1. kammerkonzer t Klavier Solo 2 1. Kammerkonzert „Klavier, kerzengerade wie eine ‚1‘, weitere in Flügelform nach dem Vorbild aller Tiere der Schöpfung. Violinen aus gummiertem Papier, mit Krokodilshaut bespannte Trommeln, kolossale Harfen mit einer speziellen Rutschbahn für Glissandi. Die Oboen … es ist selten, mehrere Instrumentalisten auf demselben Instrument spielen zu sehen, wie es täglich auf dem Klavier praktiziert wird – Es gibt keine vierbackigen Stücke für Oboe, wenn man so sagen darf. 2 Ventifllöten (Fis), 1 Alt-Überzieher (C), 1 Türklinke (E), 2 Zugklarinetten (Ges), 1 Siphon (C), 2 Klaviaturposaunen (Des), 1 Fellkontrabaß (C), Chromatischer Zuber in H.“ Erik Satie, Attraktionen Donnerstag, 10. September 2015, 20.00 Uhr Staatstheater Darmstadt, Kleines Haus Ludwig van Beethoven (1770–1827) Fantasie g-Moll op. 77 (1809) Allegro – Poco Adagio Franz Liszt (1811–1886) Deux Légendes (1866) Nr. 1 Der heilige Franz von Assisi – Die Vogelpredigt Nr. 2 Der heilige Franz von Paola – Auf den Wogen schreitend Hexaméron, Morceau de concert (1837) Introduktion: Extrêmement lent (Liszt) Tema: Allegro marziale (Liszt) Variation I: Ben marcato (Thalberg) Variation II: Moderato (Liszt) Variation III: di bravura (Pixis) – Ritornello (Liszt) Variation IV: Legato e grazioso (Herz) Variation V: Vivo e brillante (Czerny) – Fuocoso molto energico; Lento quasi recitativo (Liszt) Variation VI: Largo (Chopin) – (Coda) (Liszt) Finale: Molto vivace quasi prestissimo (Liszt) Claude Debussy (1862–1918) L’Isle Joyeuse (1904) Trois Images Oubliées (1894) I. Lent, mélancolique et doux II. Souvenir du Louvre III. Quelques aspects de „Nous n’irons plus au bois“ Ignaz Friedman (1882–1948) „Schatzwalzer“ – Konzertarrangement nach Johann Strauß (1933) Leopold Godowsky (1870–1938) Symphonische Metamorphosen Johann Strauß’scher Themen (1912) Nr. 2 „Die Fledermaus“ Klavier Joseph Moog Pause Ton- und Videoaufnahmen sind nicht gestattet. Bitte schalten Sie Ihre Mobiltelefone aus. Nach dem Konzert signiert Joseph Moog seine CDs. Beethoven Die „Fantasie H-Dur op. 77“, komponiert 1808/09 und dem Grafen Franz von Brunsvik gewidmet, wirkt wie ein Modellfall einer großen Fantasie, anknüpfend an bedeutende Vorgängerinnen wie die „Chromatische Fantasie“ von Johann Sebastian Bach und die „c-Moll-Fantasie“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Beethoven versteht es hier, den Eindruck nahezu ziellosen Fantasierens und Improvisierens zu erwecken und dabei sein Strukturkonzept fast perfekt zu verstecken. Bereits der „Umweg“ des Beginns über g-Moll ist ein solches Mittel des Verwirrspiels; auffallend ist im weiteren Verlauf der ständige Wechsel von fantasieartig freien Passagen mit solchen, die zumindest den Ansatz zu einem festen Formverlauf zu suchen scheinen. Dabei baut sich ein allmählich anwachsender Spannungsbogen auf, der konsequent auf den Schluss, auf die Variationen über ein liedhaft-schlichtes Thema, ausgerichtet ist. Beethoven hat die Fantasie im Oktober 1809 vollendet, und die Skizzen vermischen sich mit jenen zum „5. Klavierkonzert op. 73“ und der „Chorfantasie op. 80“, ebenfalls Werken mit freien, improvisatorischen Einleitungen für Klavier. Inwiefern die bei der Uraufführung am 22. Dezember 1808 improvisierte, erst 1809 nachkomponierte Klaviereinleitung von op. 80 mit op. 77 zu tun hat, ist kaum zu klären. Zwischen den vorangehenden, mehr oder weniger pianistisch-virtuosen Abschnitten in unterschiedlichen Tempi tauchen vorausweisend immer wieder einzelne kürzere