Journal-Club - BIOspektrum

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Rundschau
B I O S P E K T R U M • 6. 0 0 • 6. J A H R G A N G
Journal Club
von Lothar Jaenicke
Enzyme – von Generalisten zu Spezialisten
쑺 Heutige Enzyme sind hochspezifische und effiziente Biokatalysatoren, die wohl aus einem gemeinsamen Vorläufer entstanden sind,
der weniger spezifisch und weniger effizient war. Dieser Vorgang kann
mit Raffinesse und kombinatorischer Retroevolution zum Ausgangspunkt zurückgeführt werden, so daß ein Enzymgeneralist entsteht,
der wie das Primordialenzym vieles, zwar schlecht, aber immerhin
macht. Kürzlich hat A. Ferscht (M.M. Altamirana et al., Nature 403 (2000)
617-622), wie hier im Journal-Club berichtet, die direkte Evolution
von Enzymen der Tryptophan-Biosynthese aus einem β/α- (=TIM)Barrelvorläufer experimentell nachgewiesen. Ein weiteres, sehr schönes Beispiel für eine solche Entwicklung geben D. Lang, R. Thoma
M. Henn-Sax, R. Sterner, M. Willmanns (Science 289 (2000) 1546-1550)
am Beispiel der zwei Enzyme HisA und HisF in der Histidinsynthese
von Thermotoga maritima, einem hochthermophilen Archaeon. HisA
isomerisiert den Purinabkömmling Phosphoribosyl-formino-AICAR
(AICAR = 5-Aminoimidazol-4-carboxamid-ribotid) zu Phosphoribitylformimino-AICAR, lagert also eine Aminoaldose in die Aminoketose
um; HisF bewirkt die amidierende Spaltung dieses Produkts zu AICAR, das zum Purin rezyklisiert wird, und Imidazol-glycerolphosphat,
aus dem dann Histidin wird. Beide Enzyme sind β/α-Barrels, haben
aber nur 22% Sequenzähnlichkeit, allerdings mit 5 konservierten Aminosäuren, davon das katalytische Aspartat. HisF ist katalytisch in der
HisA-Reaktion aktiv, nicht aber umgekehrt. Strukturell sind beide Proteine praktisch gleich, und stimmen mit den Entsprechungen in der
Tryptophansynthese überein. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sie
durch divergente Entwicklung aus einem und demselben Ur-Vorläufer entstanden sind, der vermutlich ein Homodimer aus zwei identischen Halbfässern war. Im Lauf der Entwicklung gewannen die Enzyme ihre spezifischen katalytischen und neue regulatorische Zentren zum heutigen Stand.
Von Quappe zum Frosch im Ei
쑺 Amphibien heißen so, weil sie ihre Metamorphose zwischen Wasser und Land teilen. Es gibt unter ihnen aber vielerlei Wasserscheue,
die ihre Embryogenese direkt auf dem Festen und ohne Kaulquappenstadium beenden. Dazu gehört der portorikanische Landfrosch
Eleutherodactylus coqui, dessen nur 3mm große Jungfröschchen drei
Wochen nach der Befruchtung aus der Schleimkapsel des Eies schlüpfen. Man weiß, daß für die Metamorphose der kiemenatmenden und
ammoniakausscheidenden Kaulquappe zum lungenatmenden, aus
Arginin Harnstoff bildenden Frosch Thyroidhormone (TH, besonders 3,3',5-Triiodothyronin) und dessen Rezeptoren (TR) nötig sind.
Bei der Untersuchung dieses direkt entwickelnden Amphibiums zeigen E.M. Callery und R.P. Elinson (Proc. Natl. Acad. Sci. USA 97 (2000)
2625-2620), daß er, trotz seiner ganz und gar geänderten Ontogenie,
doch eine TH-abhängige Metamorphose, und zwar noch im Ei, durchläuft. TR (und folglich auch TH) werden nach molekularbiologisch/
genetischer Analyse vor dem Schlüpfen gebildet. Das neu vorgeschlagene Entwicklungsmodell zieht Embryogenese und Metamorphose
zu einem Block zusammen, statt der bisherigen Vorstellung, daß die
letztere im Fall der Landentwicklung unterbleibt. Es ist also das
typische konservative Basteln der Natur, die nichts mehr wirklich
aufgibt.
