C \ A) ∪ (C \ B).
43
Mengen und Funktionen
2.4
Intervalle
Intervalle
Für a, b ∈ R mit a ≤ b sind
das abgeschlossene Intervall [a, b] = {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}
das offene Intervall (a, b) = {x ∈ R | a < x < b}
die halboffenen Intervalle (a, b] = {x ∈ R | a < x ≤ b} und
[a, b) = {x ∈ R | a ≤ x < b}
definiert. Weiterhin sind
die unbeschränkten abgeschlossenen Intervalle
[a, ∞) = {x ∈ R | x ≥ a} und (−∞, b] = {x ∈ R | x ≤ b},
die unbeschränkten offenen Intervalle
(a, ∞) = {x ∈ R | x > a} und (−∞, b) = {x ∈ R | x < b}
definiert.
Höhere Mathematik
44
Mengen und Funktionen
Intervalle
Für a ∈ R und � > 0 heißt das offene Intervall U� (a) = (a − �, a + �) die
�-Umgebung von a.
Höhere Mathematik
45
Mengen und Funktionen
2.5
Definition: obere Schranke, Supremum
Definition: obere Schranke, Supremum
M sei eine nichtleere Teilmenge von R.
Existiert eine Zahl b ∈ R so, dass x ≤ b für alle x ∈ M gilt, so heißt b eine
obere Schranke von M, und M heißt nach oben beschränkt.
Das Vollständigkeitsaxiom von R ist äquivalent zu der folgenden Aussage:
Falls die Menge M ⊆ R nach oben beschränkt ist, so gibt es eine kleinste
obere Schranke s von M. Die Zahl s heißt Supremum von M, geschrieben
s = sup M.
Es gilt
x ≤ sup M für alle x ∈ M,
jedoch existiert für jedes � > 0 mindestens ein x ∈ M mit x > sup M − �.
Höhere Mathematik
46
Mengen und Funktionen
Definition: Untere Schranken, Infimum
Analog definiert man:
2.6
Definition: Untere Schranken, Infimum
M sei eine nichtleere Teilmenge von R.
Existiert eine Zahl a ∈ R so, dass x ≥ a für alle x ∈ M gilt, so heißt a eine
untere Schranke von M, und M heißt nach unten beschränkt.
Die größte untere Schranke von M heißt das Infimum von M, geschrieben
inf M.
Ist M nach oben und unten beschränkt, so heißt M beschränkt; dann gilt
inf M ≤ x ≤ sup M
Höhere Mathematik
für alle x ∈ M.
47
Mengen und Funktionen
2.7
Definition: Kartesisches Produkt
Definition: Kartesisches Produkt
Zu nichtleeren Mengen A und B definieren wir das kartesische Produkt
A × B = {(a, b) | a ∈ A, b ∈ B}
(sprich “A kreuz B”)
als die Menge der geordneten Paare (a, b) mit a ∈ A und b ∈ B.
Es gilt (a, b) = (c, d) genau dann, wenn a = c und b = d gilt.
Beispiele:
Das Rechteck [0, 3] × [1, 2] enthält geordnete Zahlenpaare. Es ist eine
Teilmenge von R2 := R × R.
Die Menge M := {Sonntag, Montag, ..., Samstag} × {Sonne, Regen, Nebel}
enthält 21 geordnete Paare der Form (Wochentag, Wetter).
Höhere Mathematik
48
Mengen und Funktionen
2.8
Relation
Relation
Gegeben seien nichtleere Mengen A und B. Eine Teilmenge R ⊆ A × B nennen
wir eine Relation von A nach B. Die Menge
D(R) := {a ∈ A | es existiert mindestens ein Paar (a, b) ∈ R}
heißt die Urbildmenge, und die Menge
I (R) := {b ∈ B | es existiert mindestens ein Paar (a, b) ∈ R}
heißt die Bildmenge der Relation.
Höhere Mathematik
49
Mengen und Funktionen
2.9
Definition: Abbildung, Funktion
Definition: Abbildung, Funktion
Gegeben seien nichtleere Mengen A und B. Eine Funktion (oder Abbildung) f von
A nach B ist eine Vorschrift, die jedem a ∈ A genau ein Element b = f (a) ∈ B
zuordnet. Wir schreiben
f : A → B,
a �→ f (a).
A heißt der Definitionsbereich, B heißt der Wertebereich von f .
b = f (a) heißt das Bild von f an der Stelle a (oder auch Bild von a unter f ).
Für eine Teilmenge M ⊆ A heißt f (M) = {f (x) | x ∈ M} ⊆ B das Bild von
M unter f . Die Menge f (A) ist die Bildmenge von f .
Für eine Teilmenge N ⊆ B heißt f −1 (N) = {x ∈ A | f (x) ∈ N} ⊆ A das
Urbild von N unter f .
Der Graph von f ist die Menge
Graph(f ) = {(x, f (x)) | x ∈ A} ⊆ A × B.
Höhere Mathematik
50
Mengen und Funktionen
2.10
Definition: Einschränkung, Verkettung
Definition: Einschränkung, Verkettung
Es seien f : A → B und g : C → D Funktionen.
Für eine Teilmenge M ⊆ A definieren wir die Einschränkung von f
f |M : M → B,
x �→ f (x).
f heißt dann Fortsetzung von f |M .
Für den Fall B ⊆ C definieren wir die Hintereinanderausführung (oder
Verkettung oder Komposition)
g ◦ f : A → D,
Höhere Mathematik
x �→ g (f (x)).
51
Mengen und Funktionen
2.11
Definition: injektiv, surjektiv, bijektiv
Definition: injektiv, surjektiv, bijektiv
Eine Funktion f : A → B heißt
(a) injektiv, wenn es zu jedem y ∈ B höchstens ein x ∈ A gibt mit f (x) = y ,
(b) surjektiv, wenn es zu jedem y ∈ B mindestens ein x ∈ A gibt mit f (x) = y ,
(c) bijektiv, wenn es zu jedem y ∈ B genau ein x ∈ A gibt mit f (x) = y .
Höhere Mathematik
52
Mengen und Funktionen
2.12
Definition: Umkehrfunktion
Definition: Umkehrfunktion
Wenn f : A → B bijektiv ist, so ist die Umkehrfunktion f −1 : B → A definiert
durch
f −1 (b) = a
⇐⇒
f (a) = b.
Der Graph der Umkehrfunktion ist
Graph(f −1 ) = {(b, f −1 (b)) | b ∈ B} = {(f (a), a) | a ∈ A}.
Für reelle Funktionen (also A, B ⊆ R) ist Graph(f −1 ) die Spiegelung von
Graph(f ) an der 1. Winkelhalbierenden im (x, y )-Koordinatensystem.
Höhere Mathematik
53
Mengen und Funktionen
2.13
Definition: Monotonie
Definition: Monotonie
A, B ⊂ R seien nichtleere Mengen. Eine Funktion f : A → B heißt
streng monoton wachsend, wenn für alle x1 , x2 ∈ A gilt:
x1 < x2 =⇒ f (x1 ) < f (x2 ),
streng monoton fallend, wenn für alle x1 , x2 ∈ A gilt:
x1 < x2 =⇒ f (x1 ) > f (x2 ).
Die Funktion heißt monoton wachsend (bzw. fallend), wenn aus x1 < x2 die
Beziehung f (x1 ) ≤ f (x2 ) (bzw. f (x1 ) ≥ f (x2 )) folgt.
Höhere Mathematik
54
Mengen und Funktionen
2.15
Satz: Streng monotone Funktionen
Satz: Streng monotone Funktionen
Ist die reelle Funktion f : A → B streng monoton wachsend (oder streng monoton
fallend), so ist sie injektiv.
Höhere Mathematik
55
Mengen und Funktionen
Polynome
Einfache Funktionen auf C
2.16
Polynome
Eine Funktion P : C → C mit der Zuordnungsvorschrift
x �→ P(x) = an x n + an−1 x n−1 + · · · + a1 x + a0 =
n
�
ak x k ,
k=0
wobei die aj gegebene komplexe Zahlen sind, heißt Polynom vom Grad ≤ n. Die
ak , 0 ≤ k ≤ n, nennt man die Koeffizienten von P.
Sind alle Koeffizienten reell, so nennt man P ein reelles Polynom. Als Definitionsund Wertebereich sind auch R sowie Teilmengen von C oder R zugelassen.
an heißt Leitkoeffizient oder Höchstkoeffizient von P.
Falls an �= 0, so hat P den (exakten) Grad n.
Ist an = 1, so heißt P normiert.
Höhere Mathematik
56
Mengen und Funktionen
2.17
Fundamentalsatz der Algebra
Fundamentalsatz der Algebra
Jedes Polynom P vom Grad n ≥ 1 hat mindestens eine Nullstelle in C, d.h. es gibt
ein z ∈ C mit P(z) = 0.
Als Folgerung ergibt sich:
2.18
Satz: Zerlegung in Linearfaktoren
Jedes Polynom P vom Grad n ≥ 1 läßt sich schreiben als Produkt von n
Linearfaktoren
P(z) = an (z − z1 )(z − z2 ) · · · (z − zn ).
Dabei sind die z1 , z2 , . . . , zn ∈ C die Nullstellen von P.
Fasst man gleiche Nullstellen zusammen, so ergibt sich die Produktform
P(z) = an (z − z1 )m1 · · · (z − zr )mr
mit den paarweise verschiedenen Nullstellen z1 , . . . , �
zr von P. Die Zahl
r
mk ∈ N heißt Ordnung der Nullstelle zk , und es ist k=1 mk = n.
Höhere Mathematik
57
Mengen und Funktionen
2.19
Horner-Schema
Horner-Schema
Die Auswertung des Polynoms
P(z) = an z n + an−1 z n−1 + · · · + a1 z + a0
an einer Stelle z erfolgt nach dem Horner-Schema:
P(z) = (· · · ((an z + an−1 )z + an−2 )z + · · · )z + a0 .
Höhere Mathematik
58
Mengen und Funktionen
Horner-Schema
Das Horner-Schema liefert eine Kurzform zur Polynomdivision durch den
Linearfaktor (z − z0 ):
Zum gegebenen Polynom P(z) = an z n + an−1 z n−1 + · · · + a1 z + a0 und zur
Stelle z0 ist die Division mit Rest, also die Darstellung
P(z) = (z − z0 ) · (bn z n−1 + bn−1 z n−2 + · · · + b2 z + b1 ) + b0
gesucht. Die Koeffizienten b0 , . . . , bn liest man aus der letzten Zeile des
Hornerschemas ab:
an
z0
bn = an
an−1
z0 · bn
bn−1
an−2
z0 · bn−1
bn−2
···
···
···
a1
z0 · b2
b1
a0
z0 · b1
b0 = P(z0 )
Hierbei ist bk = z0 · bk+1 + ak .
Falls z0 eine Nullstelle von P ist, so gilt b0 = 0 und wir erhalten die
“Abspaltung” des Linearfaktors (z − z0 )
P(z) = (z − z0 ) · (bn z n−1 + bn−1 z n−2 + · · · + b2 z + b1 )
Höhere Mathematik
59
Lineare Gleichungssysteme
Einführendes Beispiel
Kap. 3: Lineare Gleichungssysteme
Wir beginnen mit der Behandlung linearer Gleichungssysteme. Im R2 sind z.B. “2
Gleichungen mit 2 Unbekannten” gegeben durch
2x
−x
−
+
3y
2y
=
=
1
0
Dieses System von 2 Gleichungen hat die eindeutige Lösung (x, y )� = (2, 1)�. Es
gibt aber Systeme, die keine Lösung besitzen, wie z.B.
2x
−x
−
+
4y
2y
=
=
2
0
und auch solche, die unendlich viele Lösungen besitzen:
2x
−x
−
+
4y
2y
=
=
2
−1
Hier sind alle Punkte der Geraden G : (x, y )� = (3 + 2t, 1 + t)�, t ∈ R, Lösungen.
Höhere Mathematik
60
Lineare Gleichungssysteme
3.2
Definition
Definition
Der n-dimensionale euklidische Raum ist die Menge aller n-Tupel reeller Zahlen
Rn = R × R × · · · × R = {(x1 , . . . , xn )� | x1 , . . . , xn ∈ R}.
Ein Element �x = (x1 , . . . , xn )� ∈ Rn heißt ein Vektor, und für 1 ≤ k ≤ n heißt xk
die k-te Koordinate oder Komponente von �x .
Der Vektor �0 = (0, . . . , 0) heißt Nullvektor.
Summe und Multiplikation mit Skalaren wird definiert durch
(x1 , . . . , xn )�+ (y1 , . . . , yn )� = (x1 + y1 , . . . , xn + yn )�
α(x1 , . . . , xn )� = (αx1 , . . . , αxn )�
Analog wird Cn definiert.
Höhere Mathematik
61
Lineare Gleichungssysteme
3.3
Definition
Definition
Ein lineares Gleichungssystem von m Gleichungen mit den n Unbekannten
x1 , . . . , xn ist ein Gleichungssystem der Form
a1,1 x1
a2,1 x1
+
+
a1,2 x2
a2,2 x2
+
+
···
···
..
.
+
+
a1,n xn
a2,n xn
=
=
b1
b2
am,1 x1
+
am,2 x2
+
···
+
am,n xn
=
bm
Die ai,k ∈ R heißen die Koeffizienten und die bi ∈ R heißen die rechten Seiten des
Gleichungssystems.
Eine Lösung des linearen Gleichungssystems ist ein Vektor �x = (x1 , . . . , xn )� ∈ Rn ,
dessen Komponenten xk alle m Gleichungen erfüllen.
Das Gleichungssystem heißt
lösbar (oder konsistent), wenn es mindestens eine Lösung besitzt,
eindeutig lösbar, wenn es genau eine Lösung besitzt.
Höhere Mathematik
62
Lineare Gleichungssysteme
3.4
Definition: homogenes lineares Gleichungssystem
Definition: homogenes lineares Gleichungssystem
Das lineare Gleichungssystem (geschrieben in Kurzform)
n
�
ai,k xk = bi
(i = 1, . . . , m),
(∗)
k=1
heißt homogen, falls alle rechten Seiten bi gleich 0 sind. Ansonsten heißt es
inhomogen.
Ein homogenes lineares Gleichungssystem ist stets lösbar: Es besitzt die
triviale Lösung �x = (0, 0, . . . , 0)�.
Das “zum linearen Gleichungssystem (*) gehörende homogene System” lautet
n
�
ai,k xk = 0
(i = 1, . . . , m).
(∗∗)
k=1
Höhere Mathematik
63
Lineare Gleichungssysteme
Definition: homogenes lineares Gleichungssystem
Die Lösungsmenge eines homogenen linearen Gleichungssystems (**) hat die
Struktur eines Vektorraums: Summen und skalare Vielfache von Lösungen sind
selbst wieder Lösungen. Genauer:
3.5
Satz
Die Lösungen eines homogenen linearen Gleichungssystems bilden einen
Unter-Vektorraum V von Rn ; das heißt, zu zwei Lösungen �u = (u1 , . . . , un )� und
�v = (v1 , . . . , vn )� ist auch der Vektor α�u + β�v mit beliebigen Zahlen α, β ∈ R eine
Lösung.
Höhere Mathematik
64
Lineare Gleichungssysteme
Satz
Die Linearität ergibt ein einfaches “Superpositions-Prinzip”:
3.6
Satz
Gegeben sei ein lösbares inhomogenes lineares Gleichungssystem
n
�
ai,k xk = bi
(i = 1, . . . , m).
(∗)
k=1
a) Sind �p und �q Lösungen von (*), so ist �v := �p − �q eine Lösung des
zugehörigen homogenen Systems (**).
b) Ist �p eine (spezielle) Lösung von (*), so erhält man alle Lösungen, indem
man zu �p alle Lösungen des zugehörigen homogenen Systems (**) addiert.
Aus der Lösungsmenge Lh des homogenen Systems und der speziellen Lösung
�p ergibt sich also die Lösungsmenge des inhomogenen Systems
L = �p + Lh = {�x ∈ Rn | �x = �p + �v , �v ∈ Lh }
Höhere Mathematik
65
Lineare Gleichungssysteme
Satz: Elementare Umformungen des LGS
Zur Lösung linearer Gleichungssysteme verwendet man einfache
Äquivalenz-Umformungen des Gleichungssystems.
3.7
Satz: Elementare Umformungen des LGS
Die Menge der Lösungen eines linearen Gleichungssystems bleibt unverändert,
wenn man
E1 die Reihenfolge der Gleichungen vertauscht,
E2 beide Seiten einer Gleichung mit einer Zahl α �= 0 multipliziert,
E3 eine Gleichung ersetzt durch die Summe dieser Gleichung und dem Vielfachen
einer anderen Gleichung.
E4 Vertauscht man die Reihenfolge der Unbekannten x1 , . . . , xn , setzt also
(y1 , . . . , yn ) := (xσ1 , . . . , xσn )
mit einer Permutation (σ1 , . . . , σn ) der Zahlen (1, . . . , n), so erhält man die
Lösungsmenge des neuen Systems (bzgl. �y ) aus der Lösungsmenge des alten
(bzgl. �x ) durch entsprechende Vertauschung der Komponenten.
Höhere Mathematik
66
Lineare Gleichungssysteme
Drei Beispiele
An drei Beispielen soll erklärt werden, wie man systematisch durch die
Äquivalenz-Umformungen (E1)–(E3) sowie die Umformung (E4) eine reduzierte
Stufenform des Gleichungssystems erhält, um die Lösungsmenge dann leicht zu
bestimmen.
3.8
Drei Beispiele
x1
2x1
−x1
−x1
x1
1
2
−1
−1
1
0
0
0
1
0
0
0
Höhere Mathematik
+
+
+
−
x2
4
8
2
−4
4
0
6
0
4
1
0
0
4x2
8x2
2x2
4x2
+
+
+
+
x3
2
1
1
1
2
−3
3
3
2
1
2
−3
3
2x3
x3
x3
x3
x4
−1
−1
0
2
−1
1
−1
1
−1
− 16
1
1
−
−
x4
x4
+
2x4
r.S.
2
3
2
2
2
−1
4
4
2
2
3
−1
4
=
=
=
=

2 


3
−→ Kurzform
2 


2
Elimination mit E3
Elimination mit E3
Elimination mit E3
Zeilentausch E1 (2 −→ 3)
und Skalierung E2
Glück: keine Elim.
erforderlich, nur E2
67
Lineare Gleichungssysteme
Drei Beispiele
1
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
4
1
0
0
4
1
0
0
4
1
0
0
2
1
2
1
3
2
1
2
1
0
2
1
2
1
0
−1
− 16
− 13
1
−1
− 16
− 13
2
−1
− 16
− 13
1
2
2
3
1
3
4
2
Elimination mit E3
2
3
1
3
3
2
E2
2
3
1
3
3
2
Auflösen durch “Rücksubstitution” (von unten nach oben):
Höhere Mathematik
Gl. 4:
x4
=
3
2
Gl. 3:
x3 − 13 x4
=
1
3
=⇒
x3 =
5
6
Gl. 2:
x2 + 12 x3 − 16 x4
=
2
3
=⇒
x2 =
1
2
Gl. 1:
x1 + 4x2 + 2x3 − x4
=
2
=⇒
x1 = − 16 ,
Probe!
68
Lineare Gleichungssysteme
Drei Beispiele
Beispiel 2:
x1
2x1
−x1
−x1
+
+
−
−
4x2
8x2
4x2
4x2
x1
1
2
−1
−1
1
0
0
0
+
+
+
+
x2
4
8
−4
−4
4
0
0
0
2x3
x3
x3
x3
x3
2
1
1
1
2
−3
3
3
−
−
x4
x4
+
2x4
x4
−1
−1
0
2
−1
1
−1
1
r.S.
2
3
−1
2
2
−1
1
4
=
=
=
=

