09. Mai 2015 Philharmonie in der Frauenkirche 3. Konzert 1 09 MAI 2015 SAMSTAG 20.00 Philharmonie in der Frauenkirche 3. Konzert »SETZE MIR E IN D E N KMA L, G A N Z A U S Z U CKE R, T IE F IM M EER « – Morgenstern HENRY PURCELL (1659 – 1695) MAURICE DURUFLÉ (1902 – 1986) Fantasia a 6 Fassung für Saxophonquartett von STEVE MARTLAND »Tota pulchra es« für drei gleiche Stimmen a cappella GYÖRGY ORBÁN (*1947) JOHANN SEBASTIAN BACH (1685 – 1750) Philharmonischer Kinderchor Dresden Gunter Berger | Einstudierung und Leitung Raschèr Saxophone Quartet Christine Rall | Sopransaxophon Elliot Riley | Altsaxophon Andreas van Zoelen | Tenorsaxophon Kenneth Coon | Baritonsaxophon »Labt das Herz, ihr holden Saiten« aus der Kantate BWV 201 »Der Streit zwischen Phoebus und Pan« Satz: ROLF LUKOWSKY Fassung für gleichstimmigen Chor und Saxophonquartett Arr. RASCHÈR QUARTET »Lauda Sion« für gleiche Stimmen a cappella JAVIER BUSTO (*1949) »Salve Regina« für gleiche Stimmen a cappella FELIX MENDELSSOHN-BARTHOLDY (1809 – 1847) »Hebe deine Augen auf« (Engelterzett aus dem Oratorium »Elias« op. 70) GIOVANNI GABRIELI (1557 – 1612) HENRY PURCELL (1659 – 1695) LERA AUERBACH (*1973) Canzona prima »La Spiritata« für Saxophonquartett Arr. HARRY WHITE »Sound the trumpet« aus der »Ode für Queen Marys Geburtstag« für gleichstimmigen Chor und Saxophonquartett Arr. RASCHÈR QUARTET »Galgenlieder« nach Gedichten von CHRISTIAN MORGENSTERN (1871 – 1914) Fassung für Saxophonquartett und Kinderchor (UA) ARNE MELLNÄS (1933 – 2002) »Aglepta« nach einem schwedischen Trollspruch für drei gleiche Stimmen a cappella KURT BIKKEMBERGS (*1963) Psalmi Novi, Nr. 5 (Psalm 135) »Sing Alleluia’s, sing praise« für gleiche Stimmen a cappella ARVO PÄRT (*1935) »Da pacem Domine« Fassung für Saxophonquartett Das ästhetische Wiesel Der Seufzer Geburtsakt der Philosophie Zwischenspiel I Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst Zwischenspiel II Fisches Nachtgesang (Thema und Variationen) Galgenkindes Wiegenlied Die Schildkrökröte Zwischenspiel III Das Gebet Denkmalswunsch Das Wasser 1 Labt das Herz Lauda Sion Salve Regina Hebe deine Augen auf Labt das Herz, ihr holden Saiten, Stimmet Kunst und Anmut an! Lasst euch meistern, lasst euch höhnen, Sind doch euren süßen Tönen Selbst die Götter zugetan. Lauda Sion Salvatorem Lauda ducem et pastorem In hymnis et canticis. Quantum potes, tantum aude: Quia major omni laude, Nec laudare sufficis. Laudis thema specialis, Panis vivus et vitalis, Hodie proponitur. Quem in sacrae mensa coenae, Turbae fratrum duodenae Datum non ambigitur. Sit laus plena, sit sonora, Sit jucunda, sit decora Mentis jubilatio. Dies enim solemnis agitur, In qua mensae prima recolitur Huius institutio. Salve, Regina, mater misericordiae, vita, dulcedo, et spes nostra, salve. Ad te clamamus exsules filii Evae. Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eia, ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte. Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exsilium ostende. O clemens, O pia, O dulcis Virgo Maria. Amen. Hebe deine Augen auf zu den Bergen, von welchen dir Hilfe kommt. Deine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Tota pulchra es Tota pulchra es, Maria, et macula originalis non est in te. Vestimentum tuum candidum quasi nix, et facies tua sicut sol. Tota pulchra es, Maria, et macula originalis non est in te. Tu gloria Jerusalem, tu laetitia Israel, tu honorificentia populi nostri. Tota pulchra es, Maria. 