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Insulin-Rezeptoren der
Insekten
쑺 Insulinartige Peptide sind sehr verbreitet; es gibt Glieder dieser Hormonfamilie bei
Invertebraten und Vertebraten, z.B. die insulinartigen Wachstumsfaktoren (IGFs), die
Relaxine, Bombyxine usw.. Sie wirken über
spezifische Insulin-Rezeptoren (IR), tetramere, Membran-durchstoßende Tyrosinkinasen, die sich auch bei Insekten finden, als
Stoffwechsel- und Wachstumsregulatoren.
Bei der Expression von IR-Teilstücken in
Spodoptera frugiperda (Sf9)-Insektenzellen
fanden A.S. Andersen et al. (J. Biol. Chem.
275 (2000) 16948-16953) und auch M. Doverskog et al. (Biochem. Biophys. Res. Comm.,
266 (2000) 674-679) ein Bindeprotein von 27
kDa aus zwei Ig-artigen Domänen, das diese Zellen autochthon bilden. Es bindet auch
IGFs, Minipro- und Proinsuline mit sehr
hoher Affinität (70pM) . Die Abtastung der
Bindespezifität für Insulin B-Teilketten
zeigt, daß der Sf9-Binder eine hochkonservierte Region in Insulinproteinen erkennt,
die aber eine andere ist, als die des klassischen IR, jedoch sehr ähnlich derjenigen von
Drosophila (L. Petruzzelli et al., J. Biol. Chem.
260 (1985) 16072-10675).
Amyloidfasern aus
Transportproteinen
쑺 Bei Amyloidosen polymerisieren normalerweise-unlösliche, funktionelle Zellproteine zu unlöslichen Fasern, die schwerste Behinderungen des Transports und der Zellkommunikation verursachen: „Alzheimer“,
„Kuru“, „Rinderwahnsinn“ sind die Schrekkensworte.
Bei der Familiären Amyloid-Neuropathie ist das Ausgangsprotein eine Variante
des Transthyretins (TTR), eines Serum- und
Cerebrospinal-Proteins, das mit dem Transport von Thyroxin und Retinol in Verbindung gebracht wird. TTR ist ein ringförmiges Homotrimeres von 55kDa mit einem
stark hydrophoben Transportkanal in der
Mitte. Die Untereinheit (13,8 kDa) bildet
einen β-Sandwich aus zwei β-Faltblättern
zwischen je zwei β-Strängen, die durch eine
α-Helix zusammengehalten werden; die
„Butterseite“ enthält einen essentiellen
Valinrest. Wird dieser gegen weniger hydrophobes, sperrigeres Methionin ausgetauscht,
verliert das Tetramer den Zusammenhalt
und desaggregiert bereits in physiologischem Milieu leicht. Dies ist in dem Fall irreversibel. Den denaturierten Zustand zeigt
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die Abnahme der Tryptophan-Fluoreszenz;
die Zunahme nicht-polarer Außenflächen
die Fluoreszenzbindung von 1-Anilinonaphthalin-8-sulfonsäure. Die nicht-native
Untereinheit verhält sich also nicht als statistisches Knäuel. A. Quintas, M.J.M. Saraiva
und R.M.M. Britaol (J. Biol. Chem. 274 (1999)
32943-32949) schließen daraus, daß die irreversiblen Monomeren sich durch nichtnative Vielfach-Aggregation zu stabilisieren
suchen, indem sie zunächst noch reversible,
hochmolekulare, lösliche Aggregate durch
Zusammenschluß der Lipidphasen bilden,
die dann aber die Keime für die Faserbildung zum Amyloid sind, das aus der Gleichgewichtsmischung ausfällt und alles hinter
sich herzieht. Punktmutation an strategischer Stelle erzeugt also TTR-Varianten von
höherer Amyloidbildungstendenz.
