Theoretische Physik II - Mechanik WS 09/10

Werbung
Vorlesung Theoretische Physik II – Mechanik
Wintersemester 2009/2010
Prof. Dr. Angela Thränhardt
18. März 2010
Dies ist eine erste Version eines Skripts zur Vorlesung Theoretische Phy”
sik II – Mechanik“, die von mir im Wintersemester 2009/2010 an der Technischen Universität Chemnitz gehalten wurde. Wahrscheinlich sind trotz großer
Bemühungen unsererseits noch zahlreiche Fehler enthalten. Wenn Sie einen
solchen bemerken, teilen Sie mir dies doch bitte per E-Mail (angela.thraenhardt
@physik.tu-chemnitz.de) mit – künftige Studentengenerationen werden davon profitieren.
Vielen Dank!
Angela Thränhardt
Inhaltsverzeichnis
1 Newtonsche Mechanik
1.1
6
Newtonschen Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.1.1
Newton II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.1.2
Newton I
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.1.3
Newton III
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1.1.4
Anwendung auf Drehbewegungen . . . . . . . . . . . .
8
1.2
Newtonsche Gesetze für Systeme von N Massenpunkten . . . .
9
1.3
Starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4
1.5
1.3.1
Gesamtdrehimpuls und Trägheitstensor . . . . . . . . . 14
1.3.2
Kontinuierlicher Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.3.3
Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Teilchen in Feldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.4.1
Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.4.2
Konservative Kräfte
Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.5.1
1.6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Systeme von Massenpunkten . . . . . . . . . . . . . . . 26
Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2 Lagrange - Mechanik
2.1
2.2
32
Prinzipien von d’Alembert (virtuelle Arbeit) und Hamilton . . 32
2.1.1
Freiheitsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.1.2
Virtuelle Verrückungen und Zwangsbedingungen . . . . 34
2.1.3
Euler-Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.1.4
Hamiltonsches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Generalisierter Impuls. Symmetrien und Erhaltungssätze
und als Anwendung: Planetenbewegung und Streuung . . . . . 50
1
2.3
2.2.1
Invarianzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.2.2
Anwendung: Das Zweikörperproblem . . . . . . . . . . 53
2.2.3
Variationsrechnung mit Nebenbedingungen . . . . . . . 75
Bewegung starrer Körper - Trägheitstensor und Ähnlichkeitstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.3.1
Transformation physikalischer Größen beim Übergang
zwischen Koordinatensystemen - Tensoren . . . . . . . 81
2.4
2.3.2
Hauptachsentransformation . . . . . . . . . . . . . . . 83
2.3.3
Hauptachsen und Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . 86
2.3.4
Allgemeine Bewegung eines starren Körpers . . . . . . 90
2.3.5
Der Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.3.6
~ = 0) . . . . . . . . . . . . . . . 96
Kräftefreier Kreisel (M
2.3.7
Schwerer symmetrischer Kreisel I1 = I2 . . . . . . . . . 99
Beschleunigte Bezugssysteme
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.4.1
Lineare Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.4.2
Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3 Hamilton-Jakobi-Mechanik
3.1
114
Hamilton-Gleichung, Kanonische Transformation . . . . . . . . 114
3.1.1
Hamiltonfunktion und Hamiltonsche Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
3.1.2
Invarianz der Hamiltongleichung unter einer kanonischen Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
3.2
3.1.3
Kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . . . . 121
3.1.4
Poissonklammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Symmetrien und Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . 134
3.2.1
Infinitesimale kanonische Transformationen . . . . . . . 134
3.2.2
Erhaltungsgrößen, Symmetrien und Invarianzen . . . . 136
2
3.2.3
3.3
Satz von Poincaré und Satz von Liouville . . . . . . . . 143
Hamilton-Jakobi-Theorie, periodische Bewegungen, Winkel- und
Wirkungsvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.3.1
Hamilton-Jakobi-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.3.2
Periodische Bewegungen. Winkel- und Wirkungsvariable155
4 Relativistische Mechanik freier Teilchen
4.1
162
Einführung in die Relativitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . 162
4.1.1
Invarianz-Transformationen zwischen Koordinatensystemen in der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
4.1.2
Axiome der Relativitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . 165
4.1.3
Mathematische Grundlagen der Relativitätstheorie . . 167
4.1.4
Längenkontraktion und Zeitdilatation . . . . . . . . . . 172
4.1.5
Zeit-, raum- und lichtartige Vektoren . . . . . . . . . . 176
4.2
Relativistische Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
4.3
Relativistische Lagrangefunktion für freie Teilchen . . . . . . . 184
A Rechenregeln für grad, div, rot, △
186
B Differentialoperationen in krummlinigen orthogonalen Koordinaten
188
B.1 Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
B.2 Zylinderkoordinaten
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
B.3 Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
3
Literatur
• W. Nolting
Grundkurs Theoretische Physik 1: Klassische Mechanik
(Newtonsche Mechanik und mathematische Grundlagen)
Springer Verlag, Berlin, 8. Auflage, 12/2008
ISBN-10: 3540348328, ISBN-13: 978-3540348320
Preis: ca. 30,– EUR
• W. Nolting
Grundkurs Theoretische Physik 2: Analytische Mechanik
(Hamilton - Lagrange)
Springer Verlag, Berlin, 7. Auflage, 09/2007
ISBN-10: 3540306609, ISBN-13: 978-3540306603
Preis: ca. 30,– EUR
• W. Nolting
Grundkurs Theoretische Physik 4: Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik
Springer Verlag, Berlin, 7. aktualisierte Auflage, 12/2009
ISBN-10: 3642016030, ISBN-13: 978-3642016035
Preis: ca. 40,– EUR
• H. Goldstein
Klassische Mechanik Wiley-VCH, 3. überarbeitete Auflage, 07/2006
ISBN-10: 3527405895, ISBN-13: 978-3527405893
Preis: ca. 60,– EUR
4
• Landau / Lifshitz
Lehrbuch der theoretischen Physik I, Mechanik
(sehr knapp)
Deutsch (Harry), 14. Auflage, 12/1997
ISBN-10: 3817113269, ISBN-13: 978-3817113262
Preis: ca. 25,– EUR
• F. Kuypers
Klassische Mechanik
Wiley-VCH, 8. erweiterte Auflage, 03/2008
ISBN-10: 3527407219, ISBN-13: 978-3527407217
Preis: ca. 50,– EUR
u.v.a.
5
1
Newtonsche Mechanik
1.1
Newtonschen Axiome
Die drei Newtonschen Axiome lauten:
(aus principia mathematica philosophiae naturalis)
I Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen
Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird,
seinen Bewegungszustand zu ändern.
II Die Änderung der Bewegung ist der einwirkenden Kraft proportional
und geschieht längs jener geraden Linie, nach welcher die Kraft wirkt.
III Die Reaktion auf eine Aktion ist immer entgegengesezt und gleich, d.h.
die Aktionen (Kraftwirkungen) zweier Körper aufeinander sind immer
gleich groß und entgegengesetzt gerichtet.
1.1.1
Newton II
Mathematisch formuliert lautet Newton II (für Massenpunkte)
d
d~p
F~ = (m~v ) =
= p~˙ mit p~ = m~v
dt
dt
Impuls
(1.1)
konstante Masse:
d~v
d2~r ¨
~
F =m
= m~a mit Beschleunigung ~a = 2 = ~r
dt
dt
6
(1.2)
1.1.2
Newton I
Newton I schreibt sich
F~ = 0 ⇔ p~˙ = 0,
p~ = konst. (Impulserhaltung)
(1.3)
Beispiel: Block auf schiefer Ebene, stetige Vergrößerung des Neigungswinkels
Abb. 1: Θ < Θkrit Block fest, keine Beschleunigung ⇒ keine Kraft
⊥ zur schiefen Ebene gilt folgende Kraft:
~ = Normalkraft der Ebene auf Block, N = W cos Θ
N
k zur schiefen Ebene gilt die Kraft:
~ = Hangabtriebskraft, H = W sin Θ = fh = Haftreibung
H
Erfahrung: Haftreibung kann nicht größer als ein kritischer Wert µh ·N werden
W sin Θ = fh ≤ µh · N = µh · W · cos Θ
krit. Winkel:
(1.4)
H = W sin Θkrit = fh,max = µh W cos Θkrit
⇒ Θkrit = arctan µh
7
(1.5)
Θ > Θkrit ⇒ Gleiten, Gleitreibung µg < µh (empirisch)
fg = µg · N < fh
(1.6)
⇒ H > fg , beschleunigte Bewegung
1.1.3
Newton III
Newton III wird gemeinhin mit Actio = Reactio zusammengefasst
Wahrnehmung: Wenn ich eine Kraft ausübe, erfahre ich eine Gegenkraft,
z.B. Tauziehen
F~12
=
−F~21
↑
↑
Kraft von
Kraft von
2 auf 1
1 auf 2
(1.7)
Die sogenannte Starke Form F~12 k ~r = ~r1 − ~r2 des 3. Newtonschen Gesetzes
gilt zum Beispiel für Gravitations- und Coulombkraft.
1.1.4
Anwendung auf Drehbewegungen
(Massenpunkt ~r)
~ = ~r × F~ = ~r × d~p
Drehmoment M
dt
d~r
d
× p~
= (~r × p~) −
dt
|dt{z }
=0,da parallel
8
(~p = m~v )
(1.8)
Abb. 2
d~l
dt
mit Drehimpuls ~l = ~r × p~
Also
~ =
Drehmoment M
1.2
Newtonsche Gesetze für Systeme von N Massenpunkten
Abb. 3
F~ij = Kraft von j auf i (innere Kräfte)
(a)
F~i = äußere Kraft auf i
9
(1.9)
Also ist die Gesamtkraft auf Teilchen i:
N
X
(a)
F~ij + F~i
N ewtonII
=
d2
(mi~ri )
dt2
(1.10)
!
Ã
X
d
= 2
mi~ri
dt
i
(1.11)
mi~ai =
j=1
j6=i
über alle i summieren:
N
X
F~ij
+
j6=i
~ij =−F
~ij
=0 wg F
Definition:
2
(a)
F~i
i
i,j=1
| {z }
X
| {z }
F (a) =Gesamtkraft
Schwerpunkt = Center of Mass (CM)
~ =
Ortsvektor des Schwerpunktes R
mit der Gesamtmasse M =
N
X
mi~ri
i=1
N
X
(1.12)
mi
i=1
N
X
mi
i=1
Damit:
~¨
F (a) = M R
(1.13)
d.h. der Schwerpunkt verhält sich wie ein Punktteilchen
Ausblick:
Starrer Körper kann wie Punktteilchen betrachtet werden, dessen Masse im Schwerpunkt konzentriert ist (ohne Rotationsbewegung, d.h. Kraft muss im Schwerpunkt angreifen).
10
Gesamtimpuls:
P~ =
N
X
p~i =
i=1
N
X
mi~vi =
i=1
~
d X
dR
mi~ri = M
dt
dt
(1.14)
d.h. aus (1.13) folgt sofort für F~ (a) = 0 ⇒ P~ = konst.
Drehimpuls und Drehmoment:
Zur Erinnerung:
~l = ~r × p~
(1.15)
d~l
m
~ = ~r × F~ =
dt
m
~ =0⇒
d~l
=0
dt
Drehimpulserhaltungssatz
(1.16)
Bilanz aller Kräfte:
N
X
d
(a)
F~ij + F~i = p~i = p~˙i
dt
j=1
(1.17)
j6=i
Schreibweise: Zeitableitungen werden mit einem Punkt gekennzeichnet.
Kreuzprodukt mit ~ri bilden:


N
X

(a)
˙

~ri × 
F~ij + F~i 
 = ~ri × p~i
(1.18)
j=1
j6=i
⇒ Summe über alle i:
N
X
i=1


N
N
X
 X
(a) 
~
~

~ri × 
Fij + Fi  =
~ri × p~˙i
j=1
j6=i
i=1
11
(1.19)
⇒
N
X
i,j=1
i6=j
~ri × F~ij +
N
X
i=1
|
(a)
=
~ri × F~i
{z
M (a)
N
N
X
X
d
~˙li
(~ri × p~i ) =
dt | {z } i=1
i=1
(1.20)
~li
}
äußeres Drehmoment
Nebenrechnung:
d
(~ri × p~i ) = ~r˙i × p~i + ~ri × ~p˙ i = ~r˙i × mi~r˙i
| {z }
dt
(1.21)
˙
≡0 da ~˙rkm
i
i ~ri
Gesamtdrehimpuls:
~ =
L
X
~li =
X
i
i
~ri × p~i
Beitrag der inneren Kräfte:

N
X
i,j=1
i6=j
~ri ×F~ij
symmetrisieren
=
(1.22)

N
N
N
X
X
 1X
1
~
~


~ri × Fij +
~rj × Fji  =
(~ri − ~rj )×F~ij
2 i,j=1
2
i,j=1
i,j=1
i6=j
i6=j
i6=j
(1.23)
Hinreichend für das Verschwinden ist Newton III in starker Form, F~ij k~ri − ~rj
Dann gilt:
~
~ (a) = dL
M
dt
(1.24)
d.h. der Drehimpulserhaltungssatz gilt nur, wenn Newton III in starker Form
erfüllt ist, z.B. nicht für bewegte Ladungen ֒→ E-Dynamik
12
1.3
Starrer Körper
Im starren Körper bleiben die Abstände zwischen einzelnen Teilchen ~ri konstant.
Mögliche Bewegung:
• Translation, alle Massenpunkte haben die gleiche Geschwindigkeit ~v
ˆ , alle Massenpunkte haben die gleiche Win• Rotation um eine Achse ~n
kelgeschwindigkeit ω
Betrachte die Rotation:
ˆ , Winkelgeschwindigkeit ω =
Charakterisiert durch normierte Drehachse ~n
ˆ, ω =
⇒ Definiere vektorielle Winkelgeschwindigkeit ω
~ mit ω
~ k~n
dϕ
dt
dϕ
dt
Man sieht die 3 Freiheitsgrade der Rotation ω
~ = (ωx , ωy , ωz ), 3 Freiheitsgrade
der Translation ~v = (vx , vy , vz )
⇒ Ein starrer Körper hat 6 Freiheitsgrade
Abb. 4: Rotierender starrer Körper (Translation = 0). Es gilt: vi = ρi ω =
ri ω sin ϑ ⇒ ~vi = ω
~ × ~ri
13
1.3.1
Gesamtdrehimpuls und Trägheitstensor
~ =
L
X
~li =
X
i
i
mi (~ri × ~vi ) =
X
i
mi~ri × (~ω × ~ri )
|
{z
}
(1.25)
=r 2 ω
~ −(~
ri ·~
ω )~
ri
i
(s. Übung)
~ =
L
X
i
~~
mi (~ri2 ω
~ − (~ri · ω
~ )~ri ) = I~
ω
(1.26)
~
~
I~ = Trägheitstensor (auf Tensorbegriff wird später eingegangen, Merke: I~
ist definiert dadurch, dass Gl. (1.26) stimmt)
~ X
I~ =
mi (~ri 2 1 − ~ri~ri t )
i
=
X
i

ri2 − x2i


mi  −yi xi

−zi xi
|
−xi yi
−xi zi
+
−yi zi
x2i
zi2
−zi yi
{z
x2i
+

yi2
reelle symmetrische Matrix
Iµν =
X
i




³ri1 ´
£
¤
mi ri2 δµν − riµ riν mit ~ri = rri2
i3
(1.27)
}
~
~ nicht parallel zu ω
I~ Tensor ⇔ i.a. L
~
ˆ=
Vereinfachung: Trägheitsmoment bezüglich einer Rotationsachse ~n
ω
~
ω
´
X ³
ˆ t · I~~ · ~n
ˆ = ~n
ˆt ·
ˆ − (~r · ~n
ˆ )~ni
In = ~n
mi ~r 2~n
i
=
X
i
=
X
i
Ã
ˆ 2 −(~r · ~n
ˆ )2
~n
mi ~r 2 |{z}
1
2
mi (~ri − (~ri · ~ni )2 ) =
14
!
(1.28)
X
i
mi ρ2i
Abb. 5
zur Illustration: Spezialfall Drehachse = Symmetrieachse = z-Achse
~~
~ = I~
L
ω
X
⇒ Lj =
Iij ωj
(1.29)
Deviationsmomente (nichtdiagonal) I31 , I32 :
X
X
−
mi zi yi =
mi zi xi = 0 für symm. Körper
i
(1.30)
i
Also
~~
~ = I~
L
ω=
³
0
0
I33 ω3
´
~ ≪ω
= I33 ω
~, L
~ , I33 =
X
mi ρ2i
(1.31)
i
ρ = Abstand von z-Achse
P
Allgemein gilt In = i mi ρ2i für Drehungen um Symmetrieachsen
1.3.2
Kontinuierlicher Körper
(Aufteilen in kleine Volumenelemente mit Masse ∆mi )
Z
X
dm
2
Massendichte
ρ2 µdV mit µ =
I=
ρi ∆mi =
dτ
i
Volumen des
Körpers
15
(1.32)
Annahme: homogener Körper, konstante Massendichte (µ = konstant im
Volumen, µ = 0 außerhalb)
I=µ
Z
ρ2 dV
(1.33)
z.B. Vollzylinder (Drehung um Symmetrieachse)
I=µ
Z
Zh
ρ2 dV = µ ·
dz
0
Zylinder
| {z }
ZR
ρdρ
0
= 2πµh
·
1
ρ dρ = 2πµh ρ4
4
3
0
Zylindervolumen V = πR2 h, µ =
M
V
| {z }
(1.34)
2π
¸R
= 2πµh
0
R4
4
M
πR2 h
=
⇒I=
dϕ ρ2
0
h
ZR
Z2π
M 2
R
2
(1.35)
Trägheitstensor allgemein:
Iµν =
1.3.3
Z
£
¤
dV ρ(~r) rµ2 δµν − rµ rν
(1.36)
Satz von Steiner
Bekannt sei das Trägheitsmoment eines Körpers bezüglich einer durch den
Schwerpunkt gehenden Achse IS . Der Satz von Steiner erlaubt, ohne neuerliche Integration das Trägheitsmoment bezüglich jeder dazu parallelen Achse
IA zu berechnen.
Ein Körper rotiere um eine durch A gehende Achse. S sei eine dazu parallele,
durch den Schwerpunkt gehende Achse. (Abbildung 6)
16
Abb. 6
1.4
Teilchen in Feldern
Das Kraftfeld F~ (~r, ~r˙, t) ordnet jedem Punkt des R3 eine Kraft zu, die auf ein
Teilchen wirkt
Abb. 7: Zentralfeld (Punktladung, Gravitation)
Abb. 8: Plattenkond., homogenes Feld
17
Für die Bewegung eines Körpers im Kraftfeld ist also Anstrengung vonnöten:
1.4.1
Arbeit
Arbeit für infinitesimale Verschiebung
δW = −F~ · d~r
(1.37)
Man schreibt δW statt dW , da δW kein totales Differential sein muß
Abb. 9
W21 = −
ZP2
F~ (~r, ~r˙, t) · d~r
(1.38)
P1
Kurvenintegral, hängt im allgemeinen ab von:
1. Kraftfeld F~
2. Endpunkten P1 , P2
3. Weg C
4. zeitlichem Bewegungsablauf
Auswertung von Kurvenintegralen = Rückführung auf gewöhnliche RiemannIntegrale duch Parametrisierung
18
Abb. 10
C:
~r = ~r(α); α1 ≤ α ≤ α2
d~r(α)
dα
dα
Zα2
d~r(α)
= − F~ (~r, ~r˙, t) ·
dα
dα
d~r =
Damit: W21
α1
z.B. F~ = (2x21 − 3x2 , 4x2 x3 , 3x21 x3 )
Abb. 11
19
(1.39)
2 Wege:
C1 : Gerade ~r(α) = (α, α, α), 0 ≤ α ≤ 1
C2 : ~r(α) = (α, α2 , α3 ), 0 ≤ α ≤ 1
d~r
dα
F~
d~r
F~ ·
dα

 (1, 1, 1), C
1
=
 (1, 2α, 3α2 ), C
2

 (2α2 − 3α, 4α2 , 3α3 ), C
1
=
 (−α2 , 4α5 , 3α5 ), C
2

 3α3 + 6α2 − 3α, C
1
=
 9α7 + 8α6 − α2 , C
(1.40)
2
WC1 = −
Z1
(3α3 + 6α2 − 3α)dα = −
5
4
WC2 = −
Z1
(9α7 + 8α6 − α2 )dα = −
325
168
0
0
d.h. die Arbeit ist wegabhängig!
1.4.2
Konservative Kräfte
Kräfte, für die man eine Funktion V finden kann, sodass −F~ · ~r˙ =
d
V
dt
(~r),
heißen konservativ.
Ausführen der Zeitableitung:
∂V dx1
∂V dx2
∂V dx3
d
~
V (x1 , x2 , x3 ) =
+
+
= ~r˙ · ∇V
dt
∂x1 dt
∂x2 dt
∂x3 dt
~
d.h. ~r˙ · ∇V
= −F~ · ~r˙
20
(1.41)
Eine Kraft ist dann konservativ, wenn sie sich als Gradient eines skalaren
Potenzials schreiben lässt (Krit. 1). D.h. F~ darf weder von ~r˙ noch von t
abhängen,
~ (~r).
F~ = F~ (~r) = −∇V
(Krit. 1)
(Das negative Vorzeichen ist eine Konvention)
~ × ∇V
~ (~r) = 0,
rot F~ (~r) = −∇
s. Übung
(1.42)
Auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet hat eine Kraft F~ genau dann
ein Potenzial, wenn rot F~ = 0, d.h. Bed. (Gleichung 1.42) ist auch hinreichend.
(Krit. 2)
Integrales Kriterium:
Es gilt dV (~r) =
⇒
(Dabei ist
H
I
∂V
∂V
∂V
~ · d~r
dx1 +
dx2 +
dx3 = ∇V
∂x1
∂x2
∂x3
~ · d~r =
∇V
I
dV = VEnde − VAnfang = 0
(1.43)
(1.44)
ein Kurvenintegral über einem geschlossenen Weg.)
Also ist F~ genau dann konservativ, wenn
geschlossenen Wege ist.
(Krit. 3)
21
H
F~ · d~r = 0 für alle möglichen
Eine konservative Kraft F~ ist konservativ genau dann, wenn
(1) sie sich als Gradient eines skalaren Potenzials schreiben lässt,
~ (~r). Dazu darf die Kraft weder von ~r˙ noch von t abhängen.
F~ (~r) = −∇V
(2) auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet gilt: rot F~ = 0
H
(3) sie auf einem geschlossenen Weg keine Arbeit leistet, also F~ · d~r = 0
für alle möglichen geschlossenen Wege.
Betrachte Anfangs- und Endpunkt P1 , P2 und 2 verschiedene Wege zwischen
ihnen:
Abb. 12
Durchläuft man einen von ihnen rückwärts, so erhält man einen geschlossenen
Weg.
0=
Z
C1
⇒
Z
C1
F~ · d~r +
Z
F~ · d~r =
C1
−C2
F~ · d~r =
Z
Z
F~ · d~r
C2
22
F~ · d~r −
Z
C2
F~ · d~r
(1.45)
Ein Kraftfeld ist damit genau dann konservativ, wenn die Arbeit beim Verschieben des Massenpunktes zwischen zwei Raumpunkten wegunabhängig
ist.
~ × F~ = 0, kann man das Potenzial über einen rechnerisch günsD.h. wenn ∇
tigen Weg ermitteln!
V (P ) =
ZP
dV = −
ZP
F~ · d~r
(1.46)
P0
P0
Beispiel 1:
linearer harmonischer Oszillator
Abb. 13
F = −kx = ma = mẍ
(1.47)
DGL des HO : mẍ = −kx
(1.48)
DGL 2. Ordnung ⇒ 2 unabhängige Lösungen, spezielle Lösung gegeben
durch Anfangswerte von x, ẋ
23
Lösen der DGL durch Erraten:

 sin(ω t)
0
x(t) =
 cos(ω t)
mit ω02 =
0
k
m
(1.49)
Die spezielle Lösung ist dann eine Linearkombination
x(t) = A sin(ω0 t) + B cos(ω0 t) .
(1.50)
Beispiel:
x(t = 0) = x0
ẋ(t = 0) = 0
(1.51)
⇒x(t = 0) = B = x0
ẋ(t = 0) = A = 0
⇒x(t) = x0 cos(ω0 t)
Alternativ lässt sich die allgemeine Lösung auch schreiben als
x(t) = Ceiω0 t + ke−iω0 t
mit x(t = 0) = x0 , ẋ(t = 0) = 0
⇒x(t = 0) = C + k = x0
ẋ(t = 0) = iω(C − k) = 0 ⇒ C = k =
⇒x(t) =
x0 iω0 t
(e
+ e−iω0 t ) = x0 cos(ω0 t)
2
24
x0
2
(1.52)
(1.53)
Oder auch
x(t) = a cos(ω0 t − ϑ)
mit x(t = 0) = x0 , ẋ(t = 0) = 0
⇒x(t = 0) = a cos(−ϑ) = a cos ϑ = x0
(1.54)
ẋ(t = 0) = −aω0 sin(−ϑ) = aω0 sin ϑ = 0 ⇒ ϑ = 0, a = x0
⇒x(t) = x0 cos(ω0 t)
d.h. die spezielle Lösung ist stets dieselbe.
Wichtig: Eine DGL n-ter Ordnung hat n unabhängige Lösungen.
Der harmonische Oszillator vollführt also cosinusförmige Schwingungen. Ein
Potenzial läßt sich in 1k stets definieren, da jedes physikalische F~ integrabel
ist. (Es gibt nur einen Weg ֒→ wegunanbhängig“)
”
1
k
dV
⇒ V (x) = kx2 , W21 = (x22 − x21 )
HO: F = −kx =
dx
2
2
(1.55)
Beispiel 2:
Dreidimensionaler harmonischer Oszillator (räumlich isotrop)
F~ (~r) = −k~r
~ × F~ (r) = −k ∇
~ × ~r = 0
∇
(s. Übung)
⇒ F~ besitzt ein Potenzial
V (~r) = −
Z~r
F~ · d~r ′ = k
=k
0
(x′ dx′ + y ′ dy ′ + z ′ dz ′ )
0
0
Zx
~
r=(x,y,z)
Z
x′ dx′ + k
Zy
y ′ dy ′ + k
0
Zz
z ′ dz ′ =
k 2
k
(x + y 2 + z 2 ) = r2
2
2
0
(1.56)
25
1.5
Energie
Teilchen hat kin. und pot. Energie
kin. Energie T = 12 m~r˙ 2
pot. Energie V = V (~r, ~r˙, t)
In konservativen Kraftfeldern hängt die pot. Energie nur von ~r ab, V = V (~r),
denn sie ist durch das Potenzial definiert.
R2
(siehe z.B. W21 = − F~ · d~r = V (2) − V (1))
1
d.h. Energie des Massenpunkts:
m
E = T (~r˙ ) + V (~r) = ~r˙ 2 + V (~r)
2
1.5.1
(1.57)
Systeme von Massenpunkten
Abb. 14
~ ⇒ ~vi ′ = ~vi − V~CM
~ri ′ = ~ri − R
26
(1.58)
kinetische Energie:
1X
1X
mi vi2 =
mi (~vi ′ + V~CM )2
2 i
2 i
X
1X
1
2
=
+
mi~vi ′ · V~CM
mi vi′ 2 + M VCM
2 i
2
i
X
X
X
~+
mi R
mi~ri ′
Es gilt
mi~ri =
T =
i
i
| {z }
~
MR
i
| {z }
~
MR
|
{z
0
}
(1.59)
Die Zeitableitung der 0-Funktion ist ebenfalls 0.
X
d X
⇒ 0=
mi~ri =
mi~vi′ = 0
dt i
i
1X
1
mi vi′ 2
T = M VCM 2 +
2
2 i
⇒
potenzielle Energie: Alle Kräfte seien konservativ, sodaß V (~r) existiert.
äußere Kräfte:
(a)
F~i (~ri )
∂Vi
=−
⇒ Vi (~ri ) = −
∂~ri
Z
F~ (a) (~r̃i ) · d~r̃i
(1.60)
innere Kräfte:
¶
µ
∂Vij
∂Vij
~
= −F~ij
Fij = −
=− −
∂~ri
∂rj
(Newton III)
(1.61)
Dabei ist Vij die pot. Energie zwischen i-tem und j-tem Teilchen.
Speziell: Wenn V = V (|~ri − ~rj |) (Coulomb, Gravitation), dann gilt Newton
III in starker Form.
∂Vij
∂V
∂V (|~ri − ~rj |)
F~ij = −
= −~rˆij
=−
∂~ri
∂(~ri − ~rj )
∂rij
(in Kugelkoordinaten, winkelabh. Ableitung = 0)
27
(1.62)
Die Gesamtenergie ist also
E =T +V
X
1
1X
1X
2
= M VCM
Vi +
+
mi vi2 +
Vij
2
2 i
2 ij
i
{z
}
| {z }
|
| {z }
T
1.6
äußeres Pot.
(1.63)
innere Kräfte
Der harmonische Oszillator
Der eindimensionale harmonische Oszillator wurde bereits als Beispiel 1 in
Abschnitt 1.4.2 diskutiert. In der Realität tritt jedoch immer auch Dämpfung
auf.
Annahme: Es wirke noch eine zur Geschwindigkeit proportionale Reibungskraft −2β ẋ.
DGL des gedämpften HO: mẍ = −kx − 2β ẋ, β > 0, ωo2 =
⇒ ẍ + 2
k
>0
m
β
k
ẋ + x = 0
m
m
⇒ ẍ + 2αẋ + ωo2 x = 0 mit α =
β
>0
m
Ansatz x(t) = eγt mit γ ∈ C
(analog zu Lösung e±iωo t im ungedämpften Fall)
⇒ ẋ(t) = γeγt , ẍ(t) = γ 2 eγt
¡
¢
Also: γ 2 + 2γα + ωo2 eγt = 0 für alle t
⇔ γ 2 + 2γα + ωo2 = 0
p
⇔ γ± = −α ± α2 − ωo2
(1.64)
28
Fallunterscheidung:
(1) Schwache Dämpfung α < ωo
γ± = −α ± i
p
ω 2 − α2 = −α ± iω
| o{z }
(1.65)
ω∈R
Wir erhalten folgende allgemeine Lösung:
x(t) = Ae−αt+iωt + Be−αt−iωt
Die physikalische Lösung muss reell sein:
¡
¢
x(t) = Aeiωt + A∗ e−iωt e−αt
a
= ae−αt cos (ωt − ϑ) mit A = e−iϑ , a ∈ R
2
(1.66)
(1.67)
Abb. 15
Die Relaxationszeit τ =
1
e
1
α
=
m
β
ist die Zeit, innerhalb derer das System auf
abklingt.
(2) Starke Dämpfung α > ωo
p
α2 − ωo2 ∈ R zwei reelle negative Lösungen
”
“
“
√
√ 2 2”
−α− α2 −ωo2 t
−α+ α −ωo t
+ be
mit a, b ∈ R
x(t) = a e
γ± = −α ±
1
τ± = −
γ±
(Relaxationszeiten)
− τt
⇒ x(t) = a e
+
+ be
− τt
−
29
(1.68)
Abb. 16
Für große t bestimmt die größere Relaxationszeit τ+ den exponentiellen Abfall (wenn a 6= 0).
(3) Aperiodischer Grenzfall α = ωo
Die quadratische Gleichung (Gl. 1.64) liefert hier nur eine Lösung γ = −α.
⇒ x(t) = A e−αt
Variation der Konstanten (um eine zweite, linear unabhängige Lösung zu
finden):
x(t) = u(t)e−αt
ẋ(t) = (u̇(t) − αu(t)) e−αt
¡
¢
ẍ(t) = ü(t) − αu̇(t) − αu̇(t) + α2 u(t) e−αt
¡
¢
= ü(t) − 2αu̇(t) + α2 u(t) e−αt
Einsetzen in die Differentialgleichung ẍ + 2αẋ + ωo2 x = 0
³
´
H 2
H2H »»
H2H −αt
»
»
»
H
»
⇒ ü − 2αu̇ + α u + 2αu̇ − 2α H
u+α u e
=0
⇒ ü(t) = 0 ⇒ u(t) = a + bt
(1.69)
(1.70)
allgemeine Lösung: x(t) = (a + bt)e−αt
Für t ≫
1
α
= τ ist der Faktor t unwichtig, die Lösung fällt sicher mit der
Relaxationszeit τ =
1
α
=
1
ωo
ab.
30
Abb. 17
Relaxationszeiten:
1
α
Schwache Dämpfung
α < ωo
τ=
Starke Dämpfung
α > ωo
τ+ =
Aperiodischer Grenzfall
α = ωo
τ=
1
α
>
α−
1
ωo
√1 2
=
α −ωo2
>
1
ωo
1
ωo
D.h. bei gegebenem ωo fällt die Lösung im aperiodischen Grenzfall schneller
ab als bei starker oder schwacher Dämpfung.
31
2
Lagrange - Mechanik
2.1
Prinzipien von d’Alembert (virtuelle Arbeit) und
Hamilton
2.1.1
Freiheitsgrade
Freiheitsgrade = unabhängige Koordinaten zur Beschreibung des Systems
Beispiele:
• N freie Teilchen im R3 ⇒ 3N Freiheitsgrade
• 1 Teilchen auf einer Kurve ⇒ 1 Freiheitsgrad
(z.B. Bogenlänge auf der Kurve)
Zwangsbedingungen: f1 (x, y, z) = c1 und f2 (x, y, z) = c2 , Kurve ist
Schnitt dieser Ebenen
• Allg.: Zahl der Freiheitsgrade n = 3N-Zahl der Zwangsbedingungen
• Starrer Körper: alle Abstände zwischen den Massenpunkten sind fest.
Abbildung 18 zeigt den Übergang von einem Teilchen auf einen starren
Körper aus N Teilchen. Abbildung 19 zeigt ein zweidimensionales Pendel
und seine Freiheitsgrade.
Die Zwangsbedingung wird durch die Zwangskraft aufrecht erhalten, hier
beim Pendel durch Fadenspannung.
Erkenntnis: Die Zwangskraft ist senkrecht zur Bewegung, d.h. Zwangskräfte
leisten keine Arbeit.
32
Ziel: Zwangskräfte aus Bewegungsgleichungen eliminieren, dann gibt es statt
3N nur noch n Bewegungsgleichungen.
z.B. Fadenkraft F~F aden beim Pendel interessiert nur insoweit, als sie l konstant hält, d.h. eine ökonomische Behandlung nutzt die Zwangsbedingung
aus, um Koordinaten zu reduzieren.
Abb. 18
Abb. 19: 2-dim. Pendel mit konstanter Länge l. Die beiden Freiheitsgrade
lassen sich durch die Winkel ϑ und ϕ ausdrücken.
33
2.1.2
Virtuelle Verrückungen und Zwangsbedingungen
Zur Elimination der Zwangsbedingung benutzt man das Prinzip der virtuellen
Verrückungen.
Definition: Eine virtuelle Verrückung ist eine infinitesimale, instantane Koordinatenänderung δ~ri zum Zeitpunkt t, die mit den angewandten Kräften und
Zwangsbedingungen (d.h. auch Zwangskräften) zum Zeitpunkt t verträglich
ist.
Die Zwangskräfte stehen senkrecht auf der möglichen Bewegung, d.h. auch
senkrecht auf δ~ri
⇒
f~i · δ~ri = 0
δ~ri ⊥ f~i ← Zwangskraft,
(2.1)
Newton II mit Gesamtkraft = F~i + f~i
Dabei ist F~i die angewandte Kraft, f~i die Zwangskraft.
⇒
F~i + f~i − p~˙i = 0
| · δ~ri ,
X
X
i
(F~i − p~˙i ) · δ~ri +
i
|
X
i
f~i · δ~ri = 0
{z
0
}
Prinzip der virtuellen Arbeit (d’Alembert)
(Speziell sind ohne Zwangsbedingungen alle δ~ri erlaubt,
d.h. F~i − p~˙i = 0
⇒ Newton II)
34
(2.2)
δ~ri , i = 1, . . . , N, sind noch 3N voneinander abhängige Koordinaten.
Ziel war: n = 3N − z unabhängige Koordinaten
Hierzu führen wir die generalisierten Koordinaten qi , i = 1, . . . , n, ein.
Die Elimination der abhängigen Koordinaten ist möglich, falls die Zwangsbedingungen durch algebraische Gleichungen der Form fi (~r1 , . . . , ~rN , t) =
0, j = 1, . . . , z, beschrieben werden. Solche Zwangsbedingungen heißen auch
holonom.
z.B. Pendel x2 + y 2 + z 2 − l2 = 0
Differentielle Bedingungen müssen gesondert behandelt werden, z.B. Rollen
siehe (Abb. 20)
Abb. 20: Zwangsbedingung ds = dϕ · R(ϕ) beim Rollen eines Körpers.
Wenn wir die Zwangsbedingungen eliminieren können, erhalten wir 3N Gleichungen für ~ri = ~ri (q1 , . . . , qn , t) als Funktion der n unabhängigen generalisieten Koordinaten qi und der Zeit t.
35
Klassifizierung von Zwangsbedingungen
holonom:
lassen sich durch geschlossene Gleichungen der Form
f (~r1 , . . . , ~rN , t) = 0 beschreiben.
nicht holonom:
keine Gleichung der Form f (~r1 , . . . , ~rN , t) = 0 möglich,
skleronom:
evtl. läßt sich differentielle Gleichung aufstellen
P
ai (~r1 , . . . , ~rN , t)d~ri = a0 (~r1 , . . . , ~rN , t)dt
rheonom:
zeitabhängig
i
zeitunabhängig
Was ist eine virtuelle Verrückung?
physikalische Verrückung
n
X
∂~ri
∂~ri
d~ri =
dqj +
dt
∂q
∂t
j
j=1
(2.3)
virtuelle Verrückung
n
X
∂~ri
δ~ri =
δdqj
∂q
j
j=1
virtuelle Verrückung:
(Zeit wird festgehalten)
(2.4)
alle infinitesimalen Verrückungen, die mit den
Zwangsbedingungen zu gegebenem festen Zeitpunkt
vereinbar sind
Zwangsbed. skleronom:
tatsächliche Verrückungen schließen virtuelle Verrückungen
mit ein
Zwangsbed. rheonom:
tatsächliche Bewegungen d~ri unter Umständen virtuell
(bei eingefrorener Zeit) nicht erlaubt, d~ri 6= δ~ri
36
2.1.3
Euler-Lagrange-Gleichungen
Virtuelle Arbeit der äußeren Kräfte
X
i
F~i · δ~ri =
X
ij
X
∂~ri
δqj =
Qj δqj
F~i ·
∂qj
j
mit der generalisierten Kraft Qj =
P~
Fi ·
i
∂~
ri
∂qj
∂~ri
mi~r¨i
δqj
∂q
j
i
i
ij
µ
¶
¶¸
· µ
X
∂~
r
d
∂~
r
d
Produktregel
i
i
mi~r˙i ·
− mi~r˙i ·
δqj
=
dt
∂q
dt ∂qj
j
ij
X
p~˙i · δ~ri =
X
mi~r¨i · δ~ri =
(2.5)
X
(2.6)
Geschwindigkeit ~r˙i durch generalisierte Koordinaten ausdrücken
X ∂~ri
d~ri X ∂~ri dqn
∂~ri
∂~ri
~r˙i = ~vi =
=
+
=
q̇n +
dt
∂qn dt
∂t
∂qn
∂t
n
n
(2.7)
Nebenrechnung:
∂~vi
∂~ri
=
∂ q̇j
∂qj
(2.8)
denn aus ~ri = ~ri (q1 , q2 , . . . , qn , t), i = 1, . . . , N folgt
~r˙i =
n
X
∂~ri
∂~ri
q̇j +
= ~r˙i (q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n , t)
∂q
∂t
j
j=1
∂~ri
∂~r˙i
=
⇒
∂ q̇j
∂qj
37
(2.9)
Aus Gleichung (2.6) folgt:
¶
X
X· d µ
∂~
v
i
p~˙i · δ~ri =
mi~vi ·
dt
∂ q̇j
i
ij
¶¸
µ
d
∂~
r
i
δqj
− mi~r˙i ·
dt ∂qj
{z
}
|
Ann.:Dif f erentiation
vertauschbar
∂~vi
∂qj
¸
∂~vi
− mi~vi
δqj
∂qj
= mi~vi
=
X· d µ
dt
ij
∂~vi
mi~vi ·
∂ q̇j
¶
Produktregel:
¶
X · d ∂ µ1
2
mi~vi
=
dt ∂ q̇j 2
ij

Ã
!
X
X1
d ∂
=
mi~vi 2

dt
∂
q̇
2

j
i
i
{z
}
|
T
¸
X · d ∂T
∂T
=
−
δqj
dt
∂
q̇
∂q
j
j
i
∂
−
∂qj
µ
1
mi~vi 2
2
¶¸
δqj

Ã
!

X1
∂
2 
−
mi~vi  δqj
∂qj
2

i
{z
}
|
T
(2.10)
Einsetzen in d’Alembertsches Prinzip (n Freiheitsgrade)
0=
=
X
(−F~i + p~˙i ) · δ~ri
i
n ·
X
j=1
¸
∂T
d ∂T
−
− Qj δqj ← unabhängige generalisierte Koordinaten
dt ∂ q̇j
∂qj
(2.11)
δqj linear unabhängig voneinander
⇓
Jeder Term in der Summe muß verschwinden!
d
dt
µ
∂T
∂ q̇j
¶
−
∂T
= Qj , j = 1, . . . , n
∂qj
38
(2.12)
Spezialfall: konservative Kräfte F~
~ rV
⇒Es gibt ein Potenzial V = V (~r1 , . . . , ~rN ), F~i = −∇~
V nur von Koordinaten abhängig, V = V (~r)
X
X ∂V
∂~ri
∂~ri
∂V
⇒Qj =
F~i ·
= −
·
= −
∂qj
∂~ri
∂qj
∂qj
i
i
Also:
∂
d ∂T
(T − V ) = 0
−
dt ∂ q̇j ∂qj
|{z}
=
(2.13)
∂
∂V
(T − V ), da V nur vom Ort abhängt,
=0
∂ q̇j
∂ q̇j
L = T-V ist die Lagrange-Funktion.
(Euler−)Lagrange − Gleichungen
(1)für konservative Kräfte
∂L
d ∂L
−
= 0, j = 1, . . . , n
dt ∂ q̇j
∂qj
mit L = T − V = L(qj , q̇j , t) → Lagrangefunktion
(2)allgemein
∂T
d ∂T
−
= Qj
dt ∂ q̇j
∂qj
Beispiele:
(1) ebenes Pendel
(Abbildung 21)
39
(2.14)
Abb. 21: Das ebene Pendel mit 1 Freiheitsgrad = 1 generalisierten Koordinate. Als Koordinate wählen wir den Winkel ϕ zur Vertikalen.
h = l − l cos ϕ = l(1 − cos ϕ)
1
1
T = mv 2 = ml2 ϕ̇2
2
2
(lϕ = Länge auf Kreisbogen)
V = mgh = mgl(1 − cos ϕ)
Da es nicht auf Konstanten im Potenzial ankommt, wählen wir einfacher:
V = −mgl cos ϕ
1
⇒ L = T − V = ml2 ϕ̇2 + mgl cos ϕ
2
(2.15)
¶
µ
∂
d ∂ 1 2 2
d ∂L ∂L
−
=
ml ϕ̇ −
(mgl cos ϕ)
0=
dt ∂ ϕ̇ ∂ϕ
dt ∂ ϕ̇ 2
∂ϕ
d ¡ 2 ¢
=
ml ϕ̇ + mgl sin ϕ = ml2 ϕ̈ + mgl sin ϕ = 0
| {z }
dt
generalisierte Kraft
−Q
Bewegungsgleichung lϕ̈ + g sin ϕ = 0
40
(2.16)
L = T − V hat die Dimension einer Energie, aber die generalisierten Koordinaten qj brauchen keine Längen zu sein ⇒ Generalisierte Kräfte Qj brauchen
nicht die Dimension einer Kraft zu haben.
Zur Lösung der Bewegungsgleichung betrachten wir kleine Winkel ϕ ≪ 1
⇒lϕ̈ + gϕ = 0
ϕ ist das 1. Glied der Taylorreihe von sin ϕ.
g
⇒HO : lϕ̈ = −gϕ, ϕ̈ = − ϕ
l
(2.17)
Die Lösung ist eine harmonische Schwingung mit ϕ(t) = A cos ω0 t + B sin ω0 t
p
mit ω0 = gl . A, B sind aus den Anfangsbedingungen zu bestimmen.
(2) ebenes Pendel mit elastischem Faden
Abb. 22: Wir wählen einen elastischen Faden und haben nun 2 Freiheitsgrade ϕ, r (generalisierte Koordinaten).
41
¢
1 ¡
T = m ṙ2 + (rϕ̇)2
2
1
V = −mgr cos ϕ + k(r − r0 )2
}
|2 {z
(2.18)
elastische Energie des Fadens, k = Federkonst., r0 = Ruhelänge
¢
1
1 ¡
L = T − V = m ṙ2 + (rϕ̇)2 + mgr cos ϕ − k(r − r0 )2
2
2
Lagrange-Gleichungen
µ ¶
d ∂L
∂L
(1)
−
dt ∂ ṙ
∂r
µ ¶
∂L
d ∂L
−
(2)
dt ∂ ϕ̇
∂ϕ
= mr̈ − mrϕ̇2 − mg cos ϕ + k(r − r0 ) = 0
=
d ¡ 2 ¢
mr ϕ̇ + mgr sin ϕ
dt
(2.19)
= 2mrṙϕ̇ + mr2 ϕ̈ + mgr sin ϕ = 0
Die Bewegungsgleichungen lassen sich nicht analytisch lösen!
2.1.4
Hamiltonsches Prinzip
Alternative zur Herleitung der Lagrange-Gleichungen
Behauptung: Eine Bewegung verläuft so, dass das Integral J =
Rt2
L(qi , q̇i , t)dt
t1
extremal ist, d.h. δJ = 0. J ist eine Wirkung (Energie · Zeit). (Hamiltonsches
Prinzip)
Aufgabe:
Rt2
Ldt durch Variation der Pfade qi (t) extremal machen.
t1
Wir werden zeigen, dass aus δJ = 0 die (Euler-) Lagrangegleichungen folgen.
Umgekehrt kann man zeigen, dass die Lösung der Lagrangegleichung qi (t)
R
die Wirkung J = Ldt extremal macht.
42
Betrachte ein System mit einem Freiheitsgrad:
α ist Variationsparameter
J=
Zt2
L(q(t), q̇(t), t)dt = J(α) =
Zt2
L(q(t, α), q̇(t, α), t)dt
(2.20)
t1
t1
Abb. 23: Die Variation der Pfade q(t) wird durch Parameter α und Funktion
η(t) mit η(t1 ) = η(t2 ) = 0 erzeugt. q(t, α) = q(t, α = 0) + αη(t)
43
Extremum von J als Funktion von α suchen:
µ ¶
∂J
=0
(wähle:
α = 0)
∂α α=0
Endpunkte fest:
∂J
=
∂α
Zt2
∂L
(q, q̇, t)dt
∂α
Zt2
∂L ∂ ∂q
dt
∂ q̇ ∂t ∂α
=
t1
Zt2 µ
∂L ∂q
∂L ∂ q̇
+
∂q ∂α
∂ q̇ ∂α
t1
¶
dt = 0
partielle Integration:
Zt2
∂L ∂ q̇
dt =
∂ q̇ ∂α
t1
¸t
∂L ∂q 2
∂ q̇ ∂α t
| {z }1
·
=
t1
−
Zt2
t1
d
dt
µ
∂L
∂ q̇
¶
∂q
dt
∂α
0, weil Endpunkte fest
µ
µ
⇒
∂J
∂α
¶
¶
d
ist totale Abl., da α nicht involviert
dt
µ ¶
¶
Zt2 µ
∂L ∂q
d ∂L ∂q
−
=
dt
∂q ∂α dt ∂ q̇ ∂α
=0
α=0
t1
(2.21)
Multiplikation mit δα , α = 0
µ
∂J
∂α
|
¶
α=0
{z
Zt2 µ
δα =
}
t1
∂L
d ∂L
−
∂q
dt ∂ q̇
|
δJ virt. Wirkungsvar.
δJ =
Zt2 µ
t1
¶ µ
∂q
∂α
¶
α=0
{z
δα dt
}
(2.22)
virt. Verrückung δq
d ∂L
∂L
−
∂q
dt ∂ q̇
¶
δq dt = 0
|{z}
beliebig
⇒ Klammer muss für jedes δq 0 sein
⇒ Euler-Lagrange-Gl.
(2.23)
d ∂L ∂L
−
=0
dt ∂ q̇
∂q
Wie gesagt, folgt umgekehrt auch das Hamilton-Prinzip aus den Euler-LagrangeGleichungen
44
Bei mehreren Freiheitsgraden i = 1, . . . , n läuft der Beweis genau analog,
q → qi , η → ηi , q̇ → q̇i
µ
Zt2 X µ
¶
∂L ∂qi ∂L ∂ q̇i
dt
+
=0=
∂q
∂α
∂
q̇
∂α
i
i
α=0
i
t
¶
µ 1
d ∂L
∂L
δqi dt = 0
−
֒→ δJ =
|{z}
∂qi dt ∂ q̇i
bel., unabh.
µ ¶
∂L
d ∂L
−
= 0 ∀ i = 1, . . . , n
⇒
dt ∂ q̇i
∂qi
∂J
∂α
¶
(2.24)
Beispiel für Variationsrechnung:
Kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf einer Ebene
Abb. 24
Weg = J =
ZP2
P1
Also: F
µ
y,
ZP2
ZP2 p
ds =
dx2 + dy 2 =
dy
,x
dx
P1
P1
¶
s
1+
µ
dy
dx
¶2
dx =
ZP2
P1
¶
µ
dy
F y, , x dx
dx
µ
¶
dq
entspricht L q, , t
dt
(2.25)
45
L→ F
Übersetzungsvorschrift
q(t) → y(x)
(2.26)
dy
q̇(t) →
dx
t→ x
Damit wird die Lagrangegleichung:
!
Ã
d
∂F
∂F
−
=0
dy
dx ∂ dx
∂y
|{z}
d
dx
Ã
∂F
dy
∂ dx
!
∂F
= 0, da F =
∂y


s
1+
µ
dy
dx
¶2
nicht explizit y − abhängig
dy
d 
dx

q
=
¡ dy ¢2 = 0
dx
1 + dx
dy
dx
q
¡ dy ¢2 = Konstante
1 + dx
Das geht nur wenn
dy
dx
(2.27)
= a = konstant
⇒ y = ax + b Gerade, a, b nach P1 , P2 festlegen
Beispiel für Variationsprinzip in der Mechanik
Ziel: näherungsweise Lösung eines mechanischen Problems durch einen Ansatz für qi (t) mit freien Parametern {aj }.
46
⇒L(qi , q̇i , t, aj ) berechnen
⇒J =
Zt2
L(qi , q̇i , t, aj )dt berechnen
t1
⇒optimale Parameter aus
µ
∂J
∂aj
¶
= 0 für alle j ausrechnen (d.h. Extremum von J)
0
(2.28)
Problem: Mathematisches Pendel mit anharmonischem Term
Abb. 25: Mathematisches Pendel ϕ(t = 0) = 0, ϕ̇(t = 0) = v0
.
m 2 2
l ϕ̇ − mgl(1 −
cos ϕ)
| {z }
2
Taylorentw., s.u.
¶
µ 2
m 2 2
ϕ4
ϕ
≃ l ϕ̇ − mgl
−
2
2
24
| {z }
L=T −V =
anharm. Term
47
(2.29)
Nebenrechnung: Taylorentwicklung von cos ϕ um ϕ = 0:
f (ϕ) =
cos ϕ →
′
f (0) =
1
′
f (ϕ) = − sin ϕ →
f (0) =
f ′′ (ϕ) = − cos ϕ →
f ′′ (0) = −1
f ′′′ (ϕ) =
sin ϕ →
f ′′′ (0) =
0
f ′′′′ (ϕ) =
cos ϕ → f ′′′′ (0) =
1
1
· (−1) · ϕ2
2!
1
1
+ · 0 · ϕ3 + · 1 · ϕ4
3!
4!
4
2
ϕ
ϕ
+
=1−
2
24
֒→ cos ϕ ≃ 1 + 0 · ϕ +
0
Ansatz einer speziellen Lösung:
ϕ(t) = a1 sin(ωt) + a2 sin(2ωt) + a3 sin(3ωt) + . . .
¶ µ
¶
µ ¶
³π ´
3T
T
3π
!
ϕ̇ t =
ϕ̇ t =
= 0 = a1 ω cos
+...
+2a2 ω cos(π) +3a3 ω cos
|{z}
| {z }
4
4
2
| {z 2 }
Def. v. T
| {z }
1
bzw. ω
µ
0
0
⇒ alle geraden Terme müssen a2n = 0 haben
⇒ ϕ(t) = a1 sin(ωt) + a3 sin(3ωt)
ϕ2 (t) = a21 sin2 ωt + 2a1 a3 sin(ωt) sin(3ωt) + a23 sin2 (3ωt)
ϕ̇(t) = a1 ω cos ωt + 3a3 ω cos(3ωt)
ϕ̇2 (t) = a21 ω 2 cos2 ωt + 6a1 a3 ω2 cos(ωt) cos(3ωt) + 9a23 ω 2 cos2 (3ωt)
(2.31)
J=
ZT
0
m
Ldt =
2
¶¸
µ
ZT ·
ϕ4
2 2
2
dt
l ϕ̇ − gl ϕ −
12
(2.32)
0
RT
Jetzt folgt eine große Rechnerei, aber alle Integrale sind von der Form (cos(ωt))n dt
0
und lösbar.
48
Wir nehmen an: a1 ≫ a3 (kleine Anharmonizität) und vernachlässigen Terme
von mehr als quadratischer Ordnung in a3
¶
· 2 2
µ 2
µ
¸
¶
m 2
a23 ω 2
3 2 2
mgl
mgl
a1 ω
a1 a23
3 4 1 3
⇒ J= l T
+9
T
+
T
a + a a3 + a1 a3
−
+
2
2
2
2
2
2
24
8 1 2 1
2
(2.33)
Wirkung extremal:
∂J
mgl
mgl
m
0=
T a1 +
T
= l 2 T a1 ω 2 −
∂a1
2
2
24
!
⇒
ω2 =
H
mg
H lC
µ
ω02
harmon. Term
ω < ω0 ⇒ T =
¶
½
3 3 3 2½
©
2
a + a½1 a3 + ©
3a©
1 a3
2 1 ½
2
{z
}
|
2A
T 3 3
1
· a1 ·
·
H
12 2
m
H lA2 T a1
¶
2
T a1 −
2A
g
=
(1−
l| {z }
¶
µ
a1
8
weglassen wg a1 ≫a3
2π
> T0 , d.h. Schwingungsdauer wird länger
ω
Abb. 26
49
(2.34)
Außerdem hängt die Schwingungsdauer jetzt von der Amplitude ab. Die Bewegungsgleichung ist nichtlinear und das Superpositionsprinzip (Summe von
³
´
∂J !
Lösungen = Lösung) gilt nicht mehr. Berechnung von a3 aus ∂a3 = 0
2.2
Generalisierter Impuls. Symmetrien und Erhaltungssätze
und als Anwendung: Planetenbewegung und Streuung
2.2.1
Invarianzen
Lagrangefunktion für 1-dim. Bewegung L = T − V = 21 mẋ2 − V (x)
Lagrangegleichung:
µ ¶
d
∂V
∂L
d ∂L
= |{z}
mẍ −F = 0
=
(mẋ) +
−
dt ∂ ẋ
∂x
dt
∂x
|{z}
ṗ
|
{z
}
−F
(2.35)
Newton II
Allgemein heißt pj =:
∂L
∂ q̇j
der zur generalisierten Koordinate qj gehörige
kanonisch konjugierte generalisierte Impuls.
¶
µ
d ∂L
∂L
=0
−
dt ∂ q̇j
∂qj
| {z }
(2.36)
pj
Ein generalisierter Impuls pj ist genau dann erhalten, wenn die zugehörige
Koordinate qj nicht als unabhängige Variable in der Lagrangefunktion auftritt, denn dann ist
∂L
d
(pj ) = 0 ⇔ pj = konstant
=0 ⇒
∂qj
dt
(2.37)
Generalisierte Koordinaten qj , von denen L nicht abhängt, heißen zyklisch.
50
Die Abwesenheit einer generalisierten Koordinate in L ist Folge einer Symmetrie.
z.B. Translationsinvarianz, Rotationsinvarianz
Translationsinvarianz
Betrachte eine Koordinate qj (z.B. Koordinate eines Punktteilchens, Schwerpunktkoordinate R), die die Translation des gesamten Systems in eine bestimmte Richtung beschreibt.
Abb. 27
qj zyklisch ⇒ V, L unabhängig von qj
das ist genau Translationsinvarianz; das System merkt gar nicht, wenn es
verschoben wird.
Betrachte konservative Kräfte
d
dt
µ
∂L
∂ q̇j
¶
=−
∂V
∂ q̇j
= 0.
X
∂V
∂~ri
= + Qj =
= 0 für zyklische Koord.qj
F~i ·
∂qj
∂qj
|{z}
i
general.
Kraft
Also: qj zyklisch ⇔ F~ = 0 ⇔ ṗj = 0, P~ = konst.
⇔ Translationsinvarianz
(2.38)
zum Beispiel:
L=
1X
1X
mi ṙi2 +
V (|~ri − ~rj )|
2 i
2
~ ∀i ändert L nicht!
~ri = ~ri + dR
51
(2.39)
Rotationsinvarianz
Ein (bestimmtes) dqj beschreibe den Rotationswinkel des gesamten Systems
ˆ (konservatives System).
um eine feste Achse ~n
¶
µ
∂V
d ∂L
= ṗj = −
= Qj
dt ∂ q̇j
∂qj
(2.40)
Behauptung: Qj ist die Komponente des angewandten Drehmoments entlang
ˆ , d.h. Qj = ~n
ˆ·M
~
der Achse ~n
Abb. 28
|d~ri | = ri sin ϑi dqj
¯
¯
¯ ∂~ri ¯
¯
¯
¯ ∂qj ¯ = ri sin ϑi
ˆ × ~ri
ˆ ⇒ ∂~ri = ~n
d~ri ⊥~ri ∧ d~ri ⊥~n
∂qj
52
(2.41)
´
´
X ³
∂~ri X ~ ³ ˆ
zykl. vert.
ˆ · ~ri × F~i
F~i ·
=
Fi · ~n × ~ri
=
~n
∂qj
i
i
i
X
X
ˆ×M
~ i = ~n · M
~ mit M
~ =
~i
=
~n
M
⇒ Behauptung
Qj =
X
i
i
Ã
!
X
1
∂
∂T
mi vi2
=
verallgemeinerte Impulse pj =
∂ q̇j
∂ q̇j
2
i
³
´
X
X
X
∂~vi
∂~ri
ˆ
=
mi~vi ·
=
mi~vi · ~n × ~ri
=
mi~vi ·
∂ q̇j
∂qj
i
i
i
|{z}
|{z}
∂~
ri
∂qj
zykl. vert.
=
X
i
ˆ · (~ri × ~vi ) =
mi~n
dabei ist: mi · (~ri × ~vi ) = ~li
ˆ ×~
~
n
ri
X
i
ˆ · ~li = ~n
ˆ·L
~
~n
ˆ·L
ˆ
~ = Komponente des Drehimpulses L
~ entlang der Drehachse ~n
und ~n
(2.42)
Falls die Lagrangefunktion L nicht vom Drehwinkel um eine Achse abhängt,
ˆ erhalten, denn
~ · ~n
also um diese Achse invariant ist, bleibt L
µ
¶
d ∂L
∂V
= ṗj
=
0=−
∂qj
dt ∂ q̇j
2.2.2
Anwendung: Das Zweikörperproblem
⇒ reduzieren auf Zentralfeld
⇒ Planetenbewegung, Rutherfordstreuung
53
(2.43)
a) Reduktion des Zweikörperproblems auf ein Einkörperproblem, falls V = V (~r = ~r2 − ~r1 )
Abb. 29
~ = m1~r1 + m2~r2
R
m1 + m2
(2.44)
1
1
kin. Energie T = m1~r˙1 2 + m2~r˙2 2
2
2
1 ˙2
1 ~˙ 2
µ~r
(s. Übungen) = M R +
|2 {z }
|2 {z }
TCM
mit der reduzierten Masse µ =
(2.45)
kin. Energie der
Relativbewegung
m1 m2
m1 + m2
1 ~˙ 2 1 ˙ 2
~ nach Voraussetzung
+ µ~r − V (~r) ← nicht abh. vonR
L = T − V = MR
2
2
d ∂L
~˙ ist erhalten, der Schwerpunkt
= 0 = Ṗi ⇒ P~ = M R
⇒
dt ∂Ri
bewegt sich gleichförmig mit konst. Geschw.
~¨ mit F~ (a) = 0)
(s. auch nach Newton: F~ (a) = M R
(2.46)
54
TCM ist eine Konstante, auf die es bei der Relativbewegung nicht ankommt,
!
TCM = 0.
⇒
1
L = µ~r˙ 2 − V (~r) Also 1 Teilchen im Zentralpot.
2
(2.47)
b) Lösung des Problems Teilchen im Zentralpotenzial“
”
Annahme: V = V (|~r|) = V (r) nur vom Betrag von r abhngig.
(zum Beispiel: Gravitation, Coulombpotenzial)
⇒
L = 21 µ~r˙ 2 − V (r) hat sphärische Symmetrie, es ist unter Rotation um
beliebige Achsen invariant.
⇒
~l = ~r × p~ = µ~r × ~v ist erhalten (Richtung und Betrag)
~r⊥~l, ~v =
d~
r ~
⊥l
dt
⇒ Bewegung verläuft in einer Ebene, die von ~r und d~r
aufgespannt wird. Die Ebene steht senkrecht zu ~l.
D.h. die anfänglichen 6 Freiheitsgrade sind auf 2 reduziert. Für diese benutzen
wir ebene Polarkoordinaten (r, ϑ)
Zur Erinnerung
x = r cos ϑ
y = r sin ϑ
oder
p
r = x2 + y 2
y
ϑ = arctan
x
Funktionaldeterminante
r=
Abb. 30
∂(x, y)
∂(r, ϑ)
(2.48)
55
µ ¶ µ ¶
˙~r 2 = d~r · d~r = ẋ · ẋ = ẋ2 + ẏ 2
ẏ
ẏ
dt dt
³
´2 ³
´2
= ṙ cos ϑ − rϑ̇ sin ϑ + ṙ sin ϑ − rϑ̇ cos ϑ
= ṙ2 cos2 ϑ − 2rṙϑ̇ sin ϑ cos ϑ + r2 ϑ̇2 sin2 ϑ + ṙ2 sin2 ϑ + 2rṙϑ̇ sin ϑ cos ϑ + r2 ϑ̇2 cos2 ϑ
³
´
2
2
2
2 2
˙
Insbesondere ~r 6= ṙ !
= ṙ + r ϑ̇
´
1 ³ 2
2 2
⇒ L = T − V = µ ṙ + r ϑ̇ − V (r)
2
∂L
pϑ =
ist konstant, da ϑ zyklisch ist.
∂ ϑ̇
pϑ = µr2 ϑ̇ ist genau der Betrag des Drehimpulses ~l = µ~r × ~v .
(2.49)
Beweis:



r cos ϑ
ṙ cos ϑ − rϑ̇ sin ϑ

 