2 Aglepta Sag diese Worte zu ihm: »Aglaria Pidhol garia Ananus Qepta« und blase in seine Richtung; dann wird er nicht wissen, welchen Weg er gegangen ist und kann dir nicht antworten. Bengt of Klintberg: Schwedischer Trollspruch (Småland, 19. Jahrhundert) Christian Morgenstern, aus den »Galgenliedern« Psalm 135: Sing Alleluia’s, sing praise Das ästhetische Wiesel Der Seufzer Geburtsakt der Philosophie Alleluia’s, sing Alleluia’s, sing praise to the shepherd, the Lord of the dance, sing praise to the friend. He lives where I live, and where his life is mine, in a house where his name is a rustle of music, a soughing of wind. But outside lie the waste land, with mouths that not speak, and with eyes that are blind, with wars full of deafness and breathless the song. Ein Wiesel saß auf einem Kiesel Inmitten Bachgeriesel. Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis und träumte von Liebe und Freude. Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß glänzten die Stadtwallgebäude. Erschrocken staunt der Heide Schaf mich an Als säh’s in mir den ersten Menschenmann Sein Blick berückt; wir stehen wie im Schlaf; Mir ist, ich sah’ zum ersten Mal ein Schaf. Wißt ihr weshalb? Das Mondkalb verriet es mir Im Stillen: Das raffinierte Tier tat's um des Reimes willen. Sound the Trumpet Sound the trumpet, sound the trumpet, sound the trumpet! Sound, sound, sound the trumpet till around You make the list'ning shores rebound. On the sprightly hautboy play All the instruments of joy That skillful numbers can employ, To celebrate the glories of this day. Der Seufzer dacht' an ein Maidelein und blieb erglühend stehen. Da schmolz die Eisbahn unter ihm – und er sank – und ward nimmer gesehen. Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst (Hamlets Dilemma) Soll i aus meim Hause raus? Soll i aus meim Hause nit raus? Einen Schritt raus? Lieber nit raus? Hausenitraus Hauseraus Hauseritraus Hausenaus Rauserauserauserause ...... 3 Fisches Nachtgesang (Thema und Variationen) Var. 1 Fischgesang übersetzt Var. 2 Mit sehr tiefer Empfindung Var. 3 Fischgesang verstärkt Var. 4 Fischgesang aufgetaucht Var. 5 Fischtänze Var. 6 Verkürzter Fischgesang für Zuhörer mit geringer Konzentrationsfähigkeit Galgenkindes Wiegenlied Die Schildkrökröte Das Gebet Schlaf, Kindlein, schlaf, am Himmel steht ein Schaf; das Schaf, das ist aus Wasserdampf und kämpft wie du den Lebenskampf. Schlaf, Kindlein, schlaf. ›Ich bin nun tausend Jahre alt und werde täglich älter; der Gotenkönig Theobald erzog mich im Behälter. Die Rehlein beten zur Nacht, hab acht! Seitdem ist mancherlei geschehn, doch weiß ich nichts davon; zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn ein Kaufmann zu Heilbronn. Halb zehn! Schlaf, Kindlein, schlaf, die Sonne frißt das Schaf, sie leckt es weg vom blauen Grund mit langer Zunge wie ein Hund. Schlaf, Kindlein, schlaf. Schlaf, Kindlein, schlaf. Nun ist es fort, das Schaf. Es kommt der Mond und schilt sein Weib; die läuft ihm weg, das Schaf im Leib. Schlaf, Kindlein, schlaf. 4 Halb neun! Halb elf! Halb zwölf! Ich kenne nicht des Todes Bild und nicht des Sterbens Nöte: Ich bin die Schild – ich bin die Schild – Ich bin die Schild – krö – kröte.‹ Zwölf! Dle Rehlein beten zur Nacht, hab acht! Sie falten die kleinen Zehlein, die Rehlein. Denkmalswunsch Das Wasser Setze mir ein Denkmal, cher, ganz aus Zucker, tief im Meer. Ohne Wort, ohne Wort rinnt das Wasser immerfort; andernfalls, andernfalls spräch’ es doch nichts andres als: Ein Süßwassersee, zwar kurz, werd ich dann nach meinem Sturz; doch so lang, daß Fische, hundert, nehmen einen Schluck verwundert. Bier und Brot, Lieb und Treu, – und das wäre auch nicht neu. Dieses zeigt, dieses zeigt, daß das Wasser besser schweigt. Diese ißt in Hamburg und Bremen dann des Menschen Mund. Wiederum in eure Kreise komm ich so auf gute Weise, während, werd ich Stein und Erz, nur ein Vogel seinen Sterz oder gar ein Mensch von Wert seinen Witz auf mich entleert. CHRISTIAN MORGENSTERN 5 »Setze mir ein Denkmal, ganz aus Zucker, tief im Meer« Chor- und Ensemblemusik aus fünf Jahrhunderten Denkmäler müssen nicht notwendigerweise aus Bronze oder Stein sein. Ob diese Einsicht am Hofe Williams III. von England verbreitet war, ist nicht bekannt. Allerdings erhielt Henry