Michał Nesterowicz Yuja Wang Mittwoch, 6. Mai 2015, 20 Uhr Donnerstag, 7. Mai 2015, 20 Uhr Freitag, 8. Mai 2015, 20 Uhr Calla unser Diamantring des Jahres 2015 Ein Schmuckstück mit Seele – höchste Handwerkskunst gepaart mit viel Liebe zum Detail lassen in der Diamantenmanufaktur SCHAFFRATH ein einzigartiges Schmuckstück entstehen. Ein Ring zum Verlieben – so unbeschwert wie die Liebe selbst. Weitere Informationen unter: w w w. s c h a f f r a t h 1 9 2 3 . c o m . Sergej Prokofjew Konzer t für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 16 1. Andantino – Allegretto 2. Scherzo: Vivace 3. Intermezzo: Allegro moderato 4. Finale: Allegro tempestoso (Rekonstruierte Fassung von 1922/23) Johannes Brahms Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68 1. Un poco sostenuto – Allegro 2. Andante sostenuto 3. Un poco allegretto e grazioso 4. Adagio – Più andante – Allegro non troppo, ma con brio – Più allegro Michał Nesterowicz, Dirigent Yuja Wang, Klavier Mit t woch, 6. Mai 2015, 20 Uhr 7. Abonnementkonzer t f Donnerstag, 7. Mai 2015, 20 Uhr 6. Abonnementkonzer t b Freitag, 8. Mai 2015, 20 Uhr 8. Abonnementkonzer t d Spielzeit 2014/2015 117. Spielzeit seit der Gründung 1893 Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016) Paul Müller, Intendant 2 Sergej Prokofjew: 2. Klavierkonzert g-Moll Zwischen Provokation und Klassizität Dorothea Redepenning Sergej Prokofjew (1891–1953) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 16 1. Andantino – Allegretto 2. Scherzo: Vivace 3. Intermezzo: Allegro moderato 4. Finale: Allegro tempestoso (Rekonstruierte Fassung von 1922/23) Entstehung Sein 2. Klavierkonzert schrieb Prokofjew von Herbst 1912 bis April 1913 noch während seines Studiums am St. Petersburger Konservatorium; das Manuskript des nach dem Uraufführungsskandal von Pawlowsk ungedruckt gebliebenen Werks ging in den Revolutionswirren verloren. Erst nach der Komposition eines 3. Klavierkonzerts (1921) erinnerte sich Prokofjew, der 1922/23 in Ettal (Oberbayern) lebte, des „verschollenen“ g-MollKonzerts; in Ettal versuchte er sein frühes Opus zu rekonstruieren, was notgedrungen Änderungen im Formverlauf und in der Instrumentation nach sich zog. Widmung Prokofjew widmete sein 2. Klavierkonzert dem Andenken des jungen deutschen Pianisten Maximilian Schmidthof, der im April 1913 durch Selbstmord ums Leben gekommen war; er zählte zu Prokofjews engsten Freunden und war sein Mitschüler am St. Petersburger Konservatorium. Uraufführung Lebensdaten des Komponisten Geboren am 11. (23.) April 1891 auf Gut Sonzowka bei Bachmut, Gouvernement Jekaterinoslaw, Russland; heute Krasnoe bei Krasnoarmijsk, Oblast Donezk, Ukraine; gestorben am 5. März 1953 in Moskau, am selben Tag wie der sowjetische Diktator Josef Stalin... 1. (verschollene) Fassung: Am 23. August (5. September) 1913 im Rahmen der alljährlichen Sommerkonzerte im Bahnhofssaal zu Pawlowsk bei St. Petersburg (Dirigent: Alexander P. Aslanow; Solist: Sergej Prokofjew). 2. (rekonstruierte) Fassung: Am 8. Mai 1924 in Paris (Dirigent: Sergej Kussewitzky; Solist: Sergej Prokofjew). Sergej Prokofjew: 2. Klavierkonzert g-Moll Sergej Prokofjew vollendete seine ersten beiden Klavierkonzerte zu einer Zeit, als er sich noch auf das Konzertexamen als Pianist vorbereitete. Als Komponist hatte er sein Studium bereits 1909 abgeschlossen – allerdings nur mit „gut“, zu sehr unterschieden sich seine ästhetischen Ansichten von denen seiner Lehrer. Das 1. Klavierkonzert präsentierte der junge Komponist erstmals 1912 in Moskau und in Pawlowsk; 1914 gewann er mit diesem Werk bei seinem offiziellen Abschlusskonzert als Pianist den hoch angesehenen Anton-RubinsteinPreis des St. Petersburger Konservatoriums. Musikalische Ohrfeigen Schon 1908 hatte Prokofjew einige Veranstalter der St. Petersburger „Abende für zeitgenössische Musik“ kennen gelernt, unter ihnen die Kritiker Wjatscheslaw Karatygin und Walter Nouvel (ein Freund Sergej Diaghilevs). Ziel dieser Konzertreihe, die seit 1900 existierte und Konzerte in St. Petersburg und im Sommer auch in Pawlowsk anbot, war es, Musik der Gegenwart, russische und ausländische, gezielt zu fördern. In diesem Rahmen debütierte Prokofjew 1908 mit eigenen Solo-Stücken; in seinen Erinnerungen sagt er, er sei der erste gewesen, der in diesem Rahmen Werke von Arnold Schönberg in Russland aufgeführt habe. Die „Abende für zeitgenössische Musik“ galten immer mehr als Forum der musikalischen Avantgarde, des unbedingten Fortschritts, des kühnen Experiments. 1912 hatte eine Gruppe progressiver und experimentierfreudiger russischer Schriftsteller, unter ihnen Wladimir Majakowskij, einen Text veröffentlicht mit dem Titel „Eine Ohrfeige 3 dem öffentlichen Geschmack“. Dieser Text, der frech provozierend zur Zerstörung aller überkommenen Werte aufruft, gilt als das erste Manifest der russischen Futuristen. Nur vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die Uraufführung von Prokofjews 2. Klavierkonzert einen tumultartigen Skandal auslöste, über den Prokofjew in seiner Autobiographie mit offensichtlichem Gefallen an der Rolle des „Enfant terrible“ berichtet: „Karatygin schrieb einen schmeichelhaften Artikel, andere gossen ihren Spott über mich aus. Im Feuilleton der ‚Petersburger Zeitung‘ hieß es: ‚Aufs Podium tritt ein junger Mann mit dem Gesichts eines Peterschülers, S. Prokofjew. Er setzt sich an den Flügel und beginnt, mal die Tasten abzuwischen und mal zu probieren, welche höher und welche tiefer klingen, und das mit einem spitzen, trockenen Anschlag. Das Publikum ist befremdet, einige sind erregt, andere stehen auf und stürzen zum Ausgang: ‚Von solcher Musik wird man irrsinnig !‘ Der Saal leert sich. Mit einem erbarmungslos dissonierenden Akkord der Blechbläser bricht das Klavierkonzert ab. Im Publikum entsteht ein regelrechter Skandal. Die Mehrzahl zischt. Prokofjew verbeugt sich herausfordernd und spielt noch einmal. Von allen Seiten sind Rufe zu hören wie: ‚Zum Teufel mit dieser Futuristenmusik ! Wir wollen Musik hören, die schön ist ! So etwas können uns zu Hause die Katzen vormachen !‘ Eine Gruppe von fortschrittlichen Rezensenten dagegen: ‚Genial ! Welche Jugendfrische ! Was für ein Temperament und für eine Urwüchsigkeit !