 

~r × ~v =  r sin ϑ  × ṙ sin ϑ + rϑ̇ cos ϑ

 

0
0


0




=

0

³
´
³
´
r cos ϑ ṙ sin ϑ + rϑ̇ cos ϑ − r sin ϑ ṙ cos ϑ − rϑ̇ sin ϑ
i (2.50)
h
2
2
2
2
= ~ez · rṙ cos ϑ sin ϑ + r ϑ̇ cos ϑ − rṙ cos ϑ sin ϑ + r ϑ̇ sin ϑ

= ~ez · r2 ϑ̇
Also:
l = m |~r × ~v | = mr2 ϑ̇
d ³ 2 ´
dl
=0=µ
r ϑ̇
dt
dt
⇒ Flächensatz, auch:
l = mr2
dϑ
⇒ ldt = mr2 dϑ
dt
56
(2.51)
Abb. 31
Das ist das 2. Keplersche Gesetz: Der Fahrstrahl zwischen Sonne und Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.
Bewegungsgleichung für r:
´
1 ³ 2
2 2
L = µ ṙ + r ϑ̇ − V (r)
2
(2.52)
d ∂L ∂L
∂V
−
= µr̈ − µrϑ̇2 +
dt ∂ ṙ
∂r
∂r
(2.53)
Lagrangegleichung
0=
Wir wissen bereits:
l = µr2 ϑ̇ = konstant
(2.54)



∂V
l
∂ 
l2

⇒ µr̈ = −
+ 3 = − V (r) +
∂r
µr
∂r 
2µr2

| {z }
2
Zentrifugalpotenzial
|
{z
effektives Pot. Vef f






(2.55)
}
d.h. wir müssen uns nur noch um die radiale Bewegung (r) kümmern:
µr̈ = −
∂Vef f
∂r
analog Newton II mẍ = F = −
57
∂V
∂x
(2.56)
zur Lösung mit ṙ multiplizieren
∂Vef f dr
µr̈ṙ = −
·
|{z}
∂r
dt
(2.57)
1 d
(µṙ 2 )
2 dt
Integrieren
Z
1 d ¡ 2¢
µṙ dt = −
2 dt
Z
∂Vef f. dr
½
dt
½
½
dt
∂r ½
1 2
µṙ + Vef f. (r) = E ← Integrationskonstante
2
1 2
l2
µṙ + V (r) +
= E Energiesatz
2
2µr2
1
µṙ2
2
l2
2µr 2
(2.58)
(2.59)
→ kin. Energie der Radialbewegung
→ kin. Energie der Winkelbewegung
1
µ
2
µ
¶2
l2
= E − V (r) −
2µr2
s µ
¶
2
dr
l2
⇒
E − V (r) −
=
dt
µ
2µr2
dr
⇒ r ³
´ = dt
l2
2
E − V (r) − 2µr2
µ
dr
dt
(2.60)
integrieren mit Anfangsbed. r(t0 ) = r0
Zt
dt′ = t − t0 =
Zr
r0
t0
l
dϑ
= ϑ̇ = 2
dt
µr (t)
dr′
r ³
2
E − V (r′ ) −
µ
l2
2µr ′2
´
liefert r(t)
beliebig genau
(2.61)
liefert ϑ(t) mit ϑ(t0 )
d.h. man kann die komplette Lösung in Abhängigkeit von r(t0 ), ϑ(t0 ), E, l
berechnen
58
Energie im Zentralfeld
z.B. Gravitation, Coulombkraft:
∂V
1 Qq
∂V
m1 m2
und FC =
=−
FG = G 2 = −
2
r
∂r
4πE0 r
∂r
|
{z
}
(2.62)
V ∝− r1
Rechnung für 1r -Potenzial V = − kr = −G m1rm2 für Gravitation
l2
1 2
l2
k
=E
,
µ
ṙ
+
V
(r)
+
Vef f = − +
r 2πr2 2
2µr2
{z
}
|
(2.63)
Vef f (r)
Abb. 32
E ≥ Vef f,min , weil 21 µṙ2 ≥ 0, Vef f,min = E liefert Kreis, da ṙ = 0
0 > E > Vef f,min
s.Skizze
⇒
Es gibt einen kleinsten Abstand r1 (Perihel) und
einen größten Abstand r2 (Aphel), d.h. es handelt sich um eine gebundene
Bewegung
für E ≥ 0 ist r2 = ∞, d.h. ungebundene Bewegung
59
Bahnkurve berechnen (Gravitationspozential)
Wir gehen aus von
dr
dt = r ³
2
E − V (r) −
µ
l2
2µr 2
t eliminieren
dr
⇒r ³
2
E − V (r) −
µ
⇒ dϑ =
=
′
⇒ ϑ−ϑ =
l2
2µr 2
dϑ 2
´ = l µr
ldr
r ³
µr2 µ2 E − V (r) −
l2
2µr 2
ldr
q
r2 2µE − 2µV (r) −
Zϑ
′′
dϑ =
ϑ′
Z
r2
q
und dt =
´
2µE
l2
l2
r2
´=
=
2µV (r)
l2
l2
2µr 2
dr
2µE
l2
−
1
r2
dr
−
ldr
r ³
r2 2µ E − V (r) −
q
r2
dϑ 2
µr
l
−
2µV (r)
l2
−
´
1
r2
k
für Coulomb- u. Gravitationspot., V = −
r
Z
dr
q
ϑ − ϑ′ =
r2 2µE
+ 2µk
− r12
l2
rl2
Substitution r =
⇒ ϑ = ϑ′ −
Z
1
, dr = −r2 du
u
Bronstein−
integrabel
du
q
2µE
l2
+
2µku
l2
=
−
u2
1
nach r = auflösen
us
#
"
1
2El2
µk
′
= 2 1+ 1+
cos (ϑ − ϑ )
r
l
µk 2

l2 u
µk
−1
arccos  q
1+
2El2
µk2


(2.64)
60
Polardarstellung eines Kegelschnitts mit einem Brennpunkt im Ursprung,
allgemein:
1
= C (1 + E cos (ϑ − ϑ′ ))
r
s
C=
µk
, E=
l2
1+
2El2
(Exzentrizität)
µk 2
(2.65)
Es gibt 3 Arten von Kegelschnitten
• Ellipse
• Parabel
• Hyperbel
Ellipse:
Menge aller Punkte P der Zeichenebene, für die die Summe aller Abstände
zu zwei gegebenen Punkten F1 und F2 gleich 2a ist. Die Punkte F1 und F2
heißen Brennpunkte.
Abb. 33: (a ist durch Ea definiert)
Hauptscheitel S1 , S2 = Punkte mit größtem Abstand zum Mittelpunkt
61
b = kleine Halbachse
lineare Exzentrizität = Abstand der Brennpunkte von Mittelpunkt, e =
√
a2 − b2 nach Pythagoras
numerische Exzentrizität E =
e
a
=
√
a2 −b2
a
große Halbachse M S1 hat Länge a, denn:
|F1 S1 | + |F2 S1 | = 2a nach Definition
⇒ |M S1 | − e + |F2 S1 | = 2a
(2.66)
⇒ |M S1 | − e + e + |M S1 | = 2a
⇒ |M S1 | = a
Konstruktion z.B. nach Gärtnerkonstruktion
1
= C (1 + E cos(ϑ − ϑ′ )) beschreibt für 0 ≤ E ≤ 1 eine Ellipse
r
(2.67)
Spezialfall E = 0: Kreis, F1 und F2 fallen zusammen
1
l2
1
=C ⇒ r=
=
r
C
µk
∂Vef f !
Bewegung findet im Potenzialminimum statt,
=0
∂r
µ
¶
k
∂Vef f
k
∂
l2
l2
l2
− +
=
+
=
−
=
0
⇒
r
=
∂r
∂r
r 2µr2
r2 µr3
µk
(2.68)
Ellipse: 0 < E < 1
1
= C (1 + E cos(ϑ − ϑ′ ))
r
1
= C(1 + E)
d.h. rmin = r1 für ϑ = ϑ′ ,
rmin
1
rmax = r2 für ϑ = ϑ′ ± π,
= C(1 − E)
rmax
1
⇒ r1 =
, r2 = C(1 − E)
C(1 + E)
62
(2.69)
Abb. 34
Die rote Linie stellt die Menge aller Punkte dar, für die gilt:
1
= C (1 + E cos(ϑ − ϑ′ ))
r
1
−1
E cos(ϑ − ϑ′ ) =
rC
(2.70)
z.Z.: Die Summe der Abstände jedes Punktes auf dem Umfang von den beiden Brennpunkten ist eine Konstante 2a.
Ein beliebiger Punkt P habe Abstände r, r′ von den Brennpunkten.
Ziel: r′ abhängig von r berechnen (Kosinussatz)
63
zur Erinnerung: Kosinussatz, gegeben sind zwei Seiten a, b und der eingeschlossene Winkel γ
֒→ c2 = a2 + b2 − 2ab cos γ für die dritte Seite.
r′2 = r2 + 4E 2 a2 + 4ar E cos(ϑ − ϑ′ ) da cos(ϑ − ϑ′ ) = − cos (π − (ϑ − ϑ′ )) ,
|
{z
}
1
−1
rC
(2.71)
wobei das a hier durch die Länge Ea definiert wird.
1
+ Ea
C(1 + E)
1
1
⇒ a=
⇒ a(1 − E) =
C(1 + E)
C(1 − E 2 )
µ
¶
2
4r
1
4E
′2
2
+
−1
Also: r = r + 2
C (1 − E 2 )2 C(1 − E 2 ) rC
4E 2
4
4r
= r2 + 2
+ 2
−
2
2
2
2
C (1 − E )
C (1 − E )
C(1 − E 2 )
|
{z
}
a = rmin + Ea =
(2.72)
4E 2 + 4(1 − E 2 )
4
= 2
2
2
2
C (1 − E )
C (1 − E 2 )2
4
4r
+ 2
= r2 −
2
C(1 − E ) C (1 − E 2 )2
·
¸2
2
!
=
− r = (2a − r)2 = r′2
C(1 − E 2 )
⇒ r + r′ = 2a ¤
Koordinatentransformation auf Hauptachsensystem, Urspung im Mittelpunkt
x′′ = r cos(ϑ − ϑ′ ) + Ea
y ′′ = r sin(ϑ − ϑ′ )
x′′2 y ′′2
+ 2 =1
a2
b
√
√
b = a2 − E 2 a2 = a 1 − E 2 =
(2.73)
⇒
1
√
=
C 1 − E2
64
r
√
a
= a·
C
s
l2
µk
Fläche der Ellipse
A=2
Zπ
0
Zπ
dϑ
−1
r=[C(1+E
Z cos ϑ)]
′
Zπ
′
r dr = 2
1
dϑ r′2
2
0
0
1
= dϑ 2
C (1 + E cos ϑ)2
0
¶
µ
1
∗ a=
C(1 − E 2 )
r ¶
µ
a
∗∗ b=
C
·
¸ C(1+E1 cos ϑ)
0
3
Bronstein
=
3
π
1
∗ a 2 π ∗∗
= πab = πa 2
3 = √
2
C (1 − E 2 ) 2
C
s
l2
µk
(2.74)
3. Keplersches Gesetz
Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die Kuben
der großen Achsen der Ellipsen, also T 2 ∝ a3 .
A = πa
3
2
s
l2
=
µk
⇒ T = 2πa
T =Umlaufzeit
Z
0
3
2
r
(m1 = Sonne,
3
µ
= 2πa 2
k
dA
dt
|{z}
l
2µ
nach Flächensatz
s
1
G(m1 + m2 )
dt =
l
T
2µ
(2.75)
m 2 ≪ m1 ) ,
d.h. T 2 ∝ a3 für alle Planeten mit praktisch gleicher Proportionalitätskonstante.
65
Zusammenfassung Keplersche Gesetze
1. Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die
Sonne steht.
2. Der Fahrstrahl von der Sonne zum Planeten überstreicht in gleichen Zeiten
gleiche Flächen.
3. Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die Kuben der großen Achsen der Ellipsen.
Wichtige Begriffe:
Perihel = sonnennächster Punkt der Planetenbahn
Aphel
= sonnenfernster Punkt der Planetenbahn
(∼hel von griechisch helios = Sonne)
Die ungebundene Bewegung - E > 1, Hyperbel
Eine Hyperbel ist definiert als die Menge aller Punkte der Zeichenebene, für
die die Differenz der Abstände zu zwei gegebenen Punkten, den sogenannten
Brennpunkten F1 und F2 , konstant gleich 2a ist.
Abb. 35
66
Abb. 36: Für anziehendes Potenzial gilt V = − kr , k > 0, C =
µk
l2
> 0. Für
abstoßendes Potenzial wird die obige Skizze an der x-Achse gespiegelt. Es
gilt V = − kr , k < 0, C =
µk
l2
< 0. ⇒ nur Hyperbel hat erlaubte (r > 0)
Bereiche; Kreis, Ellipse, Parabel nicht möglich
Gesucht: Funktion für Streuwinkel Θ = π − Φ
Hyperbelgleichung
1
= C(1 + E cos ϑ), E > 1
r
d.h. der erlaubte Bereich endet bei
1
Cr
(2.76)
= 0, siehe Abb. 38
⇒ daraus Φ herleiten:
¶
µ
1
Φ
Θ
Φ
0=
= 1 + E cos π −
= 1 − E cos = 1 − E sin
Cr
2
2
2
| {z }
!
Φ
wird r → ∞ , siehe Skizze
2
1
Θ
sin =
2
E
für ϑ = π −
Streuwinkel
67
(2.77)
Abb. 37: Attraktives Potenzial k > 0: Die Bahnkurve ist zum Streuzentrum
gekrümmt, das Streuzentrum ist der nahe Brennpunkt, der Streuwinkel Θ =
π − Φ. Stoßparameter (b) ist der senkrechte Abstand des Streuzentrums von
der Anfangsrichtung der Teilchen. Repulsives Potenzial k < 0: Streuzentrum
im fernen Brennpunkt der Hyperbel
Abb. 38
68
Berechnung des Rutherfordquerschnitts, d.h. des Wirkungsquerschnitts für ein 1r -Potenzial
Definition des (differentiellen) Wirkungsquerschnitts = dσ
dσ =
Zahl der in ein Raumwinkelelement dΩ gestreuten Teilchen
Zeit · Intensität
(2.78)
d.h. wir nehmen einen isotropen Teilchenstrom aus einer bestimmten Richtung an (Richtung egal wegen sphärischer Symmetrie). Zu jedem E und b
gehört eine Bahn mit einem bestimmten Streuwinkel Θ.
Annahme:
Bei gegebener Energie gehört zu jedem Streuwinkel Θ genau ein Stoßparameter b (wahr für repulsive Potenziale).
⇒ alle Teilchen, die in einen Winkelbereich zwischen Θ und Θ − dΘ gestreut
werden, sind durch einen Kreisring zwischen b und b + db gekommen.
Allgemein gilt: ~l = µ~r × ~v und asymptotisch l = µv0 b
mit v0 = asymptotische Geschwindigkeit
Asymptotisch nur kin. Energie E = 12 µv02
Intensität I =
Zahl der einfallenden Teilchen
(Teilchen-)Strom
=
Fläche × Zeit
Fläche
Zahl der Teilchen durch Kreisring
= I × Fläche = Strom =
Zeit
dσ
dσ
!
= Idσ = I
= |2πbdb
dΩ = 2πI
sin ΘdΘ
{z } I |{z}
dΩ
dΩ
Fläche des
Kreisrings
nach
Annahme
¯
¯
b ¯¯ db ¯¯
dσ
⇒
=
dΩ
sin Θ ¯ dΘ ¯
immer wahr, solange Θ(b) umkehrbar eindeutig ist
(2.79)
69
Abb. 39
repulsives Potenzial
⇒
db
dσ
b db
<0 ⇒
=−
dΘ
dΩ
sin Θ dΘ
(2.80)
Strategie:
Θ(b) ausrechnen (für
1
Potenzial)
r
m Umkehrfunktion? eindeutig
(2.81)
b(Θ)
⇓
db
dΘ
70
sin
1
1
Θ
= =q
2
E
1+
siehe Gleichung 2.77
2El2
µk2
l2 = µ2 v02 b2 = 2µEb2
⇓
µ
¶
1 2
2E
2
µv = E ⇒ v0 =
2 0
µ
Damit:
1
1
Θ
q
=q
=
¡ 2Eb ¢2
2 ·2E
2
1 + 2µEb
1
+
2
µk
k
1
⇒ Θ(b) = 2 arcsin q
¡ ¢2
1 + 2Eb
k
sin
Abb. 40
71
(2.82)
Die Funktion lässt sich also eindeutig umkehren.
¶2
µ
Θ
1
1
2Eb
sin = q
⇒
1
+
=
¡ ¢2
2
k
sin2 Θ2
1 + 2Eb
k
µ
¶2
sin2 Θ2
cos2 Θ2
2Eb
1
1
Θ
=
−
1
=
−
=
= cot2
2 Θ
2 Θ
2 Θ
2 Θ
k
2
sin 2
sin 2
sin 2
sin 2
|k|
Θ
cot
2E
2
1 |k|
1
=−
·
2 2E sin2 Θ2
¯
¯
¯ db ¯
b
¯
=
·¯
sin Θ ¯ dΘ ¯
⇒ b=
⇒
db
dΘ
dσ
dΩ
|k| cos Θ2
1
·
Θ
2E sin 2 sin Θ
µ ¶2
k
1
=
· ·
2E
2
=
·
1 |k| 1
2 2E sin2
cos Θ2
{zΘ}
|sin
Θ
2
·
1
sin3
Θ
2
sin 2α=2 sin α cos α
֒→ 2 sin Θ
cos Θ
2
2
dσ
=
dΩ
µ
k
2E
¶2
·
1
1
·
4 sin4
Θ
2
ergibt den Rutherfordschen Streuquerschnitt mit k =
qq ′
4πE0
(2.83)
Bei Θ → 0 divergiert der Rutherfordquerschnitt so stark, dass auch der
totale Streuquerschnitt divergiert.
֒→ unendliche Reichweite des 1r -Potenzials
σ :=
Z
dσ
dΩ = 2π
dΩ
4π
Zπ
dΘ sin Θ
dσ
dΩ
(2.84)
0
Davon merkt man wegen der Abschirmung der positiven durch die negativen
Ladungen nichts. Das klassische Ergebnis ist gleich dem relativistischen.
72
Abb. 41
Was ist der Streuquerschnitt?
z.B. Fußballtor: Rein geometrisch ist das Treffen eines großen Tors leichter
als das eines kleinen.
⇒ Streuquerschnitt =
ˆ Fläche
Aber steht ein (noch so kleiner) Torwart drin, trifft man immer den
⇒ Streuquerschnitt eines Torwarts > Fläche
⇒ Torwartpotenzial“?
”
Betrachten wir die Streuung harter Kugeln:
Behauptung: Man kann Θ(b) und damit den Wirkungsquerschnitt geometrisch ausrechnen, ohne Bewegungsgleichungen zu lösen.
73
Abb. 42
a = a1 + a2
µ
¶
π Θ
b = a sin α = a sin
−
2
2
Θ
= a cos
2
a
Θ
db
= − sin
dΘ
2
2
Gleichung (2.79):
b db
dσ
=−
dΩ
sin Θ dΘ
und
sin Θ = 2 sin
Θ
Θ
cos
2
2
(2.85)
alles einsetzen:
a cos Θ2
dσ
Θ
a2
a
=+
sin
=
·
dΩ
2
4
2 sin Θ2 cos Θ2 2
totaler Streuquerschnitt:
Z
dσ
a2
σ=
dΩ = 4π = πa2
dΩ
4
4π
Das ist genau die Fläche, auf der die Kugeln etwas voneinander sehen“!
”
74
Zusammenfassung Streuung:
Die Reichweite eines Potenzials wird durch den sogenannten Streuquerschnitt
ausgedrückt, der im Falle von harten Körpern“ der Streufläche entspricht.
”
Für das (unabgeschirmte) Coulombpotenzial divergiert der totale Streuquerschnitt. Der differentielle Streuquerschnitt ist der von Rutherford gefundene,
µ ¶2
1 k
1
dσ
=
(2.86)
dΩ
4 2E
sin4 Θ2
2.2.3
Variationsrechnung mit Nebenbedingungen
Berechnung von Zwangskräften, einige nichtholonome Systeme
zur Erinnerung:
Eine holonome Zwangsbedingung ist durch algebraische Gleichungen f (~r1 , . . . , ~rN ) = 0
ausdrückbar. Man kann unabhängige Koordinaten wählen, die die Zwangsbedingung berücksichtigen.
Jetzt betrachten wir allgemeinere differentielle Zwangsbedingungen
n
X
alk dqk + alt dt = 0 , l = 1, . . . , m
k=1
(m = Anzahl der Zwangsbedingungen, n = Anzahl der Koordinaten)
(2.87)
Bei virtuellen Verrückungen wird die Zeit festgehalten.
n
X
alk δqk = 0 , l = 1, . . . , m
(2.88)
k=1
Die δqk sind durch die Zwangsbedingung nicht mehr voneinander unabhängig.
Die Herleitung von Gleichungen erfolgt weitgehend analog zu vorher.
75
Wir finden so das Hamiltonsche Prinzip
δJ =
Zt2 X
n µ
k=1
t1
∂L
d ∂L
−
∂qk dt ∂ q̇k
¶
δqk dt = 0
(2.89)
Sind die δqk unabhängig voneinander, folgen daraus direkt die Lagrangegleichungen
∂L
d ∂L
−
=0
∂qk dt ∂ q̇k
(2.90)
Da das jetzt nicht mehr geht (δqk abhängig voneinander), muss die Methode
der Lagrange-Multiplikatoren angewandt werden.
Variationsrechnung mit Nebenbedingungen, Lagrange-Multiplikatoren
Wähle m zeitabhängige Funktionen λl (t), die sogenannen Lagrange-Multiplikatoren,
mit
Zt2 X
m
t1
λl
l=1
n
X
alk δqk dt = 0
(2.91)
k=1
Dieser Ausdruck wird jetzt zum oben genannten Hamiltonschen Prinzip (Gleichung 2.89) addiert.
"
Zt2 X
n
t1
k=1
d
∂L
−
∂qk dt
µ
∂L
∂ q̇k
¶
+
m
X
l=1
#
λl alk δqk dt = 0
(2.92)
Es gibt m Zwangsbedingungen.
Von den n δqk sind n − m unabhängig, z.B. k = 1, . . . , n − m.
m δqk sind durch die Zwangsbedingungen bestimmt.
Wähle λl so, dass gilt:
∂L
d
−
∂qk dt
µ
∂L
∂ q̇k
¶
+
m
X
λl alk = 0,
l=1
76
k = (n − m + 1), . . . , n
(2.93)
Im Variationsprinzip verbleiben die ersten n − m Summanden mit den unabhängigen δqk , k = 1, . . . , n − m
"
Zt2 n−m
X
t1
k=1
#
m
∂L
d ∂L X
−
+
λl alk δqk dt = 0
∂qk dt ∂ q̇k
l=1
(2.94)
Die δqk sind jetzt voneinander unabhängig.
m
d ∂L X
∂L
−
+
λl alk = 0,
⇒
∂qk dt ∂ q̇k
l=1
k = 1, . . . , n − m
(2.95)
Die Gleichungen 2.93 und 2.95 ergeben zusammen:
m
∂L
d ∂L X
−
+
λl alk = 0,
∂qk dt ∂ q̇k
l=1
k = 1, . . . , n
(2.96)
d.h. wir haben n Gleichungen für n Koordinaten qk (t) und m Lagrangeparameter λl (t), dazu kommen m Zwangsbedingungen.
n
X
alk dqk + alt dt = 0
k=1
⇒
n
X
alk q̇k + alt = 0,
|÷dt
(2.97)
l = 1, . . . , m
k=1
Holonome Zwangsbedingungen fl (q1 , . . . , qk , t) = 0 kann man durch Differenzieren in eine differentielle Form bringen.
n
X
∂fl
∂fl
dqk +
dt,
0 = dfl =
∂q
∂t
k
l=1
77
l = 1, . . . , m
(2.98)
Physikalische Bedeutung der Lagrange-Multiplikatoren:
Vergleiche
m
d
dt
µ
∂L
∂ q̇k
¶
−
X
∂L
=
λl alk ,
∂qk
l=1
d
dt
µ
∂T
∂ q̇k
¶
−
∂T
= Qk
∂qk
k = 1, . . . , n
mit
(Lagrangegl. für nichtkonservatives System)
⇒λl alk sind generalisierte Kräfte, nämlich die Zwangskräfte!
(2.99)
Beispiel: Zylinder rollt auf schiefer Ebene
Betrachte einen Hohlzylinder, Trägheitsmoment I = M R2
Abb. 43
Zwangsbedingung Rollen Rdϑ = dx
T =
1
1
M ẋ2 + M R2 ϑ̇2
|2 {z }
|2 {z }
Translation
(Rotationsenergie
1 2
Iω )
2
(2.100)
Rotation
V = M g(l − x) sin ϕ
78
a) konventionelle Lösung: Zwangsbedingungen mit Zwangskraft eliminieren
dϑ
1 dx
=
dt
R dt
ϑ̇ =
ẋ
,
R
T =
M 2 M 2 ẋ2
ẋ + R 2 = M ẋ2
2
2
R
⇒ L = T − V = M ẋ2 − M g(l − x) sin ϕ
d ∂L ∂L
d
Bewegungsgleichung: 0 =
−
=
(2M ẋ) − M g sin ϕ
dt ∂ ẋ
∂x
dt
(2.101)
⇔ 2M ẍ = +M g sin ϕ
g
⇔ ẍ = + sin ϕ
2
b) Rechnung mit Lagrange-Multiplikatoren: jetzt mit expliziter Berücksichtigung der Zwangsbedingung
1
1
L = M ẋ2 + M R2 ϑ̇2 − M g(l − x) sin ϕ
2
2
Zwangsbed.: Rdϑ − dx = 0
analog:
n
X
alk dqk + alk dt = 0,
l, . . . , m
k=1
ax dx + aϑ dϑ + at dt = 0
at = o, aϑ = R, ax = −1, {qk } = {x, ϑ}
µ ¶
∂L
d ∂L
d ∂L ∂L
−
= λax
−
= λaϑ
dt ∂ ẋ
∂x
dt ∂ ϑ̇
∂ϑ
⇒M ẍ − M g sin ϕ = −λ
M R2 ϑ̈ = λR
Zwangsbed. 2 × nach Zeit ableiten: Rϑ̈ = ẍ
einsetzen in M R2 ϑ̈ = λR ⇒ M ẍ = λ
⇒M ẍ − M g sin ϕ = −λ = −M ẍ
g
⇒ẍ = sin ϕ
2
79
(2.102)
gleiches Ergebnis, längere Rechnung, ABER wir haben jetzt auch Informationen über die Zwangskraft:
Zwangskraft Qx = λax = −M ẍ = −
Mg
sin ϕ (Rollreibungskraft)
2
Mg
sin ϕ ≤ µN = µmg cos ϕ (Bedingung für Rollbewegung)
2
(2.103)
Anders ausgedrückt:
x-Komponente der Zwangskraft aus der Rauhigkeit“der Unterlage, die das
”
Fass zum Rollen“ bringt (ohne Reibung würde es die Ebene runterrutschen).
”
Qϑ = λaϑ = M R2
ẍ
g
= M R sin ϕ
R
2
(2.104)
֒→ durch die Rauhigkeit der Unterlage aufgezwungenes Drehmoment
2.3
Bewegung starrer Körper - Trägheitstensor und
Ähnlichkeitstransformation
Bei physikalischen Gesetzen, die sich als Gleichungen zwischen Skalaren,
Vektoren oder Tensoren ausdrücken lassen, darf es nicht darauf ankommen,
bezüglich welchen Koordinatensystems die Komponenten von Vektoren oder
die Matrixelemente von Tensoren genommen werden.
⇒ Beide Seiten von Gleichungen müssen sich gleich transformieren, d.h. bei
Gleichungen müssen auf beiden Seiten gleiche Typen stehen.
80
2.3.1
Transformation physikalischer Größen beim Übergang zwischen Koordinatensystemen - Tensoren
Unter einem Tensor k-ter Stufe in einem n-dimensionalen Raum versteht
man eine nk -Tupel von Zahlen (Fi1,i2,...,ik , ij = 1 . . . n), das sich bei Koordinatendrehungen nach bestimmten Gesetzen linear transformiert. Sie tragen
k Indizes, von denen jeder von 1 . . . n läuft.
Für uns interessant: n = 1, 2, 3, k = 0, 1, 2
k=0:
• Skalar. x′ (neues Koordinatensystem) = x (altes Koordinatensystem)
• z.B. Lichtgeschwindigkeit c
• Es gibt nur wenige echte Skalare in der Physik!
k=1:
• Vektor, n = 3 Komponenten (in 3D), für die bei einer Koordinatendre~~ −1 ′
hung gilt ~x = D
~x
~~
• Drehmatrix D:
– Eigenschaften:
∗ Orthonormalität von Zeilen und Spalten
∗ Determinante = +1
81
• z.B. Drehung um z-Achse um Winkel ϕ:


cos ϕ − sin ϕ 0




~~
D =  sin ϕ cos ϕ 0 


0
0
1
(2.105)
Abb. 44





cos ϕ − sin ϕ 0
1
cos ϕ

  