besinnliche Passagen auf, die den aufmerksamen Hörer auf eben diesen ausgedehnteren Schluss vorbereiten sollen. So ergibt sich insgesamt das kaleidoskopartig schillernde Bild einer raffiniert geplanten Komposition von überdies beachtlichem pianistischem Anspruch. Carl Czerny (der Lehrer von Liszt) sah das Stück noch als Musterbeispiel eines „Capriccio“, der „freiesten Art des Fantasierens; nämlich ein willkürliches Aneinanderreihen eigener Ideen ohne besondere Durchführung, ein launiges schnelles Abspringen von einem Motiv zum anderen, ohne weiteren Zusammenhang, als den der Zufall oder absichtslos der Musiksinn des Spielers gibt“. Er schrieb: „Diese sehr geistreiche Fantasie gibt ein getreues Bild von der Art, wie er zu improvisieren pflegte, 5 wenn er kein bestimmtes Thema durchführen wollte und sich daher seinem Genie in Erfindung immer neuer Motive überließ.“ Und entsprechend Ignaz Moscheles: „Mir scheint, als habe Beethoven sich darin selbst wiedergeben wollen, wie er sich unvorbereitet, vielleicht gar übler Laune ans Instrument setzt und im Reich seiner Gedanken planlos herumfährt. Ich selbst habe ihn zuweilen auf solche Weise spielen hören, und immer sind mir solche Momente beim Anhören dieser Phantasie unwillkürlich wieder eingefallen.“ Die Form des Stückes ist auf dem Hintergrund der zu Beethovens Zeit improvisierten oder veröffentlichten Fantasien, ob sie von großen Virtuosen stammen oder der Salonfantasie zuneigen, nichts Außergewöhnliches. Arnold Schönberg sah, wie üblich, den Sachverhalt nüchtern: Man könne das „außerordentlich fantastische Stück, Introduktion und Thema mit Variationen’ nennen, wäre die Zahl der Themen nicht zu beträchtlich und ihr Auftreten nicht zu unabhängig, um als Introduktion zu gelten“. (Riethmüller) Paul Bekker schreibt in seinem großen Beethoven-Buch aus der Zeit der Weimarer Rpublik: „In der Form seiner Fantasien entfaltet Beethoven dieselbe unerschöpfliche Gestaltungskraft wie in der Erfindung der Gedanken. Es gibt bei ihm kein feststehendes Schema, wie etwa bei den mittelmäßigen Talenten, die, von der Mode zum freien Fantasieren gezwungen, sich meist an die stereotype Variationenform klammern. Beethoven entwirft fast jedesmal ein anderes Bild“. Liszt Liszt lebte nach seinen Jahren in Paris und Weimar ab 1861 in Italien, nachdem er dort 1858 auch in den Franziskanerorden eingetreten war. Er trug später ab 1865 auch die Tonsur und erhielt einige der niederen Weihen, die ihn aber nicht zum Zölibat verpflichteten. Aus der Zeit um 1863 stammen die beiden Solo-Klavierstücke „Deux Legendes“. „Mein Hang zum Katholizismus rührt von meiner Kindheit her und ist ein bleibendes und mich beherrschendes Gefühl geworden“, notierte Liszt. Das erste der Werke „Der heilige Franz von Assisi – Die Vogel- ZUM PROGRAMM 4 predigt“ ist Cosima von Bülow, seiner Tochter und späteren Gattin Richard Wagners gewidmet. Im (französischen) Vorwort der ersten Notenausgabe ist nicht nur die Legende vom heiligen Franziskus abgedruckt, so wie sie Liszt in einem ins Französische übertagene Büchlein 1860 in Paris las (ganz im Stil des restaurativen Katholizismus dieser Zeit). Er schreibt auch Cosima voller Understatement diese Widmung: „Das, was man den geistigen Beweggrund der Komposition nennen könnte, ist aus einer der rührendsten Episoden des heiligen Franziskus von Asssi entnommen, die in unnachahmlicher Grazie in den „Fioretti di San Francesco“ erzählt wird, einem kleinen Buch, das zu einem Klassiker der italienischen Sprache geworden ist. Mein