Gelbfluoreszenz-Indikator
für Chlorid-Kanäle
쑺 Gelbfluoreszierendes Protein (YFP) ist
eine Vierpunktmutante des grünfluoreszierenden GFP, dessen Fluoreszenz dadurch
nach 520nm Rot-verschoben ist und das darüber hinaus durch den Austausch von Histidin 148 gegen Glycin oder besser noch Glutamin Anionen Zugang zum Fluorophor gibt
(M.A. Eislinger et al., S.J. Remington, Biochemistry 38 (1999) 5296-5301). Es ist daher
nicht nur pH-empfindlich, wie GFP, sonders
spricht auch auf Halogene oder Pseudohalogene an. Das kann als Sensor für solche
Anionen in Form eines zellulären Halid-Indikators genutzt werden. Das gereinigte rekombinante YFP hat einen pK von 7.14; dieser wird in Gegenwart von schwach hydratisierten chaotropen Anionen in der Reihenfolge ClO4->I–>SCN>NO3–>Cl–>Br–>HCOO–
>CH3COO auf 7.86 verschoben. Das Maximum liegt bei 150mM Cl–. Auch Circulardichroismus und Absorptionsspektroskopie
beweisen spezifische Halid (Cl–)-Bindung
und Stopped flow-Messungen eine 1:1Stöchiometrie direkt benachbart zum Triaminosäure-Chromophor. Hält man den pHWert auf 7.5 wird die Fluoreszenz, wiederum in der angegebenen Reihenfolge stark
gequencht.
Dies Halid-Sensor-Protein, das in die
Zellen eingebracht werden kann, hat eine
Zukunft als Screening-Indikator für Anionenkanäle, z.B. den Cl--Kanal CFTR der
Cystischen Fibrose – wohl kaum in der analytischen Chemie, um Silber zu sparen oder
die Umwelt davor zu schützen. (S. Jayaraman, P. Haggie, R.M. Wächter, S.J. Remington,
A.S. Verkman, J. Biol. Chem. 275 (2000) 60476050).
Die Licht-getriebene
Energie-Schaufel der
Chloroplasten arbeitet im
14er-Takt
쑺 Die Maschinerie der F0-ATPase der
Pflanzenchloroplasen arbeitet nach dem
gleichen Mechanismus, wie die von E. coli
– was für E. coli gilt, gilt für E. lefant und ist
eine Flux-getriebene Turbine in der Membran; im bakteriellen Motor aus 12, bei Hefe
und Tieren aus 10 – aber nach einer Mitteilung von N.A. Dencher und D.J. Müller
(Nature 405 (2000) 418 - 419) in PflanzenChloroplasten aus 14 identischen Untereinheiten. Die isolierte und gereinigte F0-ATPase aus Spinat-Chlororoplasten wurde
zweidimensional in Lipid/Detergensschichten intakt rekonstruiert.
Kraftfeld-Rastermikroskopie (AFM)Bilder zeigen zwei Ringtypen mit 5,9 und
7,2 nm Außen- und beidmalig 3,5 nm Innendurchmesser, die als die beiden Teile
des Rotorzylinders angesehen werden. Sie
ragen mit 1,5 bzw. 1,7 nm aus der Membran
heraus und bilden eine stumpfkegelförmige Röhre. Ihre Abbilder und Berechnung
von Kraft-Streuspektren gaben 14-zählige
Symmetrie aus identischen Untereinheiten.
Ein geringer 12-zähliger Anteil scheint in
den Rekonstitutionen enthalten – wohl
kein Artefakt, sondern ein Hinweis auf den
elastischen Schlupf der Transmission zwischen F0 und F1 des Aggregats.
Don’t spend pure thinking
time on a dirty enzyme
쑺 Disulfid-verbrückte Proteine können sich
nur bilden, wenn die bei der Reaktion ProtSH + HS-Prot 씮 Prot-S-S-Prot + 2H+ + 2 e–
entstandenen Elektronen oxidativ unschädlich gemacht werden. Dies geschieht durch
Kopplung an eine Elektronentransportkette
über eine Kaskade von Disulfid-Austauschenzymen, die selbst Dithiole sind (DsbA im
oxidierenden Periplasmaraum, DsbB in der
reduzierenden Innenmembran der Bakterien). Es ist nun sonderbar, daß DsbB unmittelbar mit O reagieren sollte, wie in vitro-Untersuchungen zu zeigen schienen. Deshalb
reinigten M. Bader, W. Muse, D.P. Gassner
und J.C.A. Bardwell (Cell 98 (1999) 217-227)
das Protein von 97 auf >99% – und es arbeitete nicht mehr aerob. Es hatte sein Anschlußprotein verloren, das daraufhin identifiziert
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werden konnte: der Cytochrom bd-Komplex,
der über Ubichinon angeschlossen ist. Ohne
dieses Kettenglied wird auf einen anaeroben
Vorgang über Menadion auf die periplasmatischen Elektronenakzeptoren geschaltet. Davon unabhängig verläuft im Periplasma die
Korrektfaltung durch Disulfid-Isomerasen.