‘ “ 4 Sergej Prokofjew: 2. Klavierkonzert g-Moll Rekonstruktion eines Originals 1914, nach dem Klavierexamen, reiste Prokofjew nach England. Hier machte ihn Nouvel mit Diaghilev bekannt. Prokofjew stellte sein 2. Klavierkonzert vor; und Diaghilev – sensibler Hörer und gleichsam Seismograph für alles Neue, Publikumswirksame – erfasste die eigenwillige Mischung aus Motorik und spröder Expressivität, so dass er vorschlug, aus der Partitur eine Ballettmusik zu machen. Daraus entwickelte sich ein Strawinskys „Sacre du Printemps“ nicht unähnliches Ballett-Projekt über die skythischen Gottheiten „Ala und Lolli“ – als es zuletzt scheiterte, formte Prokofjew aus dem bereits vorhandenem Material die „Skythische Suite“. Nach der Oktober-Revolution verließ Prokofjew Russland; im Mai 1818 reiste er über Sibirien und Japan in die USA, wo er sich – neben Sergej Rachmaninow – als Pianist zu etablieren hoffte. Als sich dieser Plan nicht verwirklichen ließ, siedelte sich Prokofjew im Oktober 1923 in Paris an, wo man seine Werke in den letzten Jahren bevorzugt aufgeführt hatte. Die Partitur des 2. Klavierkonzerts war in Russland geblieben und galt als verloren, so dass sich der Komponist genötigt sah, sie aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren – erst vor einigen Jahren wurde bekannt, dass Leute, die in den Notjahren in Prokofjews Wohnung untergebracht waren, die Partitur als Brennmaterial benutzt hatten. Es lässt sich nicht sagen, ob Prokofjew das Konzert mehr oder weniger unverändert ein zweites Mal niedergeschrieben oder ob er, was wahrscheinlicher ist, die rekonstruierte Fassung gegenüber der ersten abgemildert hat. Die ursprünglich provozierende Wirkung, auf die Prokofjew so stolz war, teilt sich jedenfalls heute kaum noch mit, und auch das Pariser Publikum fand 1924 mehrheitlich Gefallen an dem Werk. Symphonischer Bauplan Prokofjew gliedert es wie eine Symphonie in vier Sätze. Der 1. Satz beginnt „Andantino“ mit einem schlichten, gesanglichen Thema und punktierten Rhythmen im Klavier; das Thema hat die ungewöhnliche Vortragsbezeichnung „narrante“ (erzählend) und wird sogleich von den Holzbläsern aufgegriffen. Als Kontrast tritt – wechselnd zwischen Holzbläsern und Soloinstrument – ein Allegretto-Thema hinzu, das mit großen Intervallsprüngen und überraschenden harmonischen Wendungen den für Prokofjew typischen grotesken Tonfall ausprägt. In diesen zweiten Themenblock ist eine kantable Figur in den ersten Violinen eingearbeitet; sie erklingt leiser als alles Umgebende und trägt die seltsame Vortragsanweisung „senza expressione“. Der Satz mündet in eine ausgedehnte Kadenz des Solisten, die das punktierte und das tänzerisch-groteske Thema wie in einer Durchführung virtuos verarbeitet. Aus der Kadenz geht das Anfangstempo hervor, aber mit einem scheinbar neuen thematischen Block, der – vom gesamten Orchester mit Umspielungen begleitet – in den Blechblasinstrumenten erklingt. Dieses streng und düster wirkende Thema ist eine Variante der anfangs hinter „senza expressione“ 5 Sergej Prokofjew (um 1920) 6 Sergej Prokofjew: 2. Klavierkonzert g-Moll versteckten Kantilene. Als Coda dient ein Rückgriff auf das „narrante“-Thema des Beginns. musik an, verfremdet sie aber zu verminderten Quinten. Motorik, Statik und Archaik Folkloristisches Finale Der 2. Satz, „Scherzo“ überschrieben und durchweg „vivace“ vorzutragen, ist ein „perpetuum mobile“, das ganz von der Motorik einer gleichmäßigen Sechzehntel-Bewegung lebt. Die besondere Wirkung dieses Satzes geht vom Spannungsverhältnis zwischen der ebenmäßigen Motorik und den meist synkopisch eingesetzten Akzenten der Blechbläser aus, aber auch von den unerwarteten harmonischen Rückungen des Scherzo-Themas. Im Zentrum des Finales, des umfangreichsten Satzes, steht ein folkloristisches Thema, das von zahlreichen thematischen Blöcken umgeben ist. Den Anfang bildet eine Tutti-Passage, die sich durch metrische Unbestimmtheit auszeichnet, den Hörer also zunächst im Unklaren lässt. Es schließt sich ein Abschnitt aus eher unsanglichen Intervallen an (Klavier mit Streichern und Bläsern im Wechsel), der stark beschleunigt wird und in ein äußerst markantes Quint-Tritonus-Motiv der Tuba übergeht. Ruhigere Akkorde im Klavier leiten schließlich über in das folkloristische Thema. Es erklingt zunächst in den tiefen Holzbläsern und Bratschen; durch die dunklen Farben und die einfache QuintTritonus-Struktur gemahnt es an Kantilenen bei Mussorgskij oder auch bei Prokofjews Zeitgenossen Rachmaninow. Das Thema wird mehrfach variiert, zunächst als Klavier-Solo, dann als Dialog zwischen dem Solisten und verschiedenen Instrumenten des Orchesters; schließlich wird es beschleunigt und mündet in eine Kadenz. Als 3. Satz folgt ein „Intermezzo“ in mäßig schnellem Tempo. Möglicherweise war es gerade dieser Satz, in dem Diaghilev den Ballett-Komponisten Prokofjew erkannte; denn hier zeigt sich besonders deutlich jener „barbaro“-Ton, den der junge Prokofjew 1913 anstrebte und den Bartók und Strawinsky vor Ausbruch des ersten Weltkrieges kreiert hatten. Hier verwirklicht er sich im unerbittlichen Marschcharakter und vor allem in einer spezifischen Ostinato-Technik: Prokofjew nimmt rhythmisch gleichbleibende Modelle von einem oder von zwei Takten, oft mit sperrig klingenden Intervallen, und wiederholt bzw. verändert diese stets gleich strukturierten Taktgruppen nach Art eines Baukastenprinzips. Dieses Verfahren verleiht der Musik eine statische und zugleich archaisierende Wirkung, was sich besonders deutlich im Mittelteil zeigt, wo Prokofjew verschiedene Tritonus-Pendel zugrunde legt; damit spielt er unüberhörbar an die Bordun-Quinten der traditionellen Volks- Interessant ist, dass Prokofjew hier auf virtuosen Glanz verzichtet, sich statt dessen auf dunkle Akkordfolgen beschränkt und den Solisten erst allmählich in die beschleunigte Variante des Folklore-Themas zurückkehren lässt. Es schließt sich eine zweite Kadenz in ruhigem Tempo und über einem Triller der Klarinette an; dann erst kehrt nach einer dissonierenden Klangfolge der Bläser das metrisch unbestimm- 7 Die Spanierin Carolina Codina am Tag ihrer Hochzeit mit Sergej Prokofjew im ober bayerischen Ettal, wo die rekonstruierte Fassung des 2. Klavierkonzerts entstand (1923) 8 Sergej Prokofjew: 2. Klavierkonzert g-Moll te Eingangs-Tutti wieder; in die folgende Stretta teilen sich abwechselnd Klavier mit Fagott und Orchester-Tutti. Den „erbarmungslos dissonierenden Akkord der Blechbläser“, wenn er denn in der Rekonstruktion der Urfassung erhalten geblieben ist, nimmt man heute nicht mehr wahr: Prokofjew häuft zwar gegen Ende Klänge und Klangfolgen, die untereinander dissonieren, aber löst sie in den letzten drei Takten zum Grundton auf. Im Kreuzfeuer der Ideologien Wie bei seiner ersten Aufführung in Pawlowsk wurde Prokofjews g-Moll-Konzert noch zwei Jahre später als Zumutung und Provokation aufgefasst, als es 1915 erstmals in St. Petersburg erklang; gleichwohl wurde es bei dieser Gelegenheit von dem damals jungen Kritiker und Komponisten Boris Assafjew (alias Igor Glebow) überaus wohlwollend besprochen. Die KaiserlichRussische Musikgesellschaft und ihre Abonnenten hätten in dieser Saison „nicht nur gründlich mit Skrjabin Bekanntschaft machen, sondern sogar auch mit Strawinsky in Berührung kommen und außerdem auch noch das zweite Klavierkonzert Sergej Prokofjews über sich ergehen lassen“ müssen: „Und doch kam es so, dass dieser verwegene und von sich selbst überzeugte jugendliche Barbar mit seinem von Talent übersprudelnden Werk und seinem leidenschaftlichen Spiel das Publikum einnahm und überzeugte ! Und allen orthodoxen Musikussen zum Trotz, so sehr sie auch die Hände rangen und über die Außerachtlassung aller Regeln und Gesetze aufheulten: die angebliche ‚Prokofjew-Pest‘ erwies sich als so ansteckend, dass – abgesehen von einigen nicht ins Gewicht fallenden Protestversuchen und demonstrativ aus dem Saal Flüchtenden – entschieden ein zweifelloser Erfolg Prokofjews als Pianist wie als Komponist bezeugt werden kann.