Mathematik für¨Okonomen 1 ¨Okonomische Anwendungen der

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Mathematik für Ökonomen 1
Dr. Thomas Zehrt
Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum
Universität Basel
Herbstsemester 2008
Ökonomische Anwendungen der
Differentialrechnung
Inhalt:
1. Marginale Funktionen
2. Elastizität
3. Wachstumsraten
4. Das totale Differential
Teil 1
Die marginale Funktion
Sei y = f (x) eine ökonomische Funktion.
Der Grenzwert
f ′(x) =
f (x + ∆x) − f (x)
lim
∆x
∆x→0
kann als momentane Änderung von f angesehen werden.
Die 1. Ableitung f ′(x) wird (in ökonomischen Zusammenhängen) auch
marginale Funktion
Grenzneigung
Grenzkostenfunktion
genannt.
Einige makro-ökonomische Funktionen
Konsum als Funktion des
Volkseinkommens Y
C
= C(Y )
S
= S(Y )
= Y − C(Y ) bezeichnet das Sparen
dC(Y )
c(Y ) =
dY
marginale Konsumquote
(oder Grenzneigung zum
Konsum)
dS(Y )
s(Y ) =
dY
= 1 − c(Y )
marginale Sparquote
(oder Grenzneigung
zum Sparen)
Aufgabe:
Bestimmen Sie zu den folgenden Konsumfunktionen jeweils die Sparfunktion und die marginale Konsum- und Sparquote:
• C(Y ) = 12 + 3Y
• C(Y ) = C0 + C1Y
• C(Y ) = 1 + 2 1 − e−3Y
• C(Y ) = C0 + C1 1 − e−C2Y
Einige mikroökonomische Funktionen
Es sei K = K(x) eine Kostenfunktion (d.h.
K(x) sind die Kosten zur Erzeugung von
x Einheiten eines Gutes).
In diesem Zusammenhang nennen wir die
Ableitung K′(x) auch
Grenzkostenfunktion.
K’(x)
Kostenänderung
in 1. Näherung
P’
Tasächliche
Kostenänderung
Q
P
τ
R
τ
x
x+1
Interpretation:
K′(x) kann (in erster Näherung) als die
zusätzlichen Kosten interpretiert werden,
die benötigt werden, um den Output von
x auf x + 1 Einheiten zu erhöhen.
Aufgabe
Vergleichen Sie die Werte K ′(x) und K(x + 1) −
K(x) für die Kostenfunktion K(x) = x3 + 5000
an den gegebenen Stellen.
x
Steigerung K(x + 1) − K(x)
1
1→2
10 10 → 11
20 20 → 21
200 200 → 201
K ′(x)
Anwendungen
gegeben:
• K(x) Kostenfunktion
• Erlös(x) = p · x die Erlösfunktion
• p Stückpreis
Behauptung:
1. Minimale Durschnittskosten werden für
x̄ mit
K(x̄)
′
K (x̄) =
x̄
erreicht.
2. Maximaler Profit wird für x̄ mit
K′(x̄) = p
erreicht.
Illustration
Erlös = px
K(x) totale Kosten
K’(x) Grenzkosten
p
K(x)/x
x
Output mit minimalen Durschnittskosten
Output mit maximalem Profit
Beweis:
1. Minimale Durchschnittskosten
K(x)
Durchschnittskosten:
x
Notwendige Bedingung für die Existenz
eines Minimums in x̄ ist das Verschwinden der ersten Ableitung.
d
0 =
dx
K(x) K ′(x̄) · x̄ − K(x̄) · 1
=
2
x
x̄
x=x̄
K ′(x̄) K(x̄)
=
− 2 ;
x̄
x̄
oder
K(x̄)
′
.
K (x̄) =
x̄
Also sind die Durchschnittskosten minimal, wenn die Grenzkosten gleich den
Durchschnittskosten sind.