Mangel an Geschicklichkeit, und vielleicht auch die Grenzen musikalischer Ausdruckfähigkeit in einem Werke von nur kleinerem Umfange, einem Instrumente angepasst, das wie das Klavier so sehr der verschiedenartigen Akzente und Klangfarben ermangelt, haben mich gezwungen, mich einzuschränken und um vieles das wunderbare Übermaß der Predigt zu den kleinen Vögeln zu vermindern (…)“. Das Werk wirkt wie eine frühe Version von Debussy-Klaviermusik – beinahe impressionstisch. Liszt fängt das ständige Trillern der Vögel ein, und Franziskus predigt auch nicht mit drohenden Höllenvisionen, sondern schlicht und melodisch. Den Höhepunkt in der Mitte des Stückes markieren Akkorde, die so Liszt-typisch himmelwärts streben, die in hohe harmonische Regionen hinaufzusteigen scheinen. Zum Ende des Werkes wird das Trillern der kleinen Vögel leiser. Inspiration für die Legende „Der heilige Franz von Paola – Auf den Wogen schreitend“ ist ein Bild mit dem Motiv der Heiligenlegende, das Liszt von seiner verehrten Fürstin Caroline zu Sayn-Wittgenstein geschenkt bekommen hatte. Auch in den Noten zur zweiten Legende ist die Erzählung gedruckt. Es ist ein äußerst sinnfälliges Stück, das ein ruhiges Schreiten zugleich mit unruhigen Oktav-Repetitionen und oft chromatischen „Wellenbewegungen“ in den tiefen Lagen des Klaviers vereint. Der Höhepunkt in Akkordrepetitionen ist aus dem eingänglichen Thema entwickelt und klingt fast wie ein Kirchenlied aus dem 19. Jahrhundert. 7 Das „Hexameron“ lehrt nicht nur die Pianisten immer noch das Fürchten, es ist auch ein Kompendium der virtuosen Klaviermusik von 1837. Die Prinzessin Cristina Belgiojoso war nicht nur wegen ihrer außerordentlich hohen Mitgift ein Begriff, sie unterhielt ab den 1830er Jahren in Paris auch einen Salon, in dem die späteren Revolutionäre der italienischen Unabhängigkeitsbewegung verkehrten. Der Salon hatte naturgemäß auch auf die Künstler einige Anziehungskraft, und Liszt wurde von der Belgiojoso zu einem Werk überredet, das er zusammen mit seinen fünf besten KlavierMitstreitern schreiben sollte. Plan war, das Marschthema aus Bellinis Oper „I Puritani“ zu einem Variationenwerk zu nutzen, eine Melodie also, die sattsam bekannt war und trotz ihrer nobleren Herkunft zum echten Gassenhauer taugte. Gedacht für ein Benefizkonzert in dem Pariser Salon der Prinzessin für den 31. März 1837 wurde das „Hexameron“ zwar nicht pünktlich fertig, aber dafür „duellierten“ sich Liszt und Thalberg als Virtuosen. Thalbergs Werke – zumeist zeittypische Paraphrasen über bekannte Opermelodien – sind heute so gut wie vergessen, doch füllte er in seiner Bühnen-Laufbahn damit die größten Säle in den Metropolen Europas. Das fertige „Hexameron“ wurde ein Werk aus einem Guss, auch wenn es sechs verschiedene Autoren hat. Hier scheint Liszt seine ordnende Hand im Spiel gehabt zu haben. Zwar sind die musikalischen Persönlichkeiten der jeweiligen Komponinsten – besonders die von Liszt und Chopin – zu hören, aber das „Hexameron“ zerfällt deswgen nicht in beliebige Einzelteile. Frédéric Chopin, Carl Czerny, Henri Herz, Johann Peter Pixis und Sigismund Thalberg steuerten Variationen bei und das oft in sich gegenseitig überbietendem technischen Anspruch. ZUM PROGRAMM 6 8 Es fällt schwer zu glauben, das der junge Debussy als Rebell galt, insbesondere bei den Gralshütern im – wie der Name schon sagt – Konservatorium. Er befreite sich von der Regeln der funktionalen Harmonik und des knöchernen Kontrapunkts und erfand bis dahin nicht gehörte Akkordfolgen in seinen Improvisationen. „Seid ihr unfähig Klänge zu hören, ohne ihre Herkunft und ihren Reisepass zu kennen. Woher kommen Sie? Wohin gehen sie? Müsst ihr das wissen? Hört doch einfach zu, das genügt“, soll er seinen erstaunten Kommilitonen zugerufen haben. 