2 


3
−→ Kurzform
−1 


2
Elimination mit E3
Elimination mit E3
Elimination mit E3
Vertauschung von x2 und x3 (=Spaltentausch (2 ↔ 3)):
x1
1
0
0
0
Höhere Mathematik
x3
2
−3
3
3
x2
4
0
0
0
x4
−1
1
−1
1
r.S.
2
−1
1
4
Skalierung E2
69
Lineare Gleichungssysteme
Drei Beispiele
x1
1
0
0
0
1
0
0
0
x3
2
1
3
3
2
1
0
0
x2
4
0
0
0
4
0
0
0
x4
−1
− 13
−1
1
−1
− 13
0
2
2
1
3
1
4
2
Elimination mit E3
Elimination mit E3
1
3
0
3
Vertauschung von x2 und x4 (=Spaltentausch (3 ↔ 4)):
x1
1
0
0
0
1
0
0
0
x3
2
1
0
0
2
1
0
0
x4
−1
− 13
0
2
−1
− 13
1
0
x2
4
0
0
0
4
0
0
0
r.S.
2
1
3
0
3
2
Zeilentausch E1 (3 ↔ 4)
und Skalierung E2
1
3
3
2
0
1. Feststellung: Das Gleichungssystem ist lösbar (konsistent), weil die letzte
Gleichung (Nullzeile) lösbar ist.
Höhere Mathematik
70
Lineare Gleichungssysteme
Drei Beispiele
2. Auflösen durch “Rücksubstitution” der Gleichungen 1–3, wobei die
Komponente x2 (aus Spalte 4) als freie Variable verwendet wird:
Gl. 3:
x4
=
3
2
Gl. 2:
x3 − 13 x4
=
1
3
Gl. 1:
x1 + 2x3 − x4 + 4x2
=
2 =⇒ x1 =
=⇒ x3 =
5
6
11
6
− 4x2 ,
Probe!
Die Lösungsmenge ist eine Gerade im R4 , weil ein “freier” Parameter t = x2
vorliegt:
11
5 3
L = {�x = ( − 4t, t, , ) | t ∈ R}.
6
6 2
5 3
Eine spezielle Lösung ist �v = ( 11
6 , 0, 6 , 2 ).
Die Lösungsmenge des zugehörigen homogenen Systems ist der
Unter-Vektorraum
Lh = {�x = t(−4, 1, 0, 0) | t ∈ R} ⊆ R4 .
Höhere Mathematik
71
Lineare Gleichungssysteme
Drei Beispiele
Beispiel 3: Abändern der rechten Seite des Gleichungssystems
x1
2x1
−x1
−x1
führt zu der Stufenform
+
+
−
−
4x2
8x2
4x2
4x2
+
+
+
+
2x3
x3
x3
x3
−
−
x4
x4
+
2x4
x1
1
0
0
0
x3
2
1
0
0
x4
−1
− 13
1
0
x2
4
0
0
0
=
=
=
=
r.S.
2

2 


3
−→ Kurzform
2 


2
1
3
3
2
3
Feststellung: Das Gleichungssystem ist nicht lösbar (inkonsistent), weil die
letzte Gleichung der Stufenform nicht lösbar ist: Nullkoeffizienten von
x1 , . . . , x4 treffen auf eine rechte Seite ungleich 0.
Höhere Mathematik
72
Lineare Gleichungssysteme
Gauß-Algorithmus
Die systematische Vorgehensweise führt zu folgendem Resultat:
3.9
Gauß-Algorithmus
Jedes lineare Gleichungssystem von m Gleichungen mit n Unbekannten x1 , . . . , xn
kann durch endlich viele Umformungen der Form (E1)–(E4) auf die reduzierte
Stufenform gebracht werden:
y1
1
0
..
.
0
0
0
..
.
0
y2
b1,2
1
..
.
···
···
···
···
y3
b1,3
b2,3
..
.
0
0
···
···
···
1
0
···
···
yr
b1,r
b2,r
..
.
br −1,r
1
0
..
.
0
yr +1
b1,r +1
b2,r +1
..
.
br −1,r +1
br ,r +1
0
..
.
0
···
···
···
···
···
···
···
yn
b1,n
b2,n
..
.
br −1,n
br ,n
0
..
.
0
r.S.
c1
c2
..
.
cr −1
cr
cr +1
..
.
cm
Dabei ist (y1 , . . . , yn ) eine Permutation der Komponenten des Vektors
(x1 , . . . , xn ).
Die Zahl r ≤ min{m, n} heißt der Rang des linearen Gleichungssystems.
Höhere Mathematik
73
Lineare Gleichungssysteme
3.9
Gauß-Algorithmus
Gauß-Algorithmus (forts.)
Das Gleichungssystem ist lösbar (konsistent) genau dann, wenn
cr +1 = · · · = cm = 0 gilt; dann wählt man yr +1 , . . . , yn als “freie Variable”
und bestimmt y1 , . . . , yr aus den ersten r Gleichungen der reduzierten
Stufenform.
Das Gleichungssystem ist eindeutig lösbar genau dann, wenn r = n und
cr +1 = · · · = cm = 0 gilt.
Höhere Mathematik
74
Lineare Gleichungssysteme
Gauß-Algorithmus
Bemerkungen:
Die entscheidende Zahl ist der Rang r des Gleichungssystems. Von vornherein
kennt man nur die Abschätzungen r ≤ m und r ≤ n.
Wenn r = m gilt (“voller Zeilenrang”), so ist das Gleichungssystem lösbar;
denn es gibt keine Gleichungen (Zeilen) mit lauter Null-Koeffizienten in der
reduzierten Stufenform.
Wenn r = n gilt (“voller Spaltenrang”), so existiert höchstens eine Lösung;
denn alle Komponenten xk sind durch die ersten n Gleichungen bereits
eindeutig festgelegt. Die weiteren Gleichungen (für m > n) entscheiden dann
darüber, ob dieser Vektor �x eine Lösung ist oder nicht.
Wenn r < n gilt und das Gleichungssystem lösbar ist, gibt es unendlich viele
Lösungen. Die Lösungsmenge enthält n − r freie Parameter yr +1 , . . . , yn . Sie
ist eine Gerade im Fall n − r = 1, Ebene im Fall n − r = 2, etc.
Höhere Mathematik
75
Lineare Gleichungssysteme
Alternativsatz
Der Spezialfall m = n (Anzahl der Gleichungen ist gleich der Anzahl der
Unbekannten) tritt besonders häufig auf.
3.10
Alternativsatz
Für ein lineares Gleichungssystem von n Gleichungen mit n Unbekannten sind die
folgenden Aussagen äquivalent:
Das Gleichungssystem ist für beliebige rechte Seiten eindeutig lösbar (also
universell eindeutig lösbar).
Das zugehörige homogene System hat nur die triviale Lösung �x = �0.
Das Gleichungssystem hat den Rang r = n.
Beweis: durch Kombination der Aussagen in der vorherigen Bemerkung.
Höhere Mathematik
76
Lineare Gleichungssysteme
Alternativsatz
Ein konstruktiver Beweis zur Existenz der reduzierten Stufenform wird durch die
Beschreibung des Gauß-Algorithmus angegeben:
Man führt (maximal) n Schritte zur Elimination nach folgenden Regeln durch
(erklärt anhand der Kurzform mit Zeilen und Spalten):
Im k-ten Schritt (1 ≤ k ≤ n)
k1 : betrachte die k-te Spalte ab dem Diagonalelement bk,k nach unten (also
Zeilen k ≤ i ≤ m). Stehen hier nur Nullen (incl. bk,k ), so können zwei Fälle
auftreten:
1. Fall: es gibt eine weitere Spalte mit Index k + 1 ≤ � ≤ n, die ein von Null
verschiedenes Element in mindestens einer Zeile k ≤ i ≤ m enthält. Dann
tausche die beiden Spalten und nummeriere die Unbekannten um (E4).
2. Fall: alle weiteren Spalten mit Index k + 1 ≤ � ≤ n enthalten nur Nullen in
den Zeilen k ≤ i ≤ m. Dann ist die reduzierte Stufenform erreicht und der
Algorithmus beendet.
k2 falls das (neue) Diagonalelement bk,k Null ist, dann tausche Zeile k mit einer
Zeile i unterhalb (also k + 1 ≤ i ≤ m), deren Element bi,k derselben Spalte
ungleich Null ist (E1).
Höhere Mathematik
77
Lineare Gleichungssysteme
Alternativsatz
k3 : dividiere die k-te Zeile (incl. der k-ten Komponente der rechten Seite) durch
das (neue) Diagonalelement bk,k �= 0 (E2). Dadurch entsteht das neue
Diagonalelement bk,k = 1.
k4 : subtrahiere das bi,k -fache der Zeile k von Zeile i für k + 1 ≤ i ≤ m (E3).
Dadurch entstehen Nullen unterhalb des Diagonalelements bk,k = 1.
3.11
Komplexe Gleichungssysteme
Alles gilt analog für komplexe Gleichungssysteme.
Höhere Mathematik
78
Vektoren
4
4.1
Kartesische Koordinaten in Ebene und Raum
Vektoren
Kartesische Koordinaten in Ebene und Raum
In der Ebene (mathematisch ist dies die Menge R2 ) ist ein kartesisches
Koordinatensystem festgelegt durch den Nullpunkt 0 sowie zwei Zahlengeraden
(die x- und die y -Achse), die sich senkrecht im Nullpunkt schneiden. Ein Punkt
P ∈ R2 hat als x- und y -Koordinate jeweils den Wert, der sich durch orthogonale
Projektion auf die entsprechende Achse ergibt.
Im dreidimensionalen Raum (mathematisch ist dies die Menge R3 ) ist ein
kartesisches Koordinatensystem festgelegt durch den Nullpunkt 0 sowie drei
Zahlengeraden (die x-, y - und z-Achse), die sich im Nullpunkt schneiden,
paarweise senkrecht stehen und ein Rechtssystem bilden. Ein Punkt P ∈ R3 hat
als x-, y - und z-Koordinate jeweils den Wert, der sich durch orthogonale
Projektion auf die entsprechende Achse ergibt.
Höhere Mathematik
79
Vektoren
4.2
Kartesische Koordinaten in Ebene und Raum
Definition: Vektor
Ein Vektor �a ist eine Größe, die sowohl durch den Betrag |�a| ≥ 0 (=Länge des
Vektors) als auch durch seine Richtung und den Richtungssinn festgelegt ist (z.B.
Kraft, Geschwindigkeit).
Sonderfall: Der Nullvektor �0 hat den Betrag 0, seine Richtung ist nicht definiert.
Höhere Mathematik
80
Vektoren
4.3
Addition, Multiplikation mit einem Skalar
Addition, Multiplikation mit einem Skalar
Wird der Vektor �a dargestellt durch die gerichtete Strecke von P nach Q,
und der Vektor �b durch die gerichtete Strecke von Q nach R, so ist die
Summe �a + �b der Vektor, der durch die gerichtete Strecke von P nach R
dargestellt wird. (Diagonalregel)
Ist �a ein Vektor und α > 0, so ist α�a derjenige Vektor, der dieselbe Richtung
und denselben Richtungssinn wie �a hat und dessen Betrag α|�a| ist.
Für α < 0 ist α�a = −|α|�a derjenige Vektor, der dieselbe Richtung und den
entgegengesetzten Richtungssinn wie �a hat und dessen Betrag |α| |�a| ist.
Für α = 0 ist α�a der Nullvektor.
Höhere Mathematik
81
Vektoren
Addition, Multiplikation mit einem Skalar
Es gelten die üblichen Rechengesetze: Kommutativgesetz, Assoziativgesetz,
Distributivgesetz. Hinzu kommt die Regel zur Multiplikation mit Skalaren
α, β ∈ R:
α(β�a) = (αβ)�a.
Die Summe von Vektoren erhält man durch Bilden einer “Vektorkette” und
Verbinden des ersten Anfangspunktes mit dem letzten Endpunkt.
Wir benutzen die platzsparende Schreibweise


