Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 205 1etv44-1 4.4 4.4.1 Magnetisches Feld Wesen und Darstellung des magnetischen Feldes Der Lernende kann - Kraftwirkungen im Magnetfeld nennen und beschreiben - Die Einstellung einer Kompassnadel im Erdmagnetfeld erläutern - die Darstellung von Feldbildern mit Eisenfeilspänen beschreiben und begründen - die grundsätzliche Ursache und Wirkung des Magnetfeldes benennen - magnetische Feldbilder einfacher Leiteranordnungen - den Begriff Rechtswirbel erklären und Hilfsmittel zur Darstellung des Rechtswirbels angeben - den Rechtswirbel auf den Zusammenhang Stromrichtung Magnetfeldrichtung anwenden In Abschnitt 4.1.4 hatten wir das Magnetfeld als das Feld ruhender Magnete klassifiziert. Magnete können dabei entweder Dauermagnete sein oder durch Gleichströme erregte Magnete sein. Nach dieser Definition sind zeitliche Änderungen der magnetischen G G dB dH = 0; = 0 ). Für die Beschreibung des Magnetfeldes Feldgrößen gleich Null ( dt dt reduzieren sich damit die Maxwellschen Gleichungen auf: G G G G Hds = J v∫ G G ∫ ⋅ dA =0 vG∫ B ⋅ dA G B = µH (4.4.01) (4.4.02) (4.4.03) Das magnetische Feld ist eine naturgegebene Erscheinung in der Umgebung von Magneten und stromdurchflossenen Leitern, die sich in Kraftwirkungen auf andere Magnete, auf ferromagnetische Stoffe z.B. Eisen, Nickel, Kobalt , auf bewegte Ladungen und stromdurchflossene Leiter äußert. a) Magnete Ein Magnet ist ein Körper, der Kräfte auf ferromagnetische Stoffe ausübt. In der Natur kommen Magnete als Magneteisenerz vor. Die in der Umgebung des Magneten auftretenden Kraftwirkungen werden durch das magnetische Feld des Magneten verursacht. Die Wirkungen des Magneten werden mit zunehmender Entfernung schwächer, sie sind nicht an einen bestimmten Stoff gebunden und auch im Vakuum feststellbar. Ein ferromagnetischer Stoff wird im Magnetfeld magnetisiert und selbst zu einem Magneten. Alle anderen Stoffe weisen nur unwesentliche Wirkungen im Magnetfeld auf. Magnete können in unterschiedlicher Form ausgebildet sein. In Abb.4.4.01 sind einige Beispiele gezeigt. Die Kraftwirkung eines Magneten ist an zwei Stellen des Magneten am größten, sie werden als Pole bezeichnet. Die beiden Pole eines Magneten haben unterschiedliches Verhalten. Sie werden als Nordpol (N) und Südpol (S) bezeichnet. Gleichartige Magnetpole stoßen sich ab, ungleichartige Magnetpole ziehen sich an. Ein spezieller Magnet ist die Magnetnadel, ein kleiner nadelförmiger Stabmagnet, der drehbar gelagert ist. In einem Magnetfeld stellt sich die Magnetnadel an jedem Raumpunkt in die Richtung des Magnetfeldes. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 206 1etv44-1 S Magnetnadel S Stabmagnet N Pole N N Pole Pole S Knopfmagnet Abb. 4.4.01 Ausführungsformen von Magneten und Kennzeichnung der Pole geografischer Nordpol N S S N S Rotationsachse N S N Abb. 4.4.02 Magnetnadel im Erdmagnetfeld Die Polbezeichnung stammt aus der Verwendung der Magnetnadel als Kompass. Die Erde selbst ist ein Magnet. Im Erdmagnetfeld stellt sich Magnetnadel in Nord-Süd-Richtung ein. Dabei wird die nach dem Erdnordpol zeigende Magnetnadelspitze als Nordpol definiert. In Abb.4.4.02 sind die Verhältnisse gezeigt. Da sich ungleichnamige Magnetpole anziehen, zeigt der Nordpol der Magnetnadel nach dem magnetischen Südpol des Erdmagnetfeldes, der sich damit in der Nähe des geografischen Erdnordpols befindet. Zur Darstellung des Feldes werden ebene Feldbilder verwendet, die nach denselben Kriterien gezeichnet werden wie Strömungsfelder und Ladungsfelder. Die Feldlinien des Magnetfeldes sind wie die Feldlinien im Strömungsfeld in sich geschlossene Linien. Das magnetische Feld ist damit quellenfrei. Zerschneidet man einen Stabmagneten in der Mitte entstehen zwei Stabmagneten mit Nord- und Südpol. Da sich das magnetische Feld in Kraftwirkungen äußert, muss es Richtungscharakter haben. Es wird im Raum durch vektorielle Feldgrößen beschrieben. Für die Richtung der Feldlinien ist festgelegt: Magnetische Feldlinien treten am Nordpol eines Magneten aus und am Südpol in den Magneten ein. Der Feldverlauf eines Magneten kann mit einer Magnetnadel untersucht werden. Das Gesamtbild des Feldes lässt sich mit Eisenfeilspänen zeigen. Die Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 207 1etv44-1 Eisenfeilspäne werden im Magnetfeld magnetisiert und richten sich im Magnetfeld wie Magnetnadeln aus. In Abb.4.4.03a ist das Feld eines Stabmagneten durch Eisenfeilspäne dargestellt. Experimente mit Eisenfeilspänen zeigen neben dem Richtungscharakter des Magnetfeldes auch dessen unterschiedliche Intensität. x N S b) gerader stromdurchflossener Leiter a) Stabmagnet S N c) stromdurchflossene Leiterschleife S N d) stromdurchflossene Spule Abb. 4.4.03 Felddarstellungen mit Eisenfeilspänen b) Magnetfeld stromdurchflossener Leiter Magnetische Erscheinungen treten nicht nur in Magneten auf, sondern auch in der Umgebung stromdurchflossener Leiter. In Abb.4.4.03 