1903 vermutlich angeregt durch das Watteau-Gmäle „L’Embarquement de Cythere“ (Einschiffung nach Kythera) schrieb er das Werk „L’ isle joyeux“. Debussy selbst meinte: „Mon dieu, wie ist das schwer zu spielen, dieses Stück vereinigt in sich, wie es mir scheinen will, alle Arten mit dem Klavier umzugehen, denn es verbindet Kraft und Anmut, wenn ich so sagen darf …“ Im Sommer 1904 in der Sommerfrische auf der Kanalinsel Jersey arbeitete er das Stück um. Englisch-Französisch ist der Titel, der Charakter von heiterer Grundstimmung wie ein Sonnentag am Meer, und trotz des immensen klaviertechnischen Anspruchs wirkt das Stück fließend, gelöst und leicht. Es gibt in dem dreiteiligen Stück Triller- und Wellenbeweungen, die wie das flirrende Meer-Licht eines Sommertages wirken. Arabeske Melodien, deren Klänge machmal vom Mittelmeer herüber zu wehen scheinen, manchmal auch aus der Volksmusik von Südengland, dazu die für Debussy so typische Harmonik, all das macht das Werk zu einem der berühmtesten Werke des musikalischen Impressionismus. Der Notentext des dreiteiligen Zyklus’ der „Images (oubliées)“ (vergessene Bilder) trägt den Eintrag „Winter 1894. Zu diesem Zeitpunkt hatte Debussy schon seine Sprache gefunden: Das „Prélude à l’ après midi d’ un faune“ war orchestriert, das Streichquartett geschrieben, seine Oper „Pelléas et Mélisande“ uraufgeführt. Gleich im ersten Stück („Lent et doux“) begegnet man den charakteristischen Debussy-Harmoniefolgen. Es sind zwar Miniaturen, aber mit hohem künstlerischen und auch spieltechni- schen Anspruch. Mit einem Rückgriff auf Formmodelle des Barock – auch dies ist im Werk von Debussy und Ravel häufig anzutreffen – gestaltet er das zweite Stück. Diese „Sarabande“ wirkt wie eine leicht verschwommene Erinnerung an ältere Tage. „Dans le mouvement d’une Sarabande, c’est à dire avec une élegance grave et lente, meme un peux vieux portrait, souvenir de Louvre etc. (In dem Satz aus einer Sarabande, es ist sozusagen mit einer schweren und langsamen Eleganz, gleich ein wenig wie in einem alten Porträt, eine Erinnerung aus dem Louvre), schreibt Debussy über den zweiten Teil des Zyklus’ . Im dritten und sehr schnellen Teil (Très vite) kann man Debussy als Ironiker kennen lernen (sicher eine Hommage an den verehrten Kauz Erik Satie). Das steht nicht nur was von „einigen Gesichtspunkten, dass wir nicht mehr in den Wald gehen … ). Offenbar ist eine Landpartie vom Wetter überrascht worden. Am Ende spielt eine Glocke, „die sich nicht um den Rhythmus schert …“ Friedmann Ignaz Friedmann, geboren 1882 in Podgórze, einem Stadtteil Krakaus, ist universal gebildet. Neben dem Philosophiestudium studiert er gleichzeitig Klavier bei Flora Grzywinska in seiner Heimatstadt. Später in Wien, wo er außerdem Vorlesungen in Musikwissenschaft und Komposition hört, unterrichtet ihn Theodor Leschetizky. Kompostionsschüler ist er auch bei Hugo Riemann in Leipzig. 