“ Es sollte einem ideologisch verbohrten Standpunkt vorbehalten bleiben, wie ihn u. a. Prokofjews Biograph Israil Nestjew 1957 vertrat, „Stilbrüche, formale Kompliziertheit und geistige Widersprüchlichkeit“ in diesem Konzert zu bemerken und ihm „Züge der Nervosität, ja sogar einer gewissen Krankhaftigkeit“ zu attestieren. Heutige Hörer nehmen stalinistische Wertungen wie diese genauso als historisches Kuriosum wie Prokofjews jugendlichen Stolz auf seine Rolle als Bürgerschreck. Sie sehen im g-MollKonzert eher einen „Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts“, der eine höchst originelle Lösung für ein viersätziges Solokonzert enthält: Behandeln die beiden Ecksätze den Kontrast zwischen lyrischer und tänzerisch-grotesker Haltung, so zeigen die beiden Mittelsätze, dass der archaisierende Ton, den Bartók 1911 mit seinem Klavierstück „Allegro barbaro“ etabliert hatte und mit dem zwei Jahre später Strawinsky in „Sacre du Printemps“ die Ballettmusik revolutionierte, auch im Rahmen eines mehrsätzigen Instrumentalkonzerts tragfähig ist. 9 Sergej Prokofjew am Klavier (um 1925) Johannes Symphonie Nr. c-Moll JohannesBrahms: Brahms:1. Symphonie 1 10 16 „Läßterer noch noch keine „Läßt keinePauken Pauken undDrommeten Drommenten erschallen erschallen ?“ und ?“ Regina Back Regina Back Johannes Brahms Entstehung (1833–1897) Nach zwei früheren Symphonieplänen, die jeweils in Werke anderer Gattungen mündeten, stellt die c-Moll-Symphonie Brahms’ dritten Versuch dar, sich der von Beethovens Vorbild geprägten symphonischen Großform zu nähern. Seit 1855 geplant, wurde die Komposition spätestens im 1. Halbjahr 1862 begonnen – wobei Brahms nach ersten Skizzen, die während eines Urlaubsaufenthaltes in Münster am Stein entstanden waren, nur eine sehr vorläufige Fassung des 1. Satzes zu Papier brachte. Clara Schumann und Brahms-Freund Joseph Joachim, die eine schnelle Beendigung der Symphonie erhofft hatten, wurden enttäuscht: „Hinter ‚Sinfonie von J. B.‘ magst Du noch einstweilen ein ‚?‘ setzen !“ Erst 12 Jahre später wurde die Arbeit wieder aufgenommen; auf der Ostseeinsel Rügen war Brahms im Sommer 1876 schließlich beim Finale angelangt, so dass er im September in Lichtenthal bei Baden-Baden sein Opus 68 beenden konnte. Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68 1. Un poco sostenuto – Allegro 2. Andante sostenuto 3. Un poco allegretto e grazioso 4. Adagio – Più andante – Allegro non troppo, ma con brio – Più allegro Lebensdaten des Komponisten Geboren am 7. Mai 1833 in Hamburg; gestorben am 3. April 1897 in Wien. Uraufführung Am 4. November 1876 in Karlsruhe (Großherzoglich-Badische Hofkapelle unter Leitung von Otto Dess off). Johannes Brahms: 1. Symphonie Symphonie Nr. c-Moll Johannes Brahms: 1 11 17 Traditionslast und Innovation „Das ist ein Berufener“ „Verzeih, dass ich Dir erst heute Deine Partitur zurückschicke ! Doch ich konnte mich schwer davon trennen ! [...] Dass der ganzen Symphonie ein ähnlicher Stimmungsgang zugrunde liegt wie der ‚Neunten‘ von Beethoven, ist mir beim Studium immer mehr aufgefallen, und doch tritt gerade Deine künstlerische Individualität in diesem Werke besonders rein hervor. Es ist sonderbar, die abgebrauchten Ausdrücke ,real‘ und ,ideal‘ von Musik zu brauchen, und doch weiß ich Dir kein anderes Epitheton beizulegen als die ‚Idealität‘ Deiner Inventionen und ihrer künstlerischen Entwicklung.“ Die Geschichte von Brahms' 1. Symphonie begann im Jahr 1853. Im September hatte Brahms das Künstlerehepaar Clara und Robert Schumann in Düsseldorf kennen gelernt, und kurze Zeit später veröffentlichte Robert Schumann in der von ihm herausgegebenen „Neuen Zeitschrift für Musik“ unter dem Titel „Neue Bahnen“ einen Artikel, in dem er Brahms mit prophetischen Worten beschrieb: „Er trug, auch im Aeußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen: das ist ein Berufener. [...] Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird, wo ihm die Mächte der Massen, im Chor und Orchester, ihre Kräfte leihen, so stehen uns noch wunderbarere Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt bevor.“ Den gerade 20-jährigen Johannes Brahms beflügelten diese Worte freilich nicht, sondern lähmten seine schöpferischen Kräfte auf symphonischem Gebiet in den nächsten Jahren ganz erheblich. Mit diesen Worten gab Theodor Billroth am 10. Dezember 1876 in einem Brief an seinen Freund Johannes Brahms seiner Begeisterung über dessen neueste Komposition Ausdruck. Wesentliche Charakterisierungen des Werks, die seine Rezeption von Anfang an bestimmen sollten, begegnen bereits hier, und sie lassen sich unter dem Stichwort der Beethoven-Nachfolge zusammenfassen. Brahms hatte es nicht leicht mit seinem symphonischen Erstlingswerk: Noch bevor er als kaum 20-jähriger an die Komposition einer Symphonie gedacht hatte, war Robert Schumann, sein erklärter Freund und Förderer, mit geradezu beängstigenden Vorschusslorbeeren für den jungen Komponisten an die Öffentlichkeit getreten, und kaum stellte Brahms, nun 42 Jahre alt, seine erste Symphonie dem Publikum vor, setzte man sie dem Vergleich mit dem „Gipfelwerk“ der Gattung aus, mit Ludwig van Beethovens 9. Symphonie. Auch die Entstehungsgeschichte des 1. Klavierkonzerts spiegelt die großen Selbstzweifel und den ungeheuren Erwartungsdruck, der auf dem Komponisten lastete, denn erst 1857, vier Jahre nach Schumanns Artikel, stellte Brahms das Werk fertig. Zunächst als Sonate für zwei Klaviere konzipiert, hatte Brahms sie vergeblich zu einer Symphonie umzuarbeiten versucht und dann aufgrund von Schwierigkeiten mit der Instrumentation sich für ein leichter zu orchestrierendes Klavierkonzert entschieden. Robert Schumann freilich verfolgte diese kompositorischen Versuche von Brahms sehr aufmerksam und fragte am 6. Januar 1854 beim gemeinsamen Freund Joseph Joachim nach: „Nun – wo ist Johannes, ist er bei Ihnen ? Dann grüßen Sie ihn. Fliegt er hoch – oder nur unter Blumen ? Läßt 12 18 Johannes Brahms: 1 Johannes Brahms: 1. Symphonie Symphonie Nr. c-Moll er noch keine Pauken und Drommeten erschallen ? Er soll sich immer an die Anfänge der Beethoven’ schen Sinfonien erinnern; er soll etwas Ähnliches zu machen suchen.“ „Riese Beethoven“ Auch ohne die Kenntnis von Schumanns Hinweis auf Beethoven war Brahms sich der großen Verantwortung bewusst, die es bedeutete, nach Beethovens revolutionären und Maßstäbe setzenden Werken mit einer Symphonie an die Öffentlichkeit zu treten. Nicht umsonst war die Gattung seit Beethovens Tod 1827 in eine Krise geraten und mehr und mehr ins Abseits des kompositorischen Interesses gerückt. Bereits 1859 hatte Brahms daher seinem Detmolder Freund Carl Bargheer erklärt: „Wenn man wagt, nach Beethoven noch Symphonien zu schreiben, so müssen die ganz anders aussehen.