sind die Felddarstellungen durch Eisenfeilspäne für drei einfache Leiteranordnungen gezeigt. Für einen langen, geraden stromdurchflossenen Leiter mit Kreisquerschnitt (Abb.4.303b) stellen die Feldlinien konzentrische Kreise dar. Der stromdurchflossene Leiter wird von einem Magnetfeld umwirbelt. Ein solches Feld wird als Wirbelfeld bezeichnet. Das Magnetfeld lässt sich in einer Ebene senkrecht zur Leiterachse als parallelebenes Feld darstellen. In Abb.4.3.04 wird mit einer Magnetnadel die Feldrichtung bestimmt. Das Ergebnis zeigt, dass zwischen der Stromrichtung und der Feldrichtung ein Rechtswirbel besteht, der durch Daumen und Finger der rechten Hand nachgebildet werden kann (Abb.4.3.05). Die magnetischen Feldlinien umschließen den Strom im Richtungssinn einer Rechtsschraube. Die Anwendung dieses Richtungszusammenhangs ist in den Bildern c) und d) in Abb.4.4.03 auch für die stromdurchflossene Leiterschleife und die stromdurchflossene Spule gezeigt. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 208 1etv44-1 I S N I S Richtung des Magnetfeldes N Abb. 4.4.04 Strom- und Magnetfeldrichtung Abb. 4.4.05 Rechtswirbel Zusammenfassend können wir feststellen: Das magnetisches Feld ist ein eigenständiger Raumzustand, der von bewegten Ladungen verursacht wird und sich in Kraftwirkungen auf bewegte Ladungen und ferromagnetische Stoffe äußert. Nach dem heutigen Erkenntnisstand werden Elektronenbewegungen oder allgemeiner die Bewegung elektrischer Ladungen als primäre Ursache magnetischer Erscheinungen betrachtet. Im Dauermagneten handelt es sich dabei um die Bewegung der Ladungsträger im atomaren Verband. Eine Ursache ist die Bewegung der Elektronen um den positiven Kern, eine andere Ursache die Rotationsbewegung der Elektronen um eine Achse (Elektronenspin). Diese komplizierten elektrophysikalischen Mechanismen wollen wir im Rahmen dieser Betrachtung nicht näher beschreiben. Fließen in einem Stromkreis Gleichströme, so ist die Ursache des dabei entstehenden Magnetfeldes die durch elektrische Felder angetriebene Bewegung der freien Ladungsträger. In metallischen Leitern ist es die Driftbewegung der Elektronen. Neben den Kraftwirkungen auf stromdurchflossene Leiter, bewegte Ladungen und ferromagnetische Stoffe bewirkt das magnetische Feld aber auch Kräfte im Inneren elektrischer Leiter. Diese Kräfte sind allerdings an eine zeitliche Änderung des magnetischen Feldes gebunden. Das Auftreten diese Kräfte wird als elektromagnetische Induktion bezeichnet. Die Behandlung der elektromagnetischen Induktionsvorgänge erfolgt gesondert in Kapitel 4.5. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 209 1etv44-1 4.4.2 Physikalische Größen zur Beschreibung des Magnetfeldes Der Lernende kann - die physikalischen Größen zur Magnetfeldbeschreibung nennen und definieren - die Richtung des Flussdichtevektors angeben - die Gleichung zur Berechnung des magnetischen Flusses im homogenen und inhomogenen Magnetfeld angeben und den Flusszählpfeil bestimmen - das Umlaufintegral der Flussdichte bei Umfassung eines Stromes angeben und den Begriff Durchflutung erläutern - die Durchflutung einer Spule mit der Windungszahl N bestimmen - die magnetische Feldstärke definieren - die Permeabilität, die relative Permeabilität und die magnetische Feldkonstante definieren a) Magnetische Flussdichte, Induktion Das magnetisches Feld hat in einem Raumpunkt eineGbestimmte Richtung und einen bestimmten Betrag, die beide durch den Feldvektor B beschrieben werden. Dieser Feldvektor wird als Induktion oder magnetische Flussdichte bezeichnet. Seine Maßeinheit ist: [B] = T = Vs/m2 (Tesla) Die Richtung des Induktionsvektors kann durch eine frei bewegliche Magnetnadel bestimmt werden. Sie ist gleich der Längsrichtung der sich im Magnetfeld ausgerichteten Magnetnadel von deren Südpol zum Nordpol. In Abb.4.4.06 ist die ausgerichtete Magnetnadel im Magnetfeld gezeigt. Der Betrag des Induktionsvektors wird aus der G Kraft abgeleitet, die eine mit der Geschwindigkeit v durch das Magnetfeld bewegte Ladung +Q erfährt. Der Betrag dieser Kraft ist mit den Größen aus Abb.4.4.06: F = Q ⋅ v ⋅ B ⋅ sin α (4.4.04) Die Kraftwirkungen im Magnetfeld werden wir in Abschnitt 4.4.8. behandeln. Der Betrag des Flussdichtevektors kann mit einer Hall-Sonde (Beispiel 4.4. ) gemessen werden. S N N S G v +Q G F α G B Abb. 4.4.06 Zu Richtung und Betrag des Flussdichtevektors Tesla, Nikola, amerikanischer Physiker (1856-1943) Hall, Edwin Herbert, (1885-1938) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 210 1etv44-1 b) Magnetischer Fluss Die Wirkung Gdes magnetischen Feldes ist außer von Betrag und Richtung des Feldes (Feldvektor B ) auch noch von der Größe und der Lage der Fläche abhängig, die an der Wirkung beteiligt ist. Zur Beschreibung der Verhältnisse werden wie im elektrischen Strömungsfeld G Feldröhren eingeführt. Feldröhren sind parallel zu den Feldlinien des Feldvektors B verlaufende Röhren (Schläuche) mit einem bestimmten Querschnitt