a
(a, b, c)� :=  b 
c
Höhere Mathematik
82
Vektoren
4.4
Vektoren im kartesischen Koordinatensystem
Vektoren im kartesischen Koordinatensystem
In einem kartesischen Koordinatensystem wird jedem Vektor �a ein fester
Ortsvektor mit dem Anfangspunkt 0 zugeordnet. Ist A = (a1 , a2 , a3 )� der
Endpunkt dieses Ortsvektors, so nennt man (a1 , a2 , a3 )� den Koordinatenvektor
von �a und schreibt �a = (a1 , a2 , a3 )�.
Die gewählten Koordinatenachsen definieren die Einheitsvektoren
�e1 = (1, 0, 0)�,
�e2 = (0, 1, 0)�,
�e3 = (0, 0, 1)�
mit Anfangspunkt 0 und Endpunkt bei der Längeneinheit auf der jeweiligen
Koordinatenachse. Die “Kurzschreibweise” �a = (a1 , a2 , a3 ) wird
mathematisch ausgedrückt durch die Vektorsumme
�a = a1�e1 + a2�e2 + a3�e3 .
Summe und Multiplikation mit Skalaren:
�a = (a1 , a2 , a3 )�, �b = (b1 , b2 , b3 )� α ∈ R =⇒
�a + �b = (a1 + b1 , a2 + b2 , a3 + b3 )�, α�a = (αa1 , αa2 , αa3 )�
Höhere Mathematik
83
Vektoren
Vektoren im kartesischen Koordinatensystem
Ebenso einfach ergibt sich der√Betrag: �
�a = (a1 , a2 , a3 )� =⇒ |�a| = �a · �a = a12 + a22 + a32 .
Es gilt die Betragsformel |α�a| = |α| |�a|, sowie
α�a = �0
⇐⇒
α = 0 ∨ �a = �0.
�
�
|�
�a + b| ≤� |�a| + |b|
�
�
�|�a| − |�b|� ≤ |�a − �b|
(1. Dreiecksungleichung)
(2. Dreiecksungleichung)
Vektoren der Länge |�a| = 1 heißen Einheitsvektoren. Zu beliebigem �a �= �0
erhält man durch “Normierung” den Einheitsvektor �b = |�1a| �a.
�b
�a
�a − �b
�a
�a + �b
�b
0
Höhere Mathematik
0
�b
�
�
�
�
�|�a| − |�b|�
84
Vektoren
4.5
Winkel und Skalarprodukt
Winkel und Skalarprodukt
Stellen wir beide Vektoren �a, �b �= �0 mit dem gemeinsamen Anfangspunkt P dar, so
ist
0 ≤ ∠(�a, �b) ≤ π
der hierdurch definierte Winkel im Punkt P. Mit
�a · �b := |a| |b| cos ∠(�a, �b)
wird das Skalarprodukt der Vektoren �a und �b definiert. Zusätzlich setzen wir
�0 · �a = �a · �0 = 0.
Höhere Mathematik
85
Vektoren
4.6
Berechnungsformel für das Skalarprodukt mit Koordinatenvektoren
Berechnungsformel für das Skalarprodukt mit Koordinatenvektoren
�a = (a1 , a2 , a3 )�, �b = (b1 , b2 , b3 )� =⇒ �a · �b = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 .
Kommutativgesetz und Distributivgesetz(e)
�a · �b = �b · �a,
�a · (�b + �c ) = �a · �b + �a · �c ,
(�a + �b) · �c = �a · �c + �b · �c .
Assoziativität bezüglich der Multiplikation mit Skalaren
(α�a) · �b = α(�a · �b) = �a · (α�b),
Aber Vorsicht: (�a · �b)�c ist ein skalares Vielfaches des Vektors �c , während
(�b · �c )�a ein skalares Vielfaches des Vektors �a, also im Allgemeinen verschieden
davon ist.
Höhere Mathematik
86
Vektoren
Berechnungsformel für das Skalarprodukt mit Koordinatenvektoren
√
Es gilt |a| = �a · �a, und
|�a · �b| ≤ |�a| |�b|
(Cauchy-Schwarz-Ungleichung)
Das Gleichheitszeichen gilt genau dann, wenn die Vektoren kollinear sind,
also einer der beiden Vektoren ein Vielfaches des anderen ist; d.h. wenn eine
Zahl α ∈ R existiert mit
�b = α�a
∨
�a = α�b.
Aufgrund der Orthogonalität der Koordinatenachsen gilt
�
1 für i = j
�ei · �ej =
0 für i �= j.
Die Dreiecksungleichung in 4.4 folgt direkt aus der
Cauchy-Schwarz-Ungleichung:
|�a + �b|2
Höhere Mathematik
=
=
=
(�a + �b) · (�a + �b) = �a · �a + �a · �b + �b · �a + �b · �b
|�a|2 + 2(�a · �b) + |�b|2 ≤ |�a|2 + 2|�a| |�b| + |�b|2
(|�a| + |�b|)2 .
87
Vektoren
4.7
Orthogonalität von Vektoren
Orthogonalität von Vektoren
Zwei Vektoren �a, �b �= �0 sind zueinander orthogonal, wenn
π
∠(�a, �b) =
2
gilt. Der Nullvektor �0 ist per Definition orthogonal zu jedem Vektor �a. Damit sind
äquivalent:
�a und �b orthogonal ⇐⇒ �a · �b = 0.
4.8
Beispiel
Die Diagonalen eines Parallelogramms sind genau dann zueinander orthogonal,
wenn alle vier Seiten die gleiche Länge haben.
Höhere Mathematik
88
Vektoren
Satz des Pythagoras, Parallelogrammgesetz
Die Distributivgesetze ergeben zwei wichtige Rechenregeln:
4.9
Satz des Pythagoras, Parallelogrammgesetz
a) Für Vektoren �a, �b ∈ Rn mit �a ⊥ �b gilt
|�a + �b|2 = |�a|2 + |�b|2 .
b) Für alle Vektoren �a, �b ∈ Rn gilt
�
�
1
2
2
�a · �b =
|�a + �b| − |�a − �b| .
4
Höhere Mathematik
89
Vektoren
Satz des Pythagoras, Parallelogrammgesetz
Bemerkungen:
Die “algebraische” Berechnung des Skalarprodukts dient oft der
Winkelberechnung:
Der Bruch
�b
�
a
·
a1 b 1 + a2 b2 + a3 b3
�
cos ∠(�a, �b) =
=� 2
.
2
2
2
2
2
�
a1 + a2 + a3 b1 + b2 + b3
|�a| |b|
�a·�
b
|�a| |�
b|
liegt im Intervall [−1, 1] (siehe Cauchy-Schwarz-Ungl. in 4.6
oder 1.20). Daher ist der Winkel 0 ≤ ∠(�a, �b) ≤ π eindeutig bestimmt.
Die Cauchy-Schwarz-Ungleichung |�a · �b| ≤ |�a| |�b| in 4.6 lautet in
Koordinatenschreibweise genau wie in 1.20. Die geometrische Definition in 4.5
liefert sogar die genaue Charakterisierung, wann das Gleichheitszeichen gilt.
Höhere Mathematik
90
Vektoren
Definition: Vektorprodukt
Zwei weitere Produkte für Vektoren werden definiert.
Für Vektoren �a, �b ∈ R3 \ {�0} möchte man das Vektorprodukt �a × �b als denjenigen
Vektor im R3 definieren, dessen Betrag
|�a × �b| = |�a| |�b| sin ∠(�a, �b)
ist, dessen Richtung senkrecht zu der von �a und �b aufgespannten Ebene ist und
dessen Richtungssinn so gewählt ist, dass �a, �b,�a × �b ein Rechtssystem bilden.
Zusätzlich setzt man �a × �0 = �0 × �a = �0.
4.10
Definition: Vektorprodukt
Dieses kann man (eindeutig) durch folgende Bedingungen festlegen:
1
Stets sei �a × �b = −�b × �a
2
3
�e1 × �e2 = �e3 , �e2 × �e3 = �e1 und �e3 × �e1 = �e2
Es gelten Distributiv- and Assoziativgesetze analog zu 4.6
Höhere Mathematik
91
Vektoren
Definition: Vektorprodukt
Bemerkungen:
Es ist �a × �a = �0
Für �a = (a1 , a2 , a3 )� und �b = (b1 , b2 , b3 )� erhält man
�a × �b = (a2 b3 − a3 b2 , a3 b1 − a1 b3 , a1 b2 − a2 b1 )�
Einfaches Nachrechnen ergibt
|�a × �b|2 + (�a · �b)2 = |�a|2 |�b|2 ⇒ |�a × �b| = |�a| · |�b| · sin α
Der Betrag |�a×�b| ist der Flächeninhalt
des Parallelogramms mit den Seiten
�a und �b, und die Richtung ist senkrecht (orthogonal) zu diesem Paralle� = �a × �b erfüllt
logramm; der Vektor w
also die Orthogonalitätsbedingungen
� ⊥ �a,
w
Höhere Mathematik
h
�b
α
�a
� ⊥ �b.
w
92
Vektoren
�
� �e1
�
�
Merkregel von Sarrus �a × b = �� �e2
� �e3
oder für �c = �a × �b mit
a1
b1
a2
b2
a3
a1
a2
Höhere Mathematik
b3
b1
b2
a1
a2
a3
�
b1 ��
b2 ��
b3 �
Definition: Vektorprodukt
c1 = a 2 b 3 − a 3 b 2
c2 = a 3 b 1 − a 1 b 3
c3 = a 1 b 2 − a 2 b 1
93
Vektoren
4.11
Definition: Spatprodukt
Definition: Spatprodukt
Für Vektoren �a, �b, �c ∈ R3 definiert man das Spatprodukt �a · (�b × �c ).
Dies ist ein Skalar, dessen Absolutbetrag das Volumen des von den drei Vektoren
�a, �b, �c aufgespannten Spates (auch Parallelepiped genannt) angibt.
Höhere Mathematik
94
Geraden und Ebenen
Parameterdarstellung von Geraden
Kap. 5: Geraden und Ebenen
Wir behandeln zunächst Geraden im R2 und R3 . Sei also n = 2 oder 3.
5.1
Parameterdarstellung von Geraden
Die Gerade durch den Punkt �p ∈ Rn mit dem Richtungsvektor �v ∈ Rn , v �= �0, ist
gegeben durch die Menge
G = {�x ∈ Rn | �x = �p + t�v , t ∈ R}.
Das Skalar t zum Punkt �x = �x (t) = �p + t�v ∈ G heißt der Parameterwert von �x .
Um die Parameterdarstellung der Geraden G durch die Punkte �p und �q (mit
�p �= �q ) zu bestimmen, berechnet man den Richtungsvektor �v = �q − �p .
Höhere Mathematik
95
Geraden und Ebenen
5.2
Lot auf eine Gerade, Abstand Punkt-Gerade
Lot auf eine Gerade, Abstand Punkt-Gerade
Die Gerade G ⊆ Rn sei gegeben durch ihre Parameterdarstellung �x (t) = �p + t�v ,
t ∈ R (beachte �v �= �0).
Zu einem weiteren Punkt �q ∈ Rn gibt es genau einen Punkt �x (t0 ) ∈ G , so dass
�q − �x (t0 ) ⊥ �v
gilt. Dieser Punkt �x (t0 ) heißt der Fußpunkt des Lots von �q auf die Gerade G .
Weiter gilt: |�q − �x (t0 )| ist der Abstand des Punktes �q von G , d.h.
dist (�q , G ) = |�q − �x (t0 )| < |�q − �x (t)|
für alle
t �= t0
�x (t0 )
�d
�p
G
�v
�q
�0
Höhere Mathematik
96
Geraden und Ebenen
Beispiel
5.3 Beispiel:
Gerade G durch die Punkte (5, 1, −1)� und (3, −3, 3)�; Lot vom Punkt
�q = (0, 0, 0)� auf G (ergibt den Abstand von G zum Nullpunkt)
Höhere Mathematik
97
Geraden und Ebenen
Normalenform, Hesse-Normalform
Spezielle Darstellung von Geraden im R2
5.4
Normalenform, Hesse-Normalform
Zu gegebenen Zahlen a, b, c ∈ R mit (a, b) �= (0, 0) definiert die Menge
�
�
a
G = {(x, y ) ∈ R2 | ax + by = c} = {�x ∈ R2 | �x ·
= c}
b
eine Gerade; der Vektor (a, b)� steht senkrecht auf jedem Richtungsvektor �v von
G und heißt Normalenvektor von G .
Für |(a, b)�| = 1 und c ≥ 0 heißt die gegebene Form die Hesse-Normalform von
G . Die Zahl c ist dabei der Abstand von G zum Nullpunkt des R2 . Der
Normalen-Einheitsvektor (a, b)� steht senkrecht auf G und zeigt vom Nullpunkt
weg.
G2
�0
�n
Höhere Mathematik
G1
G1 : �x · �n = c, G2 : �x · �n = d
Für |�n| = 1 sind dann c und d die Abstände der
Geraden vom Ursprung, |c − d| ist der Abstand
der Geraden.
98
Geraden und Ebenen
Beispiel
Die Hesse-Normalform wird bei Abstandsberechnungen eingesetzt:
5.5 Beispiel:
Die Gerade G ⊆ R2 durch die Punkte �p = (4, −1) und �q = (3, 1)
Höhere Mathematik
99
Geraden und Ebenen
Parameterdarstellung von Ebenen
Ebenen im R3
5.6
Parameterdarstellung von Ebenen
Die Ebene durch den Punkt �p ∈ R3 mit den nicht-kollinearen Richtungsvektoren
�v , w
� ∈ R3 ist gegeben durch die Menge
� , s, t ∈ R}.
E = {�x ∈ R3 | �x = �p + s�v + t w
� ∈ E heißt das
Das Paar (s, t) zum Punkt �x = �x (s, t) = �p + s�v + t w
Parameterpaar zum Punkt �x .
Um die Parameterdarstellung der Ebene E durch drei Punkte �p , �q und �r zu
bestimmen, die nicht alle auf einer Geraden liegen, berechnet man die
� = �r − �p . Diese sind dann nicht-kollinear.
Richtungsvektoren �v = �q − �p und w
� ∈ R3 sind genau dann nicht-kollinear, wenn
Die Richtungsvektoren �v , w
�n := �v × w
� �= �0 gilt. �n ist Normalenvektor der Ebene (d.h. �n steht senkrecht
auf E ).
Höhere Mathematik
100
Normalenform, Hesse-Normalform von Ebenen im R3
Geraden und Ebenen
5.7
Normalenform, Hesse-Normalform von Ebenen im R3
Zu Zahlen a, b, c, d ∈ R mit �n� = (a, b, c)� �= (0, 0, 0)� definiert die Menge
E = {(x, y , z)� ∈ R3 | ax + by + cz = d} = {�x | �x · �n = d}
eine Ebene; der Vektor (a, b, c)� steht senkrecht auf allen Richtungsvektoren �v
von E und heißt Normalenvektor von E .
Für |�n| = 1 und d ≥ 0 heißt die gegebene Form die Hesse-Normalform von E . Die
Zahl d ist dabei der Abstand von E zum Nullpunkt des R3 . Der
Normalen-Einheitsvektor �n steht senkrecht auf E und zeigt vom Nullpunkt weg.
Sei |�n| = 1.
�n
Höhere Mathematik
E1 : �x · �n = d1 ,
E2
E1
E2 : �x · �n = d2
Dann ist der Abstand der Ebene
Ei zum Ursprung gerade |di |. Der
Abstand der Ebenen ist |d1 − d2 |.
101
Geraden und Ebenen
Normalenform, Hesse-Normalform von Ebenen im R3
Die Umwandlung von der Parameterdarstellung in die Hesse-Normalform
erfolgt so:
� (beachte �n �= �0) und
Mit dem Normalenvektor �n = (a, b, c)� = �v × w
d := �p · �n ergibt sich die Normalenform �x · �n = ax + by + cz = d.
Falls d < 0, ersetze �n durch −�n (und d durch −d).
Für die Hesse-Normalform ersetzt man �n durch
1
�n.
|�n|
Die Umwandlung der Hesse-Normalform in die Parameterform erfolgt durch
Bestimmung dreier Punkte �p , �q ,�r ∈ E (Einsetzen von x-, y - und z-Werten),
die nicht auf einer Geraden liegen.
Alternativ bestimmt man einen Punkt �p und bestimmt zwei nicht kollineare
Richtungsvektoren, die beide auf �n senkrecht stehen.
Höhere Mathematik
102
Geraden und Ebenen
5.8
Lot auf eine Ebene, Abstand Punkt-Ebene
Lot auf eine Ebene, Abstand Punkt-Ebene
Die Ebene E ⊆ R3 sei gegeben durch ihre Parameterdarstellung
�x (s, t) = �p + s�v + t w
� , s, t ∈ R. (beachte: �v × w
� �= �0).
Zu einem weiteren Punkt �q ∈ R3 gibt es genau einen Punkt �x (s0 , t0 ) ∈ E , so dass
(�q − �x (s0 , t0 )) ⊥ �v
∧
�
(�q − �x (s0 , t0 )) ⊥ w
gilt. Dieser Punkt �x (s0 , t0 ) heißt der Fußpunkt des Lots von �q auf die Ebene E .
Weiter gilt: |�q − �x (s0 , t0 )| ist der Abstand des Punktes �q von E , d.h.
dist (�q , E ) = |�q − �x (s0 , t0 )| < |�q − �x (s, t)|
für alle
(s, t) �= (s0 , t0 ).
�n
�
w
E
�x0 (s, t)
�v
�0
�p
Höhere Mathematik
�q
103
Geraden und Ebenen
5.9
Definition: windschief
Definition: windschief
Zwei Geraden G1 und G2 im R3 heißen windschief, wenn sie sich weder schneiden
noch parallel sind.
Die Geraden seien in Parameterform gegeben:
G1 : �x (t) = �p + t�v ,
�,
G2 : �x (u) = �q + u w
t ∈ R,
u ∈ R.
Dann erfolgt die Berechnung des Abstands durch
� zwischen beiden Geraden
Bestimmung der Lot-Richtung �n = �v × w
Bestimmung des Lot-Fußpunkts auf G2 : Schnittpunkt von G2 mit der Ebene
durch �p mit den Richtungsvektoren �v und �n.
Bestimmung des Lot-Fußpunkts auf G1 : Schnittpunkt von G1 mit der Ebene
� und �n.
durch �q mit den Richtungsvektoren w
Höhere Mathematik
104
Geraden und Ebenen
Definition: windschief
Die Schnittmenge zweier Ebenen E1 und E2 ist häufig eine Gerade im R3 . Ihre
Parameterdarstellung erhält man, indem man die Parameterdarstellung der einen
Ebene in die Normalenform der anderen Ebene “einsetzt” und damit einen der
Parameter eliminiert.
Höhere Mathematik
105
Vektorräume
Definition: Vektorraum
Kap. 6: Vektorräume
Als Verallgemeinerung des R2 und R3 betrachten wir allgemeine Vektorräume und
Skalarprodukte.
Da die Vektoren in allgemeinen Vektorräumen nicht mehr nur Zahlentupel sein
müssen, schreiben wir sie ohne den Vektorpfeil.
6.1
Definition: Vektorraum
Eine nichtleere Menge V , auf der eine Addition
v +w ∈V
für alle
v, w ∈ V
sowie eine Multiplikation mit Skalaren
αv ∈ V
für alle
v ∈ V, α ∈ R
(bzw. α ∈ C),
definiert ist, heißt reeller (bzw. komplexer) Vektorraum, wenn die folgenden
Gesetze erfüllt sind:
Höhere Mathematik
106
Vektorräume
Definition: Vektorraum
Für alle u, v , w ∈ V und α, β ∈ R bzw. C gelte
(a) u + v = v + u (Kommutativgesetz)
(b) (u + v ) + w = u + (v + w ) (Assoziativgesetz)
(c) Es gibt einen Nullvektor 0 mit der Eigenschaft u + 0 = 0 + u = u für alle
u∈V
(d) Zu jedem Vektor u gibt es einen Vektor −u mit der Eigenschaft
u + (−u) = (−u) + u = 0.
(e) (α + β)u = αu + βu
α(u + v ) = αu + αv (Distributivgesetze)
(f) (αβ)u = α(βu) 1u = u
Höhere Mathematik
107
Satz: Rn und Cn
Vektorräume
6.2
Satz: Rn und Cn
Der n-dimensionale euklidische Raum ist die Menge aller n-Tupel reeller Zahlen
Rn = R × R × · · · × R = {(x1 , . . . , xn ) | x1 , . . . , xn ∈ R}.
Ein Element �x = (x1 , . . . , xn )� ∈ Rn heißt ein Vektor, und für 1 ≤ k ≤ n heißt xk
die k-te Koordinate oder Komponente von �x .
Der Vektor �0 = (0, . . . , 0) heißt Nullvektor.
In einem kartesischen Koordinatensystem aus n paarweise senkrechten
Koordinatenachsen definiert der Vektor �x ∈ Rn mit Anfangspunkt (0, . . . , 0)
(=Koordinatenursprung) und Endpunkt P = (x1 , . . . , xn ) den Ortsvektor von P.
Analog wird Cn definiert.
Summe und Multiplikation mit Skalaren wird definiert durch
(x1 , . . . , xn ) + (y1 , . . . , yn ) = (x1 + y1 , . . . , xn + yn )
α(x1 , . . . , xn ) = (αx1 , . . . , αxn )
Wichtigste Beispiele
Rn ist ein reeller und Cn ein komplexer Vektorraum.
Höhere Mathematik
108
Vektorräume
6.3
Unterraum
Unterraum
Eine Teilmenge U eines Vektorraums V heißt Unterraum, wenn U mit den
Verknüpfungen von V selbst ein Vektorraum ist.
Dazu reicht es aus, dass mit u und v stets αu und u + v wieder in U sind.
6.4
Definition: Skalarprodukt
Sei V ein Vektorraum. Ein reelles (komplexes) Skalarprodukt auf V ist eine
Abbildung
�., .� : V × V → R (C)
mit den Eigenschaften
(a) �v , v � ≥ 0 und �v , v � = 0 ⇐⇒ v = 0
(b) �αv + βu, w � = α�v , w � + β�u, w �
(c) �u, v � = �v , u�
(�u, v � = �v , u�)
Definitheit
Linearität im ersten Faktor
Symmetrie (Hermitizität)
Ein Vektorraum mit Skalarprodukt heißt Skalarproduktraum.
Aus (b) und (c) folgt unmittelbar
�u, αv + βw � = α�u, v � + β�u, w �
Im reellen Fall tritt die Konjugation natürlich nicht auf.
Höhere Mathematik
109
Skalarprodukt im Rn und Cn
Vektorräume
6.5
Skalarprodukt im Rn und Cn
Für Vektoren �x = (x1 , . . . , xn ) und �y = (y1 , . . . , yn ) des Rn (Cn ) wird das
Skalarprodukt auch mit dem Punkt geschrieben, und ist definiert als
�x · �y = ��x , �y � = x1 y1 + . . . + xn yn
6.6
(�x · �y = ��x , �y � = x1 y1 + . . . + xn yn )
Cauchy-Schwarzsche Ungleichung
Ist V ein Skalarproduktraum, so gilt
�
�
|�u, v �| ≤ �u, u� �v , v �
Höhere Mathematik
110
Vektorräume
6.7
Definition: Norm
Definition: Norm
Eine Norm �.� auf einem Vektorraum V ist eine Abbildung von V in die reellen
Zahlen mit den Eigenschaften
(a) �v � ≥ 0 und �v � = 0 ⇐⇒ v = 0
(b) �αv � = |α| �v �
(c) �u + v � ≤ �u� + �v �
Definitheit
Homogenität
Dreiecksungleichung
Satz
Ist �., � ein Skalarprodukt auf einem Vektorraum V , so ist durch �v � =
eine Norm definiert.
Höhere Mathematik
�
�v , v �
111
Vektorräume
6.8
Definition: Winkel
Definition: Winkel
Der Winkel α = ∠(�x , �y ) ∈ [0, π] zwischen Vektoren �x , �y ∈ Rn \ {�0} wird definiert
durch die Festlegung
�x · �y
cos α =
.
|�x | |�y |
Ist α = π/2, so heißen �x und �y orthogonal, und wir schreiben �x ⊥ �y .
Beachte: Nach der Cauchy-Schwarz Ungleichung gilt
�x · �y
−1 ≤
≤ 1,
|�x | |�y |
also ist der Winkel α ∈ [0, π] eindeutig bestimmt.
Höhere Mathematik
112
Vektorräume
Definition: Linearkombination, Aufspann
Bemerkung: Ob im folgenden die Skalare α, β, . . . ∈ R oder α, β, . . . ∈ C gewählt
werden, hängt davon ab, ob wir einen reellen oder einen komplexen Vektorraum
betrachten.
6.9
Definition: Linearkombination, Aufspann
Sei V ein reeller oder komplexer Vektorraum.
a) Ein Vektor x = α1 v1 + · · · + αk vk ∈ V mit Skalaren α1 , . . . , αk (aus R bzw.
C) heißt eine Linearkombination der Vektoren v1 , . . . , vk .
b) Die Menge aller Linearkombinationen
Span (v1 , . . . , vk ) :=
�
x=
k
�
j=1
αj vj | α1 , . . . , αk Skalare
�
heißt der Spann oder Aufspann der Vektoren v1 , . . . , vk (oder der von
v1 , . . . , vk aufgespannte Unter-Vektorraum von V ).
Höhere Mathematik
113
Vektorräume
6.10
Definition: Basis
Definition: Basis
Die Vektoren v1 , . . . , vn heißen eine Basis von V , wenn jeder Vektor x ∈ V eine
eindeutige Darstellung
x = α 1 v1 + · · · + α n v n
besitzt. Dann heißt


α1
 
a =  ...  ∈ Rn
(Cn )
αn
der Koordinatenvektor von x zur Basis v1 , . . . , vn .
Höhere Mathematik
114
Basen im Rn und Cn
Vektorräume
Wichtiges Beispiel: Basen des Rn bzw. Cn
6.11
Basen im Rn und Cn
Die Vektoren �v1 , . . . , �vn ∈ Rn (bzw. Cn ) bilden genau dann eine Basis von Rn
(bzw. Cn ), wenn für jeden Vektor �x das Gleichungssystem
λ1�v1 + · · · + λn�vn = �x
eine eindeutige Lösung hat.
In diesem Fall ist der Koordinatenvektor von �x ∈ Rn (bzw. Cn ) gegeben durch
�a = (λ1 , . . . , λn )�.
Wir sehen also, dass jede Basis von Rn (bzw. Cn ) aus genau n Vektoren
besteht.
Höhere Mathematik
115
Vektorräume
6.12
Definition und Satz Dimension
Definition und Satz Dimension
Hat der Vektorraum V eine Basis aus n Vektoren v1 , . . . , vn ∈ V , so besteht jede
andere Basis von V ebenfalls aus n Vektoren.
Die Zahl n heißt dann die Dimension von V , geschrieben dim V = n.
Besitzt der Vektorraum V keine endliche Basis, so heißt V
unendlich-dimensional, geschrieben dim V = ∞.
Höhere Mathematik
116
Vektorräume
Satz: Dimensionsformel
Definition: Kern
Die Lösungsmenge eines homogenen linearen Gleichungssystems wird mit Kern
bezeichnet.
6.13
Satz: Dimensionsformel
Für ein lineares homogenes Gleichungssystem mit m Gleichungen und n Variablen
gelte Rang A = r . Dann ist die Lösungsmenge des LGS ein Unter-Vektorraum des
Rn mit der Dimension n − r , d.h.
dim(Kern A) = n − Rang A
Höhere Mathematik
(Dimensionsformel)
117
Vektorräume
Satz: Dimensionsformel
Beweis: Wir verwenden die spezielle reduzierte Stufenform des homogenen LGS
y1
1
0
.
..
0
0
0
..
.
0
y2
0
1
..
.
···
···
···
···
y3
···
0
..
.
0
0
···
···
···
..
.
1
0
···
···
yr
0
0
..
.
0
1
0
..
.
0
yr +1
b1,r +1
b2,r +1
..
.
br −1,r +1
br ,r +1
0
..
.
0
···
···
···
···
···
···
···
yn
b1,n
b2,n
..
.
br −1,n
br ,n
0
..
.
0
r.S.
0
0
..
.
0
0
0
..
.
0



m − r Gl.
Dabei ist (y1 , . . . , yn ) eine Umnummerierung der Komponenten des Vektors (x1 , . . . , xn ), je nach
durchgeführten Spaltenvertauschungen.
Falls r = n ist, so ist die Lösungsmenge der Nullraum Kern A = {�0}.
Falls r < n ist, so erhält man eine Basis von Kern A durch Einsetzen von Nullen und jeweils einer
1 für die freien Variablen yr +1 , . . . , yn :
Höhere Mathematik
118
Vektorräume
Satz: Dimensionsformel


−b1,r +1


..


.