“ Und mehr als zehn Jahre später, nachdem immerhin schon eine frühe Fassung des Kopfsatzes der späteren 1. Symphonie vorlag, beichtete er dem Dirigenten Hermann Levi resigniert: „Ich werde nie eine Symphonie komponieren ! Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört.“ 1862 indes entstanden tatsächlich erste Skizzen zu einer Symphonie. Doch erst nach 14 Jahren hatte der inzwischen 42-jährige genügend Selbstvertrauen, um das Werk vollenden und es dem Publikum präsentieren zu können. Unter der Leitung von Otto Dessoff wurde sein Opus 68 am 4. November 1876 in Karlsruhe uraufgeführt und danach in Mannheim, München und Wien unter der Leitung des Komponisten nachgespielt. Zwar unterzog Brahms im Mai 1877 nach einer Auf- führungsserie in England den 2. Satz noch einer Revision, doch im Oktober des gleichen Jahres ging die Symphonie endgültig in Druck. „Zehnte Symphonie“ Begeisterte Kommentatoren fanden sich rasch, und so wurde Brahms nun als Beethovens legitimer „Nachfolger“, der die Krise der Symphonie im 19. Jahrhundert „überwinden“ konnte, inthronisiert. Der Dirigent Hans von Bülow brachte bereits 1877, ein Jahr nach der Karlsruher Uraufführung, das legendäre Wort von der „Zehnten“ auf: „Erst seit meiner Kenntnis der ‚zehnten Symphonie‘, alias der ersten Symphonie von Johannes Brahms, also erst seit sechs Wochen, bin ich so unzugänglich und hart gegen Bruch-Stücke und dergleichen geworden. Ich nenne sie die ‚Zehnte‘ nicht, als ob sie nach der ,Neunten‘ zu rangieren wäre; ich würde sie eher zwischen die ‚Zweite‘ und die ,Eroica‘ stellen.“ In der Tat erinnern zahlreiche Eigenschaften von Brahms’ 1. Symphonie an Beethoven und nicht zuletzt an dessen 9. Symphonie: Die dramaturgische Entwicklung „Per aspera ad astra“ (Durch Nacht zum Licht), die Einbeziehung einer pastoralen Alphornweise und eines religiösen Blechbläserchorals, vor allem aber die unverkennbare Anspielung auf den Freudenhymnus der 9. Symphonie im Hauptthema das Finalsatzes. Damit geriet Brahms nun ins Kreuzfeuer zweier rivalisierender Lager: Zwar hatte er mit seiner 1. Sympho nie ein Meisterwerk geschrieben, das von einflussreichen Kritikern wie Eduard Hanslick als Pfand für den Fortbestand der „Absoluten Musik“ gehandelt wurde; die sogenannte „Neudeutsche Schule“ hingegen sah im Musikdrama Richard Wag- 13 Johannes Brahms (1874) 14 20 Johannes Brahms: 1. Symphonie Symphonie Nr. c-Moll Johannes Brahms: 1 ners die konsequente Fortsetzung von Beethovens 9. Symphonie und wollte sich diesen Trumpf durch Brahms’ „Klassizismus“ nicht aus der Hand nehmen lassen. Entscheidend aber war die 1. Symphonie für Brahms’ ganz persönliche künstlerische Entwicklung, denn mit ihr hatte er die symphonische Hürde endlich genommen und sich des angewachsenen Erwartungsdrucks mit Bravour entledigt. „Das ist nun wohl etwas stark“ Der 1. Satz beginnt mit einer nachträglich hinzukomponierten langsamen Einleitung in c-Moll. Das hochdramatische „Un poco sostenuto“, das wesentliche Elemente des Satzes bereits vorwegnimmt, legt den kühnen Anspruch des Werks von Beginn an fest: Der unbeirrbar pochende Achtelpuls der Pauke und der Kontrabässe und das chromatisch aufsteigende Motiv über der fallenden Basslinie reißen ein spannungsreiches Panorama letzter Fragen auf und manifestieren musikalisch den Willen zur großen Form. „Allegro“ setzt dann das erste Thema des Sonatenhauptsatzes mit der auftrumpfenden Gebärde eines aufsteigend gebrochenen Dreiklangs in c-Moll ein, dessen energischer Impetus sich zu leidenschaftlicher Erregung steigert. Nach einer allmählichen Beruhigung breitet das zweite Thema, ganz auf kammermusikalische Besetzung reduziert, ein eher pastorales Ambiente aus: Die Oboe intoniert eine flehende Melodie, die von chromatisch absteigenden Elementen geprägt ist und in der Folge von Klarinette und Horn übernommen wird. Nach der energisch voranstürmenden Durchführung, in deren Mittelpunkt vor allem die Verarbeitung einzelner kurzer Motive steht, und einer wenig veränderten Reprise wartet die Coda noch einmal mit einer hochexpressiven Steigerung auf, die von einer lyrischen Streicher-Episode im Pizzicato abgefangen wird. Mit der Wiederaufnahme der langsamen Einleitung und insbesondere des nun sehnsuchtsvoll verklingenden Pochens der Pauke endet der Satz. Clara Schumann, der Brahms einen ersten Entwurf zur Ansicht vorgelegt hatte, schrieb am 1. Juli 1862 an den gemeinsamen Freund Joseph Joachim, der „kühne Anfang“ des Satzes sei „nun wohl etwas stark, aber ich habe mich sehr schnell daran gewöhnt. Der Satz ist voll wunderbarer Schönheiten, mit einer Meisterschaft die Motive behandelt, wie sie ihm ja so mehr und mehr eigen wird. Alles ist so interessant ineinander verwoben, dabei so schwungvoll wie ein erster Erguß; man genießt so recht in vollen Zügen, ohne an die Arbeit erinnert zu werden. Der Uebergang aus dem 2ten Theil wieder in den Ersten ist ihm wieder mal herrlich gelungen.“ Lyrik und Ländler Der 2. Satz, „Andante sostenuto“, wird in erster Linie von den Streichern dominiert, die gleichsam den Boden für die ruhige, weit ausschwingende Kantilene der Oboen bereiten. In der dreiteilig angelegten Liedform treten vor allem die Holzbläser thematisch hervor, und so wird die Melodie von der Oboe an die Klarinetten weitergereicht, bevor die Blechbläser die Idylle kurzzeitig mit bedrohlichen Klängen trüben. Der Mittelteil macht sich zunächst durch die triolische Weitung der Bewegung bemerkbar, bis ein tröstlicher Gedanke von den Streichern exponiert wird, der dann in der klanglich besonders aparten Kombination von Solovioline und Horn erklingt. 15 Nach der Karlsruher Uraufführung von 1876: Johannes Brahms zwischen seinen Freunden Julius Allgeyer (links) und Hermann Levi (rechts) 16 22 Johannes Brahms: 1. Symphonie Symphonie Nr. c-Moll Johannes Brahms: 1 Als 3. Satz figuriert das ebenfalls dreiteilig angelegte „Un poco allegretto e grazioso“, das weniger scherzo- als ländlerartige Züge trägt. Die Klarinette präsentiert zunächst die „dolce“ vorzutragende, kantable Melodie, die von einem charakteristischen 2/4-Takt grundiert und in der Folge von den Streichern übernommen wird. Das Trio wartet mit dramatischem Potential der Blechbläser auf, das sich rhythmisch gesteigert entfaltet, bevor der A-Teil leicht variiert wiederkehrt. Alphornweise, Choral und „Freuden“-Thema Das gewaltige Finale, das in c-Moll beginnt und sich dem Motto „Per aspera ad astra“ gemäß zum lichten C-Dur hin entwickelt, verweist mit seiner umfangreichen Einleitung zunächst auf den Kopfsatz. Auch hier erklingen im Ansatz bereits Elemente des Folgenden: Nach der pathetischen Geste eines Paukenschlags und dem expressiven Intervall einer aufsteigenden Quinte in den Violinen erklingt das Kernmotiv des im Hauptteil exponierten zentralen Themas. Streicher-Pizzicati und ein Trommelwirbel bereiten dann – immer noch in der Einleitung ! - den Eintritt der berühmten Alphornweise vor: „Hoch auf’m Berg, tief im Thal, grüß ich dich viel tausendmal !