A ⊥ (Abb.4.4.07). Φ N A⊥ G B Flussröhre Abb. 4.4.07 Zur Definition des magnetischen Flusses G A Φ S α N G B Flussröhre S Abb. 4.4.08 Schräge Fläche im Magnetfeld Die diese Fläche durchsetzende magnetische Größe wird als magnetischer Fluss Φ bezeichnet. Φ = B A (4.4.05) Wird der senkrecht zu den Feldlinien stehende Querschnitt genügend klein gewählt (differenziell kleine Fläche dA ⊥ ), so kann das Feld über diesen Querschnitt als konstant angesehen werden. Der magnetische Fluss dΦ durch diese Fläche ist dΦ = B dA (4.4.06) Wird eine Fläche nicht senkrecht vom Magnetfeld durchsetzt, kann das Problem wie im Strömungsfeld gelöst werden. Der Fluss ist dann nur mit der Komponente des Induktionsvektors zu berechnen, der die Fläche senkrecht durchsetzt. Mathematisch wird durch Einführung eines Flächenvektors, der senkrecht auf der Fläche steht, mit dem skalaren Produkt aus Induktionsvektor und Flächenvektor der Fluss berechnet. Die Verhältnisse sind in Abb.4.4.08 dargestellt. G G Φ = B ⋅ A = B ⋅ A ⋅ cos α (4.4.07) Soll der Fluss eines magnetischen Feldes durch eine beliebige nichtebene Fläche berechnet werden, muss die Fläche in differentielle Teilflächen unterteilt werden. Die Summe der durch diese Teilflächen tretenden Teilflüsse dΦ bildet den Gesamtfluss Φ. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 211 1etv44-1 G G Φ = ∫ B ⋅ dA = ∫ B ⋅ dA ⋅ cos α (4.4.08) A Der Fluss ist eine skalare Größe. Er hat damit Betrag und Vorzeichen. Das Vorzeichen wird durch einen Zählpfeil festgelegt. Der positive Flusszählpfeil ist immer identisch mit der Richtung des Flächenvektors. G A1 N G A2 Φ2 α1 Φ1 G B α2 S Abb. 4.4.09 Festlegung des Flusszählpfeils Wird der Zählpfeil des Flusses in Abb.4.4.09 durch Φ1 festgelegt, dann wird der Fluss für homogene Feldverhältnisse nach Gl.(4.4.07) berechnet: Φ 1 = A 1 ⋅ B ⋅ cos α 1 . Wird er dagegen durch den Zählpfeil Φ 2 bestimmt, dann errechnet sich der Fluss nach Gl.(4.4.07) zu Φ 2 = A 2 ⋅ B ⋅ cos α 2 . Da A1 = A 2 ; α 2 = π − α1 und cos α1 = − cos α 2 ⇒ c) Φ 2 = −Φ1 Durchflutung Zur Quantifizierung der Beziehungen zwischen dem elektrischem Strom und dem Magnetfeldwirbel werden Umläufe im Magnetfeld durchgeführt. Umläufe sind in sich geschlossene Wege im Feldraum. Bei den Umläufen wollen wir zwei Fälle unterscheiden: 1. Der Umlauf im Magnetfeld umfasst keinen Strom: 2. Der Umlauf im Magnetfeld umfasst Ströme: Mathematisch Gwird der Umlauf durch die Bildung des Umlaufintegrals der magnetischen G gebildet: Flussdichte v∫ B ⋅ ds Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 212 1etv44-1 1. Umlauf im Magnetfeld umfasst keinen Strom: G ds 1 A B G ds 4 G ds 2 G ds 3 D G B C Abb. 4.4.10 Umlauf im Magnetfeld umfasst keinen Strom Um einfach rechnen zu können, wird der Umlauf im homogenen Feld durchgeführt. G G BG G CG G DG G AG G (4.4.09) B v∫ ⋅ ds = ∫ B ⋅ ds1 + ∫ B ⋅ ds2 + ∫ B ⋅ ds3 + ∫ B ⋅ ds4 = 0 A B C D G G G G G G G G )B; ds4 = 0 )B;ds1 = 0 )B;ds2 = 90o )B;ds3 = 180 G G G G B ⋅ ds = B ⋅ a + 0 + − B ⋅ a + 0 = 0 B ( ) v∫ ∫ ⋅ ds = 0 Umfasst ein Umlauf im Magnetfeld keinen Strom, ergibt sich der Wert Null. Die Beziehung gilt auch allgemein im inhomogenen Feld bei beliebigen Umläufen. 2. Umlauf im Magnetfeld umfasst Ströme: C c A b a B D d Abb. 4.4.11 Umlauf im Magnetfeld umfasst einen Strom Ein stromdurchflossener Leiter hat ein magnetisches Feld, dessen Feldlinien konzentrische Kreise sind. Wird der Umlauf entlang einer Feldlinie durchgeführt, G G ist G G )B;ds = 0 , beide Vektoren verlaufen tangential zur Feldlinie. Damit gilt: ∫ B ⋅ ds = K ≠ 0 (4.4.10) Das Umlaufintegral ergibt einen von Null verschiedenen Wert K. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 213 1etv44-1 Dass jeder andere den Strom umfassende Weg den gleichen Wert K ergibt, soll durch folgende Betrachtung bewiesen werden. In Abb.4.4.11 sollen zwei Umläufe ohne Stromumfassung durchgeführt werden. Beide Umläufe ergeben nach Gl.4.4.09 den Wert Null. Umlauf über Weg a;c: A G G CG G DG G BG G ∫ B ⋅ ds + ∫ B ⋅ ds + ∫ B ⋅ d s + ∫ B ⋅ ds = 0 B A C D Umlauf über Weg b;d: A G G CG G DG G BG G ∫ B ⋅ d s + ∫ B ⋅ d s + ∫ B ⋅ ds + ∫ B ⋅ ds = 0 B A C D B G G G G G G Da die Integrale ∫ B ⋅ ds = 0 und ∫ B ⋅ ds = 0 , weil )B;ds = 90o , folgt C G G G G A G G D G G ∫ B ⋅ ds + ∫ B ⋅ ds = 0 und ∫ B ⋅ ds + ∫ B ⋅ ds = 0 . Daraus ergibt sich b d G G G G B ⋅ d s = B ∫ ∫ ⋅ ds a,b a c (4.4.11) c ,d Das Umlaufintegral entlang der Feldlinie ist gleich dem Umlaufintegral eines beliebigen den Strom umfassenden Weges. Dabei ist es gleichgültig, an welcher Stelle der vom Umlauf umrandeten Fläche der Strom angeordnet ist. Durchstoßen mehrere Ströme die Fläche, dann wird als wirksamer feldaufbauender Strom die vorzeichenbehaftete Stromsumme verwendet. Experimentell ist nachweisbar, dass das Umlaufintegral proportional der vorzeichenbehafteten Summe der umfassten Ströme ist G G B (4.4.12) v∫ ⋅ ds = k ⋅ ∑ Iν = k ⋅ Θ ∑I ν ist die vorzeichenbehaftete Summe der Ströme, die die vom Umlauf umrandete Fläche durchstoßen. Diese Stromsumme ist als Antrieb Magnetflusses zu verstehen und wird Durchflutung Θ genannt. Θ = ∑ Iν des (4.4.13) Die Durchflutung ist eine skalare Größe, deren Vorzeichen nach Gl.