Purcell von dort ab 1689 alljährlich einen Auftrag zur Komposition einer Ode zum Geburtstag von Königin Mary II. Purcells sechstes und damit letztes Werk zu diesem Anlass wurde im April 1694 aufgeführt (die Königin starb Ende des Jahres). Die neunsätzige Ode beginnt mit einer als »Sinfonia« bezeichneten Ouvertüre, ihr folgt der Eingangschor »Come, ye sons of arts« (»Kommt, ihr Söhne der Künste«), der ihr den Titel gibt. »Sound the trumpet« steht an dritter Stelle: ein Duett, in dem Purcell über einem zweitaktigen modulierenden Basso ostinato statt wirklicher Trompeten die Sänger Trompeten imitieren 6 lässt. In den weiteren Sätzen werden Tugend, Gnade und Reiz besungen, die die Gefeierte auszeichnen und ihren Ehrentag zu einem Tag des Jubels machen sollen. Die Ode »Come, ye sons of arts, obwohl nur in einer Jahrzehnte nach Purcells Tod entstandenen handschriftlichen Partitur von fremder Hand überliefert, wurde eines der bekanntesten und beliebtesten Werke des »Britischen Orpheus«, und mit ihm erhielt auch Mary II. von England einen Platz in einer Seitenloge der Musikgeschichte. Im Jahre 1680 komponierte der damals 21-Jährige Purcell für das traditionelle Violen-Consort seine drei- bis siebenteiligen Fantasias, musikalische Zeugnisse und reinster künstlerischer Ausdruck jenes Zeitalters der englischen Kulturgeschichte, in dem Musik, Poesie, Theater und Design in einem dynamischen, schöpferischen Verhältnis aufeinandertrafen – während die modernen Violine die ältere Viola da Gamba bereits zu verdrängen begann. Purcells Fantasien überraschen heute mit ungewöhnlichen harmonischen Wendungen und eine Fülle von unterschiedlichen Stimmungen, hervorgerufen durch häufigen Wechsel von Tempo, Harmonie, Dynamik und Artikulation. Wie beim Musizieren im Consort üblich, herrscht zwischen den Stimmen absolute Balance, keine ist führend (wie etwa im späteren Streichquartett üblich). Die nicht hierarchische Ordnung der Stimmen erzeugt die besondere Transparenz des polyphonen Stimmengeflechts und erfordert eine Musizierhaltung, die für moderne Kammermusikensembles verschiedener Besetzung eine reizvolle Herausforderung an die eigene Spielkultur darstellt. So hat der niederländische Komponist Steve Martland die Fantasia 6 für Saxophonquartett bearbeitet. Wie Henry Purcell hat auch Johann Sebastian Bach verschiedene Huldigungsmusiken für adlige Auftraggeber komponiert. Die Kantate Nr. 201 »Der Streit zwischen Phoebus und Pan« mit dem Schlusschor »Labt das Herz, ihr holden Saiten« entstand jedoch für die im Zimmermannschen Kaffeehaus stattfindende Konzertreihe des Leipziger Collegium musicum. Die Kantate erklang wahrscheinlich 7 Lera Auerbach Lera Auerbach wurde in Tscheljabinsk (Ural) am Rande Sibiriens geboren. Im Alter von zwölf Jahren schrieb sie ihre erste Oper. Auerbach absolvierte die New Yorker Juilliard School in den Fächern Klavier und Komposition. Daneben studierte sie Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University. Am 1. Mai 2002 gab sie ihr Debüt in der Carnegie Hall, wo sie ihre eigene Suite für Violine, Klavier und Streichorchester op. 60 mit Gidon Kremer und der Kremerata Baltica aufführte. Seitdem ist die weltweite Karriere der Komponistin, Dichterin und Pianistin in Personalunion nicht mehr aufzuhalten. Die junge Komponistin ist bereits als Pianistin in solch prominenten Konzertsälen wie der New Yorker Carnegie Hall, dem Lincoln Center, dem Münchner Herkulessaal, im Konzerthaus von Oslo und im Kennedy Center Washington aufgetreten. 8 Lera Auerbachs Musik scheint vordergründig traditionellen Einflüssen stark verpflichtet zu sein. Für sie ist es kein Widerspruch, Tonalität und klassische Formsprache zu nutzen, um neue Wege zu finden. Bei näherem Hinhören eröffnet sich ein ganzer Kosmos ungewohnter Klänge, Farben und Verfahrensweisen, der in vielerlei Hinsicht einen weit entwickelten Personalstil prägen. 