“ Bereits am 12. September 1868, acht Jahre vor Vollendung der Komposition, hatte Brahms mit diesem Notengruß Clara Schumann postalisch aus der Schweiz zum 49. Geburtstag gratuliert, und möglicherweise reifte damals schon die Idee, ihn in den Finalsatz seiner Symphonie mit ein zu beziehen. Nach dem Wechsel der Melodie von den Hörnern zur Flöte, der gleichzeitig die dramaturgische Wende des Satzes von c-Moll nach C-Dur markiert, schließt sich ein fei- erlicher dreistimmiger Posaunenchoral an, der in der Folge mit dem Liedthema kombiniert wird. Erst nach dieser für eine Einleitung extrem dichten Themenfolge setzt nun das „Allegro non troppo, ma con brio“ ein, und mit ihm das eigentliche Hauptthema, das aufgrund seines hymnischen Charakters und der unüberhörbaren Anklänge an Beethovens „Ode an die Freude“ aus dem Finalsatz seiner 9. Symphonie schon in den ersten Besprech ungen nach der Uraufführung als „Freuden“-Thema betitelt wurde. In Theodor Billroths an Brahms gerichteten Zeilen vom 10. Dezember 1876 heißt es diesbezüglich: „Den letzten Satz habe ich am vollkommensten bewältigt; er erscheint mir von herrlichster, großartigster Vollendung und hat mich oft an die architektonische Behandlung des ‚Triumphliedes‘ erinnert; das Hauptmotiv erscheint wie ein weihevoller Hymnus, erhaben, über allem wie verklärt liegend.“ Eine gedrängte, kaleidoskopartige Durchführung, die immer wieder mit episodischen Anklängen an die Alphornweise aufwartet, schließt sich an, bis das „Freuden“-Thema in einer grandiosen C-Dur-Reprise wiederkehrt, die allerdings weitere Entwicklungen nach sich zieht: BlechbläserEinwürfe begleiten die nun folgende dramatische Steigerung, als deren strahlender Höhepunkt die Alphornweise als Hymnus über erhabenen Paukenschlägen erklingt, bevor der Bläserchoral der Einleitung – nun im Glanz des vollen Orchesters – die Symphonie beendet. 17 „Also blies das Alphorn heut“: Das triumphale Hornthema des letzten Satzes, im Sommer 1868 in der Schweiz notiert und Clara Schumann zum 49. Geburtstag dediziert Wilhelm Nowak: Das Arbeitszimmer des Komponisten am Wiener Karlsplatz, mit der alles beherrschenden Beethoven-Büste von Franz Klein über dem Flügel (1904) 18 Die Künstler Michał Nesterowicz Dirigent beim Orchestre National Bordeaux-Aquitaine, beim Orchestra della Svizzera Italiana und beim National Taiwan Symphony Orchestra in China. Er dirigierte darüber hinaus das Tonhalle-Orchester Zürich und das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. Seit Michał Nesterowicz im Jahr 2008 den europäischen Dirigentenwettbewerb des Orques tra de Cadaqués gewann, hat er viele der wichtigsten Klangkörper und Ensembles in Spanien, der Schweiz, Italien, Polen und Großbritannien dirigiert. In der laufenden Spielzeit dirigiert Michał Nesterowicz zum ersten Mal das WDR-Sinfonieorchester Köln, das NDR-Sinfonieorchester Hamburg, das Orchestre Philharmonique du Luxembourg, das Orchestre Philharmonique de Nice, das Bilbao Orkestra Sinfonikoa, das Tampere Philharmonic Orchestra und das Orchestra Filarmônica de Minas Gerais. Er kehrt außerdem zurück zum Sinfonieorchester Basel, zum Orquestra Simfònica de Barcelona, zum Orquesta Sinfónica de Galicia, zum Staatsorchester Athen und zum Royal Philharmonic Orchestra London. In der letzten Spielzeit feierte Michał Nesterowicz erfolgreiche Debüts beim Royal Scottish National Orchestra, In seiner dritten Spielzeit als Künstlerischer Leiter des Orquesta Sinfónica de Tenerife setzt Michał Nesterowicz die Arbeit an den symphonischen Zyklen von Mahler, Brahms und Schumann fort. Auch die späten Dvorˇ ák-Symphonien und Lutosławskis Konzert für Orchester stehen auf dem Programm. Michał Nesterowicz studierte bis 1997 an der Karol-Lipinski-Musikakademie Breslau bei Marek Pijarowski. Er gehörte zu den Gewinnern des 6. Internationalen Grzegorz Fitelberg Dirigierwettbewerbs in Kattowitz. In der Vergangenheit war er Künstlerischer Leiter der Baltischen Philharmonie Danzig und Chefdirigent des Orquesta Sinfónica de Chile. Die Künstler 19 Yuja Wang Klavier monic Orchestra, mit dem sie in der darauffolgenden Saison unter Leitung von Lorin Maazel auf Konzertreise nach Japan und Korea ging. 2008 tourte die Künstlerin mit der Academy of St. Martin in the Fields und Neville Marriner durch die USA, 2009 spielte sie mit dem You Tube Symphony Orchestra unter Michael Tilson Thomas in der Carnegie Hall. Die aus China stammende Pianistin besuchte das Musikkonservatorium von Beijing, wo sie von Ling Yuan und Zhou Guangren unterrichtet wurde. Von 1999 bis 2001 nahm sie am Morningside Music Summer Program des Mou nt Royal College teil, einem künstlerisch-kulturellen Austauschprogramm zwischen Kanada und China. Am Mount Royal College Conservatory begann Yuja Wang ihr Studium bei Hung-Kuan Chen und Tema Blackstone, bevor sie es in den USA bei Gary Graffman am Curtis Institute of Music in Philadelphia fortführte und beendete. 2006 wurde sie mit dem Gilmore Young Artist Award ausgezeichnet, 2010 folgte der renommierte Avery Fisher Career Grant. Seit sie 2005 mit dem National Arts Center Orchestra unter Leitung von Pinchas Zukerman debütierte, ist Yuja Wang mit vielen der weltweit bedeutendsten Orchester aufgetreten. 2006 gab sie ihren Einstand beim New York Philhar- Yuja Wang gibt regelmäßig Recitals in den Musikmetropolen Asiens, Europas und Nordamerikas. Als leidenschaftliche Kammermusikerin gastiert sie bei zahlreichen Festivals, so u. a. regelmäßig beim Verbier Festival in der Schweiz. 2011 spielte Yuja Wang mit Solisten der Berliner Philharmoniker drei Kammermusik-Programme in der Salle Pleyel in Paris, jüngst präsentierte sie in mehreren Konzerten mit dem griechischen Geiger Leonidas Kavakos alle Violinsonaten von Johannes Brahms. In der vergangenen Saison lud das London Symphony Orchestra Yuja Wang für seine Reihe „LSO Artist Portraits“ ein, in der laufenden Saison ist sie Artist-in-Residence beim Tonhalle-Orchester Zürich. Zweimal wurde Yuja Wang als „Young Artist of the Year“ ausgezeichnet, zuletzt im Rahmen einer ECHO Klassik-Preisverleihung. Für einen Grammy in der Kategorie „Best Classical Instrumental Solo“ wurde die Pianistin nominiert, nachdem sie zusammen mit Claudio Abbado und dem Mahler Chamber Orchestra konzertante Werke von Sergej Rachmaninow eingespielt hatte. Ph ilh a Bl rm ät on te is r ch e 20 24 Auftakt „Ewig jung“ Die Kolumne von Elke Heidenreich Eine Fülle wunderbarer Konzerte können Sie in den nächsten Wochen bei den Münchner Philharmonikern hören, wohlbekannte alte und herausfordernde neue Musik, und es ist für mich immer wieder ein schönes Wunder, dass die Konzertsäle, wo auch immer, fast voll werden mit Zuhörern. Da spielen Menschen für andere Menschen Musik, die man doch auch zuhause auf CD oder im Radio hören könnte – aber nein, man macht sich auf in den Konzertsaal, zahlt sogar Eintritt, nur, um zusammen zuzuhören. Das klingt altmodisch und ist es auch – schon etwa seit dem 17. Jahrhundert gibt es diese Art Konzerte. Früher fanden sie in Kirchen oder an Fürstenhöfen statt, und dann kam um die Mitte des 17. Jahrhunderts in England ein Mr. Bannister auf die Idee, Konzerte in Tavernen, in Kneipen spielen zu lassen, gegen einen