(4.4.13) durch das Vorzeichen der Stromsumme bestimmt wird. Es ist festgelegt, dass eine positive Durchflutung die positive Stromsumme als Rechtswirbel umwirbelt. Der Zusammenhang ist durch die rechte Hand in Abb.4.4.12 dargestellt. Die Maßeinheit der Durchflutung ist : [Θ] = [I] = 1 A (4.4.14) Zum Aufbau von Magnetfeldern werden im allgemeinen Spulen mit einer Windungszahl N verwendet. Wird der Umlauf entlang einer Feldlinie des Magnetfeldes der Spule gelegt, so ergibt sich die zum Feldaufbau wirksame Durchflutung: Θ = Σ Iν = I ⋅ N (4.4.15) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 214 1etv44-1 ΣIν Θ Θ Θ I I I⋅ N Abb. 4.4.12 Rechtswirbel zwischen Strom und Durchflutung Abb. 4.4.13 Durchflutung einer Spule In Abb.4.4.13 ist die durch den Umlauf entlang einer Feldlinie umrandete Fläche schraffiert. Diese Fläche wird N-mal vom Strom durchstoßen, so dass sich als Durchflutung Gl.(4.4.15) ergibt. Das positive Vorzeichen wird wieder durch den Rechtswirbel nach der rechten Hand bestimmt, wobei dieses Mal die Finger in Richtung des Stromflusses durch die Windungen zeigen und der Daumen in Richtung der Durchflutung. d) Magnetische Feldstärke In Gl.(4.4.12) hatten wir festgestellt, dass das Umlaufintegral der Flussdichte proportional der umfassten Stromsumme war. Experimentell ist nachweisbar, dass die stoffliche Beschaffenheit des Feldraumes den Wert k bestimmt. Im Vakuum wird die Konstante k in Gl.(4.4.12) zur magnetischen Feldkonstante µo G G B ∫ ⋅ ds = µ o ⋅ Θ µo = 0.4 ⋅ π ⋅ 10-6 Vs/Am = 1.256 ⋅ 10-6 Vs/Am (4.4.16) (4.4.17) Die magnetische Feldkonstante ist eine Naturkonstante analog zur elektrischen Feldkonstante ε0 . Zwischen der magnetischen Feldkonstante, der elektrischen Feldkonstante und der Lichtgeschwindigkeit c besteht folgender Zusammenhang: c= 1 µ0 ⋅ ε0 (4.4.18) Hinsichtlich des Materialeinflusses auf das Magnetfeld können die Stoffe in zwei Gruppen eingeteilt werden: 1. Es existiert kein merklicher Einfluss auf das Magnetfeld. Hierzu zählen fast alle Stoffe. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 215 1etv44-1 2. Bei gleicher Durchflutung erfolgt eine erhebliche Verstärkung des Magnetfeldes. Diese Stoffe werden als ferromagnetische Stoffe bezeichnet. Zu den ferromagnetischen Stoffen gehören Eisen, Nickel, Kobalt, KupferManganLegierungen u.a. Der Materialeinfluss wird in Gl.(4.4.12) durch die Permeabilität oder magnetische Durchlässigkeit µ erfasst. G G (4.4.19) ∫ B ⋅ ds = µ ⋅ Θ Die Maßeinheit der Permabilität ist: Vs [µ] = Am (4.4.20) Wird bei einer bestimmten Durchflutung die Induktion im Vakuum mit Bo und die Induktion bei stofflicher Ausfüllung des Feldraumes mit B eingeführt, so wird der Quotient aus B und B0 als relative Permeabilität µr eingeführt. B µr = Bo Die relative Permeabilität erfasst die Vergrößerung oder Verkleinerung der Induktion im stofferfüllten Feldraum gegenüber dem Vakuum. Aus Gl.(4.4.19) gewinnen wir durch Division durch die Permeabiltät G B G (4.4.21) ∫ µ ⋅ ds = Θ Da die Durchflutung nach Gl.(4.4.13) eine materialunabhänge Größe ist, muss in B Gl.(4.4.21) der Quotient materialunabhängig sein und wird als magnetische µ G Feldstärke H eingeführt. G G B (4.4.22) H= µ Die Feldstärke ist ein Vektor, der richtungsgleich mit dem Induktionsvektor ist und den Betrag: B µ hat. Die Maßeinheit der Feldstärke ist: H= [H] = (4.4.23) [B] = A [µ ] m Gl.(4.4.22) hatten wir bereits als Materialgleichung in den Maxwellschen Gleichungen kennen gelernt G G B = µ ⋅H (4.4.24) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 216 1etv44-1 4.4.3 Durchflutungsgesetz Der Lernende kann - das Durchflutungsgesetz formelmäßig angeben - den Umlauf entlang einer Feldlinie erklären - die Stromsumme bilden und die Vorzeichenzuordnung zwischen Stromsumme und Durchflutung angeben - die Bedingungen für die Berechnung der Feldstärke mit dem Durchflutungsgesetz formulieren - den Berechnungsweg für die Feldstärke eines geraden Leiters, einer Ringkernspule und einer Zylinderspule angeben a) Definition des Durchflutungsgesetzes Führen wir in Gl.(4.4.21) die Feldstärke nach Gl.(4.4.22) so erhalten wir G G (4.4.25) v∫ H ⋅ ds = Θ = ∑ Iν Gl.(4.4.25) wird als Durchflutungsgesetz bezeichnet. Das Umlaufintegral der magnetischen Feldstärke ist gleich der. Das Durchflutungsgesetz ist das 2. Maxwellsches Gesetz: G G G G H ⋅ ds = J v∫ ∫ ⋅ dA (4.4.26) Die Summe der vorzeichenbehafteten Stromstärken der vom Integrationsweg umfassten Ströme in Gl.(4.4.25) wird in der 2. Maxwellschen Gleichung durch das Flächenintegral der Stromdichte über die vom Umlauf umrandete Fläche bestimmt. Bei der Bildung der Stromsumme werden wir nur Konvektionsströme in Leitern berücksichtigen. Werden auch Verschiebungsströme einbezogen, führt das nach Gl.