−br ,r +1 


 1 
�1 = 
w
,
 0 


 0 


..




.
0


−b1,r +2


..


.




−br ,r +2 


 0 
�2 = 
w
,
 1 


 0 


..




.
0

...,
� n−r
w

−b1,n
 . 
 . 
 . 


−br ,n 


 0 
=
.
 0 


 .. 
 . 


 0 
1
Die Basis der Vektoren �vj ∈ Rn von Kern A ergibt sich dann durch Umnummerierung
�j, 1 ≤ j ≤ n − r.
(Zeilentausch) der Komponenten der Vektoren w
Höhere Mathematik
119
Vektorräume
6.14
Definition: lineare Abhängigkeit
Definition: lineare Abhängigkeit
Die Elemente v1 , . . . , vk ∈ V eines Vektorraums V heißen linear abhängig, wenn
es eine Linearkombination
k
�
αj vj = �0
j=1
mit |α1 | + · · · + |αk | =
� 0 gibt (das ist eine Linearkombination, in der nicht alle
Skalare Null sind).
Andernfalls heißen die Elemente v1 , . . . , vk ∈ V linear unabhängig.
Höhere Mathematik
120
Vektorräume
Existenz von Basen
Die folgenden allgemeinen Aussagen helfen beim Umgang mit Vektorräumen und
Unter-Vektorräumen.
6.15
Existenz von Basen
Jeder Vektorraum besitzt eine Basis.
Jede Familie v1 , . . . , vk ∈ V von linear unabhängigen Vektoren lässt sich zu
einer Basis von V ergänzen.
Höhere Mathematik
121
Vektorräume
6.16
Beispiel: Polynome Pn
Beispiel: Polynome Pn
Der Vektorraum Pn der Polynome vom Grad ≤ n mit komplexen Koeffizienten ist
ein komplexer Vektorraum der Dimension n + 1.
a) Die Basis der Monome ist
m0 (x) = 1, m1 (x) = x, . . . , mn (x) = x n ,
�
und der Koeffizientenvektor von p(x) = nk=0 ak x k ist (a0 , . . . , an )� ∈ Cn+1 .
Höhere Mathematik
122
Vektorräume
6.17
Der Vektorraum der reellen Funktionen
Der Vektorraum der reellen Funktionen
Der Vektorraum V = {f | f : R → R ist eine Funktion} ist unendlich-dimensional.
Höhere Mathematik
123
Vektorräume
Orthonormalsysteme und -basen
In Vektorräumen mit Skalarprodukt sind Basen mit einer Orthogonalitätsrelation
besonders interessant:
6.18
Orthonormalsysteme und -basen
Die Vektoren v1 bis vn bilden eine Orthonormalsystem (ONS), wenn gilt
Für i �= j ist �vi , vj � = 0
�
Stets ist �vi � = �vi , vi � = 1.
�
1
i =j
Mit dem Kroneckersymbol δij =
schreibt sich das als �vi , vj � = δij .
0
i �= j
Eine Orthonormalbasis (ONB) ist eine Basis, die eine ONS ist.
Die Vektoren eines ONS stehen also paarweise senkrecht aufeinander und haben
die Länge 1.
Höhere Mathematik
124
Vektorräume
Gram-Schmidt Orthogonalisierung
Aus linear unabhängigen Vektoren u1 , . . . , uk ∈ V erhält man mit dem folgenden
Algorithmus eine Orthonormalbasis
w1 , . . . , wk
6.19
von
Span(u1 , . . . , uk )
Gram-Schmidt Orthogonalisierung
1. Setze v1 = u1
(Initialisierung)
2. Für � = 2, 3, . . . , k setze
(Iteration)
�u� , v1 �
�u� , v�−1 �
v� = u � −
v1 − · · · −
v�−1
�v1 , v1 �
�v�−1 , v�−1 �
3. Für � = 1, 2, . . . , k setze
(Normierung)
1
w� =
v�
�v� �
Höhere Mathematik
125
Vektorräume
Besonderheiten bei ONS und ONB
Der Hauptvorteil bei ONB liegt daran, dass man Koeffizienten in
Linearkombinationen berechnen kann, ohne ein Gleichungssystem zu lösen.
6.20
Besonderheiten bei ONS und ONB
Die Elemente eines ONS sind stets linear unabhängig.
Sei v1 , . . . , vk eine ONB, w = α1 v1 + · · · + αk vk .
Dann ist αj = �w , vj �.
Ist v1 , . . . , vk eine �
ONB und w = α1 v1 + · · · + αk vk .
k
Dann ist �w �2 = j=1 |αj |2 .
Höhere Mathematik
126
Matrizen
7.1
Matrizen
Matrizen
Die Kurzschreibweise von LGS führt zum Begriff der Matrix.
7.1
Matrizen
Eine (m, n)-Matrix ist ein mn-Tupel von Zahlen, die zu einem rechteckigen
Schema aus m Zeilen und n Spalten angeordnet sind:


a1,1 a1,2 · · · a1,n
 a2,1 a2,2 · · · a2,n 


A= .
= (ai,k ) i=1,...,m
.
.
..
.. 
 ..

k=1,...,n
am,1
am,2
···
am,n
Die ai,k heißen die Koeffizienten (oder Einträge) der Matrix A.
0 :=

0
.
.
.
0
Höhere Mathematik
0
.
.
.
0
···
···

0
.
.
Nullmatrix
.
0 m×n
1


0
En := 
.
.
.
0
1
···
..
.
..
..
0
.
···
0
.
0
.
.
.

Einheitsmatrix


0
1 n×n
127
Matrizen
Matrizen - Addition und Skalarmultiplikation
Spaltenvektoren können als Matrizen mit einer Spalte, Zeilenvektoren als Matrizen
mit einer Zeile betrachtet werden.
7.2
Matrizen - Addition und Skalarmultiplikation
Die Menge aller (m, n)-Matrizen mit reellen Koeffizienten wird mit Mat(m, n)
oder Rm×n bzw. Cm×n bezeichnet. Diese Menge ist ein Vektorraum mit den
Operationen
(ai,k )m×n + (bi,k )m×n = (ai,k + bi,k )m×n ,
α(ai,k )m×n = (αai,k )m×n
Man kann nur Matrizen gleicher Dimensionen addieren.
Die Nullmatrix (0)m×n ist das neutrale Element der Addition.
Für Matrizen A, B ∈ Mat(m, n) bedeutet A = B, dass ai,k = bi,k für alle
1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ k ≤ n gilt.
Höhere Mathematik
128
Matrizen
Produkte von Matrizen und Vektoren
Wir schreiben eine Matrix A ∈ Mat(m, n) häufig mit Hilfe ihrer Spaltenvektoren


a1,k


�ak =  ...  .
A = (�a1 , . . . ,�an ),
am,k
7.3
Produkte von Matrizen und Vektoren
Die Matrix A ∈ Mat(m, n) habe die Spalten �a1 bis �an . Das Produkt von A
wird mit dem Vektor �x = (x1 , . . . , xn )� ist die Linearkombination der �ai mit
den xi als Koeffizienten, also
A�x = x1�a1 + · · · + xn�an .
Hat die Matrix B ∈ Mat(n, p) die Spalten �b1 bis �bp , so hat das
Matrizenprodukt AB die Spalten A�b1 bis A�bp .
Für die einzelnen Einträge bedeutet dies:
Höhere Mathematik
129
Matrizen
7.4
Matrizenprodukt
Matrizenprodukt
Es seien m, n, p ∈ N sowie A = (ai,k )m×n ∈ Mat(m, n) und
B = (bk,j )n×p ∈ Mat(n, p).
Dann ist das Matrixprodukt C := AB ∈ Mat(m, p) definiert mit den Komponenten
ci,j =
n
�
ai,k bk,j
“Zeile i mal Spalte j”
k=1
B
→
∗
b1,j
∗
∗
b2,j
∗
∗
b3,j
∗
..
.
∗
ai,1
∗
ai,2
∗
ai,3
∗
∗
∗
Höhere Mathematik
A
···
···
···
..
.
..
.
ci,j
C = AB
130
Matrizen
Matrizenprodukt
Bemerkung: Die Merkregel “Zeile mal Spalte” ergibt:
Die i-te Zeile des Produkts AB hängt nur von der i-ten Zeile von A ab.
Insbesondere gilt:
Ist in (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) die 1 an der i-ten Stelle, so ergibt
(0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0)B die i-te Zeile von B
A�ej ergibt die j-te Spalte von A.
Mit den obigen Beobachtungen ergibt sich: Die Einheitsmatrizen sind die
neutralen Elemente des Matrixprodukts, d.h. für A ∈ Mat(m, n) gilt
Em A = AEn = A.
Höhere Mathematik
131
Matrizen
7.5
Rechenregeln
Rechenregeln
Gegeben seien Matrizen A, B, C so, dass die entsprechenden Produkte definiert
sind.
a) Es gelten das Assoziativ- und das Distributiv-Gesetz:
A(BC ) = (AB)C ,
(A + B)C = AC + BC ,
A(B + C ) = AB + AC .
b) Das Matrixprodukt ist nicht kommutativ.
Bemerkung: zu (b):
Wenn A ∈ Mat(m, n) und B ∈ Mat(n, p), so ist AB definiert, jedoch ist BA
nur im Fall p = m definiert.
Selbst wenn beide Produkte AB und BA definiert sind, so sind die Matrizen
oft verschieden.
Höhere Mathematik
132
Matrizen
7.6
Bemerkung zum Matrixprodukt
Bemerkung zum Matrixprodukt
Das Produkt mit der Nullmatrix ergibt die Nullmatrix. Aber: Aus
AB = (0)m×p folgt nicht, dass A oder B eine Nullmatrix ist.
Ebenso gilt im allgemeinen nicht die Kürzungsregel: aus AB = AC folgt i.a.
nicht die Gleichheit von B und C . Hierzu muss A eine Zusatzbedingung
erfüllen (siehe invertierbare Matrizen, reguläre Matrizen).
Wenn man das Produkt eines Vektors mit einer Zahl als Matrizenprodukt
auffassen will, muss die Zahl rechts vom Vektor stehen.
Höhere Mathematik
133
Matrizen
7.7
Matrix-Form des linearen Gleichungssystems
Matrix-Form des linearen Gleichungssystems
Für A ∈ Mat(m, n), einen Spaltenvektor �b ∈ Rm sowie einen Spaltenvektor �x ∈ Rn
lässt sich das inhomogene Gleichungssystem (*) in 3.4 schreiben als
A�x = �b.
A heißt die Koeffizientenmatrix des linearen Gleichungssystems und �b die rechte
Seite.
Das lineare Gleichungssystem A�x = �b ist genau dann lösbar, wenn die rechte
Seite �b eine Linearkombination der Spaltenvektoren von A ist.
Die elementaren Umformungen (E1)–(E4) lassen sich auf die Zeilen und
Spalten der Matrix A anwenden, um eine reduzierte Stufenform von A zu
erhalten.
Der Rang der Matrix A ist dasselbe wie der Rang r der reduzierten
Stufenform von A.
Höhere Mathematik
134
Matrizen
Matrix-Form des linearen Gleichungssystems
Die Matrix à = (A, �b)m×(n+1) in der Kurzform des Gleichungssystems heißt
die erweiterte Koeffizientenmatrix. Wir haben in 3.9 festgestellt, dass das
inhomogene lineare Gleichungssystem genau dann lösbar ist, wenn
Rang A = Rang Ã
gilt.
Weitere Aussagen in 3.9 erhalten nun die folgende Form:
Rang A = m =⇒ das Gleichungssystem A�x = �b ist lösbar
Rang A = n =⇒ das Gleichungssystem A�x = �b hat höchstens eine Lösung
Rang A = m = n =⇒ das Gleichungssystem A�x = �b ist für jede rechte
Seite �b eindeutig lösbar (universell eindeutig lösbar)
Höhere Mathematik
135
Matrizen
7.8
Definition und Satz: Kern und Bildraum
Definition und Satz: Kern und Bildraum
Die Lösungsmenge des homogenen LGS A�x = �0 zur reellen Matrix A ∈ Mat(m, n)
ist ein Vektorraum. Dieser Vektorraum ist ein Untervektorraum von Rn bzw. Cn
und wird wie in 6.13 mit Kern bezeichnet.
Kern A = {�x ∈ Rn | A�x = �0}
Für eine Matrix A = (�a1 , . . . ,�an ) ∈ Mat(m, n) mit Spaltenvektoren �ak heißt der
Unter-Vektorraum
Bild A = Span(�a1 , . . . ,�an )
der Bildraum von A. Es gilt Rang A = dim(Bild A), also mit der Dimensionsformel
dim(Kern A) + dim(Bild A) = n.
Höhere Mathematik
(∗)
136
Matrizen
Definition und Satz: Kern und Bildraum
Bemerkung: Hieraus folgt, dass sich der Rang einer Matrix auf zwei verschiedene
Weisen darstellen lässt:
r = Rang A ist die maximale Anzahl von linear unabhängigen Zeilen von A;
das bedeutet dim(Kern A) = n − r .
r = Rang A ist die maximale Anzahl von linear unabhängigen Spalten von A;
das bedeutet dim(Bild A) = r .
Höhere Mathematik
137
Matrizen
Definition: Transponierte
Eine weitere Operation für Matrizen:
7.9
Definition: Transponierte
Die zu

a1,1
 a2,1

A= .
 ..
am,1
a1,2
a2,2
..
.
···
···
am,2
···
transponierte Matrix ist

a1,1
a1,2

A� =  .
 ..
a1,n
a2,1
a2,2
..
.
···
···
a2,n
···

a1,n
a2,n 

..  ∈ Mat(m, n)
. 
am,n

am,1
am,2 

..  ∈ Mat(n, m).
. 
am,n
Die Adjungierte A∗ einer komplexen Matrix ist definiert durch
∗
A =
Höhere Mathematik
A� =
A
�
138
Matrizen
7.10
Transponierte, Adjungierte und Skalarprodukt
Transponierte, Adjungierte und Skalarprodukt
Sei A ∈ Mat(m, n). Dann gibt es genau eine Matrix B ∈ Mat(n, m), so dass für
alle �x ∈ Rn und �y ∈ Rm gilt
�A�x , �y � = ��x , B�y �.
Es ist B = A�.
Eine entsprechende Aussage gilt für komplexe Vektorräume und B = A∗ .
Höhere Mathematik
139
Matrizen
7.11
Rechenregeln
Rechenregeln
Addition: Für A, B ∈ Mat(m, n) und α ∈ R gilt
(A + B)� = A�+ B �,
(αA)� = αA�.
(A + B)∗ = A∗ + B ∗ ,
(αA)∗ = αA∗ .
Matrixprodukt: Für A ∈ Mat(m, n) und B ∈ Mat(n, p) gilt
(AB)� = B � A�
und
(AB)∗ = B ∗ A∗
Für jede Matrix A gilt (A�)� = A und (A∗ )∗ = A.
Es gilt Rang A = Rang A� und Rang A = Rang A∗ .
Es ist ��x , �y � = �y ��x bzw. ��x , �y � = �y ∗�x (Skalarprodukt als Matrizenprodukt).
Höhere Mathematik
140
Matrizen
7.12
Rang von Produkten
Rang von Produkten
Für alle A ∈ Mat(m, n) und B ∈ Mat(n, p) gilt
Rang(AB) ≤ min{Rang A, Rang B}.
Höhere Mathematik
141
Matrizen
Definition und Satz: Inverse
Wir betrachten ab jetzt quadratische Matrizen A ∈ Mat(n, n) (Zeilenzahl =
Spaltenzahl)
7.13
Definition und Satz: Inverse
Gegeben sei A ∈ Mat(n, n). Falls es eine Matrix X ∈ Mat(n, n) mit
AX = XA = En gibt, so heißt A invertierbar (oder regulär) und X = A−1 heißt die
Inverse von A.
Satz:
a) Die Matrix A ∈ Mat(n, n) besitzt genau dann eine Inverse A−1 ,
wenn Rang A = n gilt.
b) Falls A invertierbar ist, so ist die Inverse A−1 eindeutig bestimmt.
Bemerkung; Es gibt viele Matrizen A ∈ Mat(n, n), die keine Inverse besitzen
(nämlich alle Matrizen vom Rang r < n). Wir werden später sehen, dass die
Bedingung det A �= 0 notwendig und hinreichend für die Invertierbarkeit von A ist.
Höhere Mathematik
142
Matrizen
7.14 Beispiel
Beispiel

1
Bestimme die Inverse (falls möglich) zu A = 1
1
Höhere Mathematik
2
1
1

3
2
1
143
Matrizen
7.15
Zwei nützliche Hilfsaussagen
Zwei nützliche Hilfsaussagen
Die Umformungen (E1) - (E3) des Gauß-Algorithmus lassen sich durch
Multiplikation der (erweiterten) Matrix von links mit invertierbaren Matrizen
darstellen.
Wichtige Konsequenz aus 7.12
Falls A ∈ Mat(n, n) regulär ist, so gilt
Höhere Mathematik
Rang(AB) = Rang B
für alle
B ∈ Mat(n, p),
Rang(CA) = Rang C
für alle
C ∈ Mat(p, n).
144
Matrizen
7.16
Satz: Lösbarkeit von LGS
Satz: Lösbarkeit von LGS
a) Falls A ∈ Mat(n, n) regulär ist, so ist das lineare Gleichungssystem A�x = �b
universell eindeutig lösbar und die Lösung lautet �x = A−1�b.
b) Falls A ∈ Mat(n, n) regulär ist, so gilt für Matrizen B, C ∈ Mat(n, p) die
Kürzungsregel
AB = AC ⇐⇒ B = C .
c) Falls A, B ∈ Mat(n, n) beide regulär sind, so ist auch C = AB regulär und es
gilt
(AB)−1 = B −1 A−1 .
d) Für reguläre Matrizen A ∈ Mat(n, n) gilt (A�)−1 = (A−1 )�.
Höhere Mathematik
145
Matrizen
Satz: Lösbarkeit von LGS
Die Kürzungsregel besagt: Multiplikation beider Seiten eines linearen
Gleichungssystems mit einer regulären Matrix ist eine Äquivalenzumformung:
A�x = �b ⇐⇒ MA�x = M�b,
Höhere Mathematik
falls M ∈ Mat(m, m) regulär
146
Matrizen
7.17
Satz: Die Gruppe der regulären Matrizen
Satz: Die Gruppe der regulären Matrizen
Die regulären (n, n)-Matrizen bilden mit der Multiplikation die Gruppe Gl(n): das
heißt:
(G1) das Produkt C = AB zweier regulärer (n, n)-Matrizen ist eine reguläre
(n, n)-Matrix,
(G2) es gilt das Assoziativgesetz der Matrix-Multiplikation,
(G3) die Einheitsmatrix En ist das eindeutige “neutrale” Element der
Multiplikation, also AEn = En A = A für jede reguläre (n, n)-Matrix,
(G4) zu jeder regulären (n, n)-Matrix A gibt es genau eine reguläre (n, n)-Matrix X
mit AX = XA = En , nämlich X = A−1 .
Beachte: Das Kommutativgesetz der Multiplikation gilt in Mat(n, n) nicht
(für n ≥ 1).
En−1 = En , denn En En = En
Höhere Mathematik
147
Matrizen
7.18
Definition der Determinante
Definition der Determinante
Es gibt genau eine Abbildung det : MatR (n, n) → R, die einer reellen (n, n)-Matrix
A ihre Determinante det A zuordnet, so dass folgende Eigenschaften erfüllt sind:
� , · · · , �vn )� =
det ist linear in jeder Zeile, d.h. det(�v1 , · · · , α�u + β w
� , · · · , �vn )�
α det(�v1 , · · · , �u , · · · , �vn )�+ β det(�v1 , · · · , w
Die Determinante ist alternierend, d.h.
det(�v1 , . . . , �vi , . . . , �vj , . . . , �vn )� = − det(�v1 , . . . , �vj , . . . , �vi , . . . , �vn )�
Die Determinante ist normiert: det(En ) = 1.
Analog gibt es eine Determinante det : MatC (n, n) → C für komplexe Matrizen
mit den gleichen Eigenschaften.
Wir werden noch Methoden zur Berechnung der Determinante erörtern.
Höhere Mathematik
148
Matrizen
7.19
Determinanten für kleine n
Determinanten für kleine n
Für eine (1, 1)-Matrix A = (a) ist det A = a.
�a b �
Für eine (2, 2)-Matrix A = c d ist det A = ad − bc.
Für eine (3, 3)-Matrix ist die Determinante