kleinen Eintritt. Das wurde ein großer Erfolg, auch Mozart hat noch in Tavernen gespielt, als er London besuchte. Und so, kann man sagen, kam die Musik endgültig unters Volk. Bis heute können wir wählen zwischen einem Jazzoder Rockkonzert, einem Konzert von Helene Fischer oder den Wiener Sängerknaben, zwischen klassischem Konzert mit Bekanntem oder Konzerten, die neue Musik anbieten. Oft wird das Neue mit dem Alten gemischt, damit es eine Chance hat, auch gehört zu werden, und ich habe schon Konzerte erlebt, wo man sich nach Beethoven vor dem „Neutöner“ fürchtete und dann nach dem Neuem eigentlich nichts Altes mehr hören wollte. Wir kennen so viele Stücke, aber im Konzertsaal live klingen sie plötzlich wieder anders, je nach Dirigent schon sowieso. Ich frage mich oft – und ja nicht nur ich – ob das Konzert eine aussterbende, eine altmodische Gattung ist. Aber dann sehe ich in Köln, wo ich lebe, über tausend Menschen donnerstags zu den kostenlosen Mittagskonzerten in die Philharmonie strömen – oft ungeübte Zuhörer, die einfach mal eben vom Bahnhof oder Dom nebenan für eine halbe Stunde reinschneien. Und München bietet in Kooperation mit Kulturraum Konzerte für sozial schwache Menschen an, die Philharmoniker gehen unter der Überschrift „Spielfeld Klassik“ gezielt auf junge Hörer in Schulen, der Uni oder sogar Kindergärten zu, spielen in Clubs und Off-Locations, jungen und alten Menschen wird der Besuch von Generalproben ermöglicht, und all diese Angebote werden dankbar angenommen. Also: von wegen, das klassische Konzert ist ein Anachronismus! Sein Ende wurde schon oft heraufbeschworen – als die Mäzene an den Fürstenhöfen wegfielen, als Radio und Schallplatte aufkamen, aber die Begegnung Künstler-Publikum hat überdauert. Die Zahl der in Deutschland jährlich gespielten Konzerte geht in die Tausende, die der Besucher liegt bei rund vier Millionen, nach den letzten Zahlen, die ich kenne. Sie gehören dazu. Eine gute Entscheidung! Herzlich Willkommen Quirin Willert (Wecheselposaune) und unser ehemaliger Akademist Thomas Hille (Kontrabass) treten ab März ihren Dienst bei uns an. Wir freuen uns und wünschen alles Gute für das Probejahr! Auch unsere ehemalige Akademistin Yushan Li (Viola) kehrt zurück. Direkt nach ihrem bestandenen Probespiel ging sie in ein halbes Jahr in Babypause, im April beginnt sie ihr Probejahr. Ihr Ehemann Valentin Eichler, ebenfalls Bratschist bei uns, geht dafür in Elternzeit. Orchesterakademie Wir haben drei neue Akademisten: Johannes Treutlein (Kontrabass) ist seit März Mitglied unserer Orchesterakademie, Philipp Lang (Trompete) und Vicente Climent Calatayud (Posaune) seit April. Leitbild Auch wir haben nun ein Leitbild, das in den letzten Monaten von einem Gremium aus Orchestermusikern und Kollegen der Direktion erarbeitet wurde. Verabschiedet wurde dieses Leitbild feier lich mit einem Neujahrs-Umtrunk nach einem Konzert. Einzusehen ist unser Leitbild auf www.mphil.de e ch is on m er a r ä tt ilh B l Ph Philharmonische Notizen 21 25 Herzlichen Glückwunsch Die Münchner Philharmoniker gratulieren ihrem ehemaligen Solo-Bratschisten Sigfried Meinecke zum 99. Geburtstag! Fußball Wetterbedingt wurden die Trainingseinheiten unserer Fußballmannschaft auf Eis gelegt. Aber auch bei uns wird die Winterpause zu harten Verhandlungen genützt: die Termine für die nächsten Trainingsstunden mit Konstantin Sellheim stehen! Sollte der Frühling noch so sonnig werden – die Fußballmannschaft der Staatsoper kann sich schon mal warm anziehen. MPhil vor Ort Egal ob Club oder Hofbräuhaus, wir sind dabei! Im Januar gab es ein weiteres Konzert in der MPhil vor Ort-Reihe mit Holleschek+Schlick, dieses Mal im Postpalast an der Hackerbrücke. Erst Beethovens 6. Symphonie und „The Light“ von Philip Glass, anschließend Fest mit Disc- und Video-Jockeys und einem Überraschungs-Auftritt um 1 Uhr. Ph ilh a Bl rm ät on te is r ch e 22 26 Wir gratulieren... ...Mia Aselmeyer und Jano Lisboa zum bestandenen Probejahr Mia Aselmeyer wurde 1989 in Bonn geboren, wo sie auch aufwuchs. Ihren ersten Hornunterricht erhielt sie im Alter von neun Jahren bei Rohan Richards, Hornist des Beethoven Orchesters Bonn. Während eines einjährigen High-School-Aufenthalts in Michigan, USA, feierte sie mit mehreren Ensembles verschiedene Wettbewerbserfolge. Vor dem Abitur war sie Jungstudentin bei Paul van Zelm an der Kölner Musikhochschule und wechselte dann an die Hochschule für Musik und Theater Hamburg, wo sie bei Ab Koster ihr Hauptfachstudium absolvierte. Währenddessen war sie Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie, des Orchesters des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals sowie zahlreichen Kammermusikensembles. Von 2011 bis 2013 war sie Mitglied der Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Außerdem war sie Stipendiatin des Vereins Yehudi Menuhin Live Music Now. Ihre Orchestertätigkeiten führten Mia Aselmeyer an bedeutende Konzerthäuser Europas, Amerikas und Asiens. Für die Saison 2013/14 erhielt sie einen Zeitvertrag bei den Münchner Philharmonikern, seit Beginn der Saison 2014/15 ist sie festes Mitglied der Horn-Gruppe. e ch is on m er a r ä tt ilh B l Ph Wir gratulieren... 23 27 Geboren in Viana de Castelo in Portugal, bekam Jano Lisboa im Alter von 13 Jahren Viola-Unterricht. Er setzte seine Ausbildung bei Kim Kashkashian am New England Conservatory in Boston fort und schloss sein Studium in den USA mit dem Master of Music ab. Außerdem studierte er Streichquartett bei Rainer Schmidt (Hagen Quartett) an der Reina Sofia Music School in Madrid. Regelmäßig tritt Jano Lisboa bei Solo – und Kammermusikkonzerten in Europa, USA, Brasilien und Afrika auf. Jano Lisboa arbeitete mit Tigran Mansurian an dessen Violakonzert „…and then I was in time again“, führte Fernando Lopes-Graças „Viola Concertino“ mit dem Orquestra do Norte und das Viola-Konzert von Alexandre Delgado mit dem Gulbenkian Orchestra in Lissabon auf. Er ist Gewinner des „Prémio Jovens Músicos“ (Lissabon), des „NEC Mozart Concerto Competition“ (2006, Boston, USA) und des „Watson Forbes International Viola Competitions“ (2009, Schottland). Darüber hinaus wurde Jano Lisboa mit der Bürgerverdienstmedaille seiner Heimatstadt ausgezeichnet. Jano Lisboa war Mitglied des Münchener Kammerorchesters und Künstlerischer Leiter des Kammermusik-Festivals Viana in Portugal. Seit September 2013 ist er der Solobratschist der Münchner Philharmoniker. Er spielt eine Bratsche von Ettore Siega von 1932 mit einem Bogen von Benoît Rolland. Ph ilh a Bl rm ät on te is r ch e 24 28 Symposium in Buchenried Das Musiksymposium am Starnberger See Simone Siwek Von 3.