(4.1.24 bis 4.1.26) zur Ausbildung von Wellenfeldern. Bei der praktischen Bestimmung der Stromsumme sollten Sie immer die Fläche, die vom Integrationsweg umrandet wird markieren. Es brauchen dann nur alle Ströme, die diese Fläche durchstoßen, vorzeichenbehaftet zur Durchflutung summiert werden. Für das Vorzeichen der Durchflutung gilt die bereits definierte Wirbelverkettung nach dem Rechtswirbel. Die Feldstärke umwirbelt den positiven Strom im Sinne einer Rechtsschraube. Die positive Durchflutung wirkt in Richtung des Feldstärkevektors. Die Zuordnungen sind in Abb.4.4.14 dargestellt. I G Θ,H Abb. 4.4.14 Richtungszuordnung zwischen Strom, Durchflutung und Feldstärke Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 217 1etv44-1 b) Anwendung des Durchflutungsgesetzes Durchflutungsgesetz gibt die Beziehung zwischen den Strömen und dem Umlaufintegral an. Die Feldstärke kann mit dem Durchflutungsgesetz nur dann berechnet werden, wenn sie über den gesamten Integrationsweg oder zumindest über Teile des Integrationsweges konstant ist und wenn der Winkel zwischen Feldstärkevektor und Wegvektorkonstant ist. In der Anwendung des Durchflutungsgesetzes zur Berechnung der magnetischen Feldstärke wird der Integrationsweg des Umlaufintegrals entlang einer Feldlinie gelegt. Damit besteht GRichtungsgleichheit zwischen dem Feldstärkevektor und dem Wegvektor. G Der Winkel )H,ds = α = 0 und cos α = 1 . Aus Gl.4.4.25 wird damit G G H v∫ ⋅ ds = v∫ H ⋅ ds ⋅ cos α =v∫ H ⋅ ds = ∑ Iν (4.4.27) Ist nun der Feldstärkebetrag längs des Integrationsweges konstant, ergibt sich H ⋅ v∫ ds = ∑ I ν (4.4.28) Damit kann die Feldstärke aus der Stromsumme berechnet werden: H= ∑Iν v∫ ds (4.4.29) Für die Berechnung ergibt sich dann der in Abb.4.4.15 dargestellte Algorithmus ∑I ν H= ∑Iν v∫ ds H Φ B B = µ ⋅H Φ = ∫ B ⋅ dA ⊥ Abb. 4.4.15 Berechnungsalgorithmus im Magnetfeld Beispiel 4.4.01 Es soll die Feldstärke im Inneren und außerhalb eines unendlich langen, geraden, gleichstromstromdurchflossenen Leiters mit Kreisquerschnitt (Radius R) und über dem Querschnitt gleichmäßig verteilter Stromdichte J = I/A berechnet werden. Magnetfeld außerhalb des Leiters: r ≥ R Die Feldlinien bilden sowohl im Leiter als auch außerhalb des Leiters konzentrische Kreise. Wird der Umlauf entlang dieser Feldlinie gelegt, ist die Feldstärke konstant und nur vom Abstand zur Leiterachse abhängig. Es wird deshalb zur Beschreibung der Feldstärke eine Radialkoordinate r mit r = 0 in der Leiterachse eingeführt. Abb.4.4.16 stellt die Verhältnisse am geraden Leiter dar. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 218 1etv44-1 I 2R G H G ds r Abb. 4.4.16 Magnetfeld des geraden Leiters Die umfasste Stromsumme ist außerhalb des Leiters einheitlich und unabhängig von der Entfernung zum Leiter: Σ Iν = I (4.4.30) Da der Integrationsweg eine Feldlinie und die Feldstärke entlang dieser Feldlinie außerdem auch konstant ist gilt Gl.(4.4.29): H= I ∫ ds (4.4.31) Das Umlaufintegral entlang der kreisförmigen Feldlinie ergibt den Kreisumfang: ∫ ds = 2 ⋅ π ⋅ r (4.4.32) Damit ist die Feldstärke außerhalb des Leiters H (r ) = I 2⋅ π⋅r (4.4.33) I 2π ⋅ R Von diesem Wert nimmt die Feldstärke radial hypervbolisch mit r ab. Der größte Wert ergibt sich für r = R mit Gl.(4.4.33) zu: H(R) = Magnetfeld innerhalb des Leiters: r ≤ R Der Umlauf entlang einer Feldlinien im Inneren des Leiters umfasst nur einen Teilstrom ∆I , der wegen der konstanten Stromdichte der markierten Kreisfläche in Abb.4.4.17 proportional ist. ∆I = J ⋅ A r = J ⋅ π ⋅ r 2 (4.4.34) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 219 1etv44-1 R I G H Ar G ds r Abb. 4.4.17 Magnetfeld innerhalb des geraden Leiters Mit Gl.(4.4.29) und Gl.(4.4.32) errechnet sich damit die Feldstärke im Leiterinneren: ∆I 2π ⋅ r Unter Verwendung von Gl.(4.4.34) H (r ) = H (r ) = J ⋅ π ⋅ r2 J ⋅ r = 2π ⋅ r 2 Mit der konstanten Stromdichte I I J= = A π ⋅ R2 (4.4.35) (4.4.36) (4.4.37) erhält man: H (r ) = I ⋅r 2π ⋅ R 2 (4.4.38) In Leitermitte bei r = 0 ist die Feldstärke H = 0. Die Feldstärke nimmt radial nach außen linear zu und erreicht an der Leiteroberfläche den größten Wert für r = R mit Gl.(4.4.38): H(R) = I⋅R I = R ⋅ 2 ⋅ π 2π ⋅ R 2 In Abb.4.4.17 ist der Verlauf der Feldstärke über der Radialkoordinate r dargestellt. Der Verlauf gilt bei der Radialkoordinate in jeder Richtung von der Leitermitte aus. Werte r < 0 sind nicht definiert. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 220 1etv44-1 H R r ≤R: H (r ) = I ⋅r 2π ⋅ R 2 r=R H(R) = I 2π ⋅ R r ≥R H= I 2π ⋅ r r Abb. 4.4.18 Verlauf des Betrags der Feldstärke eines geraden Leiters mit Kreisquerschnitt Beispiel 4.4.02 Zu berechnen sind Feldstärke, Flussdichte und Fluss einer Ringkernspule (Torroidspule). Eine Ringkernspule ist eine Spule konstanter Spulenfläche A, die zu einem Kreisring mit dem Innenradius ri und dem Außenradius ra gebogen ist (Abb.4.4.19). In der Ringkernspule bilden sich die Feldlinien als konzentrische Kreise aus. Die Feldstärke ist entlang einer Feldlinie mit dem Radius r konstant. Die Spule hat die gleichmäßig am Umfang verteilte Windungszahl N. µ G H G ds Φ I : : : : : : : : : ⊗ ⊗ ⊗ ⊗N ⊗ ⊗ ⊗ ⊗ ⊗ ⊗ ri ra r A a Abb. 4.4.19 Ringkernspule Wird das Umlaufintegral entlang einer Feldlinie gebildet, kann die Feldstärke nach Gl.4.4.29 berechnet werden. Für den Drahtdurchmesser d des Spulendrahtes soll gelten: d ri . Für einen Umlauf auf einem konzentrischen Kreis mit r < ri ist die Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 221 1etv44-1 umfasste Stromsumme Null. Gleiches gilt für einen Umlauf mit r > ra . Für einen Umlauf mit ri ≤ r ≤ ra durchstoßen alle innen liegenden Ströme die vom Umlauf umrandete Fläche. Σ Iν = I ⋅ N I⋅N H= v∫ ds Mit (4.4.39) (4.4.40) v∫ ds = 2π ⋅ r H= wird die Feldstärke nach Gl.(4.4.40) I⋅N 2π ⋅ r (4.4.41) Für eine Luftspule ergibt sich die Flussdichte mit B = µo H (4.4.42) und Gl. 4.4.41 B= µo ⋅I ⋅ N 2π ⋅ r (4.4.43) Der Spulenfluss kann nach Gleichung 4.4.45 berechnet, wobei innerhalb der Spulenfläche das Feld als homogen mit einer mittleren Flussdichte B ( r ) mit ra + ri 2 angesetzt wird. r = (4.4.44) Φ = ∫ B ⋅ dA = B ⋅ A = A µoI ⋅ N ⋅ A 2π ⋅ r (4.4.45) Beispiel 4.4.03 Es soll das Feld einer Zylinderspule (Abb.4.2.20) berechnet werden, für deren Verhältnis Durchmesser D zu Spulenlänge s gilt: D / s 1 Nach Abb.4.2.20 ist der Abstand zweier benachbarter Feldlinien nur näherungsweise im Innern der Zylinderspule konstant, wobei das umso besser gewährleistet ist, je kleiner das Verhältnis D/s ist. Für den Außenraum nimmt der Abstand der Feldlinien sehr rasch zu. Im Außenraum ist die Feldstärke entlang einer Feldlinie nicht mehr konstant. Der Umlauf entlang einer Feldlinie, die durch alle Windungen der Spule geht, ergibt die Stromsumme Σ Iν = I ⋅ N (4.4.46) Das Umlaufintegral wird in zwei Linienintegrale zerlegt, ein Linienintegral erfasst den Innenraum der Spule, das zweite den Außenraum. v∫ H ⋅ ds = ∫ H ⋅ ds + ∫ i s außen Ha ⋅ ds (4.4.47) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 222 1etv44-1 D D G H s Abb. 4.4.20 Zylinderspule Für D / s 1 gilt in guter Näherung ∫ H ⋅ ds ∫ i sn Ha ⋅ ds (4.4.48) außen Da das Feld im Spuleninneren homogen ist, ist die Feldstärke entlang der Feldlinie konstant Hi = I⋅N (4.4.49) ∫ ds s Mit ∫ ds = s ergibt Gl.(4.4.49) für D / s 1 näherungsweise die Feldstärke s I⋅N (4.4.50) s Die genaue Berechnung der Feldstärke für einen Punkt P in der Mitte der Spule in Abb.4.4.20 ergibt Hi = H(P) = I⋅N ⋅ s 1 (4.4.51) 2 D 1+ s D 1 ergibt die Näherung nach Gl.(4.4.50) den Fehler Für das Verhältnis = s 7 H − H(P) F= i (4.4.52) = 0.01 = 1% H(P) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 223 1etv44-1 4.4.4 a) Magnetisches Feld in Stoffen Grundsätzliches Verhalten der Stoffe im Magnetfeld Der Lernende kann - die Wirkung von atomaren Elementarmagnete in Stoffen erklären - einen magnetisch neutralen und einen magnetisch nicht neutralen Stoff definieren - diamagnetische und paramagnetische magnetische Stoffe definieren - ferromagnetische Stoffe definieren In Stoffen bildet sich das Magnetfeld anders aus als im Vakuum. Nach dem heutigen Erkenntnisstand sind Ursache des Magnetfeldes ausschließlich bewegte Ladungen. Verhält sich das Magnetfeld in Stoffen anders als im Vakuum, so müssen in Stoffen Ladungsbewegungen stattfinden, die ein dem Stoff eigenes zusätzliches Magnetfeld erzeugen. Für die Beschreibung des stofflichen Verhaltens gehen wir von folgender Modellvorstellung aus: Im Inneren des Stoffes (Atome, Moleküle, größere Volumeneinheiten) bilden sich Kreisströme ∆i aus, die ein zu ihrer Kreisbahn senkrecht G stehendes Elementarmagnetfeld ∆B erregen. Ohne eine äußere Erregung sind sie unregelmäßig orientiert (Abb.4.4.21). Bei äußerer Erregung durch den Strom I in einer um den Stoff gelegten Ringwindung erfolgt eine regelmäßige Orientierung.(Abb.4.4.22 a). Die Summe der elementaren Kreisströme ∆I führt zu einem resultierenden Kreisstrom Iµ (Abb. 4.4.22 b), und das Feld der elementaren Kreisströme überlagert sich dem äußeren Feld. Im unmagnetisierten Zustand sind die Elementarfelder so unregelmäßig orientiert, dass kein resultierendes Feld nach außen in Erscheinung tritt. ∆I G ∆B I a) Abb. 4.4.21 Elementare Kreisströme ohne äußere Erregung Iµ I b) Abb. 4.4.22 Elementare Kreisströme unter dem Einfluss einer äußeren Erregung Für die im Rahmen der grundlagenorientierten Elektrotechnik angewandte Beschreibung des Magnetfeldes wird auf die Betrachtung der Vorgänge im elementaren Bereich verzichtet. Für die quantitative Berechnung von Magnetfeldern wird noch weiter vereinfacht und die resultierende Elementarerregung der Stoffe durch die Permeabilität und die Permeabilitätszahl oder relative Permeabilität beschrieben. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 224 1etv44-1 Hinsichtlich ihres magnetischen Verhaltens werden die Stoffe in folgende Gruppen eingeteilt: 1. Bleibt im Stoff die regellose Orientierung der Elementarfelder erhalten, wenn ein von außen eingeprägtes Magnetfeld wirkt, dann liegt ein magnetisch neutraler Stoff vor. Beispiel Luft: Die Permeabilitätszahl oder relative Permeabilität ist wie im Vakuum µr = 1. 