Hierbei werden die Elektronen von NADPH
über Thioredoxin auf die innermembranäre
Disulfid-Isomerase DsbD geschickt und von
dort auf die Isomerase-Katalysatoren DabC
oder DsbG gelenkt. Alle diese Reaktionen
brauchen zwei Elektronen und laufen über
Disulfid-Austauschreaktionen unter Nutzung von Faltungshelferproteinen. – Was für
E. coli gilt, wird auch für den Elefanten gelten. Disulfid-Brückenproteine können sich
auch bei ihm nicht im reduzierenden Cytoplasma bilden, sondern brauchen das oxidierende Kompartiment des Endoplasmatischen Reticulum (ER). Der Primärdonator
scheint nicht, wie bisher angenommen,
Glutathion (bei Hefe) zu sein, sondern ein
Thiol-Protein „Eri1p“ (A.R. Frand, C.A.
Kaiser, Mol. Cell 1 (1993) 171-182), das mit
dem ER verbunden und somit dem DsbB
funktionell äquivalent ist.
Kettenspezifische
Oligoprensynthese – Wie?
쑺 Die heterodimeren Oligoprenyldiphosphat-Synthasen (K. Ogura, T. Koyama, Chem.
Revs. 98 (1998) 1263-1276) enthalten eine bihelikale Ratsche: Die eine arbeitet, die andere mißt und stoppt. Die Heptaprenyldiphosphat-Synthase von B. stearothermophilus bricht
die Kettenverlängerung nach genau sieben
Prenylresten ab. Der Grund liegt in der Struktur der Meßschiene im Protein. Katalytisch
aktiv ist das erste Aspartat-reiche Motiv
(FARM); vor ihm liegt die acht Aminosäuren
lange Raste ..I..AS...(FARM).. K. Hirooka et
al., T. Nishino, die diese Enzyme kloniert haben, zeigen nun (Eur. J. Biochem. 267 (2000)
4520-4528) durch Aminosäureaustausche, wie
die Zahl der Dimethylallyl-PP-Additionen
kontrolliert ist: Ersatz von I(-8) durch G gibt
ein Enzym, das nach 4 Runden (bei C20)
stoppt; A(-5)/Y und S(-4)/F, mit großem aromatischen Rest anstelle eines unscheinbaren,
entfernt den Hemmschuh, und das Enzym
läuft über 7 Runden hinaus. Die Prenylkette
wächst also auf der Oberfläche der PräFARM-Reste. Diese Ergebnisse sind wohl
auch für die Frage der Kettenverlängerung bei
der Fettsäure-Synthesespirale beachtlich, die
ja ebenfalls nach bestimmten Längen ab-
bricht. Man deutete es bisher unindividualisiert als längenabhängige Haftfestigkeit im lipophilen Reaktionsort.
Wie aus einer Protease ein
Gefrierschutzprotein wird
쑺 Die Gefrierschutz-Glykoproteine (GSGP.)
der antarktischen Fische sind aus Trypsinogenen des Fischpankreas entstanden, also aus funktionell ganz unverwandten Proteinen. Die GSGP
sind eine isologe Reihe von sich bis zu 8mal wiederholenden Disaccharido(Ds)-Tripeptiden
T(ODs)-A/P-A mit L/F-I/N-F-Zwischenstükken, die sich an im Gewebe bildende Eiskristalle anlagern und sie am Wachstum hindern, sodaß die Körperflüssigkeiten nicht erstarren. Es
wurden nun von C-H. Cheng und L. Chen (Nature 401 (1999) 443-444) transkriptional aktive
chimäre Gene in der Genom-Bibliothek des
antarktischen Riesen-Zahnfischs Dissostichus
mawsoni gefunden, die sowohl das GSGP wie
die Pankreas-Protease codieren und damit den
Protease-Ursprung und den Entstehungsweg
dokumentieren. Das komplette chimäre Gen
Dm7M ist etwa 11 kbp lang, hat 6 Exons und 5
Introns und ist genau gleich aufgebaut, wie die
unabhängig isolierten tryptischen Protease-Gene
mit Ausnahme des Exons 2, in dem das GSGPMotiv versiebenfacht ist. Seine Lage im ChimärGen entspricht dem TAA-Motiv im ProteaseGen, entstand also (zusammen mit dem Zwischenstück unbekannter Provenienz) durch wiederholte Gen-Verdoppelung. Das Chimär-Gen
ist kein Pseudo-Gen, sondern hat alle Merkmale der Selbständigkeit und wird aus Dm-Pankreas-mRNA revers transkribiert. Das GSGP
begann also als Partialmotiv der Ur-Protease,
vergrößerte sich durch Duplikationen und wurde durch Abwerfen des Protease-Ballasts unabhängig. Das gibt einen bisher einzigartigen Einblick in die Werkstatt der Evolution.