1729 zur Eröffnung der ersten von Bach geleiteten Konzertsaison, und das Thema der Komposition war gewiss nicht zufällig gewählt. Denn der mythologische Wettstreit zwischen Phoebus / Apollo und Pan beschreibt nach abendländischem Deutungsmuster die Polarität zwischen musikalischer Primitivität und verfeinerter Hochkultur. Der Ausgang des Wettstreits mit dem Sieg des Phoebus untermauert Bachs Position als Vertreter einer »gelehrten«, der Würde der Tonkunst angemessenen Musik, die das Herz mit Kunst und Anmut labt. Maurice Duruflé, Organist der Pariser Kirche St. Étienne-du-Mont, ist als Konzertorganist und Komponist von Orgelmusik und geistlicher Chormusik weltweit bekannt geworden. Seine Vertonung des »Tota pulchra es Maria« entstand 1960 als zweite seiner Vier Motetten auf gregorianische Themen op. 10. »Tota pulchra es Maria« ist ein altes christliches Gebet, das seit dem vierten Jahrhundert nachgewiesen und seit dem 14. Jahrhundert in seiner heutigen Fassung verbreitet ist. Es beruht auf Versen aus dem Alten Testament – aus dem Hohelied und dem Matthäusevangelium – und preist die Vollkommenheit, Schönheit und Reinheit der Gottesmutter Maria. Die einzelnen Verse des Gebets werden als Antiphonen in der Liturgie zum Fest Maria Empfängnis (8. Dezember) verwendet. Berühmte Vertonungen stammen unter anderem von Guillaume Du Fay (15. Jahrhundert), Francisco Guerrero (16.Jahrhundert), Grzegorz Gerwazy Gorczycki (17. Jahrhundert) Ernest Chausson und Robert Schumann (19. Jahrhundert). Der ungarische Komponist György Orbán, geboren in Siebenbürgen, studierte und lehrte an der Musikakademie in Cluj-Napoca und emigrierte 1979 nach Ungarn, wo er 1982 eine Professur für Komposition an der Franz-Liszt-Musikakademie Budapest erhielt. Unter seinen Chorkompositionen finden sich zahlreiche geistliche Werke, darunter auch »Lauda Sion salvatorem« (»Lobe, Zion, den Erlöser«). Er verwendet dafür Teile der ca. 1264 von Thomas 9 von Aquin in päpstlichem Auftrag verfassten Sequenz zum damals neu eingeführten Fronleichnamsfest. Ihre Strophen verdeutlichen auf einprägsame Weise die Lehre über die wahrhafte Gegenwart von Leib und Blut Christi in der Eucharistie. Orbán überführt den uralten Hymnus in seinem durch Wechsel von Metrum, Rhythmus und Motivik vierteilig gegliederten Werk in eine schwungvolle, zeitgemäße Ausdrucksweise. Javier Busto wurde in Hondarriba im Baskenland geboren und wurde zunächst Mediziner, bevor er sich – zunächst als Autodidakt – der Musik zuwandte. Mit einer professionellen Ausbildung zum Chorleiter begann schließlich seine Karriere als Chorleiter und Komponist, die ihn über Spanien hinaus bekannt machte. Er gründete mehrere Chöre, mit er zahlreiche Preise bei Chorwettbewerben in Spanien, Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland gewann. Seine Chorkompositionen wurden bei internationalen Festivals aufgeführt. Er gibt Kurse in Chorleitung und ist auch als Jurymitglied bei 10 Kompositions- und Chorwettbewerben international tätig. Das »Salve Regina« (»Gegrüßt seist du, Königin«) ist die an die Gottesmutter gerichtete Antiphon, die seit dem 13. Jh. das tägliche Stundengebet der Kirche beschließt. Am Ende der Komplet bzw. Vesper wird Maria, die Mutter des Erlösers, die Himmelskönigin gegrüßt und um ihre Fürsprache angerufen. Bis zur Liturgiereform des II. Vaticanums war das »Salve Regina« der liturgischen Zeit »im Jahreskreis« außerhalb der großen Festzeiten zugeordnet und gehört mittlerweile in Vertonungen wie derjenigen Javier Bustos zum so anspruchsvollen wie populären Chorrepertoire. Text und Musik seines Oratoriums »Elias« haben Felix Mendelssohn-Bartholdy zehn Jahre lang beschäftigt, bevor das Werk schließlich 1846 in Birmingham zur Aufführung kam. Die Geschichte um Auftrag, Glaubenskampf und Entrückung des biblischen Propheten gab ihm, wie er seinem Freund Carl