1904 debütiert er in Wien mit drei Konzerten an einem Abend. Es ist der Auftakt zu einer weltumspannenden Karriere mit über 2800 Konzerten in Europa, Amerika, Afrika und Asien, darunter zahlreiche Duoabende mit dem Star-Geiger Bronisław Huberman. Er lebt zunächst in Berlin, ab 1918 in Kopenhagen, dann bei Washington. Während einer Australientournee 1941 entschließt er sich, nicht mehr in das vom Krieg geschüttelte Europa zurückzukehren, sondern in Sidney zu bleiben, wo er 1948 stirbt. Seine Interpretationen und seine technischen Fähigkeiten sind ähnlich beeindruckend, wie die seines Zeitgenossen Leopold Godowsky: Er nutzt ein breites dynamisches und agogisches Spektrum, ohne die musikalische ZUM PROGRAMM Debussy 9 Balance zu verlieren; zeittypisch sind häufige Eingriffe in die Kompositionen. Ignaz Friedmann gibt in redigierten (aber nicht urtextlichen, kritischen) Neuausgaben Klavierwerke von Chopin, Schumann und Liszt heraus und tritt mit 80 Werken auch selbst als Komponist von Liedern, Klaviermusik und Kammermusik hervor. Sein vor Humor funkelndes „Schatzwalzer“-Arrangement spielte er oft am Ende seiner Konzert-Recitals und – wie zu erwarten – überschlug sich das Publikum danach vor Begeisterung, zumal im alten Europa, wo der „Schatzwalzer“ aus der Operette „Der Zigeunerbaron“ zu den bekanntesten Werken gehörte. (Auch Anton Webern hat übrigens ein Kammermusik-Arrangement des „Schatzwalzers“ geschrieben …) Friedmann war einer der wichtigsten Interpreten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und es ist umso erstaunlicher, dass er trotz seiner SchellackPlattenaufnahmen nahezu in Vergesenheit geriet. Der Autor Allen Evans, der 1990 eine minutiös recherchierte Biographie von Friedmann vorlegte, schrieb: „Friedmanns einzigartiges Klavierspiel erinnert an das Zeitalter, in dem Komponisten und ihre Jünger neue Werke schreiben und um den Rang wetteifern. (…) Friedmanns eigene Definition von Musik ist diese: „Es gibt die Noten, es gibt was hinter den Noten, es gibt was zwischen den Noten …“ zitiert ihn Evans in einer Ankedote. Godowksy Godowskys Lebenlauf liest sich wie das Leben eines echten Bohèmiens. Leopold Godowsky wurde 1870 in Žasliai in Polen geboren und tritt erstmals mit neun Jahren als Pianist auf. Ab 1884, im Alter von 14 Jahren, studierte in Berlin. Nach einem Streit über Chopins Musik, die sein Lehrer Rudorff als Salonmusik abtut, bricht er sein Studium in Berlin ab und reist durch Amerika, gibt Konzerte mit den Sängerinnen Clara Louise Kellogg und Emma Thursby und mit dem Geiger Ovide Musin. 1887 zieht es ihn zurück nach Europa, er lebt in Paris und London und vertieft seine musikalische Ausbildung bis 1890 bei Camille Saint-Saëns. Nach seiner Hochzeit mit Frieda Saxe wird amerikanischer Staatsbürger und lehrt als Professor in 11 Philadelphia und Chicago. 1900 lässt sich der mittlerweile 30jährige in Berlin nieder, wo er auch nach seinem Debüt als Solist in aller Munde ist. Von 1909 bis 1914 tritt er die Nachfolge von Ferruccio Busoni als Professor für Klavier an der Musikakademie in Wien an. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs übersiedelt er endgültig in die USA, wo er nach 1922 nicht mehr öffentlich spielt. Mit dem Börsenkrach 1929 verliert er auch noch sein Vermögen, so dass er die Idee hat, seine Konzerttätigkeit in den USA wieder aufzunehmen. Aber 1930 muss er seine Laufbahn als Pianist abrupt beenden. Ein Schlaganfall ereilt ihn bei einer Aufnahme-Sitzung von Chopin-„Nocturnes“. Er stirbt 1938 in New York. Zu seinen bekannteren Klavierwerken gehören die Bearbeitungen und Klaviertranskriptionen aber auch seine „Sonate e-Moll“ (1911), drei „Symphonische Metamorphosen über Walzer von Johann Strauß“, „53 Studien über Chopins Etüden“, „Kadenz und Fuge über ein Thema nach den ersten acht Takten von Schuberts Unvollendeter Symphonie“ (1927) und