Kollagen-InhibitorScreening mit
Caenorhabditis
쑺 Kollagene sind für den ordnungsgemäßen
Zusammenhalt von Zellen zu definierten und
differenzierten Geweben nötig. Sie sind damit die verbreitetsten Proteine bei Tieren (in
Pflanzen entsprechen ihnen etwa die pentosylierten Extensine). Selbst der Fadenwurm
Caenorhabditis elegans enthält ca. 1 Gewichtsprozent Kollagen in etwa 120 verschiedenen
Ausgaben. Ihnen allen ist charakteristisch, daß
sie 4-Hydroxyprolin für die Glykosylierung
und die Vernetzung haben. Die posttransla-
tionale Modifikation wird durch die Prolin-4hydroxylase eingeführt. Diese besteht hier,
wie bei Wirbeltieren, aus α- und β-Untereinheiten (= Protein-Disulfidisomerase), bei jenen als Tetramer (α2β2), bei diesem als (α,β)Dimer. Das Enzym arbeitet mit Fenton-artigem Fe2+, Ascorbat und α-Ketoglutarat. Molekulargenetische Analyse zeigt nun, daß die
α-Untereinheit von zwei Genen, dpy-18 und
phy-2, codiert wird. Wird dpy-18 deletiert, bilden die Würmer eine aberrante Cuticula und
platzen im Jungstadium. Mutanten in phy-2
bleiben zwar am Leben, sind aber nur überlebensfähig, wenn dpy-18 arbeitet. Die Doppelmutante ist zum Prüfen von Inhibitoren
der Prolyl-4-hydroxylase geeignet, die als
Antibiotika Interesse gefunden haben. (J.
Friedman et al., J. Kimble, Proc. Natl. Acad. Sci.
USA 97 (2000) 4736-4741).
Nisin als Letzte-HilfeAntibiotikum durchlöchert
die Bakterienwand
쑺 Nisin Z ist ein Antibiotikum, das bestimmte Stämme von Lactococcus lactis zur Konkurrenzabwehr ins Medium ausscheiden. Es ist für Tiere ungiftig, aber überaus wirksam gegen grampositive Bakterien und wird daher breit von der
Nahrungsmittelindustrie eingesetzt. Das Ausgangs-34er-Peptid wird posttranslational durch
Dehydratisierungen und S(=Lanthionin)-Brükkenbildung modifiziert, ist insgesamt positiv geladen und amphipathisch, so daß es als Porenbilder in der Zellwand von Grampositiven fungieren kann. Das allein aber erklärt nicht seine
1000fach höhere Aktivität im Vergleich zu ähnlichen Kationen-Detergenzpeptiden (Defensinen) aus anderen Organismen. E. Beukink, I.
Wiedemann, V. van Kraaij, O.P. Kuipers, H.-G.
Sahl und B. de Kruijff (Science 286 (1999) 23612364) stellen nun fest, daß Nisin tatsächlich einen spezifischen Rezeptor-Angriffsort an der
Bakterienzellwand hat: Es bindet, genau wie
Vancomycin (das Rettungsantibiotikum, wenn
alle anderen Stricke gerissen sind, das aber auch
bereits von seinem Glanz verliert) am Membranverankerten Zellwandvorläufer Gram-positiver,
dem Lipid II. Dieses besteht aus einem in der
Membran „gelösten“ Undekaprenylrest, der
nach außen hin über einen Diphosphat-Spacer
Muramyl-N-Acetylglucosid trägt. Mit dem Muramylrest ist ein Pentapeptid verknüpft, das terminal Lys-Ala-Ala trägt. Hieran binden die beiden Antibiotika, Vancomycin und Nisin Z, ganz
spezifisch und mit hoher Affinität, erzugen dadurch Löcher in der Zellwand, sodaß die bakteriellen Transportsysteme zusammenbrechen.