  

~~
D~x =  sin ϕ cos ϕ 0   0  =  sin ϕ 

  

0
0
1
0
0
in Komponenten: xi =
X
j
k=2:
~
• Tensor 2. Ordnung, z.B. Trägheitstensor I~
~ ~~ −1 ~~′ ~~
• I~ = D
ID
82
dij x′j
(2.106)
(2.107)
Betrachte z.B.:
~~ −1 ~ ′ ~~
~ ′ = I~~′ ω
~ =D
L
~′ ⇒ L
L = I~ω
~~ −1 ~′ ~~ ~~ −1 ′
=D
I DD ω
~
(2.108)
~~ −1 ~′ ′
=D
Iω
~
Tensoren 2. Stufe lassen sich immer als quadratische Matrizen schreiben. Ein
~ = I~
~~ω brauchen L
~ und ω
Tensor ist eine Abildung, d.h. in der Gleichung L
~
nicht parallel zu stehen.
Trägheitsmoment um Achse ~n:
³
´t
~
~~ −1 ~~n ~~ ~~ −1 ′
~~ −1~n′ · D
I = ~nt · I~ · ~n = D
I DD ~n
~~ −1t ~~ −1 ~~′ ′
′t ~
′
~ ′
= ~n′t |D
{z } D I ~n = ~n I~n = I
Skalar!
(2.109)
~
~
=D
Offensichtlich gibt es geschicktere und weniger geschickte Koordinatensyste~~
~
me ⇒ D
so wählen, dass I~ diagonal ist.
2.3.2
Hauptachsentransformation
Behauptung: Jede reelle, symmetrische Matrix (z.B. Trägheitstensor) kann
durch eine orthogonale Transformation (Drehung) auf Diagonalgestalt gebracht werden.
Allgemeiner: Jede hermitesche (=selbstadjungierte) Matrix kann durch eine
unitäre Transformation auf Diagonalgestalt gebracht werden.
Definition: Ein Hauptachsensystem ist ein System, in dem die Matrix diagonal ist.
~ ~ −1 ~~′ ~
I~ = A
I A (Ähnlichkeitstransformation)
83
(2.110)
~
hermitesches I~′ :
′
′
Ijk
= Ikj∗
für die Elemente
~
~
I~′ = I~t∗ =
~
I~ †
|{z}
(2.111)
adjungierte
Matrix
d.h. erwünscht:

I 0 0
 1
~~ ~~ ~~′ ~
~~ 
A · I = I · A mit I =  0 I2 0

0 0 I3
Ikl = δkl Il





(2.112)
Il sind die Eigenwerte.
j − l-tes Element berechnen:
X
′
Ijk
akl =
k
X
X
j
k
′
a∗jm Ijk
akl = Il
X
a∗jm ajl
X
a∗jm ajl
j
jk
|
¯ ∗ ¯X
¯·ajm ¯
ajk Ikl = ajl Il
{z
}
j,k vertauschen
X
′
a∗km Ikj
ajl
= Il
j
jk
X
akm
jk
I′
(2.113)
′∗
Ikj
|{z}
a∗jl = Il∗
X
ajm a∗jl
|komplex konjugieren
(1)
j
′ , da
=Ijk
hermitesch
j − m-tes Element:
X
′
Ijk
akm = ajm Im
j
k
⇒
X
¯ ∗ ¯X
¯·ajl ¯
′
a∗jl Ijk
anm = Im
X
j
jk
84
a∗jl ajm
(2)
(2.114)
(1)-(2):
0 = (Il∗ − Im )
X
a∗jl ajm
(2.115)
j
Fallunterscheidung:
X
l = m ⇒ 0 = (Il∗ − Il )
a∗jl ajl
j
|
=
{z }
2
|ajl | >0,
P
j
wenn nicht alle ajl =0
(2.116)
⇒ Il = Il∗
Alle Eigenwerte sind reell.
X
l 6= m ⇒ 0 = (Il − Im )
a∗jl ajm
j
Fall i) Il 6= Im
P ∗
ajl ajm = 0
⇒
j
~~
Die Spalten der Matrix A
stehen senkrecht aufeinander. Diese sogenannten
Eigenvektoren sind nur bis auf einen Faktor c ∈ C bestimmt.
P
|ajl |2 = 1
⇒ Eigenvektoren normieren, so dass gilt:
j
P ∗
ajl ajm = δlm
⇒
j
~~ † ~~
~~ ∗t ~~
In Matrixschreibweise A
A=A
·A=1
~~ †
~~ −1
d.h. A = A unitäre Transformation
~~
~~ ∗
~~ t
~~ −1
Spezialfall A
=A
⇒ A
=A
orthogonale Transformation
Ein Spezialfall davon ist die Drehung (det = 1). Ist det = −1, liegt eine
(Dreh-)Spiegelung vor. Diese Operation ist auf einen starren Körper physikalisch nicht anwendbar.
Fall ii) Il = Im für l 6= m
֒→ symmetrischer Körper
֒→ Eigenvektoren orthonormiert wählen
85
2.3.3
Hauptachsen und Symmetrie
z.B. Quader, 3-achsiges Ellipsoid
Abb. 45: Hauptachsen liegen entlang der Schnittgeraden von Symmetrieebenen.
Die Deviationsmomente (nichtdiagonale Elemente) des Trägheitstensors verschwinden aus Symmetriegründen.
Z
Z
Z
X
I32 = −
mi x3i x2i = −ρ dx1 dx2 dx3 x3 x2 =
0
|{z}
i
aus Symmetriegründen,
|
{z
}
Volumen
Integrand ungerade
(2.117)
Sind 2 der 3 Hauptträgheitsmomente gleich, so ist eine der Quaderflächen
quadratisch.
86
Abb. 46
~a1 und ~a2 können in der zu ~a3 orthogonalen Ebene beliebig gewählt werden.
Rotationen um die 3-Achse ändern den Trägheitstensor nicht.
Beweis (Abb. 47):
87
Abb. 47
x̃1 = x1 cos ϕ + x2 sin ϕ
x̃2 = −x1 sin ϕ + x2 cos ϕ
x̃3 = x3
~~
~x̃ = A
· ~x,

cos ϕ sin ϕ 0


~~
A
=  − sin ϕ cos ϕ 0

0
0
1
88





(2.118)
Ähnlichkeitstransformation:
I˜ = A · I · A−1 = A · I · At




cos ϕ sin ϕ 0
I
0
cos ϕ − sin ϕ 0

 1






=  − sin ϕ cos ϕ 0  
  sin ϕ cos ϕ 0 
I2




0
0
1
0
I3
0
0
1



cos ϕ sin ϕ 0
I cos ϕ −I2 sin ϕ 0

 1




=  − sin ϕ cos ϕ 0   I1 sin ϕ I2 cos ϕ 0 



0
0
1
0
0
I3

I1 cos2 ϕ + I1 sin2 ϕ
−I1 sin ϕ cos ϕ + I1 cos ϕ sin ϕ 0


=  −I1 sin ϕ cos ϕ + I1 cos ϕ sin ϕ
I1 sin2 ϕ + I1 cos2 ϕ
0

0
0
I3


I 0 0
 1



=  0 I1 0 


0 0 I3





(2.119)
d.h. entartete (gleiche) Eigenwerte Ii , Ij des Trägheitstensors ⇔ Axialsymmetrie des Trägheitstensors um die k-te Achse.
Merke: Axialsymmetrie des starren Körpers (z.B. Rotationsellipsoid) impliziert entartete Eigenwerte von I. Die Umkehrung gilt nicht! (z.B. Quader)
Sind alle 3 Eigenwerte entartet, so ändert eine Drehung um eine beliebige
Achse den Trägheitstensor nicht (Kugel, Würfel).
89
2.3.4
Allgemeine Bewegung eines starren Körpers
′
Definiere einen festen Punkt O, der sich mit Geschwindigkeit ~vO
relativ zu
OI , dem Ursprung eines Inertialsystems, bewegen soll. Der starre Körper
rotiere mit Winkelgeschwindigkeit ω
~ ′ um diesen Punkt.
Erklärung der Koordinatensysteme (Abb. 48):
Abb. 48:
Grünes“ Koordinatensystem bewegt sich mit Punkt O mit.
”
(mit starrem Körper) Rotes“ (gestrichenes) Koordinatensystem ist zusätz”
lich noch verdreht, kann z.B. körperfestes System sein.Alle Komponenten
′
von ~vO
,ω
~ ′ etc. werden im gestrichenen System genommen.
Geschwindigkeit des i-ten Massenpunkts:
′
~vi′ = ~vO
+ω
~ ′ × ~ri′
90
(2.120)
Gesamte kinetische Energie bez. des Inertialsystems:
1X
1X
′
2
T =
mi~vi 2 =
mi (~vO ′ + ω
~ ′ × ~ri ′ )
2 i
2 i
h
i
X
1
′
2
=
mi ~vO 2 + (~ω ′ × ~ri ′ ) + 2~vO ′ · (~ω ′ × ~ri ′ )
2 i
X
1 ′ ~~′ ′
1
′
′
~Iω
~ + ~vO
· (~ω ×
mi~ri ′ )
= M~vO2 + ω
2
2
i
| {z }
(2.121)
~′
MR
CM
´
³
1
1 ′ ~~′ ′
′
′
~ CM
= M~vO 2 + ω
~ ×R
~Iω
~ + M~vO ′ · ω
{z
}
|2 {z } |2 {z } |
Ttrans
mit:
P
i
Ttrans−rot
Trot
~ ′
mi (~ω ′ × ~ri ′ )2 = ω
~ ′ I~′ ω
~ nach längerer komponentenweiser Rechnung 1
Bemerkungen:
i) Ursprung O muss bezüglich des Körpers zeitlich konstant sein, d.h. sein
Abstand |~ri ′ | zu allen Massenpunkten ist zeitlich konstant.
ii) Der Körper darf auch bezüglich des 1′ -2′ -3′ -Momentansystems rotieren.
Tut er das nicht, so ist das 1′ -2′ -3′ -System körperfest und die ~ri ′ und
~
~ ′ bleiben zeitlich konstant.
damit I~′ und R
CM
iii) ~vO ′ ist die Geschwindigkeit von O und damit wegen des konstanten
Abstands aller Massenpunkte von O auch die lineare Translationsgeschwindigkeit aller Massenpunkte im starren Körper relativ zum Inertialsystem.
iv) Da die kinetische Energie ein Skalar ist und sich zu gegebener Zeit das
1′ -2′ -3′ -System und das x-y-z-Inertialsystem nur durch die Orientierung
1
Die vollständige Rechnung ist zum Beispiel zu finden in: W. Nolting, Grundkurs Theo-
retische Physik 1: Klassische Mechanik, Springer Verlag Berlin
(siehe Literaturempfehlung)
91
unterscheiden, können alle Vektoren, Tensoren usw. auch durch ihre
Komponenten im Inertialsystem ausgedrückt werden.
1
1
′
Ttrans = M~vO 2 = M~vO 2
2
2
(2.122)
~vO = Geschwindigkeit von O relativ zu OI in Komponenten relativ zum
x-y-z-(Inertial-)System. Für die anderen Terme Trot und Ttrans−rot wäre
das ungeschickt, weil dann der Trägheitstensor und der Schwerpunktvektor zeitabhängig werden.
v) ω
~ ′ = (~ω1′ , ω
~ 2′ , ω
~ 3′ ) misst die Winkelgeschwindigkeit des Körpers relativ
zum Inertialsystem. Die Komponenten sind entlang der momentanen
Richtungen des 1′ -2′ -3′ -Momentan-Systems genommen.
vi) ω
~ ′ und ~vO ′ ändern sich im Lauf der Zeit sowohl relativ zum Momentansystem wie auch relativ zum Inertialsystem.
¡ ′ ′2
′
′ ¢
I1 ω1 + I2′ ω22 + I3′ ω32 , wenn das körperfeste System als ein
~
Hauptachsensystem gewählt wird, so dass I~′ diagonal ist. Das ist immer
vii) Trot =
1
2
möglich.
viii) Spezialfälle
(a) Ein Punkt ist sowohl relativ zum Körper als auch relativ zum
Inertialsystem fest. Wenn dieser Punkt als O (Ursprung des Interialsystems) gewählt wird, ist ~vO ′ = 0 und es verbleibt eine reine
Rotation um O: T = Trot .
(b) Der Körper rotiert um seinen Schwerpunkt, d.h.
~ ′ = 0, Ttrans−rot = 0 und damit T = Trot + Ttrans
O = CM, R
CM
92
2.3.5
Der Kreisel
Aufgabe: Beschreibung der zeitabhängigen Rotation eines körperfesten Systems relativ zum Inertialsystem
Rotation wird durch 3 Parameter (~ω ) beschrieben.
(Starrer Körper hat insgesamt 6 Freiheitsgrade, davon 3 Translation, 3 Rotation; oder Matrixdarstellung einer Rotation im R3 hat 9 Einträge und 6
Orthogonalitätsbedingungen ⇒ 3 Freiheitsgrade)
Euler-Winkel
Das zum Inertialsystem in O parallele System geht durch 3 (instantane)
Rotationen in das körperfeste System über. (Abbildung 49)
Die zeitabhängige Rotation des körperfesten 1′ -2′ -3′ -Systems und damit des
starren Körpers wird durch ϕ(t), ϑ(t), ψ(t) beschrieben.
Frage: Wie hängt ω
~ ′ = (ω1′ , ω2′ , ω3′ ) mit den Eulerwinkeln und ihren Ableitungen zusammen?
ω
~ setzt sich zusammen aus einer Komponente für jeden Eulerwinkel:
ω
~ =ω
~ϕ + ω
~ϑ + ω
~ψ
′
Da ψ eine Rotation um die 3 -Achse beschreibt, gilt ψ̇ = (ωψ ) , ωψ =
3′
³0´
0
ψ̇
.
ϑ̇ = (ωϑ )ξ′ ist eine Drehung um die ξ ′ -Achse. Erwünscht ist ωϑ im körperfesten 1′ -2′ -3′ -System. Dies geht aus dem ξ ′ −η ′ −ζ ′ -System durch eine Rotation
C(ψ) um Winkel ψ um die ζ ′ -Achse hervor.

(ω )
 ϑ 1′

 (ωϑ )2′

(ωϑ )3′




cos ψ sin ψ 0
ϑ̇
  

  

 = C (ψ)  0  =  − sin ψ cos ψ 0
  

0
0
1
0
93



ϑ̇ cos ψ
ϑ̇
  
  
  0  =  −ϑ̇ sin ψ
  
0
0
(2.123)





Abb. 49: 1. Drehung um Winkel ϕ um die z-Achse = ζ-Achse, 2. Drehung
um Winkel ϑ um die ξ-Achse = ξ ′ -Achse, 3. Drehung um Winkel ψ um die
ζ ′ -Achse = 3′ -Achse
ϕ̇ = (ωϕ ) um die Inertial-z-Achse. Das 1′ -2′ -3′ -System geht durch 3 Rotationen aus dem x-y-z-System hervor.
A(ϕ) um die z-Achse
B(ϑ) um die ξ ′ -Achse
C(ψ) um die ζ ′ -Achse
94

(ω )
 ϕ 1′

 (ωϕ )2′

(ωϕ )3′


0
 
 
A (ϕ)
 0 
| {z }
 
vorher weggelassen,
ϕ̇
ändert ω nicht


 
cos ψ sin ψ 0
1
0
0
cos ϕ sin ϕ 0
0


 


 
− sin ψ cos ψ 0   0 cos ϑ sin ϑ   − sin ϕ cos ϕ 0   0 


 
0
0
1
0 − sin ϑ cos ϑ
0
0
1
ϕ̇

 

cos ψ sin ψ 0
0
ϕ̇ sin ϑ sin ψ

 


 

=




− sin ψ cos ψ 0
ϕ̇ sin ϑ
ϕ̇ sin ϑ cos ψ 

 

0
0
1
ϕ̇ cos ϑ
ϕ̇ cos ϑ
 
 

ω1′
(ωϕ )1′ + (ωϑ )1′ + (ωψ )1′
ϕ̇ sin ϑ sin ψ + ϑ̇ cos ψ
 
 

 
 

=
=
ω2′   (ωϕ )2′ + (ωϑ )2′ + (ωψ )2′   ϕ̇ sin ϑ cos ψ − ϑ̇ sin ψ 
 
 

ω3′
(ωϕ )3′ + (ωϑ )3′ + (ωψ )3′
ϕ̇ cos ϑ + ψ̇


 = C (ψ) B (ϑ)




=




=




ω
~′ = 


(2.124)
Lagrangefunktion eines starren Körpers mit einem festen Punkt in O, ~vO = 0
Als körperfestes 1′ -2′ -3′ -System verwenden wir das Hauptachsensystem. Die
Eulerwinkel (ϕ, ϑ, ψ) führen zum körperfesten System. Sie werden als generalisierte Koordinaten verwendet.
Striche beim gestrichenen System weglassen!
Hauptachsen¢
1¡ 2
1 ~~
system
~ I~ω
I1 ω1 + I2 ω22 + I3 ω32
=
T = Trot = ω
2
2
¢
1¡ 2
L=T −V =
I1 ω1 + I2 ω22 + I3 ω32 − V (ϕ, ϑ, ψ)
2
(2.125)
Lagrangegleichung für ψ:
d ∂T ∂T
∂V
d ∂L ∂L
−
= 0 oder
−
=−
dt ∂ ψ̇ ∂ψ
dt ∂ ψ̇ ∂ψ
∂ψ
95
¾
zu ψ gehörige generalisierte Kraft (Drehmoment)
=M3 , Drehmoment um die 3-Achse
(2.126)
3
X ∂T ∂ωi
∂T
=
= 0 + 0 + 1 · I3 ω3 = I3 ω3
∂ω
∂ ψ̇
∂
ψ̇
i
i=1
3
³
´
³
´
X
∂T
∂T ∂ωi
=
= I1 ω1 ϕ̇ sin ϑ cos ψ − ϑ̇ sin ψ +I2 ω2 −ϕ̇ sin ϑ sin ψ − ϑ̇ cos ϑ +0
∂ψ
∂ωi ∂ψ
{z
}
{z
}
|
|
i=1
ω2
−ω1
= ω1 ω2 (I1 − I2 )
d
∂V
(I3 ω3 ) − (I1 − I2 ) ω1 ω2 = M3 = −
dt
∂ψ
∂V
⇒ I3 ω̇3 − (I1 − I2 ) ω1 ω2 = M3 = −
∂ψ
Also:
(2.127)
Da die 3-Koordinate nicht ausgezeichnet ist, müssen die Gleichungen auch
bei zyklischem Vertauschen der Indizes gelten.

∂V 
I2 ω̇2 − ω3 ω1 (I3 − I1 ) = M2 6= − ∂ϑ
keine Lagrangegleichungen für ϑ, ϕ
I ω̇ − ω ω (I − I ) = M 6= − ∂V 
1 1
2 3
2
3
1
∂ϕ
(2.128)
Das sind die Euler-Gleichungen!
2.3.6
~ = 0)
Kräftefreier Kreisel (M
Der Kreisel sei axialsymmetrisch um die 3-Achse, I1 = I2 .
I1 ω̇1 = ω2 ω3 (I2 − I3 ) = ω2 ω3 (I1 − I3 )
(1)
I2 ω̇2 = ω3 ω1 (I3 − I1 ) = −ω3 ω1 (I1 − I3 )
(2)
I3 ω̇3 = ω1 ω2 (I1 − I2 ) = 0
(3)
96
(2.129)
(1) differenzieren, (2) einsetzen:
ω̈1 =
I 1 − I3
(I1 − I3 )2 2
ω3 ω̇2 = −
ω3 ω1 = −Ω2 ω1 ,
I1
I12
Ω=
(I1 − I3 )
ω3
I1
(2.130)
⇒ ω1 (t) = A sin (Ωt + δ)
ω2 (t) = A cos (Ωt + δ)
Der Vektor der Winkelgeschwindigkeit ω
~ = (ω1 , ω2 , ω3 ) rotiert mit
Ω=
I1 −I3
ω3
I1
< ω3 um die körperfeste Symmetrieachse, und diese dreht sich
gegenüber dem Inertialsystem.
~ ist erhalten (M
~ = 0).
Der gesamte
Drehimpuls L


Iω
 1 1 

~ = I ω 
L
 in Komponenten bezüglich des körperfesten Systems.
 1 2 
I3 ω3
Abb. 50
~ und ω
Da L1 = I1 ω1 , L2 = I1 ω2 , liegen die 3-Achse, L
~ in einer Ebene. Be~ fest
wegungsablauf: Es laufen 3 Kegel ineinander ab. Im Inertialsystem ist L
~
und die Symmetrieachse (3-Achse) beschreibt den Nutationskegel um L.
97
Abb. 51
~
• Nutations- (Präzessions-) Kegel beschreibt Umlauf der 3-Achse um L
~ um 3-Achse
• Polkegel beschreibt Umlauf von ω
~
~ um L
• Spurkegel beschreibt Umlauf von ω
~
Inertialsystem: z-Achse in Richtung von L
ω3 =
ψ̇ + ϕ̇ cos ϑ
| {z }
|{z}
Polkegel
(2.131)
Spurkegel
Abb. 52: momentane Winkelgeschwindigkeit ω und Figurenachse f~ präze~
dieren synchron um L
98
Anwendungsbeispiel kräftefreier Kreisel:
die Erde = abgeplatteter, symmetrischer Kreisel, I1 = I2 < I3 mit (I3 −
I1 )/I1 ≃ 1/300
Figurenachse und Winkelgeschwindigkeit haben nicht dieselbe Richtung ⇒
Präzession mit
T =
2π
2πI1
=
ωO
(I3 − I1 )~ω3
2π
= 1 Tag ⇒ T ≃ 300 Tage
ω
~3
(2.132)
Experimentell: T = 430 Tage (da Erde kein starrer Körper), Amplitude einige
Meter (Chandler-Flattern), aber auch jährliche Komponente durch Wechsel
der Jahreszeiten ֒→ Luftbewegung
6= astronomische Präzession aus Anziehungskraft von Sonne und Mond (26.000
Jahre)
2.3.7
Schwerer symmetrischer Kreisel I1 = I2
Es wirkt eine äußere Kraft auf den Schwerpunkt, der nicht der feste Punkt
O ist. (Abbildung 53)
Beim schweren Kreisel ist es günstiger, mit den Lagrangegleichungen für die
Eulerwinkel als gereralisierte Koordinaten zu rechnen.
Bewegung in ϕ = Präzession
99
Abb. 53: l = Abstand Schwerpunkt - Auflagepunkt
Bewegung in ϑ = Nutation
¢ 1
1 ¡
L =T − V = I1 ω12 + ω22 + I3 ω32 − M gl cos ϑ
2
2
ω1 = ϕ̇ sin ϑ sin ψ + ϑ̇ cos ψ
(2.133)
ω2 = ϕ̇ sin ϑ cos ψ − ϑ̇ sin ψ
ω3 = ϕ̇ cos ϑ + ψ̇
´ I ³
´2
1 ³
3
ϕ̇ cos ϑ + ψ̇ − M gl cos ϑ
L = I1 ϕ̇2 sin2 ϑ + ϑ̇2 +
2
2
Welche Erhaltungsgrößen gibt es?
ϕ und ψ sind zyklisch, also
pϕ =
³
´
∂L
= I1 sin2 ϑϕ̇ + I3 ϕ̇ cos ϑ + ψ̇ cos ϑ = konst.
∂ ϕ̇
{z
}
|
pψ
³
´
∂L
= I3 ϕ̇ cos ϑ + ψ̇ = konst.
pψ =
∂ ψ̇
100
(2.134)
auflösen nach ϕ̇ und ψ̇ und in L einsetzen
⇒ effektiv nur noch ein Freiheitsgrad
pϕ − pψ cos ϑ
pψ pϕ − pψ cos ϑ
ϕ̇ =
, ψ̇ =
cos ϑ
−
2
I3
I1 sin ϑ
I1 sin2 ϑ
õ
!
¶2
1
pϕ − pψ cos ϑ
L = I1
sin2 ϑ + ϑ̇2 +
2
I1 sin2 ϑ
¶2
µ
pψ pϕ − pψ cos ϑ
I3 pϕ − pψ cos ϑ
cos ϑ +
cos ϑ − M gl cos ϑ
−
+
2
I3
I1 sin2 ϑ
I1 sin2 ϑ
(2.135)
Man erhält die Lagrangefunktion L(ϑ, ϑ̇, pϕ , pψ )
⇒ Einsetzen in die Lagrangegleichung
d ∂L
dt ∂ ϑ̇
−
∂L
∂ϑ
=0
⇒ Bewegungsgleichung aufstellen, mit ϑ̇ multiplizieren, integrieren
⇒ Energiesatz
p2ψ
1
(pϕ − pψ cos ϑ)2
2
E = T + V = I1 ϑ̇ +
+
+ M gl cos ϑ
2
2I
2I1 sin2 ϑ
|
{z 3
}
(2.136)
effektives Potenzial U (ϑ)
Annahme: pϕ 6= pψ ⇒ U (ϑ) hat Pole bei ϑ = 0, ϑ = π
Abb. 54
Bei gegebener Energie bewegt sich die Figurenachse zwischen ϑ1 ≤ ϑ ≤
ϑ2 (Nutation des schweren Kreisels). Die Präzession (Bewegung im ϕ, d.h.
101
Drehung der Figurenachse 3 um die Vertikale z) führt zusammen mit der
Nutation zu 3 Bewegungstypen, siehe Abbildung 55:
Bei E = min. U (ϑ) = U (ϑO ) gibt es keine Nutation mehr.
Bewegung der Figurenachse auf der Einheitskugel (Locuskurve)
jeweils ϑ< ϑ2
sei pϕ , pψ > 0
ϕ̇ > 0 (eigentlich nur konst. VZ)
also ist pϕ − pψ cos ϑ1 > 0
pϕ − pψ cos ϑ2 > 0
pϕ
cos ϑ1/2 <
pψ
pϕ
ϑ1/2 > arccos
pψ
(2.137)
bei ϑ1 : ϕ̇ < 0
bei ϑ2 : ϕ̇ > 0 (2.138)
pϕ
ϑ2 > arccos
> ϑ1
pψ
ϕ̇ (ϑ1 ) = 0 ⇒ pϕ − pψ cos ϑ1 = 0
erhält man, wenn man die
Figurenachse bei ϑ = ϑ1
´
³
aus der Ruhe ϑ̇ = ϕ̇ = 0
loslässt (aber ψ̇ 6= 0,
sonst fällt der Kreisel um).
Abb. 55
(2.139)
102
Minimum:
µ
¶
dU
(ϑ0 ) = 0
dϑ
p2ψ
(pϕ − pψ cos ϑ)2
U (ϑ) =
+
+ M gl cos ϑ
2I3
2I1 sin2 ϑ
2 (pϕ − pψ cos ϑ) · (+pψ sin ϑ) · 2I1 sin2 ϑ − (pϕ − pψ cos ϑ)2 · 2I1 · 2 sin ϑ cos ϑ
dU
=
dϑ
4I12 sin4 ϑ
!
− M gl sin ϑ = 0 Bestimmungsgleichung für ϑ0 !
(2.140)
Minimum oder Maximum?
µ 2 ¶
dU
> 0 Minimum (Kreisel bleibt stabil stehen)
dϑ2 ϑ0
(2.141)
< 0 Maximum (instabil)
Übergang vom schweren zum freien Kreisel:
l → 0 ⇔ Schwerpunkt → Ursprung
Es wirkt kein Drehmoment mehr ⇒
~ erhalten, keine äußere Richtung
L
ausgezeichnet.
~ so dass Lx = Ly = 0.
Lege das Inertialsystem mit der z-Achse entlang L,
2.4
2.4.1
Beschleunigte Bezugssysteme
Lineare Beschleunigung
Gestrichenes Koordinatensystem bewegt sich mit linearer Geschwindigkeit w
~
relativ zu einem Inertialsystem (ungestrichen), Teilchen hat die Geschwindigkeit ~v im Inertialsystem, Geschwindigkeit im gestrichenen System ~v ′ = ~v − w.
~
103
Lagrange-Funktion:
1
L (~r, ~v , t) = T − V = m~v 2 − V (~r)
2
1
2
′
= m (~v + w)
~ − V ′ (~r ′ ) mit V (~r) = V ′ (~r ′ )
2
Zahlenwert der potenziellen Energie unabhängig vom Koordinatensystem
1
1
′
~ + mw
~ 2 − V ′ (~r ′ )
= m~v 2 + m~v ′ · w
2
2
= L′ (~r ′ , ~v ′ , t)
(2.142)
generalisierter Impuls im gestrichenen System
p~ ′ =
∂L′
∂L
=m (~v ′ + w)
~ = m~v = p~ =
′
∂~v
∂~v
ändert sich nicht, p~ ′ = p~, aber p~ ′ 6= m~v ′
(2.143)
generalisierter Impuls 6= kinetischer Impuls
Lagrangegleichung im gestrichenen System
d
∂V ′
d ∂L′ ∂L′
′
=0
−
=
(m
(~
v
+
w))
~
+
dt ∂~v ′ ∂~r ′
dt
∂~r ′
|{z}
− F~ ′ Kraft im gestrichenen System
(2.144)
⇒ abgeändertes Newtonsches Gesetz
d~v ′
dw
~
= F~ ′ − m~a mit ~a =
Beschleunigung des gestrichenen Systems
m
dt
dt
z
}|
{
m~a = Scheinkraft
(2.145)
104
Gewichtsmessung im beschleunigten Fahrstuhl
~ = m~g = Gewicht
Abb. 56: W
Gesucht wird die Federkraft T~
Bezüglich des Fahrstuhls hat die Masse m keine Beschleunigung.
0 = m~g + T~ − m~a ⇒ T~ = −m (~g − ~a)
{z
}
|
(2.146)
~′
Gesamtkraft F
2.4.2
Rotation
~ relativ
Gestrichenes System rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit Ω
zum ungestrichenen Inertialsystem.
Wähle die Rotationsachse als z-Achse.
Lagrangefunktion in Kugelkoordinaten:
~v (t) = ṙ~er + rϑ̇~eϑ + r sin ϑϕ̇~eϕ
(s. Zettel)
~v 2 = ṙ2 + r2 ϑ̇2 + r2 sin2 ϑϕ̇2
´
1
1 ³
L = T − V = m~v 2 − V (~r) = m ṙ2 + r2 ϑ̇2 + r2 sin2 ϑϕ̇2 − V (~r)
2
2
(2.147)
105
Übergang zu gestrichenen Koordinaten (Abb. 57):
r′ = r
ϑ′ = ϑ
ϕ′ = ϕ − Ωt
(2.148)
⇒ ϕ̇′ = ϕ̇ − Ω
Abb. 57
Einsetzen in L:
´
m ³ ′2
′
′
′
2
ṙ + r 2 ϑ̇ 2 + r 2 (ϕ̇′ + Ω) sin2 ϑ′ − V ′ (~r ′ )
2
m
′
′
′
( ~v 2 + 2 r 2 ϕ̇′ Ω sin2 ϑ′ + r| 2 Ω2{z
sin2 ϑ}′ ) − V ′ (~r ′ )
=
|
{z
}
2
(2.149)
~ r ′ )2
~ r ′)
~v ′ ·(Ω×~
(Ω×~
Zentrifugalterm
Coriolisterm
³
´
~ und ~r
ϑ ist der Winkel zwischen Ω
L′ = T ′ − V ′ =
106
Beweis:

r′ sin ϑ′ cos ϕ′





~r ′ =  r′ sin ϑ′ sin ϕ′ 


′
′
r cos ϑ

 
 

′
′
′
′
′
′
0
r sin ϑ cos ϕ
−Ωr sin ϑ sin ϕ

 
 







′
~
′
′
′
′
′
′
Ω × ~r =  0  ×  r sin ϑ sin ϕ  =  +Ωr sin ϑ cos ϕ 

 
 

Ω
r′ cos ϑ′
0
³
´2
¢
¡
~ × ~r ′ = Ω2 r′ 2 sin2 ϑ′ sin2 ϕ′ + cos2 ϕ′ = Ω2 r′ 2 sin2 ϑ′
Ω


′
′
′
′ ′
′
′
′
′ ′
′
ṙ sin ϑ cos ϕ + r ϑ̇ cos ϑ cos ϕ − r sin ϑ ϕ̇ sin ϕ




′
′
˙
′
′
′
′
′
′
′
′
′
′
′
~v = ~r =  ṙ sin ϑ sin ϕ + r ϑ̇ cos ϑ sin ϕ + r sin ϑ ϕ̇ cos ϕ 


′
′
′ ′
′
ṙ cos ϑ − r ϑ̇ sin ϑ
´
³
³
´
h
~ × ~r ′ = Ωr′ sin ϑ − sin ϕ′ ṙ′ sin ϑ′ cos ϕ′ + r′ ϑ̇′ cos ϑ′ cos ϕ′ − r′ sin ϑ′ ϕ̇′ sin ϕ′ +
~v ′ · Ω
´i
³
′
′
′
′
′
′ ′
′
′ ′
′
′
+ cos ϕ ṙ sin ϑ sin ϕ + r ϑ̇ cos ϑ sin ϕ + r sin ϑ ϕ̇ cos ϕ
£
¡
¢¤
= Ωr′ sin ϑ′ r′ sin ϑ′ ϕ̇′ sin2 ϕ′ + cos2 ϕ′
′
= Ωr 2 sin2 ϑ′ ϕ̇′
(2.150)
107
Geometrische Interpretation (Abbildung 58):
Abb. 58: Betrachte Ortsänderung im Zeitintervall dt
Lagrangegleichung:
µ
³
´ ³
´2 ¶
m
′2
′
′
′
~
~
L=
~v + 2~v · Ω × ~r + Ω × ~r
− V ′ (~r ′ )
2
¶
µ
d ∂L′
∂L′
−
=0
dt ∂~r ′
∂~r ′
³
´2
∂V ′
∂L′
′
~ +m d Ω
~ × ~r ′
=
−
+
m~
v
×
Ω
∂~r ′
∂~r ′ | {z } 2 d~r ′
³
´
³
´
~
~ × ~r ′ = m~r ′ · ~v ′ × Ω
denn m~v ′ · Ω
d ³ ′ ³ ′ ~ ´´
~
m~r · ~v × Ω = m~v ′ × Ω
d~r ′
(2.151)
108
Nebenrechnung:
·
i
´2 ¸
∂ ³~
∂ h
2
2
2
′
′
′
′
′
′
′
′ z − y Ωz ′ ) + (Ωz ′ x − z Ωx′ ) + (Ωx′ y − x Ωy ′ )
(Ω
=
Ω
×
~
r
y
∂x′
∂x′
= 2Ωz′ (Ωz′ x′ − z ′ Ωx′ ) − 2Ωy′ (Ωx′ y ′ − x′ Ωy′ )
³
´
³
´
′
′
~
~
= 2 Ω × ~r
Ωz′ − Ω × ~r
Ωy′
y′
z′
h³
i
´
~
~ × ~r ′ × Ω
=2 Ω
′
·³
¸x
h³
´
´
i
2
∂
~
~ × ~r ′
~ × ~r ′ × Ω
=
2
Analog für y, z ⇒
Ω
Ω
∂~r ′
(2.152)
Damit gilt also:
³
´
∂V ′
∂L′
′
~ +m Ω
~
~ × ~r ′ × Ω
=
−
+
m~
v
×
Ω
∂~r ′
∂~r ′
µ ′¶
∂L
d~v ′
∂L′
d
′
′
~ × ~r ,
~ × ~v ′
=
m
=
m~
v
+
m
Ω
+ mΩ
∂~v ′
dt ∂~v ′
dt
(2.153)
Lagrangegleichung:
m
³
´
′
d~v ′
~ × ~v ′ = − ∂V +m~v ′ × Ω
~ +m Ω
~ × ~r ′ × Ω
~
+ mΩ
′
dt
∂~
r
| {z }
m
′
~
Kraft F
′
³
´
d~v
∂V
~ × ~r ′ × Ω
~
~ +m Ω
= − ′ + 2m~v ′ × Ω
| {z }
dt
∂~r
|
{z
}
Corioliskraft
|
(2.154)
Zentrifugalkraft
{z
Scheinkräfte
}
Corioliskraft: 1835 hergeleitet von Gaspard Gustave de Coriolis (siehe auch
Wikipedia)
Bewegung erscheint in K ′ so kompliziert, dass sie in K geradlinig ist.
Anwendung: Bewegung tangential zur Erdoberfläche
109
~ zeigt auf der Südhalbkugel in
Abb. 59: ~v ′ tangential zur Erdoberfläche, Ω
die Erde.
Behauptung:
Corioliskraft führt auf der Nordhalbkugel zu einer Rechtsabweichung, auf der
Südhalbkugel zu einer Linksabweichung.
Abb. 60
Corioliskraft hat eine horizontale und eine vertikale Komponente. Die vertikale Komponente ist klein gegen die Gravitation (z.B. am Äquator mit Schallgeschwindigkeit fliegendes Flugzeug wird um
(nach Osten) oder schwerer (nach Westen)).
110
1
1000
seines Gewichts leichter
~
Tangentialkomponente von ~v ′ × Ω
ˆ·
~ − ~n
~x = ~v ′ × Ω
h³
´ i
ˆ
~ · ~n
~v ′ × Ω
|
{z
}
Projektion
auf Vertikale
(2.155)
ˆ → Vertikalrichtung
~n
ˆ · ~x =
~n
0
³
´
³
´
³
´
ˆ × ~x = ~n
ˆ × ~v ′ × Ω
ˆ·Ω
ˆ · ~v ′
~
~ −Ω
~ · ~n
~n
= ~v ′ · ~n
|
{z
}
=0
´
³
´
³
= ~b (~a · ~c) − ~c ~a · ~b
~a × ~b × ~c
ˆ·Ω
~
~n
(2.156)
>0 auf der Nordhalbkugel
<0 auf der Südhalbkugel
anderes VZ von ~v ′ ⇒ anderes VZ der Corioliskraft, d.h. sie wirkt immer
nach rechts/links
Wetter:
Corioliskraft führt auf der Erdhalbkugel zu Drehung der Luftmassen im Uhrzeigersinn bei Hochdruckgebieten, im Gegenuhrzeigersinn bei Tiefdruckgebieten
Foucaultsches Pendel:
Auf der Nordhalbkugel wird Schwingungsebene duch Corioliskraft nach rechts
gezogen.
⇒ Schwingungsebene dreht sich
Badewanne:
aus DIE ZEIT“ 26/1997, Autor Christoph Drösser:
”
111
Seltsamer Strudel
Auf der Südhalbkugel der Erde dreht sich der Badewannenstrudel andersrum
als auf der Nordhalbkugel - Stimmts?
Stimmt nicht. Die Legenden über die wundersamen Auswirkungen der Corioliskraft sind vielfältig. So berichtet ein Afrika-Tourist von einem geschickten
Eingeborenen eines am Äquator gelegenen Dorfes, der das folgende Kunststück vorführt: Er hält eine Schüssel mit Wasser, auf dem Blätter schwimmen.
Durch ein Loch am Boden fließt das Wasser ab. Stellt er sich ein paar Meter nördlich des Äquators hin, so wirbeln die Blätter in der einen Richtung,
ein paar Meter südlich des Äquators dreht sich der Strudel in der anderen
Richtung. Steht der Mann genau auf dem Äquator, dann fließt das Wasser
strudellos ab.
Wenn die Geschichte wahr ist und nicht selber eine Legende, dann ist der
Mann ein geschickter Taschenspieler, der dem Wasser durch heimliche, unmerkliche Rotationsbewegungen die jeweils richtige Drehrichtung verpasste.
Um die Corioliskraft wirksam werden zu lassen und andere Störkräfte dabei
auszuschalten, hätte er (nach den Berechnungen eines Lesers einer amerikanischen Wissenschaftszeitschrift) die Schüssel auf eine Millionstel Bogensekunde genau (das sind 0,0000000003 Grad) waagerecht halten müssen.
Die Corioliskraft ist eine Trägheitskraft, die in allen rotierenden Systemen
wirksam wird, und auf der Erde wirkt sie sich tatsächlich auf Strudel aus: Sie
sorgt zum Beispiel dafür, dass auf der Nordhalbkugel die Winde alle Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn umwehen und alle Tiefdruckgebiete gegen den
Uhrzeigersinn - auf der Südhalbkugel ist es dann genau umgekehrt. Dass die
Corioliskraft in diesem Fall sichtbar in Erscheinung tritt, liegt vor allem an
der großen Ausdehnung von Hoch- und Tiefdruckgebieten: Der nördliche und
112
der südliche Rand sind einfach weit genug voneinander entfernt, um einen
Trägheitsunterschied wirksam zu machen. In der Badewanne dagegen übertrifft die Wirkung aller zufälligen Bewegungen, die durch die Wirbel beim
Wassereinlassen (und beim Baden) entstanden sind, die der Corioliskraft um
mehrere Größenordnungen (Professor John McCalpin von der University of
Delaware schätzt den Faktor auf etwa 10 000). Um die Corioliskraft zu bemerken, müsste man nach Berechnungen des Mathematikers Michael Page
von der australischen Monash University die Badewanne um den Faktor 500
vergrößern und das Wasser einige Tage zur Ruhe kommen lassen.
113
3
3.1
3.1.1
Hamilton-Jakobi-Mechanik
Hamilton-Gleichung, Kanonische Transformation
Hamiltonfunktion und Hamiltonsche Bewegungsgleichungen
Voraussetzung:
~ (~r)
Kräfte konservativ, F~ = −∇V
L = T − V nicht explizit zeitabhängig, L = L(q, q̇)
dL X
=
dt
j
µ
∂L
∂qj
|{z}
¡ ¢
d
dt
dqj
∂L dq̇j
+
dt
∂ q̇j dt
∂L
∂ q̇j
¶
¸
X · d µ ∂L ¶
∂L dq̇j
=
q̇j +
dt
∂
q̇
∂ q̇j dt
j
j
nach Lagrangegleichung
Produktregel
umgekehrt
¸
X d · ∂L
· q̇j
→ =
dt
∂
q̇
j
j
sozusagen
d
(L−L)
z Ã
}|dt
{
"
#
¶
X
∂L
d X
d
Also 0 =
q̇j
pj q̇j − L
−L =
dt
∂ q̇j
dt j
j
|{z}
|
{z
}
pj
Erhaltungsgröße H
H=
X
j
pj q̇j − L
Hamilton-Funktion
(3.1)
Was ist H?
pj =
∂T
,
∂ q̇j
H=
X
j
114
q̇j
∂T
−L
∂ q̇j
(3.2)
Annahme:
Die Transformationsgleichungen von den kartesischen auf die generalisierten
Koordinaten seien zeitunabhängig.
~ri = ~ri (qj )
d~ri X ∂~ri
d~ri
=
q̇j +
dt
∂qj
dt
|{z}
j
=0
#2
"
X ∂~ri
X
1X
1
q̇j
mi~vi2 =
mi
T =
2 i
2 i
∂q
j
j
X
1
∂~ri ∂~ri
=
q̇j q̇k
mi
2 i,j,k ∂qj ∂qk
{z
}
|
⇒ ~vi =
(3.3)
hom. quadr. Form in den
generalisierten Geschwindigkeiten
Dann gilt der Satz von Euler:
X ∂T
= 2T
q̇l
∂q
l
l
(3.4)
Aus Gleichung (3.2) folgt:
H = 2T − (T − V ) = T + V = Energie
(3.5)
Die Hamiltonfunktion lässt sich völlig analog auch für eine zeitabhängige
Lagrangefunktion definieren.
Beispiel: Masse an Feder auf rotierender Stange (siehe Abbildung 61)
ebene Polarkoordinaten:
¢
m¡ 2
ṙ + r2 ω 2
2
1
V = mgr sin ωt + k (r − r0 )2
| {z } |2
{z
}
T =
Gravitation
L=T −V =
Feder
¢
m¡ 2
k
ṙ + r2 ω 2 − mgr sin ωt − (r − r0 )2
2
2
= L (r, ṙ, t)
115
(3.6)
Abb. 61: Masse an Feder auf Stange, Stange bewegt sich im Schwerefeld
mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω
Es gilt keine Energieerhaltung, da L explizit zeitabhängig ist. r ist der einzige
Freiheitsgrad.
∂L
= mṙ
∂ ṙ
¢
m¡ 2
k
H = pr ṙ − L =
ṙ − r2 ω 2 + mgr sin ωt + (r − r0 )2
2
2
pr =
(3.7)
ist keine Erhaltungsgröße!
Rechnung ohne Gravitation, g = 0
⇒ H ist erhalten, aber H 6= T + V da Zeitabhängigkeit der Koordinatentransformation.
Lagrange L = L (q, q̇, t)
⇓ Legendre-Transformation mit p =
Hamilton H = H (q, p, t)
116
∂L
∂ q̇
(3.8)
Legendre-Transformation = Übergang von einem Set unabhängiger Koordinaten auf ein anderes, hier: (q, q̇, t) → (q, p, t)
H (q, p, t) =
X
i
pi q̇i (q, p, t) − L (q, q̇i (q, p, t) , t)
totales Differential bilden
X ∂H
X ∂H
∂H
dH =
dt
dqi +
dpi +
∂q
∂p
∂t
i
i
i
i
X ½ X
X ∂L
X ∂L ½ ∂L
½q̇ +
½
p
d
q̇
dp
−
=
dq
−
dt
dq̇i −
i
i
i
i
i
½
½
∂q
∂
q̇
∂t
i
i
½
½
i
i
i |{z}
|{z}
½i
½
d ∂L
=ṗi
dt ∂ q̇i
⇒
X ∂H
i
∂qi
dqi +
X ∂H
i
∂pi
dpi +
½
pi
X
X
∂L
∂H
dt =
q̇i dpi −
ṗi dqi −
dt
∂t
∂t
i
(3.9)
Durch Koeffizientenvergleich (unabh. Koordinaten) folgen die Hamiltonschen
Bewegungsgleichungen:
∂H
∂pi
∂H
ṗi = −
∂qi
∂H
∂L
=−
∂t
∂t
q̇i =
(3.10)
bei n Freiheitsgraden:
Hamilton = 2n DGL 1.Ordnung
Lagrange = n DGL 2.Ordnung
Beispiel: Harmonischer Oszillator:
L=
m 2 k 2
ẋ − x = L (x, ẋ)
2
2
117
(3.11)
Im Hamiltonformalismus muss ẋ durch px ersetzt werden.
∂L
= mẋ,
∂ ẋ
px
m
p2x m 2 k 2 p2x k 2
H = ẋpx − L =
− |{z}
ẋ + x =
+ x
m
2 2
2
m 2
px =
ẋ =
(3.12)
px
m2
Hamiltonsche Bewegungsgleichungen:
∂H
px
=
∂px
m
∂V
∂H
=−
= −kx
ṗx = −
∂x
∂x
ẋ =
(3.13)
• keine zusätzliche Information gegenüber Lagrangeformalismus
• grundsätzliche Bedeutung, z.B. Analogien zur Quantenmechanik
(Hamiltonoperator oder ”Hamiltonian’”)
Geometrische Bedeutung und Eindeutigkeit der Legendretransformation
Abb. 62: H (p) = pq̇ − L (q̇), p sei Parameter
Extremum von pq̇ − L (q̇) als Funktion von q̇:
p−
∂L
∂L Definition des kanonisch
=0 ⇔ p=
= konjugierten Impulses
∂ q̇
∂ q̇
118
(3.14)
eindeutige Auflösbarkeit von q̇ (p), falls L (q̇) genau ein Extremum hat, d.h.
keine Wendepunkte,
∂2L
∂ q̇ 2
6= 0
Bei mehreren Freiheitsgraden lautet die entsprechende Bedingung
³ 2 ´
det ∂ ∂q̇i ∂Lq̇j 6= 0
Behauptung: Die Hamiltonfunktion H (qi , pi , t) hängt, wenn überhaupt, nur
explizit von der Zeit ab.
Beweis:
dH X
=
dt
i
µ
¶
∂H
∂H
∂H
∂H
=
q̇i +
ṗi +
∂qi
∂pi
∂t
∂t
|{z}
|{z}
−ṗi
(3.15)
q̇i
D.h. H ist eine Erhaltungsgröße, wenn es nicht explizit von der Zeit abhängt.
Sind die Transformationsgleichungen zeitunabhängig, so ist H die Energie.
Ist qi zyklisch, so ist pi eine Erhaltungsgröße:
ṗi = −
3.1.2
∂H
= 0 ⇔ pi = konstant
∂qi
(3.16)
Invarianz der Hamiltongleichung unter einer kanonischen
Transformation
Vorübung: Invarianz unter einer Punkttransformation
(z.B. karthesisch → sphärisch)
Wir zeigen, dass aus der Lagrangegleichung in alten Koordinaten die Lagrangegleichung in neuen Koordinaten folgt!
119
Qj = Qj (qi , t)
"
µ
´
∂L ∂ Q̇j ∂L
d ∂L ³
d X ∂L S
∂Qj
+
+
Qj , Q̇j , t =
S
dt ∂ q̇i
dt j
∂Qj ∂ q̇S
∂t
∂
Q̇
i
j ∂ q̇i
|{z}
=0
nach Vor.
∂t
∂ q̇i
|{z}
Zeit ist Parameter,
Geschw. unabhängig
"
"
#
#
d X ∂L ∂ Q̇j siehe NR d X ∂L ∂Qj
=
=
dt j ∂ Q̇j ∂ q̇i
dt j ∂ Q̇j ∂qi
NR: Qj = Qj (qk , t)
Q̇j =
X ∂Qj
∂Qj
∂t
#
q̇k +
abl. nach q̇i
⇒
∂ Q̇j
∂Qj
=
∂ q̇i
∂qi
∂qk
k
"
µ
´¶
d X ∂L ∂Qj
d ∂L ³
=
Qj , Q̇j , t
dt ∂ q̇i
dt j ∂ Q̇j ∂qi
Ã
!
µ
¶¸
X· d
∂L ∂Qj
∂L d ∂Qj
=
+
dt
∂q
∂
Q̇
∂ Q̇j dt ∂qi
i
j
j
| {z }
∂ Q̇j
∂qi
Für die alten Koordinaten gilt die Lagrangegleichung:
³
∂L
∂ q̇i
´
=
!
∂L ∂Qj
∂L ∂ Q̇j
+
∂Qj ∂qi
∂ Q̇j ∂qi
!
à Ã
!
X
d
∂L ∂Qj
∂L ∂ Q̇j
Gl. (3.17)
=
+
dt ∂ Q̇j ∂qi
∂ Q̇j ∂qi
j
´ X
∂L ³
Qj , Q̇j , t =
∂qi
j
Ã
d
dt
(3.17)
∂L
∂qi
(3.18)
∂Q
Da die Vorfaktoren gleich sind und die ∂qij unabhängig, muss gelten:
³ ´
d
∂L
∂L
, d.h. die alte Lagrangegleichung ist genau gleich der neuen.
= ∂Q
dt ∂ Q̇
j
j
Es müssen nur die neuen Variablen eingesetzt werden.
Bei einer allgemeinen Transformation werden Ort und Impuls transformiert.
120
¶#
3.1.3
Kanonische Transformationen
Qj = Qj (qi , pi , t)
Pj = Pj
(qi , pi , t)
| {z }
(3.19)
2n+1 unabh. Variable
i = 1, · · · , n n Freiheitsgrade 2n Transformationsgleichungen
Solche Transformationen heißen kanonisch, wenn es eine transformierte Hamiltonfunktion K(Q, P, t) gibt, so dass wieder die Hamiltonschen Gleichungen gelten. Deshalb heißen die Hamiltonschen Gleichungen auch kanonische
Gleichungen.
∂K
∂Pj
∂K
Ṗj = −
∂Qj
Q̇j =
(3.20)
Was ist K?
Hamiltonsche Gleichungen ⇔ Lagrangegleichung ⇔ Hamiltonsches Prinzip
(koordinatenfrei)
δ
Zt2
L (q, q̇, t) dt = 0 = δ
t1
Zt2 ÃX
t1
i
!
q̇i pi − H (q, p, t) dt = 0
(3.21)
Hieraus sind durch Variation von q, p die Hamiltonschen Gleichungen direkt
herleitbar.
Damit muss auch gelten:
δ
Zt2 "X
t1
j
#
Q̇j Pj − K (Q, P, t) dt = 0
121
(3.22)
Im Hamiltonschen Prinzip sind die Integranden (d.h. die Lagrangefkt.) nur
bis auf die totale Zeitableitung einer Funktion F bestimmt.
δ
Zt2
dF
dt = δ (F (t2 ) − F (t1 )) = 0,
dt
da die Variation an den
Endpunkten verschwindet
(3.23)
t1
Also gilt:
X
i
pi q̇i − H =
X
j
Pj Q̇j − K +
dF
dt
(3.24)
F könnte eine Funktion sein von F (q, p, Q, P, t). Von den 4n + 1 Variablen
sind 2n + 1 unabhängig. F heißt erzeugende Funktion. Man unterscheidet 4
Klassen von Transformationen:
(1) F1 (q, Q, t)
dF1 X
=
dt
i
µ
¶
∂F1
∂F1
∂F1
Q̇i +
q̇i +
∂qi
∂Qi
∂t
(3.25)
Einsetzen:
X
i
pi q̇i − H(q, p, t) =
X
i
Pi Q̇i − K(Q, P, t) +
X µ ∂F1
i
¶
∂F1
∂F1
Q̇i +
q̇i +
∂qi
∂Qi
∂t
(3.26)
Alte und neue Koordinaten sind für sich jeweils linear unabhängig, H, K
hängen von Geschwindigkeit nicht ab, Koeffizientenvergleich vor q̇i , Q̇i
⇒
pi =
∂F1
(q, Q, t)
∂qi
pi =
∂F1
(q, Q, t)
− ∂Q
i
2n implizite
Transformationsgleichungen
K(Q, P, t) = H(q, p, t) +
(3.27)
∂F1
∂t
Zusammenhang zwischen alter
und neuer Hamiltonfunktion
Zusammenhang zwischen alten und neuen Impulsen:
¶
¶
µ
µ
∂ 2 F1
∂Pj
∂ 2 F1
∂pi
=
=−
=
∂Qj q, Qk6=j , t ∂Qj ∂qi
∂qi ∂Qj
∂qi Q,Qk6=i ,t
| {z }
sind konstant
122
(1)
(3.28)
Beispiel für Erzeugende F1 :
F1 =
X
i
∂F1
= Qi
∂qi
qi Qi ⇒ pi =
∂F1
= −qi
Pi = −
∂Qi
(3.29)
Dieses F1 vertauscht (bis auf Vorzeichen) Koordinaten mit Impulsen, d.h.
was man Koordinate und was Impuls nennt, ist willkürlich. Koordinaten und
Impulse spannen zusammen den 2n-dimensionalen Phasenraum auf.
P
qi Qi auf (1) an, so erhält man Gleichungen für
Wendet man dieses F1 =
i
F4 = F4 (p, P, t).
µ
∂Qi
∂pj
¶
=−
µ
∂qj
∂Pi
¶
(4)
(3.30)
Alle Gleichungen für F4 kann man somit aus F1 herleiten.
(2) F2 (q, P, t)
Erinnerung: Legendre-Transformation:
L (q, q̇, t) mit p =
↓
H(q, p, t) =
∂L
∂ q̇j
(3.31)
X
i
pi q̇i − L
Hier gleiches Problem:
F1 (q, Q, t) mit Pi = −
∂F1
∂Qi
↓
(3.32)
F2 (q, P, t) = F1 (q, Q, t) +
X
i
123
Pi Qi
Dieses F2 setzen wir ein in:
X
i
⇒
X
i
pi q̇i − H =
X
i
Pi Q̇i − K +
dF1
dt
d
dF2
−
pi q̇i − H(q, p, t) =
Pi Q̇i − K(Q, P, t) +
dt
dt
i
µ
¶
dF2 X ∂F2
∂F2
∂F2
Ṗi +
=
q̇i +
dt
∂qi
∂Pi
∂t
i
!
Ã
´
X³
d X
Pi Qi =
Pi Q̇i + Ṗi Qi
dt
i
i
X
Ã
X
i
Pi Qi
!
(3.33)
Einsetzen:
X
i
pi q̇i −H(q, p, t) =
X
½
½i
X
½
Pi½
Q̇i −K(Q, P, t)+
½
i
µ
¶
∂F2 X ½½ X
∂F2
∂F2
Ṗi +
Pi Q̇i −
−
q̇i +
Ṗi Qi
½
∂qi
∂Pi
∂t
½
i
½i
(3.34)
Koeffizientenvergleich:
∂F2
= pi
∂qi
∂F2
Glieder mit Ṗi :
= Qi
∂Pi
∂F2
K=H+
∂t
Glieder mit q̇i :
(3.35)
Analog zu F1 erhält man durch zweimaliges Ableiten und Vertauschen
¶ µ 2
¶ µ
¶
µ
∂ F2
∂Qk
∂pi
=
=
(2)
(3.36)
∂Pk
∂Pk ∂qi
∂qi
124
Beispiel:
F2 =
X
qi Pi
i
pi =
∂F2
= Pi ,
∂qi
Qi =
∂F2
= qi
∂Pi
erzeugt die Identität
Für F3 (p, Q, t) erhält man durch Vertauschen von (q, p) ↔ (Q, P )
¶ µ
¶
µ
∂qk
∂Pi
=
(3)
∂pk
∂Qi
(3.37)
Zusammenfassung der erzeugenden Funktionen
Erzeugende Zusammenhang neuer
und alter Koordinaten
F1 (q, Q, t)
pi =
∂F1
,
∂qi
∂F1
Pi = − ∂Q
i
F2 (q, P, t)
pi =
∂F2
,
∂qi
Qi =
F3 (p, Q, t)
∂F3
3
qi = − ∂F
, Pi = − ∂Q
∂pi
i
F4 (p, P, t)
4
, Qi =
qi = − ∂F
∂pi
∂F2
∂Pi
∂F4
∂Pi
³
³
³
³
∂pi
∂Qj
∂pi
∂Pj
∂Pi
∂pj
∂Qi
∂pj
´
=−
´
=
³
´
=
³
´
=−
³
∂Pj
∂qi
∂Qj
∂qi
∂qj
∂Qi
³
125
´
´
∂qj
∂Pi
Zeitabhängigkeit ist immer K = H +
´
´
∂Fi
∂t
Beispiel: Harmonischer Oszillator
H=
p2
mω 2 2
+
q ,
2m
2
k = mω 2
kanonische Transformation mit erzeugender Funktion F1 =
m 2
ωq cot Q
2
∂F1
= mωq cot Q (∗)
∂q
mωq 2
∂F1
nach q auflösen
=
P =−
∂Q
2 sin2 Q
r
r
2P sin2 Q
2P
⇒ q=
=
sin Q
mω
mω
p=
einsetzen in (∗)
√
⇒ p = 2mωP cos Q
K(Q, P ) = H(q, p), da H, F1 nicht explizit zeitabhängig, H, K = Gesamtenergie E
© A2 2
1
mω
©
¢P
©
sin2 Q
·
· 2¢©
mωP
cos2 Q +
©Z
©
m
ω
2¢©
2¢
m
©
¡
¢
= ωP sin2 Q + cos2 Q = ωP
K(Q, P ) =
(3.38)
Q ist zyklisch, d.h. P ist erhalten.
Pysikalisch liegt dies daran, dass P =
Q̇ =
E
ω
=
Gesamtenergie
Konstante
ist.
∂K
= ω ⇒ Q = ωt + α
∂P
r
r
2P
2E
q=
sin Q =
sin(ωt + α)
mω
mω 2
(3.39)
D.h. die Transformation F1 führt auf einen neuen Impuls P , der eine Erhaltungsgröße ist. Die Bewegungsgleichungen werden sehr einfach. Wir werden
uns noch mit der Frage befassen, ob das immer geht.
126
3.1.4
Poissonklammern
Behauptung: Orthogonale Punkttransformationen Qi =
P
F2 = aik Pi qk erzeugt.
ik
P
aik qk werden durch
k
Beweis:
Qi =
∂F2 X
=
aik qk
∂Pi
k
q.e.d.
(3.40)
Betrachte f (q, p, t)
totale zeitliche Ableitung
n
X
df
=
dt
i=1
µ
∂f
∂f
q̇i +
ṗi
∂qi
∂pi
¶
∂f
∂t
+
∂H
Hamiltonsche Gleichungen q̇i =
,
∂pi
¶
X µ ∂f ∂H
∂f
∂f ∂H
df
+
=
−
⇒
dt
∂qi ∂pi
∂pi ∂qi
∂t
i
Definition: Poissonklammer [f, g]q,p →unabhäng.
Variablen
ṗi = −
∂H
∂qi
¶
n µ
X
∂f ∂g
∂f ∂g
=
−
∂q
∂p
∂pi ∂qi
i
i
i=1
∂f
df
= [f, H]q,p +
dt
∂t
(3.41)
Hamiltongleichungen mit Poissonklammern schreiben:
f = qi
df
dt
= q̇i =
f = pi
∂H
∂pi
= [qi , H]
df
dt
127
= ṗi = − ∂H
= [pi , H]
∂qi
(3.42)
Beispiele für Poissonklammern:
[qi , qj ]q,p =
X µ ∂qi
k
∂qk
Analog [pi , pj ]q,p = 0
[qi , pj ]q,p
∂qj
∂pk
|{z}
∂qi ∂qj
−
∂pk ∂qk
¶
=0
=0, da p,q
unabhängig
(3.43)