a b c
det d e f  = aei + bfg + cdh − ceg − afh − bdi
g h i
Die Formel für (3, 3)-Matrizen kann man mit der Merkregel von Sarrus bestimmen.
a
b
c
a
b
d
e
f
d
e
g
h
i
g
h
−ceg −afh −bdi
Höhere Mathematik
+aei +bfg +cdh
149
Matrizen
Geometrische Bedeutung der Determinante für n = 2 und n = 3
Die Determinante von (2, 2) und (3, 3)-Matrizen läßt sich wie folgt geometrisch
interpretieren:
�
�
�
n = 2 Seien��v1 = (a,
c)
und
v
=
(b,
d)
die Spaltenvektoren der Matrix
2
�
a b
A=
.
c d
Dann ist | det A| der Flächeninhalt des von �v1 und �v2 aufgespannten
Parallelogramms.
Ist det A > 0, so ist der (entgegen des Uhrzeigersinns) orientierte Winkel
∠(�v1 , �v2 ) zwischen 0 und π ∼
= 180◦ .
Ist det A < 0, so ist der (entgegen des Uhrzeigersinns) orientierte Winkel
∠(�v1 , �v2 ) zwischen π ∼
= 180◦ und 2π ∼
= 360◦ .
n = 3 Seien �v1 = (a, d,g )�, �v2 = 
(b, e, h)� und �v3 = (c, f , i)� die Spaltenvektoren
a b c
der Matrix A = d e f .
g h i
Dann ist | det A| das Volumen des von �v1 , �v2 und �v3 aufgespannten
Parallelepipeds.
Ist det A > 0, so ist das Tripel (�v1 , �v2 , �v3 ) rechtshändig.
Ist det A < 0, so ist das Tripel (�v1 , �v2 , �v3 ) linkshändig.
Höhere Mathematik
150
Matrizen
Determinante und Gaußalgorithmus
Wendet man auf eine Matrix A ∈ M(n, n) den Gauß-Algorithmus an, so ändert
sich die Determinante wie folgt:
7.21
Determinante und Gaußalgorithmus
Gegeben sei A ∈ Mat(n, n).
a) Vertauschen zweier Zeilen (Umformung E1) ändert det A um den Faktor −1.
b) Multiplikation einer Zeile von A mit einer Zahl α ändert die Determinante
um diesen Faktor α (Umformung E2).
c) Addition eines Vielfachen der i-ten Zeile zur j-ten Zeile (mit i �= j) ändert
det A nicht (Umformung E3).
d) Hat A eine Nullzeile oder sind zwei Zeilen gleich, so ist det A = 0.
Höhere Mathematik
151
Matrizen
Charakterisierung regulärer Matrizen
Wir können nun die folgenden Aussagen zur Lösbarkeit des linearen
Gleichungssystems A�x = �b mit einer (n, n)-Matrix A formulieren.
7.22
Charakterisierung regulärer Matrizen
Für A ∈ Mat(n, n) sind folgende Aussagen äquivalent:
(i) A ist regulär.
(ii) Rang A = n.
(iii) det A �= 0.
(iv) Das homogene LGS A�x = �0 hat als einzige Lösung �x = �0.
(v) Das LGS A�x = �b ist universell eindeutig lösbar.
Höhere Mathematik
152
Matrizen
Charakterisierung regulärer Matrizen
Man nennt eine Matrix

a1,1 a1,2
 0
a2,2

 ..
..

.
A= .
 ..
 .
0
···
der Form
a1,3
a2,3
..
.
···
···
..
..
.
···
.
0
a1,n
a2,n
..
.




,


an−1,n 
an,n
also ai,k = 0 für i > k,
eine obere Dreiecksmatrix, und entsprechend definiert man eine untere
Dreiecksmatrix als eine Matrix mit ai,k = 0 für i < k.
7.22
Charakterisierung regulärer Matrizen
Für eine obere Dreiecksmatrix (oder untere Dreieksmatrix) A ∈ Mat(n, n) ist det A
das Produkt der Diagonal-Elemente, also
det A = a1,1 a2,2 · · · an,n .
Um die Determinante mit dem Gauß-Algorithmus zu bestimmen, genügt es, die
Matrix in obere Dreiecksform zu bringen, dann kann man die Determinante direkt
ablesen.
Höhere Mathematik
153
Matrizen
Elementarmatrizen
Als Elementarmatrizen bezeichnet man (n × n)-Matrizen von einer der folgenden
drei Gestalten:
Für i �= j ist Pij die Matrix, die entsteht, wenn in
i-te und j-te Zeile vertauscht werden.

1

..

. λ
Für i �= j und λ ∈ R ist Qij (λ) := 

..

.
der Einheitsmatrix En die



, d.h. auf der


1
Diagonalen sind alle Einträge 1, der Eintrag in der i-ten Zeile und j-ten
Spalte ist λ, die übrigen Einträge sind 0.
Für λ �= 0 ist Si (λ) die Matrix, die entsteht, wenn die i-te Zeile der
Einheitsmatrix
En mit λ multipliziert
wird, d.h.


1


.
.


.




λ
Si (λ) := 



..


.
1
Höhere Mathematik
154
Matrizen
Eigenschaften der Elementarmatrizen
Für die Elementarmatrizen gelten folgende Eigenschaften:
Jede Elementarmatrix ist regulär. Für die Determinante gilt:
det Pij = −1, det Qij (λ) = 1, det Si (λ) = λ �= 0.
Die Inverse einer Elementarmatrix ist wieder eine Elementarmatrix. Dabei gilt:
(Pij )−1 = Pij , (Qij (λ))−1 = Qij (−λ), (Si (λ))−1 = Si (λ−1 ).
Die Transponierte einer Elementarmatrix ist wieder eine Elementarmatrix.
Dabei gilt:
(Pij )� = Pij , (Qij (λ))� = Qji (λ), (Si (λ))� = Si (λ).
Insbesondere gilt also für jede Elementarmatrix R: det R � = det R.
Die Schritte des Gaußalgorithmus lassen sich deuten als Multiplikation mit
Elementarmatrizen: Ist A ∈ M(n, n), so ist
Pij A die Matrix, die aus A entsteht, wenn die i-te und j-te Zeile vertauscht
werden.
Qij (λ)A die Matrix, die aus A entsteht, wenn das λ-fache der j-ten Zeile zur
i-ten Zeile addiert wird.
Si (λ)A die Matrix, die aus A entsteht, wenn die i-te Zeile mit λ multipliziert
wird.
Höhere Mathematik
155
Matrizen
Darstellung durch Elementarmatrizen
Durch Anwendung des Gauß-Algorithmus kann man nun folgende wichtige
Eigenschaft zeigen:
7.25
Darstellung durch Elementarmatrizen
Ist A ∈ M(n, n) regulär, so lässt sich A als Produkt von Elementarmatrizen
schreiben, d.h. A = R1 · . . . · Rk , wobei R1 , . . . , Rk Elementarmatrizen sind.
Höhere Mathematik
156
Matrizen
7.26
Funktionalgleichung der Determinante
Funktionalgleichung der Determinante
Für Matrizen A, B ∈ M(n, n) gilt:
a) det(AB) = det A det B.
b) det(A�) = det A.
c) Ist A regulär, so ist det(A−1 ) =
Höhere Mathematik
1
det A .
157
Matrizen
Funktionalgleichung der Determinante
Die Identität det A� = det A hat folgende Konsequenzen:
det ist linear in jeder Spalte, d.h.:
det(�v1 , · · · ,
� , · · · , �vn ) =
α�u + β w
� , · · · , �vn )
α det(�v1 , · · · , �u , · · · , �vn ) + β det(�v1 , · · · , w
Vertauscht man zwei Spalten einer Matrix, so wird die Determinante mit −1
multipliziert.
Die Determinante einer Matrix ändert sich nicht, wenn man ein Vielfaches
einer Spalte zu einer anderen Spalte addiert.
Höhere Mathematik
158
Matrizen
7.27
Zeilenentwicklung und Spaltenentwicklung der Determinante
Zeilenentwicklung und Spaltenentwicklung der Determinante
Für eine (n, n)-Matrix A = (ai,k )n×n kann die Determinante det A durch folgende
Formeln bestimmt werden:
n
�
det A =
(−1)j+k aj,k det(Aj,k ) (“Entwicklung nach der j-ten Zeile”)
det A =
k=1
n
�
(−1)i+� ai,� det(Ai,� ) (“Entwicklung nach der �-ten Spalte”)
i=1
wobei die (n − 1, n − 1)-Matrix Aj,k aus A durch Streichen der j-ten Zeile und der
k-ten Spalte hervorgeht.
Höhere Mathematik
159
Matrizen
Beispiele
Beispiele:

1
5
Bestimme die Determinante der Matrix A = 
3
6
Berechne det A mit dem Gauß-Algorithmus:
1
5
3
6
1
1
3
6
1
0
0
0
Höhere Mathematik
−1
2
2
0
1
0
7 −2
2
0
5
−1
2
1
0
7 −2
2
0
5
− 75
2
− 15
0
23
−2
5
3
0
4
6
0
3
4
6
0
3
4
6
−1
2
1
7
2
0
0
−2

3
0

4
6
tausche Gl.1 und Gl.2
dividiere Gl.2 durch 5
subtrahiere Gl.1
subtrahiere 3*Gl.1
subtrahiere 6*Gl.1
tausche Gl.2 und Gl.3
multipliziere Gl.3 mit -5
160
Matrizen
Beispiele
1
2
5
0
0
−20
0
1
0
0
− 75
2
0
1
0
0
0
1
0
0
0
23
5
2
5
1
0
0
2
5
1
0
0
−2
0
0
2
−2
0
0
2
0
3
6
0
−20
−25
98
0
−20
−25
73
7
*Gl.2
5
subtrahiere 23
*Gl.2
5
addiere
addiere Gl.3
Mit 2 Vertauschungen und den Multiplikationen ergibt sich
1
det A = (−1)2 · 5 · (− ) · 146 = −146.
5
Höhere Mathematik
161
Matrizen
Beispiele
Berechne
det A DurchZeilen- oder Spaltenentwicklung: Für

1 −1 2 3
5 2
0 0

 ←− Entw. n. d. 2. Zeile
A=
3 1
0 4
6 7 −2 6
ist det A = −5 det A2,1 + 2 det A2,2 = −5 · 30 + 2 · 2 = −146.
Berechnet man die Determinante nach der Zeilen- bzw. Spaltenentwicklung, so
erhält man eine Summe mit n! Summanden.
Daher ist es in der Regel günstiger, ab n ≥ 5 den Gaußalgorithmus zu verwenden.
Höhere Mathematik
162
Matrizen
Cramersche Regel
Für kleine Matrizen und weitere Anwendungen ist die folgende Regel wichtig.
7.29
Cramersche Regel
Die Matrix A ∈ Mat(n, n) sei regulär. Die Komponenten des eindeutigen
Lösungsvektors �x von A�x = �b haben die Darstellung


a1,1 · · · a1,j−1 b1 a1,j+1 · · · a1,n
1

..
..
..
.. 
xj =
det  ...
.
.
.
. 
det A
an,1 · · · an,j−1 bn an,j+1 · · · an,n
Höhere Mathematik
163
Matrizen
Satz: Adjunktenform der Inversen
Mit der Cramerschen Regel kann man auch eine Darstellung für die Inverse von A
erhalten.
7.30
Satz: Adjunktenform der Inversen
Die Inverse einer regulären Matrix A hat die Form
A
Höhere Mathematik
−1
1
�
=
(αj,k )n×n
det A
mit
αj,k = (−1)j+k det Aj,k .
164
Matrizen
Satz: Adjunktenform der Inversen
Beispiel zur �
Cramerschen
�
� Regel:
�
1
3
Löse das LGS
2
�x =
4
7
.
8
�
�
1 2
Es ist det
= −2, also nach der Cramerschen Regel x1 =
3 4
�
�
1 7
det
3 8
13
x2 =
=
−2
2
Weiter:
�
1
3
Allgemein:
2
4
�
a
c
invertierbar.
Höhere Mathematik
�−1
�
�
1
4
−2
=
1
−2 −3
�−1
�
1
b
d
=
d
ad − bc −c
�
7
det
8
−2
2
4
�
= −6
�
−b
, falls ad − bc �= 0; sonst ist die Matrix nicht
a
165
Lineare Abbildungen
Definition: Lineare Abbildung
Die wichtigste Klasse von Funktionen zwischen Vektorräumen sind die linearen
Abbildungen.
8.1
Definition: Lineare Abbildung
Eine Funktion f : V → W zwischen Vektorräumen V und W heißt linear, wenn
für alle v1 , v2 ∈ V und alle Skalare α1 , α2 gilt
f (α1 v1 + α2 v2 ) = α1 f (v1 ) + α2 f (v2 ).
Höhere Mathematik
166
Lineare Abbildungen
8.2
Linearität und Basen
Linearität und Basen
Gegeben seien Vektorräume V und W sowie eine Basis v1 , . . . , vn von V .
Jede lineare Abbildung f : V → W ist durch die Bilder der Basiselemente
f (vk ) ∈ W , 1 ≤ k ≤ n, eindeutig festgelegt; denn für einen beliebigen Vektor
x ∈ V mit der eindeutigen Darstellung
x=
n
�
α k vk
n
�
αk f (vk ).
k=1
gilt aufgrund der Linearität von f
f (x) =
k=1
Höhere Mathematik
167
Lineare Abbildungen
8.3
Matrixdarstellung linearer Abbildungen
Matrixdarstellung linearer Abbildungen
Sei v1 , . . . , vn eine Basis von V und w1 , . . . , wm eine Basis von W .
Sei f : V → W eine lineare Abbildung.
Für die Bilder f (vk ) existiert eine eindeutige Darstellung
f (vk ) = β1,k w1 + · · · + βm,k wm
mit Skalaren βi,k , 1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ k ≤ n.
Die Matrix

β1,1

A =  ...
βm,1
···
···

β1,n
.. 
. 
βm,n
heißt die Darstellungsmatrix der linearen Abbildung f bzgl. der gegebenen
Basen von V und W .
Besitzt x ∈ V den Koordinatenvektor �a ∈ Rn (oder Cn ) bzgl. der Basis
v1 , . . . , vn von V , so ist �b = A�a der Koordinatenvektor von f (x) bzgl. der
Basis w1 , . . . , wm von W .
Höhere Mathematik
168
Lineare Abbildungen
Eigenschaften der Darstellungsmatrix
Wie lassen sich Eigenschaften von f durch Eigenschaften der Darstellungsmatrix
ausdrücken?
8.4
Eigenschaften der Darstellungsmatrix
Gegeben seien Vektorräume V und W der Dimensionen dim V = n, dim W = m.
Die lineare Abbildung f : V → W habe die Darstellungsmatrix A ∈ Mat(m, n)
bzgl. gegebener Basen von V und W . Dann gilt:
Der Bildraum Bild(f ) = {f (�v ) | �v ∈ V } ist ein Unter-Vektorraum von W der
Dimension dim(Bild(f )) = Rang A.
f ist genau dann surjektiv, wenn Rang A = m gilt.
f ist genau dann injektiv, wenn Rang A = n gilt.
f ist genau dann bijektiv, wenn m = n und Rang A = n gilt. (Dies ist
äquivalent zu det A �= 0.)
Höhere Mathematik
169
Lineare Abbildungen
Basiswechsel
Wir betrachten ab jetzt lineare Abbildungen f : V → V und V = Rn oder Cn . Im
Definitions- und im Wertebereich verwenden wir die gleiche Basis �v1 , . . . , �vn zur
Bestimmung der Matrixdarstellung von f .
8.5
Basiswechsel
Gegeben sei eine lineare Abbildung f : V → V (mit V = Rn oder Cn ) sowie die
Darstellungsmatrix A ∈ Mat(n, n) von f bzgl. der Basis �v1 , . . . , �vn (sowohl im
Definitions- als auch im Wertebereich).
� 1, . . . , w
� n von V
Dann ist die Darstellungsmatrix von f bzgl. einer weiteren Basis w
gegeben durch
B = S −1 AS.
Hierbei ist S ∈ Mat(n, n) die reguläre Matrix, deren Spaltenvektor
�sk = (s1,k , . . . , sn,k )� der Koordinatenvektor von w
� k bzgl. der Basis �v1 , . . . , �vn ist,
also
� k = s1,k �v1 + · · · + sn,k �vn ,
w
1 ≤ k ≤ n.
erfüllt.
Die Darstellungsmatrizen A und B = S −1 AS heißen ähnlich.
Höhere Mathematik
170
Lineare Abbildungen
Basiswechsel
Bemerkung: Ähnliche Matrizen haben den gleichen Rang und dieselbe
Determinante:
Rang(S −1 AS) = Rang(AS) = Rang A,
weil die Multiplikation mit regulären Matrizen (hier S bzw. S −1 ) den Rang nicht
verändert. Mit dem Multiplikationssatz (Bemerkung vor 5.33) folgt
det(S
Höhere Mathematik
−1
AS) = det S
−1
1
det A det S =
det A det S = det A.
det S
171
Lineare Abbildungen
Basiswechsel
Motivation für die Eigenvektoren
Eine schöne Interpretation vieler linearer Abbildungen f erhält man dadurch, dass
man durch geschickte Wahl der Basis eine Diagonalmatrix


λ1 0 · · · 0

.. 
 0 λ2 . . .
.

,
B= .
also bi,k = 0 für i �= k,

.
.
..
.. 0 
 ..
0 ···
0 λn
als Darstellungsmatrix erhält. Dann lässt f die Richtung der Basisvektoren �vk (bis
auf Umkehrung für λk < 0) unverändert. Dadurch erhält man eine schöne
geometrische Interpretation von f .
Höhere Mathematik
172
Lineare Abbildungen
8.6
Definition: Eigenwert, Eigenvektor
Definition: Eigenwert, Eigenvektor
Gegeben sei eine lineare Abbildung f : V → V . Ein Vektor �v ∈ V , �v �= �0 heißt
Eigenvektor (kurz: EV) von f , wenn es ein Skalar λ gibt mit
f (�v ) = λ�v .
Das Skalar λ heißt dann der Eigenwert (kurz EW) zum Eigenvektor �v �= �0.
Höhere Mathematik
173
Lineare Abbildungen
Satz: Berechnung von EW und EV
Die Berechnung von Eigenwerten und Eigenvektoren erfolgt über eine
Matrix-Darstellung von f in zwei Schritten.
8.7
Satz: Berechnung von EW und EV
Gegeben sei eine lineare Abbildung f : V → V sowie eine Basis �v1 , . . . , �vn von V
(also dim V = n).
Das Skalar λ ist genau dann ein Eigenwert von f , wenn für die
Darstellungsmatrix A ∈ Mat(n, n) von f gilt
det(A − λEn ) = 0.
(∗)
Zu einem Eigenwert λ ist Kern(A − λEn ) der Unter-Vektorraum der
Koordinatenvektoren aller Eigenvektoren von f zum Eigenwert λ (sowie
zusätzlich �0):
Vλ = {�x ∈ V | f (�x ) = λ�x }
�
�
n
�
= �x ∈ V | �x =
αk �vk , (α1 , . . . , αn )� ∈ Kern(A − λEn ) .
k=1
Höhere Mathematik
174
Lineare Abbildungen
Satz: Berechnung von EW und EV
Bemerkung:
Im ersten Schritt bestimmt man alle Eigenwerte von f , indem man alle
Nullstellen des charakteristischen Polynoms
pA (λ) = det(A − λEn )
der Darstellungsmatrix A berechnet. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra
gibt es (in C) genau n Eigenwerte unter Berücksichtigung der Vielfachheit
mλ der Nullstelle λ. Die Zahl mλ heißt die algebraische Vielfachheit des
Eigenwerts λ.
Im zweiten Schritt berechnet man zu jedem Eigenwert λ eine Basis von
Kern(A − λEn ) durch Lösen des homogenen LGS
(A − λEn )�x = �0.
Wegen det(A − λEn ) = 0 gibt es nicht-triviale Lösungen. Die Zahl
� λ = dim(Kern(A − λEn )) = n − Rang(A − λEn )
m
nennt man die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ.
� λ ≤ mλ . (o.B.)
Es gilt stets m
Höhere Mathematik
175
Lineare Abbildungen
Lemma
Weitere Eigenschaften des charakteristschen Polynoms
Die Summe der Eigenwerte ist die�
Spur der Matrix A: der Koeffizient von
n
(−1)n−1 λn−1 ist gleich spur A := i=1 aii .
Für eine 2 × 2-Matrix ist stets p(λ) = λ2 − spur A · λ + det A.
8.8
Lemma
Die Eigenwerte und Eigenvektoren der linearen Abbildung f : V → V hängen
nicht von der gewählten Basis von V ab; insbesondere gilt für zwei ähnliche
Matrizen A und B = S −1 AS (mit regulärer Matrix S) die Identität
pA (λ) = pB (λ).
Für die Koordinatenvektoren gilt: Ist �a der Koordinatenvektor des Eigenvektors �v
zu der Basis, die die Darstellungsmatrix A von f definiert, so ist �b = S −1�a der
Koordinatenvektor desselben Eigenvektors �v zu der Basis, die die
Darstellungsmatrix B = S −1 AS definiert (siehe Basiswechsel 8.5).
Höhere Mathematik
176
Lineare Abbildungen
Definition: diagonalisierbar
Die anfangs erwähnte “schöne” Darstellung einer linearen Abbildung durch eine
Diagonalmatrix kann nur dann erzielt werden, wenn die folgende Eigenschaft gilt.
8.9
Definition: diagonalisierbar
Eine lineare Abbildung f : V → V (mit dim V = n) heißt diagonalisierbar, wenn es
eine Basis von Eigenvektoren �v1 , . . . , �vn von f gibt.
Dann gilt:
Die Darstellungsmatrix bzgl. der Basis der
Eigenwerte

λ1


0
J=
 ..
.
0
Eigenvektoren ist die Diagonalmatrix der
0
λ2
..
.
···
···
..
.
..
.
0

0
.. 

