BABY Säuglingsnahrung: Werbung in der Kritik «Mütter werden verunsichert und getäuscht» Künstliche Babymilch sei der Muttermilch ebenbürtig. Das suggeriert die Werbung der Hersteller. Fachleute protestieren gegen die fragwürdigen Werbebotschaften. ach dem Vorbild Muttermilch: In grossen Buchstaben prangt der Werbespruch auf der Verpackung «Bio Combiotik» von Hipp, einem Ersatz für Muttermilch für Säuglinge nach der Geburt. Denselben Wortlaut verwendet Nestlé in ihrem Inserat für «Beba» in der Zeitschrift Hebamme.ch. Milupa wirbt dort für «Aptamil» mit den Worten: «Inspiriert vom Modell Muttermilch». Solche Werbebotschaften stossen Fachleuten sauer auf: Die Stillkommission des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung kritisiert, dass industrielle Säuglingsnahrung der Muttermilch gleichgesetzt würde. Das sei «sachlich falsch» und könne «Eltern verunsichern und täuschen». Auch Berthold Koletzko von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin kritisierte kürzlich im deutschen «Ärzteblatt»: «Die Zusammensetzung dieser Produkte ist der Muttermilch keineswegs ähnlich.» Die Mütter würden mit dieser Werbung getäuscht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Säuglinge sechs Monate lang zu stillen. Muttermilch N Gesundheitstipp Februar 2012 Industrielle Babynahrung: Kein gleichwertiger Ersatz für Muttermilch sei das Beste für die Gesundheit der Kinder. In der Schweiz «absolut konform» Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz kaum Kritik. Eine Vereinbarung zwischen Stillorganisationen und der Nahrungsmittelindustrie hält ausdrücklich fest, dass Firmen ihre Produkte mit Aussagen wie «nach dem Vorbild der Muttermilch» anpreisen dürfen. Nestlé und Hipp berufen sich gegenüber dem Gesundheitstipp auf diese Vereinbarung. Ihre Werbebot- schaft sei deshalb «absolut konform», sagt Nestlé. Hipp schreibt auf ihrer Webseite, mit der Werbeaussage würde die Firma den Müttern zwar «den Fortschritt der Entwicklung unserer Säuglingsnahrung» kommunizieren, aber nicht eine «Überlegenheit oder Gleichsetzung» mit der Muttermilch. Christine Aeschlimann von der Stiftung Stillen spricht von einem «Kompromiss». Sie sagt, das Ziel der Stiftung sei, dass die Industrie ganz auf solche Formulierungen verzichte. In Deutschland haben Kinderärztegesellschaften und Stillkommission kürzlich bei den Herstellern gegen die Werbemethoden protestiert. Dabei berufen sie sich auf die Vereinbarung mit der WHO. Gemäss dieser dürfen die Hersteller in der Werbung keine Bilder oder Texte benutzen, die künstliche Muttermilch idealisieren. Geändert hat sich allerdings nichts: Die fragwürdigen Werbebotschaften finden sich nach wir vor nicht nur in Inseraten, sondern auch auf den Firmenseiten im Internet. Gemäss dem deutschen Diätverband, in dem die Hersteller Nestlé (Beba), Danone (Milupa) und Hipp organisiert sind, liegen «offenbar unterschiedliche Interpretationen» der Vorgaben vor. Die Auflagen für das Bewerben von künstlicher Muttermilch würden «nicht in Frage gestellt», schreibt der Verband in einer Stellungnahme. Isabelle Meier 11