 1, i = j
X µ ∂qi ∂pj ∂qi ∂pj ¶
−
= δij =
=
 0, i 6= j
∂qk ∂pk ∂pk ∂qk
k
|{z}
|{z}
δik
δjk
Zu zeigen: Invarianz von [f, g] unter kanonischer Transformation
Benutze [qi , pj ] = δij
Weg zum Ziel: geometrische Formulierung (Hilfsmittel der LA)
Definiere einen Vektor im 2n-dimensionalen Phasenraum


q1


 ..  

 . 

  
y
1



 qn  
~q
.

 =  .. 
~y =   = 




 p1  
p~


y2n
 .. 
 . 


pn
(3.44)
Hamiltonsche Gleichungen
∂H
∂H
⇒ ẏi =
, i = 1...n
∂pi
∂yn+i
∂H
∂H
⇒ ẏn+i = −
ṗi = −
∂qi
∂yi
q̇i =

~
Wir definieren I~ = 
0
1n
−1n
0

(3.45)
 (Transportmatrix /symplektische Matrix)
128
und können damit schreiben:
~ ∂H
~y˙ = I~
∂~y
(3.46)
~
~
~~ ~~ 2
Eigenschaften von I:
I = −12n und I~ t = −I~
~~
Gesucht wird jetzt die Matrix M
einer kanonischen Transformation.


 
~
~
Q
~q
~
M

(3.47)
⇒
~x = 
~y =  
~
P
p~
~x = ~x (~y ) ist i.a. keine lineare Funktion von ~y , d.h. die Abbildung ist nicht
durch eine Matrix darstellbar. Die Abbildung kann jedoch linearisiert werden
durch Betrachtung der infinitesimalen Abbildung.
δxi =
X ∂xi
j
∂yj
δyj =
X
Mij δyj
j
∂xi
~~
δ~y mit Mij =
⇒ δ~x = M
∂yj
¡ −1 ¢
∂yi
~~ −1 δ~x,
inverse Transformation: δ~y = M
M
=
ij
∂xj
(3.48)
Eigenschaften einer kanonischen Transformation
(1)
(3)
∂pi
∂Pk
=−
∂Qk
∂qi
∂qk
∂Pi
=
∂pk
∂Qi
(2)
(4)
∂pi
∂Qk
=
∂Pk
∂qi
∂Qi
∂qk
=−
∂pk
∂Pi
(3.49)
kompakte Schreibweise
³
´
~~ ~~
~~ ~~ −1 t
−I M = I M
129
(3.50)
Beweis:


0 1
~ ~~

linke Seite: − I~M
= −
−1 0


∂P
∂P
−
− ∂p

=  ∂q
∂Q
∂q
∂Q
∂p
∂Q
∂q
∂Q
∂p
∂P
∂q
∂P
∂p


∂Q
mit Abh.
=
∂q
t


∂q
∂q
³
´t
0 1
~ ~~ −1
  ∂Q ∂P 
rechte Seite: I~M
= 
∂p
∂p
−1 0
∂Q
∂P

t  ³ ´t
=
∂p
∂Q
∂p
∂P
∂q
− ∂Q
∂q
− ∂P
∂p
∂Q
−
∂P
−
 = ¡ ¢
∂p t
Vergleich der linken und rechten Seite:
∂pj
∂Pi
=
links oben
−
∂qj
∂Qi
∂Pi
∂qj
rechts oben
=
∂pj
∂Qi
∂Qi
∂pj
links unten
=
∂qj
∂Pi
∂qj
∂Qi
=−
rechts unten
∂pj
∂Pi
³
µ
∂q
∂Q
∂Qi
∂qj
¶
´t 
¡ ∂q ¢t 
∂P
(3.51)
(1)
(3)
(3.52)
(2)
(4)
Konsequenz:
³
´
³
´
³
´
~~ ~~
~~ ~~ −1 t
~~ −1 t ~~ t
~~ −1 t ~~
IM = − IM
=− M
I = M
·I
(3.53)
Also:
³
´
~~ −1 t ~~ ~~ ~
M
·I =I ·M
³
´
~~ t ~~ −1 t ~~
~~ t ~~ ~~
⇒ M
M
I=M
IM
|
{z
}
³
´
~~ −1 ~~ t
= M
·M =1
~
~~ t ~~ ~~
⇒ I~ = M
·I ·M
130
(3.54)
d.h. jede infinitesimale kanonische Transformation lässt die symplektische
~
Matrix I~ invariant.
n
o
~~ ~~ t ~~ ~~
~
Menge M : = M
: M I M = I~ ist eine Gruppe im R2n und wird symplek-
tische Gruppe Sp2n (R) genannt.
Prüfung der Gruppeneigenschaften:
Abgeschlossenheit:
a) Gegeben seien:
z.Z.:
Beweis:
~~ ~~
M
1 , M2 ∈ Sp2n
~~
~~
~~
M
3 = M2 · M1 ∈ Sp2n
³
´ ³
´
~~ t ~~ ~~
~~
~~ t ~~ ~~
~~
M3 I M3 = M2 · M1 I M2 · M1 =
~~ t
=M
1
~~ t ~~ ~~
M
I M2
| 2{z }
~~
~~ t ~~ ~~
~~
~~
M
1 = M1 I M1 = I, da M1 ∈ Sp2n
~
~
~ 2 ∈Sp2n
=I~ da M
Existenz der 1:
b) z.Z.:
Beweis:
12n ∈ Sp2n
~
~
1t · I~ · 1 = I~
Existenz des Inversen:
c) z.Z.:
Beweis:
~~ −1
~~
M
∈ Sp2n wenn M
∈ Sp2n
³
´
~~ −1 t ~~ ~~ −1 ? ~~
M
IM = I
³
´
~~ t ~~ ~~
~~ t
~~ −1 t ~~ ~~ −1 ~~
·I · |M {z· M} = M
·I ·M
⇔ M
· M
|
{z
}
1
1
~
~~ t ~~ ~~
⇔ I~ = M
IM
D.h. Beweis folgt bei Schlussfolgerung
in umgekehrter Reihenfolge.
(3.55)
131
~
I~ definiert eine Metrik im Phasenraum
³
´
X
~ Y~ := X
~ t I~~Y~ =
X,
xi Iij yj
(3.56)
ij
Eigenschaften der Metrik:
~ Y~ ) = −(Y~ , X)
~
~ Y~ ) ist schiefsymmetrisch: (X,
a) (X,
Beweis:
³
~ Y~
X,
´
=
X
i↔j
xi Iij yj =
ij
=−
X
xj Iji yi =
ij
X
ij
xj Iij yi = −
X
ij
³
~
yi Iij xj = − Y~ , X
´
(3.57)
~ Y~ ) ist invariant unter kanonischen Transformationen M
~ ∈ Sp2n :
b) (X,
~~ ~ ~~ ~
~ Y~ )
(M
X, M Y ) = (X,
Beweis:
³
~~ ~ ~~ ~
M
X, M Y
´
³
´ ³
´
~~ ~ t ~~ ~~ ~
~~ t ~~ ~~ ~
~tM
= M
X I MY = X
I M} Y
| {z
~
I~
³
~ t I~~Y~ = X,
~ Y~
=X
(3.58)
´
Jetzt zu zeigen: Invarianz der Poissonklammer unter kanonischen Transformationen
132

∂f
∂q1



∂f
 .. 
= . 
∂~y 

∂f
∂pn

∂g
∂q1


∂g 
 .. 
= . 
∂~y 

∂g
∂pn
¶
∂f ∂g
,
Es gilt: [f, g]qp =
∂~y ∂~y
µ
¶ µ ¶t µ ¶
∂f ∂g
∂f ~~ ∂g
denn
=
=
I
,
∂~y ∂~y
∂~y
∂~y
µ







¶
µ
∂f ∂f
∂f  0 1  
∂f

,··· ,
,
,··· ,
=

∂q1
∂qn ∂p1
∂pn
−1 0 









µ
¶
∂f
∂f ∂f
∂f 

= −
··· −
···
∂p1
∂pn ∂q1
∂qn 





¶
X µ ∂f ∂g
∂f ∂g
=
= [f, g]qp
−
∂q
∂p
∂p
∂q
i
i
i
i
i
133
∂g
∂q1

∂g
∂q1


.. 
. 

∂g 

∂qn 
=
∂g 

∂p1 
.. 
. 

∂g
∂pn

.. 
. 

∂g 

∂qn 
∂g 

∂p1 
.. 
. 

∂g
∂pn
(3.59)
Analog gilt: [f, g]QP =
µ
∂f ∂g
,
∂~x ∂~x
¶

, ~x = 
~
Q
P~


∂f
~~ ∂f ∂g
~~ ∂g
~~
=M
,
=M
weil δ~x = M
δ~y
∂~y
∂~x ∂~y
∂~x
¶ µ
¶
µ
∂f ∂g
~~ ∂f ~~ ∂g
,
= M
,M
=
Also: [f, g]qp =
∂~y ∂~y
∂~x
∂~x
¶
µ
∂f ∂g
= [f, g]QP
=
,
∂~x ∂~x
und
(3.60)
Man kann also schreiben:
[f, g]qp = [f, g]QP =: [f, g]
da in jeder beliebigen Basis auswertbar
wenn q,p ↔ Q,P kanonische Transformation
(3.61)
Man kann auch zeigen:
Eine Transformation ist genau dann kanonisch, wenn die fundamentalen
Poisson-Klammern erhalten bleiben.
Eine Transformation ist genau dann kanonisch, wenn
[Qi , Qj ]qp = o
3.2
3.2.1
[Pi , Pj ]qp = 0
[Qi , Pj ]qp = δij .
(3.62)
Symmetrien und Erhaltungssätze
Infinitesimale kanonische Transformationen
Qi = qi + dqi , Pi = pi + dpi
dqi , dpi seien klein (֒→ Taylorentwicklung)
Die Transformation werde erzeugt durch:
X
F2 (q, P, t) ∼
qi Pi +ε G(q, P, t)
=
| {z }
i
Erzeugende für
| {z }
erzeugt die
Identität
infinitesimale
Transformation
ε ist klein, von der Ordnung wie dq, dp
134
(3.63)
Vereinfachung: Linearisierung, d.h. alle Effekte der Ordnung 0 (εn ) , n > 1,
werden vernachlässigt!
∂F2
∂G
∂G
= Pi + ε
⇒ Pi − pi = dpi = −ε
∂qi
∂qi
∂qi
∂F2
∂G
∂G
Qi =
= qi + ε
≃ qi + ε
∂Pi
∂Pi
∂pi
¡ ¢
denn Pi ≃ pi in Termen 0 ε1 von der Ordnung ε,
pi =
(3.64)
da der Unterschied schon von der Ordnung ε2 ist.
⇒ dqi = ε
∂G
∂pi
G ≃ G (q, p, t), d.h. bei infinitesimalen kanonischen Transformationen sind
alte und neue Koordinaten verwechselbar.
Effekt der infinitesimalen kanonischen Transformation auf f (q, p, t)
df = f (q + dq, p + dp, t + dt) − f (q, p, t)
¶
X µ ∂f
∂f
∂f
=
dqi +
dpi +
dt
∂qi
∂pi
∂t
i
¶
X µ ∂f ∂G
∂f
∂f ∂G
=ε
+
dt
−
∂qi ∂pi ∂pi ∂qi
∂t
i
⇒ df = ε [f, G] +
(3.65)
∂f
dt
∂t
Zusammenhang Hamiltonsche Bewegungsgleichung ↔ kanonische Transformationen
df
∂f
= [f, H] +
(bereits hergeleitet)
dt
∂t
df
∂f Gl. 3.65
∂f
df =
dt = dt [f, H] +
dt = ε [f, G] +
dt
dt
∂t
∂t
⇒ H ist Erzeugende einer infinitesimalen kanonischen Transformation.
(3.66)
135
Speziell:
∂H
dt
∂pi
∂H
dpi = [pi , H] dt = ṗi dt = −
dt
∂qi
dqi = [qi , H] dt = q̇i dt =
(3.67)
Energieerhaltung
∂H
dH
∂H
∂H
dt =
dt d.h.
=
dH = [H, H] dt +
| {z }
∂t
∂t
dt
∂t
(3.68)
=0
H ist, wenn überhaupt, nur explizit von der Zeit abhängig.
dH
dt
= 0 gilt, wenn H nicht explizit von t abhängt.
⇔ Energieerhaltung, H = Energie, wenn Transformation auf generalisierte
Koordinaten nicht explizit zeitabhängig.
3.2.2
Erhaltungsgrößen, Symmetrien und Invarianzen
Sei G = G(q, p) nicht explizit von t abhängig,
dann gilt folgende Äquivalenz:
dG
dt
= 0 ⇔ [G, H] = 0 ⇔ G erhalten.
aber auch: G(q, p) ist Erzeugende einer infinitesimalen kanonischen Transformation.
Betrachte:
qi → Qi = qi + ε
∂G
,
∂pi
pi → Pi − ε
∂G
∂qi
(3.69)
Änderung von H:
µ
∂G
∂G
H (qi , pi ) → H qi + ε
, pi − ε
∂pi
∂qi
∼
=H (qi , pi ) +
ε [H, G]
| {z }
¶
=dH, wenn ∂H
=0
∂t
136
(3.70)
Wenn G Erhaltungsgröße ist, lässt es H invariant, dH = 0 ( Symmetrie”
transformation“).
umgekehrt: Sei G = Symmetrietransformation, d.h. dH = 0 ⇒ [H, G] =
0 ⇒ G ist Erhaltungsgröße
Beispiele:
G
Symmetrie
(1)
H
Zeit-Translation
(2)
P
Raum-Translation
(3)
~ · ~n̂
L
Drehung um Achse ~n̂
~
(4) P~ t − M R
Galilei-Transformation
zu (1)
G = H,
H(q, p, t) = H(q, p, t + dt),
∂H
=0
∂t
(3.71)
⇒ dH = [H, H] dt = 0
zu (2)
G = P mit P =
X
pi = PCM
Schwerpunktimpuls, Gesamtimpuls
i

∂P

dpi = −ε ∂q
=
0
i
Verschiebung im Ortsraum um ε
dq = ε ∂P = ε 
i
∂pi
P ist Erzeugende einer Translation.
umgekehrt sei H (qi + ε, pi ) = H (qi , pi )
X ∂P ∂H
∂H
⇒
= 0 ⇒ [P, H] = −
| {z }
∂qi
∂pi ∂qi
i
dH=0
und dP = [P, H] dt +
| {z }
=0
∂P
∂t
|{z}
dt = 0 Impulserhaltung
=0, nicht
explizit zeitabh.
137
(3.72)
ˆ
~ · ~n
zu (3) G = L
~ = P ~ri × p~i Gesamtdrehimpuls
L
i
ˆ erzeugt eine Drehung des Koordinatensystems
~ · ~n
z.Z. G = L
Vereinfachung: Drehung um die z-Achse
 

x
X = x cos ϑ − y sin ϑ
 

 

~r =  y  →  Y = x sin ϑ + y cos ϑ
 

z
Z=z





infinitesimale Transformation, ϑ ≪ 1 ⇒ cos ϑ ≃ 1, sin ϑ ≃ ϑ


!
∂G
X = x − yϑ
dx = −ϑy = ϑ ∂p
x




!
∂G
⇒  Y = xϑ + y  ⇒ dy = ϑx = ϑ ∂p
y


!
∂G
dz = 0 = ϑ ∂pz
Z=z
(3.73)
⇒G = xpy − ypx = (~r × p~)z = Lz
analog für xi , yi , zi , gleicher Winkel ϑ für alle i
X
der infinitesimalen
⇒G =
li,z = Lz Erzeugende
Drehung um die z-Achse
i
ˆ ist die Erzeugende der Drehung um beliebige
~ · ~n
Verallgemeinerung: G = L
ˆ
Achse ~n
Drehinvarianz von Skalarprodukten
[~r · ~r, Lz ] = 0
Beweis:
r 2 = x2 + y 2 + z 2
£
¤
[~r · ~r, Lz ] = x2 + y 2 + z 2 , xpy − ypx =
X ∂ ¡
¢ ∂
=
(xpy − ypx ) =
x2 + y 2 + z 2
∂xi
∂pi
i
= 2x · (−y) + 2y · x = 0 q.e.d.
138
(3.74)
analog kann man zeigen:
[~r · ~r, Lx ] = [~r · ~r, Ly ] = 0
h
i
ˆ = 0, Achse ~n
ˆ beliebig
~ · ~n
d.h. ~r 2 , L
h
i
ˆ =0
~ · ~n
analog p~ 2 , L
h
i
ˆ =0
~ · ~n
~r · p~, L
(3.75)
Alle Skalarprodukte aus Orten und Impulsen sind drehinvariant (trivial, da
Skalarprodukte nach Definition drehinvariant sind).
Drehinvarianz von H:
h
i
ˆ
~
H, L · ~n = 0 ⇔ H = H (~ri · ~rj , ~ri · p~j , p~i · p~j )
|
{z
}
(3.76)
nur Skalarprodukte
Dreh- und Translationsinvarianz:
H = H ((~ri − ~rj ) · (~rk − ~rl ) , (~ri − ~rj ) · p~k , p~i · p~j )
(3.77)
H darf nur eine Funktion von Skalarprodukten mit Differenzen in ~ri sein.
Drehinvarianz von Drehungen:
[Lx , Ly ] = [ypz − zpy , zpx − xpz ] =
|
{z
}
nur zpz gemeinsam
=
∂
∂
∂
∂
(ypz − zpy )
(zpx − xpz )
(zpx − xpz ) −
(ypz − zpy )
∂z
∂pz
∂z
∂pz
= +py x − px y = Lz
Also: [Lx , Ly ] = Lz
(3.78)
139
Zyklisch vertauschbar:
¯
¯
[Lx , Ly ] = Lz ¯
¯ Drehimpuls-Algebra
¯
[Ly , Lz ] = Lx ¯
¯ = Lie-Algebra der Drehgruppe S03
¯
[Lz , Lx ] = Ly ¯
(3.79)
Also [Lx , Ly ] 6= 0, d.h. Drehungen sind nicht drehinvariant und nicht vertauschbar, Reihenfolge der Drehungen ist wichtig.
zu (4) Galilei-Invarianz
Bewegung mit infinitesimaler gleichförmiger Geschwindigkeit ~ε = d~v
(symbolische Vektordarstellung)
System aus N Teilchen, Translationsinvarianz
~
∂G
d~v
∂~pi
~
∂G
!
d~v
d~pi = mi d~v = −
∂~ri
X
integrieren
~ =
⇒
G
(~pi t − mi~ri )
!
d~ri = td~v =
i
P~CM =
X
p~i ,
~ CM =
R
X mi
i
M
~ri
~ = P~CM t − M R
~ CM , d.h. G
~ hängt explizit von der Zeit ab!
⇒ G
h
i ∂G
X µ ∂G
~ ∂H ¶
~
~
~ ∂H
∂
G
dG
~ H +
+ P~CM
−
= G,
=
∂t
∂t
∂~
r
∂~
p
∂~
p
∂~
r
i
i
i
i
i
|{z} |{z} |{z} |{z}
−mi
~
r˙i
t
−p
~˙ i
´
X³
~˙ CM + tP~˙ CM + P~CM
=
−mi~r˙i + tp~˙i + P~CM = −M R
i
˙
P~CM = 0 wegen Translationsinvarianz (Voraussetzung)
~
dG
~˙ CM + P~CM
= −M R
dt
~
dG
~ Erhaltungsgröße ⇔ P~CM = M R
~˙ CM
wenn
=0 ⇔ G
dt
⇒
(3.80)
140
Änderung der Hamiltonfunktion unter Galilei-Transformationen
h
i
h
i
h
i
~ = d~v · H, G
~ = −d~v G,
~ H = d~v · M R
~˙ CM
dH = ~ε H, G
~
∂G
=K −H =ε
∂t
(3.81)
!
Behauptung:
Die Änderung der Hamiltonfunktion unter einer Galileitransformation betrifft nur die kinetische Energie
Beweis:
dH = d~v
X
!
p~i = dT = Änderung der kinetischen Energie
i
dT =
X (~pi + mi d~v )2
X p2
i
−
=
2mi
i
2mi
i
X 1 £
=
p~i½2 + 2mi p~i · d~v +
½
2m
i
i
≃
X
i
p~i · d~v
m2i d~v 2
| {z }
O(dv 2 )
vernachlässigen
¤
−½
p~i½2
(infinitesimale Transformation, nur bis lineare Ordnung entwickeln)
q.e.d.
(3.82)
Also gilt:
Bei Galileiinvarianz ist dV = 0, d.h. die potenzielle Energie darf höchstens
von Geschwindigkeitsdifferenzen abhängen.
V = V (~vi − ~vj ) ∀i, j wenn nicht unabhängig von Geschwindigkeit (3.83)
Bei Translations-, Galilei- und Drehinvarianz gilt (zusammen):
V kann nur abhängen von
(3.84)
V = V (|~ri − ~rj | , (~ri − ~rj ) · (~vk − ~vl ) , |~vi − ~vj |) ∀i, j, k, l
141
3.2.3
Satz von Poincaré und Satz von Liouville
Phasenraum
Harmonischer Oszillator: q = A sin ω0 t
(3.85)
p = mω0 A cos ω0 t
Abb. 63: periodische Bewegung = geschlossene Bahn im Phasenraum
Abb. 64: freies Teilchen: p=konstant
Satz von Poincaré:
Das Volumen im Phasenraum bleibt unter kanonischen Transformationen
erhalten.
d.h. mit Q = Q(q, p, t)
P = P (q, p, t)
Z
Z
dq1 . . . dqn dp1 . . . dpn = |J| dQ1 . . . dQn dP1 . . . dPn mit |J| = 1
gilt
Γ
Γ
(3.86)
142
mit Funktionaldeterminante (Jakobi-Determinante):
¯
¯
¯ ∂q1
∂q1 ¯
¯ ∂Q1 · · · ∂P
¯
n ¯
¯
∂ (q1 . . . qn p1 . . . pn )
.. ¯
¯ .
J = ¯ ..
. ¯ =:
¯
¯
(∂Q1 . . . Qn P1 . . . Pn )
¯ ∂pn
∂pn ¯
¯ ∂Q · · · ∂P
¯
1
(3.87)
n
Exkurs über Funktionaldeterminanten - Erweiterung der Kettenregel
Gegeben seien n Funktionen fi (xj ) von m Variablen xj . Die m xj sind Funktionen von m unabhängigen tk .
fi (x1 . . . xm ) , i = 1 . . . n
xi (t1 . . . tm ) , j = 1 . . . m
X ∂fi ∂xj
X ∂fi
dxj =
dtk
dfi =
∂x
∂x
∂t
|{z}
j
j
k
j
jk
⇓
dxj =
X ∂xj
∂tk
k
und dfi =
X ∂fi
k
Damit
∂fi X ∂fi ∂xj
=
∂tl
∂xj ∂tl
j
∂tk
dtk
(3.88)
dtk
Matrixschreibweise:
∂f
=
∂t
∂f ∂x
∂x ∂t
| {z }
(3.89)
Matrixprodukt
Sei n = m
⇒ Funktionaldeterminante aus Matrix
¯
¯ ∂f1
¯ ∂t1 · · ·
∂f
∂ (f1 . . . fn ) ¯¯ ..
det
=:
=¯ .
¯
∂t
∂ (t1 . . . tn )
¯ ∂fn
¯ ∂t · · ·
1
143
¯
¯
¯
¯
.. ¯
. ¯
¯
∂fn ¯
¯
∂t
∂f1
∂tn
n
(3.90)
Da sich bei Matrizenmultiplikation die Determinanten auch multiplizieren
(A = B · C ⇒ det A = det B · det C), gilt für die Funktionaldeterminante
auch:
∂ (f1 . . . fn )
∂ (f1 . . . fn ) ∂ (x1 . . . xn )
=
·
∂ (t1 . . . tn )
∂ (x1 . . . xn ) ∂ (t1 . . . tn )
(3.91)
Man darf also erweitern“.
”
Beweis des Satz von Poincaré
Betrachte die Funktionaldeterminante einer kanonischen Transformation
∂ (q1 . . . qn p1 . . . pn )
=
J=
∂ (Q1 . . . Qn P1 . . . Pn )
Damit gilt:
³
J=³
∂(p1 ...pn )
∂(P1 ...Pn )
∂(Q1 ...Qn )
∂(q1 ...qn )
∂(q1 ...qn p1 ...pn )
∂(q1 ...qn P1 ...Pn )
∂(Q1 ...Qn P1 ...Pn )
∂(q1 ...qn P1 ...Pn )
(3.92)
´
´q konst.
(3.93)
P konst.
für xj = tj berechnen
Beweis: det ∂x
∂t
¯
¯
¯
¯
¯
¯
∂ (x1 . . . , tj , . . . xn ) ¯¯
=¯
¯
∂ (t1 . . . , tj , . . . tn )
¯
¯
¯
¯
¯
∂x1
∂t1
∂tj
∂t1
···
= 0 ···
∂xn
∂t1
···
nach j-ter Zeile entwickeln
···
∂tj
∂tj
= 1 0···
∂x1
∂tn
..
.
0
..
.
∂xn
∂tn
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
(3.94)
⇒ j-te Zeile + Spalte können gestrichen werden, Rang erniedrigt sich um 1,
bei Bildung der übrigen partiellen Ableitungen muss tj festgehalten werden.
¶
µ
∂ (x1 . . . xj−1 xj+1 . . . xn )
∂ (x1 . . . tj . . . xn )
(3.95)
=
∂ (t1 . . . tj . . . tn )
∂ (t1 . . . tj−1 tj+1 . . . tn ) tj
144
Fortsetzen führt auf partielle Ableitung
¶
µ
∂xj
∂ (xj , t1 . . . tl−1 tl+1 . . . tn )
∂xj
=
=
∂tl
∂tl alle ti mit i 6= l
∂ (tl , t1 . . . tl−1 tl+1 . . . tn )
festhalten
¯
¯
¯ ∂x1 ∂x1 ¯
µ
¶
∂x1
∂ (x1 , t1 ) ¯¯ ∂t2 ∂t1 ¯¯
z.B.
=
=¯
∂t1
∂t1 ¯
∂t2 t1
∂ (t2 , t1 )
¯
¯ ∂t
∂t
2
(3.96)
1
∂t1
∂t1
= 0 und
=1
∂t2
∂t1
Gleichung (3.93) folgt aus Gleichung (3.92) durch n-fache Anwendung der
obigen Regel.
Berechne das i−j-te Element der Zählerdeterminante. Die kanonische Transformation sei durch die Erzeugende F2 charakterisiert.
 ³ ´