. 
.

0
λn
� 1, . . . , w
� n ist ähnlich zu dieser
Die Darstellungsmatrix A bzgl. irgendeiner Basis w
Diagonalmatrix, d.h. es gibt eine reguläre Matrix S mit S −1 AS = J.
Die hierzu äquivalente Beziehung AS = SJ drückt aus, dass die Spalten von S die
Eigenvektoren der Matrix A mit zugehörigen Eigenwerten λ1 , . . . , λn sind.
Höhere Mathematik
177
Lineare Abbildungen
Kriterien für Diagonalisierbarkeit
Wir behandeln zwei Fälle, in denen die Diagonalisierbarkeit vorliegt.
8.10
Kriterien für Diagonalisierbarkeit
Gegeben sei eine lineare Abbildung f : V → V mit dim V = n. Besitzt f paarweise
verschiedene Eigenwerte λ1 , . . . , λn , so ist f diagonalisierbar.
Als Beweis dient die folgende Aussage:
8.11
Satz: lineare Unabhängigkeit der Eigenvektoren
Eigenvektoren �v1 , . . . , �vk einer linearen Abbildung f : V → V zu paarweise
verschiedenen Eigenwerten λ1 , . . . , λk sind linear unabhängig.
Höhere Mathematik
178
Lineare Abbildungen
Bemerkung: Weiteres Kriterium
8.12 Bemerkung: Weiteres Kriterium Eine Erweiterung von 8.11 ergibt die
folgende Aussage: Die lineare Abbildung f : V → V (mit dim V = n) ist genau
dann diagonalisierbar, wenn für jeden Eigenwert λ von f die algebraische
Vielfachheit und die geometrische Vielfachheit übereinstimmen, wenn also
mλ = m̃λ gilt.
Eine Basis von Eigenvektoren von f erhält man, indem man für jeden Eigenraum
Vλ eine Basis aus mλ Vektoren bestimmt. Die Gesamtheit dieser Vektoren ist
dann eine Basis des Vektorraums V .
Höhere Mathematik
179
Lineare Abbildungen
Definition: symmetrische und hermitesche Matrizen
Die zweite Klasse diagonalisierbarer Matrizen tritt in vielen Anwendungen auf.
8.13
Definition: symmetrische und hermitesche Matrizen
Eine reelle n × n-Matrix A heißt symmetrisch, wenn A� = A gilt.
Eine komplexe n × n-Matrix A heißt hermitesch, wenn A∗ = A gilt.
Höhere Mathematik
180
Lineare Abbildungen
8.14
Diagonalisierbarkeit symmetrischer und hermitescher Matrizen
Diagonalisierbarkeit symmetrischer und hermitescher Matrizen
Alle Eigenwerte einer reell-symmetrischen oder einer komplex-hermiteschen
n × n-Matrix A sind reell, und A ist diagonalisierbar: es existiert sogar eine
Orthonormalbasis �v1 , . . . , �vn von Eigenvektoren von A.
Das bedeutet, dass A eine Darstellung
A = UDU �
bzw.
A = UDU ∗
mit einer reellen Diagonalmatrix D und einer orthogonalen bzw. unitären Matrix
U hat.
Orthogonal bzw. unitär nennt man Matrizen U, deren Spalten eine ONB bilden.
Dann gilt, dass U � = U −1 bzw. U ∗ = U −1 ist. Dieses wird in 9.1 genauer
behandelt.
Höhere Mathematik
181
Lineare Abbildungen
Weitere Eigenschaften
Zur Berechnung der Eigenvektoren und zur Probe sind die folgenden Aussagen
hilfreich, die eine Verschärfung von Satz 8.14 darstellen:
8.15
Weitere Eigenschaften
(a) Eigenvektoren �v1 , . . . , �vk einer reell-symmetrischen (oder hermiteschen)
Matrix zu paarweise verschiedenen Eigenwerten sind paarweise orthogonal.
(b) Für einen Eigenwert λ einer reell-symmetrischen (oder hermiteschen) Matrix
A ∈ Mat(n, n) bezeichne mλ die algebraische Vielfachheit (als Nullstelle des
charakteristischen Polynoms). Dann gilt
dim(Kern(A − λEn )) = mλ ,
d.h. die algebraische und die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts
stimmen überein. (o.B.)
Höhere Mathematik
182
Lineare Abbildungen
Entwicklungssatz
Zusammenfassend erhalten wir
8.16
Entwicklungssatz
Sei A eine symmetrische oder hermitesche Matrix.
Dann lässt sich jeder Vektor des Rn (Cn ) nach den Eigenvektoren �v1 bis �vn von A
entwicken:
n
�
�x =
< �x , v�k > �vk .
k=1
Weiter ist dann mit den Eigenwerten λ1 bis λn
A�x =
n
�
λk < �x , v�k > �vk .
k=1
Höhere Mathematik
183
Lineare Abbildungen
Der Vektorraum der linearen Abbildungen
Es folgen ergänzende Aussagen zu linearen Abbildungen.
8.17
Der Vektorraum der linearen Abbildungen
Gegeben seien Vektorräume V und W . Die Menge aller linearen Abbildungen
L(V , W ) = {f : V → W | f ist linear}
ist ein Vektorraum. (Die Addition f + g und die Multiplikation mit Skalaren αf ist
wie üblich bei Funktionen definiert.)
Höhere Mathematik
184
Lineare Abbildungen
8.18
Verkettung linearer Abbildungen
Verkettung linearer Abbildungen
Es seien U, V , W Vektorräume und f : U → V sowie g : V → W lineare
Abbildungen. Dann ist auch die Hintereinanderausführung
g ◦ f : U → W,
g ◦ f (�u ) = g (f (�u ))
linear.
Weiterhin sei U = �u1 , . . . , �un eine Basis von U, V = �v1 , . . . , �vm eine Basis von V
� 1, . . . , w
� p eine Basis von W . Mit den Darstellungsmatrizen
sowie W = w
A ∈ Mat(m, n) von f (bzgl. U , V) und B ∈ Mat(p, m) von g (bzgl. V, W) ist dann
C = BA
die Darstellungsmatrix von g ◦ f bzgl. der Basen U , W.
Höhere Mathematik
185
Lineare Abbildungen
Der Ring der linearen Abbildungen
Als “Multiplikation” auf dem Vektorraum L(V , V ) der Endomorphismen (=lineare
Abbildungen von V nach V ) verwenden wir die Hintereinanderausführung. Dann
gilt:
8.19
Der Ring der linearen Abbildungen
Der Vektorraum L(V , V ) ist ein Ring, d.h. die Hintereinanderausführung erfüllt
das Assoziativ- und Distributivgesetz.
Das neutrale Element dieser Multiplikation ist die Einheitsmatrix En .
Höhere Mathematik
186
Spezielle Matrizen und Abbildungen
Definition: orthogonale und unitäre Matrizen
Interessant sind lineare Abbildungen, die die Länge von Vektoren nicht verändern.
Wichtige Beispiele sind Drehungen und Spiegelungen.
9.1
Definition: orthogonale und unitäre Matrizen
Eine (quadratische) relle Matrix heißt orthogonal, falls A� = A−1 ist.
Eine (quadratische) komplexe Matrix heißt unitär, falls A∗ = A−1 ist.
Äquivalent ist
9.2
Eigenschaften orthogonaler Matrizen
(i) A ist orthogonal.
(ii) A� = A−1 .
(iii) Die Spalten von A bilden eine ONB.
(iv) Die Zeilen von A bilden eine ONB.
� ∈ Rn gilt < �v , w
� >=< A�v , A�
(v) Für �v , w
w >.
(vi) Für �v ∈ Rn gilt �A�v � = ��v �.
Höhere Mathematik
187
Spezielle Matrizen und Abbildungen
9.3
Weitere Eigenschaften
Weitere Eigenschaften
Sei A orthogonal.
� gilt <
� ) =<
Für �v , w
) (�v , w
) (A�v , A�
w)
Die Determinante von A ist ±1
Höhere Mathematik
188
Spezielle Matrizen und Abbildungen
9.4
Orthogonale Projektionen
Orthogonale Projektionen
Eine orthogonale Projektion P ist dadurch gekennzeichnet, dass gilt P 2 = P und
P = P�
�x
�0
Spezialfall:
Projektion auf eine Hyperebene.
�n ist eine Vektor mit ��n� = 1, der
senkrecht auf der Hyperebene steht.
P�x = �x − < �x , �n > �n = (E − �n�n�)�x .
Die Matrix ist also A = E − �n�n�.
P�x
E
Die allgemeine Form einer orthogonalen Projektion ist so :
Sei �v1 bis �vn eine ONB, so dass �v1 bis �vk Basis eines Unterraums U ist.
Dann ist die orthogonale Projektion auf U gegeben durch
PU �x =
k
�
< �x , �vj > �vj
j=1
Höhere Mathematik
189
Spezielle Matrizen und Abbildungen
9.5
Spiegelungen
Spiegelungen
�x
�0
P�x
Verdoppelt man die Strecke auf
den Projektionspunkt, so sieht
man die Form der Spiegelungsmatrix an einer Hyperebene:
E
S�x = (E − 2�n�n�)�x
S = E − 2�n�n�
S�x
Mit denselben Voraussetzungen wie bei der Projektion ist die allgemeine Form
SU �x =
k
�
j=1
Höhere Mathematik
< �x , �vj > �vj −
n
�
< �x , �vj > �vj
j=k+1
190
Spezielle Matrizen und Abbildungen
9.6
Drehungen
Drehungen
2
Drehungen
um
den
Winkel
α
im
R
haben die Matrixdarstellung
�
�
cos α − sin α
A=
.
sin α cos α
Drehmatrizen sind orthogonal.
A�e2
�e2
A�e1
sin α
α
cos α
Höhere Mathematik
�e1
191
Spezielle Matrizen und Abbildungen
9.7
Scherungen
Scherungen
Lineare Abbildungen, bei denen die geometrische Vielfachheit eines Eigenwerts
kleiner als die algebraische ist, sind Scherungen.
Beispiele für Scherungen:
A1

1 0.5
A2 =  0 1
0 0

A2

0.5 0
1 0.3 
A 1 = E3
0 1

1 0 0.5
Die Skizzen wurden mit der Projektionsmatrix P =  0 1 0.3  erstellt.
0 0 0
Höhere Mathematik
0
1
0  und A3 =  0
1
0

A3
192
Homogene Koordinaten im R3
Spezielle Matrizen und Abbildungen
9.8
Homogene Koordinaten im R3
Jedem Vektor v = (x, y , z)� des R3 werden alle Vektoren des R4 der Form
(tx, ty , tz, t)� mit t �= 0 zugeordnet. Insbesondere wird v durch
ṽ = (x, y , z, 1)� repräsentiert.
Einerdurch A gegebenen
 linearen Abbildung wird die Matrix
0