Eine Resistenz gegen dies Antibiotikum wurde
bisher trotz seines massiven Einsatzes im Lebensmittelsektor nicht beobachtet; es ist aber als
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Peptid leicht verdaubar. Relativ unscheinbare
(chemische oder mutative) Änderungen in den
beiden N-endständigen Lanthioninringen (z.B.
Ser/Thr = Methyl-lantionin) von Nisin Z bewirken ganz erheblichen Wirksamkeitsverlust. Vielleicht ist es auch möglich, stabilere oder noch
wirksamere Nisine zu erzeugen?
Sulfotransferasen:
S-Überträger aus
polarisierten Persulfiden
쑺 Thiosulfat (HO3S-SH) ist das Anhydrid
zwischen Sulfat und Schwefelwasserstoff. Die
SH-Gruppe, die biologisch aus Cystein-SH
gebildet wird, ist nukleophiles Substrat von
Überträgerenzymen. Diese sind auffallend am
C-Terminus sequenzgleich mit der Sulfotransferase Rhodanese, die Cyanid (CN–) in
Rhodanid (SCN–) umwandelt, wobei vorübergehend ein Persulfid (RS-SCN–) auftritt. Eine
vielbeschäftigte Sulfotransferase ist ThiI, ein
E. coli-Enzym, beteiligt an der Biosynthese
des Thiazolrings von Thiamin und von tRNA-
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gebundenem Thiouracii aus Uracil#8. P.M.
Palenchar et al., E.G. Mueller (J. Biol. Chem.
275 (2000) 8283-8286) zeigen, daß ThiI tatsächlich, genau wie Rhodanese S von Thiosulfat auf CN– überträgt. Katalytisch zentral
ist ein Cystein-Rest (#456). Mit diesem wird
vermutlich während der Katalyse wiederum
das Protein-CysS-SH gebildet, das sodann mit
einem Nukleophil reagiert und schließlich S
(als S2– nicht, wie bisher diskutiert als S0!,)
überträgt. In ähnlicher Weise kann man sich
auch den Einbau von S in Fe/S-Cluster, Biotin,
Liponsäure, Molybdopterin usw. vorstellen.
Prot(S):S: + U:(P)씮Prot(S) + :S:U + :(P)
Das hochwirksame Mycobakterien-Antigen ist 3-Formyl-1-butylpyrophosphat
쑺 Die meisten T-Lymphozyten erkennen über
α,β-Rezeptoren an MHC-Moleküle gebundene antigene Peptide; die „unkonventionellen“ T-Zellen dagegen, über γ,δ-Rezeptoren
nicht-peptidische, lipide, von mikrobiellen
Pathogenen abgegebene Antigene. Diejenigen der Mycobacterien sind phosphorylierte,
auch nucleotidisch konjugierte „Phosphoantigene“, teils Isoprenoide (s. Y. Tanaka et al.,
B.B. Bloom, Nature 275 (1995) 155-158), teils
aber, wie nun C. Belmant et al., J.J. Fournié
(J. Biol. Chem. 274 (1999) 32079-32084) mitteilen, Pyrophosphatester von 3-Formyl-1-butanol (FB). Diese „TUBag“-Verbindungen,
von denen bisher vier HP-chromatographisch
isoliert wurden, davon zwei als Diester mit γUTP und -TTP, sind im nM-Bereich und sehr
selektiv antigen, somit drei Zehnerpotenzen stärker als die Isopentenylpyrophosphate (IPP). Die
Struktur der neuen 5C-Phosphodiester-Antigene wurde durch die üblichen spektroskopischen
Verfahren ermittelt. Ihre Vorläufer sind nicht
Mevalonat-bürtige Isoprenderivate, sondern,
nach dem Rohmer-Schema (M. Rohmer et al.
J. Am. Chem. Soc. 118 (1996) 2564-2566) 1Desoxy-D-xylulose-5-P, das über 2C-MethylD-erythrit-4-P, 2,3-redukto-isomerisiert und
dann zum Aldehyd (bzw. Isopentenyl)-PP
umgewandelt wird. Beide Funktionalitäten
sind für die Antigenwirkung erforderlich. Die
pyrophosphorylierende Kinase beschreiben
B.M. Lange und R. Croteau (Proc. Natl. Acad.