Klingemann am 18. Februar 1837 schrieb, Gelegenheit zu »recht dicken, schweren und vollen Chören«, die er dem an der Handlung beteiligten dem Volk Israel und der Baalspriesterschaft zugedacht hatte. Zur klanglichen Wucht dieser Chöre und zur Dramatik des Geschehens bildet das A-cappella-Terzett der Engel »Hebe deine Augen auf« aus dem zweiten Teil des Werkes einen wirkungsvollen lyrischen Kontrast. Losgelöst aus dem Werkzusammenhang behauptet es sich auch zu verschiedenen gottesdienstlichen Anlässen, im Konzert und in der Hausmusik. Der belgische Komponist Kurt Bikkembergs hatte bereits bedeutende Positionen als Chorleiter inne, unter anderem an der Flämischen Oper, an der Brüsseler Kathedrale Sankt Michael und Gudula sowie als Chorleiter und künstlerischer Leiter des EuroChorAGEC. Derzeit ist er Chorleiter und Professor für Chorleitung und Komposition am LUCA-ARTS Campus Lemmens Institut in Leuven, künstlerischer Leiter der Capella di Voce und des niederländischen Studentenkammerchores sowie Gastdirigent des flämischen Rundfunkchores. Sein kompositorisches Schaffen umfasst neben allen Arten von Chorwerken, Kammermusik und Orchesterkompositionen auch Ballettmusik, drei Oratorien und eine Reihe von Kantaten. Er ist bestrebt, insbesondere die geistliche Chormusik durch persönliche Erfahrung als Chorleiter und Komponist zu erneuern und gleichzeitig ihrer reichen Tradition verbunden zu bleiben. Zu seinen »Psalmi novi« erklärte er: »Junge Menschen benötigen Musik, zeitgenössischen Musik, um ihre persönliche Einstellung zum Leben auszudrücken.« »Psalmi novi« versuchten das durch die Neuinterpretation bzw. Neuübersetzung biblischer Texte, durch expressive Rhythmen und neuartige Sprech-Gesangs-und Stimmtechniken sowie durch verschiedene unkonventionelle Mittel der Klangerzeugung. Da pacem Domine von Arvo Pärt entstand im Auftrag von Jordi Savall für ein Friedenskonzert, das am 1. Juli 2004 in Barcelona zum Gedenken an die Opfer des Bombenanschlags von Madrid am 11. März 2004 stattfand. Seitdem wird Da pacem Domine in Spanien 11 LERA AUERBACH geb. 1973 in Tscheljabinsk (Ural) »Galgenlieder« für Saxophonquartett und Kinderchor nach Gedichten von Christian Morgenstern Entstehung: Originalfassung für Saxophonquartett und Frauenchor: 2013 Fassung für Saxophonquartett und Kinderchor: 2015 Uraufführung: Originalfassung für Saxophonquartett und Frauenchor: 25. Mai 2013, Köln, Trinitatis-Kirche / Christine Rall (SSax), Elliot Riley (ASax), Bruce Weinberger (TSax), Kenneth Coon (BarSax) / Frauenstimmen des WDR Chors / Nicholas Kok, Leitung Dauer: ca. 32 Minuten Besetzung: 4 Saxophone (Sopran / Alt / Tenor / Bariton) Kinderchor 12 jedes Jahr zum Gedenken an die Opfer des Anschlags von 2004 aufgeführt. Der Text entstammt einer gregorianischen Antiphon aus dem 9. Jahrhundert, die ihrerseits auf Bibelversen beruht. Die Struktur von Pärts Musik zu dem Friedensgebet ist von Klang, Intonation und rudimentären Harmonien bestimmt, die rhythmische Impulse auf subtile Weise überlagern und die Musik zu meditativer Stille formen. Pärt hatte schon während der Arbeit an dem Werk variable Besetzungen für die vierstimmige Partitur ins Auge gefasst, und so existiert »Da pacem Domine« heute in mehreren nicht nur vokalen, sondern auch rein instrumentalen Besetzungen. Giovanni Gabrielis Canzona prima »La Spiritata« wurde 1608 erstmals veröffentlicht. Der Hinweis »per sonare con ogni sorte di stromenti« (»für jede Art von Instrumenten«) erlaubt seitdem eine vielfältige Besetzung, die über die Besetzung der Alta Capella des Renaissance- und Barockzeitalters mit ihren »lauten« Blasinstrumenten – Schalmei, Pommer, Dulzian, Posaune und Zink – hinausgeht. Gabrielis Canzona ist ein markantes Beispiel einer AltaCapella-Kompisition der venezianischen Schule. Obwohl der schwedische Kompinist Arne Mellnäs in seiner Heimat als technischer Innovator und