1 Übungen zur Grammatik des Deutschen: Dialektsyntax Referat, 16

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Übungen zur Grammatik des Deutschen: Dialektsyntax
Referat, 16. Mai 2002
Patrick Grosz, 9900658
Zwart, Jan-Wouter (1993)
In: Abraham, Werner; Josef Bayer (eds.): Dialektsyntax (= Linguistische Berichte
Sonderheft 5), 246-270
Opladen: Westdeutscher Verlag
Clues from Dialect Syntax: Complementizer Agreement.
x Grundidee: Möglichkeit, von Phänomenen in einigen Dialekten einer Sprache auf
Eigenschaften aller Dialekte zu schließen
=> Lösung von Problemen einer Sprache durch Evidenz aus einigen Dialekten
x Problem: Asymmetrie zwischen Hauptsätzen und eingebetteten Sätzen im Niederländischen
in Bezug auf das finite Verb;
=> Dialektphänomen für die Lösung: complementizer agreement
(„Komplementiererkongruenz“, flektierte Komplementierer)
1. Position des finiten Verbs im Niederländischen
x Asymmetrie:
(1a)
Jan
John
(1a’) * Jan
John
(1b)
..dat
..that
(1b’) * ..dat
..that
eet
eats
een
an
een appel
an apple
appel eet
apple eats
(V2)
Jan
John
Jan
John
een
an
eet
eats
(V-Fin)
appel eet
apple eats
een appel
an apple
x Analyse: (Chomsky, 1992)
das Subjekt wird in Spec,AgrSP formal lizensiert (formal licensing case assignment / case
checking), das Objekt in Spec,AgrOP - durch Spec-Haupt-Beziehungen; entweder auf LF oder
in der Oberflächenstruktur müssen die Sj / Oj dorthin, und das V durch die Haupt-Positionen
nach oben gehen.
in Hauptsätzen (1a): V > AgrS, Sj > Spec,AgrS
bei Inversion (2): V > C, Operator > Spec,C
(2) Wat eet Jan?
what eats John
(= “What does John eat?”)
=> warum keine V-Bewegung in (1b)?
CP
(AgrP = Agreement Phrase)
1
ei
Spec
C’
ei
C
AgrSP
ei
Spec
(Sj)
AgrS’
ei
AgrS
(V2)
TP
ei
Spec
T’
ei
T
AgrOP
ei
Spec
(Oj)
AgrO’
ei
AgrO
VP
g
V
(V-Fin)
x Argument: C oder V können das Sj formal lizensieren - zwei komplementär verteilte
Elemente müssen aber nicht die selbe Position besetzen;
möglich: C-Haupt kann Verbindung zu niedrigerem funktionalem Haupt (AgrS) haben, sodass
eine V-Bewegung dorthin überflüssig wird.
=> zwei Möglichkeiten der formalen Lizensierung des Subjektes:
(1a) Verb bewegt sich nach AgrS, Subjekt nach Spec,AgrS
(1b) Subjekt nach Spec,AgrS; in AgrS befindet sich ein anderes lexikalisches Element, das
das Subjekt lizensiert, weshalb sich das Verb nicht bewegt
=> welches andere Element? eine empty category? wenn ja, wäre nicht erklärbar, warum sich
das Verb im Hauptsatz bewegen müsste!
Vorschlag: Komplementierer von AgrS nach C, hinterlässt Spur in AgrS; diese Spur =
lexikalisches Element => lizensiert Subjekt => Verbbewegung wird überflüssig.
2. complementizer agreement in Dialekten des Nl., Dt. und Fries.
= Komplementierer sind in Person / Numerus in Übereinstimmung (Kongruenz) mit dem
Subjekt flektiert; das finite Verb ist auch flektiert - die Flexionsmorpheme sind meistens
gleich; die Paradigmen der Komplementiererflexion sind defektiv:
(3)
Südholländisch
(a) dat ik kom
2
(b)
(4)
that I come
dat-te we komme
that-PL we come-PL
Westflämisch
(a) da-n-k
ik kom-en
that-1SG-I I come-1SG
(b) da-0-j
gie kom-t
that-2SG-you you come-2SG
(c) da-t-j
ij kom-t
that-3SG-he he come-3SG
(d) da-0-se
zij kom-t
[0 < t]
that-3SG-she she come-3SG
(e) da-0-me
wunder kom-en
[0 < n]
that-1PL-we we
come-1PL
(f) da-0-j
gunder kom-t
[0 < t]
that-2PL-you you
come-2PL
(g) da-n-ze
zunder kom-en
that-3PL-they they
come-3PL
es gibt auch Dialekte, in denen das Morphem der Komplementiererkongruenz
(complementizer agreement = c) und jenes der Verbalkongruenz (verbal agreement = v) sich
unterscheiden:
(5)
Ostniederländisch
dat-te
wij speul-t
(1PLc = -schwa, 1PLv = -t)
that-1PLc we play-1PLv
wenn diese beiden nicht übereinstimmen => Verb in Subjekt-initialen Hauptsätzen verbal
agreement - in Sj-V-Inversionsstrukturen complementizer agreement:
(6)
Ostniederländisch
(a) Wij speul-t /*-e
we play-1PLv /*c
(b) Waar speul-e /*-t wij?
where play-1PLc /*v we
3
Parallele im Standardniederländischen: Flexionsmorphem (2SG) <=> Verbstellung
(7)
Niederländisch
(a) Jij loop-t /*-0
you walk-2SG
(b) Daar loop-0 /*-t jij
there walk-2SG you
3. Hoekstra & Marácz (1989)
x Behauptung: complementizer agreement stammt von INFL-zu-COMP-Bewegung, die
unabhängig von der V-zu-COMP-Bewegung stattfindet, und nur in Dialekten mit
complementizer agreement vorhanden ist.