–6. Januar 2015 trafen sich zum zweiten Mal Neugierige, Musikinteressierte und Profis am Starnberger See in Buchenried, einem Haus der Münchner Volkshochschule. Im Januar 2014 startete die Reihe mit dem Titel „Musik ist Kommunikation“, das diesjährige Thema lautete „Musik ist Idee“. Haus Buchenried bietet nach dem Umbau attraktive Seminarräume, aber auch Übernachtungsmöglichkeiten – beides in großartiger Lage. So entstand die Idee, in Kooperation zwischen der Münchner Volkshochschule, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und den Münchner Philharmonikern ein Projekt für diesen Ort zu entwickeln. Das Musiksymposium bietet eine besonders persönliche und ambitionierte Beschäftigung mit Aspekten des Musizierens in einem Kreis zwischen 30 und 40 Teilnehmern – für die Menschen, die sie rezipieren ebenso wie für diejenigen, die sie zu ihrem Beruf gemacht haben. Idee und Konzept zum Musiksymposium stammen von Gunter Pretzel, Bratschist der Münchner Philharmoniker: Drei Tage im allerersten Beginn des Jahres, noch außerhalb jeder Zeit, fern jeden Alltags; drei Tage voller Klang, Ideen, Bildern und Begegnungen; eine Auszeit im Innersten der Musik: dies sind die Symposien in Buchenried am Starnberger See. In diesem Jahr war es der Intuition gewidmet und damit der Frage nach dem Entstehen von Musik im Moment ihres Erklingens. Denn nicht jede erklingende Notenfolge ist zugleich auch schon Musik. Musik kann entstehen – oder auch nicht. Was ge- schieht im Entstehen von Musik? Wie erarbeitet sich der Musiker das Werk, wie geht er auf die Bühne, was muss er tun, dass Musik entstehen, dass Musik sich ereignen kann? Dabei ist die Frage nach dem Entstehen von Musik im Moment ihres Erklingens das Leitmotiv, das alle diese Symposien verbindet. Sie ist wahrlich nicht einfach zu beantworten, wenn es denn überhaupt möglich ist. Aber wenn die Dozenten und Interpreten bereit sind, in aller Offenheit sich mitzuteilen, dann führt diese Fragestellung zu einer Nähe von sich Mitteilenden und Hörenden, die sonst kaum zu erreichen ist. Gunter Pretzel und Prof. Peter Gülke Das Wort ist hier nur eines von vielen Formen der Mitteilung: kommentierte Proben, in denen der Musiker sein Denken dem Publikum eröffnet, Klangspaziergänge, die zu eigenem kreativen Hören anstiften, Performances, in denen das Thema wie ein e ch is on m er a r ä tt ilh B l Ph Symposium in Buchenried 25 29 künstlerisches Motiv aufscheint und Anleitungen zu konzentriertem Hören umschreiben das Gemeinte vielfältig und facettenreich. Ein Begriff wie der der Intuition, der sich ja jedem sprachlichen Zugriff entzieht, bleibt so gewärtig, ohne sein Geheimnis und damit seine Faszinationskraft zu verlieren. Mit einer offen gebliebenen Frage bleibt auch die Wahrnehmung geöffnet. So wird sie mitgenommen in alle weiteren Begegnungen mit Musik, auf die der Hörer sich in dem dann folgenden Jahr einlässt. Er wird feststellen, wie sich sein Hören sensibilisiert hat und er wird noch intensiver bereit sein, sich auf das Mit-Teilen des Künstlers einzulassen. Die Programme von SPIELFELD KLASSIK wollen Neugierigen die Möglichkeit geben, der Musik zu begegnen und gemeinsam Entdeckungen zu machen. Daher wurde die Idee von Gunter Pretzel gerne in die Tat umgesetzt. Er gestaltet die Tage jeweils gemeinsam mit Marianne Müller-Brandeck (MVHS), Heike Lies (Kulturreferat München) und Simone Siwek (Münchner Philharmoniker). Neben den Inhalten und allem Organisatorischen liegt der Fokus auch darauf, interessante Dozenten und Mitwirkende zu gewinnen. Allen voran Ernst von Siemens Musikpreisträger, Dirigent und Musikwissenschaftler Prof. Peter Gülke, der das Symposium seit seiner Premiere im Januar 2014 mit Vorträgen und Gesprächen prägt. Auch für die Fortsetzung im Januar 2016 hat er seine Teilnahme wieder bestätigt. Weitere Mitwirkende sind Daniel Ott und Manos Tsangaris (Leitung der Münchner Biennale ab 2016), Prof. Denis Rouger (Professur für Chorlei- HAUSCHKA während der Probe mit Florentine Lenz und Traudel Reich tung an der Musikhochschule Stuttgart), Dr. Thomas Girst (BMW Group, Kulturengagement), Komponist und Pianist HAUSCHKA, Komponist und Jazztrompeter Matthias Schriefl. Musikerinnen und Musiker der Münchner Philharmoniker sind in Ensembles beteiligt und gehen musikalische Experimente ein, wenn sie z.B. auf den Jazztrompeter Matthias Schriefl oder Pianist HAUSCHKA treffen. Beide komponierten eigens für diesen Anlass und arbeiteten mit den Ensembles vor Ort. Die Planungen für 3.–6.1.2016 sind in vollem Gange. Weitere Infos erhalten Sie unter spielfeld-klassik.de Ph ilh a Bl rm ät on te is r ch e 26 30 Orchestergeschichte Ein Konzert zwischen Königreich und Republik Gabriele E. Meyer Am 7. November 1918 kam es im Zusammenhang einer Friedenskundgebung auf der Theresienwiese zu einem Massenaufstand, der noch am selben Abend die Herrschaft der Wittelsbacher beenden sollte. An jenem Abend dieses „Schicksalsmoments“, so Bruno Walter in seinen Erinnerungen, fand auch ein Konzert der Münchner Philharmoniker (damals noch unter dem Namen Konzertvereinsorchester musizierend) statt. Hans Pfitzner, der gegen Ende des Ersten Weltkrieges Hals über Kopf seine Straßburger Stellung als Opernchef, Orchesterleiter und Konservatoriumsdirektor aufgeben musste und zunächst notdürftig in der Residenzstadt München untergekommen war, hatte die Leitung übernommen. Auf dem Programm standen Haydns B-DurSymphonie von 1782, Schumanns 4. Symphonie und Webers „Oberon“-Ouvertüre, sodann die „Nachtigallen“-Arie aus Händels Oratorium „L’Allegro, il Pensieroso ed il Moderato“. Zu hören waren außerdem Klavierlieder von Brahms und vom Komponisten selbst, wobei Pfitzner auch als Liedbegleiter auftrat, eine damals noch gängige Praxis in Orchesterkonzerten. Angesichts der sich überschlagenden Schreckensnachrichten schon tagsüber machten sich verständlicherweise nur unerschrockene Konzertbesucher auf den Weg in die Tonhalle, unter ihnen auch die Musikrezensenten von der „Münchner Post“ und den „Münchner Neuesten Nachrichten“. Zu Beginn des Konzerts lebte man noch im Königreich Bayern, am Ende hatte Kurt Eisner bereits die Republik ausgerufen und den Freistaat Bayern proklamiert. Von den ohnehin nicht zahlreichen Zuhörern scheint angesichts der bis in den Saal vernehmbaren Schießereien nur eine Handvoll bis zum letzten Programmpunkt ausgeharrt zu haben. Erst sehr viel später, am 20. bzw. 26. November, erschienen die beiden Besprechungen. Der just zu der Zeit als Kritiker der „MP“ tätige Musikwissenschaftler Alfred Einstein sprach „von Kunsterlebnissen höchster Art, wie sie nur ein geniales Musikertum vermitteln kann“. Diesen Eindruck bestätigten fast acht Tage später auch die „MNN“. „Pfitzner hat es vermocht“, ließ R. W. die Leser wissen, „mit der Symphonie in B-dur von Haydn, der Oberon-Ouvertüre von Weber und ganz besonders mit der hinreißend schwungvoll gestalteten Symphonie in d-moll von Schumann das Publikum zu begeistern. Man erlebte es einmal wieder, was es bedeutet, wenn eine schöpferische künstlerische Persönlichkeit von der Bedeutung Pfitzners zum Dirigentenstab greift.