insbesondere für die Einführung avantgardistischer Strömungen in die schwedische Musik hoch geschätzt wird, ist er hierzulande bisher selbst Kennern zeitgenössischer Musik weitgehend unbekannt geblieben. Er studierte zunächst in Stockholm, später in Berlin bei Boris Blacher, bei Max Deutsch in Paris und bei György Ligeti in Wien und erweiterte seinen kompositorischen Möglichkeiten durch ein Studium elektronischer Musik. In den 1960er Jahren war er bei den Darmstädter Kursen präsent. Er lehrte am Königlichen Konservatorium Stockholm und hinterließ nach seinem Tode 2002 ein reichhaltiges, verschiedene Genres umfassendes Schaffen. »Aglepta« für Kinderchor ist die Vertonung einer alten, nicht übersetzbaren Zauberformel, der folgende Erklärung vorangestellt ist: »Um einen Feind ohne Antwort 13 zu lassen, sage diese Worte zu ihm: Aglaria Pidhol garia Ananus Quepta, und blase in seine Richtung; dann wird er nicht wissen, wohin er sich wenden soll, und kann dir nicht antworten.« Über die Herkunft der Zauberformel gehen die Ansichten auseinander, manche halten sie für einen alten Dialekt aus Småland. Christian Morgenstern schrieb seine Galgenlieder einst unter dem Motto »Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen«, und tatsächlich hat die vermeintlich kindliche Haltung der sprachspielerischen Gedichte ihre doppelbödige Natur oft vergessen lassen. Doch in den scheinbar willkürlichen Sprach- und Silbenspielen, die die Sprache aus ihrer semantischen Funktion lösen, offenbart sich beim zweiten Blick eine subversive Qualität der Dichtungen, die den landläufigen Gebrauch von Sprache – denjenigen zur Zeit Morgensterns und den heutigen – in Manieristische, Groteske, ins Übertriebene oder Sinnentleerte spiegeln. Reimspiel und Klangspiel, 14 sprachrhythmische Spiele, Wiederholung und Gleichklang, Sprachornament und Arabeske – solche in den Galgenliedern erkennbare Elemente finden sich auch in Lera Auerbachs Komposition »Galgenlieder«. Sie wurde 2013 in Köln in der Originalversion für Saxophonquartett und Frauenchor uraufgeführt – ein immaterielles Denkmal für Morgensterns Sprachkunst, das den Beginn einer intensiven Zusammenarbeit von Lera Auerbach mit dem Raschèr Saxophone Quartet markierte. Dazu schreibt Elliot Riley, Mitglied des Ensembles: »Die Zusammenarbeit zwischen Lera Auerbach und uns schien wie vorherbestimmt. Ende November 2012 waren wir eingeladen worden, einen Meisterkurs an der Musikhochschule in Nürnberg zu leiten. Lera war mit der Uraufführung ihres Balletts ›Faust‹ im Theater derselben Stadt beschäftigt, fand aber Zeit, uns bei unserem Kurs zu treffen und kennen zu lernen. Dort hatten wir ein Seminar für die Studenten gegeben, in dem wir die Lieblingsbeispiele unseres Repertoires anspielen konnten. So hatte Lera die Möglichkeit, kurze Hörbeispiele, Partituren etc. aus unserer Welt zu erleben. Danach haben wir sowohl Fugen Johann Sebastian Bachs als auch Ausschnitte aus der uns gewidmeten »Music for Saxophones« des holländischen Komponisten Tristan Keuris für sie gespielt. Dass Lera eine Komponistin von Weltruhm ist, steht außer Frage. Aber dieses Treffen ermöglichte ein wirklich persönliches und musikalisches Kennenlernen, bevor Lera mit dem kompositorischen Prozess beginnen konnte. So entstanden die Galgenlieder für Frauenchor und Saxophonquartett. Schon damals hatte Lera die Idee, dass dieses Werk auch mit Kinderchor möglich wäre. Vielleicht kam der Gedanke unter anderem wegen des Titels des 8. Satzes zu Stande: »Galgenkindes Wiegenlied«? Diese Idee erforderte die komplette Überarbeitung der Partitur. Um den Traum zu verwirklichen, hat unser ehemaliger Kollege im Raschèr Saxophon Quartett und aktueller Manager Bruce Weinberger die Initiative ergriffen, eine würdige Uraufführungsmöglichkeit zu finden. Mit dem Kinderchor der Philharmonie Dresden, Professor Gunter Berger als Dirigenten und der Frauenkirche als Uraufführungsort ist dieser Traum nun wahr geworden! Bruce Weinberger träumt aber auch weiter. Durch diese Komposition werden bestimmt andere KomponistInnen von den klanglichen Möglichkeiten dieser Besetzung verführt werden. Dank solcher Impulse entstehen buchstäblich neue Genres. Doch das sind andere Lieder für einen anderen Tag. Die Galgenlieder sind ein Juwel in unserem Repertoire und es ist für uns eine ganz besondere Ehre, dieses einmalige und besondere Werk mit Kinderstimmen aus der Taufe zu heben.