CP
p
C’
q p
COMP
IP
p
I’
q p
VP
INFL
=> Cluster von Eigenschaften für INFL-zu-COMP, die nur in complementizer agreementsDialekten auftreten dürfen (= Parametrisierung):
1. overtes complementizer agreement
2. referentielles pro-drop
3. V-Ellipse in Sätzen mit „irrealis“-Komplement
4. COMP-Klitisierung
ad 2:
(8)
Friesisch
(a) ..dat-st
(do) jûn
kom-st
..that-2SG (you) tonight come-2SG
(b) ..dat
*(er) jûn
kom-t
..that
*(he) tonight dome-3SG
aber: im Westflämischen ist referentielles pro-drop eher wegen der Subjekt-Klitisierung
möglich, als wegen complementizer agreement; ohne Klitikon + mit complementizer
agreement => kein pro-drop:
4
(9)
Westflämisch
(a) ..da-0-se
(zie) kom-t
..that-2SG-she(she) come-2SG
(b) ..da-n-ze
(zunder) goan
werk een
..that-3PL-they (they) go-3PL work have
(b’) ..da-n
*(zunder) goan
werk een
..that-3PL *(they)
go-3PL work have
=> in anderen germanischen Dialekten gibt es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen
complementizer agreement und pro-drop
ad 3:
bei friesischen Infinitiv-Komplement-Sätzen mit „irrealis“-Lesart (unverwirklichte Zukunft)
sind die Infinitivmarker weglassbar:
(10) Jan is fan doel
om nei Ljouwert
ta (te gean)
John is of
purpose for to
Leeuwarden to (togo-INF)
“John intends to go to Leeuwarden”
das findet sich zwar im Standardniederländischen nicht, aber auch in keinem anderen
germanischen Dialekt mit complementizer agreement!
ad 4:
in friesischen eingebetteten Fragen und Relativsätzen kommt es zur KomplementiererKlitisierung, die nicht weglassbar ist:
(11) Friesisch
de frou
dy *(‘t)
jûn
kom-t
the woman who *(that) tonight come-3SG
(12) Niederländisch
de vrouw die (*dat) vanavond kom-t
the woman who (*that) tonight
come-3SG
im Niederländischen verschwindet der Komplementierer in Relativsätzen, im Friesischen
muss der klitisierte Komplementierer bleiben. Erklärung: Element in COMP nötig, dass INFL
nach INFL-zu-COMP tragen muss; aber: in anderen Dialekten mit complementizer agreement
ist kein derartiges Element notwendig, nicht einmal, wenn ein Flexionsmorphem da ist!
(13) Südholländisch
5
jonges die 0-e
werk wille
guys
who (COMP)-3PL jobs want-3PL
x Conclusio:
es gibt keinen Cluster; trotzdem haben die Dialekte eine gemeinsame Eigenschaft: AgrS-zuC-Bewegung INFL-zu-COMP; diese Eigenschaft haben die Dialekte aber auch dort, wo
keine overte complementizer agreement vorhanden ist => auch ganz ohne overte
complementizer agreement wird INFL-zu-COMP morphologisch reflektiert, wenn die
syntaktischen Eigenschaften gleich sind (siehe (7)) => kein parametrischer Wechsel.
=> These: alle Dialekte mit der gleichen Asymmetrie (siehe (1)) haben INFL-zu-COMPBewegung; Englisch und Isländisch zum Beispiel nicht!
4. AgrS-zu-COMP und die Verbbewegungsasymmetrie
Ausgangspunkt: Lizensieren des Sj in Spec,AgrS erfordert Lexikalisierung von AgrS
=> bei AgrS-zu-C bleibt eine Spur in AgrS, die das Subjekt formal lizensiert
=> V-zu-AgrS wird überflüssig
(14) (a)
(b)
V-zu-AgrS:
AgrS-zu-C:
[AgrSP NP AgrS+Vi
[CP C+AgrSi [AgrSP
[ ... ti ... ]]
NP
ti [ ... V ... ]]]
x alle germanischen Dialekte mit complementizer agreement haben dieselbe Asymmetrie.
5. Bibliographie
Chomsky, Noam (1992): A Minimalist Program for Linguistic Theory. MIT Occasional
Working Papers in Linguistics 1
Hoekstra, Jarich; Laszlo Marácz (1989): On the Position of Inflection in West Germanic.
Working Papers in Scandinavian Syntax 44, 75-88
Zwart, Jan-Wouter (1993): Clues from Dialect Syntax: Complementizer Agreement. In:
Abraham, Werner; Josef Bayer (eds.): Dialektsyntax (= Linguistische Berichte Sonderheft
5). Opladen: Westdeutscher Verlag, 246-270
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