2
µ
¶
∂ ∂F
Ableitung
∂qi
∂pi
qk6=i ,P,t 

vertauschen
=
=

∂Pj Pk6=j ,q,t
∂Pj
Pk6=j ,q,t

 ³ ´
2
∂ ∂F
∂Pj
Pk6=j ,q,t 

=

∂qi
qk6=i ,P,t
=
µ
∂Qj
∂qi
¶
(3.97)
=
qk6=i ,P,t
= j − i − tes Element der Nennerdeterminante
Die Determinante im Nenner ist die Determinante der transponierten Zählermatrix, d.h. die beiden Determinanten sind gleich.
∂ (q1 . . . qn p1 . . . pn )
= 1 q.e.d.
∂ (Q1 . . . Qn P1 . . . Pn )
145
(3.98)
Zu fester Zeit befindet sich jedes physikalische System an einem festen Punkt
im 2n-dimensionalen Phasenraum. (Abbildung 65)
Abb. 65
Statistische Mechanik: Betrachte ein Ensemble (Schar, Gesamtheit) gleichartiger (gleiche H-Funktion) Systeme und mache Aussagen über die zeitliche
Entwicklung von Mittelwerten.
Aussage des Satzes von Poincaré: Das Phasenraumvolumen Γ eines Ensembles bleibt erhalten (zum Beispiel unter Zeitentwicklung = kanonische Transformation mit Erzeugender H).
Die Zahl der Systeme in Γ (Phasenraumpunkte) bleibt auch erhalten, d.h.
die Phasenraumdichte ρ(q, p, t) ist erhalten,
ρ(q, p, t) =
Zahl der Systeme
⇔
Volumen im Phasenraum
Satz von Liouville
(3.99)
Satz von Liouville: ρ(q, p, t)= konstant
⇔
∂ρ
∂ρ
dρ
= [ρ, H] +
=0 ⇔
= − [ρ, H]
dt
∂t
∂t
Beispiel: Teilchen im Strahl eines Beschleunigers (Abbildung 66)
146
(3.100)
Abb. 66
Energiesatz:
obere Teilchen
µ
¶2
µ
¶2
∆p
∆p′
1
1
′
p+
p +
+A=
2m
2
2m
2
(3.101)
untere Teilchen
µ
¶2
µ
¶2
1
∆p
∆p′
1
′
p−
p −
+A=
2m
2
2m
2
Klammern ausmultiplizieren, Gleichungen voneinander abziehen:
p∆p = p′ ∆p′
⇒
p
∆p′
= ′ ≪ 1 (Beschleunigung)
∆p
p
(3.102)
d.h. Impulsverteilung wird schmaler
Wegunterschiede: Nach dem Satz von Liouville muss gelten
∆q ′ ∆p′ = ∆q∆p
∆q ′
∆p
p′
⇒
=
= ≫ 1 Aufweitung im Ortsraum
∆q
∆p′
p
147
(3.103)
3.3
Hamilton-Jakobi-Theorie, periodische Bewegungen,
Winkel- und Wirkungsvariable
3.3.1
Hamilton-Jakobi-Theorie
Annahme: Hamiltonfunktion mit n Freiheitsgraden sei autonom, d.h. nicht
explizit zeitabhängig. (später wird gezeigt: nicht-autonome Hamiltonfunktion
lässt sich auf autonome mit n + 1 Freiheitsgraden zurückführen)
Ziel in der Hamilton-Jakobi-Theorie:
Man suche eine kanonische Transformation F2 (q, P ) derart, dass die neuen
Impulse Konstanten sind, Pi = αi = konstant.
∂K
= Ṗi = 0
⇒ Hamiltongleichung − ∂Q
i
Also kann K nur von den Pi abhängen und nicht von den Qi , K = K (Pi ),
und ist damit selber eine Konstante.
∂F¡
@
2
Sei K = K(P ) = P1 = α1 = H(q, p) + ¡
@
¡∂t@=0 nach Annahme
Neue Koordinaten

∂K  1, i = 1
=
Q̇i =
∂αi  0, sonst
⇒
Q1 = t + β1
Qi = βi , i 6= 1
(3.104)
Problem: Erzeugende F2 finden, die die Pi konstant macht.
F2 (q, P, ¢At) = W (q, α)
∂W
∂qi
³
=
∂F2
∂qi
´
die Impulse:
Eliminiere in H(q, p) = α1 mit Hilfe von pi =
´
³
= α1 Hamilton-Jakobi-Gleichung = partielle DGL in n Variablen
H q, ∂W
∂q
von 1. Ordnung.
148
Beispiel:
H(q, p) =
p21 + p22
+ q1 q2 = α1 =
2m
³
∂W
∂q1
´2
+
³
∂W
∂q2
2m
´2
+ q1 q2
(3.105)
Die vollständige Lösung der Hamilton-Jakobi-Gleichung enthält n Konstanten, von denen eine rein additiv ist, weil mit W immer auch W + α1 eine
Lösung ist. Die restlichen n − 1 Konstanten α2 . . . αn und α1 können als die
neuen konstanten Impulse Pi = αi aufgefasst werden.
Q1 = t + β1 =
∂W
(q, α)
∂α1
(3.106)
∂W
(q, α), i 6= 1
Qi = βi =
∂αi
Durch Auflösen dieser Gleichung erhält man qi (t) und dann durch
∂W
∂qi
= pi (t),
d.h. die Lösung des Problems.
Lösungsverfahren nach Hamilton-Jakobi
1. H(q, p) aufstellen
2. p →
∂W
∂q
³
´
∂W
3. Lösung von H q, ∂q = α ⇒ geht fast nie!
4. Vollständige Lösung W (q, α) enthält n Integrationskonstanten, die mit
den neuen Impulsen identifiziert werden, Pi = αi

 t + β ,i = 1
1
=
5. Neue Koordinaten Qi = ∂W
∂αi
 β , i 6= 1
i
6. Inversion der Gleichungen liefert qi (t) als Funktion der 2n Konstanten
α, β
7. Impulse berechnen aus pi =
∂W
∂qi
149
Beispiel: Teilchen im Zentralfeld
Wähle ebene Polarkoordinaten wegen Drehimpulserhaltung, Bewegung in der
Ebene.
(zu 1)
(zu 2)
1
2m
õ
1
2m
µ
∂W
∂r
¶2
p2r
p2
+ ϑ2
r
1
+ 2
r
¶
µ
+ V (r) = H
∂W
∂ϑ
¶2 !
+ V (r) = α1
(3.107)
(3.108)
(zu 3) Lösung der Gleichung (2) Kritisch!
multiplizieren mit 2mr2 , umordnen
¶2
¶2
µ
µ
∂W
∂W
2
2
= 2mr (α1 − V (r)) − r
∂ϑ
∂r
| {z } |
{z
}
Funktion
von ϑ
(3.109)
Funktion
von r
d.h. beide Seiten müssen konstant sein (Separationsansatz)
(i)
(ii)
µ
∂W
∂ϑ
¶2
= α2 ⇒ Wϑ =
√
α2 ϑ
¶2
∂W
= α2
2mr (α1 − V (r)) − r
∂r
¶2
µ
α2
∂W
⇒ 2m (α1 − V (r)) − 2 =
r
∂r
Zr r
α2
⇒ Wr =
2m (α1 − V (r′ )) − ′2 dr′
r
2
2
(3.110)
µ
(3.111)
(zu 4) Berechnung der erhaltenen generalisierten Impulse P1 = α1 , P2 = α2
Zr r
√
α2
W (r, ϑ, α1 , α2 ) = Wϑ +Wr = α2 ϑ+
2m (α1 − V (r′ )) − ′2 dr′ (3.112)
r
r0
150
(zu 5)
∂W
Q1 =
=
∂α1
Zr
r0
p
mdr′
2m (α1 − V (r′ )) −
∂W
1
Q2 =
= √ ϑ−
∂α2
2 α2
Zr
r0
α2
r ′2
= t + β1
dr′
p
2r′2 2m (α1 − V (r′ )) −
→ liefert r(t)
α2
r ′2
= β2
→ liefert ϑ(t)
(3.113)
Zeit eliminieren ⇒ r(ϑ)
Bestimmung der Konstanten aus den Anfangsbedingungen
√
pϑ = ∂W
= α2 ⇒ α2 ist das Quadrat des Drehimpulses, α2 = L2
∂ϑ
u.s.w.
֒→ Integraldarstellung der Lösung qi (t), pi (t) ⇒ infinitesimale Änderungen
der Anfangsbedingungen führen zu infinitesimalen Änderungen der Lösung
Wann ist die Hamilton-Jakobi-Gleichung lösbar?
Integrabilität ⇔ Separabilität der Hamilton-Jakobi-Gleichung, dafür ist erforderlich: n Separationskonstanten, die von den Erhaltungsgrößen abhängen.
Es gilt:
Ein System ist integrabel, wenn es n Erhaltungsgrößen Pi gibt, die in Involution stehen, d.h. alle Poissonklammern zwischen ihnen verschwinden.
[Pi , Pj ] = 0 ∀i, j = 1 . . . n
151
(3.114)
Beispiele (kein Beweis):
(i) n = 1 das System ist integrabel, wenn der Energiesatz gilt.
(ii) Teilchen im R3 und Zentralpotenzial, n = 3
Erhaltungssätze: Energie, Drehimpuls ~l
i
h
~l, H = 0 und [lx , ly ] = lz Ã
aber 3 Erhaltungssätze in Involution H, l2 , lz , weil [l2 , lz ] = 0
(iii) Mehr als 2 Körper:
6 Erhaltungssätze in Involution: H, l2 , lz , P~CM < Anzahl der Freiheitsgrade = 3. Anzahl der Körper
⇒ nur noch für kleine Schwingungen, d.h. lineare Kräfte, integrabel
Behauptung: Ein autonomes System H(q, p) mit n + 1 Freiheitsgraden ist
⇔
äquivalent zu einem zeitabhängigen Problem mit n Freiheitsgraden.
⇐“ Hamiltonsches Prinzip
”
!
Zt2 ÃX
n
δ
pi q˙i − H(q, p, t) dt = 0
t1
(3.115)
i=1
Statt der Zeit t wird ein neuer Parameter τ eingeführt, der wie t von der
Variation nicht beeinflusst wird.
!
!
Zt2 Ã X
Zt2 Ã X
n
n
dt
dqi
− |{z}
H
pi
dτ (3.116)
δ
pi q˙i − H(q, p, t) dt = δ
| {z }
dτ
dτ
neue
i=1
i=1
t1
Funktion
von q,p,t
t1
unabh.
Variable
|
n+1
P
i=1
{z
dQ
Pi dτi
(
)
}
Man darf t und −H als die (n + 1)-te generalisierte Koordinate bzw. als generalisierten Impuls auffassen.
Pi = pi , Qi = qi , i = 1 . . . n
152
Pn+1 = −H, Qn+1 = t, i = n + 1
Die ganze Transformation kann man also auffassen als kanonische Transformation mit Erzeugender
F2 (q, P, t) =
n
X
i=1
Pi qi −Ht (dabei ist −Ht der (n+1)-te Impuls ·(n+1)-te Koordinate)
| {z }
Identität
(3.117)
neue Hamiltonfunktion
K(Q, P,½
τ ) = H(q, p, t) +
Z
∂F2
= H(q, p, t) − |{z}
H
| {z }
∂t
Vorschrift
neue Hamiltonsche Gleichung
∂Pi
∂K
=−
,
∂τ
∂Qi
(3.118)
unabh.
Variable
∂Qi
∂K
=
∂τ
∂Pi
i=n+1:
−
dH
dPn+1
∂K
∂K
=
=−
=−
dτ
dτ
∂Qn+1
∂t
dQn+1
∂K
∂K
dt
=
=
=−
= 1 ⇒ t(τ ) = τ
dτ
dτ
∂Pn+1
∂H
(3.119)
⇒“ Sei H(q, p,½
τ ) = E eine erhaltene Hamiltonfunktion mit n + 1 FreiheitsZ
”
graden.
Setze Pi = pi und Qi = qi , i = 1 . . . n, und löse den Erhaltungssatz H(q, p) =
E für pn+1 = pn+1 (Q, P, qn+1 , E).
Setze K = pn+1 , τ = qn+1 ⇒ reduzierte Beschreibung in n Freiheitsgraden
mit den dynamischen Variablen (Q, P ) und dem zeitanalogen Parameter τ
und der τ - und E- abhängigen Hamiltonfunktion K(Q, P, τ, E).
153
3.3.2
Periodische Bewegungen. Winkel- und Wirkungsvariable
Es gibt zwei Arten von periodischer Bewegung. (Abbildung 67 und 68)
Abb. 67: Libration: p − q− Kurve im Phasenraum geschlossen ⇒
p, q
periodische Funktion der Zeit mit gleicher Periode
Abb. 68: Rotation: p ist periodische Funktion von q mit Periode q0 , q kann
unbeschränkt anwachsen
154
Beispiel: Ebenes Pendel
1
T = ml2 ϑ̇2
2
∂T
pϑ =
= ml2 ϑ̇
∂ ϑ̇
p2
T = ϑ2
2ml
(3.120)
Abb. 69
p2
H = E = T + V = ϑ 2 − mgl cos ϑ, E erhalten
2ml
p
֒→ pϑ = ± 2ml2 (E + mgl cos ϑ)
Abb. 70
155
(3.121)
Abb. 71
Bifurkation = bei Verschiebung eines Kontrollparameters (hier: Energie E)
ändern sich Struktur un Zahl der speziellen Lösungen,
hier: bei E = mgl, Schwingung → Rotation
Periodische Bewegung bei n Freiheitsgraden
Annahme: Problem vollständig separabel
W (q, α) =
n
X
Wi (qi , α)
i=1
∂W
(q, α) = δ1,i t + βi
∂αi
∂Wi
∂W
=
= pi
∂qi
∂qi
(3.122)
Für eine periodische Bewegung definiert man eine nicht von den qi abhängige
Wirkungsvariable
1
Ji :=
2π
I
1 Periode
1
pi dqi =
2π
I
∂Wi
(qi , α) dqi ≡ Ji (α).
∂qi
(3.123)
D.h. man erhält n unabhängige Konstanten J(α) mit der Dimension einer
i
h
∂L
Wirkung, [pi dqi ] = ∂ q̇i dqi = Energie · Zeit
156
Charakteristische Funktion W (q, α) = W (q1 , . . . , qn , α1 (J), . . . , αn (J)) =
S(q, J) ist abhängig von den J.
Es gilt pi =
∂Wi
∂qi
∂Si
∂qi
=
(qi , J)
Die zu Ji konjugierte Koordinate lautet:
ϑi =
∂S
(q, J)
∂Ji
Winkelvariable
neue Hamiltonfunktion
K = H = α1 (J) = K(J) = K (J1 . . . Jn )
(3.124)
Hamiltonsche Gleichungen
∂K
= 0 ⇒ Ji = konstant
J˙i = −
∂ϑi
∂K
ϑ̇i =
= ωi (J) zeitlich konstant
∂Ji
(3.125)
ϑi (t) = ωi t + βi
Die ωi sind die Grundfrequenzen der Bewegung (hier kein Beweis).
Beispiel: 2-dimensionaler harmonischer Oszillator
H=
k1
k2
p2
p21
+ q12 + 2 + q22
|2m {z 2 } |2m {z 2 }
H1 (q1 ,p1 )
µ
→ ist separabel
H2 (q2 ,p2 )
∂W ∂W
H = H q1 , q2 ,
,
∂q1 ∂q2
¶
(Schritt 2 aus dem Lösungsverfahren)
(3.126)
Hamilton-Jakobi-Gleichung
õ
¶2 µ
¶2 !
k1
∂W1
k2
∂W2
1
+ q12 + q22 = α1 = E
+
2m
∂q1
∂q2
2
2
mit dem Ansatz W = W1 (q1 , α) + W2 (q2 , α)
µ
¶2
¶2
µ
¡
¢
∂W2
∂W1
2
2
+ m1 k1 q1 = m 2E − k2 q2 −
∂q1
∂q2
{z
} |
{z
}
|
α2
α2
157
(3.127)
(3.128)
r
q
∂W
α2
±
2
= p1 = ± α2 − mk1 q1 ⇒ Umkehrpunkte (Nullstellen) q1 = ±
∂q1
mk1
Betrachte das positive Vorzeichen
Zq1 q
′
α2 − mk1 q12 dq1′
W1 =
W2 =
q0
Zq2
q
′
2mE − α2 − mk2 q22 dq2′
q0′
1
J1 =
2π
I
1
p1 dq1 =
2π
+
=2·
Zq1 r
q1−
I
∂W1
dq1 =
∂q1
√
mk1
2π
I r
α2
− q12 dq1
mk1
α2
− q12 dq1 , da für q− → q+ gilt p > 0 und für q+ → q− gilt p
mk1
α2
= √
2 mk1
Analog:
J2 =
2mE − α2
√
2 mk2
r
α2
k2
J2 +
=
nach E auflösen: K = E = E (J1 , J2 ) =
m
2m
r
r
∂K
k1
k2
ω1 =
=
, ω2 =
∂J1
m
m
r
k2
J2 +
m
r
k1
J1
m
E = ω1 J1 + ω2 J2
(3.129)
Charakteristische Funktion in den Wirkungsvariablen α → J
Hier: ω = ω1 + ω2 nur von α2 abhängig
S = S1 (q1 , J1 ) + S2 (q2 , J2 )
Zq2 q
Zq1 q
′
2mω1 J1 − mk1 q12 dq1′ +
2mω2 J2 − mk2 q′22 dq2′
=
q0
q0′
158
(3.130)
Winkelvariable:
∂S
∂Si
ϑi =
=
= ωi t + βi = mωi
∂Ji
∂Ji
Zqi
q0,i
p
dqi′
′2
2mωi Ji − mki qi
qi − q0,i
= arcsin q
2Ji
mωi
(3.131)
Durch Invertieren folgt für qi :
qi − q0,i =
r
2Ji
sin (ωi (t − t0 ) + βi )
mωi
(3.132)
Bei geeigneten Anfangsbedingungen und rationalen Frequenzverhältnissen
erhält man sogenannte Lissajous-Figuren.
ω1 : ω2 = 2 : 1
Abb. 72
aus: Wikipedia, 18.10.2010
Lissafous-Figuren sind Kurvengraphen, die durch Überlagerung harmonischer Schwingungen entstehen. Sie sind benannt nach dem französischen
Physiker Jules antione Lissajous (1822-1880). Einen besonders faszinierenden
Anblick bietet die Kurve bei geringfügiger Abweichung zwischen den Schwingungen, weil durch die langsam rotierende Figur ein 3D-Eindruck entsteht.
In jüngerer Zeit spielten sie zum Beispiel bei der Ausbildung zum tieferen
159
Verständnis von Wechselströmen mit Hilfe des Oszilloskops eine Rolle.
Mathematisch handelt es sich um parametrische Schaubilder von Funktionen
der Form

t → 
Ax sin(ω1 t + φ1 )
Ay sin(ω2 t + φ2 )

,
t ∈ [0, ∞)
(3.133)
Eine solche Funktion ist genau dann periodisch, wenn das Frequenzverhältnis
v=
ω1
n1
=
ω2
n2
(3.134)
rational ist, sich also in einen ganzzahligen Bruch umwandeln lässt. In diesem
Falle erhält man eine geschlossene Figur.
Bei irrationalen Frequenzverhältnissen wird der Phasenraum durch die Trajektorie voll ausgefüllt, d.h. nach hinreichend großer Zeit kommt man jedem
Punkt beliebig nahe (Ergodizität).
160
4
4.1
4.1.1
Relativistische Mechanik freier Teilchen
Einführung in die Relativitätstheorie
Invarianz-Transformationen zwischen Koordinatensystemen
in der Physik
wichtig in der Physik: Invarianz der Bewegungsgleichung
F~ = m~x¨ (Newton II)
(4.1)
unter Transformationen von einem Inertialsystem K auf ein anderes Inertialsystem K ′ . Es gibt vier Klassen von Transformationen, unter denen Newton
II invariant ist:
a) Translation des Koordinatensystems um konstanten Vektor ~a
zugehöriger Erhaltungssatz: linearer Impuls
Abb. 73: ~x ′ = ~x − ~a
161
b) Richtungsänderung (Abbildung 74)
~~
~~
Abb. 74: ~x ′ = A~
x, wobei A
eine Drehung beschreibt und (in 3D) von 3
Parametern abhängt, z.B. Eulerwinkel
~~
A
kann nicht von der Zeit abhängen, sonst wäre K ′ kein Inertialsystem
zugehöriger Erhaltungssatz: Drehimpuls
c) Galilei-Transformation, K ′ bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit ~v
relativ zu K
Abb. 75: ~x ′ = ~x − ~v ′ t
zugehöriger Erhaltungssatz: Bei einem Vielteilchensystem ist P~ = M V~ erhalten.
162
d) Zeittranslationsinvarianz t′ = t − a0
zugehöriger Erhaltungssatz: Energieerhaltung
Newton II ist invariant unter a − d und damit unter jeder Kombination
derselben.
Dann gilt für die neuen Koordinaten
x′1 =
x′2 =
x′3 =
t′ =
3
P
j=1
3
P
j=1
3
P
j=1
a1j xj
−v1 t −a1
a2j xj
−v2 t −a2
a3j xj
−v3 t −a3
(4.2)
t −a0
Drehung Galilei Translation
Die Zeit wird unsymmetrisch behandelt.
~x = ~x ′ − ~v t
d~x
d~x ′
=
− ~v
dt
dt
(4.3)
Vektoraddition der Geschwindigkeiten
163
4.1.2
Axiome der Relativitätstheorie
Michelson: Galilei-Invarianz stimmt nicht. (Abbildung 76)
Abb. 76
Interferenz-Experiment, hohe Präzision ⇒ Lichtgeschwindigkeit immer c!!!
Einstein 1905: Spezielle Relativitätstheorie
(speziell, da sich Inertialsysteme mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander bewegen)
1. Die Naturgesetze sind in allen Koordinatensystemen, die sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit gegeneinander bewegen, gleich.
2. Die Vakuumlichtgeschwindigkeit c ist dieselbe in allen Koordinatensystemen und unabhängig von der Geschwindigkeit des emittierenden
Körpers (6= Galilei-Invarianz).
164
Abb. 77: Der Ursprung von K ′ bewege sich mit einer Geschwindigkeit
~v = v~ex gegenüber dem Ursprung von K. Zum Zeitpunkt t = 0 sollen der
Ursprung von K und von K ′ übereinstimmen. In beiden Inertialsystemen
muss die zum Zeitpunkt t = 0 im Ursprung ausgesandte Wellenfront eine
Kugelwelle ergeben.
x = ct ⇒ x21 = c2 t2
2 ′2
x′2
1 = c t
(4.4)
auf der gesamten Wellenfront
x21 + x22 + x23 = c2 t2
′2
′2
2 ′2
x′2
1 + x2 + x3 = c t
(4.5)
′2
′2
0 = c2 t2 − x21 − x22 − x23 = c′2 t′2 − x′2
1 − x2 − x3
Neue Geometrie: Die Länge von Vektoren
p
x21 + x22 + x23 und die Zeit t sind
nicht mehr separat invariant, sondern nur noch gemeinsam. ⇒ 4-er Vektor
165
4.1.3
Mathematische Grundlagen der Relativitätstheorie
Minkowski-Raum
Es gibt kontravariante 4-er Vektoren mit Komponenten
Aµ = A0 , A1 , A2 , A3
(4.6)
und kovariante 4-er Vektoren
Aµ =
3
X
gµν Aν =gµν Aν (Summenkonvention)
ν=0

gµν
Konvention:
1 0
0
0


 0 −1 0
0
=

 0 0 −1 0

0 0
0 −1








(4.7)
griechische Indizes laufen von 0 bis 3.
lateinische Indizes laufen von 1 bis 3.
kontravariant (A0 , A1 , A2 , A3 ) = (ct, x1 , x2 , x3 )
kovariant
(A0 , A1 , A2 , A3 ) = (A0 , −A1 , −A2 , −A3 ) = (ct, −x1 , −x2 , −x3 )
Skalarprodukt im Minkowskiraum
AB = Aµ B µ = Aµ Bν g µν = Aµ B ν gµν
(4.8)
Transformationen auf ein anderes Koordinatensystem werden beschrieben
durch 4 × 4 -Matrizen mit Elementen aν µ
A′µ = aν µ Aµ
166
(4.9)
Forderung: Das Skalarprodukt muss invariant gegenüber einer Transformation auf neue Koordinaten sein.
!
A′ µ B ′µ = aν µ aµ σ B σ Aν = Aν B ν
| {z }
B ′µ
⇒ aν µ aµ σ = δ ν σ
(4.10)
Kroneckerdelta
Ko- und kontravariante Komponenten eines Vektors:
Die linear unabhängigen Vektoren ~ai , i = 1, 2, 3, ai ∈ R3 , ~ai normiert, bilden
eine Basis des R3 . Jeder Vektor ~r lässt sich danach entwickeln,
i
~r = c ~ai =
3
X
ci~ai
(4.11)
i=1
mit reellen kontravarianten Komponenten ci .
Der Vektor ~r lässt sich auch auf die ~ai projizieren.
~ai · ~r =
X
j
~ai · ~aj cj = gij cj = ci
| {z }
kovariantes ci !
(4.12)
metrischer
Tensor
(Kovariant, weil sich ci unter Koordinatentransformationen bei festen ~r wie
die ~ai verhält.)
zum Beispiel: Schiefwinkliges Koordinatensystem im R2
(Abbildung 78)
c1 = c1 + c2 cos ϑ
c2 = c1 cos ϑ + c2
⇒ g11 = g22 = 1, g12 = g21 = cos ϑ
167
(4.13)
Abb. 78: parallel zu Achsen, senkrecht zu Achsen
d.h. für ϑ = 90◦ gilt gij = δij , ko- und kontravariante Komponenten sind
gleich.
Minkowski-Raum: Basisvektoren sind orthonormal, der nullte hat das Längenquadrat 1, die anderen haben das Längenquadrat -1. (Es gibt verschiedene
Konventionen, auch mit imaginärer nullter Komponente.)
Gesucht: Lorentztransformation für ein K ′ , das sich (gleichförmig) mit v
entlang der x-Achse von K bewegt (Boost) (~v zeige o.B.d.A. entlang der xAchse, sonst kann man K entsprechend drehen).
Da ~v entlang der x-Achse zeigt, werden die y- und z-Komponente nicht
verändert. ⇒ x′2 = x2 , x′3 = x3
Transformationsmatrix für kontravariante Vektoren


0
0
a
a 1 0 0
 0

 1

1
 a 0 a 1 0 0 
µ

a ν =


 0
0 1 0 


0
0 0 1
168
(4.14)
Berechnung von aν µ über aν µ = gµσ aσ λ g λν aus aµ ν
Zur Berechnung betrachten wir 2× 2 -Matrizen, da die y- und z-Komponente
invariant sind.