das „Präludium und Fuge über Bach für die linke Hand“ (1929). Humor hatte er wohl auch, wie seine Bearbeitungen zeigen. Die „Symphonische Metamorphosen über die Fledermaus“ sind zwar ein großes Bravourstück, das durch die wiederkehrenden Themen der „Fledermaus Ouvertüre“ strukturiert ist. Im Notentext sind aber zusätzlich die Gesangstexte aus der Operette, dort wo sie paraphrasiert werden, erwähnt. Paraphrase ist hier wörtlich zu nehmen. Von ihrer metrischen Gestalt bleiben die Themen wie im Original, aber melodisch und harmonisch bewegt sich Godowsky oft in Regionen, die vom Original absurd weit entfernt sind. Zwar verlässt er nicht das Dur-Moll-Grundgerüst, aber es gibt Passagen, die man auch für Musik des frühen Schönberg halten könnte. Wollte er dem damit ein Schnippchen schlagen? Gernot Wojnarowicz ZUM PROGRAMM 10 12 „Clearly he is already among the most brilliant of pianists“ Bryce Morrison, Gramophone Sowohl als Interpret des gängigen, als auch des seltenen oder in Vergessenheit geratenen Repertoires hat sich der junge Pianist international einen Namen gemacht, aber auch eigene Kompositionen bereichern immer wieder seine Klavierabende. Nach seinem Konzert in Darmstadt eröffnet er die Saison 2015/16 mit der legendären ‚Meisterpianisten‘-Reihe im Concertgebouw Amsterdam mit Werken von Beethoven, Tchaikovsky, Godowsky und Liszt. Es folgen Debüts mit dem Beethoven Orchester Bonn, BBC National Orchestra of Wales, Philharmonie Zuidnederland und ein Recital im Moskauer International House of Music. Im Januar 2016 kehrt Joseph Moog nach Paris ins Auditorium de Louvre zurück, wo sein Klavierabend live von Medici TV ausgestrahlt wird. Bedeutende künftige Engagements beinhalten ab Herbst 2016 Auftritte mit der Hong Kong Sinfonietta mit dem 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms und einen Klavierabend in der Kumho Arts Hall in Seoul, ferner eine Einladung nach Montréal, wo er mit dem Orchestre Métropolitain unter der Leitung von Yannick Nézet-Seguin im Frühjahr 2017 debutieren wird. Höhepunkte der vergangenen Saison waren Gastspiele beim Helsinki Philharmonic Orchestra, bei den Stuttgarter Philharmonikern, der Prague Philharmonia, beim Saarländischen Staatstheater, dem Poznan Philharmonic und dem Orchestre des Concerts Lamoureux im Salle Gaveau in Paris. Von besonderer Bedeutung war auch die Aufführung des Klavierkonzerts von Alexander Skrjabin zum 100. Todestag des Komponisten im Konzerthaus Dortmund im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr. Weitere Klavierabende führten ihn zur Lancaster International Concert Series, zur Vancouver Recital Society, zum New Ross Piano Festival, zu den Fribourg International Concert Series, Istanbul Recitals und zum Eesti Kontsert Piano Festival in Tallinn. J O SE P H M O O G 13 Joseph Moog ist weltweit in zahlreichen bedeutenden Konzerthäusern zu Hause: Hierzu zählen das Mariinsky Theater St. Petersburg, die Royal Albert Hall London, De Doelen Rotterdam, das Auditorium della Conciliazione Rom, der Salle Gaveau in Paris, auch die Konzerthäuser Dortmund und Berlin, die Alte Oper Frankfurt, die Laeiszhalle Hamburg und die Liederhalle Stuttgart. Darüber hinaus ist er ist regelmäßiger Gast bei internationalen Festivals wie La Roque d’Anthéron, dem Klavierfestival Husum oder dem Klavierfestival Ruhr. Sehr umfangreich ist auch die vielbeachtete Diskographie des jungen Künstlers, für die er neben hymnischen Kritiken in der internationalen Presse auch zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhielt. Seine