2. Maximaler Profit
Wir betrachten den Preis p einer Einheit des Gutes als konstant. Dann ist
der Profit P (x) für x Einheiten des Gutes gegeben durch
P (x) = Erlös − Totale Kosten
= p · x − K(x).
Die notwendige Bedingung für das Vorliegen eines Maximums in x̄ ist wieder
das Verschwinden der ersten Ableitung
in x̄.
d
0 =
= p − K ′(x̄).
P (x)
dx
x=x̄
oder
K ′(x̄) = p.
Der Profit ist maximal, wenn die Grenzkosten gleich dem Preis einer Einheit
des Gutes sind.
Teil 2
Die Elastizität
Grenzkosten, Grenzneigung zum Konsum
usw. hängen vom Massstab ab, in dem die
Grössen Kosten, Konsum usw. gemessen
werden.
Besonders in wirtschaftlichen Vergleichen
ist es aber wünschenswert, eine Grösse zu
definieren, die Änderungen der Funktionswerte massstabsunabhängig darstellt.
Wir betrachten den Quotienten
rel. Änderung der Funktionswerte
rel. Änderung der unabh. Variablen
f (x + ∆x) − f (x)
f (x)
=
∆x
x
f (x + ∆x) − f (x) x
=
·
∆x
f (x)
∆f (x) x
=
·
∆x f (x)
Falls f differenzierbar ist, so existiert
f ′(x) =
f (x + ∆x) − f (x)
lim
∆x
∆x→0
Sei f eine differenzierbare ökonomische
Funktion. Die
Elastizität der Funktion f
oder die Rate der relativen Änderung von
f bezogen auf die relative Änderung von
x ist
ǫf ,x := f ′(x) ·
x
.
f (x)
Aufgabe:
Berechnen Sie die Elastizitäten der folgenden
Funktionen.
f (x) = ax
f (x) = eλx
f (x) = a · xb
Es gilt der wichtige Zusammenhang:
∆f (x)
∆x
≈ ǫf ,x ·
f (x)
x
denn:
ǫf,x = f ′(x) ·
= lim
∆x→0
x
f (x)
∆f (x)
∆x
∆f (x) x
·
≈
∆x f (x)
oder
x
·
f (x)
· ∆x · 1
x
∆f (x)
∆x
≈ ǫf,x ·
f (x)
x
Aufgabe (Interpretation der Elastizität)
Wir betrachten die ,,Gleichung”
∆f (x)
∆x
≈ ǫf,x ·
.
f (x)
x
Benennen Sie alle in dieser Relation vorkommenden Terme und beschreiben Sie kurz deren
Bedeutung.
•x
• ∆x
• f (x)
• ∆f (x)
∆x
•
x
∆f (x)
•
f (x)
• ǫf,x
Ist nun
1. |ǫf ,x| > 1, so heisst f elastisch (relative
Änderungen von x wirken sich überproportional auf f aus);
2. |ǫf ,x| < 1, so heisst f unelastisch (relative Änderungen von x wirken sich
unterproportional auf f aus).
Beispiele:
1. Nachfragefunktion (Nachfrage nach einem Gut in Abhängigkeit vom Preis)
q = q(p) = 9 − 3p.
2. (Allgemeine) Nachfragefunktion (a, b >
0)
q = q(p) = a − bq
3. Die Variable I bezeichne das Einkommen und q sei die Nachfragefunktion in
Abhängigkeit von I
q = q(I) = ae
− Ib
− Ib b
′
⇒ q (I) = ae · 2
I
Elastizität:
ǫq,I = I ·
q ′(I)
q(I)
= I·
ae
− Ib
ae
· Ib2
− Ib
b
= .
I
Teil 3
Wachstumsraten
Es sei y = f (t) eine Funktion der Zeit.
Wir betrachten die durchschnittliche relative Änderung der Funktion im Laufe
der Zeit:
∆f
f
.