A
0
 zugeordnet
à = 

0 
0 0 0 1
Dem Vektor

1
 0
Sw = 
 0
0
w
0
1
0
0
�
3
= (w1 , w
2 , w3 ) ∈ R wird die Matrix
0 w1
0 w2 
 zugeordnet.
1 w3 
0 1
Dem Vektor Av entspricht Ãṽ
Dem Vektor v + w entspricht Sw v
Höhere Mathematik
193
Folgen und Reihen
Definition: Zahlenfolge
Kap. 10: Folgen und Reihen
10.1
Definition: Zahlenfolge
Eine Funktion
a:N→R
(oder C)
heißt reelle (oder komplexe) Zahlenfolge. Man nennt an = a(n) das n-te
Folgenglied und schreibt kurz (an )n∈N oder (an ).
Ebenso sind (an )n∈N0 oder (an )n≥n0 mit festem n0 ∈ Z Zahlenfolgen.
Eine Teilfolge entsteht, indem man (endlich oder unendlich viele)
Folgenglieder weglässt, wobei noch unendlich viele Glieder übrigbleiben
müsses: Für natürliche Zahlen 1 ≤ n1 < n2 < n3 < · · · ist
(ank )k∈N eine Teilfolge von (an )n∈N .
Höhere Mathematik
194
Folgen und Reihen
Definition: Zahlenfolge
Später behandeln wir auch Folgen von Vektoren (�vn )n∈N mit �vn ∈ Rd , Folgen
von Matrizen (An )n∈N mit An ∈ Mat(p, q) oder Funktionenfolgen (fn )n∈N mit
fn : [a, b] → R.
3
3
2
2
1
1
1
−1
2
3
4
5
6
7
9 N
8
−1
−2
1
2
3
4
5
6
7
8
9 N
−2
a2
a4
a6
a9
a7
a 8 a5
−2
−1
0
1
Höhere Mathematik
a3
a1
2
3
195
Folgen und Reihen
10.2
Konvergenz, Grenzwert
Konvergenz, Grenzwert
Eine Zahlenfolge (an )n∈N heißt konvergent, wenn es eine Zahl a ∈ R (oder C) mit
der folgenden Eigenschaft gibt: zu jedem � > 0 gibt es ein n0 ∈ N, so dass für alle
n ≥ n0 die Ungleichung
|an − a| < �
gilt. Dann heißt a der Grenzwert der Folge (an )n∈N , die Folge “konvergiert gegen
a” und wir schreiben
lim an = a oder an → a
n→∞
Ist die Zahlenfolge (an )n∈N nicht konvergent, so heißt sie divergent.
a+ε
a
a−ε
1 2 3
Höhere Mathematik
n0
N
196
Folgen und Reihen
Grenzwertsatz
Einfache Hilfsmittel zur Berechnung von Grenzwerten:
10.3
Grenzwertsatz
Die Zahlenfolgen (an )n∈N und (bn )n∈N seien konvergent, und a = lim an sowie
n→∞
b = lim bn seien die Grenzwerte. Dann gilt:
n→∞
a) (an + bn )n∈N ist konvergent und lim (an + bn ) = a + b.
n→∞
b) Für beliebiges α ∈ C ist (αan )n∈N konvergent und lim (αan ) = αa.
n→∞
c) (an bn )n∈N ist konvergent und lim (an bn ) = ab.
n→∞
d) Sind alle bn �= 0 und gilt b �= 0, so ist
� �
an
a
lim
= .
n→∞ bn
b
Höhere Mathematik
�
an
bn
�
konvergent und
n∈N
197
Folgen und Reihen
10.4
Nullfolge, bestimmte Divergenz
Nullfolge, bestimmte Divergenz
a) Eine konvergente Folge (an )n∈N mit lim an = 0 heißt Nullfolge.
n→∞
b) an → 0 ⇐⇒ |an | → 0
c) Eine reelle Zahlenfolge heißt bestimmt divergent gegen ∞ (bzw. gegen −∞),
wenn für jedes r > 0 ein n0 ∈ N existiert, so dass für alle n ≥ n0 die
Ungleichung
an > r
(bzw. an < −r )
gilt. Dann heißt ∞ ( bzw. −∞ ) der uneigentliche Grenzwert der Folge und
wir schreiben
lim an = ∞
n→∞
( bzw. lim an = −∞)
n→∞
oder
an → ±∞.
Bemerkung: (an )n∈N konvergiert gegen a genau dann, wenn (an − a)n∈N eine
Nullfolge ist.
1
an → ∞ ⇐⇒ für n ≥ n0 ist an > 0 und
→ 0.
an
Höhere Mathematik
198
Folgen und Reihen
10.5
Konvergenz und Ordnung
Konvergenz und Ordnung
a) Sei lim an = a und lim bn = b.
n→∞
n→∞
Ist für n ≥ n0 stets an ≤ bn , so ist auch a ≤ b.
b) Gegeben seien drei reelle Zahlenfolgen (an ), (bn ) und (cn ) und es gelte
lim an = lim cn = s. Falls es ein n0 ∈ N mit
n→∞
n→∞
an ≤ b n ≤ cn
für alle
n ≥ n0
gibt, so ist auch (bn ) konvergent und lim bn = s.
n→∞
(b) heißt Einschließungskriterium oder Sandwich-Lemma oder
Schraubstock-Kriterium.
Höhere Mathematik
199
Folgen und Reihen
Wichtige Beispiele
10.6 Wichtige Beispiele
a)
b)
c)
d)
�√
√ �
n + 1 − n n∈N konvergiert gegen 0.
�√
�
n
n n∈N konvergiert gegen 1.
�√
�
n
Für jedes c > 0 konvergiert
c n∈N gegen 1.
�√ �
n
Für jedes feste � ∈ N konvergiert
n�
gegen 1 (folgt aus b) und dem
n∈N
Grenzwertsatz).
e) Die Folge (z n )n∈N mit z ∈ C und |z| < 1 ist eine Nullfolge.
Hilfreich ist die folgende Wachstumshierarchie. Weiter rechtsstehende Folgen
n7
gehen schneller als linksstehende gegen unendlich, also z.B. ist lim n = 0.
n→∞ 2
Dabei sei α > 0 und q > 1.
1
Höhere Mathematik
ln n
nα
qn
n!
nn
200
Folgen und Reihen
Wichtige Beispiele
Wichtiges Hilfsmittel ist die Stirling-Formel
� n �n √
n! ≈
2πn
e
Der Quotient der beiden Terme hat den Grenzwert 1.
Die Differenz geht gegen unendlich. Es gibt noch weit genauere Abschätzungen.
Höhere Mathematik
201
Folgen und Reihen
Satz
Zur Klarstellung dient der folgende Satz.
10.7
Satz
Die Folge (an )n∈N sei konvergent.
a) Dann ist ihr Grenzwert a eindeutig bestimmt und
b) jede Teilfolge (ank )k∈N ist konvergent und hat denselben Grenzwert a.
Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit Teilfolgen:
10.8 Definition Häufungswert
Die Zahl b heißt ein Häufungswert der Folge (an )n∈N , wenn es eine konvergente
Teilfolge (ank )k∈N mit Grenzwert b gibt, also
lim ank = b
k→∞
gilt.
Höhere Mathematik
202
Folgen und Reihen
Satz
Beispiele
Die durch an = sin 56 n definierte Folge hat jedes x ∈ [−1, 1] als Häufungswert.
N
Bei einer konvergenten Folge ist der Grenzwert der einzige Häufungswert.
Höhere Mathematik
203
Folgen und Reihen
10.9
beschränkte und monotone Folge
beschränkte und monotone Folge
a) Eine Folge (an )n∈N heißt beschränkt, wenn es ein r > 0 gibt mit |an | ≤ r für
alle n ∈ N.
b) Eine reelle Zahlenfolge (an )n∈N heißt
monoton wachsend, wenn an+1 ≥ an für alle n ∈ N gilt,
monoton fallend, wenn an+1 ≤ an für alle n ∈ N gilt,
monoton, wenn sie monoton wachsend oder monoton fallend ist.
Höhere Mathematik
204
Folgen und Reihen
Satz von Bolzano und Weierstraß
Neben Satz 10.3 lautet das wichtigste “Konvergenz-Kriterium” wie folgt:
10.10
Satz von Bolzano und Weierstraß
Jede monotone und beschränkte reelle Zahlenfolge ist konvergent.
Bemerkung: Eine andere Formulierung, die auch für komplexe Zahlenfolgen gültig
ist, lautet:
Jede beschränkte Folge (in R oder C) besitzt eine konvergente Teilfolge.
Genauer: Ist die Folge (an )n∈N beschränkt, so existiert eine Teilfolge (ank )k∈N und
eine Zahl b mit
lim ank = b.
k∈N
Höhere Mathematik
205
Folgen und Reihen
10.11
Intervallschachtelung
Intervallschachtelung
Gegeben seien eine monoton wachsende reelle Zahlenfolge (an )n∈N und eine
monoton fallende reelle Zahlenfolge (bn )n∈N . Es gelte
(i) an ≤ bn für alle n ∈ N und
(ii) lim (bn − an ) = 0.
n→∞
Man sagt, dass die abgeschlossenen Intervalle [an , bn ] ⊆ [an−1 , bn−1 ] eine
Intervallschachtelung definieren.
Dann enthält der Durchschnitt
∞
�
[an , bn ]
n=1
genau eine reelle Zahl s, nämlich
s = lim an = lim bn .
n→∞
Höhere Mathematik
n→∞
206
Folgen und Reihen
10.12
Beispiel: die Eulersche Zahl e
Beispiel: die Eulersche Zahl e
Die Eulersche Zahl e = 2.71828182845904... kann folgendermaßen definiert
werden:
Wir betrachten die Folgen (an )n∈N und (bn )n∈N mit den Folgengliedern
an =
�
1
1+
n
�n
,
bn =
�
1
1+
n
�n+1
.
Dann gilt:
1. Die Folge (an )n∈N ist monoton wachsend.
2. Die Folge (bn )n∈N ist monoton fallend.
3. Es ist bn − an ≥ 0 und lim (bn − an ) = 0.
n→∞
4. Das Prinzip der Intervallschachtelung ergibt:
lim an = lim bn =: e.
n→∞
Höhere Mathematik
n→∞
207
Folgen und Reihen
Beispiel: die Eulersche Zahl e
Zahlenwerte: “sehr langsame Konvergenz” gegen e
n
an
bn
1
2
4
10
2.59374246010000 2.85311670611000
100
2.70481382942153 2.73186196771574
1000
2.71692393223559 2.71964085616783
1000000 2.71826823719230 2.71828318737622
Höhere Mathematik
208
Folgen und Reihen
Limes superior und Limes inferior
Zwei weitere Begriffe:
10.13
Limes superior und Limes inferior
Gegeben sei eine reelle Zahlenfolge (an )n∈N .
Falls (an )n∈N beschränkt ist, sind der größte Häufungswert (Limes superior)
lim sup an := max{b|b ist Häufungswert von (an )n∈N }
n→∞
und der kleinste Häufungswert (Limes inferior)
lim inf an := min{b|b ist Häufungswert von (an )n∈N }
n→∞
definiert.
Falls (an )n∈N nicht nach oben beschränkt ist (d.h. zu jedem r > 0 existiert
ein n ∈ N mit an > r ), so setzen wir lim sup an := ∞.
n→∞
Falls (an )n∈N nicht nach unten beschränkt ist (d.h. zu jedem r > 0 existiert
ein n ∈ N mit an < −r ), so setzen wir lim inf an := −∞.
n→∞
Höhere Mathematik
209
Folgen und Reihen
Aus konvergent folgt beschränkt
Als partielle Umkehrung des Satzes von Bolzano-Weierstraß geben wir noch
folgendes Resultat an:
10.14
Aus konvergent folgt beschränkt
Jede konvergente Folge (an )n∈N ist beschränkt.
Höhere Mathematik
210
Folgen und Reihen
Cauchy-Kriterium
Als wichtiges (abstraktes) Konvergenz-Kriterium dient:
10.15
Cauchy-Kriterium
Eine Folge (an )n∈N ist genau dann konvergent, wenn zu jedem � > 0 ein n0 ∈ N
existiert, so dass für alle n > m ≥ n0 die Ungleichung
|an − am | < �
gilt.
Höhere Mathematik
211
Folgen und Reihen
10.16
Reihen
Reihen
Die zu einer gegebenen Zahlenfolge (an )n∈N gebildete Folge (sn )n∈N der
Partialsummen
n
�
sn =
ak
k=1
heißt eine unendliche Reihe. Der Summand ak heißt k-tes Reihenglied.
Anstatt (sn )n∈N schreibt man kurz
∞
�
an für die unendliche Reihe.
n=1
Falls die unendliche Reihe
schreiben wir
∞
�
n=1
an gegen die Zahl s ∈ C konvergiert, so
s = lim sn =
n→∞
Eine Reihe heißt absolut konvergent, wenn
∞
�
an .
n=1
n
�
k=1
Höhere Mathematik
|ak | konvergiert.
212
Folgen und Reihen
Reihen
Beispiel:
2
1
a1
a3
.5
a4
a2
−1
s1
s2
s3
s4
Mit a1 = 2, a2 = −1, a3 = 1, a4 = 0.5, . . . entspricht die Partialsumme sn dem
orientierten Flächeninhalt unter den ersten n Kästchen.
Man hat in diesem Beispiel s1 = 2, s2 = 1, s3 = 2, s4 = 2.5, s5 = . . ..
Die Reihe konvergiert, wenn die Folge der Partialsummen einen Grenzwert hat.
Höhere Mathematik
213
Folgen und Reihen
Konvergenz und absolute Konvergenz
Bemerkung:
Unendliche Reihen sind also spezielle Zahlenfolgen. Die Begriffe Konvergenz
und Grenzwert, Beschränktheit und Monotonie einer unendlichen Reihe
beziehen sich immer auf die Folge der Partialsummen (sn )n∈N (bzw. (sn )n≥n0
mit n0 ∈ Z).
Die Konvergenz kann mit allen bisherigen Methoden untersucht werden.
Ist die unendliche Reihe z.B. monoton und beschränkt, so ist sie konvergent
(Satz von Bolzano-Weierstraß).
Insbesondere ist eine Reihe genau dann absolut konvergent, wenn die Reihe
der Absolutbeträge konvergiert.
Die unendliche Reihe ist genau dann konvergent, wenn das Cauchy-Kriterium
gilt: Zu jedem � > 0 existiert ein n0 ∈ N so, dass für alle n > m ≥ n0 die
Ungleichung
� n
�
� �
�
�
�
|sn − sm | = �
ak � < �
gilt.
�
�
k=m+1
10.17
Konvergenz und absolute Konvergenz
Eine absolut konvergente Reihe konvergiert.
Die Umkehrung gilt nicht.
Höhere Mathematik
214
Folgen und Reihen
10.18
Harmonische und geometrische Reihe
Harmonische und geometrische Reihe
a) Die Reihe
∞
�
1
1
1
1
= 1 + + + + ···
n
2
3
4
n=1
nennt man die harmonische Reihe.
Die harmonische Reihe divergiert.
b) Die Reihe
∞
�
n=0
zn = 1 + z + z2 + z3 + · · ·
mit z ∈ C nennt man die geometrische Reihe. Für z �= 1 lautet die Partialsumme
(nach 1.9, geometrische Summenformel)
sn =
n
�
k=0
1 − z n+1
z =
.
1−z
k
Die geometrische Reihe konvergiert genau für |z| < 1, der Grenzwert ist dann
1
.
1−z
Höhere Mathematik
215
Folgen und Reihen
Rechenregeln für konvergente Reihen
Der Grenzwertsatz 10.3 ergibt:
10.19
Rechenregeln für konvergente Reihen
Die unendlichen Reihen
sa und sb .
∞
�
an und
n=1
∞
�
bn seien konvergent, ihre Grenzwerte seien
n=1
Dann ist für beliebige α, β ∈ C die Reihe
Grenzwert ist αsa + βsb , also
∞
�
n=1
Höhere Mathematik
∞
�
(αan + βbn ) konvergent und ihr
n=1
(αan + βbn ) = α
∞
�
n=1
an + β
∞
�
bn .
n=1
216
Folgen und Reihen
Notwendiges Kriterium für die Konvergenz
Weitere Kriterien zur Konvergenz- bzw. Divergenz-Untersuchung von Reihen
10.20
Notwendiges Kriterium für die Konvergenz
Falls die Reihe
∞
�
an konvergiert, so muss die Folge (an )n∈N der Reihenglieder
n=1
eine Nullfolge sein.
Beispiel: Die geometrische Reihe
∞
�
n=1
Höhere Mathematik
z n mit z ∈ C und |z| ≥ 1 ist divergent.
217
Folgen und Reihen
Majorantenkriterium
Das wichtigste Kriterium für Konvergenz bzw. Divergenz von Reihen:
10.21
Majorantenkriterium
Für zwei Reihen
∞
�
n=1
an und
∞
�
n=1
bn und ein festes n0 ∈ N gelte
|an | ≤ bn
Falls dann
∞
�
für alle
n ≥ n0 .
bn konvergiert, so konvergieren auch
n=1
∞
�
n=1
Man beachte, dass die Reihe
∞
�
an und
∞
�
n=1
|an |.
bn absolut konvergieren muss, da stets
n=1
bn ≥ 0 und daher bn = |bn | ist.
∞
∞
�
�
Die Reihe
bn heißt eine Majorante von
an .
n=1
Höhere Mathematik
n=1
218
Folgen und Reihen
10.22
Minorantenkriterium
Minorantenkriterium
Für zwei Reihen
∞
�
n=1
an und
∞
�
n=1
bn und ein festes n0 ∈ N gelte
an ≥ b n ≥ 0
Falls dann
∞
�
für alle
bn divergiert, so divergiert auch
n=1
Die Reihe
∞
�
an .
n=1
∞
�
bn heißt eine Minorante von
n=1
∞
�
an .
n=1
N
Höhere Mathematik
n ≥ n0 .
Eine Folge mit positiven Gliedern konvergiert genau dann, wenn die Partialsummen
beschränkt sind.
Sind die Partialsummen bei der roten Majorante beschränkt, sind sie es bei der blauen Minorante auch, sind die Partialsummen
der Minorante unbeschränkt, können die der
Majorante nicht beschränkt sein.
219
Folgen und Reihen
Vergleichskriterium
Wichtige Konsequenz von Minoranten- und Majorantenkriterium ist das
Vergleichskriterium.
10.23
Vergleichskriterium
|an |
Es gebe eine Zahl c > 0 mit lim
=c
n→∞ |bn |
∞
∞
�
�
Dann konvergiert
an genau dann absolut, wenn
bn absolut konvergiert.
n=1
Höhere Mathematik
n=1
220
Folgen und Reihen
Beispiele
10.24 Beispiele
∞
�
1
a) Die Reihe
konvergiert.
2
n
n=1
Der Grenzwert
∞
�
1
π2
s=
=
= 1.64493406684822...
2
n
6
n=1
kann erst viel später berechnet werden.
∞
�
1
√ divergiert.
b) Die Reihe
n
n=1
c) Man merke sich schon jetzt als wichtige Reihen zum Vergleich: Die Reihe
�
∞
� 1
konvergent, falls α > 1 ist,
ist
α
n
bestimmt divergent gegen ∞, falls 0 < α ≤ 1 ist.
n=1
Höhere Mathematik
221
Folgen und Reihen
Satz: 10.25
Wurzelkriterium
Wurzelkriterium
Falls ein q ∈ R mit 0 < q < 1 und ein n0 ∈ N existieren, so dass
�
n
|an | ≤ q
für alle n ≥ n0 ,
so konvergieren
∞
�
an und
n=1
Falls
∞
�
n=1
�
n
|an | ≥ 1
gilt, so divergieren
∞
�
n=1
an und
(∗)
|an |.
für unendlich viele
∞
�
n=1
n∈N
|an |.
Bemerkung: Falls die Bedingung (*) nur mit q = 1 gilt (z.B. harmonische Reihe),
so kann nicht auf Konvergenz geschlossen werden. Dann muss die Reihe mit
anderen Kriterien untersucht werden.
Höhere Mathematik
222
Folgen und Reihen
10.26
Quotientenkriterium
Quotientenkriterium
Falls ein q ∈ R mit 0 < q < 1 und ein n0 ∈ N existieren, so dass
�
�
� an+1 �
�
�
an �= 0
und
für alle n ≥ n0
� an � ≤ q
gilt, so konvergieren
∞
�
an und
n=1
∞
�
n=1
|an |.
Falls ein n0 ∈ N existiert, so dass
�
�
� an+1 �
�
�
an �= 0
und
� an � ≥ 1
gilt, so divergieren
∞
�
n=1
an und
∞
�
n=1
(∗∗)
für alle
n ≥ n0
(∗∗)
|an |.
Bemerkung:
Falls die Bedingung (**) nur mit q = 1 gilt, muss die Reihe wieder mit
anderen Kriterien untersucht werden.
Höhere Mathematik
223
Folgen und Reihen
Beispiele
Das Quotientenkriterium ist oft leichter zu handhaben als das
Wurzelkriterium. Aber: es verlangt an �= 0 ab einem Index n0 .
10.27 Beispiele
∞
�
1
a) Die Reihe
ist konvergent.
n!
n=0
Anmerkung: Der Grenzwert ist die Eulersche Zahl e = 2.71828182845904....
Die �Folge der
�
Partialsummen (sn )n≥0 konvergiert viel schneller gegen e als die Folge (1 + n1 )n n∈N in
10.12.
Zahlenwerte:
n
0
1
2
3
4
5
Höhere Mathematik
sn
1
2
2.5
2.66666666666667
2.70833333333333
2.71666666666667
6
7
8
9
10
2.71805555555556
2.71825396825397
2.71827876984127
2.71828152557319
2.71828180114638
224
Folgen und Reihen
Beispiele
∞
∞
�
�
1
1
b) Für die Reihen
und
ergibt sich jeweils
2
n
n
n=1
n=1
�
�
� an+1 �
� = 1.
lim ��
n→∞
an �
Also kann mit dem Quotientenkriterium keine Aussage zur Konvergenz der
Reihen getroffen werden. Ebenso erhalten wir
�
lim n |an | = 1,
n→∞
also hilft auch das Wurzelkriterium nicht weiter.
Höhere Mathematik
225
Folgen und Reihen
Limesversion
Oft prüft man die Existenz von 0 < q < 1 in den Kriterien 10.25 und 10.26 so:
10.28
∞
�
Limesversion
an sei eine Reihe mit
n=1
lim sup
n→∞
�
n
|an | < 1
Dann konvergieren die Reihen
∞
�
n=1
oder
an und
∞
�
n=1
�
�
� an+1 �
� < 1.
lim sup��
an �
n→∞
|an |.
�
n
Beispiel: für k ∈ Z und 0 ≤ q < 1 ist limn→∞ nk q n = q < 1.
Daher gilt nach 10.20 nk q n → 0.
Höhere Mathematik
226
Folgen und Reihen
Satz: Leibnizkriterium
Wir nennen die reelle Zahlenreihe
∞
�
an alternierend, wenn die Reihenglieder
n=1
an ∈ R abwechselnd positiv und negativ sind, also
sign (an ) = −sign (an+1 )
10.29
für alle n ∈ N gilt.
Satz: Leibnizkriterium
Die Reihe
∞
�
n=1
an sei alternierend. Falls die Folge der Absolutbeträge (|an |)n∈N eine
monoton fallende Nullfolge ist, so konvergiert die Reihe
∞
�
an .
n=1
Zusatz: Der Grenzwert s erfüllt für jedes n ∈ N mit sign (an ) = 1
n−1
�
k=1
Höhere Mathematik
ak ≤ s ≤
n
�
ak .
k=1
227
Folgen und Reihen
Beispiel: 10.30
Leibniz’sche Reihe
Leibniz’sche Reihe Die Reihe
∞
�
(−1)n−1
n
n=1
=1−
1 1 1
+ − + ···
2 3 4
heißt die Leibniz’sche
Reihe. Sie ist alternierend und die Folge der Absolutbeträge
�1�
(|an |)n∈N = n n∈N ist eine monoton fallende Nullfolge. Also konvergiert die
Leibniz’sche Reihe. Wir zeigen (viel) später:
∞
�
(−1)n−1
n=1
Höhere Mathematik
n
= ln 2 = 0.6914718055994....
228
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Festlegung Definitionsbereich
11.1 Festlegung Definitionsbereich
Festlegung:
Wir betrachten Funktionen f : D → R, deren Definitionsbereich eine endliche
Vereinigung von Intervallen ist, also z.B.
D = [a, b],
D = [−5, 1) ∪ (3, ∞),
D = R \ {0}.
Der Abschluss D ist die Menge, die durch Hinzunahme der Intervallränder
entsteht, in den obigen Beispielen also
D = [a, b],
Höhere Mathematik
D = [−5, 1] ∪ [3, ∞),
D = R.
229
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
11.2
Definition Grenzwert
Definition Grenzwert
Gegeben sei eine Funktion f : D → R und ein x0 ∈ D.
(a) f besitzt den Grenzwert c ∈ R an der Stelle x0 , wenn zu jedem � > 0 ein
δ > 0 existiert, so dass
|f (x) − c| < �
für alle
x ∈ D \ {x0 } mit |x − x0 | < δ
gilt. Schreibweise: lim f (x) = c.
x→x0
c +ε
c
c −ε
x0 − δ x0 x0 + δ
Höhere Mathematik
230
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Definition Grenzwert
Bemerkung: Der Funktionswert f (x0 ) taucht in der Bedingung an den Grenzwert
von f an der Stelle x0 nicht auf! Dieser wird erst später für den Begriff der
Stetigkeit von f verwendet.
(b) f besitzt den uneigentlichen Grenzwert ∞ (bzw. −∞) an der Stelle x0 , wenn
zu jedem r > 0 ein δ > 0 existiert, so dass
f (x) > r
(bzw. f (x) < −r )
für alle x ∈ D \ {x0 } mit |x − x0 | < δ
gilt. Schreibweise: lim f (x) = ∞ (bzw. lim f (x) = −∞).
x→x0
Höhere Mathematik
x→x0
231
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Definition mit Folgen
Äquivalent zur “�-δ-Definition” 11.2 des Grenzwerts ist die folgende
11.3
Definition mit Folgen
Die Funktion f : D → R hat an der Stelle x0 ∈ D den Grenzwert c, wenn für jede
Folge (xn )n∈N mit Folgengliedern xn ∈ D \ {x0 } und mit dem Grenzwert
lim xn = x0 gilt
n→∞
lim f (xn ) = c.
n→∞
Höhere Mathematik
232
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Grenzwerte bei unendlich
Zwei Varianten von Grenzwerten werden in den nächsten beiden Abschnitten
definiert:
11.4
Definition: Grenzwert von f bei ∞ und −∞
Der Definitionsbereich D enthalte ein Intervall (a, ∞). Dann hat f in ∞ den
Grenzwert c ∈ R, wenn zu jedem � > 0 ein r > a existiert, so dass
|f (x) − c| < �
für alle
x >r
gilt. Schreibweise: lim f (x) = c.
x→∞
Entsprechend: lim f (x) = c sowie uneigentliche Grenzwerte lim f (x) = ∞ etc.
x→−∞
x→∞
Bemerkung: Endliche Grenzwerte c für x → ∞ bzw. x → −∞ sind bei der
Kurvendiskussion die horizontalen Asymptoten von f .
Höhere Mathematik
233
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
11.5
rechtsseitiger und linksseitiger Grenzwert
rechtsseitiger und linksseitiger Grenzwert
a) f besitzt den rechtsseitigen Grenzwert c ∈ R an der Stelle x0 , wenn zu jedem
� > 0 ein δ > 0 existiert, so dass
|f (x) − c| < �
für alle
x ∈ D mit x0 < x < x0 + δ
gilt. Schreibweise: lim f (x) = c.
x→x0 +
b) f besitzt den linksseitigen Grenzwert c ∈ R an der Stelle x0 , wenn zu jedem
� > 0 ein δ > 0 existiert, so dass
|f (x) − c| < �
für alle
x ∈ D mit x0 − δ < x < x0
gilt. Schreibweise: lim f (x) = c.
x→x0 −
Ebenso: lim f (x) = ∞ etc.
x→x0 +
Höhere Mathematik
234
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
rechtsseitiger und linksseitiger Grenzwert
Bemerkung:
Am Randpunkt a eines Intervalls (a, b) oder [a, b] ist der Grenzwert aus
Definition 11.2 das gleiche wie der rechtsseitige Grenzwert.
An einer Stelle x0 ∈ (a, b) (also im Inneren des Intervalls) existiert der
Grenzwert c von f genau dann, wenn sowohl der rechtsseitige als auch der
linksseitige Grenzwert existieren und gleich c sind, also
lim f (x) = lim f (x) = c
x→x0 +
x→x0 −
gilt.
Höhere Mathematik
235
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Rechenregeln für Grenzwerte
Die Rechenregeln für Grenzwerte von Folgen lassen sich auf Grenzwerte von
Funktionen übertragen.
11.6
Rechenregeln für Grenzwerte
Gegeben seien zwei Funktionen f : D → R und g : D → R sowie ein x0 ∈ D.
Weiter seien lim f (x) = c und lim g (x) = d. Dann gilt
x→x0
x→x0
a) lim (αf (x) + βg (x)) = αc + βd für alle α, β ∈ R.
x→x0
b) lim (f (x)g (x)) = cd.
x→x0
f (x)
c
c) Falls g (x) �= 0 für alle x ∈ D und d =
� 0 gilt, so ist lim
= .
x→x0 g (x)
d
Höhere Mathematik
236
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
11.7
Stetigkeit
Stetigkeit
Gegeben sei eine Funktion f : D → R.
a) f heißt stetig an der Stelle x0 ∈ D (auch: “stetig in x0 ”), wenn
lim f (x) = f (x0 ) gilt.
x→x0
b) f heißt stetig, wenn f in jedem Punkt x0 ∈ D stetig ist.
Beachte: Die Grenzwertdefinition 11.3 und 11.2 besagt:
f : D → R ist stetig an der Stelle x0 ∈ D genau dann, wenn
∀� > 0 ∃δ > 0 ∀x ∈ D : (|x − x0 | < δ =⇒ |f (x) − f (x0 )| < �).
f : D → R ist stetig an der Stelle x0 ∈ D genau dann, wenn für jede Folge
(xn )n∈N mit Folgengliedern xn ∈ D und dem Grenzwert lim xn = x0 gilt:
n→∞
lim f (xn ) = f (x0 ).
n→∞
Höhere Mathematik
237
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Stetigkeit
y