2. Orientieren sich die dagegen die Elementarfelder unter der Einwirkung des äußeren Feldes, so baut sich eine von Null verschiede resultierende innere Erregung auf, die ein zusätzliches inneres Feld erzeugt, das sich dem äußeren Feld überlagert. Es handelt sich dann um einen magnetisch nicht neutralen Stoff. Bei den magnetisch nicht neutralen Stoffen werden zwei Wirkungen unterschieden: Diamagnetische Stoffe: µr < 1 Die innere Erregung wirkt dem äußeren Feld entgegen und schwächt dieses. Die Wirkung des Gegenfeldes ist allerdings sehr gering. Die Permeabilitätszahl ist unabhängig von der Feldstärke des äußeren Feldes und hat einen konstanten Wert. Beispiel: Wismut: µr = 1 − 0.16 ⋅ 10−3 Paramagnetische Stoffe: µr > 1 Die innere Erregung verstärkt das äußere Feld. Die verstärkende Wirkung des inneren Feldes ist allerdings sehr gering. Die Permeabilitätszahl ist unabhängig von der Feldstärke des äußeren Feldes und hat einen konstanten Wert. Beispiel: Palladium: µr = 1 + 0.78 ⋅ 10−3 Ferromagnetische Stoffe: µr > >1; bis 105 Die verstärkende Wirkung durch die innere Erregung ist sehr groß. Außerdem wird die Permeabilitätszahl eine nichtlineare Funktion der der äußeren Feldstärke. Die in den ferromagnetischen Stoffen vorliegenden elementaren Magnete werden als Weißsche Bezirke bezeichnet und haben die Größenordnung (0.001...0.1) mm3. In den Weißschen Bezirken wirken 106 ... 109 atomare Elementarmagnete. Die einmal orientierten Weißschen Bezirke fallen bei Wegfall des äußeren Feldes nicht vollständig in ihre regellose Ausgangslage zurück, so dass ein eigenes remanentes Feld verbleibt. Nach der Stärke dieses Eigenfeldes werden weichmagnetische und hartmagnetische Stoffe unterschieden. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 225 1etv44-1 b) Ferromagnetische Eigenschaften Der Lernende kann - einen Weißschen Bezirk in ferromagnetischen Stoffen definieren und seine Größe angeben - das Verhalten ferromagnetischer Stoffe im äußeren Feld erklären - remanente Flussdichte und koerzitive Feldsträke definieren - den Begriff Hystereseschleife erläutern - die Magnetisierungskennlinie eines ferromagnetischen Stoffes definieren - die Begriff Permeabilität und differenezielle Permeablität erläutern - den Begriff magnetische Polarisation erklären - die Hystereseschleife eines Dauermagneten skizzieren Auffallendste Eigenschaften der ferromagnetischer Stoffe ist die extrem verstärkende Wirkung auf das resultierende Magnetfeld und die starke nichtlineare Abhängigkeit der Induktion von der erregenden Feldstärke. Offensichtlich wirkt hier ein anderer Mechanismus als bei den paramagnetischen Stoffen. Große Gebiete der ferromagnetischen Stoffe (Weißsche Bezirke) sind spontan magnetisiert. Sie richten sich unter der Wirkung des äußeren Feldes aus und erhöhen die Flussdichte. Der Zusammenhang zwischen Induktion und Feldstärke wird bestimmt durch - die Eisensorte - die auftretenden Induktion - die Vorbehandlung in magnetischer Hinsicht - die Temperatur - mechanische Spannungen. Im praktischen Umgang mit ferromagnetischen Stoffen wird der Zusammenhang B = f(H) experimentell aufgenommen, als Magnetisierungskennlinie und grafisch oder tabellarisch angegeben. Interessiert die Permeabilität oder die Permeabilitätszahl werden diese Größen aus der Magnetisierungskennlinie berechnet: µ= B H µr = B µ0 ⋅ H (4.4.53) (4.4.54) Wird eine Torroidspule (Kerndurchmesser D, Windungszahl N) mit einem ferromagnetischen Kern versehen, dann kann die Induktion B im Kern als Funktion der Feldstärke experimentell ermittelt werden. Die Feldstärke berechnet sich nach Gl.(4.4.41) I⋅N . In Abb.4.4.23 sind die Ergebnisse dieser als Funktion des Spulenstromes zu H = 2π ⋅ r Untersuchung für zwei ferromagnetische Stoffe dargestellt. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 226 1etv44-1 Die experimentelle Untersuchung nach Abb.4.4.23 zeigt typische Eigenschaften ferromagnetischer Stoffe: • die Abhängigkeit der Induktion B von der Feldstärke H ist in hohem Maße nichtlinear • die Abhängigkeit B = f(H) ist nicht eindeutig, bei ansteigender magnetischer Feldstärke (Kurventeile 3 und 5) werden kleinere Induktionswerte erhalten als bei fallender (Kurventeile 2 und 4). • weichmagnetische Werkstoffe (Kurve a) und hartmagnetische Werkstoffe (Kurve b) zeigen sehr unterschiedliches Verhalten • die Induktionswerte im Eisen sind erheblich größer als bei gleicher Feldstärke in einer Luftspule (H = 100 A/cm: BFe ≈ 1.5T ; B0 = 0.126T) B/T 2.0 5 a 4 Br 1.0 2 b 3 1 0 −HC −1.0 HC 2 3 −Br 5 −2.0 −120 H / A / cm −80 4 −40 0 40 80 120 Abb. 4.4.23 Experimentelle Aufnahme des Zusammenhangs zwischen Feldstärke und Flussdichte a) weichmagnetischer Stoff b) hartmagnetischer Stoff Wird eine bestimmte Eisensorte von einem völlig unmagnetisierten Zustand ausgehend erregt, ist bei I = 