achte CD, auf der er die „Grande Sonate“ von Tschaikowsky mit der zweiten Sonate von Xaver Scharwenka kombiniert, erschien im Juni 2014. Zusammen mit der Deutschen Radio Philharmonie unter der Leitung von Nicholas Milton spielte er die Klavierkonzerte von Grieg und Moszkowski für Onyx Classics ein, diese Aufnahme kam im Juni 2015 auf den Markt. Dafür erhielt er soeben die Auszeichnung „Editors Choice“ des „Grammophone Magazines“. Bereits zwei Mal gewann Joseph Moog den International Classical Music Award (ICMA) als „Young Artist of the Year 2012“ und als „Instrumentalist of the Year 2014“, den „Musikpreis der Deutschen Konzertdirektionen“, zwei Mal den „Editor’s Choice“ des Gramophone Magazins, vier Mal den „SuperSonic Award“, die „Förderpreise des Landes Rheinland-Pfalz“ und des „Schleswig-Holstein Festivals“, den „Pianist’s Choice“, den „Prix Groupe de Rothschild“ (Sommets Musicaux de Gstaad) und den „Rhein-Mosel Musikpreis“. Joseph Moog wurde 1987 in Ludwigshafen als Sohn zweier Musiker geboren und begann früh mit dem Klavierspiel. Er studierte als Jungstudent zunächst an der Musikhochschule Karlsruhe, danach bei Bernd Glemser an der Musikhochschule Würzburg und bei Arie Vardi an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. www.josephmoog.com 1. Konzert Soli fan tutti Sonntag, 13. September 2015, 11.00 Uhr, Foyer Großes Haus Zoltan Kodaly Serenade für zwei Violinen und Viola Alban Berg Vier Stücke für Klarinette und Klavier op. 5 Johannes Brahms Klavierquartett A-Dur op. 26 Violine Megan Chapelas, Makiko Sano Viola Anja Beck Violoncello Albrecht Fiedler Klarinette Felix Welz Klavier Erika Le Roux K on z e r thin w e is e Eine enge Beziehung verbindet den jungen Künstler seit seinem Debüt im November 2014 mit der Wigmore Hall in London, wo er in den kommenden vier Spielzeiten regelmäßig in der Recitalserie zu Gast sein wird. Auch in Nordamerika hat sich Joseph Moog profiliert, denn auf sein Debüt mit dem Colorado Symphony Orchestra unter der Leitung von Gilbert Varga 2011 folgten Einladungen zu den Gilmore International Piano Series in Kalamazoo, der Frick Collection in New York, den Philip Lorenz Memorial Concerts in Fresno, dem Portland Piano Festival, Ravinia Festival, der Washington Performing Arts Society und dem Miami International Piano Festival. 15 J O SE P H M O O G 14 16 1. Teddybärenkonzert Ali und der Zauberkönig Mittwoch, 30. September 2015, 10.00 und 11.30 Uhr, Kammerspiele Ein musikalisches Märchen für Kinder (nach einem afrikanischen Märchen) Sprecherin Karin Klein Dirigentin Ines Kaun 1. Sinfoniekonzert Sonntag, 11. Oktober 2015, 11.00 Uhr, Großes Haus Montag, 12. Oktober 2015, 20.00 Uhr, Großes Haus Györgyi Ligeti Poème Symphonique Anton Bruckner Sinfonie Nr. 8 c-Moll Das Staatsorchester Darmstadt Dirigent Will Humburg Impressum Spielzeit 2015 | 16, Programmheft Nr. 1 | Herausgeber: Staatstheater Darmstadt Georg-Büchner-Platz 1, 64283 Darmstadt, Telefon 06 15 1 . 28 11-1 Intendant: Karsten Wiegand | Geschäftsführender Direktor: Jürgen Pelz Redaktion und Texte: Gernot Wojnarowicz. Mitarbeit: Malte Spalink Fotos: Thommy Mardo, Paul Marc Mitchell Sollte es uns nicht gelungen sein, die Inhaber aller Urheberrechte ausfindig zu machen, bitten wir die Urheber, sich bei uns zu melden Gestalterisches Konzept: sweetwater | holst, Darmstadt Ausführung: Hélène Beck | Herstellung: Drach Print Media, Darmstadt 17 „Es gibt die Noten, es gibt was hinter den Noten, es gibt was zwischen den Noten …“ Ignaz Friedmann 18