« Johanna Andrea Wolter 15 Philharmonischer Kinderchor Dresden Der Philharmonische Kinderchor Dresden, 1967 auf Anregung von Kurt Masur gegründet, gehört zu den führenden Kinderchören in Deutschland. Er spielt im Dresdner Musikleben und als ihr Botschafter im In- und Ausland eine wichtige Rolle. Hiervon zeugen erste Preise bei zahlreichen nationalen und internationalen Wettbewerben sowie Konzertreisen in die bedeutenden Musikstädte Deutschlands, nach Japan, China, Australien, Afrika, in die USA und in die Vereinigten Arabischen Emirate. In Dresden ist der Kinderchor Gastgeber des Internationalen Kinderchorfestivals. Der Philharmonische Kinderchor wirkt mit bei chorsinfonischen Konzerten und profiliert sich mit eigenen Konzerten. Das Repertoire reicht von Musik des 16. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen Chorwerken, die bisweilen vom Kinderchor beauftragt und uraufgeführt wurden; Volkslieder und »Crossover« gehören ebenfalls 16 dazu. Mehrere CD-Aufnahmen zeugen von der musikalischen Vielseitigkeit und breitgefächerten Stilistik des Philharmonischen Kinderchores. Mit Beginn der Spielzeit 2012 / 2013 übernahm Prof. Gunter Berger die Leitung des Philharmonischen Kinderchores Dresden. Gunter Berger | Einstudierung und Leitung Prof. Gunter Berger, geb. 1962 in Greifswald, erhielt seine musikalische Ausbildung an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« Weimar (Schulmusik), an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig (Orchesterdirigieren) und bei den »Wiener Meisterkursen« im Internationalen Wiener Musikseminar. Nach dem Studium begann er seine Tätigkeit als Musikpädagoge und Chorleiteiter in Leipzig. Von 1990 bis 2011 war Gunter Berger Dirigent des MDR Kinderchores in Leipzig. Neben chorsinfonischer Konzerten gemeinsam mit dem MDR Orchester und MDR Chor, gehörten eigene Konzerte und zahlreiche Fernseh-, Rundfunkund CD-Produktionen, sowie Konzertreisen im In- und Ausland zu seinen ständigen Aufgaben. Darüber hinaus leitete Gunter Berger verschiedene Erwachsenenchöre, wie den Gewandhauschor Leipzig und die Berliner Cappella. Von 2009 bis 2012 unterrichtete Gunter Berger das Fach Chorleitung an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« in Weimar. Gunter Berger gehört dem Musikrat des Deutschen Chorverbandes an. 17 Raschèr Saxophone Quartet Die »Wiener Zeitung« nannte das Quartett die »ungekrönten Könige des Saxophons« und ein Kritiker der »Welt« behauptete, »wenn es eine olympische Disziplin des virtuosen Bläserspiels gäbe, dann müsste das ›Raschèr Saxophone Quartett‹ aus den USA unbedingt eine Goldmedaille erhalten.« Seit seiner Gründung 1969 trat das Raschèr Saxophon Quartett regelmäßig in den bedeutendsten Konzertsälen der Vereinigten Staaten, Asien und Europas auf. Das Ensemble setzt eine Tradition fort, die in den 30er Jahren von Sigurd Raschèr, dem Pionier des klassischen Saxophons und Gründer des Quartetts, begonnen wurde. Er regte viele Komponisten an, Stücke für ihn zu schreiben. In ganz ähnlicher Weise hat das Quartett über 350 Komponisten inspiriert, ihm Werke zu widmen, u. a.: Aho, Berio, Bergman, Bialas, Denhoff, Donatoni, Firsowa, Franke, Glass und Gubaidulina. 