Sci. USA 94 (1999) 13714-13719).
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Hsp70 hemmt die
Bildung des funktionellen
Apoptosoms
쑺 Caspasen, eine Familie von Cystein-Proteasen, sind wesentliche Bestandteile der
Apoptose. Eine mögliche Induktion des apoptotischen Programms erfolgt, indem apoptotische Stimuli die Zerstörung der äußeren
Mitochondrienmembran und damit die Freisetzung von Cytochrom c bewirken. Dieses
bindet an das cytosolische Protein Apaf-1
(„apoptotic-protease-activating factor 1“) und
ermöglicht dessen ATP/dATP-abhängige Oligomerisierung. Das so entstandene „Apoptosom“ wird funktionell indem es Procaspase9 bindet und durch proteolytische Spaltung
aktiviert. In der Folge werden weitere Procaspasen und Schlüsselproteine gespalten,
wodurch die Zelle abstirbt. Überexpression
des Hitzeschockproteins Hsp70 schützt vor
Apoptose. Wie, schlagen H. M. Beere et al.,
D. R. Green (Nature CellBiology 1 (2000), 469475) und A. Saleh et al., E. S. Alnemri (ibid.,
476-483) vor. Durch Co-Immunpräzipitation
und Gelfiltration zeigten sie, daß Hsp70 an
die CARD-Domäne („caspase-recruitment
domain“) von Apaf-1 bindet. Dies verhindert
dessen Oligomerisierung zwar nicht, wohl
aber die Rekrutierung und Prozessierung von
Procaspase-9, wodurch die Weiterleitung des
Apoptosesignals unterbrochen wird. Die erhöhte Expression von Hsp70, die in verschiedenen
Tumoren beobachtet wurde, wäre also eine
Möglichkeit für Krebszellen, dem programmierten Zelltod zu entgehen.
A. Moreno Borchart, München
Sup35 aus S. cerevisiae
die Effizienz der Termination verändert, ohne
daß jedoch die Lebensfähigkeit der [PSI+]Hefen gegenüber dem [psi-]-„Wildtyp“ beeinträchtigt wird. Der [PSI–]-Phänotyp wird
über das cytosolische Protein, also nicht nach
Mendel, vererbt. H. Sparrer et al., J. S. Weissmann (Science 289 (2000), 595-599) ist es gelungen, rekombinant exprimiertes, gereinigtes Sup35p in seiner Prionen-Konformation
mittels Liposomen-Transformation in [psi–]Zellen einzuführen. Das Protein katalysierte
die Konformationsänderung des zellulären
Sup35p und bewirkte so die Änderung des
Phänotypes von [psi–] nach [PSI+]. Damit
wurde zum ersten Mal infektiöses Material aus
reinem Protein in vitro hergestellt – ganz im Einklang mit der „protein-only“-Hypothese.
A. Moreno Borchart, München
Ein Tribut des Schwefels
쑺 Eisen/Schwefel [F S ]-Cluster sind ElekX
X
tronentransfer-Agentien und regeln oder werden geregelt. Eine hochinteressante Zusammenfassung über die Substratfähigkeiten solcher Schwefelkomplexe gibt H. Beinert, der
Entdecker ihrer Kontrollfunktion bei der Aconitase als „Tribut an den Schwefel“ aus Lebenserfahrung (Europ. J. Biochem. 267 (2000)
5657-5664). Aber man weiß nicht, wie sie entstehen, im Polypeptid assembliert und funktionell eingebaut werden. K. Nishio und M.
Nakai (J. Biol. Chem. 275 (2000) 22615-22618)
zeigen experimentell einen Weg: Das [F2S2]Cluster des cyanobakteriellen NifU-Proteins
der Nitrogenase wird komplett und ohne einen Protein- oder anderen Katalysator auf
Apoferritin übertragen, so daß es als Holoferritin im Elektronentransfer aktiv wird. Das
Cluster ist im NifU-Protein EDTA zugänglich, liegt also in ungewöhnlicher Weise an der
Oberfläche. NifU wirkt als Gerüst, an dem
das Cluster zusammengefügt wird und dient
zugleich als Lieferant des fertigen [F2S2].