−(x + 2)








1
1


−

x +2
2
f (x) =


1


sin


x




 �
1 − (x − 3)2
für − 3 < x ≤ −2
für − 2 < x ≤ 0
für 0 < x ≤ 2
für 2 < x < 4
1
−3
−2
2
4
Verschiedene Typen von Unstetigkeit
Höhere Mathematik
238
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Rechenregeln für stetige Funktionen
Bemerkung: Die letzte Aussage wird häufig zur Grenzwertberechnung von Folgen
verwendet: Falls die Folge (an )n∈N gegen a konvergiert und f stetig an der Stelle a
ist, so darf der Grenzwert “hineingezogen’ werden:
�
�
lim f (an ) = f lim an = f (a).
n→∞
n→∞
Als direkte Folgerung aus 11.6 ergibt sich
11.8
Rechenregeln für stetige Funktionen
Die Funktionen f , g : D −→ R seien stetig in x0 . Dann gilt:
a) Für beliebige Skalare α, β ∈ R ist die Funktion αf + βg stetig in x0 .
b) Das Produkt fg ist stetig in x0 .
c) Falls g (x) �= 0 für alle x ∈ D gilt, so ist der Quotient
f
g
stetig in x0 .
Die Summe von Funktionen ist wie in 6.2 definiert, Produkt und Quotient
entsprechend.
Höhere Mathematik
239
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
11.9
Der Vektorraum der stetigen Funktionen
Der Vektorraum der stetigen Funktionen
Die Menge aller stetigen Funktionen f : D → R bildet einen reellen Vektorraum,
C (D) := {f : D → R | f ist stetig}.
Hintereinanderausführung von Funktionen:
Gegeben sind zwei Funktionen f : Df → R und g : Dg → R. Der Bildbereich
f (Df ) sei eine Teilmenge von Dg . Dann ist die zusammengesetzte Funktion
g ◦ f : Df → R,
(g ◦ f )(x) = g (f (x))
definiert.
11.10
Zusammengesetzte Funktionen
Falls f : Df → R stetig an der Stelle x0 und g : Dg → R stetig an der Stelle f (x0 )
ist, so ist die zusammengesetzte Funktion g ◦ f : Df → R stetig an der Stelle x0 .
Höhere Mathematik
240
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Lemma
Die folgende Aussage liegt vielen Untersuchungen zu Grunde.
11.11
Lemma
Die Funktion f : D → R sei stetig an der Stelle x0 ∈ D und es gelte f (x0 ) > c für
irgendeine Zahl c ∈ R. Dann existiert ein δ > 0 so, dass
f (x) > c
für alle
x ∈ D mit |x − x0 | < δ
gilt. (Entsprechende Aussagen gelten für f (x0 ) < c bzw. f (x0 ) �= c.)
Bemerkung: Ist z.B. f (x0 ) �= 0, so gibt es sogar eine offene Umgebung
(x0 − δ, x0 + δ) ∩ D von x0 , in der keine Nullstelle von f liegt.
Höhere Mathematik
241
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
11.12
Zwischenwertsatz
Zwischenwertsatz
Sei f : D → R stetig und [a, b] ⊆ D ein abgeschlossenes beschränktes Intervall.
Dann nimmt f auf dem Intervall [a, b] jeden Wert y ∈ R zwischen f (a) und f (b)
an.
y
y = f (x)
f (b)
y
f (a)
a
x0
b
x
Anwendung: Der Nullstellensatz von Bolzano
Die Funktion f : [a, b] → R sei stetig und es gelte f (a)f (b) < 0 (d.h. f (a) und
f (b) haben unterschiedliches Vorzeichen).
Dann existiert ein x0 ∈ (a, b) mit f (x0 ) = 0.
Höhere Mathematik
242
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Zwischenwertsatz
Bemerkung: Der Zwischenwertsatz lässt sich auch so formulieren, dass
unbeschränkte Intervalle zugelassen sind:
Es sei D ein Intervall und f : D → R stetig. Dann nimmt f jeden reellen Wert y
mit
inf f (x) < y < sup f (x)
x∈D
x∈D
an. Insbesondere ist der Bildbereich f (D) ebenfalls ein Intervall.
Beispiel hierzu:
Ist D = (a, ∞) und gilt lim f (x) = c sowie lim f (x) = d(incl. der
x→a+
x→∞
uneigentlichen Grenzwerte für c und d), so nimmt f jeden Wert des offenen
Intervalls (c, d) bzw. (d, c) an.
Höhere Mathematik
243
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Satz vom Maximum
Ein abgeschlossenes beschränktes Intervall [a, b] nennt man kompakt.
11.13
Satz vom Maximum
D = [a, b] sei ein kompaktes Intervall und die Funktion f : D → R sei stetig.
Dann nimmt f auf [a, b] sein Maximum und sein Minimum an; d.h. der
Bildbereich f (D) ist das kompakte Intervall
f (D) = [c, d]
mit
c = min f (x),
x∈D
Höhere Mathematik
d = max f (x).
x∈D
244
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
Satz zur Umkehrfunktion
D sei ein Intervall und f : D → R sei stetig. Der Bildbereich J = f (D) ist
wiederum ein Intervall (siehe 8.12). Wir setzen f˜ : D → J mit f˜(x) = f (x) für alle
x ∈ D und erhalten so eine surjektive Funktion.
11.14
Satz zur Umkehrfunktion
D sei ein Intervall und f : D → J mit J = f (D) sei stetig. Dann gilt:
a) Die Funktion f ist genau dann bijektiv, wenn sie streng monoton ist.
b) Ist f streng monoton wachsend (also auch bijektiv), so ist die
Umkehrfunktion f −1 ebenfalls streng monoton wachsend und stetig.
Die entsprechende Aussage gilt für streng monoton fallendes f .
Höhere Mathematik
245
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
11.15
Komplexe Grenzwerte
Komplexe Grenzwerte
Die Aussagen über Grenzwerte und Stetigkeit gelten analog für Funktionen, die
auf geeigneten Teilmengen der komplexen Ebene definiert sind und oder komplexe
Werte haben.
Im Gegensatz zum reellen Fall gibt es aber keine einseitigen Grenzwerte bei
Funktionen, die auf Teilmengen von C definiert sind.
In C gibt es nur einen einzigen Grenzwert für unendlich:
zn → ∞ :⇐⇒ |zn | → ∞
Höhere Mathematik
246
Potenzreihen
Kap. 12: Potenzreihen
Eine Potenzreihe ist (informell gesprochen) ein “Polynom von unendlichem Grad”
f (z) = a0 + a1 z + a2 z 2 + . . . + an z n + . . . ,
wobei (a0 , a1 , . . .) vorgegebene (reelle oder komplexe) Zahlen sind.
Die an bezeichnet man (wie bei Polynomen) als Koeffizienten der Potenzreihe.
Man kann auch eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt z0 betrachten. Dann hat
sie die Form
f (z) = a0 + a1 (z − z0 ) + a2 (z − z0 )2 + . . . + an (z − z0 )n + . . .
Höhere Mathematik
247
Potenzreihen
12.1
Definition: Potenzreihe
Definition: Potenzreihe
Es seien komplexe Zahlen an , n ∈ N0 , sowie ein Punkt z0 ∈ C gegeben. Dann heißt
∞
�
n=0
an (z − z0 )n
eine Potenzreihe mit dem Entwicklungspunkt z0 . Diejenigen Punkte z in C, für die
die Reihe konvergiert, bilden den Konvergenzbereich D der Potenzreihe, und
f : D → C,
f (z) =
∞
�
n=0
an (z − z0 )n
ist die durch die Potenzreihe dargestellte Funktion.
Diese Zahlenreihe konvergiert also für z ∈ D und divergiert für z �∈ D.
Wir betrachten in vielen Fällen auch den reellen Konvergenzbereich D ∩ R.
Höhere Mathematik
248
Potenzreihen
Beispiele
12.2 Beispiele:
a) Die geometrische Reihe
∞
�
z n wurde bereits in 10.18 behandelt. Sie ist eine Potenzreihe
n=0
mit dem Entwicklungspunkt z0 = 0 und die Koeffizienten an = 1 für alle n ∈ N0 . Ihr
Konvergenzbereich (in C) ist der offene Einheitskreis (ohne den Rand)
D = {z ∈ C | |z| < 1}
und es gilt
∞
�
1
f (z) =
=
zn
1−z
n=0
für alle
z ∈ D.
∞
�
zn
b) Die Potenzreihe
hat den Entwicklungspunkt z0 = 0 und die Koeffizienten a0 = 0,
2
n
n=1
an = n12 für n ∈ N. Ihr Konvergenzbereich (in C) ist der abgeschlossene Einheitskreis (mit
Rand)
D = {z ∈ C | |z| ≤ 1}.
Also ist durch die Potenzreihe eine Funktion definiert:
g : D → C,
∞
�
zn
g (z) =
.
2
n
n=1
Wir zeigen später, dass diese Funktion stetig und sogar unendlich oft differenzierbar ist.
Höhere Mathematik
249
Potenzreihen
Satz und Definition: Konvergenzradius
Der Konvergenzbereich D der Potenzreihe
∞
�
n=0
an (z − z0 )n ist
ein Kreis in C mit dem Mittelpunkt z0 (mit oder ohne einige Randpunkte),
ein Intervall in R mit dem Mittelpunkt z0 (mit oder ohne Randpunkte).
Denn es gilt:
12.3
Satz und Definition: Konvergenzradius
Zu der Potenzreihe
∞
�
n=0
an (z − z0 )n existiert eine eindeutig bestimmte reelle Zahl
r ≥ 0 (oder r = ∞), so dass gilt:
(i) Die Reihe konvergiert absolut für jedes z ∈ C (bzw. z ∈ R) mit |z − z0 | < r ,
(ii) Die Reihe divergiert für jedes z ∈ C (bzw. z ∈ R) mit |z − z0 | > r .
r heißt der Konvergenzradius der Potenzreihe.
Höhere Mathematik
250
Potenzreihen
Berechnung des Konvergenzradius von Potenzreihen
Der Konvergenzradius besitzt eine Berechnungsformel.
12.4
Berechnung des Konvergenzradius von Potenzreihen
Der Konvergenzradius r der Potenzreihe
an ∈ C kann wie folgt berechnet werden:
∞
�
n=0
an (z − z0 )n mit den Koeffizienten
|an |
�
r=
oder r = lim
(falls der Limes existiert und an �= 0).
n
n→∞
|a
|
n+1
lim sup |an |
1
n→∞
Hierin sind die Spezialfälle
r = 0, also Konvergenz nur im Punkt z0 , falls lim sup
n→∞
r = ∞, also Konvergenzbereich D = C, falls lim sup
n→∞
mit eingeschlossen.
Höhere Mathematik
�
n
�
n
|an | = ∞,
|an | = 0,
251
Potenzreihen
Berechnung des Konvergenzradius von Potenzreihen
Bemerkungen:
�
Konvergiert die Folge ( n |an |), so stimmt der lim sup mit dem Grenzwert
überein.
In der Regel
ist der Grenzwert von (|an |/|an+1 |) einfacher zu bestimmen als
�
der von ( n |an |).
Es kommt vor, dass für einige z auf dem Rand des Kreises (also für
|z − z0 | = r ) Konvergenz und für andere Divergenz vorliegt.
Beispiele für reelle Potenzreihen:
∞
�
a)
x n hat den Konvergenzradius 1. Der Konvergenzbereich (in R) ist
n=0
(−1, 1).
b)
∞
�
xn
n
[−1, 1).
hat den Konvergenzradius 1. Der Konvergenzbereich (in R) ist
n=1
c)
∞
�
xn
n=1
n2
Höhere Mathematik
hat den Konvergenzradius 1. Der Konvergenzbereich (in R) ist [−1, 1].
252
Potenzreihen
12.5
Seien
Das Cauchyprodukt
Das Cauchyprodukt
�∞
n=0 an
und
�∞
n=0
bn zwei absolut konvergente Reihen. Definiere
cn :=
n
�
ai bn−i =
i=0
Dann ist die Reihe
�∞
ai bj .
i+j=n
n=1 cn
ebenfalls absolut konvergent, und es gilt
� ∞ �� ∞ �
∞
�
�
�
an
bn =
cn .
n=0
Höhere Mathematik
�
n=0
n=0
253
Potenzreihen
12.6
Das Cauchyprodukt für Potenzreihen
Das Cauchyprodukt für Potenzreihen
Es seien zwei Potenzreihen
f (z)
g (z)
=
=
�∞
− z0 ) n ,
|z − z0 | < rf ,
bn (z − z0 )n ,
|z − z0 | < rg ,
n=0 an (z
�∞
n=0
gegeben. Dann gilt für alle z im Durchschnitt der Konvergenzbereiche (also für
|z − z0 | < min{rf , rg }):
f (z)g (z) =
∞
�
n=0
mit den Koeffizienten
cn :=
cn (z − z0 )n ,
n
�
ai bn−i =
i=0
|z − z0 | < r ,
�
ai bj .
i+j=n
und einem Konvergenzradius r ≥ min{rf , rg }.
Das Cauchyprodukt gilt sowohl für reelle als auch komplexe Potenzreihen.
Höhere Mathematik
254
Potenzreihen
12.7
Die komplexe Exponentialfunktion
Die komplexe Exponentialfunktion
Durch
f : C → C,
f (z) =
∞
�
zn
n=0
n!
wird die komplexe Exponentialfunktion f (z) = e z definiert.
Der Konvergenzradius der Potenzreihe der Exponentialfunktion ist r = ∞,
1
denn für die Koeffizienten an = n!
gilt
|an |
(n + 1)!
=
= n + 1 −→ ∞
|an+1 |
n!
für
n → ∞.
Also ist der Konvergenzbereich die gesamte komplexe Ebene C
√
(Man erhält hier noch einmal als Folgerung limn→∞ n n! = ∞.)
Funktionswerte: e 0 = 1, e 1 = e = 2.71828182845904..., e iπ = −1.
Höhere Mathematik
255
Potenzreihen
Die komplexe Exponentialfunktion
Funktionalgleichung: Für alle z, w ∈ C gilt e z+w = e z e w .
ez ew
=
=
=
=
=
�
� �∞
�
∞
�
�
1 k
1 k
z
w
k!
k!
k=0
k=0
� n
�
∞
� � 1
1
zk
w n−k
k!
(n − k)!
n=0 k=0
∞
n
�
1 � �n � k n−k
z w
n! k=0 k
n=0
∞
�
1
(z + w )n
n!
n=0
(Cauchyprodukt 1)
(binomische Formel)
e z+w .
Hieraus folgt e −z e z = e 0 = 1, also
e z �= 0 für alle z ∈ C,
e −z = e1z für alle z ∈ C.
Höhere Mathematik
256
Potenzreihen
Bemerkung zur Eulerschen Formel
12.8 Bemerkung zur Eulerschen Formel: Die Eulersche Formel 1.31
e ix = cos x + i sin x
für
x ∈R
impliziert nun Potenzreihen für sin x und cos x:
e ix =
∞
�
(ix)n
n=0
n!
=
∞
�
(−1)n x 2n
n=0
(2n)!
+i
∞
�
(−1)n x 2n+1
n=0
(2n + 1)!
.
Also haben wir
sin x =
∞
�
(−1)n x 2n+1
n=0
(2n + 1)!
und
cos x =
∞
�
(−1)n x 2n
n=0
(2n)!
.
Aus diesen Formeln sehen wir sofort: sin(−x) = − sin x und cos(−x) = cos x.
Insbesondere ist e −ix = cos(−x) + i sin(−x) = cos x − i sin x = e ix . Wir erhalten
ausserdem die Beziehungen
�
1 � ix
−ix
cos x =
e +e
2
und
�
1 � ix
−ix
sin x =
e +e
.
2i
Die Potenzreihen von sin x und cos x haben daher beide den Konvergenzradius ∞.
Die Eulersche Formel gilt für alle x ∈ R (sogar in C).
Höhere Mathematik
257
Exponentialfunktion in R
Potenzreihen
12.9 Exponentialfunktion in R
Die Exponentialfunktion
exp : R → (0, ∞),
x
exp(x) = e =
∞
�
xn
n=0
x2
x3
=1+x +
+
+ ···
n!
2
6
ist positiv, streng monoton wachsend. Ausserdem gilt für alle n ∈ N0 :
x
limx→∞ xe n = ∞ und limx→−∞ |x n |e x = 0.
Positivität: Wir sehen aus der Potenzreihe unmittelbar, dass e 0 = 1 und e x > 1 für alle
x > 0. Ausserdem ist e −x = 1/e x , und daher ist e x ∈ (0, 1) für x < 0.
Monotonie:
Ist x > y , so setze d := x − y > 0. Dann ist 1 < e d und Multiplikation mit e y > 0 ergibt:
e y < e y e d = e y +d = e x , also e y < e x für y < x.
Grenzwerte:
Aus der Potenzreihe sehen wir sofort, dass für x > 0 und festes n ∈ N0 gilt: e x ≥
Damit folgt
ex
lim n = ∞, insbesondere lim e x = ∞..
x→∞ x
x→∞
Mit e −x = 1/e x folgt ebenso
lim |x|n e x = 0,
x→−∞
Höhere Mathematik
insbesondere
x n+1
.
(n+1)!
lim e x = 0.
x→−∞
258
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