18 Diese Komponisten waren begeistert von der einmaligen homogenen Tonqualität, der Virtuosität und der dynamischen Interpretation alter und neuer Musik der vier Musiker. Bezüglich ihrer BachInterpretationen schrieb der Musikwissenschaftler Ulrich Dibelius, dass wenn das Raschèr Quartet Bach spielt, »die Musik eine seraphische Aura erhält – als hätten Orgel und Streichquartett sich miteinander vermischt.« Zahlreiche Komponisten sind fasziniert von der Kombination der »Raschèrs« mit Orchester. Auch dafür wurden mehr als 40 neue Werke komponiert und mit namhaften Ensembles aufgeführt. Neben zahlreichen Konzerten als Quartett und der Zusammenarbeit mit weltweit führenden Orchestern, tritt das Raschèr Quartet auch mit vielen verschiedenen Instrumental- und Gesangsformationen auf, so zum Beispiel mit Christian Lindberg, dem Nederlands Kamerkoor, dem RIAS-Kammerchor, dem Estonian Chamber Choir, den BBC Singers und dem Chor des NDR. »Seit seiner Gründung 1969 haben mehr als 350 Komponisten für das Raschèr Saxophonquartett komponiert. Diese Zahl, oder überhaupt eine Zahl bleibt aber nur eine Zahl, wenn eine gewisse Liebe und Qualität nicht dahinter steckt. Damit ein Werk wirklich einem Interpreten oder Ensemble auf den Leib geschrieben werden kann, müssen viele Faktoren zusammenkommen. Vor allem ist ein persönliches Treffen zwischen den Musikern und dem komponierenden Künstler sehr wichtig. So können wir unsere Saxophone live demonstrieren und der oder die KomponistIn kann sogleich auf unsere Klänge reagieren und mit uns Neues entdecken. Das ist für mich persönlich ein besonderer Höhepunkt im RSQ. Manchmal entstehen neue Effekte, und die scheinbaren Grenzen der Möglichkeiten auf dem Saxophon werden verschoben. Dieser Prozess bedeutet Arbeit, aber er kommt einem eher wie eine spielerische Entdeckungsreise vor. Da das Saxophon noch so jung ist, leisten wir immer noch Pionierarbeit und die gesamten klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes sind noch nicht erforscht.« (Elliot Riley) 19 Impressum Dresdner Philharmonie Spielzeit 2014 | 2015 Postfach 120 424 · 01005 Dresden Chefdirigent: Prof. Michael Sanderling Ehrendirigent: Prof. Kurt Masur Erster Gastdirigent: Bertrand de Billy Intendanz: Frauke Roth Grafische Gestaltung: www.victoriabraunschweig.de Druck: Elbtal Druck & Kartonagen GmbH · + 49 (0) 351 | 21 30 35 - 0 Blumen: Creativ Floristik Laubner GmbH Preis: 2,00 Euro www.dresdnerphilharmonie.de Redaktion: Adelheid Schloemann Der Text von Johanna Andrea Wolter ist ein Originalbeitrag für dieses Heft. Bildnachweise: Titelfotos: Marco Borggreve; Bildarchiv d. Dresdner Philharmonie. Philharmonischer Chor Dresden: Marko Kubitz; Gunter Berger: Marco Borggreve; Raschèr: Felix Broede. Hinweis: Wo möglich, haben wir die Inhaber aller Urheberrechte der Illustrationen ausfindig gemacht. Sollte dies im Einzelfall nicht ausreichend gelungen oder es zu Fehlern gekommen sein, bitten wir die Urheber, sich bei uns zu melden, damit wir berechtigten Forderungen umgehend nachkommen können. 20 Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und / oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem Urheberrechtsgesetz strafbar. TENÖRE GESUCHT! Der Philharmonische Chor sucht engagierte Tenöre mit Notenkenntnissen und Chorerfahrungen. Bitte melden Sie sich zum Vorsingen in unserem Chorbüro an. Wir freuen uns auf Sie! CHORBÜRO Angelika Ernst // Inspizientin Am Brauhaus 8 · 01099 Dresden 0351 | 4 866 365 21 [email protected] Erste Anhörung Konzertsaal der Hochschule für Musik Dresden Uraufführungen von Kompositionsstudenten der HfM Dresden Faidra Chafta-Douka Point A Carlos G. Hernández Orchesterstück Barblina Meierhans [von Artefakten] - Skizzen für Orchester Julio Zú˜niga „mein liebstes Bild“ für Orchester und Elektronik Dresdner Philharmonie Dirigent: Leslie Suganandarajah Moderation: Jörn Peter Hiekel 22 Eine Kooperation mit der Dresdner Philharmonie im Rahmen von KlangNetz Dresden. www.klangnetz-dresden.de Auch auf Facebook! Mo 18. Mai 2015 l 18:00