untermauert
Prionen-Hypothese
쑺 Prionen sind infektiöse Agenzien, die aus
zellulären Proteinen mit veränderter, β-Faltblatt-reicher Konformation bestehen. Gemäß
der Prionen-Hypothese kann ein Prion-Protein durch seine veränderte Konformation die
normale Form des Proteins binden und dessen Konformationsänderung katalysieren. Auf
diese Weise entstehen Protease-resistente
Aggregate des pathologisch veränderten Proteins. Auch in der Hefe S. cerevisiae gibt es
solche Prionen; In [PSI +]-Zellen bildet
Sup35p, ein Translations-Terminationsfaktor,
der normalerweise löslich und funktionell ist,
unlösliche Proteinaggregate. Dadurch wird
Osmoregulation im
Vesikelmodell
쑺 Viele Zellen und Gewebe sind im Lauf
ihres funktionellen Lebens Schwankungen
des osmotischen Milieus oder Turgors ausgesetzt, z.B. die konzentrierenden Nierenzellen,
die dem Wetter ausgesetzten Organe der
Pflanzen, die Bakterien in rasch wechselnder
Umwelt. Sie haben Mechanismen entwickelt,
um diese Druckschwankungen zu registrieren und ihnen entgegenzuwirken. Im allgemeinen pumpen sie Osmo-Schutzstoffe ein
und aus, die gering ionisiert aber stark hydratisiert sind, wie etwa Glycerin, Threhalose,
Betaine oder Prolin. Zwei verschiedene Mechanismen wurden bei Bakterien im molekularmechanischen Liposomenmodell erkannt.
Bei Corynebakterium glutamicum fanden R.
Rübenhagen et al., R. Krämer (J. Biol. Chem.
275 (2000) 735-741) einen Na+-Ionen abhängigen Glycinbetain-Carrier BetP, der sowohl
hin- wie hertransportieren kann und durch
den osmotischen Außendruck reguliert wird.
Er ist als Zwölfpaß-Protein in die Membran
eingebaut, ganz wie der Prolin-Transporter
von E. coli. Bei höheren Osmolalitäten werden vermehrt Glycerophosphatide gebildet,
also die Membran verstärkt. (Ein Zusammenhang zwischen osmotischer Sensorik und
Sphingolipiden der Membran findet sich übrigens auch bei Eukayontenzellen.) Mit analoger Technik finden T. van der Heide und
B. Poolman (Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 97
(2000) 7102-7106) bei Lactococcus lactis ein osmoreguliertes ABC-Transportsystem OpuA,
das Wasserstreß über den physikalischen Zustand der Membran beantwortet. Es besteht
aus zwei Domänen; der ATP bindenden und
hydrolysierenden Untereinheit OpuAA und
dem Substrat-bindenden Translokator OpuABC. Auch er arbeitet mit Glycinbetainen,
um das Bakterium gegen osmotische Überbeanspruchung zu schützen. Der Sensor ist
die Wechselverzerrung der Membrandoppelschicht durch ihren relativ von der Norm abweichenden Wassergehalt. OpuA transportiert, im Gegensatz zu BetP, gerichtet. In den
künstlichen Lipidvesikeln tragen nur die
„richtig“ eingebauten Transportermoleküle
zur Osmosolut-Aufnahme bei. In ihr lassen
sich Innen- und Außenblatt experimentell variieren, sodaß deren relativer Beitrag gemessen werden kann; eine attraktive Fragestellung der Vesiculogie.
Preseniline kanalisieren
Zellkontakte
쑺 Presenilin spielt Schicksal in der Hirn-Matrix: Defektmutation führt zu Alzheimer-Degeneration. Es hat aber auch noch andere
Funktionen innerhalb des Nervengewebes.
In Versuchen mit Caenorhabditis elegans fanden
N. Wittenberg et al., R. Baumeister (Nature
406 (2000) 306-309) einen Defekt im Temperaturgedächtnis bei den Mutanten sel-12
und hop-1 der Presenilin-Gene, die die Morphologie zweier cholinerger Interneuronen
bestimmen. Die sel-12-Mutation ließ sich durch
humanes Presenilin kurieren. lin-12-Mutanten
zeigen die gleichen morphologischen und funktionellen Defekte. Demnach wirken Preseniline, indem sie in postmitotischen Neuronen die
“Notch“-Signalisierung zwischen Geber- und
Empfängerzelle erleichtern. Sie kontrollieren
diese also auf ganz konservative Weise.
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