“ Insbesondere die trotz aller straffen und strengen Rhythmik elastisch federnde Agogik, die feine Dynamisierung und die ungewohnt rascheren Allegrotempi hatten es dem Rezensenten angetan. Solistin des Abends war die Dresdner Sopranistin Gertrud Meinel, die, neben der „Nachtigallen“-Arie, noch einige Lieder „von Pfitzner hervorragend schön am Klavier begleitet“ sehr „empfindungsfähig“ vortrug. Pfitzner musste eigentlich zufrieden sein. Der hypersensible Komponist aber stand, nicht zum ersten Mal in seinem Leben, unter dem Eindruck, „daß nur ihm eine solche revolutionäre Unannehmlichkeit“ (Bruno Walter), wie er sie an jenem 7. November erlebt hatte, passieren könne. e ch is on m er a r ä tt ilh B l Ph Das letzte Wort hat... 27 31 Komponist und Pianist HAUSCHKA Volker Bertelmann Als mich Heike Lies vom Münchner Kulturreferat zum ersten Mal anschrieb, ob ich nicht Lust hätte, bei einem Symposium in Buchenried mit Musikern der Münchner Philharmoniker zu arbeiten, da fiel diese Anfrage genau in eine Zeit, in der mein Interesse für die Zusammenarbeit mit klassischen Musikern in ein neues Stadium kam. Ich hatte gerade ein Angebot beim MDR Symphonieorchester in Leipzig (Anm: als Artist in Residence) angenommen und war somit schon auf der Suche, wie ich Klang im skulpturalen Sinne in eine Komposition einbringen und wie deren Umsetzung aussehen kann. Ich sagte zu und war sehr schnell mit Gunter Pretzel und Simone Siwek im Gespräch über inhaltliche Fragen bezüglich experimenteller Musik und über die Besetzung. Eine der maßgeblichen Fragen, die mich umtreibt, ist: wie bekomme ich den Sound aus meinen präparierten Klavierstücken in ein Ensemble oder Orchester transportiert? Denn viele der Sounds, die sich in meinen Kompositionen entwickeln, entstehen erst vor Ort und auch in Abhängigkeit von Instrument und Raum. Ich habe mich für verschiedene Stufen der Arbeit in den nächsten Jahren entschieden, in denen ich den Klang des Orchesters mit fertig notierten Kompositionen für mich auslote und gleichzeitig freie Improvisationen als Inspirationsquelle, aber auch als Zulassen des Zufallsereignisses in meine Musik und Arbeit mit klassischen Musikern einbaue. Bei meiner Zusammenarbeit mit Hilary Hahn ist es zum Beispiel ein wunderbares Gefühl für uns beide, aus unserem Fundus an musikalisch erlerntem Wissen zu schöpfen und es gezielt abzurufen, ohne Themen aus unserer gemeinsamen CD (Anm: „Silfra“ Hilary Hahn & Hauschka, 2012) zu vergessen. Mit all den Gedanken traf ich mich nun zur Improvisation mit acht Musikerinnen und Musikern der Münchner Philharmoniker und versuchte herauszufinden, wie die Psychologie in unserer Gruppe funktioniert. Wie erlangt man Zugang zu dem Repertoire, das man in sich trägt, welches aber oft mit Ängsten und Zweifeln besetzt ist? Oft ist das Wissen in vielen Jahren abtrainiert worden und muss wieder reaktiviert werden. Wir spielten etwa eineinhalb Stunden und ich hatte große Freude, denn es waren allesamt Menschen, die Lust auf Neues hatten, die Lust hatten, Unsicherheiten zu überwinden – und es waren alles wundervolle Musiker! Es ging hier nicht – wie gerne angenommen wird – darum, irgend etwas zu revolutionieren oder die übliche Art Musik zu machen in Frage zu stellen. Sondern um einen Teil, der auch zum Musikmachen dazugehört, nämlich mit Kraft nach dem eigenen Ausdruck zu suchen und vielleicht etwas zu formen, das unserer gemeinsamen Vorstellung von Musik entspricht. Viele Pläne gibt‘s und ich hoffe, die Zusammenarbeit geht weiter. 28 Do. 14.05.2015, 19:00 Uhr Konzert des MPHILAbonnentenorchesters Vorschau So. 17.05.2015, 11:00 Uhr 7. KaKo Mo. 18.05.2015, 19:00 Uhr 4. JuKo „Der Freischütz“ Mikhail Glinka Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmila“ Christoph Willibald Gluck Ballettsuite (Ballettstücke aus Opern, arrangiert von Felix Mottl) Johann Nepomuk Hummel Oktett-Partita für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte und zwei Hörner Es-Dur Richard Wagner „Wesendonck-Lieder“ für Sopran und Orchester (arrangiert von Felix Mottl) Carl Maria von Weber „Der Freischütz“ in einer Bearbei tung für Bläseroktett und Kontrabass Georges Bizet „Habanera“ und „Seguidilla“ aus „Carmen“ Marie-Luise Modersohn, Oboe Bernhard Berwanger, Oboe Albert Osterhammer, Klarinette Matthias Ambrosius, Klarinette Sebastian Stevensson, Fagott Barbara Kehrig, Fagott Jörg Brückner, Horn Mia Aselmeyer, Horn Sławomir Grenda, Kontrabass Pablo de Sarasate „Carmen-Fantasie“ für Violine und Orchester op. 25 Georges Bizet Stücke aus den „Carmen“-Suiten Nr. 1 und Nr. 2 Pjotr Iljitsch Tschaikowsky Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Mitglieder des Jugendsinfonieorchesters ODEON und der Münchner Philharmoniker Julio Doggenweiler Fernández, Einstudierung ODEON / Dirigent Christian Vasquéz, Dirigent Theresa Holzhauser, Mezzosopran Sreten Krsticˇ, Violine Menyhert Arnold, Trompete TänzerInnen der B&M Dance Company (Leitung: Laurel Benedict-Manniegel) Heinz Manniegel, Choreographie Abonnentenorchester der Münchner Philharmoniker Heinrich Klug, Dirigent Impressum Herausgeber Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4, 81667 München Lektorat: Stephan Kohler Corporate Design: Graphik: dm druckmedien gmbh, München Druck: Color Offset GmbH, Geretsrieder Str. 10, 81379 München Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt. Textnachweise Dorothea Redepenning, Regina Back, Elke Heidenreich, Monika Laxgang, Simone Siwek, Gabriele E. Meyer und Volker Bertelmann schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Die lexikalischen Werkangaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken verfasste Stephan Kohler. Künstlerbiographien (Nesterowicz, Wang): Aus Agenturtexten. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungsund kostenpflichtig. Bildnachweise Abbildungen zu Sergej Prokofjew: Sergej Prokofjew, Aus meinem Leben – Sowjetisches Tagebuch 1927, Zürich – St. Gallen 1993; Sammlung Stephan Kohler. Abbildungen zu Johannes Brahms: Christian Martin Schmidt, Johannes Brahms und seine Zeit, Laaber 1998; Christiane Jacobsen (Hrsg.), Johannes Brahms – Leben und Werk, Wiesbaden – Hamburg 1983. Künstlerphotographien: Roberto de Armas (Nesterowicz/ Titel); Mirek Pietruszyn´ ski (Nesterowicz/Bio); Fadil Berisha (Wang); Leonie von Kleist (Heidenreich); Privat (Aselmeyer, Lisboa ); Andrea Huber, Ralf Dombrowski (Buchenried); Mareike Foecking (Hauschka). Zubin Mehta Rudolf Buchbinder Dirigent Klavier Felix Mendelssohn Bartholdy Konzertouvertüre zu „Ruy Blas“ op. 95 Johannes Brahms Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 Pjotr Iljitsch Tschaikowsky Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74 „Pathétique“ Livestream ung Übertrag g, a m F r e it a 5 2 9 .0 5 .2 0 1 Donnerstag, 28.05.2015, 20 Uhr Freitag, 29.05.2015, 20 Uhr Sonntag, 31.05.2015, 19 Uhr Philharmonie im Gasteig Karten € 85,50 / 71,50 / 62,70 / 51,50 / 45,10 / 26,20 / 17,40 Informationen und Karten über München Ticket KlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de Calla unser Diamantring des Jahres 2015 Ein Schmuckstück mit Seele – höchste Handwerkskunst gepaart mit viel Liebe zum Detail lassen in der Diamantenmanufaktur SCHAFFRATH ein einzigartiges Schmuckstück entstehen. Ein Ring zum Verlieben – so unbeschwert wie die Liebe selbst. Weitere Informationen unter: w w w. s c h a f f r a t h 1 9 2 3 . c o m .