0 und damit H = 0 auch B = 0. Der Anstieg erfolgt nach der Neukurve (1). Beim hartmagnetischen Werkstoff (Kurve b) wird für H = 120 A/cm die Flussdichte B = 1.4 T ermittelt. Eine Verringerung der Feldstärke (Kurve 2) ergibt bei H = 0 Br = 1.1 T . Dieser Wert ist die remanente Induktion oder Remanenz Br. Das Feld verschwindet erst bei H = - Hc = -45 A/cm. Diese Feldstärke wird koerzitive Feldstärke oder Koerzitivkraft genannt. Nun wird die Erregung mit negativen Vorzeichen bis H = -120 A/cm und B = -1.4 T durchgeführt. Die Verringerung der negativen Erregung (Kurve 3) führt zu -Br; +Hc;. Es wird bei einer solchen Wechselmagnetisierung eine Schleife durchlaufen, die als Hystereseschleife bezeichnet wird. Berechnet man die Schleifenfläche erhält man ein Maß für die zur Ummagnetisierung notwendige Energie. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 227 1etv44-1 Maßeinheit der Fläche: [B][H] = Vs A Ws ⋅ = m2 m m3 (4.4.55) Ws/m3 ist die Maßeinheit einer Energiedichte. Vergleicht man die Flächen der Hystereseschleifen eines weichmagnetischen und eines hartmagnetischen Werkstoffs, so hat der weichmagnetische Werkstoff eine wesentlich kleiner Fläche. Zur Ummagnetisierung wird eine kleinere Energie benötigt. Der Unterschied zwischen den Induktionswerten bei steigender oder fallender Magnetisierung ist abhängig von der Eisensorte und vom maximalen Induktionswert bei der Ummagnetisierung. Im praktischen Umgang mit weichen ferromagtnetischen Stoffen, vor allem bei der Berechnung magnetischer Kreise, wird nicht die vollständige Hysteresekurve benutzt, sondern eine Kennlinie, die eine eindeutige Zuordnungen zwischen magnetischer Feldstärke und Flussdichte aufweist. Diese Kennlinie wird als Magnetisierungskennlinie bezeichnet. Sie wird wie in Abb.4.4.24 dargestellt aus Hysteresekurven ermittelt. Dazu wird die Hysteresekurve mit unterschiedlichen maximalen Flussdichtewerten ausgesteuert. Die Magnetisierungskennlinie ist die Verbindungslinie aller maximalen Induktionswerte bei der Magnetisierung. B 2 1 H Abb. 4.4.24 Experimentelle Bestimmung der Magnetisierungskennlinie (2) aus Hysteresekurven unterschiedlicher Aussteuerung (1) Die Magnetisierungskurven zeigen typischen Verläufe. Nach einem steilen Anstieg gehen die Kurven in die Sättigung über. Die Erklärung ist mit dem Verhalten der Weißschen Bezirke der ferromagnetischen Stoffe im äußeren Magnetfeld zu erklären. Im Gegensatz zu den paramagnetischen Stoffen sind die atomaren Elementarmagnete in den Weißschen Bezirken gleich ausgerichtet, wodurch mikroskopische Dauermagnete entstehen. In einem nicht magnetisierten ferromagnetischen Stoff kommen im Mittel alle Ausrichtungen der Weißschen Bezirke gleich oft vor, so dass sich ihre Wirkung nach außen kompensiert.. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 228 1etv44-1 B vollständiges Eindrehen der Weißschen Bezirke irreversible Vorgänge reversible Vorgänge H Abb. 4.4.25 Bewegungen der Weißschen Bezirke in Abhängigkeit von der Feldstärke Bringt man den ferromagnetischen Stoff in ein äußeres Magnetfeld, so richten sich die Weißschen Bezirke durch das äußere Feld aus und verstärken mit ihrem magnetischen Fluss das äußere Feld. Bei kleinen äußeren Feldstärkewerten sind diese Ausrichtungen reversibel. Bei weiterer Steigerung der äußeren Feldstärke kommt es zu irreversiblen Verschiebungen der Weißschen Bezirke und zu ihrer vollständigen Eindrehung in das äußere Feld. Dieser Zustand wird als Sättigung bezeichnet. Bei weitere Steigerung des äußeren Feldes steigt die Flussdichte nur noch in gleicher Weise wie im Vakuum. Die Kurven nähern sich in der Sättigung Geraden mit dem Anstieg µo. In Abb.4.4.25 sind Magnetisierungskennlinien für einige typische technische weiche ferromagnetische Werkstoffe angegeben, die wir auch für die Berechnung benutzen werden. Kurve a ist die Magnetisierungskennlinie für kaltgewalztes Elektroblech mit der Typbezeichnung V 400-50 A wie es in Elektromotoren und kleinen Transformatoren verwendet wird. Die gleiche Kennlinie ist auch für Stahlguss zu benutzen. Die Kurve c gibt die Magnetisierungskennlinie für Grauguss. Kurve b ist die Magnetisierungskennlinie für ein speziell im Großtransformatorenbau eingesetztes Elektroblech mit der Typbezeichnung VM 97-30 N. Es ist ein so genanntes kornorientiertes Elektroblech. Bei Beanspruchung mit einem Magnetfeld, dessen Richtung mit der Walzrichtung des Bleches übereinstimmt, werden zur Erreichung einer bestimmten Flussdichte außerordentlich geringe Feldstärken benötigt. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 229 1etv44-1 Magnetisierungskurven a) b) c) kaltgewalztes Elektroblech V400-50A; Stahlguss kornorientiertes Elektroblech VM97-30N; Magnetisierung in Walzrichtung Grauguss B/T 2.0 a b 1.8 1.4 c 1.0 0.8 8 4 12 16 H 24 kA / m 20 B/T 1.6 b a 1.4 1.2 1.0 0.8 c 0.6 0.4 0.2 Kurve a und c: 400 Kurve b: 20 40 60 1200 800 100 80 1600 Abb. 4.4.26 Magnetisierungskennlinien von Werkstoffen 2000 2400 H A /m