∆t
Die
Wachstumsrate
von f ist definiert durch
r(t) := lim
∆t→0
∆f (t)
f (t)
∆t
∆f (t)
lim
′(t)
f
∆t
=
.
= ∆t→0
f (t)
f (t)
Aufgabe:
Berechnen Sie die Wachstumsraten der folgenden Funktionen.
y(t) = 12 · e2t
y(t) = y0 · ert
4
y(t) =
1 + 2 · e−3t
c
y(t) =
1 + b · e−λt
Teil 4
Das totale Differential
Es sei f eine differenzierbare Funktion.
Dann gilt
∆f (x)
= f ′(x) + ǫ(x, ∆x)
∆x
∆f (x) = f ′(x) · ∆x + ǫ(x, ∆x) · ∆x
wobei der Rest ǫ(x, ∆x) die Eigenschaft
lim ǫ(x, ∆x) = 0
∆x→0
hat.
Man setzt meist dx = ∆x und schreibt
df (x) = df (x, dx) = f ′(x) · dx
für das Differential von f an der Stelle x
für den Zuwachs dx.
Beispiel:
Die Funktion f (x) = x2 ist differenzierbar
und es gilt
∆f (x)
(x + ∆x)2 − x2
=
∆x
∆x
2x∆x + (∆x)2
=
∆x
= 2x + ∆x
∆f (x) = 2x∆x + (∆x)2
2
+
(dx)
= |2xdx
{z } | {z }
df (x)
ǫ(x,dx)
ε(x,dx)dx
∆ f(x)
f’(x)dx
dx
x
∆x = dx
x+dx
= x+ ∆ x
Änderung von x
∆f = ∆f (x) tatsächliche Änderung von f
df = df (x)
Änderung der Tangente
Aufgabe:
gegeben: y = f (x) = 2x2 − 4x + 9
gesucht:
• df (x)
• x wächst von 2 auf 2.5. Wie gross sind df (x)
und ∆f (x)? Wie gross ist der Fehler, wenn
df (x) als Approximation von ∆f (x) verwendet wird?
Aufgabe:
gegeben: Kostenfunktion
2′500
K(x) = 50 + 20x +
x + 20
gesucht: Die zu produzierende Menge x wächst
von 30 auf 31. Vergleichen Sie dK(x) mit ∆K(x).
Neben der Möglichkeit, mit Hilfe des Differentials Funktionsänderungen zu approximieren, bietet das Differential auch viele theoretische Anwendungsmöglichkeiten.
Beispiel:
In einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staatstätigkeit (keine Staatsausgaben, keine Nettoexporte) gilt die Gleichung:
Y = C + I.
Dabei ist
Y = Y (I) das Volkseinkommen d.h. der Wert aller
in einem Land hergestellten Waren und
Dienstleistungen.
C = C(Y ) der Konsum, d.h. die Ausgaben der
Haushalte für Waren und Dienstleistungen
mit Ausnahme des Erwerbs von Grundstücken und Gebäuden.
I
die Investitionen, d.h. die Ausgaben für
Kapitalausstattung, Lagerbestände und
Bauten.
Wie wirkt sich eine zusätzliche Investition auf das
Volkseinkommen aus?
Es gilt
dY (I) = Y ′(I)dI
d
Y (I) =
( C(Y (I)) + I )
dI
′
dC dY
+1
=
dY dI
dC ′
Y (I) + 1
=
dY
also
1
1
Y (I) =
=
,
dC
dS
1−
dY
dY
′
wobei S = Y − C = I die Spartätigkeit bezeichnet.
Mit den in der Literatur häufig verwendeten Bezeichnungen
dC
c(Y ) =
dY
und
dS
s(Y ) =
dY
erhält man somit
dY (I) =
1
1
dI =
dI.
1 − c(Y )
s(Y )
Der Ausdruck
1
1
µ =
=
1 − c(Y )
s(Y )
wird dabei als Multiplikator bezeichnet.
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