 
0
1
1 0
a
a0
 0
=
0 −1
a1 0 a1 1

a0 0

=
−a1 0


a
0
0
1
a
0
1
1


1
0


a 0 a 1
0 −1


 
a0 1
a0 0 −a0 1
1 0


=
1
1
1
−a 1
−a 0 a 1
0 −1
(4.15)
Einsetzen in aµ ν aµ σ = δ ν σ liefert 3 Beziehungen für die 4 nichttrivialen
Elemente:
¡ ¢2 ¡ ¢2
ν = σ = 0 : a0 0 a0 0 + a1 0 a1 0 = a0 0 − a1 0 = 1 (1)
¡ ¢2 ¡ ¢2
ν = σ = 1 : a0 1 a0 1 + a1 1 a1 1 = − a0 1 + a1 1 = 1 (2)

(4.16)
ν = 1, σ = 0 
→ a0 1 a0 0 + a1 1 a1 0 = a0 0 a0 1 + a1 0 a1 1
ν = 0, σ = 1 
= −a0 1 a0 0 + a1 1 a1 0 = 0 (3)
4. Beziehung / Bestimmungsgleichung
Der Ursprung 0′ von K ′ (x′1 = 0) bewegt sich mit v in K.
x1 = vt =
v 0
x ′
c
(4.17)
deswegen gilt
!
0 = x′1 = a1 µ xµ = a1 0 x0 + a1 1 x1 =
³
v 1 ´ 0
1
= a 0+ a 1 x =0
c
v 1
1
⇒ a 0 = − a 1 (4)
c
169
(4.18)
Abkürzung in der Relativistik:
v
c
=β
(4) in (3) einsetzen
¡ ¢2
−a0 1 a0 0 − β a1 1 = 0 (5)
(4.19)
(4) in (1) einsetzen
¡
a0 0
¢2
¡ ¢2
− β 2 a1 1 = 1 (6)
(4.20)
nach (5) gilt
2
a
0
1
β (a1 1 )
=−
a0 0
(4.21)
in (2) einsetzen
4
¡ 1 ¢2
β 2 (a1 1 )
+
a 1 =1
−
(a0 0 )2
¡ ¢4 ¡ ¢2 ¡ 0 ¢2 ¡ 0 ¢2
a 0 = a 0
⇔ − β 2 a1 1 + a1 1
¡ 1 ¢2 h
¡ 1 ¢2 ¡ 0 ¢2 i ¡ 0 ¢2
⇔ a 1
−β a 1 + a 0
= a 0
|
{z
}
=1 wg. (6)
¡
⇔ a1 1
¢2
¡
= a0 0
¢2
Positive Wurzelziehung, da bei β → 0 (v → 0)
Lorentztransformation in Galileitransformation übergehen muss.
1
(6)
=: γ
⇒ a1 1 = a0 0 = p
1 − β2
(5)
(4)
a0 1 = −βγ = a1 0
170
(4.22)
aµ ν


γ
−βγ 0 0




 −βγ
γ
0 0 

=


 0
0
1 0 


0
0
0 1
Boost entlang x-Achse
(4.23)
Für β → 0 ⇒ γ → 1 ⇒ aµ ν → δ µ ν
det (aµ ν ) = γ 2 − β 2 γ 2 = 1 eigentliche Lorentztransformation
Ausführlich: x′µ = aµ ν xν
¡
¢
x′0 = ct′ = a0 ν xν = γ ct − βx1
³
1
v ´ v≪c
=q
ct − x → ct
2
c
1 − vc2
x′1 = x′ = a1 ν xν = γ (x − βct)
=q
1
1−
(4.24)
v≪c
v2
c2
(x − vt) → x − vt
x′2 = x′ = y
x′3 = z ′ = z
4.1.4
Längenkontraktion und Zeitdilatation
Längenkontraktion (Fitz-Gerald):
Ein Beobachter im ungestrichenen System misst zu einer Zeit t die Länge
eines Stabes (d.h. gleichzeitig die Position beider Enden), der im gestrichenen
System ruht. Im gestrichenen, dem Ruhesystem des Stabes, ist die wahre“
”
Länge des Stabes:
¡
¢
¡
¢
¡
¢
∆′ 1 = x′1 e − x′1 a = γ x1 e − βct − γ x1 a − βct = γ x1 e − x1 a = γ∆x1
|
{z
}
∆x1
(4.25)
171
Also ist die gemessene Länge
l=γ
−1 ′
l =
r
1−
v2 ′
l ≤ l′
2
c
(4.26)
Zeitdilatation:
Im gestrichenen System werden an einem festen Punkt x′1 a = x′1 e ein Zeitintervall t′ e − t′ a = ∆t′ gemessen.
¶
µ
¢
β¡ 1
1
′
′
′
x e−x a
∆t = t e − t a = γ te − ta −
c
¡
¢ !
x′1 e − x′1 a = γ x1 e − x1 a − βc (te − ta ) = 0
x1 e − x1 a = βc (te − ta ) = v (te − ta ) = v∆t
| {z }
∆t
³
¢´
β¡
⇒ ∆t′ = γ te − ta − x1 e − x1 a
| {z } c |
{z
}
∆t
=v∆t=βc∆t
¡
¢
¡
¢ ∆t
1
, da γ = p
= γ ∆t − β 2 ∆t = γ∆t 1 − β 2 =
γ
1 − β2
∆t
< ∆t
⇒ ∆t′ =
γ
(4.27)
Invarianz des 4-er Wegelements ∆t′ ∆x′1 ∆x′2 ∆x′3 =
∆t ∆x1 ∆x2 ∆x3
Also c∆t′ ∆x′ ∆y ′ ∆z ′ = c∆t ∆x ∆y ∆z.
172
1
γ
∆t γ∆x1 ∆x2 ∆x3 =
Probleme zum Nachdenken über die Längenkontraktion
(Diskussion in den Übungen):
a) Das Garagen-Paradoxon“: Passt ein sehr schnell bewegtes Auto in ei”
ne viel zu kleine Garage?
Für den Fahrer des Autos hat sich die Länge seines Autos nicht verändert,
für ihn sind die Entfernungen verkürzt, die es zurückzulegen hat, insbesondere auch die Länge der Garage. Aus seiner Sicht passt das Auto
also nicht in die Garage. Im Bezugssystem der Garage ist die Länge
des Autos kontrahiert, so dass es hinein passt.
b) Explosion?: Ein U-förmiges Werkstück aus dem härtesten Stahl enthält
den Auslöser einer Sprengkapsel. Ein T-förmiges Werkstück aus dem
gleichen harten Stahl passt genau von oben in das U hinein, der längere
senkrechte Balken des T ist aber etwas zu kurz, um den Auslöser zu
erreichen, wenn beide Bauteile in Ruhe sind.
Nun wird das T-förmige Bauteil weit nach oben gezogen und auf eine
hohe Geschwindigkeit beschleunigt. Es erfährt eine Lorentz-Kontraktion
längs seiner Bewegungsrichtung. Als Folge davon ist der senkrechte Balken des T nicht lang genug, um beim Zusammenstoß beider Bauteile
den Auslöser der Sprengkapsel zu erreichen. Es wird daher keine Explosion erfolgen.
Berachten Sie dieselbe Situation jedoch im Bezugssystem des T-förmigen Werkstücks. In diesem Bezugssystem hat der senkrechte Balken
des T seine Ruhelänge, während die beiden Schenkel des U-förmigen
Werkstücks der Lorentzkontraktion unterliegen. Der senkrechte Balken
des T wird also mit Sicherheit auf den Auslöser der Sprengkapsel prallen und es wird zu einer fürchterlichen Explosion kommen.
Wird es eine Explosion geben oder nicht?
173
Definition Eigenzeit: ∆τ = ∆t′ =
∆t
γ
d.h. die Zeit, die auf einer mit dem
Körper mitbewegten Uhr vergeht. Die Eigenzeit ist wie die Vakuumlichtgeschwindigkeit ein Skalar.
2
2
2
Längenquadrat: (cdτ )2 = dxµ dxµ = c2 dt2 − (dx1 ) − (dx2 ) − (dx3 ) , im
Ruhesystem dx′k = 0 für k = 1, 2, 3, dτ =
dt
γ
im bewegten System.
Ruhesystem:
dx′µ dx′µ = c2 dτ 2 − 0 = c2 dτ 2
(4.28)
bewegtes System:
dxµ dxµ = c2 dt2 − dx21 − dx22 − dx23
= c2 dt2 − v 2 dt2
¶
µ
c2 dt2
v2
2 2
= c2 dτ 2
= c dt 1 − 2 =
c
γ2
(4.29)
dxµ dxµ ist sichtbar ein Lorentzskalar.
Für die Lorentztransformation gilt
x′µ = aµ ν xν
(4.30)
Für die inverse Transformation gilt dann
xµ = aµ σ x′σ = aµ σ aσ ν xν
| {z }
(4.31)
aµ σ aσ ν = δ µ ν
(4.32)
δµ
Also:
174
ν
Für aν µ hatten wir auch folgende Orthogonalität gefunden
Berechne aν λ
aν µ aµ σ = δ ν σ

 aν δ λ = aν
λ
µ
µ
aλ σ aσ µ =
 δ ν aσ = aν
µ
µ
σ
Dabei ist: aν λ aλ σ = δ ν σ und aλ σ aσ µ = δ λ µ
(4.33)
⇒ aν µ = aν µ
aν µ = gµσ aσ λ g λν
Für eine Transformation mit der Geschwindigkeit β =
Richtung gilt also
aν µ

v
c
entlang der x-

γ βγ 0 0




 βγ γ 0 0 

=


 0
0 1 0 


0
0 0 1
(4.34)
D.h. wie erwartet entspricht die Umkehrtransformation der Transformation
mit v → −v, β → −β.
β
ursprüngliche Transformation K → K ′
Umkehrtransformation
4.1.5
−β
K′ → K
Zeit-, raum- und lichtartige Vektoren
Lichtkegel
Betrachte ein Ereignis an einem Weltpunkt x = (ct, ~r). Der Abstand zu einem
zweiten Ereignis y ist unabhängig vom Bezugssystem.
s2 = (xµ − yµ ) (xµ − y µ ) = c2 ∆t2 − (∆~r)2
175
(4.35)
Mögliche Fälle:
(i)
s2 > 0:
Abstand zeitartig
(ii)
s2 = 0:
Abstand lichtartig
(iii) s2 < 0: Abstand raumartig
(siehe Abbildung 79)
Abb. 79
Fall (i):
Im Prinzip kann ein Massenpunkt bei beiden Ereignissen anwesend sein.
µ
¶1/2 r
s2
∆~r 2
2−
c
v=
<c
(4.36)
=
∆t2
∆t2
Ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen ist möglich. Es
kann dagegen kein Inertialsystem geben, in dem beide Ereignisse gleichzeitig
sind, dann wäre ∆t = 0 ⇒ s2 = − (∆~r)2 < 0 Ã
Fall (iii):
Es gibt ein Inertialsystem, in dem beide Ereignisse gleichzeitig sind. Ein
kausaler Zusammenhang ist hingegen nicht möglich.
176
Fall (ii):
Lichtkegel“ separiert zeitartige und raumartige Bereiche und trennt zwei
”
getrennte zeitartige Bereiche ab: Zukunft“ und Vergangenheit“. Die kau”
”
sale Reihenfolge ist stets eindeutig: Wenn Ereignis x Ereignis y beeinflussen
kann, dann nicht umgekehrt!
Graphische Veranschaulichung - Minkowski-Diagramm
Abb. 80: Jeder Punkt P des Minkowski-Raumes stellt ein bestimmtes Ereignis dar.
Jetzt Übergang in neues Koordinatensystem K → K ′ :
Koordinatenursprünge sollen zur Zeit t = t′ = 0 übereinstimmen.
⇒ K ′ -Zeitachse ist definiert durch
!
0 = z ′ = γ (z − vt) ⇒ z = vt, ct =
Gerade mit der Steigung
1
β
1
z
β
(4.37)
> 1, liegt stets zwischen Zeitachse und Lichtsignal
177
⇒ K ′ -Raumachse ist definiert durch
³
v ´
!
0 = t′ = γ t − 2 z ⇒ ct = βz
c
(4.38)
Gerade mit der Steigung β < 1, liegt stets zwischen Raumachse und Lichtsignal
Eichung der Achsen:
s2 = c2 t2 − x2 − y 2 − z 2
⇒ s′2 = c2 t2 − z 2
ist eine Lorentzinvariante, x, y gleich in K, K ′
ändert sich nicht
s′2 = −1 ⇒ z 2 = (ct)2 + 1 ⇒ Eichung Raumachse
s′2 = 1 ⇒ (ct)2 = z 2 + 1 ⇒ Eichung Zeitachse
(4.39)
Weltlinie = Bahnkurve eines materiellen Körpers in der Raumzeit bzw. Verlauf eines Signals. (ct, ~r) muss lokal zeitartig sein, d.h. ds2 > 0 entlang der
Kurve.
Eigenzeit = Bogenlänge entlang der Weltlinie dτ =
ds
c
Weltgeschwindigkeit
µ
¶
dt d~r
c·
,
dτ dτ
dτ
mit dt = γdτ = q
folgt u(τ ) = (γc, γ~v )
v2
1 − c2
dx
=
u(τ ) =
dτ
Längenquadrat der 4-er Geschwindigkeit
¢
¡
¢
1 ¡ 2
c − v 2 = c2
uµ uµ = γ 2 c2 − ~v 2 =
v2
1 − c2
Lorentzvariante
178
(4.40)
4.2
Relativistische Mechanik
Frage: Was tritt an die Stelle der bisherigen mechanischen Gesetze, z.B. Newton II? Gesucht ist eine sogenannte kovariante Formulierung, d.h. das Naturgesetz muss unter Lorentztransformationen forminvariant sein.
Relativistisches Kraftgesetz:
Gesucht: Kraftgesetz für ein einzelnes Teilchen der Geschwindigkeit ~v
Forderungen:
(i)
Im Grenzfall
v
c
→ 0 soll Newton II herauskommen
(ii) Gesetz soll kovariant sein (Vierervektor-Gleichung)
Ansatz:
duµ
u
K
=
m
|{z}
dτ
(4.41)
Minkowski-Kraft, noch zu bestimmen
Nichtrelativistisch kann man das Trägheitsgesetz auch schreiben als:
Fi =
d
Pi ,
dt
i = 1, 2, 3
(4.42)
d.h. Impulserhaltung, falls keine äußeren Kräfte wirken.
Frage: lorentzinvariante Impulserhaltung?
Ki = m
d
d
ui = mγ (γvi )
dτ
dt
mit ui = γvi und τ =
t
γ
(4.43)
Durch Vergleich legen wir für die Raumkomponente fest:
mvi
Pi = p
= γmvi
1 − β2
Fi
Ki = γFi = p
1 − β2
179
(4.44)
Zeitkomponente:
~ · ~u
K µ u µ = K 0 u0 − K
=m
=
¡d
dτ
1
d
m dτ
2
¢
¡d ¢
u0 u0 − m dτ
~u · ~u
(u0 u0 − ~u · ~u)
d
= 21 m dτ
uµ uµ
| {z }
(4.45)
c2
=
d
1
m dτ
2
c2 = 0
⇒ K µ uµ = γK 0 c − γ F~ · ~v γ = 0
~
⇒ K 0 = γ Fc·~v
Also lautet die Minkowskikraft
Ã
Kµ =
F~ · ~v
, γFx , γFy , γFz
γ
c
!
(4.46)
physikalische Bedeutung der Zeitkomponente:
d
d
F~ · ~v
= m u0 = mγ (γc)
c
dτ
dt
2
d mc
~
⇒ F
| {z· ~v} = dt p1 − β 2
γ
~ pro Zeiteinheit
Arbeit, die die Kraft F
an dem Teilchen der Masse m leistet
=
ˆ Änderung der kinetischen Energie
d
⇒ F~ · ~v =
Tr
dt
mc2
relativistische
= γmc2
⇒ kinetische
Energie Tr = q
v2
1 − c2
180
(4.47)
Grenze kleiner Geschwindigkeiten =
ˆ Taylorentwicklung nach β =
v
c
mc2
,
1 − β2
1 mc2
dTr
=−
· (−2β)
dβ
2 (1 − β 2 ) 32
Tr (β) = p
=
2
βmc2
3
(1 − β 2 ) 2
mc2
(4.48)
2
d Tr
3 βmc
=
+
(2¢ β)
3
dβ 2
2¢ (1 − β 2 ) 52
(1 − β 2 ) 2
¡ ¢
1
v2
Tr = mc2 + 0 + mc2 2 + O β 3
2
c
¡ ¢
1
= mc2 + mv 2 + O β 3
2
d.h. Tr reduziert sich nicht auf den nichtrelativistischen Ausdruck T = 21 mv?
v
≪1
1
Tr c→ mc2 + mv 2
2
(4.49)
Dabei ist mc2 eine Konstante, unbedeutend für die Kinematik eines Massenpunktes. Aber mc2 stellt sich als die Ruheenergie des Massenpunktes heraus.
Wir definieren den Vierer-Impuls
pµ = muµ = mγ (c, ~v )
¶
¶ µ
µ
Tr
Tr
, γm~v =
, p~r
=
c
c
(4.50)
Die Masse taucht stets in der Kombination γm auf. Man kann eine relati”
vistische Masse “ definieren:
m
m(v) = γm = q
1−
⇒ Experimentalphysik, Populärwissenschaft
181
v2
c2
(4.51)
Norm des Viererimpulses
Tr2
− p~r 2 = m2 uµ uµ = m2 c2
c2
p
⇒ Tr = c2 p~r 2 + m2 c4
pµ pµ =
(4.52)
Da der Viererimpuls die Energie enthält, gilt in der Relativitätstheorie:
Impulserhaltung ⇔ Energieerhaltung
Nichtrelativistisch gilt das nicht! (z.B. Granate)
⇒ In der Relativitätstheorie muss die Änderung der Ruhemasse die Änderung der kinetischen Energie kompensieren.
⇒ Einsteins Äquivalenz von Masse + Energie
∆E = ∆mc2
(4.53)
Beispiele:
1. Massenzuwachs, wenn man 100kg um 1km in die Höhe hebt:
∆m = 10−12 kg
2. Paarerzeugung: Zerfall eines masselosen Photons in ein Elektron e−
und ein Positron e+ ist möglich, wenn Eν ≤ 2me c2 = 1, 022M eV
Die Energiedifferenz Eν − 2me c2 erscheint als kinetische Energie von e−
und e+ .
3. Masseverlust der Sonne durch Energieabstrahlung
4. Atombombe: Massenverlust von etwa 0,1%
182
∆m
∆t
≃ 4 · 1012 kg
s
4.3
Relativistische Lagrangefunktion für freie Teilchen
L muss ein lorentzinvarianter Skalar sein, der höchstens abhängen kann von
x µ , uµ , τ .
Hamiltonsches Prinzip: L kann nur von den Eigenschaften des freien Teilchens
abhängen, d.h. Masse m (Ladung im feldfreien Raum uninteressant) Ansatz:
Lf = −mc2
in Hamiltonsches Prinzip einsetzen
!
0 = −mc δ
Z2
(4.54)
2
ds = −mc δ
1
Z2 p
dxµ dxµ
(4.55)
1
Vollständige Herleitung siehe Landau-Lifschitz II (E-Dynamik)
Im Unterschied zur klassischen Mechanik wird jetzt auch das Eigenzeitintervall mitvariiert.
Schritte beim Ausführen der Variation:
a) δ dxµ = d δxµ
b) δxµ = 0 an den Endpunkten
2
Vollstndige Herleitung siehe L. Landau, E. Lifschitz: Lehrbuch der Theoretischen Phy-
sik, Bd. 2, Klassische Feldtheorie, Verlag Deutsch (Harry), 12., überarbeitete Auflage,
1997
183
c) partielle Integration
Z2 p
Z2
dxµ δdxµ
0 = −mc δ
=
dxµ dxµ = −mc p
dxµ dxµ = cdτ
1
1 |
{z }
ds
= −m
Z2
uµ dδxµ =
1
partielle Integration
=
−m ui δxµ
| {z }
=0, da Variation an
Endpunkten verschwindet
(4.56)
Z2 µ
Z2
¯b
du
¯
δxµ dτ
¯ + m duµ δxµ = m
dτ
a
Da δxµ beliebig, folgt m
1
1
duµ
= 0 Newton II
dτ
Masse · 4er-Beschleunigung = 0
Die relativistische Mechanik kann also analog zur klassischen Mechanik im
Lagrangeformalismus hergeleitet werden.
184
A
Rechenregeln für grad, div, rot, △
~ B
~ Vektorfelder, f (x) eine differenzierbare
Es seien Φ, Ψ skalare Felder, A,
Funktion, λ eine Zahl.
~
~ = (B·grad)
~
~ ist z.B. in kartesischen Koordinaten geDer Ausdruck B·grad
A
A
~
~ = (B·
~ ∇)
~ A
~ = P ~ei ((B1 ∂/∂x1 + B2 ∂/∂x2 + B3 ∂/∂x3 )Ai ).
geben durch B·grad
A
i
Gradient
grad(Φ + Ψ) = gradΦ + gradΨ
grad(λΦ) = λgradΦ
grad(ΦΨ) = ΨgradΦ + ΦgradΨ
gradf (Φ) = f ′ (Φ)gradΦ
~ · B)
~ =B
~ · gradA
~+A
~ · gradB
~ +B
~ × rotA
~+A
~ × rotB
~
grad(A
Divergenz
~ + B)
~ = divA
~ + divB
~
div(A
~ = λdivA
~
div(λA)
~ = ΦdivA
~+A
~ · gradΦ
div(ΦA)
~ × B)
~ =B
~ · rotA
~−A
~ · rotB
~
div(A
Laplace
△(Φ + Ψ) = △Φ + △Ψ
△(λΦ) = λ△Φ
△(ΦΨ) = Φ△Ψ + 2gradΦ · gradΨ + Ψ△Φ
Rotation
~ + B)
~ = rotA
~ + rotB
~
rot(A
185
~ = λrotA
~
rot(λA)
~ = ΦrotA
~ + (gradΦ) × A
~
rot(ΦA)
~ × B)
~ =B
~ · gradA
~−A
~ · gradB
~ + Adiv
~ B
~ − Bdiv
~ A
~
rot(A
Verschiedenes
div gradΦ = △Φ
rot gradΦ = ~0
~=0
div rotA
n
o
~ · gradA
~ = 1 rot(A
~ × B)
~ + grad(A
~ · B)
~ + Bdiv
~ A
~ − Adiv
~ B
~ −B
~ ×A
~−A
~ × rotB
~
B
2
1
~ · gradA
~ = gradA
~2 − A
~ × rotA
~
A
2
~ = grad divA
~ − rot rotA
△A
186
B
Differentialoperationen in krummlinigen orthogonalen Koordinaten
B.1
Allgemein
∂~r
∂~r
∂~r
| , gv := | | , gw := | | ;
∂u
∂v
∂w
1 ∂~r
1 ∂~r
1 ∂~r
, ~ev :=
, ~ew :=
,
~eu :=
gu ∂u
gv ∂v
gw ∂w
~ v, w) = Au (u, v, w)~eu +
Es seien Φ = Φ(u, v, w) ein skalares Feld und A(u,
~r = ~r(u, v, w) ; gu := |
Av (u, v, w)~ev + Aw (u, v, w)~ew ein Vektorfeld.
Gradient:
gradΦ =
1 ∂Φ
1 ∂Φ
1 ∂Φ
~eu +
~ev +
~ew
gu ∂u
gv ∂v
gw ∂w
Divergenz:
~=
divA
·
¸
∂
∂
∂
1
(gv gw Au ) +
(gu gw Av ) +
(gu gv Aw )
gu gv gw ∂u
∂v
∂w
Laplace:
·
¸
1
∂ gv gw ∂Φ
∂ gw gu ∂Φ
∂ gu gv ∂Φ
△Φ =
(
)+
(
)+
(
)
gu gv gw ∂u gu ∂u
∂v gv ∂v
∂w gw ∂w
Rotation:
B.2
¯
¯
¯ gu~eu gv~ev gw~ew
1 ¯¯ ∂
∂
∂
~
rotA =
¯
∂v
∂w
gu gv gw ¯ ∂u
¯
¯ gu Au gv Av gw Aw
Zylinderkoordinaten
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
Es ist gρ = 1 , gφ = ρ , gz = 1.
gradρ Φ =
∂Φ
1 ∂Φ
∂Φ
, gradφ Φ =
, gradz Φ =
∂ρ
ρ ∂φ
∂z
187
~=
divA
1 ∂(ρAρ ) 1 ∂Aφ ∂Az
+
+
ρ ∂ρ
ρ ∂φ
∂z
~ = 1 ∂Az − ∂Aφ , rotφ A
~ = ∂Aρ − ∂Az , rotz A
~ = 1 ∂ρAφ − 1 ∂Aρ
rotρ A
ρ ∂φ
∂z
∂z
∂ρ
ρ ∂ρ
ρ ∂φ
△Φ =
B.3
1 ∂ 2Φ ∂ 2Φ
1 ∂ ∂Φ
(ρ ) + 2 2 + 2
ρ ∂ρ ∂ρ
ρ ∂φ
∂z
Kugelkoordinaten
Es ist gr = 1 , gθ = r , gφ = r sin θ.
gradr Φ =
1 ∂Φ
1 ∂Φ
∂Φ
, gradθ Φ =
, gradφ Φ =
∂r
r ∂θ
r sin θ ∂φ
1 ∂(r2 Ar )
1 ∂
1 ∂Aφ
+
(sin θAθ ) +
2
r
∂r
r sin θ ∂θ
r sin θ ∂φ
·
¸
∂Aθ
1
∂
~
(sin θAφ ) −
rotr A =
,
r sin θ ∂θ
∂φ
~ = 1 ∂Ar − 1 ∂(rAφ ) ,
rotθ A
r sin θ ∂φ
r ∂r
·
¸
1 ∂(rAφ ) ∂Ar
~
−
rotφ A =
r
∂r
∂θ
~=
divA
△Φ =
1 ∂ 2 ∂Φ
∂2Φ
1
∂Φ
1
∂
(r
)
+
(sin
θ
)
+
r2 ∂r
∂r
r2 sin θ ∂θ
∂θ
r2 sin2 θ ∂φ2
188
Einheitsvektoren
Kartesische Koordinaten
Ebene Polarkoordinaten
Zylinderkoordinaten
Kugelkoordinaten
~ex = (1, 0, 0)
~eϕ = (− sin ϕ, cos ϕ)
~eρ = (cos ϕ, sin ϕ, 0)
~er = (sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ)
~ey = (0, 1, 0)
~er = (cos ϕ, sin ϕ)
~eϕ = (− sin ϕ, cos ϕ, 0)
~eϑ = (cos ϑ cos ϕ, cos ϑ sin ϕ, − sin ϑ)
~ez = (0, 0, 1)
~eϕ = (− sin ϕ, cos ϕ, 0)
~ez = (0, 0, 1)
d~r
d~r = dr~er
d~r = dr~er + r dϕ~eϕ
d~r = dρ~eρ + ρ dϕ~eϕ + dz~ez
d~r = dr~er + r dϑ~eϑ + r sin ϑdϕ~eϕ
dA
dA = dx dy
dA = rdr dϕ
dA = ρ dρ dϕ
dA = r2 sin ϑdϑdϕ
dA = ρ dϕ dz
dV
Nabla-Operator
dV = dx dy dz
¶
µ
∂ ∂ ∂
,
,
∇=
∂x ∂y ∂z
Zeitliche Ableitung ~e˙ x = 0
der
~e˙ y = 0
Einheitsvektoren
~e˙ z = 0
dV = ρ dρ dϕ dz
¶
µ
∂ 1 ∂ ∂
,
,
∇=
∂ρ ρ ∂ϕ ∂z
dV = r2 sin ϑdr dϑdϕ
¶
µ
∂
1
∂ 1 ∂
,
,
∇=
∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ
~e˙ r = ϕ̇~eϕ
~e˙ ρ = ϕ̇~eϕ
~e˙ r = ϑ̇~eϑ + sin ϑϕ̇~eϕ
~e˙ ϕ = −ϕ̇~er
~e˙ ϕ = −ϕ̇~eρ
~e˙ ϑ = ϕ̇ cos ϑ~eϕ − ϑ̇~er
∇=
µ
∂ 1 ∂
,
∂r r ∂ϕ
¶
~e˙ z = 0
~e˙ ϕ = −ϕ̇ cos ϑ~eϑ − sin ϑϕ̇~er
~r(t)
~r(t) = x(t)~ex + y(t)~ey + z(t)~ez
~r(t) = r(t)~er
~r(t) = ρ(t)~eρ + z(t)~ez
~r(t) = r(t)~er
~v (t)
~v (t) = ẋ(t)~ex + ẏ(t)~ey + ż(t)~ez
~v (t) = ṙ~er + rϕ̇~eϕ
~v (t) = ρ̇~eρ + ρϕ̇~eϕ + ż~ez
~v (t) = ṙ~er + rϑ̇~eϑ + r sin ϑϕ̇~eϕ
~a(t)
~a(t) = ẍ(t)~ex + ÿ(t)~ey + z̈(t)~ez
~a(t) = ar ~er + aϕ~eϕ
~a(t) = aρ~eρ + aϕ~eϕ + az ~ez
~a(t) = ar ~er + aϑ~eϑ + aϕ~eϕ
ar = r̈ − rϕ̇2
aρ = ρ̈ − ρϕ̇2
ar = r̈ − rϑ̇2 − r sin2 ϑϕ̇2
aϕ = rϕ̈ + 2ṙϕ̇
aϕ = ρϕ̈ + 2ρ̇ϕ̇
aϑ = rϑ̈ + 2ṙϑ̇ − r sin ϑ cos ϑϕ̇2
az = z̈
aϕ = r sin ϑϕ̈ + 2 sin ϑṙϕ̇ + 2r cos ϑϑ̇ϕ̇
Herunterladen